Zweiter Brief des Petrus

Petrus, der sich immer noch in Rom aufhielt, hatte bisher der Verfolgung durch Kaiser Nero im Jahr 64 n.Chr. entkommen können, der Paulus bereits zum Opfer gefallen war. Inzwischen wusste er aber, dass auch er nicht mehr lange zu leben hatte (1,14-15) und verfasste deshalb einen zweiten Brief an die Christen in Kleinasien (3,1). Diesmal schrieb er ihn entweder selbst oder bediente sich eines anderen Sekretärs als im ersten Brief.

Petrus hatte erfahren, dass falsche Lehrer in einige Gemeinden Kleinasiens eingedrungen waren. Leider musste er davon ausgehen, dass diese Lehrer in Zukunft noch mehr Ärger machen würden, und wollte die Gläubigen deshalb dringend warnen.

Der Brief ist so etwas wie das geistliche Vermächtnis des Petrus. Es ist bemerkenswert, dass er ebenso wie Paulus in seinem letzten Brief (siehe 2.Timotheus 1,1 Vorwort) die Gläubigen auf die Heilige Schrift verweist. Kurze Zeit später (67 n.Chr.) wurde auch er hingerichtet.

 


1 Es schreibt Simon Petrus, ein Sklave[1] und Apostel von Jesus Christus. An alle, die denselben wertvollen Glauben empfangen haben wie wir. Das ist der Glaube, der uns durch die Gerechtigkeit unseres Gottes und Retters Jesus Christus geschenkt wurde. Gnade und Frieden vermehre sich bei euch dadurch, dass ihr Gott und Jesus, unseren Herrn, immer besser und tiefgründiger kennenlernt.

Geistliches Wachstum

In seiner göttlichen Macht hat er uns alles geschenkt, was wir zu einem Leben in liebevoller Ehrfurcht vor Gott brauchen. Er hat uns den erkennen lassen, der uns durch ‹seine› eigene Herrlichkeit und Wundermacht berufen hat. So hat er uns das Größte und Wertvollste überhaupt geschenkt: Er hat versprochen, dass ihr Anteil an seiner göttlichen Natur bekommt. Denn ihr seid ja schon dem Verderben entkommen, dem diese Welt durch ihre Leidenschaften verfallen ist.

Deshalb müsst ihr nun auch allen Fleiß daransetzen, eurem Glauben ein vorbildliches Leben beizufügen und diesem Leben die Erkenntnis. Der Erkenntnis muss die Selbstbeherrschung folgen, der Selbstbeherrschung die Geduld und der Geduld die liebevolle Ehrfurcht vor Gott. Diese Gottesfurcht wiederum führt zur geschwisterlichen Liebe und aus der Liebe zu den Gläubigen folgt schließlich die Liebe zu allen Menschen. Je mehr ihr in dieser Hinsicht vorankommt, desto mehr wird sich das auswirken und Frucht bringen, und ihr werdet unseren Herrn Jesus Christus immer besser erkennen. Wer das alles aber nicht hat, ist blind oder doch sehr kurzsichtig. Er hat vergessen, dass Gott ihn von seinen früheren Sünden gereinigt hat. 10 Ihr müsst deshalb alles daransetzen, liebe Geschwister, eure Berufung und Erwählung festzumachen. Dann werdet ihr auch nicht ins Stolpern kommen, 11 und Gott wird euch die Tore weit öffnen und euch in das ewige Reich unseres Herrn und Retters Jesus Christus einziehen lassen.

Glaubwürdige Zeugen

12 Aus diesem Grund will ich euch immer wieder an diese Dinge erinnern, auch wenn ihr die Wahrheit schon kennt und fest in ihr gegründet seid. 13 Aber ich halte es für meine Pflicht, euch durch die Erinnerung wach zu halten, solange ich lebe. 14 Denn ich weiß, dass mein Zelt hier auf der Erde bald abgebrochen wird. Das hat unser Herr Jesus Christus mir zu erkennen gegeben. 15 Deshalb will ich dafür sorgen, dass ihr euch auch nach meinem Tod jederzeit an diese Dinge erinnern könnt.

16 Denn wir haben uns keineswegs auf Mythen oder frei erfundene Geschichten gestützt, als wir euch von der Macht unseres Herrn Jesus Christus und seinem Wiederkommen erzählten. Nein, wir haben seine herrliche Größe mit eigenen Augen gesehen. 17 Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit, damals, als eine Stimme von der höchsten Herrlichkeit an ihn erging: „Dies ist mein über alles geliebter Sohn; an ihm habe ich Freude.“ 18 Wir haben diese himmlische Stimme gehört, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren.[2]

19 Und eine noch festere Grundlage haben wir im prophetischen Wort, und ihr tut gut daran, darauf zu achten wie auf ein Licht, das an einem dunklen Ort leuchtet, bis der Tag anbricht und der Morgenstern in eurem Herzen aufgeht. 20 Vor allem aber müsst ihr wissen, dass keine prophetische Aussage der Schrift aus einer eigenen Deutung stammt.[3] 21 Denn niemals wurde eine Weissagung ausgesprochen, weil der betreffende Mensch das wollte. Diese Menschen wurden vielmehr vom Heiligen Geist gedrängt, das zu sagen, was Gott ihnen aufgetragen hatte.

