Höhepunkte im Leben Jesu aus jüdischer Sicht - Teil 6/7

Abschrift des Vortrages von Arnold Fruchtenbaum, Israelkonferenz 1992, gehalten am 16.01.1992

 

Lasst uns die Bibel in Lukas 22 aufschlagen. Wir setzen unser Thema von gestern fort, die Gerichtsverhandlung von Jesus. Um das Gestrige zusammenzufassen: Jesus musste zwei verschiedenen Gerichtsverfahren erdulden. Er war einer jüdischen Gerichtsverhandlung ausgesetzt, das war der religiöse Prozess. Er war außerdem einem römisch-heidnischen Verfahren ausgesetzt, das war der Zivilprozess. Und beide Verfahren hatten drei Phasen. Die ersten beiden Verhandlungen des religiösen Verfahrens haben wir gestern behandelt. Gegen Ende dieser Verhandlung wurde Jesus der Gotteslästerung für schuldig befunden und zum Tode verurteilt.

Nun kommen wir zur dritten Phase dieses religiösen Prozesses, beschrieben in Lukas 22, 66-71. Es gibt nur einen einzigen Grund für diese dritte Phase, und zwar ist es der Versuch, diesem Verfahren eine rechtliche Grundlage zu geben. Wie wir gestern sahen, hatten sie bis zu diesem Zeitpunkt schon 21 jüdische Gesetze gebrochen. Und vielleicht hatten einige erkannt, dass die ersten beiden Phasen höchst ungesetzlich waren. So ist der Zweck dieser dritten Phase der Versuch, die Verurteilung auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Und so sagt Vers 66: Sobald es Tag geworden war. Sie warteten also auf den Anbruch des Tages. Auch Matthäus und Markus berichten diesen Punkt. Uns wird berichtet, dass sie auf das erste Tageslicht warteten, um sich wieder zu versammeln, in der Hoffnung, diesem Urteil eine Rechtsgültigkeit verschaffen zu können. In dieser dritten Phase stellten sie Jesus zwei Fragen. Die erste Frage steht in Vers 67: Wenn du der Messias bist, dann sage es uns. Jesus antwortet zuerst, dass es sinnlos wäre, diese Frage zu beantworten, weil sie nicht bereit wären, es zu glauben. Aber zweitens sagt er auch: Eines Tages werdet ihr die Wahrheit erkennen, wenn ihr mich sitzen sehen werdet zur Rechten Gottes. In Vers 70 kommt dann die zweite Frage: Bist du der Sohn Gottes? Er antwortete: Ja. Und wiederum wurde er der Gotteslästerung für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Und so endet der religiöse Prozess.

Aber nun hatte die Leiterschaft ein Problem. Während der Sanhedrin soweit gehen konnte, ein Todesurteil auszusprechen, so konnten sie es doch nicht ausführen, weil der römische Senat dem Sanhedrin das Recht auf Hinrichtung abgesprochen hatte. Wenn Jesus also sterben sollte, so konnte dies nur durch die römische Gerichtsbarkeit und nicht durch die jüdische geschehen. Das erzeugte ein anderes Problem. Gotteslästerung unter jüdischem Recht führte zur Todesstrafe. Aber unter dem römischen Recht wurde das nicht mit dem Tode bestraft. Also würden sie im Rahmen des römischen Rechtes mit einer anderen Anklage kommen müssen. Und hier sollte Judas ins Spiel kommen. Wir hatten schon gesagt, dass Judas für drei Dinge benötigt wurde. Zwei davon hat er schon erfüllt. Der dritte Anlass war, dass man ihn bei der römischen Gerichtsverhandlung benötigte, um als Zeuge der Anklage zu dienen. Aber zwischen dem religiösen und dem zivilen Gerichtsverfahren wird Judas sterben.

