Höhepunkte im Leben Jesu aus jüdischer Sicht - Teil 1/7 - Die Auseinandersetzung mit den Pharisäern

Abschrift des Vortrages von Arnold Fruchtenbaum, Israelkonferenz 1992, gehalten am 10.01.1992

 

 

Himmlischer Vater, wir beten Dich an diesem Morgen an durch das vollendete Werk von Jeschua, unserem Herrn. Wir bitten Dich, Herr, salbe die gemeinsame Zeit in Deinem Wort heute Morgen und lehre uns durch Deinen Heiligen Geist und durch Deinen Diener, dass wir das Leben und die Person Jesu besser und tiefer verstehen. Wir danken Dir im Voraus für alles, was Du während dieser Israelkonferenz bewirken wirst. Und wir stellen diese Zeit unter den Thron der Gnade, in Jeschua's Namen. Amen.

Unsere Serie in diesem Jahr lautet: Die Höhepunkte aus dem Leben Jesu aus einer jüdischen Perspektive. Durch die ganze Kirchengeschichte hindurch ist das eine Sicht, die völlig verlorengegangen ist. Heute ist es in christlichen Schulen üblich, wenn es um das Studium der historischen Hintergründe des Neuen Testamentes geht, sich nur um den griechischen oder römischen Hintergrund zu kümmern. Das ist auch hilfreich, wenn es um bestimmte Bücher des Neuen Testamentes geht, wie zum Beispiel Römer-, 1. Korinther-, Epheser- und Galaterbrief. Aber das Leben Jesu hat sich nicht in einem römischen oder griechischen Kulturrahmen abgespielt, sondern im Rahmen einer jüdischen Kultur, und zwar speziell der jüdischen Kultur des 1. Jahrhunderts in Israel. Und weil diese Kenntnis in der Kirchengeschichte verlorengegangen ist, gab es Glaubenskriege und Spaltungen innerhalb der Denominationen und neue Kirchen sind entstanden. Sie vergaßen aber, die Juden nach der Bedeutung solcher Ausdrücke, wie aus Wasser geboren, zu fragen, die im jüdischen Kontext eine besondere Bedeutung hatten. Und so sind ganze kirchliche Bewegungen auf einem falschen Fundament entstanden. Ich glaube, die meisten Probleme in der Kirchengeschichte hätten vermieden werden können, wenn die jüdische Perspektive nicht verlorengegangen wäre. Diese Woche wollen wir also Teile aus dem Neuen Testament betrachten und das setzt voraus, dass wir auch den jüdischen Hintergrund verstehen. Ich werde aber jetzt nicht über Jesu Geburt sprechen, - wenn wir später noch Zeit haben, werde ich darauf zurückkommen - sondern ich werde mit einem Abschnitt beginnen, den ich die Lehren Jesu und sein Konflikt mit den Pharisäern nennen möchte.

Ich beginne diesen Abschnitt mit einem Studium aus Johannes 3, Jesus und Nikodemus. Ich sprach darüber schon, als ich das letzte Mal hier war. Ich weiß, viele von Ihnen waren damals anwesend und so möchte ich das alles nicht noch einmal erzählen. Lasst es mich einfach nur kurz zusammenfassen: Es war das erste Passah nach Jesus Taufe, er kam nach Jerusalem, und er trat auf zweifache Weise öffentlich auf. Zum einen, indem er seinen messianischen Anspruch vertrat und zum anderen, indem er seine Wunder wirkte. Und der Grund, warum er seine Wunder wirkte, war, seinen Anspruch auf Messianität zu beweisen. Und die Wunder waren auch dazu gedacht, Israel ein Zeichen zu geben, damit sie eine Entscheidung treffen könnten bezüglich seiner Messianität. Wie wir sehen werden, änderte sich später der Zweck seiner Wunder. Aber zu diesem Zeitpunkt war der Zweck der, Israel zu einer Entscheidung zu bewegen. Israel musste sowohl seine Botschaft, als auch seine Ansprüche annehmen, also erstens seinen Anspruch, dass er der Messias ist und zweitens sein Angebot an Israel, das Königreich der jüdischen Propheten aufzurichten. Hätten sie also Jesus als den Messias angenommen, hätte er das Königreich in ihrer Zeit aufgerichtet. Aber das Königreich konnte nicht aufgerichtet werden, bevor sie ihn nicht als den messianischen König akzeptierten. Und unter all denen, die ihn hörten und sahen, was er tat, war auch Nikodemus. Er war sowohl ein führender Pharisäer als auch ein Mitglied des Sanhedrins. Und in der Diskussion zwischen Jesus und Nikodemus wurde schnell klar, dass Jesus einige fundamentale Glaubenslehren der Pharisäer anfechten würde. Speziell die, die lehrte, ganz Israel hätte einen Anteil an der zukünftigen Welt. Das war die Zusammenfassung von dem, was ich letztes Mal gesagt habe. Jetzt wollen wir zu neuem Stoff übergehen.