Gefährliche Irrlehrer

2 1 Doch es gab in Israel auch falsche Propheten, so wie es unter euch falsche Lehrer geben wird. Die schleusen dann schädliche Sonderlehren heimlich ein. Damit verleugnen sie den Herrn[4], der sie doch freigekauft hat, und ziehen sich selbst ein schnelles Verderben zu. Mit ihrem zügellosen Lebensstil werden sie jedoch viele Anhänger finden, und ihretwegen wird der Weg der Wahrheit in Verruf geraten. Aus Habgier erfinden sie geschickte Lügen, um euch damit zu betrügen. Doch das Urteil über sie ist längst gefällt, sie werden ihrem Verderben nicht entgehen.

Göttliches Urteil

Gott hat nicht einmal die Engel verschont, die sich gegen ihn vergangen hatten, sondern hat sie bis zum Tag des Gerichts mit Finsternis gefesselt und in Höhlen des Abgrunds verwahrt. Er hat auch die frühere Welt nicht verschont. Nur Noah, der die Menschen ermahnte, Gott zu gehorchen, wurde mit sieben anderen gerettet, als Gott die Flut über die Welt der Gottlosen brachte. Auch die Städte Sodom und Gomorra hat Gott in Schutt und Asche sinken lassen, um an ihrem Beispiel zu zeigen, wie es den Gottlosen künftiger Zeiten ergehen wird. Nur Lot hat er gerettet, weil der sich an Gottes Gebote hielt, und unter dem zügellosen Leben der Gottverächter litt. Denn täglich musste dieser gerechte Mann bei seinen Mitbürgern Dinge sehen und hören, die sein Gewissen quälten. ‹Ihr seht also, dass› der Herr weiß, wie er die Gottesfürchtigen aus der Versuchung retten, die Ungerechten aber bis zum Tag des Gerichts festhalten kann, wo sie bestraft werden, 10 und zwar besonders die, die den schmutzigen Begierden ihrer menschlichen Natur folgen und jeden Herrschaftsanspruch missachten.

Verkommene Menschen

Solche Menschen sind frech und anmaßend. Sie schrecken auch nicht davor zurück, überirdische Mächte zu lästern. 11 Das wagen nicht einmal die Engel, die doch viel stärker und mächtiger sind. Niemals würden sie solche Mächte mit ihrem Urteil vor Gott lächerlich machen. 12 Aber diese Menschen handeln wie unvernünftige Tiere, die nur geschaffen sind, um gefangen und getötet zu werden. Sie machen sich über Mächte lustig, die sie nicht einmal kennen. Ihre Verdorbenheit wird sie verderben. 13 So bekommen sie den verdienten Lohn für ihre Bosheit. Sie lieben es, schon am helllichten Tag üppige Gelage zu veranstalten. Diese Schmutz- und Schandflecken schwelgen in ihrem Betrug, und vergnügen sich mit euch zusammen beim üppigen Mahl.14 Keine leichtsinnige Frau entgeht ihren lüsternen Blicken. Ständig sind sie auf Sünde aus und locken damit unsichere Menschen an. Habgier ist ihre zweite Natur geworden; sie sind verloren und verflucht. 15 Wie Bileam haben sie den geraden Weg verlassen. Ja, sie sind dem Sohn Beors gefolgt, der das Geld liebte, das er für seine böse Tat bekommen sollte. 16 Doch er musste sich sein Unrecht vorhalten lassen: Ein stummes Lasttier, ‹ein Esel›, sprach ihn mit der Stimme eines Menschen an und stellte sich dem Irrsinn des Propheten in den Weg. 17 Diese Menschen sind wie Brunnen, die kein Wasser haben, wie Nebelschwaden im Sturm. Sie werden in der dunkelsten Finsternis enden. 18 Mit hochtrabenden Worten reden sie nichtiges Zeug, und ziehen durch die Verlockung ihrer Ausschweifungen Menschen an, die doch gerade erst dieser Verführung entkommen sind. 19 Sie versprechen ihnen Freiheit und sind doch selber Sklaven ihrer moralischen Verkommenheit; denn wovon man sich beherrschen lässt, von dem ist man versklavt. 20 Wenn sie nämlich vom Schmutz der Welt losgekommen sind, weil sie Jesus Christus, unseren Herrn und Retter, kennengelernt haben, sich dann aber wieder davon fangen und überwältigen lassen, dann sind sie am Ende schlimmer dran als am Anfang. 21 Dann wäre es besser für sie gewesen, sie hätten den rechten Weg nie gekannt, als ihn zu erkennen und sich dann doch von dem heiligen Gebot abzuwenden, das ihnen übergeben wurde. 22 Es ist ihnen genauso ergangen, wie das Sprichwort sagt: „Ein Hund kommt zum Erbrochenen zurück und eine gewaschene Sau wälzt sich wieder im Dreck.“[5]