So kommen wir nun zu einem anderen Thema, dem Tod des Judas. Wir werden uns wieder zwei Textstellen dazu anschauen, Matthäus 27 und Apostelgeschichte 1. In Matthäus 27, 3 steht, dass es Judas reute als er feststellte, dass Jesus vom Hohen Rat verurteilt wurde. Und manchmal wird die Frage aufgeworfen, ob er gerettet ist oder nicht. Als Neubekehrter war ich in einer Kirche und da stand im hinteren Bereich ein Regal mit vielen Broschüren. Eines dieser Hefte stellte die Frage: „War Judas gerettet?“ Ich hatte gerade erst angefangen mein Neues Testament zu studieren und dachte deshalb, diese Frage könnte ich doch gut einmal behandeln. Also nahm ich die Broschüre heraus um zu erfahren, ob Judas nun gerettet war oder nicht. Ich schlug das Heft auf der ersten Seite auf und es begann mit der Frage: War Judas gerettet? Und dann wurde gesagt: Das ist nicht die Frage! Die Frage ist: Bist du gerettet?! Der Rest des Buches versuchte mir eindeutig, der ich bereits gläubig war, das Evangelium zu erklären, beantwortete aber nie die ursprüngliche Frage über Judas. Im Griechischen gibt es zwei unterschiedliche Wörter für Buße/Reue. Eines davon meint die Buße zur Errettung, aber das andere meint lediglich erfüllt zu sein mit Bedauern oder einem schlechten Gewissen. Es ist das zweite Wort, das in dieser Textstelle benutzt wird. Also ist die Antwort hier: Nein, er ist nicht gerettet. Er hatte lediglich ein Problem mit seinem Gewissen. Er versuchte dann den Hohenpriestern das Geld zurückzugeben, sie haben es aber nicht angenommen, so warf er es einfach auf den Boden und in Matthäus 27, 5 wird gesagt, dass er hinging und sich erhängte. Matthäus zufolge starb Judas also durch Erhängen. Aber Apostelgeschichte 1, 18 spricht davon, dass er kopfüber hinunterfiel und seine Eingeweide heraustraten. Und Leute haben gesagt, dass es hier einen Widerspruch gibt. Aber hier gibt es keinen Widerspruch, wenn wir die jüdischen Gesetze dieser Zeit verstehen. Das war die Zeit zwischen dem ersten Abend und dem ersten Tag des Passahs. Es ist wichtig uns zu erinnern, dass der jüdische Tag bei Sonnenuntergang beginnt. Deshalb beginnt der jüdische Sabbat bei Sonnenuntergang am Freitag und endet mit dem Sonnenuntergang am Samstag. Sobald die Sonne am Samstagabend untergegangen war, galt das Sabbatgebot nicht mehr. Wegen ihres Systems kommt die erste Nacht von etwas immer vor dem ersten Tag von etwas.

Somit liegt der erste Abend des Passahs vor dem ersten Tag des Passahs. Amos ersten Abend des Passahs halten die jüdischen Familien ihr Passahmahl. Amos ersten Tag des Passahs, um 9:00 Uhr am Morgen, gibt es ein besonderes Passahopfer. Und von diesem Opfer durften nur die Priester essen. Nun, nach dem jüdischen Gesetz wurde die Stadt als unrein erklärt, wenn zwischen dem ersten Abend des Passah und dem ersten Tag dieses Festes ein toter Körper innerhalb der Mauern Jerusalems war und sie wären dann nicht in der Lage mit den Passah-Opferungen fortzufahren. Nun, wenn es ein Gesetz gab, dass ein Problem verursachte, dann hatten sie ein zweites Gesetz, das das erste aufhob. Das zweite Gesetz sagte: Wenn du diesen Körper nimmst und wirfst ihn über die Mauer Jerusalems, die Mauer, die am Tal Ben-Hinnom liegt, dann wird die Stadt als gereinigt erachtet und man kann mit dem Morgenopfer fortfahren. Als Judas sich erhängte, gab es eben einen toten Körper innerhalb der Mauern Jerusalems und auf diese Weise verunreinigte er die Stadt. Solange der Körper innerhalb der Stadt war, konnte man mit dem Morgenopfer nicht fortfahren. Um also das zweite Gesetz zu halten, wurde sein Körper über die Mauer in das Tal Hinnom geworfen. Die Stadt war nun gereinigt und sie konnten mit der Opferung weitermachen. Aber durch das Hinunterwerfen traten seine Eingeweide heraus. Also von der jüdischen Perspektive aus gesehen, sind beide Aussagen wahr.

