Der Buddhismus ist anders

Der Dalai Lama in Deutschland: Die Begeisterung beruht auf Illusionen

 

von Martin Kamphuis


der Dalai Lama ist in Deutschland auf „Staatsbesuch" und (fast) alle sind begeistert. Die Leute strömen mit leuchtenden Augen aus dem Tennisstadion in Hamburg nach dem ersten öffentlichen Vortrag. Viele nahmen mit einem verklärten Lächeln das dargereichte Traktat „Gott oder Buddha?" von mir in Empfang, vielleicht in der Hoffnung, noch mehr vom Dalai Lama zu empfangen. Woher kommt die Faszination für den Buddhismus? Zunächst ist Buddhismus etwas Exotisches und bekanntlich lockt das Fremde mehr als das Altbekannte. Viele sind durch die Institution „Kirche" und vielleicht auch durch schlechte Vorbilder enttäuscht vom Christentum. Und nicht zuletzt ist in unserer aufgeklärten Gesellschaft eine zunehmende Sehnsucht nach übersinnlichen Erfahrungen zu bemerken. Dabei werden manche Illusionen über den Buddhismus verbreitet:

1. Friedfertigkeit

Es gibt im tibetischen Buddhismus etwa 45% friedliche und 55% zornige Offenbarungen Buddhas. Das heißt: Es wird gelehrt, dass es nicht nur friedliche Formen der Erleuchtung, sondern auch „erleuchtete" Formen des Zorns gibt. Der innere Friede ist demnach erst dann hergestellt, wenn der Mensch sowohl seine friedlichen als auch seine zornigen Anteile anerkennt, d. h. unter gewissen Umständen auch auslebt. Der tibetische Buddhismus strebt mit dieser Vereinigung von Frieden und Zorn nicht nur nach innerem Frieden, sondern auch nach dem Weltfrieden. Danach sind sowohl friedliche als auch kriegerische Handlungen im Sinne dieser Offenbarung. Kriegerische Handlungen sind für das Jahr 2425 prophezeit. Dann soll ein buddhistischer Herrscher die Weltherrschaft an sich reißen und einen weltweiten Frieden im Sinne des Buddhismus (unter Ausschluss Andersgläubiger) durchsetzen. Die christliche Lehre fordert dagegen auf, dem Zorn keinen Raum zu geben.

2. Toleranz

Der Dalai Lama erscheint dagegen stets als milde. Doch als Führer im Buddhismus hat er auch eine ganz andere Seite. Im „Spiegel" heißt es: „Das ist der spirituelle Dalai Lama: liberal gegenüber anderen Religionen, im Umgang mit seinen Glaubensbrüdern gelegentlich von einer an Joseph Ratzinger erinnernden Schärfe." Die Schärfe des Dalai Lama gegenüber seinen Glaubensbrüdern beruht nicht nur auf einem streng organisierten, hierarchischen System, in dem er sowohl der absolut religiöse als auch der politische Herrscher ist; sondern auch auf dem ihm zugeschriebenen hohen spirituellen Erkenntnisstand. Sein Führungsstil wird innerhalb der Mönchskreise von manchem als despotisch beschrieben. So verbietet er seinen Mönchen, zu einer anderen Religion zu wechseln.

3. Mission

Freunde des Buddhismus behaupten häufig, dass Buddhisten nicht missionieren. Da ich selber Buddhist war, weiß ich, dass dies nicht stimmt. So sind Einweihungsrituale usw. eine Form der Mission. Nirwana, Buddha oder Erleuchtung sind exotisch klingende Begriffe. Doch diese Namen stehen für ein Ziel, nämlich den Zustand der absoluten Leerheit. Er wird zwar glückselig genannt, es soll in ihm jedoch weder die Person noch Empfindungen oder Geist geben. Das Ziel im Christentum ist dagegen nicht die Auflösung der eigenen Person, sondern eine Begegnung mit einem allmächtigen Gott, der in einem himmlischen Reich wohnt. In dieses Reich kann niemand aus eigener Kraft gelangen. Es wird uns nur geschenkt, wenn wir durch Jesus Christus die Vergebung der trennenden Schuld empfangen. Im Nirwana gibt es keine Person, aber auch keinen Gott. Deswegen sind Gott und Nirwana unvereinbar.


Martin Kamphuis

 

Erschienen in idea 30/2007