Leichtfertige Spötter

3 Das ist bereits mein zweiter Brief an euch, liebe Geschwister. Durch beide will ich euch ‹an längst Bekanntes› erinnern, dass eure gute Gesinnung erwacht. Ich möchte, dass ihr euch an das erinnert, was die heiligen Propheten vor langer Zeit sagten, und ebenso an das Gebot unseres Herrn und Retters, das euch durch eure Apostel ‹erreichte›. Vor allen Dingen müsst ihr wissen, dass in den letzten Tagen Spötter auftreten werden, die sich darüber lustig machen und ihre eigenen Begierden ausleben. Sie werden sagen: „Er hat doch versprochen wiederzukommen! Wo bleibt er denn? Inzwischen sind unsere Väter gestorben, aber alles ist immer noch so, wie es seit der Schöpfung von Anfang an war.“ Wer das behauptet, will nicht wahrhaben, dass es die Himmel schon längst gab und die Erde aus dem Wasser hervorgetreten und mit Wasser umgeben war. Gott hatte sie durch sein Wort geschaffen. Dennoch wurde die Welt damals ‹bei der großen Flut auf Gottes Wort hin› durch Wasser überschwemmt und vernichtet. Durch dasselbe Wort werden nun auch die jetzigen Himmel und die jetzige Erde für das Feuer aufgespart. Sie werden bewahrt bis zum Tag des Gerichts, an dem die Gottlosen zugrunde gehen.

Gnädige Verzögerung

Eins dürft ihr dabei nicht übersehen, liebe Geschwister: Für den Herrn ist das, was ‹für uns› ein Tag ist, wie tausend Jahre; und was ‹für uns› tausend Jahre sind, ist ‹für ihn› wie ein einziger Tag. Der Herr verzögert seine Zusage nicht, wie manche das meinen. Im Gegenteil: Er hat Geduld mit euch, denn er will nicht, dass irgendjemand ins Verderben geht, sondern dass alle umkehren zu ihm. 10 Der Tag des Herrn wird aber so unerwartet kommen wie ein Dieb. Dann wird der Himmel unter schrecklichem Lärm vergehen und die Elemente in Hitze aufgelöst. Die Erde mit allen Menschenwerken darauf ist dann verbrannt.[6] 11 Wenn sich das alles nun so auflösen wird, was für ein Anliegen müsste es euch dann sein, ein Leben in Heiligkeit und Ehrfurcht vor Gott zu führen, 12 den Tag Gottes zu erwarten und seine Ankunft zu beschleunigen – den Tag, an dem die Himmel im Feuer verbrennen und die Elemente sich auflösen in dieser Glut. 13 Aber nach dem, was Gott uns versprochen hat, erwarten wir neue Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit regiert.

Nötige Wachsamheit

14 Weil ihr das alles erwartet, liebe Geschwister, setzt alles daran, dass ihr rein und tadellos und innerlich im Frieden vor euren Herrn hintreten könnt. 15 Und betrachtet die Geduld unseres Herrn als Gelegenheit zur Rettung. Genau das hat euch auch unser lieber Bruder Paulus geschrieben, dem Gott in all diesen Fragen viel Weisheit geschenkt hat. 16 In seinen Briefen redet er mehrfach davon. Freilich ist einiges darin auch schwer zu verstehen, was dann von unverständigen oder im Glauben nicht gefestigten Leuten verdreht wird. Aber so machen sie es ja auch mit den anderen Texten der Heiligen Schrift – zu ihrem eigenen Verderben.

17 Weil ihr das alles jetzt schon wisst, liebe Geschwister, passt auf, dass ihr nicht von dem Irrsinn der Gesetzesverächter mitgerissen werdet und euren festen Stand verliert. 18 Nehmt vielmehr in der Gnade zu und lernt unseren Herrn und Retter Jesus Christus immer besser kennen. Ihm gehört alle Herrlichkeit und Ehre, schon jetzt und auch in alle Ewigkeit! Amen.



[1] 1,1: Ein Sklave (griech. doulos) ist ein Mensch, der rechtlich und wirtschaftlich Eigentum eines anderen Menschen ist. Christen verstanden sich als Sklaven von Jesus Christus, weil dieser sie aus der Sklaverei der Sünde „freigekauft“ hatte, und betrachteten diesen Titel als Auszeichnung.

[2] 1,18 Siehe Markus 9,2-9!

[3] 1,20: aus einer eigenen Deutung stammt. Entweder ist gemeint: aus einer eigenen Deutung (Erfindung) des Propheten, oder: eine eigene (eigenwillige) Deutung zulässt.

[4] 2,1: eigenen Herrn. Wörtlich den absoluten Herrscher, den Gebieter.

[5] 2,22: Sprüche 26,11

[6] 3,10: Nach anderen Handschriften: „wird nicht mehr gefunden“.