BOTSCHAFTEN LlbcR NOTWENDIGKEIT* KENNZEICHEN UND BEDINGUNGEN VON ERWEckuNG SpuRqEON • FiNNEy ToRRty • C AMpbdl Tholtick HoFAcktR GoBner KrummacHer HERAusqeqEbEN von qüNTER kraUmann Botschaften über Notwendigkeit, Kennzeichen und Bedingungen von Erweckung Spurgeon, Finney, Torrey, Campbell Tholuck, Hofacker, Goßner, Krummacher Übersetzt, eingeleitet und herausgegeben von Günter Krallmann Jugend mit einer Mission e.V. Hurlach Oncken Verlag Wuppertal und Kassel Originaltitel benutzter nicht freier Texte: R.A.Torrey “The Holy Spirit in a Revival“ in: How to Promote & Conduct a Successful Revival. With Suggestive Outlines. Edited by R.A. Torrey. Copyright 1901 by Fleming H. Revell Company. Andrew Melrose, London. D. Campbell “God’s Instrument in Revival“ in: God’s Answer. Revival Sermons by Duncan Campbell. © The Faith Mission 1967 Christian Literature Crusade. Fort Washington/Pennsylvania. Mit Genehmigung des jeweiligen Verlagshauses fanden folgende Bibelübersetzungen Verwendung: Der Titel des Buches wurde zitiert nach der Ausgabe: Die Heilige Schrift Alten u. Neuen Testaments. Übersetzung von Dr. Hermann Menge. Dritte, verbesserte Auflage, Privileg. Württemb. Bibelanstalt, Stuttgart (1927). Quelle für den Leitvers und mit ’Z' gekennzeichnete Belege war: Die Heilige Schrift des Alten und des Neuen Testaments. Verlag der Zwingli-Bibel, Zürich (1955). Ansonsten wurden in der Regel die in den Botschaften enthaltenen Bibelstellen bewußt weitgehend in ihrer ursprünglichen Form übernommen, d.h. nach Möglichkeit die englischen Originaltexte wörtlich übersetzt und die deutschen unverändert gelassen. Jedoch vorteilhaft erscheinenden Bearbeitungen und Zitaten diente als Vorlage: Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments nach der Übersetzung Martin Luthers. Canstein-Bibel, Luthertext 1964/75. Deutsche Bibelstiftung, Stuttgart 71978). Der Angabe der Bibeltexte im Anhang liegt diese Ausgabe ebenfalls zugrunde. 1. Auflage Januar 1980 Copyright © 1980 by Günter Krallmann Alle Rechte Vorbehalten Umschlaggraphik: Philippe M. Guignard Satz und Druck: Jugend mit einer Mission Deutschland e. V. Schloß Hurlach D-8931 Hurlach ISBN 3-88076-011-10 (Jugend mit einer Mission e. V. Hurlach) ISBN 3-7893-7873-9 (Oncken Verlag Wuppertal und Kassel) Dieses Buch ist all denen gewidmet, durch die mein Leben reich gesegnet wurde, - vornehmlich meinen Eltern und meiner Frau. Vorwort Mit der Veröffentlichung dieses Buches möchte ich meinen herzlichen Dank an alle die verbinden, die an der Ausführung dieses Vorhabens besonderen Anteil hatten. Zunächst denke ich an die Männer Gottes verschiedener Länder, die durch ihr lebendiges Vorbild, die Weitergabe von Erfahrungen und Kenntnissen sowie durch ihre sachdienliche Unterstützung mein Interesse an Erweckung wachriefen und förderten. Sodann ist es mir ein Anliegen, meine tiefe Wertschätzung der bereitwilligen Kooperation zum Ausdruck zu bringen, die Mitarbeiter von “Jugend mit einer Mission“ dem Projekt entgegenbrachten. Ganz besonders jedoch weiß ich mich meiner Frau zu Dank verpflichtet, die durch Gebet, Ermutigung, praktische Hilfe und auch manchen persönlichen Verzicht wesentlich zur Vollendung dieser Arbeit beitrug. Schließlich - und zugleich vor allem - bin ich Gott dankbar, daß er mir die Aufgabe anvertraute, deren Ergebnis ich nun vorlegen darf. Möge das vorliegende Buch dazu dienen, Menschenleben zu verändern und damit Kanäle zu schaffen, durch die die im Titel einbeschlossene Verheißung Wirklichkeit werden kann. Der Herausgeber “Ein Feuer auf die Erde zu bringen, bin ich gekommen, und wie sehr wünschte ich, es wäre schon entfacht!“ (Lukas 12, 49) Inhalt Einführung: Erweckung - Gottes Verheißung und Wunsch 11 für uns heute (G. Krallmann) SPURGEON: Gottes mächtiges Handeln in der Vergangenheit 19 FINNEY: Wesen, Voraussetzungen und Anzeichen 37 von Erweckung TORREY: Der Heilige Geist in einer Erweckung 57 CAMPBELL: Gottes Instrument bei Erweckung 65 THOLUCK: Alle Reformation muß im Kleinen beginnen, 75 am eigenen Herzen und Haus HOFACKER: Was uns hindert, zum Frieden und recht- 87 schaffenen Wesen in Christus erweckt zu werden GOSSNER: Sollten wir nicht ein göttliches Leben 109 führen können wie Henoch? KRUMMACHER: Kämpfe recht! 127 Anhang: Hinweise zu den Quellen und ihrer Bearbeitung 132 Bibeltexte zum Themenkreis Erweckung Literatur über Erweckung Einführung Erweckung - Gottes Verheißung und Wunsch für uns heute Erweckung - wieviel Dankbarkeit für Gottes gütiges Handeln in der Vergangenheit vermag dieses Wort wachzurufen! Denken wir nur daran, wie Gott die Wirksamkeit Wesleys derart bestätigte, daß sie im England des 18. Jahrhunderts tiefgreifende geistliche und soziale Veränderungen hinterließ und wesentlich dazu beitrug, das Land vor einer Revolution zu bewahren. Oder erinnern wir uns an Männer wie Whitefield, Edwards, Finney oder Moody - einzelne Werkzeuge in der Hand Gottes, durch die er ganze Städte und Landesteile verändernd beeinflussen konnte. Aber nicht nur der Blick in andere Länder bietet uns genügend Anlaß, Gott für sein vergangenes erweckliches Wirken zu loben. Griff er nicht im Jahre 1727 so mächtig in das Leben der Herrnhuter Brüder unter Führung des Grafen von Zinzendorf ein, daß diese Erweckung die größte weltmissionarische Bewegung des 18. Jahrhunderts auslöste? Empfing nicht Wesley entscheidende Hilfen zu seiner Bekehrung von einem Mitarbeiter des Grafen? Welch besonderen Grund zum Dank haben wir auch, wenn wir an die deutsche Erweckungsbewegung des vorigen Jahrhunderts zurückdenken. Als Gott in vielen Teilen Deutschlands durch seinen Geist ganze Landstriche bewegte, kam nicht nur eine Vielzahl von Menschen zum lebendigen Glauben, sondern auch ein neues Bewußtsein für den sozialen Auftrag der Gemeinde Christi wurde geweckt und vielerorts praktisch ausgelebt. Gerade im letzten Jahrhundert hat der Herr eine Reihe mächtiger Gottesmänner berufen, deren klare Verkündigung damals Menschen in großer Zahl den Weg zu einem erweckten Leben wies und uns noch heute denselben Dienst zu leisten vermag. Wie wollten wir den Segen bemessen, den Gott durch Goßner (Allgäu), Hofacker und Blumhardt (Württemberg), Henhöfer (Baden), Krummacher (Niederrhein), Vol- kening (Minden-Ravensberg), Harms (Niedersachsen), Men-ken (Bremen) und Tholuck (Halle) geschenkt hat? Möge durch ein wachsendes Verständnis unseres reichen Erbes unser Blick geweitet und Dankbarkeit geweckt werden für Gottes vergangenes segensreiches Handeln in unserem Volk. Erweckung - Ausdruck der Hoffnung, Inbegriff des Sehnens nach einem mächtigen Wirken des Geistes Gottes; das Wort “Erweckung“ scheint geradezu der gemeinsame Nenner aller Wünsche und Gebete zu sein, daß Gott noch einmal in gewaltiger Weise unter uns wirkt. Ja, daß doch viele Glieder am Leibe Christi innerlich erneuert werden und sich fürbittend, mit brennenden Herzen und starkem Glauben in der Vollmacht des Heiligen Geistes daran machen, verlorene Menschen für Gott zu gewinnen! Möchte eine Zeit anbrechen, wo der Herr sein vollmächtig verkündigtes Wort durch Zeichen und Wunder bestätigt, und viele Sünder aller Gesellschaftsschichten den Weg der Buße beschreiten. Ist es nicht unser aller Verlangen, daß durch das machtvolle Zeugnis der zu neuem geistlichem Leben erwachten Gemeinde Christi der Welt ohne Gott eine glaubwürdige Alternative geboten und dem moralischen Verfall um uns her wirksam begegnet wird? Gebe Gott, daß einmal mehr in Familien, Schulen und Universitäten junge Menschen nach christlichen Prinzipien erzogen und unterrichtet werden, damit wir unsere Zukunft dem Willen Gottes gemäß bauen können. Erweckung - Anfrage an die geistliche Verfassung des Leibes Christi, das bedeutet letztlich an mein persönliches Verhältnis zu Gott. Vielleicht haben wir von neueren Erweckungen wie z.B. in Indonesien, Kanada oder Südafrika gehört und uns gefragt: Warum geschehen dort Erweckungen, aber nicht bei uns? Gibt es Bedingungen für Erweckung, die zwar anderenorts, jedoch nicht bei uns erfüllt sind? Können wir auf Grund der Fortsetzung unserer bisherigen Bemühungen, das Reich Gottes zu bauen, ein erweckliches Wirken des Geistes Gottes im deutschen Sprachraum erwarten? Möglicherweise hat sich aber auch diese ganz persönliche Anfrage gestellt: Bin ich gewiß, daß Gott mich als Instrument für Erweckung gebrauchen könnte? Erweckung - ein Begriff, der zuweilen mit Mißverständnissen behaftet ist, wie mit dem, daß man eine Erweckung als reines Wunder ansieht, als ein völlig unerklärliches und unerwartetes Eingreifen Gottes in die menschlichen Geschicke. Welche Verkennung des Wesens von Erweckung und zugleich der Absichten Gottes, wenn man das gnädige Wirken seines Geistes als ein Phänomen betrachtet, das sich willkürlich, sozusagen zur völligen Überraschung der Beteiligten, einstellt! Die Geschichte vergangener Erweckungen von-biblischer Zeit an (vgl. die Verhältnisse in den Tagen Samuels, Hiskias, Josias, Esras und der Urgemeinde) macht deutlich, daß Gott in seiner Treue von jeher bereit gewesen ist, Erweckungssegen zu schenken, wenn er nur die erforderlichen Kanäle findet - oder anders ausgedrückt-, wenn sein Volk die nötigen Voraussetzungen erfüllt. Erweckung - die beständige Verheißung Gottes an sein Volk und sein Wunsch für uns heute. Da Gott sich weder in seinem Wesen ändert noch parteilich handelt, gilt noch immer seine Zusage in Jesaja 44, 3: “Denn ich will Wasser ausgießen auf das dürstende Land...“ Die Bedingungen zu ihrer Erfüllung jedoch haben sich ebenfalls nicht verändert: “... demütigt sich dann mein Volk, das nach meinem Namen genannt ist, und sie beten und suchen mein Angesicht und bekehren sich von ihrem bösen Wandel, so will ich vom Himmel her es hören und ihre Sünde vergeben und ihr Land wieder heilen“ (2. Chronik 7, 14; Z). Ob Gott diese dreifache Verheißung an seinem Volk im deutschen Sprach-raum wahrmachen wird, hängt demnach offenbar nicht von seiner Bereitschaft zu segnen ab - die ist ohnehin vorhanden -, sondern von unserer Bereitschaft, seine Bedingungen für Erweckung zu erfüllen. Das bedeutet jedoch nicht, wir Menschen könnten aus uns heraus “Erweckung machen“; sondern ebensowenig irgendeine Pflanze ohne Gottes Zutun wächst, nimmt jede Erweckung ihren Ausgang vom gnädigen souveränen Handeln Gottes. “Denn ich will Wasser ausgießen auf das dürstende Land...“ greift die obengenannten fünf Aspekte auf, indem es vier mehr systematischen Botschaften über Erweckung von angloameri-kanischen Erweckungspredigern vier erweckliche Botschaften von herausragenden Vertretern der deutschen Erweckungsbewegung des vorigen Jahrhunderts zur Seite stellt. SPURGEONS einleitender Beitrag macht uns mit Gottes gewaltigem Wirken in vergangenen Zeiten sowie Prinzipien über Erweckung bekannt und will uns dahin führen, Gott für sein treues Eingreifen in der Vergangenheit zu danken und uns mit Glaubenszuversicht für eine Erweckung heute einzusetzen. Es bleibt FINNEY, dem wohl tiefsinnigsten Lehrer über Erweckung, Vorbehalten, grundlegende Antworten auf die Frage nach Wesen, Vorbedingungen, Anzeichen und Folgen von Erweckung zu liefern - verbunden mit der eindringlichen Aufforderung, daß wir uns selbst neu beleben lassen und für die Förderung von Erweckung zur Verfügung stellen. Der Text des Weltevangelisten TORREY behandelt die Abhängigkeit allen Erweckungsgeschehens von der Führung und Bevollmächtigung durch den Heiligen Geist, und die Ausführungen des schottischen Erweckungspredigers CAMPBELL beschäftigen sich mit dem Menschen als dem Vermittler sowie dem Wort Gottes als dem Instrument einer Erweckung. Die zweite Gruppe von Botschaften ist wie die erste herausfordernd in dem Sinne, daß sie zu einer ernsten Überprüfung der eigenen Stellung vor Gott zwingt. Aber im Unterschied zu ihr bieten diese Predigten weniger Information über Erwek-kung, als daß sie uns zeigen, welche Art des Predigens damals Menschenherzen erweckte und was wir heute tun müssen,um innerlich erneuert zu werden und dementsprechend zu leben. Professor THOLUCKS Ausgangspunkt ist der Grundsatz, daß jede umfassende Reformation mit meiner persönlichen Erneuerung beginnen muß. Der Erweckungsprediger HOFACKER weist u.a. auf Widerstände hin, derentwegen viele Menschen nicht wirklich zu einem Leben des Friedens und der Gerechtigkeit in Christus erweckt werden. GOSSNERS Botschaft stellt uns klar und eindeutig Gottes Erwartung an unsere Lebensführung vor Augen: einen geheiligten Wandel in Gemeinschaft mit ihm. Die Predigt KRUMMACHERS schließlich geht darauf ein, welche Feinde der Christ im geistlichen Kampf ständig überwinden muß, um eine geheiligte Lebensweise aufrechtzuerhalten. Welchen Anliegen verdankt das vorliegende Buch seine Entstehung? Es möchte zum einen mancherlei Erkenntnisse über Notwendigkeit, Kennzeichen und Bedingungen von Erweckung weitergeben und dadurch dem Leser Anregungen, Wegweisung und Hilfe anbieten; auch soll es ihn dazu ermutigen, Gott heute für eine Erweckung in seiner Umgebung zu vertrauen. Zum anderen aber will es den Leser herausfordern, selbst erweckt zu werden, sein Leben im Einklang mit den durch dieses Buch neu erkannten Wahrheiten .auszurichten. Wer vermag zu sagen, wie segensreich der Herr durch Menschen wirken kann, die sich von ihm verändern und unter seiner Führung gebrauchen lassen? Ist nicht jeder der acht Autoren ein schlagender Beweis dafür, daß Gott ein ihm zur Verfügung gestelltes Leben weit über alles menschliche Vorstellen hinaus zum Segen setzen kann? Möge Gott schenken, daß jeder, der noch eine unentschiedene Stellung gegenüber Erweckung einnimmt, sich dieselbe Haltung zu eigen macht, die zur persönlichen Erweckung des Chinamissionars Dr. Goforth führte. Zur Zeit seiner Suche nach innerer Erneuerung erhielt er im Spätherbst des Jahres 1905 von einem Freund in Indien eine Broschüre mit Auszügen aus Finneys Autobiographie und dessen Vorträgen über Erweckung. Hierzu bemerkt er: “Auf der Vorderseite dieses Heftes war etwa folgende Aussage zu lesen: Ebensogut könnte ein Bauer um eine irdische Ernte beten, ohne die Naturgesetze zu erfüllen, wie Christen eine große Ernte von Seelen erwarten, indem sie einfach nur darum bitten, ohne sich aber darum zu kümmern, die Gesetze zu erfüllen, die für die geistliche Ernte maßgebend sind. 