Predigt Evangelische Ludwig-Hofacker-Gemeinde, gehalten Sonntag 16. Juli 2000 von Pfarrer Konrad Eißler
Es ist genug!, 1. Könige 19, 1-18

Ein Bote Gottes ist abgehauen und sagt: „Es ist genug!“. Ein Sprecher Gottes hat das Handtuch geworfen und ruft: „Es ist genug!“. Ein Prophet Gottes hat die Segel gestrichen und schreit: „Es ist genug! Es reicht mir! Es stinkt mir! Es ist genug!“

Nein, von Kraftprotzen ist in der Bibel nicht die Rede, die mit ihren Muskelpaketen die Welt aus den Angeln heben. Und von Superstars erst recht nicht, die mit ihren Glitzeranzug alles überstrahlen. Aber von Elendsbündeln und Nervenbündeln, die den ganzen Bettel hinwerfen und sagen. „Es ist genug!“.

Elia am Ende! Am Ende seiner Nerven. Eben ist die Megastunde auf dem Karmel zu Ende gegangen. Die Kraftprobe zwischen Gott und Baal ist eindeutig zu Gunsten Gottes entschieden worden. 850 Baals-Priester starben am Flüßchen Kischon.

„Der HERR ist Gott! Der HERR ist Gott!“, so wußte das Volk wieder. Aber Kirkegard sagt: „Die Stunde nach der heiligen Stunde ist die gefährliche Stunde.“ Immer ist das so! Die Stunde nach der heiligen Stunde ist die gefährliche Stunde.

Da wird an seinem Haus eine Depesche abgegeben. Sofort erkennt er die Handschrift Isebels, Frau des Königs, die auch im Bösen seine bessere Hälfte ist. Und dieses arrogante und schmutzige Weibstück, gibt's ihm schriftlich: „Die Götter tun mir dies und das, wenn ich an dir nicht tue, was du an mir getan hast.“

Und Elia?

Elia pariert nicht und sagt. „Wenn eure königliche Hoheit mit einem Käppchen Blut gedient ist: wohlan.“ Und Elia retouriert nicht und sagt: „Wenn eure Majestät mit einem Bauernopfer genüge getan ist: wohlauf.“ Und Elia speditiert diesen Brief nicht sofort in den Kamin. Der, der vor Königen und Generälen gestanden wie ein Fels, der wird weich in den Knien wie Butter. Wegen einer eisernen Lady die Gift und Galle spuckt, zieht er den Schwanz ein. Weil er um sein Leben fürchtet haut er ab.

Irgendwo in der Wüste bricht er zusammen. Elia am Ende seiner Nerven und am Ende seiner Kraft und am Ende seines Glaubens! Umsonst, geht es wie ein Mühlrad durch seinen Kopf! Umsonst! Umsonst war meine Predigt auf dem Karmel! Umsonst war mein Einsatz in der Gemeinde! Umsonst war mein Gebet!

O, Gott, was hab ich alles eingesetzt und alles ist in den Sand gesetzt! Mir reicht's, mir langt's, mir stinkt's! Es ist genug!

Und der auf dem Boden liegende hat nur eine Melodie auf den Lippen, einen Kehrreim, eine Refrain des Pessimismus – nämlich: Es ist genug!

Es ist genug!

Und die Frage: nur er? Wieviel sind heute morgen fix und fertig? Wieviel sind heute morgen am Boden? Wieviel unter uns sagen: „Ich kann nicht mehr! Ich kann nicht mehr!“ Viele sind am Ende ihrer Nerven, weil sich die Isebels immer frecher aufspielen und all die über die Klinge springen lassen, die nicht nach ihrer Pfeife tanzen. Und sie sind am Ende ihres Glaubens, weil sich die Kluft zwischen Glaube und Wirklichkeit weiter auftut.

Aber, liebe Freunde, deshalb haben Sie auch nur diesen Kehrreim, diesen Refrain im Kopf: umsonst! Umsonst! Umsonst war mein Kampf in der Familie! 17 Jahre meine Kids umsorgt und versorgt!

Und dann?

Und dann haben sie die Koffer gepackt und sind ohne Dank ausgezogen und bei der Freundin eingezogen. Umsonst war meine Predigt in der Gemeinde! Was habe ich gepredigt! Was habe ich Bibelstunden gehalten! Was habe ich Leute besucht und was ist herausgekommen? Weggeblieben sind sie! Ferngeblieben sind sie! Zu Hause geblieben sind sie! Umsonst war mein Gebet. Jahrelang gebittelt und gebettelt. Und was ist dabei herausgekommen? Die Schmerzen sind größer und die Lasten noch schwerer geworden.