Schlagen sie ihre Bibel bei Lukas 5 auf. Wir werden uns die Verse 12-16 anschauen, die Geschichte, in der Jesus einen jüdischen Aussätzigen heilt. Der Aussatz war eine einzigartige Krankheit im mosaischen Gesetz. In dem Moment, wo ein Jude als aussätzig erklärt wurde, wurde er aus der jüdischen Gemeinschaft ausgeschlossen. Er musste in einem für Aussätzige separierten Bereich wohnen; er musste mit zerrissenen Kleidern umhergehen; sein Gesicht war von der Nase abwärts verhüllt; er hatte keinen Zugang zur Stiftshütte oder zum Tempel und erhielt auch keinen geistlichen Segen aus diesem Dienst; er konnte niemanden berühren und niemand konnte ihn berühren; wenn er jemanden auf sich zukommen sah, musste er ihn warnen; er musste nicht rufen: „aussätzig, aussätzig“, sondern „unrein, unrein“, weil jeder, der in Berührung mit ihm kam, selbst auch rituell unrein wurde. Für unser Studium ist es sehr wichtig, folgendes zur Kenntnis zu nehmen: Von der Zeit an, als das mosaische Gesetz fertig gestellt war, (bis zum NT) gab es keine Aufzeichnung darüber, dass jemals irgendein Jude von Aussatz geheilt worden wäre. Im Fall von Mirjam war es eine Zeit, die vor dem mosaischen Gesetz lag. Im Fall von Naaman ist zu sagen, dass er kein Jude, sondern Syrer war. So ist also kein Fall bekannt, in dem seit der Fertigstellung des mosaischen Gesetzes jemals ein Jude von Aussatz geheilt worden wäre.

Im Alten Testament ist der Aussatz ein Zeichen dafür, dass jemand unter das göttliche Gericht gekommen ist. In zwei sehr langen Kapiteln im 3. Buch Mose, nämlich in den Kapiteln 13 und 14 und beide Kapitel mehr als 50 Verse lang, legt Mose detailliert dar, wie ein Aussätziger behandelt werden muss und was im Falle der Heilung zu tun ist. Wenn ein Aussätziger zum Priester kam und ihm sagte: Ich war aussätzig, aber jetzt bin ich geheilt, hat der Priester an diesem Tag ein Opfer, das aus zwei Tauben bestand, dargebracht. In den nächsten sieben Tagen mussten sie diese Person prüfen, um drei Fragen beantworten zu können: 1. War er wirklich ein Aussätziger? 2. Wenn er es war, war er wirklich vom Aussatz geheilt? 3. Wenn ja, unter welchen Umständen wurde er geheilt? Die Beantwortung dieser Fragen sollte sicherstellen, dass es sich um eine wirkliche Heilung handelte. Wenn alle drei Fragen positiv beantwortet waren, war der achte Tag ein sehr langer, ritueller Tag. Man musste an diesem Tag vier Opfer darbringen, drei Blutopfer und ein Speisopfer. Und sie nahmen das Blut eines der Opfer und bestrichen drei Körperstellen des Geheilten damit, sein rechtes Ohr, seinen rechten Daumen und seinen rechten großen Fußzeh. Und so machten sie es auch mit den anderen Blutopfern und es endete damit, dass man Öl auf die gleichen drei Körperstellen strich. Erst danach konnte der Betroffene zurück in die jüdische Gemeinschaft gehen und hatte wieder Zugang zur Stiftshütte und zum Tempel.