Aber es gibt noch ein zweites Problem in den beiden Textstellen, so dass Ungläubige gesagt haben, hier haben wir einen Widerspruch. Der Kritikpunkt hier ist: Wer kaufte das Feld? In Matthäus27, 7-9 wird uns erzählt, dass es die obersten Priester waren, die das Feld erworben haben. Aber Apostelgeschichte 1, 18 sagt, dass Judas das Feld kaufte. Wer hat es also gekauft? Aus Sicht des jüdischen Gesetzes sind wieder beide Aussagen wahr. Nach dem jüdischen Gesetz konnte unrechtmäßig erworbenes Geld nicht dem Tempelschatz hinzugefügt werden. Und als Judas versuchte, das Geld zurückzugeben, haben sie es nicht angenommen. Er warf es dann einfach hin, ging weg und erhängte sich. Aber sie konnten das Geld noch immer nicht in den Tempelschatz zurücklegen. In Matthäus 27, 6 steht, dass es nicht rechtsgemäß ist, das Geld in den Schatz zu legen, weil es Blutgeld ist. Das spiegelt genau das jüdische Gesetz wider, dass diese Art von Geld nicht in den Tempelschatz gelegt werden durfte. So musste nach jüdischem Gesetz dieses Geld dem Eigentümer zurückgegeben werden. Aber was macht man, wenn der Eigentümer stirbt, bevor man es ihm zurückgeben kann? Dafür gab es auch ein jüdisches Gesetz. Es ist noch immer ungesetzlich, das Geld in den Tempelschatz zu legen, aber man konnte das Geld dazu benutzen, etwas dafür zu kaufen, was der Allgemeinheit zugute kam. Genau das tun sie, als sie mit dem Geld diesen Acker als Begräbnisstätte für die Fremdlinge kaufen. Sie kauften damit also etwas für die Allgemeinheit. Aber nach jüdischem Recht mussten sie das Feld im Namen dessen kaufen, dem das Geld rechtlich gehörte, selbst wenn er tot war. Also wurde auf der Erwerbsurkunde dieses Feldes Judas als Eigentümer eingetragen. Also kaufte nach jüdischem Recht Judas wirklich dieses Stück Land und die obersten Priester fungierten lediglich als die Ausführenden dieses Kaufes. So gibt es auch hier keinen Widerspruch und beide Aussagen sind aus der Sicht des jüdischen Rechts durchaus wahrheitsgemäß.

Nun noch ein weiterer Punkt die 30 Silberlinge betreffend. Nach dem Gesetz Mose musste man, wenn man einen Ochsen hatte und dieser den Sklaven des Nachbarn tötete, an diesen Nachbarn 30 Silberlinge zahlen. Das war der geschätzte Wert eines toten Sklaven. Im weiteren Verlauf der Geschichte des Alten Testaments wurde dies zu einem Sinnbild der Verachtung. Wenn du jemandem deine Verachtung zeigen wolltest, so hast du ihm einfach 30 Silberlinge geschickt. Damit sagst du ihm, dein Wert ist so groß wie der eines toten Sklaven.

In Sacharja 11 fordert Gott Sacharja auf, eine Rolle des Messias zu spielen, die Rolle des guten Hirten. Er musste eine bestimmte Herde weiden, die zur Schlachtung ausersehen war. Eine Herde, die bereits für ein besonderes Opfer vorgesehen war. Nachdem er die Herde eine Zeit geweidet und gehütet hatte, kam er vor die jüdischen Führer und sagte ihnen: Wir kamen nicht um einen Preis überein, also zahlt mir soviel, wie ich in euren Augen wert bin. Wenn ihr glaubt, dass meine Arbeit nennenswert ist, so zahlt mir einen nennenswerten Preis. Wenn ihr nicht glaubt, dass meine Arbeit einen Wert hatte, so zahlt mir nichts. Es wäre eine geringere Verunglimpfung gewesen, Sacharja gar nichts zu zahlen. Aber sie gaben ihm dreißig Silberstücke – nicht 29 und nicht 31 – und sie beleidigten Sacharja damit. Es bedeutete, dass seine Arbeit unter ihnen so viel Wert hatte wie ein toter Sklave. Dann gebot Gott Sacharja, dass Geld in den Tempel zu werfen. Genauso wie es Judas eines Tages tun würde. Aber dann sagt Gott Sacharja auch noch, dass ein Tag kommen würde, wo Gott selbst um den Preis eines toten Sklaven verkauft wird. Und als die Hohenpriester Judas die dreißig Silberlinge gaben, taten sie genau dies.