O, mir reicht's! Mir langt's! Es ist genug!

Aber wissen Sie, deren Herz heute morgen mitschwingt, der höre und wisse: daß Gott immer erst am Anfang ist, wenn wir schon am Ende sind. Wenn wir am Ende sind, ist Er erst am Anfang: mit Seiner Fürsorge, mit Seiner Seelsorge und mit Seiner Vorsorge. Und genau von dem ist hier die Rede. Und von dem müssen wir auch reden.

1. Seine Fürsorge

Also, dieses erste: Seine Fürsorge fängt an und zwar in der Wüste Negev. „Nur schlafen, nur schlafen“, sagt er, wie im Nibelungenlied. Und er schläft wie ein Murmeltier.

Und plötzlich eine Gestalt, ein Bote Gottes. Einer aus dem himmlischen Hofstaat, der den Menschen so ähnlich sieht. Und der hat alle Mühe zu tun, diesen Siebenschläfer überhaupt wach zu kriegen. Zweimal muß er zugreifen und schütteln. Und als er dann die Augen und die Ohren auftut, da hört er keine Straflektion: „Steh' auf und entschuldige dich! Steh' auf und zurück, marsch, marsch.“ Keine Straflektion, sondern eine Einladungsaktion.

„Steh' auf und iß!“ Brot und Wasser steht in der Wüste. Das ist Gottes Fürsorge, die keinen in der Hitze verdursten und keinen in der Dürre verhungern läßt. Das ist jenes himmlische Catering, von dem schon David beglückt war: »Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde«.

Natürlich hätte sich Elia fragen und sich sagen können: „Nur Wasser und Brot? Kein Weizenbier, keine Schinkenwurst, kein Bauernbrot? Mit diesen paar Kalorien soll ich durch die Wüste kommen?

Aber Gott sagt – in Umkehrung dieses pessimischten Kehrreims: „Es ist genug!“ Dieses Brot sättigt und dieses Wasser löscht den Durst. Mit meinen Nährwerten kommst du ans Ziel. Dies genügt. Und dies genügt bis zum heutigen Tag.

Liebe Freunde: Gott sorgt für seinen Leute! Gott sorgt für seine Leute! Seine Mittel sind zwar gering, aber sie sind genug. Mehr als diese Stärkung brauchen wir nicht.

Uns begegnet nicht nur ein Bote Gottes, sondern uns begegnet der Sohn Gottes selbst. Und so wie damals am letzten Tag beim Fest in Jerusalem, das am schönsten war, als Er über den Tempelplatz lief, so geht dieser HERR Jesus heute Morgen durch unsere Kirchen, durch diese Reihen und sagt es jedem: »Wen da dürstet, der komme, wer da am Boden liegt, der komme, wer da fertig ist, der komme. Ich will ihm geben von dem Wasser, von dem lebendigen Wasser umsonst.«

Und dann zeigt Er auf den Teller, der immer wieder auf dem Altar steht: „Das ist mein Bund, das ist das Brot das satt macht.“ Und dann zeigt Er auf den Kelch, der auf den Altar steht und sagt: »Das ist mein Blut, der neue Bund, der euch stärkt und auf die Füße stellt. Nehmet hin und trinket, das ist's«. Abendmahl ist Mahlzeit unterwegs. Warum ist denn diese Mahl ferner als die Amoniten der Kreidezeit. Wenn uns Freunde zum Grillen einladen, dann ist ok. Und, wenn uns Kumpels zur Party einladen, ist auch recht. Und, wenn uns Verwandte zur Familienfeier einladen, dann freuen wir uns. Und, wenn Gott an seine Tisch bittet, dann sind wir verlegen und drucksen herum und winken schließlich ab.

Liebe Freunde, genau dort will Er es doch den Niedergeschlagenen sagen: steh auf und iß! Der Gehorsam gegen den Befehl Jesu Christi ist noch nie das schlechteste Motiv gewesen, wieder zum Abendmahl zu gehen. Dort, dort will Er es Ihnen doch wieder ganz zusagen: »Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig«. Meine Kraft ist in Ihnen mächtig. Dieser Elia, der findet in der Wüste wieder zum Leben. Schauen Sie sich in Ihrer Wüste um: Gottes Kellner sind noch unterwegs. Gottes Fürsorge fängt mit dem Mahl an.

