Der Abenteurer Paulus

Apostelgeschichte 21 – 28

 

Predigt Andreas Symank

Missionskonferenz der MRM (Missionsmannschaft Rotes Meer)

Rämismühle, 20. Juni 1999

 

 

Ich muß mich zunächst einmal bei Ihnen entschuldigen. Ich habe Ihnen nämlich eine ungewöhnliche Rolle zugedacht. Sie sind heute meine Versuchskaninchen. Normalerweise geht es in einer Predigt um einen bestimmten Text oder ein bestimmtes Thema. So habe ich das bisher auch immer gehalten, aber heute habe ich zum allerersten Mal etwas anderes vor. Ich übersetze zur Zeit ja die Apostelgeschichte. Ein phantastisches Buch – anschaulich, packend, lebensnah und alltagstauglich. Und während ich so am Übersetzen bin, kommt mir hier ein Gedanke und dort ein Gedanke – kleine Beobachtungen anhand der Begebenheiten, die in der Apostelgeschichte geschildert werden. Was ich Ihnen heute morgen mitgebracht habe, ist also keine ausgewachsene Predigt, sondern eine Handvoll Gedankensplitter. (Übrigens stammen alle diese Beobachtungen aus dem hinteren Teil der Apostelgeschichte, aus den Kapiteln 21 bis 28. Das liegt daran, daß ich beim Übersetzen aus bestimmten arbeitstechnischen Gründen mit dem Schluß des Buches begonnen habe.) Was Sie zu hören bekommen, ist beinahe so etwas wie ein Diavortrag, nur eben nicht visuell, sondern verbal. Ich möchte Ihnen ein paar Bilder aus dem Leben des Apostels Paulus vorführen und daraus jedesmal eine kleine Lehre ziehen. Sieben solche Dias habe ich ausgewählt, und jedes habe ich mit einem Untertitel versehen.

 

Jetzt bleibt mir nur zu hoffen, daß meine Versuchskaninchen mir nicht davonhoppeln, sondern daß sie von dem, was sie vorgesetzt bekommen, einigermaßen satt werden.

 

 

Erstes Dia: Bangemachen gilt nicht

 

Es gibt zahllose Gemälde, auf denen der Apostel Paulus dargestellt ist – so, wie ihn sich der jeweilige Künstler vorgestellt hat. Meist sieht man da einen gesetzten älteren Herrn mit wallenden Gewändern und Rauschebart – sehr würdig, aber auch ziemlich steif und unbeweglich.

 

Wenn ich in der Apostelgeschichte lese, entsteht bei mir ein ganz anderes Bild von diesem Mann. Was war Paulus für ein Tausendsassa! Wo hat er nicht alles mitgemischt, engagiert und couragiert bis in die Haarspitzen! Und nirgends ließ er sich unterkriegen – ein richtiges Stehaufmännchen. Paulus, der Abenteurer Gottes.

 

Nehmen wir z. B. Kapitel 21. Paulus befindet sich gerade im Tempel in Jerusalem. Mit einem Mal fällt eine aufgehetzte Menschenmenge über ihn her. Sie zerren ihn aus dem Tempel, schlagen auf ihn ein, prügeln ihn halbtot. Und sie hätten ihn bestimmt auch noch mausetot geschlagen, wenn nicht in letzter Sekunde der Kommandant der römischen Garnison mit seinen Soldaten eingegriffen hätte. Er befiehlt, Paulus zu fesseln und in die Kaserne zu bringen. Die Meute tobt dermaßen, daß die Soldaten Paulus hochheben und über ihren Köpfen tragen müssen, damit er nicht gelyncht wird! Vom Tempelplatz geht es eine große Freitreppe hoch, und endlich steht man vor dem Eingang der Kaserne – geschafft! Gleich öffnen sich die Kasernentore, dann ist man in Sicherheit.

 

Unsereins hätte nur noch diesen einen Gedanken: Nichts wie da rein, und dann erst mal die Augen schließen und tief durchatmen! Und dann würden wir unsere Wunden lecken; wir würden unsere Knochen abtasten, ob sie alle noch heil sind, würden Eisbeutel auf die blauen Flecken pressen, den Kopf zurücklegen, um das Nasenbluten zu stillen, und uns verarzten lassen.

 

Und was macht Paulus? „Moment mal, Kommandant! Bevor ihr mich da reinbringt – dürfte ich wohl noch kurz zu meinen Landsleuten sprechen?“ Und er stellt sich auf die oberste Stufe der Freitreppe, bittet mit einer Handbewegung um Ruhe und beginnt eine Rede. Er erklärt seinen Zuhörern, wie es bei ihm zu einer Lebenswende kam. Einerseits rechtfertigt er damit sein Handeln, für das sie ihn halbtot geprügelt haben; andererseits lädt er sie damit ein, sich ebenfalls auf die Seite von Jesus Christus zu stellen.