Und während die Priester alle diese Details von Mose hatten, hatten sie dennoch keine einzige Möglichkeit, dies in die Tat umzusetzen, weil es, laut Aufzeichnung, keinen einzigen Juden gab, der von dieser Krankheit geheilt worden war. In den rabbinischen Schriften waren viele Heilungen vieler verschiedener Krankheiten aufgezeichnet, aber die Heilung eines an Aussatz Erkrankten war die eine, die darin fehlte. Wegen ihrer Auffassung, dies sei die Ursache des göttlichen Gerichts, gab es für sie auch keine Möglichkeit, einen Aussätzigen Juden zu heilen. Aber die Rabbiner lehrten, dass, wenn der Messias kommt, dann wird er auch jüdische Aussätzige heilen. Ungefähr zwei Jahrhunderte bevor Jesus kam, unterteilten die Rabbiner die Wunder in zwei Kategorien. In der einen Kategorie waren solche, die jedermann tun konnte, wenn er durch Gott dazu bevollmächtigt wurde. Aber es gab noch eine zweite Kategorie, bekannt als die messianischen Wunder, die nur der Messias vollbringen könnte. Und jedes Mal, wenn Jesus ein Wunder aus dieser Kategorie tat, war die Reaktion der Juden eine völlig andere, als bei seinen Wundern aus der ersten Kategorie. Diese waren nicht messianisch, jene aber schon. Und es gab drei verschiedene Wunder in dieser zweiten Kategorie. Das erste davon war die Heilung eines jüdischen Aussätzigen. Und wenn wir diesen Hintergrund einmal verstanden haben, dann verstehen wir auch, warum die Dinge im Neuen Testament so geschehen sind, wie sie geschehen sind.

In Vers 12 kommt ein jüdischer Aussätziger zu Jesus um geheilt zu werden. Er sagt am Ende dieses Verses: „Wenn du willst, kannst du mich reinigen“. Er sagt „reinigen“, weil diese Krankheit ihn zeremoniell unrein machte. Matthäus und Markus sagen ebenfalls, dass der Mann ein Aussätziger war. Aber Lukas war ein Arzt und darum gibt er uns immer mehr Informationen über die jeweiligen Krankheiten und ihre Heilung, als die anderen Evangelisten. So sagt Lukas nicht nur, dass der Mann ein Aussätziger war, sondern dass er voll Aussatz war, er hatte sich vollständig ausgebreitet und es würde nicht mehr lange dauern, bevor der Aussatz ihm auch sein Leben nehmen würde. Allein die Tatsache, dass dieser Aussätzige zu Jesus kam, um geheilt zu werden, bedeutet, dass er ihn als Messias erkannte. In Vers 13 wird uns erzählt, dass Jesus ihn berührte. Das war ein Akt der Liebe. Seit Ausbruch der Krankheit wurde er nicht mehr von einer menschlichen Hand berührt, weil es verboten war, einen Aussätzigen zu berühren. Und mit der Berührung von Jesus war dieser Mensch geheilt. In Vers 14 sagt er dem Mann dann, er solle zu den Priestern gehen, um das Verfahren, das in Levitikus 13 und 14 beschrieben wird, zu beginnen. Er gibt eine Begründung am Ende von Vers 14 dafür an, nämlich „ihnen zum Zeugnis“, d.h. den jüdischen Führern. Er versucht damit zu erzwingen, dass die jüdischen Leiter endlich damit anfangen, seine Ansprüche sehr ernst zu nehmen. Also, an dem Tag, an dem er vor den Priestern erschien und sagte: „Ich war ein Aussätziger und bin nun geheilt“, haben sie zwei Vögel geopfert. Und dann haben sie ihn sieben Tage lang geprüft und drei Fragen beantwortet: Erstens: Ja, er war wirklich ein Aussätziger. Zweitens: Ja, er wurde wirklich von seinem Aussatz geheilt. Aber drittens: War es der Mensch Jesus von Nazareth, der ihn geheilt hat? Vom jüdischen Bezugsrahmen aus gesehen, bedeutete die Heilung des jüdischen Aussätzigen bereits, dass er den Anspruch erhob, der Messias zu sein. Vers 16 zeigt Jesus, wie er sich für eine gewisse Zeit zum Gebet zurückzog. Und basierend auf diesem Zusammenhang, betete Jesus für das, was als nächstes geschehen sollte.