2. Seine Seelsorge

Das ist das erste und das zweite, nämlich, Gottes Seelsorge fängt an und zwar oben auf dem Berg Sinai.

Nach 40tägigem Gewaltmarsch erreicht Elia diesen Gipfel. Und sofort wird ihm klar: hier hat doch Mose seine Hände ausgestreckt um die zwei Gebotstafeln zu empfangen. Hier ist doch Mose gekniet, um für sein Volk zu flehen. Hier an dieser Stelle muß wieder eine Begegnung mit dem Lebendigen möglich sein. Und dann wegen Wind und Wetter sucht er Zuflucht in einer Höhle. Aber Gott will Seinen Knecht nicht in der Höhle. Gott will Seine Leute nie in der Höhle. Es gibt ja nicht nur Höhlen aus Stein, es gibt ja auch aus Angst und aus Depressionen, aus Krankheit. In welcher Höhle Sie sich auch an diesem Morgen befinden: Hören Sie, was Elia gehört hatte: „Geh' heraus, geh' heraus aus deiner Höhle! Geh' heraus und begegne Deinen Gott.“ So wie dieser Mann. Er trat heraus auf den Gipfel und dann erlebte er das , was jeder Gebirgler in den Bergen fürchtet, nämlich ein Gewitter. Dunkle Wolken ziehen auf und dann heult der Sturm und wirft die Gesteinsbrocken ins Tal, aber Elia kann darin nicht göttliches erkennen.

Und dann bebt die Erde und Felswände brechen zusammen und verschütten die Wege. Aber Elia kann darin nichts göttliches erkennen. Und dann blitzen diese Feuer über den Nachthimmel, dieses Zucken. Alles wird hell, aber er kann darin nichts göttliches erkennen. Erst als dieses Inferno vorbei ist und es ganz Stille wird, ganz Stille wird, da auf einmal hört er -und so hat es einer übersetzt, da hört er die Stimme dieses feinen Schweigens, die Stimme dieses feinen Schweigens. Es ist die Stimme der Stille, in der Gott ist. Und Elia hätte sich wieder sagen können: „Nur Worte, kein Belegt, kein Pfand, kein Beweis Seiner Herrlichkeit?

Und Gott sagt: „Es ist genug!

Mehr als diese, meine Worte brauchst du nicht. Mit Meinem Wort kannst du leben, mit Meinem Wort kannst du sterben, mit Meinem Wort kannst du auferstehen. Doch! Mehr als diese Worte brauchst du nicht.“

Und, liebe Freunde, mehr brauchen Sie auch nicht. Gott begegnet Ihnen nicht in den Stürmen, die gegenwärtig durch unsere Welt gehen. Und Gott begegnet Ihnen auch nicht in den Erschütterungen Ihres Lebens. Die vergessen Sie bald wieder. Und Gott begegnet Ihnen auch nicht in den Feuern der Gurus die alles hell machen wollen. Gott begegnet Ihnen in der Stille Seines Wortes, wenn es Ihnen gelingt.

Und ich möchte Ihnen Mut machen, mindestens einmal, ich rate Ihnen zweimal am Tage, zweimal am Tage das Donnerwetter der Zeit zu fliehen und stille zu werden über Seinem Wort. Dann, dann hören Sie wieder die Stimme dieses feinen Schweigens. Das brauchen Sie, diese Stimme des feinen Schweigens.

Ein kleine Geschichte zum Aufwachen:

Wissen Sie, so wie die Autos zum TÜV müssen, so müssen die Senioren zum Arzt. Man muß ja noch wissen, ob die Gehirnsteuerung funktioniert, ob das Herz richtig rotiert und ob die Eßbremse überhaupt noch in Ordnung ist.

So ging ich auch zum Herrn Doktor. Und er machte es gründlich. Er schaute mich an, er horchte mich ab, er fragte mich aus. Und dann sagte er zum Schluß, jetzt machen wir noch ein EKG. Ich dachte natürlich an's Evangelische Kirchengesangbuch und wollte schon ein „Lobe den HERRN“ anstimmen. Aber er verkabelte mich, schaute diese Linien an und riet mir zum Schluß: „Jeden Tag 15 Minuten raus mit dem Fahrrad.“ Ich fragte zurück: „Nicht mit dem Auto? Wäre mir lieber“.