 

Verrückt, nicht? Woher hatte Paulus bloß die Kraft? Woher nahm er die Konzentration? Eine Rede halten in dem Zustand! Einfach irre! Wissen Sie, was ich daran sehe? Der Dienst für Jesus macht mutig! Ich glaube kaum, daß Paulus von Haus aus so ein Held war. Was ihn so mutig machte, war die Sache, für die er eintrat. Es war die Begeisterung für das Evangelium, diese einzigartige, unüberbietbare Botschaft. Es war die Liebe zu seinen Landsleuten, die er für Christus gewinnen wollte. Es war die Liebe zu Christus selbst und die Bewunderung, die er ihm entgegenbrachte. Für Jesus arbeiten zu dürfen beflügelt. Jesus macht klug; Jesus macht lebenstüchtig. Jesus nimmt uns die Angst.

 

Deshalb gilt Bangemachen hier nicht. Die Rolle von Angsthasen steht uns Christen nicht. Außerdem leben Angsthasen gefährlich – sie landen in der Regel auf dem Teller des Jägers. Wir haben wirklich keinen Grund, den Hasenfuß zu spielen. Wir haben die beste Nachricht – das Evangelium. Wir haben den mächtigsten Arbeitgeber – Gott. Wir haben den klügsten und liebevollsten Freund – Jesus. Wenn das kein Ansporn ist, für ihn zu arbeiten! Der Dienst für Jesus macht mutig.

 

 

Zweites Dia: Karriereknick

 

In Apostelgeschichte 22 schildert Paulus der Volksmenge seine Umkehr zu Jesus: Auf dem Weg nach Damaskus – plötzlich vom Himmel her ein unbeschreiblich helles Licht – Paulus stürzt geblendet zu Boden – er hört eine Stimme: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich?“ – er fragt zurück: „Wer bist du, Herr?“ und hört die Antwort: „Ich bin Jesus von Nazaret.“

 

Vor Damaskus hat Paulus sein Damaskus erlebt. Hier haben wir den Karriereknick im Leben dieses großen Mannes. Und was für ein Knick das war! Ein regelrechter Absturz, das totale Desaster! Paulus war nach dieser Begegnung nicht nur geknickt; er war am Boden zerstört, blind, hilflos, ratlos, am Ende.

 

Eben noch war er geachtet und gefürchtet, der starke Mann der jüdischen Regierung, der mit unerbittlicher Härte gegen die Jesusleute vorging. In sämtlichen Synagogen von Jerusalem spürte er die Christen auf und brachte sie ins Gefängnis, und wenn man beschloß, sie zu töten, stimmte er ausdrücklich zu. Immer weiter dehnte er seine Kreise aus: bis in die Städte außerhalb von Judäa verfolgte er sie, und jetzt war er sogar nach Damaskus unterwegs, der Hauptstadt von Syrien, ausgestattet mit allen nötigen Vollmachten des jüdischen Gerichtshofs und begleitet von ein Schar von Helfershelfern. Alle Christen zitterten vor ihm!

 

Und dann der Karriereknick, das jähe Ende: „Warum verfolgst du mich?“ – „Was soll ich tun?“ – „Tu, was ich dir sage!“ Paulus muß sich an der Hand nehmen und nach Damaskus führen lassen und wird erleben, daß ausgerechnet Christen ihm dort zurechthelfen. Christus nimmt – so könnte man sagen – Paulus gefangen, ehe Paulus die Christen gefangennimmt. Was für eine Demütigung, was für ein Gesichtsverlust!

 

Übrigens: Diese Frage, mit der Jesus Paulus anspricht, ist einfach genial – genial einfach und genial tiefgründig. Für Paulus stand bisher fest: Jesus ist tot, am Kreuz gestorben, begraben, aus. Wenn jemand behauptete, Jesus sei der Messias, dann war das eine Gotteslästerung, die zu Gottes Ehre mit allen Mitteln bekämpft werden mußte. Und jetzt hört Paulus diesen totgeglaubten Jesus zu ihm sprechen. Die Stimme liefert den Gegenbeweis: Jesus lebt, und daher ist er der Messias. Die bloße Tatsache, daß Jesus mit ihm spricht, zertrümmert die gesamte Ideologie des Paulus, das falsche Bild, das er sich zurechtgezimmert hatte. Mit einem Mal ist seine Grundüberzeugung dahin, ist der Motor abgewürgt, der ihn bisher antrieb; seine ganze Theologie liegt in Scherben. Was er getan hat, stellt sich als verkehrt heraus. Er meinte, ganz nah bei Gott zu sein, und war ihm in Wirklichkeit davongelaufen.

 

Und noch etwas wird Paulus durch die Frage Jesu klar: Sein Kampf gegen die Christen ist ein aussichtsloser Kampf. „Warum verfolgst du mich?“ sagt Jesus. Wer die Christen verfolgt, verfolgt Christus. Und deshalb wird Paulus die Gemeinde niemals kleinkriegen; Jesus stellt sich hinter sie und schützt sie mit seiner ganzen Macht. Es wird dem Wolf niemals gelingen, die Schafherde auszurotten. Und wie Paulus das begreift, wechselt er die Fronten. Er schließt sich dem Hirten an, dessen Schafe den Wolf überwinden.