Noch eine Sache über die unreinen Silberstücke. Sie kamen von den Hohenpriestern und stammten aus dem Tempelschatz. Der Zweck des Tempelschatzes bestand darin, Opfertiere zu erwerben. Nun, das war es nicht, was sie beabsichtigten. Allerdings taten sie genau dies, denn sie kauften damit das endgültige Opfer für die Sünde, aber das begriffen sie nicht.

Nun gehen wir weiter zum Zivilprozess. Unsere zwei Textstellen werden Lukas 23 und Johannes 18 sein. Der Anklagepunkt im jüdischen Prozess war die Gotteslästerung. Aber das hätte unter dem römischen Gesetz nicht die Todesstrafe zur Folge gehabt. Also ändert sich nun der Anklagepunkt. Jetzt wird es der Verrat an Rom sein. Nun, wir sprachen über die 21 jüdischen Gesetze, die den jüdischen Prozess betrafen. Lasst mich euch nun zwei römische Gesetze nennen, die den römischen Prozess bestimmen werden. Erstens mussten alle Gerichtsverhandlungen öffentlich sein. Dieser war sehr öffentlich, was Pilatus große Schwierigkeiten bereitet hat. Das zweite Gesetz lautete, dass ein römischer Gerichtsprozess mit einem Zeugen der Anklage beginnen musste. Dieser Zeuge musste jemanden einer Tat bezichtigen, die nach römischem Recht strafbar war. Für diesen Zweck wurde Judas benötigt. Der war aber jetzt tot. Das ist der Grund dafür, dass auch am Anfang dieses Prozesses die Dinge völlig durcheinander liefen. Die erste Phase dieses Zivilprozesses ist die erste Verhandlung vor Pilatus. Pilatus war ein in Spanien geborener römischer Bürger. Er diente als Bevollmächtigter oder Statthalter des Landes von ca. 25-36 nach Christus. Diese Verhandlung fand also um die Mitte seiner Herrschaft statt. In anderen jüdischen Schriften wird er als sehr grausam dargestellt. Aber man hält ihn auch für einen korrekten Römer, der sich genau an die römische Dienstanweisung hielt.

Es ist jetzt gerade sehr früh am Morgen, aber er ist angezogen und bereit den Prozess zu beginnen. Er erwartete diesen Prozess, weil Judas vorher zu ihm kam, um Jesus eines Verbrechens zu beschuldigen. Das war, als Judas die römische Kohorte mitgeben wurde. So wusste er also, dass diese Verhandlung stattfinden würde. In Johannes 18, 28 bringen die Hohenpriester Jesus zu Pilatus, gehen aber nicht in den Palast hinein. Als Grund wird angegeben, damit sie das Passah essen könnten. Nun, die Menschen haben nicht verstanden, welches Passah das war. Noch einmal, am ersten Abend des Passahs aßen die jüdischen Familien ihr Passahmahl. Und das war, als Jesus mit seinen Jüngern das Passah aß. Amos nächsten Morgen gab es um 9:00 Uhr eine besondere Passahopferung und von diesem Opfer werden nachher nur die Priester essen. Aber wenn die Priester unrein wurden, konnten sie nicht davon essen. Ein Weg unrein zu werden ist das Betreten eines heidnischen Hauses. Deshalb gingen sie nur so weit wie sie gehen konnten, um sich nicht zu verunreinigen. So würden sie das Passah später essen können. In Vers 29 fragt Pilatus in Übereinstimmung mit dem römischen Gesetz: „Wie lautet die Anklage gegen diesen Mann?“ Nun sollte Judas vorkommen und die Anklage präsentieren. Aber er ist nun tot und sie haben nun keinen Zeugen mehr. Also antworten sie in Vers 30: „Wäre er kein Übeltäter, so hätten wir ihn dir nicht ausgeliefert.“ Sie wollen, dass Pilatus einfach ein Urteil fällt, ohne Anklage und ohne Verhandlung. Aber Pilatus, der für gewöhnlich ein korrekter Römer ist, will damit nichts zu tun haben. Also sagt er in Vers 31: „So nehmt ihr ihn und richtet ihn nach eurem Gesetz.“ Wenn es keine Anklage gibt, wird es auch keinen Prozess geben. Und wenn es keinen Prozess gibt, wird es keine Verurteilung geben. Die Führer antworten in Vers 31: „Es ist uns nicht erlaubt jemanden zu töten.“ Sie meinten, nicht länger erlaubt durch das römische Gesetz, denn der römische Senat hatte dem Sanhedrin das Recht auf Hinrichtung entzogen.