'Wenn Finney recht hat’, gelobte ich, 'dann werde ich herausfinden, welches jene Gesetze sind und ihnen gehorchen - was es auch kostet“.* Für uns erhebt sich an dieser Stelle die entscheidene Frage: Sind wir bereit - da Gottes souveränes Eingreifen in Form von * Übersetzt aus: Goforth, J. “by my Spirit“. Bethany Fellowship, Minneapo-lis/Minnesota 1964, p. 20. Erweckung auf die Erfüllung bestimmter Bedingungen hin geschieht -, mit aller Hingabe und Kraft diese Prinzipien aufzusuchen und sie in unserem Leben anzuwenden? Bei meiner Beschäftigung mit verschiedenen Erweckungen bin ich wiederholt besonders auf diese Bedingung gestoßen: keine Erweckung ohne vorheriges Beten. Wie jede echte Erwek-kung in der Vergangenheit ihren irdischen Ausgangspunkt im Gebet hatte, wird es auch in unseren Tagen nicht anders sein. Wie ermutigend können für uns in diesem Zusammenhang die Worte in Jakobus 5, 17 und 18 sein: “Elia war ein Mensch von gleicher Art wie wir, und er betete inständig, daß es nicht regnen sollte; und es regnete nicht auf Erden drei Jahre und sechs Monate. Und er betete wiederum; da gab der Himmel Regen, und die Erde ließ ihre Frucht hervorwachsen“ (Z). Aber wie Elias Diener seinerzeit nicht hätte Ausschau zu halten brauchen, ob sich die erste, den Regen ankündigende Wolke zeigte, hätte nicht der Prophet zuvor für Regen gebetet - so laßt uns Fürbitte für eine Erweckung im deutschen Sprach-raum tun, damit der Herr auch auf unser Gebet hin seinen Erweckungsregen schenkt, daß vom Heiligen Geist gewirkte Frucht hervorwachse, denn Gott “will Wasser ausgießen auf das dürstende Land...“ Günter Krallmann CHARLES H. SPURGEON (1834-1892) Der Mann, den man gern als “Fürsten unter den Predigern“ bezeichnet hat, trat bereits 1852 sein erstes Pastorat an. In London dann errichteten Freunde für den Vierundzwanzigjährigen das Metropolitan Taber-nacle, von dem aus er über viele Jahre hinweg eine gewaltige Zuhörerschaft erreichte: zuweilen waren es am Sonntag bis zu zehntausend Besucher, und seine ab 1855 gedruckten Predigten fanden wöchentlich möglicherweise mehr als eine Million Leser in vielen Ländern. Neben dieser umfangreichen Verkündigungswirksamkeit dienten der Unterhalt eines Predigerseminars und verschiedener sozialer Einrichtungen sowie seine schriftstellerische Betätigung dazu, daß Spurgeon, der ein treuer Beter und durch intensives Selbststudium ein Theologe von Rang war, Millionen von Menschen geistliche und praktische Hilfe vermittelte. Gottes mächtiges Handeln in der Vergangenheit “Wir haben mit unseren Ohren gehört, o Gott, unsere Väter haben uns erzählt, welches Werk du in ihren Tagen, in alten Zeiten, getan hast“ (Psalm 44, 1). Vielleicht gibt es keine Geschichten, die in unserem Gedächtnis so lange haften bleiben wie solche, die wir in unserer Kindheit hören, die uns von unseren Vätern und in unseren Kinderstuben erzählt werden. Es ist ein betrüblicher Gedanke, daß zu viele dieser Geschichten hohl und unnütz sind, so daß unser Denken in früher Kindheit von Märchen durchdrungen und mit merkwürdigen und lügnerischen Erzählungen geimpft wird. Unter den ersten Christen und den Gläubigen längst vergangener Zeiten waren Kindergeschichten sehr verschieden von dem, was sie nun sind, und die Erzählungen, mit denen ihre Kinder unterhalten wurden, gehörten einer weitaus anderen Kategorie an als jene, die uns in den Tagen unserer Kindheit fesselten. Zweifellos pflegte Abraham kleinen Kindern über die Sintflut zu berichten und darüber, wie die Wasser die Erde bedeckten und nur Noah in der Arche gerettet wurde. Als die Israeliten vorzeiten in ihrem eigenen Lande wohnten, erzählten sie alle ihren Kindern vom Roten Meer und den Plagen, die Gott in Ägypten gewirkt hatte, als er sein Volk aus der Knechtschaft herausführte. Wir wissen, daß es bei den frühen Christen für die Eltern eine Gewohnheit war, ihren Kindern alles über das Leben Christi, die Taten der Apostel und ähnliche interessante Dinge mitzuteilen. O wie wünschte ich, daß die Geschichten unserer Kindheit einmal mehr die über Christus wären und jeder von uns glaubte, daß im Grunde doch nichts so reizvoll sein kann wie das, was wahr ist, und nichts eindrucksvoller als jene Geschichten, die sich in der Heiligen Schrift finden. Tatsächlich kann nichts das Herz eines Kindes mehr bewegen als die wunderbaren Werke Gottes, die er in alten Zeiten tat. Es scheint, daß dem Psalmisten, der den obigen Text abfaßte, von seinem Vater Berichte davon überliefert worden waren, welche erstaunlichen Dinge Gott in dessen Tagen vollbrachte; und später dann belehrte dieser Sänger in Israel seine Kinder darüber, und so wurde eine Generation nach der anderen dazu geführt, Gott zu loben, indem sie sich seiner mächtigen Taten erinnerten. Nun, ich beabsichtige, euch einige der außerordentlichen Dinge ins Gedächtnis zu rufen, die Gott in alter Zeit getan hat. Mein Ziel dabei ist, daß ihr angeregt werdet, nach ähnlichem zu trachten: daß ihr durch den Rückblick auf Gottes vergangenes Handeln veranlaßt werden mögt, erwartungsvoll vorwärtszuschauen, in der Hoffnung, daß er seine mächtige Hand und seinen heiligen Arm erneut ausstrecken wird und jene gewaltigen Taten wiederholt, die er in alten Zeiten ausführte. Die wunderbaren Berichte, die wir vom vergangenen Handelndes Herrn gehört haben Wir haben gehört, daß Gott zuweilen sehr mächtige Taten gewirkt hat. Der normale Tagesablauf der Weltereignisse wurde durch Wunder gestört, die die Menschen mit äußerster Verwunderung erfüllten. Gott hat nicht immer seine Kirche langsam zum Sieg emporsteigen lassen, sondern gelegentlich hat es ihm gefallen, einen fürchterlichen Schlag auszuführen, seine Feinde niederzustrecken und seine Kinder über die daniederliegenden Körper hinwegschreiten zu lassen. Wendet euch also alten Berichten zu und denkt an das, was Gott getan hat. Wollt ihr euch nicht erinnern, was er am Roten Meer tat, wie er Ägypten mit all seinem Glanze schlug und Pharaos Streitwagen und Pferd im Roten Meer versenkte? Habt ihr nicht erzählen hören, wie Gott Og, den König von Basan, tötete und Sihon, den König der Amoriter, weil sie sich seinem vorrückenden Volk entgegenstellten? Habt ihr nicht erfahren, wie er sein immerwährendes Erbarmen bewies, als er jene großen Könige vernichtete und Mächtige von ihren Thronen vertrieb? Habt ihr nicht auch gelesen, wie Gott die Kinder Kanaans schlug, die Bewohner des Landes vertrieb und es seinem Volk gab, damit es für ewige Zeiten dessen Besitz sei? Habt ihr nicht gehört, wie die Sterne in ihren Bahnen gegen Sisera kämpften, als den Israeliten Jabins Heer entgegentrat? Der Kisonfluß schwemmte sie hinweg, und keiner von ihnen blieb übrig. Ist euch nicht auch berichtet worden, wie Gott durch Davids Hand die Philister und mit seiner Rechten die Kinder Ammons schlug? Habt ihr nicht gehört, wie Midian in Verwirrung versetzt und in Arabien durch Asa zahllose Menschen zerstreut wurden? Und habt ihr nicht auch vernommen, wie der Herr einen Engel unter die Truppen Sanheribs sandte, so daß sie am Morgen alle tot waren? Erzählt, erzählt diese seine Wunder! Sprecht von ihnen auf euren Straßen! Lehrt sie eure Kinder! Laßt sie nicht in Vergessenheit geraten, denn die rechte Hand des Herrn hat wunderbare Dinge getan, sein Name ist über die ganze Erde bekannt. Die Wunder jedoch, die uns am meisten betreffen, sind die aus der christlichen Ära; sie stehen gewiß denen aus alttesta-mentlicher Zeit nicht nach. Habt ihr nie gelesen, wie Gott sich großen Ruhm am Pfingsttage erwarb? Wendet euch dem Buch mit der Aufzeichnung der Wunder des Herrn zu und lest. Petrus, der Fischer, stand auf und predigte im Namen des Herrn, seines Gottes. Eine Menschenmenge versammelte sich, und der Geist Gottes fiel auf sie; an einem Tage wurden Dreitausend in ihren Herzen von Gottes Hand angerührt und an den Herrn Jesus Christus gläubig. Und wißt ihr nicht davon, wie die zwölf Apostel mit den Jüngern überall hingingen, das Wort predigten, und die Götzen von ihren Thronen fielen? Die Städte öffneten ihre Tore weit, und die Botschafter Christi zogen durch die Straßen und1 predigten. Es ist wahr, daß sie zuerst hin und her getrieben und wie Rebhühner auf den Bergen gejagt wurden. Aber erinnert ihr euch nicht, wie der Herr sich einen Sieg errang, so daß einhundert Jahre nachdem Christus ans Kreuz genagelt wurde, das Evangelium jeder Nation verkündigt worden war und die Inseln davon gehört hatten? Habt ihr vergessen, wie Tausende von Heiden zugleich getauft wurden, in jedem Fluß? Welchen Strom gibt es in Europa, der nicht die Majestät des Evangeliums bezeugen könnte? Welche Stadt gibt es im Land, die nicht davon berichten kann, wie Gottes Wahrheit triumphierte, wie Heiden ihre falschen Götter verließen und ihre Knie vor Jesus dem Gekreuzigten beugten? Die erste Ausbreitung der frohen Botschaft ist ein Wunder, das man niemals in den Schatten stellen sollte. Was immer Gott am Roten Meer getan haben mag, er hat noch mehr im Verlauf der einhundert Jahre vollbracht, die Christi Eintritt in die Welt folgten. Es schien, als ob ein Feuer vom Himmel über den Erdboden ging. Nichts konnte seiner Kraft widerstehen. Der Blitzstrahl der Wahrheit brachte jede Zinne des Götzentempels zum Erzittern, und Jesus wurde vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang angebetet. Dies ist eine der Tatsachen, die wir aus alten Zeiten gehört haben. Und habt ihr niemals von dem Gewaltigen gehört, das Gott durch Prediger einige Jahrhunderte später vollbrachte? Ist euch nicht von Chrysostomus, jenem begnadeten Redner, berichtet worden, wie unter seiner Verkündigung die Kirche stets mit aufmerksamen Zuhörern dicht gefüllt war? Dort stand er, die heiligen Hände erhoben, und sprach mit einer Erhabenheit ohnegleichen das Wort Gottes in Wahrheit und Gerechtigkeit. Die Menschen hörten zu, beugten sich vor, um jedes Wort aufzufangen und unterbrachen dann die Stille durch ihr Händeklatschen und Fußstampfen; danach waren sie wieder für eine Weile still, wie verzaubert durch den mächtigen Redner; und wieder sprangen sie vor Begeisterung auf, klatschten in die Hände und brachen in Freudenrufe aus. Zahllos waren die Bekehrungen in seinen Tagen. Gott wurde überaus verherrlicht, denn Sünder fanden in großer Zahl Errettung. Haben eure Väter euch niemals von den erstaunlichen Dingen erzählt, die in späterer Zeit geschahen, als geistliche Dunkelheit die Erde bedeckte? Ist euch niemals zu Ohren gekommen, wie Martin Luther auftrat und das Evangelium von der Gnade Gottes predigte, wie die Nationen zitterten und die Welt die Stimme Gottes vernahm - und lebte? Habt ihr nicht von Zwingli in der Schweiz und Calvin in Genf gehört und von den gewaltigen Werken, die Gott durch sie tat? Als Briten, habt ihr eure gewaltigen Prediger der Wahrheit vergessen? Klingt in euren Ohren nicht mehr der erstaunliche Bericht über die Prediger, die Wycliff in jede Marktstadt und jedes Dörfchen Englands schickte, wo sie das Evangelium Gottes verkündigten? Oh, belegt uns nicht die Geschichte, daß diese Männer wie Feuerbrände inmitten trockener Stoppeln waren, daß ihre Stimme dem Brüllen eines Löwen und ihr Voranschreiten dem Springen eines jungen Löwen vergleichbar war? Sie schoben tatsächlich die Nation vor sich her, und für ihre Feinde hatten sie die Worte: “Vernichte sie“. Keiner konnte vor ihnen bestehenbleiben, denn der Herr, ihr Gott, hatte sie mit Macht umgürtet. Um uns ein wenig mehr unserer eigenen Zeit zu nähern, gewiß haben unsere Väter uns das Wunderbare berichtet, das Gott in den Tagen Wesleys und Whitefields wirkte. Alle Kirchen schliefen, Religionslosigkeit war an der Tagesordnung. Schandtaten schienen geradezu die Straßen entlangzu-fließen, und die Gossen waren randvoll mit der Niederträchtigkeit der Sünde. Da erhoben sich Whitefield und Wesley, Männer, deren Herzen der Herr angerührt hatte, und wagten es, das Evangelium von der Gnade Gottes zu predigen. Plötzlich, wie in einem Augenblick, hörte man gleichsam ein Flügelrauschen, und die Kirche fragte: “Wer sind diese, die wie eine Wolke fliegen, wie Tauben zu ihrem Schlag?