 

Wissen Sie, was ich denken mußte, als ich diese Begebenheit las? Eigentlich bringt uns jede Begegnung mit Jesus einen Karriereknick! Natürlich nicht jedesmal in so großem Maßstab wie damals bei Paulus, aber doch. Jedesmal, wenn wir uns den Aussagen der Bibel stellen, jedesmal, wenn wir uns im Gebet in die Nähe Gottes wagen, werden eigene Werte als wertlos entlarvt, werden eigene Pläne auf den Kopf gestellt, werden eigene Verhaltensweisen als zerstörerisch aufgedeckt. Bei jeder Begegnung mit ihm will uns Jesus ein kleines Bißchen mehr ihm ähnlich machen, und das bringt jedesmal auch eine Korrektur unserer Lebensführung mit sich, einen kleinen oder größeren Knick für unsere karrieresüchtigen Ideen und Wünsche.

 

Bei Paulus war die ganze Existenz zerbrochen. Alles, wofür er so leidenschaftlich gekämpft hatte, war ihm aus den Händen geschlagen. Aber jetzt kommt das Unglaubliche: Jesus zertritt ihn nicht, er zerstört sein so sinnlos gewordenes Leben nicht. Im Gegenteil: Er nimmt diese zerbrochene Existenz und stellt sie in seinen Dienst. Mehr noch: Er macht Paulus zu seinem leitenden Angestellten, zum Chefunterhändler. Stellen Sie sich das vor! Wenn in einer Firma rauskommt, daß jemand jahrelang gegen den Chef gearbeitet hat, dann wird dieser Jemand auf der Stelle entlassen, und er kann von Glück reden, wenn er nicht noch strafrechtlich verfolgt wird. Aber hier bei Jesus geht es Paulus komplett anders: Er wird neu eingestellt, an einem anderen Posten, mit höherer Verantwortung als bisher. So ist Gott, so gut, so freundlich. Seine besten Jahre hatte Paulus noch vor sich. Wäre er ein Christenverfolger geblieben, kein Mensch würde sich heute noch an ihn erinnern. So aber ist er der große Paulus geworden, der Völkerapostel, der Lehrer der Nationen. Der Karriereknick war nicht das Karriereende; jetzt ging seine Karriere erst richtig los!

 

 


Drittes Dia: Missionshauptquartier

 

Paulus war ja Missionar, und was ein richtiger Missionar ist, braucht ein Missionshauptquartier, ein Zentrum, wo die Arbeit koordiniert wird, wo die Fäden zusammenlaufen, wo die Missionsprojekte ihren Anfang nehmen und ihren Abschluß finden.

 

Wenn man die Apostelgeschichte liest, stellt man fest, daß das Unternehmen Missionarische Dienste Paulus & Co. während seiner weitgespannten Tätigkeit mehrere solche Hauptquartiere besaß. Und das waren nicht etwa Hintertupfingen und Kleinkleckersdorf, sondern wirklich herausragende Städte – zunächst Antiochien (die größte Stadt Syriens und nach Rom und Alexandrien die drittgrößte Stadt der Antike überhaupt), später Ephesus (die Metropole Kleinasiens, der heutigen Türkei) und schließlich Korinth (eine der wichtigsten Städte Griechenlands). Wie viele missionarische Vorstöße wurden von diesen drei Hauptquartieren aus unternommen!

 

Aber dann wird Paulus in Jerusalem von Gegnern des Evangeliums verhaftet; er wird nach Cäsarea verfrachtet, der Hauptstadt der römischen Provinz Judäa, und wird dort am Amtssitz des römischen Gouverneurs für mindestens zwei Jahre ins Gefängnis gesteckt. Aus. Vorbei.

 

Seine Gegner frohlocken: Endlich haben wir ihn kleingekriegt, endlich ist es uns gelungen, ihn mundtot zu machen. Jetzt dauert es nicht mehr lang, dann bricht das ganze Imperium Paulinum zusammen. Paulus war schließlich der führende Kopf der „Nazarenersekte“, wie man die junge christliche Bewegung verächtlich bezeichnete. Überall in der Welt stiftete er die Juden zum Aufruhr an. Damit ist jetzt Schluß. Die Jesus-Bewegung trocknet aus. Ihr Pioniermissionar und Vordenker ist aus dem Verkehr gezogen. Jetzt muß das Unternehmen Paulus Konkurs anmelden.

 

Aber dann lesen wir in Kapitel 24,23: „Gouverneur Felix wies den zuständigen Offizier an, Paulus zwar weiterhin in Gewahrsam zu halten, ihm jedoch Hafterleichterung zu gewähren und keinen seiner Freunde daran zu hindern, ihm behilflich zu sein.“

 

Der Gefangene Paulus darf von seinen Freunden besucht werden! Sie dürfen ihm behilflich sein! Felix dachte, als er das gestattete, natürlich an die Versorgung mit Essen und Kleidung und ähnlichen Dingen. Aber wir können sicher sein, daß die Freunde des Paulus ihm noch in ganz anderer Hinsicht behilflich waren. Den Christen, denen bis dahin die Hände gebunden waren, öffnen sich plötzlich ungeahnte Möglichkeiten:

-         Christen treffen sich bei Paulus zum Gebet: Die Gefängniszelle wird zum Gebetszimmer.