In Vers 32 macht Johannes die Bemerkung, dass dies geschah, damit die Worte Jesu erfüllt würden, als er voraussagte, auf welche Art er sterben sollte. Nun, Jesus sagte mehrmals voraus, dass er durch Kreuzigung sterben würde. Aber die Kreuzigung war keine jüdische Art der Hinrichtung. Die jüdische Methode war die Steinigung. Nun, wenn Jesus zu Tode gesteinigt würde, dann wäre er ein falscher Prophet. Wir wissen aus dem Talmud ganz genau, wann der römische Senat dem Sanhedrin das Recht auf Hinrichtung entzogen hatte. Der Talmud sagt, das geschah 40 Jahre vor der Zerstörung des Tempels. Der Tempel wurde im Jahr 70 nach Christus zerstört. Wenn wir nun hiervon 40 Jahre abziehen, dann kommen wir auf das Jahr 30 nach Christus, dem Jahr dieses Gerichtsverfahrens. Wenn dieser Prozess nur sechs Monate früher stattgefunden hätte, wäre Jesus zu Tode gesteinigt worden und hätte sich als falscher Prophet erwiesen. Genau zur richtigen Zeit hat Gott in seiner Fürsorge dem Sanhedrin das Recht zur Hinrichtung durch den römischen Senat entziehen lassen, damit, wenn Jesus nun stirbt, er dies auf Grundlage des römischen und nicht des jüdischen Rechtes tun wird. Er wird also durch Kreuzigung und nicht durch Steinigung sterben.

Nun, als die Führerschaft erkannte, dass Pilatus mit dem Prozess nicht weitermachen wird, bis er eine Anklage hat, bringen sie schließlich eine vor. Das findet man in Lukas 23, 2. Sie beschuldigen ihn des Hochverrats gegen Rom auf dreifache Weise: Zunächst einmal verursacht er einen Aufstand, zweitens verbietet er, dem Kaiser Steuern zu zahlen und drittens erhebt er selbst Anspruch darauf ein König zu sein und ist deshalb ein Gegner des Kaisers. Endlich hat Pilatus eine Anklage; nun kann er mit dem Prozess fortfahren. Die Einzelheiten finden wir wieder im Johannesevangelium. Amos Ende von Vers 33 fragt er ihn: „Bist du der König der Juden?“ Pilatus fragt ihn nicht, ob er der Messias ist. Als Römer ist das nicht seine Sorge. Seine Frage kommt aus einer römischen Sicht und bedeutet: Bist du ein Gegner des Kaisers? In Vers 34 beantwortet Jesus diese Frage, indem er ihm wiederum eine Frage stellt: Auf welcher Grundlage fragst du mich das? „Redest du das von dir selbst aus oder haben dir es andere von mir gesagt?“ In anderen Worten: Aus Sicht eines Juden oder aus der Sicht eines Römers? In Vers 35 fragt ihn Pilatus daraufhin: „Bin ich denn ein Jude? Dein Volk und die obersten Priester haben dich mir ausgeliefert! Was hast du getan?“ Mit anderen Worten: Ich muss diese Frage als Römer stellen aufgrund der Anklage die die jüdische Obrigkeit gegen dich vorbringt: Bist du ein Feind des Caesar?