Jeden Tag 15 Minuten raus mit dem Fahrrad. Ich bin kein Doktor, aber ich rate Ihnen Einfacheres: Jeden Tag 15 Minuten raus mit der Bibel. Wissen Sie, dort spricht dieser Gott mit Ihnen persönlich. »Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, Du bist mein«. Dort spricht dieser Gott mit Ihnen herzlich. »Ich habe dich lieb und ich habe dich in meine Hände geschrieben und ich will dich nicht lassen«. Und in diesen Seinem Wort spricht er mit Ihnen, einfach herrlich. »Ich lebe und du sollst auch leben«. Und, wenn du krank bist, auch leben. Und, wenn du stirbst, auch leben. Ewig leben, das wird allein Herrlichkeit sein, wenn frei von weh, ich dein Angesicht seh.

Gottes Seelsorge fängt mit seinem Wort an. Das ist das zweite.

 


3. Seine Vorsorge

Und jetzt noch dieses dritte.

Gottes Vorsorge fängt an und zwar drüben in Israel.

Dieser Elia muß ja wieder zurück. Ach, er wäre so gerne dort geblieben, wo es einem so wohl ist, wie in so manchen Gottesdienste. Man will ja gar nicht mehr nach Hause, man will ja gar nicht ins Geschäft. Was alles auf einen hereinbricht, wo es einem so wohl ist. Aber Elia wird wieder zurück geschickt.

Gott will keine Aussteiger. Fromme Aussteiger versteigen sich nur in fixe Ideen. Er will, daß Sie wieder einsteigen am alten Platz. Und Elia wird es dort nicht leicht haben. So, wie wir es draußen nicht leicht haben werden. Die Isebel ist noch da, dieses hochnäsige Weib, die weiterhin Menschen über Klingen springen läßt. Und Ahab ist noch da, dieser erbärmliche Waschlappen, der nur Handlanger und Handtasche seiner Frau ist. Und Baal ist noch da, dieser stumme Götze, der die Massen in seinen Bann zieht. Aber, so sagt es Gott, 7.000 werden auch noch da sein, die vor diesen Göttern nicht knicksen.

Siebentausend werden auch noch da sein. Und Elia sagt, ich bin allein übrig geblieben. Aber das stimmt nicht. Das ist gesprochen in seine Enttäuschung, in seine Resignation. Elia, allein bist du gar nie, 7.000 sind's allemal. Links und rechts sind noch andere. Ich glaube, an diese Gemeinschaft der Heiligen – auch draußen. Natürlich hätte Elia wieder antworten können: „Nur 7.000, Gott? Nur 7.000? Nicht 30.000, wie im Neckarstadion beim Fußballspiel? Nicht 100.000 wie beim Lichterfest auf dem Killesberg?“ Nicht Millionen wie beim Volksfest auf dem Wasen? Nur 7.000?

Und Gott antwortet noch einmal: „Das ist genug!“. Die Mehrheit hat überhaupt noch nie kapiert, um was es geht. Wahrheit und Mehrheit gehören nicht unbedingt zusammen.

Die Kinder Israel die waren ein erbärmlicher Wurm unter den Peitschenhieben des Pharao. Und das Volk Israel war ein jämmerlicher Haufe unter den Babyloniern. Und die 12 Jünger waren eine verachtete Clique inmitten der Gesellschaft. Und die Gemeinde Jesu ist bis heute eine allenfalls geduldete, aber zumeist verachtete, eine verachtete Gemeinde inmitten dieser Welt.

Aber liebe Freunde, mit diesem schäbigen Rest tut Gott sein Werk, mit diesem schäbigen Rest tut Gott sein Werk bis heute. Da mögen sie die Zähne zeigen, da mögen sie Gift und Galle spucken, da mögen sie Ihnen das Leben bedrohlich machen.

Er ist da! Und Er ist um Sie! Und Er ist bei Ihnen! Ich glaube an diese Gemeinschaft derer, die an ihm hängen und die überall ist, wohin Sie auch gehen. Sie werden gar nie, gar nie auf einsamen Posten stehen.

Elia ging und so schließt die Geschichte. Elia ging. Er erlebte den Gott, mit dem er am Ende war, der erst am Anfang ist. Mit Seiner Seelsorge, Fürsorge und Vorsorge. Und sehen Sie, das gilt heute auch noch. Und das nehmen wir mit: jeder, der genug vom Leben hat, hat mit diesem HERRN genug zum Leben. Doch Freunde. Es ist genug!

Amen