-         Christen holen sich bei Paulus Rat und Wegweisung: Die Gefängniszelle wird zum Seelsorgezentrum.

-         Christen lassen sich bei Paulus in der christlichen Lehre unterweisen: Die Gefängniszelle wird zur Bibelschule.

-         Christen aus ganz Palästina, vielleicht sogar aus der Türkei und aus Griechenland, schauen bei Paulus herein, holen sich Anweisungen für evangelistische Vorhaben und Ratschläge für den Gemeindebau: Die Gefängniszelle wird zum Umschlagplatz für die christliche Bewegung, zur Informations- und Ideenbörse.

 

Und noch etwas: Eines Tages wird Paulus aus seiner Zelle geholt; er soll (im Rahmen des gegen ihn geführten Prozesses) vor dem römischen Gouverneur sprechen. Und wenig später wiederholt sich das Ganze: Diesmal soll Paulus sich vor König Agrippa verteidigen. Hätte sich Paulus das vorher je träumen lassen? Daß er die höchsten Repräsentanten des jüdischen Volkes und des Römischen Reiches unter seinen Zuhörern hat? Damals in Damaskus, als er sein Leben Jesus unterstellte, kündigte Jesus an, daß er das Evangelium auch vor Königen bezeugen würde. Paulus mag oft über diese Zusage nachgedacht haben. Vielleicht hat er in seinen verschiedenen Missionshauptquartieren Strategien entwickelt, wie dieses Ziel erreicht werden könnte. Aber geklappt hatte es vorläufig noch nicht. Und jetzt plötzlich, wo er in einer Gefängniszelle steckt, kommt es zustande. Vom Gefängnis aus führte der Weg auf den Gipfel seiner gesamten Missionstätigkeit.

 

Was folgt daraus? Mit der Festnahme des Paulus wollten seine Gegner der ganzen christlichen Bewegung einen tödlichen Schlag versetzen. Aber das ist ihnen gründlich in die Hose gegangen. Paulus bleibt der führende Kopf des Unternehmens, und er stiftet weiterhin heilsamen Aufruhr in aller Welt. Gott kann, wenn es sein muß, auch aus einer Gefängniszelle ein Missionshauptquartier machen.

 

 

Viertes Dia: Schön und traurig zugleich

 

In Apostelgeschichte 26 befinden wir uns in einem Audienzsaal, dem Prunkstück des Palastes in Cäsarea, den einst Herodes erbauen ließ und den später der römische Gouverneur zu seinem Amtssitz umfunktionierte. König Agrippa und seine Schwester Berenike sind in allem königlichen Prunk und Pomp erschienen, Gouverneur Felix ist da, ebenso die ranghöchsten römischen Offiziere und überhaupt alles, was Rang und Namen hat, die gesamte Prominenz der Stadt, alle Stars und alle Sternchen.

 

Und dann wird der Gefangene Paulus aus seiner Zelle geholt und in Fesseln vor die erlauchte Zuhörerschaft gestellt und aufgefordert, sich zu den Anklagen seiner jüdischen Gegner zu äußern.

 

Der größte Teil des Kapitels besteht aus einer langen Verteidigungsrede des Apostels. Er schildert seiner früheres Leben ohne Christus, seine spektakuläre Umkehr zu Christus und seine Sendung durch Christus.

 

Und jetzt möchte ich Ihnen zunächst den schönsten und dann den traurigsten Vers des Kapitels vorlesen. Zuerst der schönste Vers, Vers 28. Er stammt nicht von Paulus, sondern von König Agrippa. Nachdem Paulus gesprochen hat, ist der König offensichtlich so aufgewühlt, so gepackt, so in seinem Innersten getroffen, daß er ausruft: „Paulus, du redest so überzeugend, daß du demnächst noch einen Christen aus mir machst!“

 

Wissen Sie, warum ich diesen Vers so toll finde? Er zeigt: Das Evangelium ist eine Botschaft, die alle angeht und von allen verstanden wird. Es ist eine Botschaft für alle – für sämtliche Klassen der Gesellschaft und alle sozialen Schichten, für hoch und niedrig, reich und arm, mächtig und ohnmächtig, jung und alt, groß und klein. Ich weiß schon, daß sich das Evangelium zunächst vor allem in den unteren Bevölkerungsschichten des Römischen Reiches ausgebreitet hat, besonders unter den Sklaven, also unter Leuten, auf die die Elite verächtlich heruntersah. Und doch zeigt uns gerade Lukas in der Apostelgeschichte, daß immer wieder auch einflußreiche Männer und Frauen erreicht wurden und sich überzeugen ließen: ein könglicher Finanzminister (aus Äthiopien), ein hoher Offizier (Kornelius), ein einflußreicher Politiker (Sergius Paulus von Zypern), eine Geschäftsfrau (Lydia) usw. usw. Und hier haben wir den Höhepunkt: Sogar ein König findet das Evangelium überzeugend!