Unser nächster Abschnitt besteht aus den Versen 17-26, den ich die Phase der Beobachtung nenne. Im jüdischen Gesetz jener Tage, wenn es irgendeine Art von messianischer Bewegung von Bedeutung gab, musste der Sanhedrin diese Bewegung in zwei Stadien untersuchen. Die erste Phase wird die Phase der Beobachtung genannt. Eine Delegation wurde ausgesandt, um nichts weiter zu tun, als zu beobachten. Sie konnten keine Fragen stellen, sie konnten keinen Einspruch erheben, alles was sie tun konnten, war die Sache zu beobachten, und zwar, was gesagt, gelehrt und getan wurde. Nach der Phase der Beobachtung mussten sie zum Sanhedrin zurückkehren um einen Bericht abzuliefern, damit ein Urteil gefällt werden konnte. Es ging darum zu beurteilen, ob die Bewegung von Bedeutung war oder nicht. Wenn sie sagten, dass die Bewegung unbedeutend war, dann war der Fall damit abgeschlossen. Wenn sie diese Bewegung als bedeutsam einstuften, gab es eine zweite Phase, genannt die Phase des Verhörs. Diesmal würden sie Fragen stellen und Einsprüche erheben, um eine Basis zu finden, die Ansprüche einer Person zu akzeptieren oder abzulehnen. Vorher ist Johannes der Täufer aufgetreten und hat das Königreich proklamiert und seine Botschaft hatte deutlich messianische Töne. Diese zwei Phasen hatte man auch bei ihm angewandt. Und jetzt muss Jesus diese beiden Phasen durchlaufen. Und hier haben wir also die erste Phase, die Phase der Beobachtung. Alle, Matthäus, Markus und Lukas berichten uns dies, aber wir bleiben bei Lukas, weil er uns dies detaillierter beschreibt. Aber einen Kommentar nehmen wir aus Markus, nämlich Markus 2, 1, wo uns erzählt wird, dass dies in Kapernaum geschehen ist, das sehr viele Kilometer von Jerusalem entfernt ist. Behaltet also im Gedächtnis, dass dies im Norden von Galiläa stattfand und somit ziemlich weit entfernt war von Jerusalem. Lasst uns nun zu Lukas 5, 17 gehen und diesen Vers lesen:

Und es begab sich an einem Tag, dass er lehrte; und es saßen Pharisäer da und Gesetzeslehrer, die aus allen Dörfern von Galiläa und Judäa und von Jerusalem gekommen waren;

Seht, was Lukas uns hier mitteilt: Wir haben hier nicht nur einige Pharisäer aus den örtlichen Gemeinden um Kapernaum, die Jesus zuhören, vielmehr sind die ganzen geistlichen Leiter dort aus allen Gebieten des Landes angereist. Er sagt, dass sie aus allen Dörfern des Landes Galiläa, Judäa und sogar aus jedem Dorf um Jerusalem herum, gekommen waren. Alle geistlichen Leiter des gesamten Landes befanden sich nun plötzlich in dem Ort Kapernaum. Also warum sind sie auf einmal alle in diesen kleinen Ort Kapernaum gekommen? Da gab es keine große Gemeindeversammlung in diesem Ort zu dieser Zeit, sondern das war die Reaktion auf das vorher Geschehene, nämlich dass ein jüdischer Aussätziger geheilt worden war. Hier haben wir die Phase der Beobachtung. In dieser Phase war es nicht notwendig, dass alle geistlichen Leiter dort anwesend waren. Aber das war eben nicht nur eine Antwort auf jemanden, der den Anspruch erhob, der Messias zu sein, sondern auf jemanden der ein Wunder vollbrachte, das nur der Messias tun konnte. Also entschieden sie, alle dorthin zu gehen. Und es ist kein Zufall, dass Jesus, als er alle diese Leiter vor sich hat, einen Anspruch erhebt, der nur Gott zusteht. Während diese Leiter nun beobachten, was er sagt, versuchen vier Freunde eines Gelähmten ihn zu Jesus zu bringen, damit er geheilt wird. Aber sie vermochten es nicht, weil alle Leiter dort waren und den Weg zur Tür blockierten. Sie gingen auf die andere Seite des Hauses, und zu dieser Zeit hatte jedes Haus eine Treppe, die auf das Dach führte, sie haben den Mann auf das Dach getragen, und das muss wirklich anstrengend gewesen sein, weil der Mann ja gelähmt war, und als sie ihn auf das Dach gebracht hatten, brachen sie das Dach auf, was den Eigentümer dieses Hauses sicherlich nicht gerade erfreut hat, und als das Loch groß genug war, ließen sie den Mann zu Jesus hinunter. In ähnlichen Situationen fängt Jesus an zu heilen. Dieses Mal nicht. Stattdessen verkündigt er in Vers 20: „Mensch, deine Sünden sind dir vergeben“, wissend, dass solch eine Aussage, sein Anspruch auf die Autorität der Sündenvergebung, ernstliche Fragen in den Köpfen der Führer auslösen würde. Und dies tat es auch. Erinnert euch, sie können ihre Fragen und Einwände nicht zum Ausdruck bringen. Sie können nur beobachten. Also fanden die Einwände nur in ihrem Inneren statt. Zum Beispiel in Markus 2, 6 wird gesagt: „sie dachten in ihren Herzen“, Matthäus 9, 3: „etliche der Schriftgelehrten dachten bei sich selbst“, weil sie es zu diesem Zeitpunkt nicht zum Ausdruck bringen konnten. Und was sie innerlich einwenden sehen wir hier in Vers 21:

Und die Schriftgelehrten und Pharisäer fingen an, sich Gedanken zu machen, und sprachen: Wer ist dieser, der solche Lästerungen ausspricht? Wer kann Sünden vergeben als nur Gott allein?

Und diese Theologie ist zutreffend. Niemand kann Sünden vergeben, als Gott allein. Dies bedeutet eins von zwei Dingen. Entweder ist Jesus ein Gotteslästerer, oder er ist der, der er zu sein behauptet, der Messias. Aber indem er den Anspruch erhob, Sünden zu vergeben, hatte er ihre ganze Aufmerksamkeit. Und dann stellt er ihnen eine Frage, das steht in den Versen 22 und 23, und die Frage lautet: „Was ist leichter für mich zu sagen: Deine Sünden sind dir vergeben, oder zu sagen: Steh auf und geh umher?“ Und die Frage ist, was ist leichter zu sagen! Also es ist leichter zu sagen, deine Sünden sind dir vergeben, weil dabei nichts Sichtbares geschehen muss. Ich könnte das Gleiche hier und jetzt behaupten: „Von jetzt an, egal was ihr glaubt oder nicht glaubt, egal was ihr tut oder nicht tut, eure Sünden sind euch für immer vergeben; sorgt euch nie wieder um eure geistliche Zukunft.“ Indem ich das jetzt gesagt habe, habt ihr keinen Beweis und könnt nicht prüfen, ob das Gesagte richtig oder falsch ist, denn diese Aussage verlangt nicht, dass etwas äußerlich, und somit überprüfbar, geschieht. Aber wenn jeder von euch zwei gebrochene Beine hätte und ich würde euch sagen, innerhalb von fünf Minuten werde ich euch heilen, so dass ihr dann sogar nach Hause rennen könnt, das wäre viel schwieriger für mich zu sagen, weil ich es innerhalb der fünf Minuten sichtbar beweisen müsste. Nun, Jesus benutzt hier eine Form der rabbinisch-jüdischen Logik, gewöhnlich in den rabbinischen Schriften angewendet, wo man das Leichte durch das Schwierigere beweist. Er macht dann weiter mit dem Schwierigeren, indem er in Vers 24 den Gelähmten heilt und es gibt einen unmittelbaren Beweis. Vers 25 sagt, dass er sofort vor ihnen aufstand und sein Bett, auf dem er gelegen hatte, aufnahm. Jesus hat also das Schwierigere getan und es gab einen sichtbaren Beweis. Und das war der Beleg dafür, dass er auch das Leichtere tun konnte, die Sünden zu vergeben. Und wenn er Sünden vergeben kann, dann bedeutet das, dass sein Anspruch, der Messias zu sein, zu Recht besteht. Es ist naheliegend, dass, als diese Gruppe nach Jerusalem zurückging, ihr Urteil lautete, die Bewegung von Jesus von Nazareth sei bedeutsam. Von diesem Zeitpunkt an, bis zu einem Punkt, zu dem wir später kommen werden, wird die zweite Phase stattfinden, die Phase der Befragung. Von dieser Zeit an, wo immer Jesus auch hingeht, ist es gewiss, dass ihm ein Pharisäer folgen wird, die alte Yad Leachim-Bewegung. Und diesmal fragten sie alle und brachten Einwände vor, auf der Suche nach einer Basis, ihn anzunehmen oder zurückzuweisen.