“ Sie kommen! sie kommen! zahllos wie die Vögel des Himmels, mit einem Brausen wie mächtige Winde, denen nicht zu widerstehen ist. Innerhalb von einigen Jahren war England durch das Predigen dieser zwei Männer mit der Wahrheit des Evangeliums durchdrungen. Das Wort Gottes war in jeder Stadt bekannt, und es gab kaum einen Weiler, den die Methodisten nicht erreicht hatten. In jenen Tagen der langsamen Kutschen schien das Christentum die alten Wagen, in denen unsere Väter einst reisten, aufgekauft zu haben - wo das Geschäft mit Dampf vorangeht, kriecht die Religion oft mit ihrem Bauch über der Erde dahin -: wir sind erstaunt über diese Berichte und halten sie für Wunder. Aber laßt uns ihnen Glauben schenken, sie sind uns als reale Tatsachen der Geschichte überliefert. Das Wunderbare, das Gott in vergangenen Zeiten vollbrachte, will er durch seine Gnade erneut tun. “Er, der mächtig ist, hat Großes getan, und heilig ist sein Name.“ Ein besonderes Merkmal gibt es, auf das ich eure Aufmerksamkeit im Hinblick auf Gottes Werke in vergangenen Zeiten lenken möchte: sie verdanken wachsendes Interesse und Erstaunen der Tatsache, daß sie alle plötzlich in Erscheinung traten. Die alten Hasen in unseren Kirchen glauben, daß sich alles sanft und allmählich entwickeln muß; wir müssen uns Schritt für Schritt vorwärtsbewegen. Konzentriertes Handeln und anhaltende Arbeit, so sagen sie, werden schließlich den Erfolg bringen. Aber das Erstaunliche ist, daß alle Werke Gottes plötzlicher Natur gewesen sind. Als Petrus predigte, waren nicht sechs Wochen nötig, um die Dreitausend zu bekehren. Sondern das geschah sofort, und sie wurden an demselben Tage getauft; in jener Stunde wurden sie zu Gott gewiesen und so wirklich Jünger Christi, wie es hätte der Fall sein können, wenn ihre Bekehrung siebzig Jahre in Anspruch genommen hätte. So war es in den Tagen Martin Tuthers: er brauchte nicht Jahrhunderte, um durch die tiefe geistliche Dunkelheit zu brechen. Gott zündete die Kerze an, und sie brannte; das Licht war in einem Augenblick da: Gott wirkt plötzlich. Freiheit kam nicht im Verlauf von Jahren sondern umgehend. Das Volk, das in Dunkelheit wandelte, sah ein großes Licht, und auf die, die im Schatten des Todes wohnten, fiel sein Schein. So war es zur Zeit Whitefields. Eine schlummernde Kirche zurechtzuweisen, war nicht das Werk von Generationen; es geschah sofort. Habt ihr nie von der großen Erweckung unter Whitefield gehört? Nehmt jene in Cambuslang als Beispiel. Im Kirchhof predigte er zu einer großen Versammlung, die kein Gebäude fassen konnte. Während er redete, kam die Kraft Gottes auf die Leute, und einer nach dem anderen fiel wie erschlagen zu Boden. Man schätzte, daß nicht weniger als dreitausend Menschen zugleich unter Überführung von Sünde aufschrieen. Er predigte weiter, hier donnernd wie Boanerges und dort tröstend wie Barnabas. Das Werk breitete sich aus, und keiner vermag die großen Dinge zu beschreiben, die Gott unter dieser einen Predigt Whitefields tat. So ist es in allen Erweckungen gewesen; Gott hat plötzlich gewirkt. Wie mit einem Donnerschlag fuhr er aus der Höhe herab - nicht langsam, sondern auf Cherubim reitet er ganz königlich , auf den Flügeln des mächtigen Windes fliegt er. Das Werk war plötzlich, Menschen konnten es kaum glauben, in einem solch kurzen Zeitraum fand es statt. Nehmt die große Erweckung, die in und um Belfast im Gange ist, als Bestätigung. Nachdem ich diese Angelegenheit sorgfältig geprüft und einen vertrauenswürdigen und vielgeliebten Bruder aus der dortigen Nachbarschaft aufgesucht habe, bin ich - ungeachtet alles dessen, was Feinde sagen mögen - der Überzeugung, daß es ein echtes Werk der Gnade ist und Gott dort Wunder wirkt. Ein Freund, der mich gestern besuchte, erzählte mir, daß die niederträchtigsten und gemeinsten Männer sowie die verdorbensten Frauen in Belfast von dieser außergewöhnlichen Epilepsie - wie die Welt es nennt - erfaßt wurden; aber, wie wir wissen, war es jenes ungewohnte Brausen des Geistes. Männer, die Trinker waren, verspürten plötzlich den Drang zu beten. Sie widersetzten sich und suchten diesen Impuls durch ihr Trinken auszulöschen; aber auch wenn sie fluchten, durch ihre Gotteslästerung das Wirken des Geistes zunichte machen wollten, hat Gott sie doch am Ende auf ihre Knie gebracht, und sie waren gezwungen, gellend um Erbarmen zu schreien und im Gebet zu ringen. Nach einiger Zeit dann schien der Böse aus ihnen getrieben, und in einer ruhigen, heiligen und fröhlichen Gemütsverfassung bekannten sie ihren Glauben an Christus und wandelten in seiner Furcht und Liebe. Die Bewegung in Belfast kam plötzlich zustande, und obwohl wir ein gewisses Maß an natürlicher Erregung erwarten können, bin ich doch überzeugt, daß sie im wesentlichen ein wirklich geistliches und bleibendes Werk ist. Auf der Oberfläche treibt ein wenig Schaum, aber da ist eine tiefe Unterströmung, der man nicht widerstehen kann und die alles vor sich her treibt. Es kann unser Interesse wecken zu hören, daß im Städtchen Ballymena am Markttage die Gastwirte stets einhundert Pfund für Whisky einnahmen, jetzt jedoch den ganzen Tag über in allen Wirtschaften nicht einen Sovereign erhalten können. Einstige Trinker treffen sich nun zum Gebet, und Leute möchten nach dem Anhören einer Predigt nicht fortgehen, bis der Geistliche eine weitere und manchmal eine dritte gepredigt hat; und schließlich ist er gezwungen zu sagen: “Ihr müßt gehen, ich bin erschöpft“. Dann teilen sie sich in ihren Straßen und Häusern in Gruppen auf und rufen zu Gott, daß er diesem gewaltigen Werk zur Bekehrung von Sündern Ausbreitung schenkt. “Nun“, sagt jemand, “das können wir nicht glauben.“ Wahrscheinlich vermögt ihr es nicht, aber einige von uns können es; denn wir haben es mit unseren Ohren gehört, unsere Väter haben uns von den mächtigen Taten erzählt, die Gott in ihren Tagen ausführte, und wir sind vorbereitet zu glauben, daß Gott dieselben Werke jetzt tun kann. Hier muß ich bemerken, daß alle diese alten Geschichten ein sehr deutliches Kennzeichen besitzen. Wann immer Gott ein großes Werk tat, geschah es durch ein sehr unbedeutendes Instrument. Als er Goliath erschlug, war es der rothaarige Jüngling David. Bewahrt nicht das Schwert Goliaths auf -ich habe das stets für einen Fehler Davids gehalten -, sondern stattdessen den Stein und haltet immer die Schleuder in Gottes Waffenkammer in Ehren. Als Gott Sisera töten wollte, mußte es eine Frau mit Hammer und Nagel tun. Gott hat seine gewaltigsten Werke durch die geringsten Instrumente ausgeführt: das ist eine Tatsache, die für alle Werke Gottes mit Bestimmtheit gilt - der Fischer Petrus am Pfingsttage, der demütige Mönch Luther bei der Reformation, Whitefield, der Barkellner des Old Bell Wirtshauses in Gloucester während der Erweckung im letzten Jahrhundert - und so muß es bis ans Ende sein. Gott wirkt nicht durch Pharaohs Pferde oder Streitwagen, sondern durch Moses Stab. Seine Wunder sind nicht von Wirbelwind und Sturm begleitet, er tut sie leise, damit Ruhm und Ehre nur ihm allein zukommen. Erschließt dies nicht ein Feld der Ermutigung für euch und für mich? Warum können nicht wir dabei beteiligt sein, ein mächtiges Werk für Gott hier zu tun? Weiterhin haben wir bei all diesen Berichten über Gottes gewaltiges Handeln in alten Zeiten bemerkt: wo immer er irgendeine große Tat vollbrachte, geschah es durch jemanden, der sehr großen Glauben besaß. Ich glaube wirklich in diesem Augenblick, daß, wenn Gott es wollte, jede Seele in dieser Halle jetzt bekehrt würde. Falls Gott sich entschiede, die Wirkungsweisen seines eigenen mächtigen Geistes aufzubieten, wäre das verstockteste Herz außerstande zu widerstehen. “Er wird dem gnädig sein, dem er gnädig sein will.“ Nach seinem Gefallen wird er handeln, niemand kann seine Hand zurückhalten. “Nun gut“, sagt einer, “aber ich erwarte nicht, irgendwelche großen Dinge zu sehen.“ Dann, mein lieber Freund, wirst du nicht enttäuscht werden, denn du wirst sie nicht sehen; jene jedoch, die sie erwarten, werden sie sehen. Männer mit großem Glauben vollbringen große Dinge. Elias Glaube war es, der die Baalspriester vernichtete. Hätte er das kleine Herz gehabt, welches einige von euch besitzen, hätten die Baalspriester weiter über das Volk geherrscht und wären niemals durch das Schwert umgekommen. Es war Elias Glaube, der ihn sagen ließ: “Wenn der Herr Gott ist, folgt ihm; aber wenn es Baal ist, dann folgt ihm“. Und noch einmal sprach er: “Wählt euch einen Stier, zerstückelt ihn, legt ihn auf Holz aber kein Feuer daran, ruft den Namen eurer Götter an, und ich will den Namen Jehovas anrufen“. Sein vortrefflicher Glaube veranlaßte ihn zu den Worten: “Greift die Baalspropheten, laßt nicht einen von ihnen entkommen“. Er brachte sie hinunter an den Bach Kison und tötete sie dort - ein Gericht Gottes. Sein Name wurde deshalb so verherrlicht,weil Elias Glaube an Gott so mächtig und vortrefflich war. Als Luther die päpstliche Bulle erhielt, verbrannte er sie. Mit dem brennenden Papier in der Hand rief er inmitten der Menschenmenge: “Seht her, dies ist die päpstliche Bulle!“ Was scherte er sich um Päpste? Und als er nach Worms unterwegs war, um vor den Reichstag zu treten, rieten seine Anhänger1 “Bleib zurück, du bist in Gefahr“. “Nein“, anwortete Luther, “wenn in Worms so viele Teufel wären wie Dachpfannen auf den Häusern, wollte ich mich doch nicht fürchten; ich werde gehen“; und er zog in Worms ein, voller Vertrauen in den Herrn, seinen Gott. Mit Whitefield war es ebenso; er glaubte und erwartete, das Gott Großes tun würde. Wenn er auf seine Kanzel trat, rechnete er damit, daß Gott die Menschen segnen würde, und Gott tat es. Kleiner Glaube vermag Kleines, großer Glaube jedoch wird auf großartige Weise bestätigt werden. O Gott! unsere Väter haben uns berichtet, daß, wann immer sie großen Glauben zeigten, du ihn durch außerordentliche Werke geehrt hast. Ich möchte euch nicht länger bei diesem Punkt festhalten, außer daß ich noch eine Beobachtung anschließe: alle mächtigen Werke Gottes waren von eifrigem Gebet begleitet wie auch von großem Glauben. Habt ihr jemals vom Beginn der großen amerikanischen Erweckung gehört? Ein Mann, der unbekannt und im Verborgenen wirkte, nahm es auf sein Herz, dafür zu beten, daß Gott sein Land segnen würde. Nach Gebet, Ringen und der herzerforschenden Frage: “Herr, was willst du, das ich tun soll? Herr, was willst du, das ich tun soll?“ mietete er einen Raum und schlug eine Bekanntmachung an, daß dort zu einer bestimmten Tageszeit ein Gebetstreffen stattfinden würde. Bei seinem Erscheinen zur anberaumten Zeit fand er jedoch keine einzige Person vor; er begann zu beten und war dabei für eine halbe Stunde allein. Am Ende dieser Zeit trat ein Besucherein, dann kamen zwei weitere hinzu, und ich glaube, schließlich waren es sechs. In der folgenden Woche mögen es wohl fünfzig gewesen sein, die zu verschiedenen Zeiten erschienen. Zuletzt wuchs die Gebetsgruppe auf einhundert Teilnehmer an. Dann riefen andere ebenfalls Gebetstreffen ins Leben, am Ende gab es in New York kaum noch eine Straße ohne Gebetsversammlung. Kaufleute fanden Zeit, in der Mitte des Tages am Gebet teilzunehmen. Die Gebetszusammenkünfte waren nun täglich und dauerten etwa eine Stunde. Gebetsanliegen wurden schlicht bittend vor Gott gebracht. Die Antworten stellten sich ein; viele standen glücklich auf und bezeugten, daß das in der letzten Woche geäußerte Gebet bereits erhört worden war. Dann, während sie alle in ernstlichem Gebet waren, fiel plötzlich der Geist Gottes auf sie, und man wußte zu berichten, daß in einem gewissen Dorf das sehr eindringliche Predigen des Geistlichen Hunderte von Bekehrungen in einer Woche zur Folge hatte. Der Aufbruch verbreitete sich durch die Nordstaaten, geistliche Erweckung wurde zu einer allgemeinen Erscheinung. Manchmal hat man gesagt, daß in dem kurzen Zeitraum von zwei oder drei Monaten eine Viertelmillion Menschen zu Gott bekehrt wurde. Auf demselben Wege wurde in Ballymena und Belfast dasselbe Resultat erzielt. Ein Bruder betrachtete es als seine Herzensverantwortung zu beten, und so tat er es. Danach hielt er ein regelmäßiges Gebetstreffen ab; Tag für Tag trafen sie sich, um den Segen zu erflehen, das Feuer kam herab, und das Werk war geschehen. Sünder wurden bekehrt - nicht einzeln oder zu zweit, sondern zu Hunderten und Tausenden -, und der Name des Herrn wurde durch die Ausbreitung seiner frohen Botschaft sehr verherrlicht. Geliebte, ich teile euch nur Tatsachen mit. Jeder von euch beurteile sie für sich selbst. Nachteile, unter denen diese alten Berichte häufig zu leiden haben Wenn Leute von dem hören, was Gott früher tat, ist eine ihrer Äußerungen: “Oh, das war vor sehr langer Zeit.“ Sie stellen sich vor, daß sich die Zeiten seitdem geändert haben. Einer sagt: “Ich kann alles über die Reformation glauben, die großartigsten Berichte, die man zu geben vermag, kann ich für bare Münze nehmen“.-“Und das könnte ich in Bezug auf Whitefield und Wesley“, bemerkt ein anderer, “das alles trifft genau zu, sie arbeiteten energisch und erfolgreich, aber das war vor vielen Jahren. Damals lagen die Dinge anders als heute.