Die Frage ist nun sehr deutlich. Also beantwortet Jesus diese Frage in Vers 36 und sagt: Nein, ich bin aus zwei Gründen kein Gegner des Caesar. Erstens ist mein Königreich nicht von dieser Welt. Während sein Königreich zwar eines Tages in der Welt aufgerichtet sein wird, ist es doch nicht von der Welt. Es ist nicht von der Art dieser Welt. Er wird nicht zurückkommen, um den Kaiser von seinem Thron zu stürzen und sich dann selbst auf diesen Thron setzen. Wenn er zurück kommt, so kommt er mit seinem eigenen Reich, dem messianischen Reich, und mit seinem eigenen Thron, dem Thron Davids. Aus diesem Grund ist er kein Feind des Kaisers.

Aber es gibt noch einen anderen Grund. Sein Königreich, sagt er, ist nicht für das Hier und Jetzt. Wie wir vorher in unserem Studium von Matthäus 12 gesehen haben, ist es so, dass, als Jesus auf der Grundlage einer Dämonenbesessenheit allgemein abgelehnt und die unvergebbare Sünde damit begangen war, das Angebot des Königreiches von ihnen genommen oder aufgehoben wurde. Es würde in dieser Generation nicht aufgerichtet werden, sondern nur für eine spätere jüdische Generation. Und so wird sein Königreich zu diesem Zeitpunkt nicht aufgerichtet werden und das ist der zweite Grund, warum er kein Gegner des Kaisers ist.

 

In Vers 37 stellt Pilatus eine andere Frage: „Bist du also ein König?“ Er meint damit: Bist du in irgendeiner Hinsicht ein König? Jesus antwortet: „Ja, in gewisser Hinsicht bin ich schon jetzt ein König, ein König der Wahrheit und die, die aus der Wahrheit sind, werden mich erkennen.“ Das Verhör endet in Vers 38, wo Pilatus sarkastisch fragt: „Was ist Wahrheit?“ Und was genau in diesem Augenblick zu Pilatus gesagt wurde ist, dass er gerade auf die Wahrheit blickte und die Wahrheit nicht erkannte, wo sie doch vor ihm stand. Pilatus kommt dann in die Öffentlichkeit und gibt eine Unschuldserklärung heraus. Soweit es Pilatus betrifft ist Jesus kein Feind Roms. Und dies ist lediglich die erste von vielen weiteren Unschuldserklärungen die er herausgeben wird. Aber nach dieser ersten Unschuldserklärung wurden viele weitere Vorwürfe herausgeschrien. Jesus weigerte sich jedoch irgendeine davon zu beantworten. Selbst als Pilatus ihn bat etwas zu erwidern, ist die Reaktion Jesu nur Schweigen. In Lukas 23, 5 erwähnt jemand, als diese Anschuldigungen herausgebrüllt werden, dass Jesus aus Galiläa ist. Und als Pilatus hörte, dass Jesus ein Galiläer ist, gab es ihm eine offene Tür für den Versuch, aus dieser Sache herauszukommen. Beide, Judäa und Samaria, waren unter seiner Gerichtsbarkeit, Galiläa aber war es nicht. Galiläa war unter der Gerichtsbarkeit von Herodes Antipas, der während des Passahs auch in Jerusalem weilte. Und so entscheidet sich Pilatus ihn zu Antipas bringen zu lassen.

Also werden wir jetzt zu einer kurzen Phase übergehen, dem zweiten Teil des zivilen Gerichtsverfahrens, Lukas 23, 6-12. Diese zweite Phase findet vor Herodes Antipas statt. Dieser Herodes war der Sohn von Herodes dem Großen. Und Herodes der Große war derjenige, der in Bethlehem Jesus zu töten versuchte. Dieser Herodes Antipas hatte Johannes den Täufer köpfen lassen. Erst nachdem er ihn getötet hatte, begann er etwas über die Wunder Jesu zu hören, und für eine Weile glaubte er, dass Jesus der auferstandene Johannes der Täufer sei. Weil er über so viele Wunder gehört hatte, hatte er den Wunsch Jesus für eine Zeit zu sehen. Einmal lud er ihn sogar zu sich ein, aber Jesus wies diese Einladung ab und nannte Antipas nichts anderes als einen Fuchs. Auf einmal steht dann Jesus vor ihm. Herodes wünscht sich von Jesus, dass er einige seiner Wunder tut, von denen er gehört hatte. Er ist nicht so sehr daran interessiert an ihn zu glauben, er möchte einfach nur unterhalten werden. Aber Jesus weigert sich auch nur ein Wunder zu tun, weil Wunder nicht zur Unterhaltung gedacht sind. Und so verspottet er Jesus lediglich. Aber das Ergebnis ist eine zweite Unschuldserklärung. Soweit es die Angelegenheit von Antipas betrifft, ist Jesus kein Feind Roms. Und so sendet er Jesus zurück zu Pilatus.