Wir werden uns nun ein Beispiel eines Verhörs anschauen. Wir bleiben in Lukas 5, nun die Verse 27-32. Die Verhörphase beginnt mit der Berufung des Matthäus als Jünger. Von Beruf war Matthäus ein Zöllner, ein Steuereinnehmer. Dies war ein Beruf, der eigentlich für Juden durch das jüdische Gesetz verboten war auszuüben. Trotzdem gab es einige Juden, die um des Vorteils willen diesen Beruf wählten, nicht weil der Lohn so gut gewesen wäre, sondern wegen dem, was Rom ihnen erlaubte nebenher einzunehmen. Wenn die römische Obrigkeit entschied, dass Herr Cohen der Regierung 5 Schekel schuldete, dann konnte dieser Zöllner offiziell hingehen und sagen, dass dieser 10 Schekel schuldig sei. Er würde diese 10 Schekel einnehmen, Rom die 5 Schekel geben, die sie verlangten, und den Rest für sich behalten. Die Zöllner wurden also aus zwei Gründen gehasst. Erstens darum, weil sie für den gehassten heidnischen Herrscher arbeiteten und zweitens, weil sie sich an den eigenen Leuten bereichert haben. Sobald ein Jude Zöllner wurde, hat man ihn aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Die einzigen Juden, die Umgang mit Zöllnern haben konnten, waren entweder selbst Zöllner oder Prostituierte. Buße wurde für solche Menschen als fast unmöglich angesehen, sie waren absolut nicht vertrauenswürdig, und nach jüdischem Gesetz konnten sie niemals als einer der zwei oder drei Zeugen vor Gericht auftreten, die im jüdischen Gesetz vorgeschrieben waren. Es gab zwei Arten von Zöllnern. Beide waren schlecht, aber einer war schlimmer als der andere. Der weniger Schlimme von beiden war der, der die Einkommensteuer einnahm. Die schlimmste Art von Zöllner war der Beamte für den Handelszoll. Und entsprechend Vers 27 saß Matthäus an einer Zollstätte, d.h. er war so ein Handelszöllner, die schlimmste Art von Steuereintreiber, die es gab. Und genau zu diesem sagt Jesus in Vers 27, folge mir nach. Normalerweise, wenn jemand eine solche Position innehatte, stand er nicht einfach auf und verließ alles. Aber er hat schnell erkannt, dass die Autorität des Messias wesentlich größer ist, als die von Rom. Und in Vers 28 lesen wir dann, dass er alles verließ, aufstand und Jesus nachfolgte. Und das kennzeichnete den Zeitpunkt der Neugeburt von Matthäus.

So entscheidet er sich, weil er eine Neugeburt erfahren hat, eine Geburtstagsparty für sich zu schmeißen. Das steht in Vers 29. Welche Art von Menschen würde an seiner Geburtstagsfeier teilnehmen? Nur die anderen Zöllner und Prostituierten. Und genau diese zwei Arten sind auch dort. Die Abweichung besteht darin, dass Jesus und seine Jünger auch zu diesem Fest kamen und das steht im Gegensatz zum Gesetz der Pharisäer. Und nun protestieren sie, und sie protestieren wörtlich. Den Einspruch finden wir in Vers 30. Der Punkt ihres Einwandes ist, wenn Jesus wirklich der Messias wäre, dann hätte er keinen Umgang mit dieser Art von Menschen. Jesus antwortet darauf, indem er drei Dinge sagt: Es ist der Kranke, der Heilung benötigt, nicht der Gesunde. Die Pharisäer haben sich selbst als geistlich gesund angesehen und übereinstimmend die Zöllner als geistlich krank befunden. Also sollte er nicht zu ihnen gehen, um sie geistlich zu heilen? Zweitens, Pharisäer waren durch viele Opfer gekennzeichnet; sie waren sehr besorgt darum, äußerlich den Weg des Gesetzes penibel genau einzuhalten, aber nicht so sehr darauf bedacht, die innere Bedeutung (den inneren Weg) des Gesetzes einzuhalten, solche wie Barmherzigkeit. Und ein Mangel an Barmherzigkeit zeigt sich unter anderem an den vielen Gesetzen, die sich gegen die Zöllner richteten. Sie hatten also einen Mangel an Barmherzigkeit. Drittens sind es nicht die Gerechten, die berufen werden sollen, sondern die Sünder zur Buße. Die Pharisäer haben sich selbst zu den Gerechten gezählt und sie stimmten darin überein, dass die Zöllner Sünder sind. Sollte Jesus also nicht zu diesen gehen und sie rufen?

Unser nächster Abschnitt erfordert einen Abstecher in die jüdische Geschichte. Und anstatt etwas anzufangen, was ich nicht beenden kann, werde ich hier aufhören und auf diesen Punkt in der nächsten Lektion am Abend zurückkommen.