“ Zugestanden, ich möchte jedoch wissen, was “die Dinge“ damit zu tun haben. Ich dachte, Gott sei es gewesen, der alles das bewirkte. Hat Gott sich geändert? Ist er nicht ein unveränderlicher Gott, derselbe gestern, heute und in Ewigkeit? Liefert das nicht ein Argument zum Beweis dafür, daß Gott das, was er zu einer Zeit getan hat, zu einer anderen auch vermag? Ich denke, ich darf ein wenig weiter gehen und behaupten, daß das, was er einmal getan hat, eine Prophezeiung dessen darstellt, was er wieder zu tun beabsichtigt, daß die in alten Zeiten vollbrachten mächtigen Werke alle wiederholt werden sollen, das Lied des Herrn wieder in Zion gesungen und er wieder hoch gerühmt werden soll. Andere unter euch sind der Meinung: “Ich sehe diese Dinge als erstaunliche Wunder an; wir sollen sie nicht jeden Tag erwarten“. Das ist genau der Grund, warum'wir sie nicht erleben. Wenn wir sie zu erwarten gelernt hätten, würden wir sie zweifellos sehen. Aber wir schieben sie auf die lange Bank als etwas, das außerhalb der normalen Ordnung unserer bescheidenen religiösen Erfahrung liegt, als bloße Kuriositäten der Schriftgeschichte. Wir denken uns solcherlei, wenn es auch noch so wahr ist, als Wunder der Vorsehung; wir können uns nicht vorstellen, daß es gemäß dem gewöhnlichen Wirken der mächtigen Kraft Gottes zustande kommt. Ich bitte euch dringend, meine Freunde, schwört diesem Verständnis ab, verdrängt es aus eurem Denken. Was immer Gott bereits zur Bekehrung von Sündern unternommen hat, soll als Vorbild betrachtet werden, denn “sein Arm ist nicht zu kurz, daß er nicht retten könnte, noch sein Ohr schwer, daß er nicht hören könnte“. Wenn wir überhaupt eingeschränkt sind, dann nicht in ihm, sondern in uns selbst. Laßt uns die Verantwortung dafür auf uns selbst nehmen und Gott mit Ernst suchen, uns den Glauben der Männer vergangener Zeiten zu erneuern, damit wir wie vorzeiten uns seiner Gnade reichlich freuen können. Noch ein weiterer Nachteil liegt vor, unter dem diese alten Berichte zu leiden haben. Die Wahrheit ist, wir haben die hinter ihnen stehenden Ereignisse nicht erlebt. Nun, ich kann beliebig lange zu euch über Erweckungen reden, aber ihr werdet sie nicht halb so sehr für wahr halten, als wenn eine solche in eurer Mitte geschähe. Falls ihr sie mit eigenen Augen sähet, würdet ihr ihre Kraft erkennen. Hättet ihr in den Tagen Whitefields gelebt oder Grimshaw predigen hören, würdet ihr alles glauben. Grimshaw pflegte vierundzwanzigmal in einer Woche zu predigen, vielmals im Verlauf eines heißen Tages, indem er von Ort zu Ort ritt. Dieser Mann predigte wirklich. Es schien, als ob der Himmel zur Erde herniederkäme, um ihm zuzuhören. Er sprach mit tiefem Ernst, mit allem feurigen Eifer, der sich je in einem Menschen fand. Die Leute zitterten, während sie ihm zuhörten und meinten: “Dies ist zweifellos die Stimme Gottes“. Dasselbe galt für Whitefield. So wie sich ein Erntefeld im Wind wiegt, schienen sich die Zuhörer hin und her zu bewegen, während er sprach. Derart mächtig wirkte die Kraft Gottes, daß nach dem Anhören einer solchen Predigt die hartherzigsten Männer mit den Worten davongingen: “Da muß etwas dran sein, ähnliches habe ich nie gehört“. Könnt ihr nicht erkennen, daß dies ungeschminkte Tatsachen sind? Stehen sie in voller Klarheit vor euren Augen? Dann, denke ich, sollten die Berichte, die ihr mit euren Ohren vernommen habt, eine echte und angemessene Auswirkung auf euer eigenes Leben haben. Angemessene Folgerungen, die aus den Berichtenüber Gottes mächtiges Handeln in der Vergangenheit zu ziehen sind Ich wünschte, ich könnte mit dem Feuer einiger jener Männer reden, deren Namen ich erwähnt habe. Betet für mich, daß der Geist Gottes auf mir ruhe, damit ich für eine Weile mit aller mir zu Gebote stehenden Macht mich eindringlich an euch zu wenden vermag - in dem Bemühen, euch zu ermahnen und aufzurütteln, damit ihr in eurer Mitte eine ähnliche Erweckung erleben könnt. Meine lieben Freunde, das erste, was das Lesen der Geschichte des mächtigen Handelns Gottes in uns bewirken sollte, ist Dankbarkeit und Lobpreis. Haben wir nichts, über das wir heute singen können? Dann laßt uns über alte Zeiten singen. Wenn wir unserem Vielgeliebten kein Lied darüber anstimmen können, was er gerade in unserer Mitte tut, laßt uns dessen ungeachtet unsere Harfen von den Weiden herabholen und ein altes Lied singen und seinen heiligen Namen für das loben und preisen, was er für seine alte Kirche tat, für die Wunder, die er in Ägypten und all jenen Ländern vollbrachte, in die er sein Volk hineinführte und aus denen er es mit hocherhobener Hand und ausgestrecktem Arm herausbrachte. Wenn wir demgemäß begonnen haben, Gott für seine Taten zu preisen, dann glaube ich es wagen zu können, euch eine andere wichtige Pflicht nahezulegen. Laßt euch durch das, was Gott vollbracht hat, anregen zu dem Gebet, daß er gleiche Zeichen und Wunder unter uns wiederholen wolle. Oh! Männer und Brüder, was würde mein Herz empfinden, wenn ich nur glauben könnte, daß einige unter euch wären, die nach Hause gehen und für eine geistliche Erweckung beten würden - Männer, deren Glaube groß genug und deren Liebe feurig genug ist, sie von diesem Augenblick an zu unablässiger Fürbitte dafür zu veranlassen, daß Gott unter uns erscheinen und hier Wunderbares tun möge wie in den Zeiten früherer Generationen. Ja, welche Gegenstände unseres Mitgefühls finden wir allein schon hier in dieser gegenwärtigen Versammlung? Wenn ich so um mich blicke, bemerke ich den einen und anderen, dessen Geschichte ich zufällig kenne, aber wie viele sind noch unbe-kehrt. Da sind Menschen, die gezittert haben und auch darum wissen, die jedoch ihre Ängste abgeschüttelt haben und einmal mehr ihr Schicksal mit dem Vorsatz herausfordern, ihre eigenen Seelen durch Selbstmord umzubringen und von sich jene Gnade abzuwenden, die einmal in ihren Herzen ernstlich an der Arbeit zu sein schien. Sie wenden sich von den Pforten des Himmels ab und rennen eiligst auf die Tore der Hölle zu. Wollt ihr nicht eure Hände zu Gott ausstrecken, um diese Menschen in ihrer äußerst gefährlichen Entschlossenheit aufzuhalten? Wenn in dieser Versammlung nur ein einziger unbe-kehrter Mann wäre, und ich auf ihn zeigen und sagen könnte: “Dort sitzt er, eine Seele, die niemals die Liebe Gottes gespürt hat und niemals zur Buße bewegt wurde“, mit welch besorgter Neugier würde jedes Auge auf ihn blicken? Ich denke, unter Tausenden von Christen hier gibt es nicht einen, der es ablehnen würde, nach Hause zu gehen und für diese einzelne unbekehrte Person zu beten. Aber oh, meine Brüder, es ist nicht nur einer, der sich in gefährlicher Nähe zum Feuer der Hölle befindet, das trifft auf Hunderte und Tausende unserer Mitmenschen zu. Soll ich euch noch einen Grund nennen, warum ihr beten sollt? Bisher sind alle anderen Mittel ohne Wirkung angewandt worden. Gott ist mein Zeuge, wie oft ich mich auf dieser Kanzel ernstlich bemüht habe, das Mittel zur Bekehrung von Sündern zu sein. Ich habe von ganzem Herzen gepredigt; ich könnte nicht mehr sagen als ich bereits gesagt habe, und ich hoffe, meine Kammer legt Zeugnis dafür ab, daß meine Gefühle nicht enden, wenn ich zu sprechen aufhöre. Aber ich habe den Mut, für die von euch zu beten, die niemals angerührt werden, oder die, wenn berührt, immer noch den Geist Gottes auslöschen. Ich habe mein Äußerstes getan. Wollt ihr nicht dem Herrn gegen die Menge der Widerstrebenden zu Hilfe kommen? Werden nicht eure Gebete das erreichen, was mein Predigen nicht vermag? Hier sind sie, ich empfehle sie euch an: Männer und Frauen, deren Herzen sich Weigern zu schmelzen, deren widerspenstige Knie sich nicht beugen wollen; ich überlasse sie euch und bitte euch, für sie zu beten. Tragt ihre Situationen auf euren Knien vor Gott. Frau! höre niemals auf, für deinen unbekehrten Mann zu beten. Mann! brich niemals dein Flehen ab, bis du deine Frau bekehrt siehst. Väter und Mütter! habt ihr keine unbekehrten Kinder? Habt ihr sie nicht so manchen Sonntag hierher gebracht, und sie bleiben genau so, wie sie gewesen sind? Ihr habt sie erst zu einem und dann zu einem anderen Gottesdienst geschickt, und sie sind noch gerade so, wie sie waren. Der Zorn Gottes bleibt auf ihnen. Sie müssen sterben; und sollten sie jetzt sterben, wißt ihr mit Sicherheit, daß die Flammen der Hölle sie verschlingen müssen. Weigert ihr euch, für sie zu beten? Harte Herzen und gefühllose Seelen besitzt ihr, wenn ihr, die ihr selbst Christus kennt, nicht für die beten wollt, die aus euren eigenen Lenden kommen - eure Kinder nach dem Fleisch. Wir wissen nicht, was Gott alles für uns tun mag, wenn wir tatsächlich um einen Segen beten. Seht euch die Bewegung an, die wir bereits betrachtet haben; wir sind Zeugen gewesen, wie Exeter Hall, St.Paul’s Cathedral und Westminster Abbey bis zu den Türen hin überfüllt waren, aber bisher haben wir noch keine Auswirkung all dieser gewaltigen Versammlungen beobachten können. Haben wir nicht versucht zu predigen ohne den Versuch zu beten? Ist es nicht wahrscheinlich so, daß die Kirche zwar ihre predigende aber nicht ihre betende Hand ausgestreckt hat? O liebe Freunde! laßt uns im Gebet ringen, und es wird eintreten, daß diese Music Hall das Seufzen und Stöhnen der Bußfertigen ebenso wie die Lieder der Bekehrten erleben wird. Es soll noch geschehen, daß diese riesige Menschenmenge nicht kommt und geht, so wie sie es jetzt tut - nur ein wenig besser. Sondern Menschen werden diese Halle verlassen, Gott preisen und erklären: “Es war gut, dort zu sein; es war nichts anderes als das Haus Gottes und die Pforte des Himmels selbst“. So viel möchte ich ausführen, um euch aufzurütteln zum Gebet. Eine andere Folgerung, die wir ziehen sollten, ist die: alle von uns gehörten Berichte sollten jegliches Vertrauen in uns selbst korrigieren, das sich in unsere trügerischen Herzen eingeschlichen haben mag. Vielleicht haben wir als Gemeinde begonnen, uns auf unsere Zahlen usw. zu verlassen. Wir mögen gedacht haben: “Sicherlich muß Gott uns durch den Dienst der Geistlichen segnen“. Nun laßt die Geschichten, die unsere Väter uns erzählt haben, euch und mich erinnern: Gott rettet nicht durch viele noch durch wenige; wir vermögen es nicht, sondern Gott muß alles tun. Möglicherweise wird noch ein verborgener Prediger, dessen Name bisher niemals bekannt wurde, in dieser Stadt London in Erscheinung treten und den Herrn mit grö ßerer Kraft verkündigen, als Bischöfe oder andere Geistliche es je zuvor erlebt haben. Ich will ihn willkommen heißen; Gott sei mit ihm. Laßt ihn kommen woher er will, möge nur Gott ihn bestätigen und sein Werk getan werden. Vielleicht jedoch beabsichtigt Gott, die an diesem Ort eingesetzten Mittel zu eurem Guten und eurer Bekehrung zu segnen. In diesem Falle bin ich bei dem Gedanken daran dreifach glücklich. Setzt aber kein Vertrauen in das Instrument. Nein, als Menschen uns am meisten auslachten und verspotteten, segnete Gott uns am meisten. Jetzt ist es keine schändliche Angelegenheit, in der Music Hall anwesend zu sein. Wir sind nicht mehr so verachtet wie einst, ich frage jedoch, ob wir so großen Segen haben wie einst. Wir wären bereit, weitere Prügel am Pranger zu erdulden und eine weitere Zerreißprobe durchzustehen, wo jede Zeitung gegen uns schreibt und jedermann uns auszischt und beschimpft - wenn es Gott so gefällt, wenn er uns nur einen Segen schenkt. Aber wir wollen ihn bei uns jeden Gedanken daran austreiben lassen, daß unser eigener Bogen oder unser eigenes Schwert uns den Sieg erkämpfen wird. Wir werden hier niemals eine Erweckung erleben, wenn wir nicht glauben, daß es der Herr ist, und der Herr allein, der es tun kann. Nachdem ich diese Feststellung getroffen habe, möchte ich mich bemühen, in euch das Zutrauen zu entfachen, daß das von mir aufgezeigte Ergebnis erzielt werden kann und die Berichte, die wir von vergangenen Zeiten gehört haben, in unseren Tagen Wahrheit werden können. Warum sollte nicht jeder meiner Zuhörer bekehrt werden? Ist der Geist Gottes irgendwie begrenzt? Warum sollte nicht der kraftloseste Geistliche das Mittel zur Errettung von Tausenden werden? Ist Gottes Arm zu kurz? Wenn ich euch auffordere zu beten, daß Gott die Predigt des Wortes lebendig und kraftvoll wie ein zweischneidiges Schwert machen möge zur Errettung von Sündern, dann stelle ich euch nicht eine harte, noch viel weniger eine unmögliche Aufgabe. Wir müssen nur bitten und empfangen. Ehe wir rufen, will Gott antworten; und während wir noch reden, will er erhören. Gott allein vermag abzusehen, was sich aus dieser Predigt entwickeln kann, wenn er sie zu segnen erwählt. Es mag sein, daß ihr von diesem Augenblick an mehr betet und Gott von diesem Moment an den Dienst der Verkündigung mehr segnet. Von dieser Stunde an mögen andere Kanzeln mit mehr Teben und Kraft erfüllt werden als zuvor. Von diesem selben Augenblick an mag das Wort Gottes fließen, eilen, dahinbrausen und sich selbst einen erstaunlichen und grenzenlosen Sieg erringen. Nur ringt im Gebet, versammelt euch in euren Häusern, geht in eure Kammern, handelt sofort, seid jederzeit ernsthaft, kämpft verzweifelt um Seelen - und alles, was ihr gehört habt, wird vergessen sein angesichts dessen, was ihr dann erleben werdet; und alles, was andere euch erzählt haben, wird wie nichts sein im Vergleich zu dem, was ihr mit euren Ohren hören und euren Augen sehen werdet in eurer eigenen Mitte. CHARLES G. FINNEY (1792-1875) Nach seiner Bekehrung im Alter von neunundzwanzig Jahren gab er seinen Beruf als Rechtsanwalt auf und wurde in der Folgezeit zur herausragenden Gestalt unter den amerikanischen Evangelisten des vorigen Jahrhunderts. Ein Mann des Gebetes, vollmächtiger Prediger und scharfsinniger Theologe zugleich (1835 berief man ihn als Professor an das Oberlin College/Ohio), wurde Finneys langjähriger Dienst von Gott immer wieder als auslösendes Element für Erweckungen benutzt. Diese verhalfen nicht nur Hunderttausenden zu einem neuen Leben in Gott, sondern nahmen auch prägenden Einfluß auf die Geschichte seines Landes. Finneys reiche Erfahrung auf dem Gebiet evangeli-stisch-erwecklicher Arbeit verhalf ihm zu außerordentlicher Einsicht in Prinzipien geistlicher Erneuerung; seine veröffentlichten Vorträge über diese Thematik bewirkten zahlreiche Erweckungen innerhalb und außerhalb Amerikas. Wesen, Voraussetzungen und Anzeichen von Erweckung “Willst du uns nicht wieder beleben, damit sich dein Volkj in dir freuen kann?