Vers 12 sagt: „Herodes und Pilatus schlossen an demselben Tag Freundschaft miteinander, denn zuvor waren sie einander feind gewesen.“ Der Grund für ihre Feindschaft lag in einer Begebenheit, die sich ereignete, als Pilatus Statthalter wurde. Er zog mit seinen Legionen in Jerusalem ein und an der Außenmauer des Tempelbereichs hing er römische Schilde auf, die Abbildungen von Menschen und Tieren zeigten, die dem jüdischen Empfinden zuwider waren. Und so brach eine große Revolte in Jerusalem aus und Pilatus ließ seine Legionen ausziehen und viele Juden wurden in diesem Zuge getötet. Aber noch immer weigerte er sich die Schilde abzunehmen. Das war also ein beständiger Spannungspunkt in Jerusalem. Antipas war dem Namen nach zum Judentum übergetreten und er wusste über diese jüdische Empfindlichkeit durchaus Bescheid. Er wusste, so lange diese Schilde an diesen Mauern umher waren, gab es das Risiko damit eine Revolte zu fördern. Er bat Pilatus die Schilde abzunehmen. Pilatus lehnte das ab, indem er Antipas daran erinnerte, dass er die Verantwortung für Judäa und Samaria trug und Antipas nur für Galiläa. Also solle er sich nicht einmischen. Daraufhin schrieb Antipas einen Brief nach Rom und beschwerte sich bei der römischen Obrigkeit und schließlich befahl der römische Senat Pilatus diese Schilde abzunehmen. Ein Ergebnis hieraus war die Feindschaft dieser beiden Männer. Man fühlte, dass jeweils der andere seinen Rang der Autorität nicht anerkannte. Aber im Zuge von Jesu Prozess wurden sie nun Freunde, denn als Pilatus den Galiläer zu Antipas sandte, zeigte sich damit eine gegenseitige Anerkennung der Autorität. Neun Jahre später, im Jahr 39 nach Christus, drängte seine Frau Herodias, die diejenige war, die die Enthauptung von Johannes dem Täufer angestiftet hatte, Antipas jetzt mit ihr nach Rom zu gehen, um vom römischen Senat den Titel eines Königs zu bekommen. Das ist der Titel, den der Senat seinem Vater, Herodes dem Großen, gegeben hatte. Nun wollte sie, dass ihr Ehemann den gleichen Titel hat. Also gingen die beiden nach Rom, um diesen Titel zu erbitten. Der römische Kaiser zu dieser Zeit war ein Mann, der Caligula genannt wurde. Caligula war ein geisteskranker Imperator. Er herrschte eine sehr kurze Zeit. Auf den Straßen Roms floss das Blut während seiner Herrschaft. Die Dinge wurden so schlimm, dass seine eigene Prätorianergarde, die zu seinem Schutz da war, ihn erstach. Er war so verrückt, dass er sein eigenes Pferd zu einem Mitglied des römischen Senats machte. Wie sich herausstellte, stimmte das Pferd immer so ab, wie Caligula dies wünschte. Nun, als diese zwei Leute zu Caligula kamen, um ihn um den Königstitel zu bitten, verbannte er sie einfach in ein Gebiet, das heute Frankreich ist und die beiden starben dort in Armut. Und sie zahlten damit den Preis für die Tötung von Johannes und das Verspotten Jesu.

 

Morgen werden wir unsere Studien über Jesu Gerichtsprozess beenden. Ich weiß nicht, ob wir die ganze Zeit dafür benötigen werden. Wenn nicht, werden wir noch ein paar andere Dinge besprechen. Wenn wir aber keine Zeit übrig haben, werden wir einfach unseren Gedankengang beenden.