 

Und jetzt der traurigste Vers des Kapitels. Sie haben es bestimmt schon geahnt – es ist derselbe Vers: „Paulus, du redest so überzeugend, daß du demnächst noch einen Christen aus mir machst!“ „Demnächst“, sagt König Agrippa, und dann erhebt er sich und verläßt den Saal. Wie traurig! Wie schade! Was hat ihn wohl davon abgehalten, den letzten, den entscheidenden Schritt zu tun? Hielt er es für unter seiner Würde, sich mit den Sklaven und den Gefangenen auf eine Stufe zu stellen? Schämte er sich vor der Prominenz, die mit atemloser Spannung auf seine Reaktion wartete? Dachte er an seine Frauengeschichten (für die er unrühmlich berühmt war!) und wollte nicht verzichten? (Diese Berenike, die neben ihm saß, war zwar seine leibliche Schwester, aber ihr Verhältnis zueinander war das von Mann und Frau.) Oder dachte er an seine korrupten Machenschaften, die ihm Geld und Macht einbrachten, und wollte sie nicht drangeben?

 

Ob nun das eine oder das andere oder alles zusammen – was für eine bedauerliche, was für eine armselige Reaktion! „Demnächst“, sagt er, „es fehlt nicht viel“ – und damit ist für ihn die Sache abgeschlossen. Christus hatte ihn angesprochen, und wenn man alle Schönfärberei beiseite läßt, lautet die Antwort des Königs: Nein.

 

Erinnern Sie sich noch, wie es bei Paulus gewesen war? Auch ihn hatte Christus angesprochen, auch er fand das, was er hörte, überzeugend. Eben noch hatte er es König Agrippa geschildert. Und er hatte gesagt: „Ich gehorchte, ohne zu zögern“ (26,19). Sehen Sie den Unterschied? Beide hörten, beide fanden das Gehörte überzeugend. Agrippa erhob sich – und damit war Schluß. Paulus erhob sich – und es ging los! Wenn Gott durch sein Wort überzeugend zu uns redet – wie reagieren wir dann? Wie König Agrippa oder wie Paulus?

 

 

Fünftes Dia: Einer für alle

 

Das zweitletzte Kapitel der Apostelgeschichte, Kapitel 27, ist jener berühmte Bericht über die Schiffsreise des Häftlings Paulus von Cäsarea nach Rom, quer durchs halbe Mittelmeer, inklusive Seesturm und Schiffbruch, eines der ausführlichsten und aufschlußreichsten Dokumente der antiken Schiffahrtsgeschichte, und Lukas, der Verfasser der Apostelgeschichte, war selbst einer der Mitreisenden.

 

Da kommt ein großer Frachtsegler von Ägypten her, beladen mit Getreide zur Versorgung der Hauptstadt des Weltreichs. In Myra, an der Südküste der Türkei, steigt ein römischer Offizier mit einem Trupp Soldaten sowie einer Handvoll Gefangener zu; sie wollen nach Italien mitreisen.

 

Ich weiß nicht, ob die Matrosen erbaut waren über die neuen Passagiere. So ein Gefangenentransport bedeutet zusätzliche Umtriebe und bringt Unruhe mit sich. Der Offizier wird sicher das Kommando übernehmen wollen, und die Soldaten werden sich bestimmt nicht willenlos dirigieren lassen. Und da ist dieser eine Gefangene, Paulus, der zu allem Überfluß auch noch meint, er müsse ihnen gute Ratschläge erteilen: „Fahrt nicht weiter! Ich sehe große Gefahren voraus; wir riskieren Kopf und Kragen!“ Diese Landratte, hat null Ahnung von der Seefahrt und will uns belehren! Nichts da – wir segeln weiter!

 

Und prompt geraten sie in einen fürchterlichen Sturm, der von den Bergen Kretas über das Schiff hereinbricht. Vierzehn Tage lang treiben sie orientierungslos dahin, und am Ende der Irrfahrt zerschellt das Schiff auf einer Sandbank vor der Insel Malta.

 

Und die Besatzung? Die Seeleute, die Soldaten, die Gefangenen? Fanden sie alle den nassen Tod? Ja, sie hätten ihn gefunden, wenn nicht – ja, wenn Paulus damals in Myra nicht zugestiegen wäre. Mittendrin in diesen zwei Wochen voller Todesangst schickt Gott einen Engel zu Paulus und läßt ihm sagen: „Paulus, du brauchst dich nicht zu fürchten! Gott hat bestimmt, daß du vor dem Kaiser erscheinen sollst, und deinetwegen wird er allen, die mit dir auf dem Schiff sind, das Leben schenken“ (Vers 24). Wieso wurden alle gerettet? Es gibt nur einen Grund: Weil Paulus sich auf dem Schiff befand. Ohne ihn wäre das Schiff mit Mann und Maus untergegangen. Mit ihm und wegen ihm schenkte Gott allen das Leben. Ein Glück, daß er zugestiegen war!