“ (Psalm 85, 7) Ausgehend von diesen Worten möchte ich folgende Beobachtungen treffen: Erweckung setzt einen vorherigen geistlichen Niedergang voraus Eine geistliche Erweckung besteht in der Erneuerung der Liebe und Gnade des Volkes Gottes und einer daraus folgenden Bekehrung von Sündern zu Christus. Jeder Christ weiß, was es bedeutet, bei sich selbst zumindest zeitweilig einen verhältnismäßigen Niedergang und dann Neubelebung zu erfahren. Wenn sehr viele Christen zur selben Zeit in ihren geistlichen Tugenden wiederbelebt werden, spricht man von einer Erweckung in der Kirche oder unter denen, die sich Gottes Volk nennen. Solch ein Zustand dient dazu, bei den Unbußfertigen ein mehr oder weniger starkes Fragen und die Bekehrung vieler zu ■fördern. Wann eine Erweckung in einer Kirche oder an irgendeinem Orte nötig ist 1. Sie ist notwendig, wenn Christen ihre erste Liebe verlassen und ihre liebende Hingabe zu Christus verloren haben. Sie leben nicht mehr länger in geistlicher Reife, ernsthaft, liebevoll und eifrig, so wie es bei wachsamen und belebten Christen der Fall ist. 2. Wenn Christen eine weltliche Gesinnung angenommen haben, wenn sie sich in ihrer Aufmerksamkeit für die Dinge dieser Welt ganz von diesen gefangennehmen lassen, anstatt von dem unmittelbaren Werk, zu dem Christus sie gerufen hat -der Heiligung ihrer Seelen und der Bekehrung der Welt zu ihm -dann ist eine Erweckung nötig. Manchmal herrscht in einer Kirche ein Zustand, wo wenig über die Bekehrung von Seelen oder geistliches Leben gesprochen wird. Man hat sich wenig über seine eigene Erfahrung mitzuteilen und geringen Austausch über Christus; kurzum, die Leute haben ihr Verlangen nach geistlichen Dingen verloren, sind aber an den Geschäften dieser Welt in solchem Maße interessiert, daß man behaupten kann, sie haben sich ihr angeglichen. 3. Eine Erweckung ist erforderlich, wenn Christen als Folge ihrer weltlichen Gesinnung zum Vorwurf werden. Wo erklärte Christen sich diese Haltung beilegen, ihren Eifer für Christus verlieren, sich jedoch eifrig um weltliche Angelegenheiten wie Politik, Geschäft und Vergnügen kümmern und wenig über Christus und rechte Frömmigkeit zu sagen haben, da wird es stets von der Welt bemerkt. Die Ungläubigen spüren immer diesen inneren Widerspruch von seiten der Christen und neigen dazu, darüber zu reden, ln ihrer Wertschätzung sind die Christen in Ungnade gefallen und werden auf Grund ihrer Inkonsequenz verachtet; und unter solchen Umständen wird es für die Unbußfertigen üblich, sich vorwurfsvoll über die Kirche zu äußern. Nicht selten werden sie die angemaßte Frömmigkeit jener verspotten, sie als Heuchler brandmarken und von ihnen in einer Weise sprechen, die anzeigt, daß sie keinen Respekt für deren Bekenntnis von Gottesfurcht besitzen. Wenn solche Verhältnisse gegeben sind, ist eine Erweckung sehr nötig. 4. Immer wenn eine Kirche bei ihren religiösen Aktivitäten in einen Zustand der Förmlichkeit abgesunken ist, macht das eine Erweckung notwendig. Manchmal tritt der Fall ein, daß das kirchliche Leben sehr förmlich und langweilig wird. Die Versammlungen sind spärlich besucht, und alles praktizierte Anbeten und Gebet ist äußerst förmlich und leblos. Diese Gemeinden scheinen in einer Verfassung zu sein, wo sie nicht durch irgendeinen inneren Impuls, Liebe oder Feuer in sich zu geistlichen Diensten angeregt werden; sondern sie nehmen ihre Zuflucht zu einem förmlichen Trott, den sie Pflicht nennen -und jeder kann sehen, daß sie nicht mit Leib und Seele beteiligt sind. In einer derartigen Lage ist eine Erweckung höchst notwendig. 5. Das ist ebenso der Fall, wenn Christen in der Erledigung ihrer religiösen Verpflichtungen zu “faulen Knechten“ werden, ihre Pflicht in Bezug auf Christus, einander und die Unbußfertigen sehr nachlässig versehen. Sie unternehmen geringe oder keine Anstrengung, das große Ziel zu erreichen, für das die Kirche lebt oder leben sollte. Eine Haltung religiöser Trägheit und Faulheit hat von ihnen Besitz ergriffen, sie haben in sich weder Energie noch Leben oder Kraft der Gottesfurcht. Alle religiösen Pflichten erledigen sie träge und unternehmen nicht einmal den Versuch, viele Dinge zu tun, die sie als ihre Pflicht erkannt haben. Als buchstäblich “faule Knechte“ vertrödeln sie Christi Zeit und scheinen nicht einmal zu beabsichtigen, irgend etwas von Wichtigkeit im Reiche Christi zu bewirken. 6. Eine Erweckung wird benötigt, wenn Christen den Geist des Erbarmens für die Unbekehrten verloren haben. Leben Christen ihre christlichen Tugenden aus, dann sind sie mitleidvoll; sie fühlen mit den Unbußfertigen und bringen dies zum Ausdruck. Sie erkennen deren Schuld und Gefahr und sind ihretwegen beunruhigt. Dieses Mitgefühl bekunden sie auf vielerlei Weise, was seinerseits die Gottlosen sehr beeindruckt. Haben aber Christen ihre erste Liebe verlassen, verlieren sie ihren mitfühlenden Eifer für Seelen und zeigen sogar für ihre eigenen Kinder und Freunde sehr wenig Mitleid. Dieser innere Widerspruch wird von den Gottlosen bemerkt; wenn Eltern und Freunde, die angeben, Christen zu sein, kein Mitleid gegenüber ihren unbekehrten Kindern und Verwandten erkennen lassen, werden diese Unbekehrten nicht wachgerüttelt, für sich selbst zu empfinden. Sie fahren in ihrem geistlichen Todesschlaf fort, weil niemand in ihrer Umgebung Anteilnahme an ihrer Seele bezeugt. Angesichts solcher Verhältnisse ist eine Erweckung unbedingt erforderlich. 7. Nötig ist eine Erweckung auch dann, wenn wenig oder gar nicht ernstlich für die Bekehrung von Seelen gebetet wird. Gerät eine Kirche in den Zustand, von dem ich gesprochen habe, werdet ihr dort sehr wenig Gebet für die Bekehrung der Gottlosen hören. Falls die Leute beten, werdet ihr beobachten, daß sie es nur für sich selbst tun und kaum für die Unbußfer- tigen; und wenn sie doch für diese beten, äußern sie vielleicht lediglich einige kurze Bitten, die herzlos und belanglos, ohne Inbrunst, Bekenntnis und Ernst sind. Mit Verwunderung kann man feststellen, wie unnatürlich es manchmal für erklärte Christen in ihren Gebetstreffen ist, für die Unbußfertigen zu beten. Ihr seht, wie sie im Kreise, für sich selbst beten und auf eine Weise, die deutlich macht, daß sie rein egoistisch sind und ihnen sogar an ihrer eigenen Seele sehr wenig liegt. Sie sind kaum dazu zu bewegen, für die Gottlosen zu beten, weil sie eigentlich selbst in derart gottloser Verfassung sind, daß sie gar nicht für sie beten können. Nun, unter solchen Bedingungen ist natürlich die Notwendigkeit für eine Erweckung sehr groß. 8. Dasselbe gilt, wenn das persönliche Beten, das Familiengebet und Gebetsversammlungen vernachlässigt werden; wenn Gemeindeglieder sich in Wirklichkeit scheuen, an Gebetstreffen teilzunehmen, damit sie nicht aktiv werden müssen und aufgefordert werden, im Gebet zu leiten; wenn sie geistlich so weit zurückgefallen sind, daß eine Aufforderung zum Beten für sie eine Prüfung darstellt. Sie haben weder Mut noch Flerz zu beten, ihre Gebete sind kalt und gezwungen. Den Versammlungen bleiben sie fern, entweder weil sie selbst nicht zum Gebet aufgerufen werden wollen, oder weil sie vielleicht nicht die kalten und förmlichen Gebete ihrer Brüder anhören möchten. 9. Eine Erweckung ist sehr notwendig, wenn unter Christen Konfessionsvorurteile verbreitet sind, die schließlich sogar das Interesse an gegenseitigen Erfahrungen und Fortschritten verhindern. Mauern der Parteiungen werden errichtet und verstärkt, und man legt große Betonung auf jene Besonderheiten, welche die jeweilige Gruppe auszeichnen. Sie erheben diese Eigentümlichkeiten zu solcher Wichtigkeit, daß sie ihr Interesse und ihre Nächstenliebe für ihre Brüder anderer Bekenntnisse verlieren. In diesem Zustand können sie nicht für sich selbst oder andere beten und obsiegen; die Gottlosen sehen es, sind schockiert und nehmen daran Anstoß. 10. Man braucht eine Erweckung, wenn brüderliche Liebe so schwach und beinahe erloschen ist, daß Christen es nicht als natürlich ansehen, einander ’Brüder’ zu nennen. Tatsächlich erscheint es ihnen lächerlich und wie eine Art Zunftsprache, einen christlichen Bruder mit ’Bruder’ anzusprechen. Unter dieser Voraussetzung nehmen sie an Christen als solchen sehr, wenig Anteil; sie besitzen sehr geringe Achtung für Christen, gerade weil sie Christen sind. Sie haben nicht das Empfinden, diese gehörten zur selben Familie, und bringen ihnen nicht jene brüderliche Anteilnahme entgegen, die in Wirklichkeit dem Christentum eigen ist. 11. Dann ist eine Erweckung äußerst erforderlich, wenn Christen ihre brüderliche Liebe so weitgehend verloren haben, daß sie es sogar fertigbringen, gegen ihre Brüder zu reden. Sie werden kritisch, anstatt auf den Ruf ihrer Brüder und die von ihnen vertretene Sache Christi bedacht zu sein. Unaufhörlich machen sie der Welt die Fehler jener bekannt, sprechen vorwurfsvoll von ihnen, kritisieren sie und scheinen gesinnt, sie in nahezu jeder Hinsicht lieblos zu richten. Dadurch helfen sie das Werk des Teufels zu fördern, indem sie nämlich das Vertrauen der Gottlosen in Christen erschüttern. Manchmal tragen Bekenner des Christentums weit mehr dazu bei, die Kirche und die Sache Christi zu schädigen sowie das Zutrauen der Welt zum Christentum zu erschüttern, als es in der Macht der Gottlosen steht. Wenn sich erklärte Christen von Gott entfernen, werden sie beinahe immer kritiksüchtig und schlagen damit den kürzesten Weg ein, das Christentum verächtlich zu machen. Angesichts dessen ist eine Erweckung stets sehr nötig. 12. Einer Erweckung bedarf man ebenfalls, wenn Christen genußsüchtig sind. Egoismus besteht in dem Hang, seinem Ich freien Lauf zu lassen - den Lüsten, Begehren und Neigungen zu frönen. Zuweilen sehen wir, wie sich solche, die sich zum Christsein bekennen, gleich den Ungläubigen in vielfältiger Weise verwöhnen. Sie suchen Vergnügen, laufen hierhin und dorthin, um sich selbst zufriedenzustellen. Sie rennen los, um Christi Geld für dies oder jenes auszugeben, um dieses Konzert und jene Vergnügung zu erleben, um diese und jene Reise zu unterneh- men. In vielfacher Form stellen sie eine genußsüchtige Gesinnung unter Beweis - auch beim Essen und Trinken; kurzum, in den meisten Formen, in denen auch die Gottlosen sich zu Gefallen leben. Solche Menschen scheinen die Tatsache aus den Augen zu verlieren, daß Egoismus und Genußsucht Sünde sind. Nicht länger mehr verleugnen sie sich selbst, nehmen täglich ihr Kreuz auf sich und folgen Christus nach. Sondern sie haben aufgehört, sich zu verleugnen und Christi Kreuz zu tragen, und Genußsucht ist ihnen zur Lebensgewohnheit geworden. Anstatt Christus hingegeben zu sein und alles für ihn zu tun, stellen sie in allem, was sie unternehmen, direkt oder indirekt sich selbst zufrieden. In diesem Zusammenhang werdet ihr oft beobachten, daß sie bei all ihrer Genußsucht am Sonntag den Gottesdienst besuchen und auf verschiedene Arten eine äußere Form von Frömmigkeit aufrechterhalten, während sie ihre Kraft verleugnen. Die Gottlosen sind über sie erstaunt und fragen sich: Worin unterscheiden sie sich von uns? Anscheinend lieben sie Vergnügen und Genüsse so wie wir; sie scheinen so wenig Ernst mit der Religion und so viel ernst mit der Welt zu machen wie wir. Zeit und Geld verwenden sie sich selbst zu Gefallen. Nun, bei derart fürchterlichen Verhältnissen wie diesen ist eine Erweckung dringend erforderlich. In einem solchen Zustand vernachlässigt die Kirche das Werk Christi und sucht ihre eigene Befriedigung und ihren eigenen Nutzen. Alle geistlichen Bemühungen vollziehen sich unter diesen Bedingungen sehr schleppend. Wenn Geld für die Sonntagsschulbibliothek, missionarische Vorhaben oder irgendeinen anderen Zweck benötigt wird, ist es nicht leicht zu erhalten. Die Brüder verspüren keine Lust, dererlei Absichten zu den ihrigen zu machen, und alles, was in dieser Richtung unternommen wird, ist entmutigend. 