 

Ich habe gedacht: Genau das ist die Bestimmung von uns Christen – wir sollen für unsere Umgebung ein Segen sein. Durch Abraham sollen alle Völker gesegnet werden. Durch den Sklaven Josef wurde der Ägypter Potifar und sein ganzes Anwesen gesegnet. Durch Paulus wurde die Schiffsbesatzung gesegnet und gerettet.

 

Dieser Segen, den Paulus den Mitreisenden brachte, zeigte sich nicht nur in dem Umstand, daß sie gerettet wurden, sondern auch ganz konkret am Verhalten des Paulus. Je länger der Sturm dauerte, desto deutlicher wurde, wer der eigentliche Kapitän auf dem Schiff war: Paulus. Natürlich hatte das Schiff einen fähigen Kapitän und tüchtige Matrosen. Aber im Orkan sackte ihnen allen das Herz in die Hose, und der Gefangene Paulus wurde zum heimlichen Kapitän, der Kommando und Kontrolle übernahm.

-         Paulus sagte exakt voraus, wie alles ausgehen würde: „Wir werden vor einer Insel stranden.“

-         Paulus befahl den Matrosen, die sich in einer Nacht- und Nebelaktion absetzen wollten, an Bord zu bleiben.

-         Paulus forderte alle zum Essen auf, nachdem sie vor lauter Anspannung und Ungewißheit tagelang nichts mehr zu sich genommen hatten und völlig geschwächt waren.

-         Paulus machte der demoralisierten Besatzung Mut: „Wir werden alle gerettet werden. Gott hat es mir versprochen.“

 

Unter Belastungen, sagt man, zeigt sich der wahre Charakter. Hier im Seesturm bewies Paulus Charakterstärke; er war die Ruhe selbst. Und woran lag das? Er hatte einen über sich, auf den er sich hundertprozentig verlassen konnte. Das machte ihn selbst gelassen, und andere konnten sich an ihm aufrichten. Mitten in der tobenden See gab es einen Halt, einen Fels in der Brandung: Paulus. So ärgerlich die Matrosen zu Anfang über diesen Passagier gewesen sein mögen – am Ende werden sie gesagt haben: Ein Glück, daß Paulus mitgereist ist.

 

 

Sechstes Dia: Pläne und Gegenpläne

 

Eine Frage, die die Kommentatoren im Zusammenhang mit der Schiffsreise von Apostelgeschichte 27 immer wieder beschäftigt hat, ist folgende: Warum um alles in der Welt hat Lukas so viel von dem begrenzten, kostbaren Platz, der ihm auf einer Schriftrolle zur Verfügung stand, für diese Geschichte verwendet? Lukas erzählt ja in der Apostelgeschichte von den Anfängen des Christentums, von der rasanten Ausbreitung des Evangeliums, von der Entstehung zahlreicher christlicher Gemeinden im gesamten Mittelmeerraum. Aber manches, was uns brennend interessieren würde – manche Entwicklung, manche Begegnung – faßt er in ein, zwei Sätzen zusammen; manches übergeht er völlig. Und dagegen dann diese endlos lange, minutiöse Schilderung der Seereise! Steht das in einem vernünftigen Verhältnis zum Rest? Sicher, Lukas war Augenzeuge, und vielleicht erinnert er sich deshalb nochmals so detailliert an jene aufregenden Tage zurück. Und es ist ja auch hilfreich zu sehen, wie Paulus mit so einer Krisensituation fertig wird. Aber trotz allem – die Länge des Kapitels scheint überproportional, ungerechtfertigt groß im Vergleich zu seinem geistlichen Wert.

 

Wissen Sie, was ich glaube? Lukas spielt hier ein bißchen Hitchcock. Wir kennen das alle von einem guten Krimi: Eigentlich müßte der Mörder jeden Augenblick entlarvt werden. Aber dann, in einem finsteren Hausflur, kriegt der Detektiv selbst eins über den Kopf und bricht bewußtlos zusammen. Und bis er wieder halbwegs repariert ist und seine Recherchen wieder aufnehmen kann, ist schon ein zweiter Mord passiert. Kurz und gut – die Spannung wächst, es knistert geradezu, der Leser ist hin- und hergerissen zwischen Hoffen und Bangen. „suspense“ nennt man diese Kunst des Hinauszögerns, die Vergrößung des Spannungsbogens, die Hitchcock bis zur Perfektion beherrschte und die ihn so berühmt gemacht hat.

 

Und hier in Apostelgeschichte 27? Nach Rom soll die Reise gehen. Das weiß der Leser längst. Paulus hat es in Kapítel 19,21 selbst gesagt: „Ich muß Rom einen Besuch abstatten“, direkt von Jerusalem aus. Doch dann tritt ein hinderlicher Umstand nach dem anderen ein; plötzlich ist Sand im Getriebe. Es ist, als hätte da irgendein fieser Spielverderber die Finger im Spiel. Paulus wird in Jerusalem verhaftet, wird nach Cäsarea verfrachtet, für zwei Jahre ins Gefängnis gesteckt, endlosen Verhören unterzogen, mehrfach um ein Haar ermordet. Aber mittendrin in dieser zermürbenden Phase erscheint ihm Jesus Christus in der Nacht und versichert ihm: „Doch, du wirst nach Rom kommen und dort als mein Zeuge für mich eintreten!“ (Kapitel 23,11). Und dann endlich der Aufbruch, das Schiff legt ab. Geschafft, denkt der Leser. Denkste! Es geht nicht lange, da kommt heftiger Gegenwind auf, man muß die Route ändern, der Sturm steigert sich zum Orkan, das Schiff treibt vierzehn Tage hilflos auf tobender See, zu allem Überfluß planen die mitgereisten Soldaten, Paulus und alle anderen Gefangenen zu töten. Schließlich das Stranden des Schiffes, das Auseinanderbrechen des Hecks unter der Wucht der Wellen. Und wie sich alle glücklich an Land gerettet haben und erst mal ein wärmendes Feuer machen, schießt aus dem Brennholz eine Schlange hervor und beißt sich an Paulus‘ Hand fest!

 

Spannung! Aufregung! Wird Paulus lebend davonkommen? Wird er Rom doch noch erreichen? Immer wieder scheint alle Hoffnung verloren: Wie um alles in der Welt soll er aus der Gefahr noch heil rauskommen? Schafft er es? Ja, er schafft es; er wird gerettet!

 

Am Anfang steht Gottes Plan und Gottes Versprechen: Du sollst für mich in Rom das Evangelium verkünden – vor dem Kaiser höchstpersönlich. Doch dann ist es, als zeige sich plötzlich ein anderer Plan, der Gottes Plan zu vereiteln droht. Dahinter steckt derselbe Planer, derselbe Verhinderer, der schon in Ägypten das Baby Mose durch Pharao zu ertränken versuchte, der in Persien die Juden durch Haman auszurotten versuchte, der in Bethlehem den neugeborenen Jesus durch Herodes umzubringen versuchte, der in Jerusalem die Apostel durch den jüdischen Gerichtshof mundtot zu machen versuchte und der eben jetzt alles daran setzt, Paulus nicht nach Rom, der Hauptstadt der damaligen Welt, kommen zu lassen. Die Schiffsreise, der Sturm, die Strandung – das sind nur die Requisiten. Hinter den Kulissen kämpfen zwei miteinander, die wir nicht unmittelbar zu Gesicht bekommen – Gott und sein Gegenspieler.

 

Wir wissen natürlich von vornherein, wer gewinnt (bei einem Krimi weiß man es in der Regel auch, weil am Ende fast immer die Guten siegen): Gott hat die Rettung versprochen, und Gott ist stärker. Und trotzdem – diese Spannung! Ein Malheur jagt das andere. Wie will Gott das noch geradebiegen? Manchmal wünschte ich mir, wir wüßten nicht bereits alles, sondern könnten die Apostelgeschichte nochmals zum ersten Mal lesen. Gerade meint man, man sei am Ziel, da tritt Lukas auf die Bremse: Suspense. Man zerbeißt sich faßt die Fingernägel, so aufregend ist das! Ich sagte zu Beginn: Lukas spielt ein bißchen Hitchcock. Mir scheint eher, es ist umgekehrt: Hitchcock hat ganz schön von Lukas abgekupfert!

 

Im Grunde geht es Lukas natürlich nicht darum, Spannung zu erzeugen. Er will mit seinem so auffallend ausführlichen Bericht zeigen, wie groß Gott ist. Wir sollen zusammen mit ihm über Gott staunen – über die Klugheit, mit der er alles plant, und über die Macht, mit der es ihm gelingt, seinen Plan trotz aller Widerstände auszuführen. Es ist wirklich so, wie es in einem alten Kirchenlied heißt: „Was er sich vorgenommen und was er haben will, das muß doch endlich kommen zu seinem Zweck und Ziel.“ (Paul Gerhardt)

 

 

Siebtes und letztes Dia: Alle für einen

 

Im letzten Kapitel der Apostelgeschichte gibt es einen Vers, der von Ermutigung spricht und den ich auch wirklich sehr ermutigend finde. Kapitel 28,15: „Und dann kam Paulus nach Rom. Die Geschwister dort hatten von unserer Ankunft in Puteoli gehört und kamen uns bis Tres Tabernae, z. T. sogar bis Forum Appii entgegen. Als Paulus sie sah, dankte er Gott und faßte neuen Mut.“

 

Paulus kommt nach Rom! Endlich! Hier war er noch nie gewesen, hier wollte er unbedingt hin. Rom – die Welthauptstadt, der Mittelpunkt seiner Missionsstrategien. Drei Jahre vorher hatte er den Christen in Rom einen langen und gewichtigen Brief geschickt, den Römerbrief. „Mein Auftrag gilt auch euch in Rom“, hatte er geschrieben. Und: „Ihr sollt wissen, daß ich mir schon oft vorgenommen hatte, euch zu besuchen, nur stand dem bisher jedesmal etwas im Weg. Ich möchte, daß meine Arbeit auch bei euch in Rom Früchte trägt ... Es ist mein Wunsch, auch euch in Rom die Botschaft des Evangeliums zu verkünden“ (Römer 1,6.13.15). Rom – das würde der Höhepunkt seiner Tätigkeit sein. Rom – die Stadt seiner Träume.