13. Wenn die Christen als Folge ihrer geistlichen Verflachung in Zweifel bezüglich ihres eigenen geistlichen Zustandes verstrickt sind, ist eine Erweckung notwendig. Natürlich haben sie in diesem Fall das Zeugnis des Heiligen Geistes verloren. Sie sind sich bewußt, keine Freude oder Kraft zu besitzen. Viele Zweifel und Befürchtungen begleiten sie, ob sie wirklich in einer sicheren Stellung vor Gott stehen. Oftmals, verleihen sie diesen Zweifeln Ausdruck, den Gottlosen zu Hindernis. , Es ist verwunderlich festzustellen, daß manchmal erklärte Christen dahin kommen, derartige Zweifel für unvermeidlich zu halten und zu meinen, alle, die sich zu Christus bekennen, hätten sie oder sollten sie haben. Sogar Geistliche fallen so weit zurück, daß derartige Zweifel bei ihnen selbst gewohnheitsmäßig bestehen, und sie predigen auf solche Art, daß andere ermutigt werden, sie ebenfalls zu haben. Nun gilt stets, wenn geistliche Zweifel in irgendeiner Gemeinde zur Tagesordnung werden, ist eine Erweckung sehr nötig. 14. Fallen Christen in Verdammnis und religiöse Gebundenheit, werden alle geistlichen Verpflichtungen für sie mühsam und zu einer Last. Von ihnen wird kein spontaner Dienst der Liebe geleistet, sondern alles von ihrem Gewissen erzwungen. Manchmal geraten diejenigen, die sich Christen nennen, in folgende Verfassung: Die von ihnen natürlicherweise gesungenen Lieder kennzeichnen sie bereits als geistlich zurückgefallen, offenbaren eine niedrige und irdische Gesinnung und zeigen an, daß sie nicht in der Gnade wachseipsondern von Gott abgewichen sind und noch abweichen. Ihre Gebete verraten, daß sie unter Verdammnis stehen. Ihr gesamtes Christenleben ist eines der Gebundenheit, ihr geistliches Leben eine mühselige Angelegenheit. Angesichts einer solchen Lage ist die Notwendigkeit für eine Erweckung groß, sehr groß. 15. Eine Erweckung ist dringend nötig, wenn als Folge des Rückfalls der Kirche das Predigen des Wortes Gottes kraftlos ist. Wenige oder keine Gebete werden für seinen Erfolg gesprochen, und vielleicht spürt der Geistliche selbst, wie die schleppende Last seiner kalten Kirche ihm anhängt. Er steigt entmutigt auf die Kanzel und hat das Gefühl, als lebte er zwischen Eisbergen. Und möglicherweise richtet er matt das Wort des Lebens aus, aber in einer Atmosphäre, die so arm am Geist Gottes ist, daß das Wort in seiner Kraftlosigkeit zu Boden fällt. Sünder sind gleichgültig; entweder bleiben sie dem Gottesdienst fern oder sind unachtsam zugegen und schlafen vielleicht. Falls sie nicht schlafen, schauen sie unbekümmert umher und nehmen sehr wenig Anteil an dem, was gesagt wird; oder falls sie doch Interesse haben, ist es möglicherweise ein weltliches, das der Predigt als einem intellektuellen Genuß vielleicht oder als einem literarischen Essay oder irgendetwas anderem aus nicht geistlichen Beweggründen entgegengebracht wird. So werden Hindernisse für Sünder aufgebaut. Sie wissen nicht, was sie vom Christentum halten sollen und bezweifeln stark, ob überhaupt etwas daran ist. Sie beobachten solche, die sich zu ihm bekennen, denken oft über deren Zustand nach und bemühen sich, deren weltliches Verhalten in solcher Weise zu interpretieren, daß sie sich selbst in ihrer Vernachlässigung der Religion rechtfertigen. Sie bauen starke Vorurteile gegenüber Religion und Kirche auf, haben das Vertrauen in die Aufrichtigkeit der Kirchenmitglieder verloren und sind geneigt, sie als Heuchler zu betrachten. Auch erkennen sie, daß Entfremdung und Meinungsverschiedenheiten unter ihnen bestehen. Die Umwelt und das Verhalten der erklärten Christen sind von solcher Art, daß die Gottlosen im allgemeinen äußerst gleichgültig sowie verhärtet und skeptisch sind. Die Jugendlichen haben kein Interesse an religiösen Dingen und nehmen selten an den Gebetsversammlungen teil, weil dort nichts ihre Aufmerksamkeit erregt. Ein Bedürfnis, für sich selbst beten zu lassen, verspüren sie nicht; selbst wenn es vorhanden wäre, haben sie sehr wenig Vertrauen in die Kirche und würden es nicht irgendwie für wichtig halten, den Wunsch zu äußern: “Betet für uns“. Demgemäß vernachlässigt die große Masse der jungen Leute die Religion und ist ihren leichtfertigen und lebenslustigen Betätigungen ergeben. Wenige stoßen neu zur Kirche hinzu; bei denen, die sich gelegentlich anschließen, geschieht dies vielleicht durch schriftliche Überweisungen von anderen Kirchen, oder es handelt sich um zweifelhafte Fälle, was eine hoffnungsvolle Bekehrung an- geht. In all solchen Fragen ist eine Erweckung unerläßlich. Einige Merkmale wahrer Erweckung 1. Ich wies bereits darauf hin, daß eine Erweckung einen vorherigen geistlichen Niedergang voraussetzt. Von daher wird natürlich ein Kennzeichen echter Erweckung eine starke Sündenüberführung unter den sogenannten Christen sein. Sie befinden sich in einem sehr sündhaften Zustand, und eine der ersten Beobachtungen, die man in einer wahren Erweckung treffen kann, wird die Überführung von ihrer Hauptsünde sein - der Abkehr von Gott. Ein Empfinden von Verdammnis oder Reue wird diese Zurückgefallenen erfassen; ihr Mund wird geschlossen, und sie fühlen sich derart verdammt, daß sie kaum aufblicken können. Sie haben den Eindruck, als ob ihre Sünden weitaus größer seien, weil sie sich als Christen bekennen. Ihr Rückfälligwerden betrachten sie als beinahe unvergebbar, und oftmals wird unter diesen Umständen ihre Überführung erheblich tiefer sein als bei ihrer ursprünglichen Bekehrung. _ 2. Tiefe Demütigung wird ein anderes Merkmal einer Erwek-kung sein. Mit Demütigung meine ich: ein Sicherniedrigen vor Gott, eine Bereitwilligkeit, vor Gott und Brüdern viel zu bekennen - im Verborgenen wie auch öffentlich; man erniedrigt sich spontan vor Gott und der Welt. Menschen haben den Eindruck, sie seien Steine des Anstoßes gewesen und wünschen, diese aufzuheben. Sie fühlen sich, als ob sie das Christentum entehrt hätten und möchten alle Menschen wissen lassen, daß sie sich dessen schämen und es ihnen leid tut. Ihnen ist es ein Anliegen, so weit wie möglich die Schande zu beseitigen, die sie der Sache Christi zugefügt haben. Sie können es nicht länger ertragen, Gottlose das Christsein nach ihrem eigenen sündhaften Leben beurteilen zu sehen. Folglich möchten sie bekennen und können nicht ruhen, bis sie sich demütigen und die Steine des Anstoßes beseitigen. 3. Eine weitere Eigentümlichkeit wahrer Erweckung wird unter derartigen Umständen nicht nur Bekenntnis sondern auch Wiedergutmachung sein. Falls solche Leute auf Grund ihrer weltlichen Gesinnung hart und unterdrückend in ihrem Umgang waren, zu hohe Zinsen verlangten, irgendeiner Erpressung oder Übervorteilung schuldig wurden, auf irgendeine Weise jemanden verletzten - dann werden sie nicht ruhen, bis sie Wiedergutmachung geleistet haben. Wahrhaft erweckt, sind sie jetzt wohlwollend geworden und lieben nun ihre Nächsten wie sich selbst. Ihre übel erworbenen Gewinne wollen sie nicht behalten, denn sie lieben nun alle Menschen als ihre Brüder und werden freiwillig dort Wiedergutmachung leisten, wo sie Menschen Unrecht zugefügt haben. Falls sie durch Verleumdung oder kritische Äußerungen Vorurteile gegenüber irgend jemandem erzeugt haben, werden sie gewiß hingehen und dieses Hindernis beseitigen. So weit es in ihrer Macht steht, werden sie alles in Ordnung zu bringen versuchen und die schweren Lasten aufheben, die sie anderen auferlegt haben. 4. Die Aufgabe falscher Hoffnungen seitens derjenigen, die sich getäuscht haben, wird eine andere Eigenschaft einer echten Erweckung sein. Vielleicht gibt es in jeder Kirche einige, die der Selbsttäuschung unterliegen, sich für Christen zu halten, wo sie gar keine sind. Eine Erweckung unter denen, die wirklich bekehrt sind, führt natürlicherweise dazu, die in Selbsttäuschung Befangenen aufzustören sowie sie ihre Verblendung erkennen und verstehen zu lassen. In einer Erweckung stellt sich stets eine tiefe Herzenserforschung ein. Der Geist Gottes wird ausgegossen, alle Personengruppen in der Gemeinde werden auf Herz und Nieren geprüft und ihre alten Hoffnungen erprobt. Christus kommt mit der Wurfschaufel in seiner Hand, um gründlich seine Tenne zu reinigen; sogar wohlbegründete Hoffnungen werden ernsthaft geprüft und die falschen werden, oft in großer Zahl, hinweggefegt. 5. Echte Erweckung wird auch durch das Beilegen von Schwierigkeiten gekennzeichnet sein. Wenn Gemeindeglieder in ihren Herzen von Gott abgewichen sind, wird immer eine der Folgen sein, daß unter Brüdern Schwierigkeiten bei ihren geschäftlichen Unternehmungen entstehen. In den verschiedenen Lebensbeziehungen vieler Glieder werden Probleme größerer oder geringerer Bedeutung auf-treten. Auch werden sich Schwierigkeiten zwischen Gemeindegliedern und Leuten außerhalb der Kirche ergeben. Groll und Abneigung werden - mehr oder weniger ausgeprägt und manchmal alt und von großem Ausmaß - vorhanden sein; aber eine wahre Erweckung bringt diese Dinge mit Sicherheit ans Tageslicht, und wenn die Erweckung sich durchsetzt, werden alle derartigen Probleme bereinigt. Die Herzen der Brüder werden angerührt, und sie sehen manches in einem anderen Licht. Jetzt sind sie bereit zusammenzukommen, voreinander zu bekennen und alles in Ordnung zu bringen; sie sind nun darauf bedacht, alle diese Angelegenheiten zu beseitigen und ihre Hände von Schuld zu reinigen. 6. Merkmal echter Erweckung ist auch die Bereitschaft auf seiten der Kirche, die Steine des Anstoßes aufzuheben, die sie den Gottlosen in den Weg gelegt hat. Sie ist sich bewußt, sie in jeder Hinsicht zum Straucheln gebracht zu haben - durch ihre weltliche Gesinnung, Vergnügungssucht und Liebe zum Geld. Nun jedoch sind ihre Mitglieder auf die Bekehrung von Sündern bedacht und möchten daher vor ihnen all die Steine des Anstoßes entfernen, die sie ihnen in den Weg gelegt haben. Wenn sie wirklich erweckt sind, werden sie sich gewiß um diesen Schritt bemühen. Ihr dürft nicht glauben, daß irgend jemand wirklich erweckt sei, der hierzu nicht um der Sünder willen bereit ist. Niemals dürft ihr irgendwelches Vertrauen in die tatsächliche Neubelebung einer Kirche oder ihrer Angehörigen setzen, solange sie zu stolz oder nachlässig sind, die Hindernisse aus dem Weg der Unbußfertigen zu räumen. 7. Als weiteres Kennzeichen einer wahren Erweckung wird sich die Bevollmächtigung des Dienstes der Geistlichen erweisen, welcher das Hauptinstrument in der Hand Gottes ist, um das Werk weiterzuführen. Man wird beobachten können, daß eine Frische und Salbung auf jene herabkommt, die Werkzeuge der Arbeit sind. Tatsächlich sind die Merkmale einer wahren Erweckung von der Art, daß der vorherige Zustand ins Gegenteil verkehrt wird, soweit die Erweckung die Oberhand gewinnt. Es wird offensichtlich werden, daß einem geistlichen Niedergang entgegengesetzte Verhältnisse innerhalb und außerhalb der Kirche existieren. Sünder werden offen und bewegt, tun Buße und leisten Wiedergutmachung - kurzum, sie werden Christen. Anzeichen dafür,daßeine Erweckung bevorsteht oder bereits begonnen hat 1. Ein Bewußtsein und Empfinden der Notwendigkeit einer Erweckung innerhalb der Kirche ist ein Hinweis darauf, daß das Werk in ihr schon angefangen hat. Oftmals besitzt eine geistlich verflachte Gemeinde kein wirkliches Gespür für ihren Zustand. Ihre Glieder sind weder zu Überzeugungen gelangt, die sie zum Handeln veranlassen, noch empfinden sie ihre Verfassung derart, daß sie wirklich jede Anstrengung unternehmen, eine Änderung der Verhältnisse herbeizuführen. 2. Wenn jedoch eine Erweckung bevorsteht und eigentlich schon in einigen Herzen eingesetzt hat, dann reift dieses Bewußtsein zur Aktivität. Ein Empfinden für die Notwendigkeit einer Erweckung gewinnt die Oberhand; Christen fangen an, darüber zu sprechen und zu beten sowie sich zu bemühen, eine Veränderung zu bewirken. Zu diesem Zweck berufen sie Zusammenkünfte ein, erkundigen sich, was zu tun ist, und greifen das Gehörte handelnd auf. Ein Geist des Gebets wird von ausschlaggebender Bedeutung für die Erweckung sein: Christen beginnen, ihre Sünden zu bekennen und damit ernst zu machen - die Gebetsversammlungen wachsen mehr und mehr -, eine Bereitschaft zur Demütigung wird offenbar und Brüder verbringen nicht ihre Zeit mit kaltem Beten; sie zerbrechen innerlich, legen Bekenntnisse ab, und offensichtlich nimmt eine neue Gesinnung von ihnen Besitz. Die Erwartung einer Erweckung und der Eindruck, daß sie begonnen hat, werden augenscheinlich. Deutlich sichtbar treten neue Verhältnisse ein: erklärte Christen werden in ihren Herzen tief erforscht und gehen vielleicht zu ihren Geistlichen und aufeinander zu, um Erkundigungen einzuziehen und um Gebet zu bitten. Gläubige fordern sich gegenseitig zur Fürbitte in ihren Zusammenkünften oder im Verborgenen auf, und Sünder fangen an, danach zu fragen, was sie tun sollen, um errettet zu werden. Ernst herrscht sowohl in der Kirchengemeinde wie auch in der Umgebung vor. Solche, die sich zum Christentum bekennen, können leichter den wöchentlichen Gebetstreffen beiwohnen und sind eher zu allem Guten in Wort und Tat bereit. Kurz gesagt, man merkt, daß die geistliche Thematik die öffentliche Meinung zu beeinflussen beginnt und das Interesse von Menschen erregt wird. Auch die Sonntagsversammlungen sind von mehr Ernst gekennzeichnet, Gebetstreffen nehmen ein neues Gesicht an, persönliches Gebet wird umfassender üblich und in einer anderen Haltung praktiziert. Die allgemeine Moral hebt sich, man jagt weniger dem Vergnügen nach, Liebe zur Kritik, Genußsucht und Zügellosigkeit gehen zurück. Die Gemeindeglieder lassen neue Kraft erkennen, und die Gottlosen bemerken es. Diese und ähnliche Dinge sind Hinweise darauf, daß eine Erweckung bereits angefangen hat. Bedingungen, unter denen die umfassende Ausbreitung einer Erweckung erwartet werden darf 1. Man muß sich daran erinnern, daß eine Erweckung gewöhnlich in der Wiederbelebung einer großen Zahl von Menschen zur selben Zeit besteht. Sie ist eine persönliche Angelegenheit, und eine umfangreichere Erweckung kann nur stattfinden, indem sich die Anzahl der erweckten Einzelpersonen vervielfältigt. Christen müssen es zunächst als eine individuelle Angelegenheit betrachten, persönlich erweckt zu werden; denn eine Erweckung kann es nur in dem Umfang geben, wie sie zu einem persönlichen Anliegen gemacht wird, indem jeder eine Erweckung in seiner eigenen Seele sicherstellt. 2. Wo dies geschieht, müssen die Herzen der Menschen für eine Erforschung durch den Heiligen Geist und das Wort Gottes offengelegt werden. Solange sie sich fürchten, sich ergründen und ihre Hoffnun- gen prüfen zu lassen sowie ihre Herzen gegenüber der Wahrheit zu öffnen, werden sie niemals erweckt. 3. Eine weitere Voraussetzung für die allgemeine Ausbreitung einer Erweckung lautet: jedes Planen muß dem Fortgang dieses Werkes untergeordnet werden, ihm muß sich alles andere beugen. Ich habe manchmal erlebt, daß Kirchen eine Reihe von Veranstaltungen angesetzt hatten, die man besuchen sollte - die aber in Wahrheit weltlichen Charakters waren. Sie hatten ihre Maschinerie voll in Bewegung: ihre Nähtreffen, ihre gesellschaftlichen Zusammenkünfte und eine Vielzahl von Dingen, die das Abhalten von geistlichen Veranstaltungen - wie für Gebet und andere ernstliche Bemühungen - außerordentlich. behinderten. Wenn nun aber der Heilige Geistausgegossen ist, sollte alles seiner Einflußnahme unterstellt, alles aufgegeben werden. Denn wenn nur dieselben Veranstaltungen abgehalten werden sollen und dieselbe Richtung beizubehalten ist wie zu der Zeit, als die Gemeinde kalt und förmlich war -dann besteht keine Hoffnung für eine allgemeine Erweckung. Jede Veränderung, die für eure Anpassung an die Bewegungen des Heiligen Geistes notwendig ist, muß durchgeführt werden. Nun liegt es auf der Hand, daß, wenn die Kirche jemals wirklich Buße tun und aufwachen soll, bestimmte Mittel eingesetzt werden müssen; und wenn sie Anwendung finden sollen, haben andere Dinge zurückzutreten. Die Erweckungsversammlungen müssen besucht werden, und zwar von den Mitgliedern der Kirche insgesamt. Sie müssen sich dem Werk hingeben, indem sie nicht nur selbst anwesend sind, sondern sich auch dafür einsetzen, daß andere, die Gottlosen, teilnehmen. Sie müssen sich bemühen, ihr gegenseitiges Interesse und das der gesamten Umgebung an dem erwecklichen Werk wachzurufen, wenn dieses allgemein um sich greifen soll. Sie sollten die Stadt durch kämmen, wie Politiker es tun würden, um jeden Wähler zu erfassen; alle Bewohner des entsprechenden Gebietes sollten besucht werden. Die Leute müssen sich der Beeinflussung und Belehrung durch den Heiligen Geist unterstellen und gewissenhaft und beharrlich alle die Mittel anwenden, die ihre eigenen geistlichen Anliegen ebenso fördern wie die geistlichen Interessen derer, die sie umgeben. Vielem Gebet müssen sie sich widmen und nichts planen oder ausführen, was Menschen von Gebetstreffen und Predigtversammlungen, von ihrer Kammer und dem Einsatz jedes Gnadenmittels abziehen wird. Nötige Geschäfte mögen erledigt werden; denn das, was streng notwendig ist, wird gewöhnlich nicht eine Erweckungsbewegung behindern. Aber laßt keine Vergnügungsausflüge oder Parties stattfinden; vermeidet Klatsch in Nachbarschaft, Stadt oder Kirche; lauft nicht hierhin und dorthin in Konzerte oder Vorträge zu verschiedenen Themen - oder irgendetwas dieser Art. Die Errettung ist die Hauptsache im Leben, und wenn der Heilige Geist herabkommt, um unter Menschen zur Sicherung ihrer Errettung zu arbeiten, dann erwartet er ihre Aufmerksamkeit. Er hat ein Recht darauf, sie zu erwarten, und vermag nicht zu wirken, wenn er nicht ihre Aufmerksamkeit sicherstellen kann. Bei dem Versuch, dies zu erreichen, wird er jedoch nicht das Gesetz, der Willensfreiheit verletzen. Sie müssen einwilligen, beeinflußt zu werden, zuzuhören, den angewandten Mitteln Aufmerksamkeit zu schenken; was immer sie ablenkt, müssen sie vermeiden. Einen anderen Weg gibt es nicht. Und wenn sie dies nicht tun, können sie keine Erweckung erleben; wenn sie es nicht tun, können sie nicht errettet werden. Ich sage wieder und wieder, eine - und zwar eine unveränderliche - Bedingung für eine umfassende Erweckung ist: die Menschen müssen ihre Aufmerksamkeit darauf konzentrieren, auf die Stimme Gottes hören, allem aus dem Wege gehen - so wie sie der Verdammnis entgehen wollen -, was sie davon ablenken wird, auf die Stimme des Heiligen Geistes zu hören, wenn er das Wort Gottes benutzt. Der Geistliche muß allem ausweichen und Widerstand entgegensetzen, was die Aufmerksamkeit zerstreuen würde; die Gemeinde muß sich entscheiden, nichts einzuführen, zu unterstützen oder zu erlauben, was ablenkt und Menschen davon abhält, sich um die Errettung ihrer Seelen zu kümmern.- Anscheinend liegt in Verbindung mit der Frage nach Erwek-kung im Denken vieler eine merkwürdige Verblendung vor, nämlich diese: sie nehmen an, eine Erweckung sei ein ganz und gar übernatürliches Ereignis. Laßt mich aber sagen, daß diese Annahme in direktem Gegensatz zur Lehre der Bibel und der Natur der Dinge steht. Gott handelt durch Mittel sowie durch Liebe, und bei seinem Wirken beachtet er stets die von ihm selbst verfügten Gesetze. Im gesamten Naturreich benutzt er Mittel zur Ausführung seiner Absichten; auch im gesamten Reich der Gnade wendet er Mittel an, um seine Zwecke zu erreichen. Die Welt bekehrt er vermittels der Wahrheit, durch die Predigt des Evangeliums, durch geistliche Versammlungen, Bücher und Traktate. Nun, wer weiß das nicht? Wenn er nach diesem Gesetz vorgeht, kann man erwarten zu sehen, daß ein echtes Werk Gottes mit der Anwendung der geeigneten Mittel verknüpft ist. Dies ist die Ordnung, gemäß derer Gott, soweit wir sehen können, alles tut. Setzt man daher voraus, falls etwas ein Werk Gottes ist, geschehe es ohne Verbindung zu entsprechenden Mitteln, steht diese Annahme im direkten Gegensatz zur Wahrheit. Falls es ein Werk Gottes ist, kann erwartet werden, daß es vermittels geistlicher Bemühungen geschieht.- Auch die Annahme, daß die Souveränität Gottes das Werk weiterführen wird - was auch immer Menschen unternehmen mögen, die Aufmerksamkeit von ihm abzulenken -, ist ein äußerst verderblicher Gedanke. Nichts steht der Wahrheit ferner, nichts trägt auf den ersten Blick deutlicher den Stempel der Lehren des Teufels als jene Auffassung, welche die Souveränität Gottes derart darstellt, daß er eine Erweckung ungeachtet dessen weiterführen wird, ob die Menschen ihm ihre Aufmerksamkeit zuwenden oder nicht. 4. Was die Förderung von Erweckung angeht, kann gar nicht zu viel Betonung auf das Gebet gelegt werden. Immer ist sehr viel Gebet mit solchen Erweckungen verbunden gewesen, die durch den gewissenhaften Gebrauch der Mittel der Gnade gefördert wurden. Gebet war das Losungswort. Es wurde sehr viel allein, sehr viel gemeinsam und sehr viel öffentlich gebetet. Kurzum, Männer und Frauen gaben sich zum Gebet hin, und in vielen Fällen verbrachten sie die ganze Nacht in ihrem Gebetskämmerlein; manchmal waren bei Zusammenkünften ihre Gedanken außerordentlich vom Gebet erfüllt, und sie riefen mit Macht zu Gott. Bleibende Resultate einer Erweckung 1. Wenn die Glieder einer Gemeinde gründlich erfrischt und erweckt wurden, haben sie einen Segen empfangen, den sie nicht wieder verlieren werden. Er wird dauerhafte Auswirkungen und eine Besserung unter ihnen hervorbringen. Nach Jahr und Tag wird zu sehen sein, daß sie Gott besser kennen, heiliger und nützlicher sind. In vielen Fällen habe ich Geistliche kennengelernt, die sagten: “Meine Gemeindeisteine neue Gemeinde. Die Glieder sind ganz anders als früher - geneigter zu allem Guten in Wort und Tat, wachsamer, eifriger im Gebet, demütiger, mehr in Einheit, mit mehr Selbstverleugnung und eher bereit, Mittel für eine Erweckung einzusetzen, als zu irgendeiner anderen Zeit; kurz gesagt, sie sind gänzlich verschiedene und bessere Leute.“ 2. Dasselbe wird von der Welt gelten; wenn sich das Werk allgemein ausbreitet, wird man sehen, daß sich eine bedeutende Besserung in der gesellschaftlichen Umgebung vollzieht. Mit d-enjenigen, die sie erleben, sich verhärten und unbekehrt bleiben, wird es immer schlimmer werden, und vielleicht verhalten sie sich anschließend schlechter als zuvor. Falls jedoch die Erweckung ein umfassendes Ausmaß angenommen hat, wurden viele Menschen bekehrt, und es wird sichtbar, daß sie sich auf die gesamte gesellschaftliche Umgebung auswirkte. Entheiligung des Sabbats, Trunkenheit und Laster jeder Art haben in gewissem Maße ihre Köpfe verstecken müssen. Die öffentliche Meinung ist geformt und das Gewissen der Allgemeinheit geweckt worden, die Furcht Gottes hat die Menschen durchdrungen. Für eine Generation wird der Einfluß dieser Erweckung in der Gesellschaft zu erkennen sein. Bemerkungen 1. Und nun frage ich zunächst: Brauchst du eine Erweckung -in deiner eigenen Seele, deiner Gemeinde? Ich sage, brauchst du eine? Beweisen angesichts dessen, was gesagt wurde, nicht die Umstände, daß du eine Erweckung dringend nötig hast? 2. Willst du eine Erweckung? Du magst sie brauchen, aber doch nicht geneigt sein, sie zu haben. Bist du willens, erweckt zu werden? Oder, eher, wünscht du es? Denn wenn du es wahrhaft willst, bist du bereits erweckt. Spürst du die Notwendigkeit einer Erweckung? Bist du bereit, die Opfer zu bringen, die zu ihrer Förderung wesentlich sind? Bist du bereit, alles Beschwerende und jedes andere Anliegen abzulegen und mit Herz und Seele eine Erweckung an diesem Ort fördern zu helfen? Bist du bereit, alle zum Erleben einer Erweckung erforderlichen Bedingungen zu erfüllen? 3. Welche Verantwortung ruht auf dir! “Der Meister ist gekommen und ruft dich“ könnte man zu dir sagen. Denn hat nicht der Heilige Geist bereits begonnen zu arbeiten und sich als der Geist Christi unter euch zu zeigen? Wollt ihr nun eure Herzen öffnen, um sie erforschen zu lassen? Wollt ihr einwilligen, selbst persönlich um jeden Preis erweckt zu werden? Wollt ihr bekennen und Wiedergutmachung leisten und die Hindernisse aus dem Weg räumen? Wollt ihr alle weltlichen Ansprüche aufgeben und willens sein, an euch handeln zu lassen, auf der Kanzel und außerhalb der Kanzel, wie die Umstände es erfordern? Wollt ihr alle Vorurteile ablegen und willens sein, belehrt zu werden? Und, schließlich, wollt ihr euch persönlich dem Werk hingeben und von Herzen mitarbeiten beim Gebrauch der Mittel für die Errettung der Menschen um euch her? Wollt ihr nun sofort eine diesbezügliche Entscheidung treffen? Möge Gott euch helfen-angesichtsseines kommenden ernsten Gerichts -, euch so zu entscheiden, wie ihr es getan zu haben wünscht, wenn ihr vor ihm steht! “Eine Erweckung ist nichts anderes als ein Neubeginn des Gehorsams zu Gott.“ “Eine Erweckung darf erwartet werden, wann immer sich Christen bereit finden, die zu ihrer Förderung notwendigen Opfer zu bringen.“ C. G. Finney REUBEN A. TORREY (1856-1928) Als Sohn einer geachteten puritanischen Familie in Hoboken/New York geboren, wurde der ausgebildete Theologe nach mehrjährigem Gemeindedienst vondem bekannten Evangelisten Moody gebeten, sein Bibelinstitut in Chicago zu leiten. Später übernahm er neben der gleichen Verantwortung in Los Angeles auch seelsorgerliche Aufgaben in einer dortigen Kirche. Im Laufe der Zeit wurde er zunehmend als vollmächtiger Evangelist und Lehrer bekannt und war in vielen Ländern tätig, wodurch Zehntausende zu Gott fanden. Torreys Ausführungen über das Gebet trugen wesentlich dazu bei, in verschiedenen Ländern Erweckungen um die Jahrhundertwende vorzubereiten. Seine rund fünfzig publizierten religiösen Schriften sind teilweise in viele Sprachen übersetzt und bis heute Mittel zur Förderung geistlichen Lebens. Der Heilige Geist in einer Erweckung Zwei Worte der Heiligen Schrift könnten gut die Losungen jeder wahren Erweckung sein, Losungen, die niemals auch nur für einen Augenblick vergessen werden sollten. Das erste findet sich in Sacharja 4, 6: “Nicht durch Macht noch Kraft, sondern durch meinen Geist, sagt der Herr der Heerscharen“; das zweite lautet: “Der Geist ist es, der lebendig macht, das Fleisch nützt dazu nichts“ (Johannes 6, 63). Bei der Durchführung jeder wirklichen Erweckung muß der Heilige Geist den Platz der höchsten und absoluten Kontrolle innehaben. Erweckung ist neues Leben, und nur der Heilige Geist kann Leben vermitteln. Die Rolle des Heiligen Geistes in einer Erweckung Sehen wir uns genau an, welchen Anteil der Heilige Geist an einer Erweckung hat, oder - mit anderen Worten - was der Heilige Geist tun muß, wenn es eine echte Erweckung geben soll. 1. Zunächst einmal muß uns der Heilige Geist zum Gehet anregen und dann dabei leiten. Bezüglich der großen Erwek-kung, die Israel eines Tages erleben soll, spricht Gott; “Ich will auf das Haus Davids und die Bewohner Jerusalems den Geist der Gnade und des Flehens ausgießen.