 

Und jetzt kommt er nach Rom. Aber wie er nach Rom, das hätte er sich nie träumen lassen, das war eher ein Albtraum! Er kommt nicht im Triumphzug, nicht als der gefeierte Völkerapostel, sondern als Gefangener, gefesselt an einen Soldaten. Aufreibende Erlebnisse, demütigende Erfahrungen liegen hinter ihm:

-         die Festnahme durch Leute aus seinem eigenen Volk, endlose Attacken und Beschuldigungen,

-         eine zweijährige zermürbende Haft in Cäsarea,

-         mehrere Mordanschläge,

-         eine Schiffsreise voller Angst und Schrecken, bei der er nur knapp am Tod vorbeigeschrammt ist,

-         das Überwintern auf Malta, die Weiterfahrt über Sizilien zum Golf von Neapel mit dem Hafen Puteoli,

-         und jetzt als letzte Etappe der anstrengende, mehrtägige Fußmarsch auf der gepflasterten Via Appia nach Rom.

 

Je näher sie Rom kamen, desto schwerer mag Paulus jeder Schritt geworden sein. Was wartet in Rom auf mich? Die Verurteilung durch Kaiser Nero? Die Hinrichtung, der Tod? Und werden die Christen auf mich warten? Werden sie freundlich zu mir sein? Werden sie mich überhaupt empfangen? Wollen sie am Ende gar nichts mit mir zu tun haben? Über mich kursieren so viele böse Gerüchte. So viel Hetze ist gegen mich im Umlauf. Ich bin ein Häftling des Römischen Reiches. Es ist gefährlich, sich mit mir einzulassen, sich als Sympathisant zu outen. Was wartet wohl in Rom auf mich?

 

Unterwegs, etwa 65 km vor Rom, kommen sie nach Forum Appii, einer kleinen Ortschaft mit einem Wirtshaus. Und da wartet doch tatsächlich eine Schar Christen auf ihn, um ihm das Geleit nach Rom zu geben! Und nochmals 15 km weiter, in Tres Tabernae, wartet eine zweite Gruppe, um ihn ebenfalls zu eskortieren.

 

Was für bewegende Augenblicke müssen das gewesen sein! Was für ein herzlicher Empfang! Was für eine Erleichterung für Paulus, was für eine Ermutigung! Die Christen von Rom haben mich doch nicht vergessen! Sie stehen zu mir, sie stehen zum Evangelium. Sie schämen sich nicht, daß ich ein Gefangener bin. Ich ziehe nicht allein in Rom ein, sondern umringt und unterstützt von Freunden. Paulus hatte all die Jahre täglich für sie gebetet; im Römerbrief schrieb er ihnen: „Gott weiß, daß kein Tag vergeht, an dem ich nicht im Gebet an euch denke“ (1,9). Er hatte sie ausdrücklich um Fürbitte für seine Reise nach Rom gebeten („Betet darum, daß ich vor den Gefahren gerettet werde, die mir in Judäa von seiten derer drohen, die das Evangelium nicht annehmen wollen, und daß mein Dienst für Jerusalem von den Gläubigen dort gut aufgenommen wird“; 15,31). Er hat für sie gebetet. Haben sie auch für ihn gebetet? Ja, jetzt weiß er es, jetzt erlebt er die Erhörung seiner Bitte. Jetzt würde sich auch der Wunsch erfüllen, den er in Römer 15,32 so formuliert hatte: „Dann kann ich, wenn es Gottes Wille ist, in ungetrübter Freude zu euch kommen und in eurer Mitte eine Zeit der Ruhe und Stärkung verbringen.“

 

Manchmal stellen wir uns Paulus als einen heroischen Einzelkämpfer vor, als den großen Solisten der Pioniermission. Aber diese kleine Begebenheit in Forum Appii und Tres Tabernae zeigt uns ein anderes Bild. Paulus war nicht einer von jenen großen Helden, die alles besser können und alles am besten alleine machen. Paulus brauchte die Mitchristen. Er sah sich selbst nur als einen winzigen Teil des Leibes Christi. Und deshalb sehnte er sich danach, mit seinen Brüdern und Schwestern zusammenzusein.

 

Hier auf der Via Appia vor Rom erfüllte Gott seine Sehnsucht auf eine besonders liebevolle Weise und in einem besonders wichtigen Augenblick. „Da dankte er Gott und faßte neuen Mut.“

 

 

So, Paulus ist glücklich in Rom eingetroffen. Die Apostelgeschichte ist zu Ende. Und unsere Zeit, über diese Geschehnisse nachzudenken, ist um. Ich danke Ihnen herzlich fürs Zuhören.