“ So muß Gott auch, wenn es eine wahre Erweckung in irgendeiner Kirche, Gemeinschaft oder Nation geben soll, auf sie den Geist der Gnade und des Flehens ausgießen. Bei ihm muß das Werk beginnen. Wir leben in einer Zeit, in der es viele Anzeichen dafür gibt, daß Gott das Seinige tut, um genau das für uns zu vollbringen. Das Gebet ist der lebensnotwendige Atem einer echten Erweckung. Erweckungen ohne Gebet sind eine Täuschung. Aber wir wissen nicht, wie wir beten sollten, und wenn annehmbares und wirkungsvolles Beten zustande kommen soll, muß der Heilige Geist unserer Schwachheit helfen und uns beten lehren (Römer 8, 26.27). Wir müssen zu Gott rufen, daß er nicht nur einen Geist der Gnade und des Flehens auf uns ausgießen, sondern uns auch durch seinen Heiligen Geist lehren wird, wie wir recht beten sollen. Ohne Zweifel tut er dies bereits in gewissem Umfang, aber wir haben es in noch stärkerem Maße nötig. 2. Der Heilige Geist muß bei allen Erweckungsaktivitäten die Leitung innehaben. So war es in der Urgemeinde, die eine Erweckungsgemeinde war. Der Heilige Geist wählte die Träger von Ämtern aus (Apostelgeschichte 20, 28); er wies an, wo seine erwählten Diener predigen und arbeiten sollten (Apostelgeschichte 13, 1.2); oftmals leitete er sehr spezifisch und auf Arten, die die Geführten nicht völlig verstanden (Apostelgeschichte 16, 6-8). Alle Pläne für Erweckung sollten mit allen ihren Einzelheiten dem Heiligen Geist zu seiner Weisung unterbreitet werden; er sollte der anerkannte Vorsitzende jedes Komitees sein. 3. Der Heilige Geist muß Predigt und Zeugnis Kraft verleihen. Als Jesus den Jüngern den Missionsbefehl gab, hinauszugehen und die Welt zu evangelisieren, sagte er: “Ihr werdet Kraft empfangen, nachdem der Heilige Geist auf euch gekommen ist.“ Paulus schrieb der Gemeinde in Korinth: “Ich war in Schwachheit und Furcht und mit viel Zittern bei euch, und mein Reden und Predigen geschah nicht mit verlockenden Worten menschlicher Weisheit, sondern durch den Erweis des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht auf Menschenweisheit, sondern auf der Kraft Gottes beruhen sollte.“ Nochmals heißt es im Brief an die Thessalonicher: “Unser Evangelium kam nicht nur im Wort zu euch, sondern auch in Kraft, im Heiligen Geist und in viel Gewißheit.“ Wer immer in der Erweckung predigt, ob Pastor oder Evangelist, muß Resultate des Predigens allein in Abhängigkeit vom Wirken des Heiligen Geistes erwarten. Wer immer Zeugnis ablegt, muß zum Heiligen Geist aufschauen, daß er dem Zeugnis Kraft verleiht. Mancher Prediger mit sehr geringen Gaben ist von Gott mächtig gebraucht worden, weil er und die Leute zum Heiligen Geist aufblickten, und mancher Mann mit großen natürlichen Gaben hat nichts von wirklichem und bleibendem Wert vollbracht, weil er sich auf sich selbst und nicht auf den Heiligen Geist verließ. 4. Der Heilige Geist muß Menschen von Sünde überführen. Als Jesus den Jüngern den Heiligen Geist verhieß, fügte er hinzu: und wenn er gekommen ist, wird er die Welt in Bezug auf Sünde überführen“. Eine Erweckung ohne tiefe, durchdringende und überwältigende Überführung von Sünde ist keine wirkliche Erweckung. Es ist wahr, daß sehr viele Menschen bekehrt und wiedergeboren werden mögen ohne die tiefe und überwältigende Überführung von Sünde, die andere erleben. Sie mögen so ruhig in das neue Leben eintreten wie Lydia, deren Herz der Herr öffnete; wenn aber ein tiefes und echtes Werk der Gnade geschieht, wird bei vielen eine tiefgehende und überwältigende Sündenüberführung stattfinden. Am Pfingst-tag war es so; als Petrus in der Kraft des Heiligen Geistes predigte, riefen die Männer, die in ihren Herzen ergriffen waren: “Männer und Brüder, was müssen wir tun, um gerettet zu werden?“ Seitdem hat es in jeder echten und bleibenden Erweckung ähnliche Überführung von Sünde gegeben. Es ist das Werk des Heiligen Geistes, Menschen von Sünde zu überführen, und wir müssen uns dafür auf ihn verlassen. Wir müssen ihn bitten, es zu tun; wir müssen erwarten, daß er es tut. Nichts ist zweckloser als der Versuch, Menschen von Sünde zu überführen durch irgendwelche bloßen Verstandeskräfte, die wir besitzen mögen. Das natürliche Herz ist so blind und besonders derart blind gegenüber seiner eigenen Verfassung, daß die übernatürliche Gnade des Geistes nötig ist, um die Augen der Seele für ihren wirklichen Zustand zu öffnen. Der Heilige Geist jedoch übt dort, wo man sich in Abhängigkeit von ihm setzt, beständig seine Kraft zur Überführung aus, sogar bei denen, die der Sünde sehr gleichgültig gegenüberstehen. 5. Der Heilige Geist muß Menschen erneuern. Erweckung ist neues Leben; solches kommt zu den Ungeretteten durch die Wiedergeburt, und diese ist das Werk des Heiligen Geistes. Menschen werden nicht durch Werke der Gerechtigkeit gerettet, die sie selbst vollbracht haben, sondern gemäß des Erbarmens Gottes, der uns durch das Bad der Wiedergeburt und die Erneuerung des Heiligen Geistes errettet (Titus 3, 5). “Wenn ein Mensch nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes eintreten.“ Falls in irgendeiner Kirche eine mächtige Erweckung geschehen soll, müssen die Geistlichen und ihre Gemeinden vom Heiligen Geist erwarten, daß er Menschen erneuert. Er kann es tun; er tut es jeden Tag, dort wo man sich von ihm abhängig macht. Er rührt die Herzen von Männern und Frauen an, die sich fast jenseits der Reichweite der Gnade Gottes zu befinden scheinen, und er belebt und verwandelt sie durch seine allmächtige Kraft. Laßt uns ihn bitten und von ihm erwarten, daß eres in unserer eigenen Gemeinschaft tut. Was er in Saulus von Tarsus in Damaskus wirkte, das kann er in manch anderem Saulus von Tarsus in jeder beliebigen Stadt oder Ortschaft unseres Landes schaffen. 6. Der Heilige Geist muß reinigen, heiligen und füllen. Eine Erweckung bedeutet nicht nur Leben für jene, die in Übertretungen und Sünden tot waren, sondern darüberhinaus Leben, Leben in größerer Fülle, für solche, die bereits Leben besitzen. Lür Christen bedeutet Erweckung eine völlige Übergabe an Gott, ein Sichreservieren für Gott, ein Füllen mit Gott; all das ist das Werk des Heiligen Geistes. Er ist es, der heiligt und füllt (1. Petrus 1, 2; Epheser 5, 18). Viele versuchen, sich selbst zu reinigen und zu füllen. Nein, nein! Erwartet vom Heiligen Geist, daß er es für euch und für andere tut. Wie man sich des vollmächtigen Wirkens des Heiligen Geistes versichert Wir haben gesehen, wieviel in einer Erweckung vom Handeln des Heiligen Geistes abhängig ist, ja, wie eigentlich alles von ihm abhängt. Nun könnte jemand denken, daß alles, was wir zu tun haben, darin besteht, uns hinzusetzen und auf das Wirken des Heiligen Geistes zu warten; das ist jedoch nicht so. Der Heilige Geist ist immer bereit und darauf bedacht, sein Werk zu tun, wenn die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen sind. Es ist wahr, daß der Heilige Geist - wie der Wind - weht, wo er will; aber er will immer dort wehen, wo er es folgerichtig tun kann, d.h. wo gewisse Bedingungen erfüllt sind. Was sind diese Bedingungen, oder, mit anderen Worten, was müssen wir tun, um uns des Wirkens des Heiligen Geistes mit Kraft zu versichern? 1. Zuallererst müssen wir anerkennen,daß wir ihn notwendig brauchen. Der Heilige Geist wirkt nur dann mit Kraft, wenn Menschen zu der tiefen Erkenntnis gelangen, daß sie seiner bedürfen. In mancher sogenannten Erweckung glauben Menschen, daß sie selbst für das im Gange befindliche Werk völlig ausreichen. Sie meinen, wenn sie nur die richtigen Pläne haben können, die richtige Maschinerie, die richtige Werbung sowie die richtige Art des Singens und Predigens, dann werden die erwünschten Resultate folgen. Wir müssen spüren, daß wir völlig hilflos und vom Heiligen Geist abhängig sind. Spüren wir das heute? 2. Als nächstes müssen wir unseren Blick von Menschen abwenden. Wenn wir unsere Augen auf irgendeinen Menschen oder irgendeine Gruppe richten, kann der Heilige Geist nicht handeln. Gott sagt uns, daß er das vor der Welt Törichte erwählt hat, um die Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache, um das Mächtige zu vereiteln, und das Geringe und Verachtete in der Welt sowie das, was nichts ist, um das zunichte zu machen, was etwas ist. Er sagt uns auch, warum er das Törichte erwählt hat: damit sich kein Fleisch in seiner Gegenwart rühmen sollte (1. Korinther 1, 27-29). Gott will seine Ehre keinem anderen geben, und wenn wir unseren Blick auf irgendeinen Menschen gerichtet halten, wird Gott seine Kraft und seinen Segen zurückhalten. “Menschen von niedrigem Stand sind Eitelkeit und Menschen von hohem Rang eine Lüge; beim Wiegen werden sie aufsteigen, denn zusammen sind sie leichter als Eitelkeit.“ Kraft gehört Gott und ihm allein, und wenn wir von Menschen niedrigen oder hohen Standes abhängig sind, wird die allmächtige Kraft Gottes sich nicht manifestieren. Wünschen wir, daß der Heilige Geist sein wunderbares Werk tut, dann müssen wir unsere Augen auf ihn, nur ihn allein, gerichtet halten. 3. Wir müssen uns absolut der Kontrolle des Heiligen Geistes übergeben. Es wurde bereits gesagt, daß er alles kontrollieren muß, aber wir müssen unsererseits sein Recht zur Kontrolle freudig anerkennen und uns ihr von ganzem Herzen unterstellen. Gott gibt den Heiligen Geist denen, die ihm gehorchen (Apostelgeschichte 5, 32). Wenn wir ein mächtiges Werk der Gnade Gottes sehen möchten, sollte es das tiefste Sehnen unseres Herzen sein, daß in all unseren Zusammenkünften alles absolut der Kontrolle des Heiligen Geistes übergeben wird. Dann werden wir große Dinge sehen. 4. Wir müssen beten. Wenn es irgend etwas in Gottes Wort, der Geschichte des Christentums und in der persönlichen Erfahrung gibt, das absolut klar ist, dann dies: daß der Heilige Geist in seiner Fülle als Antwort auf bestimmtes Beten gegeben wird (Lukas 11, 13). Am Pfingsttag wurde er nach einer zehntägigen Gebetsversammlung geschenkt, und wenn er in unseren Tagen in mächtiger Kraft kommen soll, muß viel einzeln und viel vereint gebetet werden. 5. Wir müssen dem Heiligen Geist jemanden zur Verfügung stellen, durch den er wirken, und etwas, das er benutzen kann. (1) Der Heilige Geist handelt durch Menschen. Als Cornelius bekehrt werden und sich eine Erweckung in Cäsarea ereignen sollte, kam der Heilige Geist nicht direkt zu Cornelius; er sandte Petrus, und dieser stellte sich als Vermittler der Kraft des Heiligen Geistes zur Verfügung. Ebenso müssen wir Vorgehen. Der Heilige Geist überführt Menschen, aber er überführt sie durch uns. Jesus erklärte seinen Jüngern: “Für euch ist es nützlich, daß ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, wird der Tröster nicht zu euch kommen, wenn ich euch jedoch verlasse,werde ich ihn zu euch senden; und wenn er gekommen ist (d.h. zu euch gekommen ist), wird er die Welt in Bezug auf Sünde überführen.“ Somit ist offenkundig, daß der Heilige ’ Geist die Welt durch den Gläubigen überführt; zu ihm kommt er und überführt dann durch ihn die Welt. Wollen wir uns nun dem Heiligen Geist als Vermittler anbieten, durch den er sein herrliches Werk tun kann, wie immer es ihm gefällt? Es mag durch Einladungsdienst, Traktatverteilen, persönliche Arbeit, Singen oder Pre- digen sein - auf irgendeine von ihm gewollte Weise. Eine große Erweckung kommt. Der Heilige Geist will Vermittler für dieses Werk. Wie viele von uns sind bereit, seine Vermittler zu sein, die absolut zu seiner Verfügung stehen? (2) Der Heilige Geist wirkt nicht nur durch Menschen, sondern handelt durch ein bestimmtes Instrument: das Wort Gottes (Epheser 6, 17). Wenn der Heilige Geist mächtig wirken soll, müssen wir das Wort Gottes in unseren Kopf, unser Herz und auf unsere Lippen bekommen. Am Pfingsttag gelangte das Wort Gottes, das Petrus jahrelang in seinem Herzen bewahrt hatte, auf seine Lippen, und eine gewaltige Erweckung war die Folge. In Apostelgeschichte 6, 4 beschlossen Petrus und die übrigen Jünger, sich dem Gebet und dem Dienst des Wortes zu widmen. Was das Ergebnis war, lesen wir im siebten Vers: “Das Wort Gottes breitete sich aus, die Zahl der Jünger vervielfältigte sich sehr in Jerusalem, und viele Priester wurden dem Glauben gehorsam.“ Wenn die Angehörigen irgendeiner Kirche dahin gebracht werden können, daß sie ihren notwendigen Bedarf des Heiligen Geistes anerkennen, ihren Blick von allen Menschen abwenden, sich der Kontrolle des Heiligen Geistes absolut ausliefern, sich vielem Gebet für seine Ausgießung hingeben, sich als seine Vermittler zur Verfügung stellen - nachdem sie das Wort Gottes in Kopf und Herz bewahrt haben -, und dann vom Heiligen Geist erwarten, daß er dem Wort Kraft verleiht, wenn es von ihren Lippen kommt: dann geschieht zwangsläufig eine mächtige Erweckung in der Kraft des Heiligen Geistes. DUNCAN CAMPBELL (1898-1972) Der Einfluß dieses schlichten Erweckungspredigers ist nicht nur vor allem in seiner schottischen Heimat, sondern u.a. auch in Irland, Wales, Südafrika und in der kanadischen Erweckung anfangs der siebziger Jahre spürbar geworden. Nachdem er seine erste theologische Ausbildung durch die “Faith Mission“ (Edinburgh) empfangen hatte, erlebte er schon zu Beginn seiner öffentlichen Arbeit Erweckung. Dies war dann in ganz besonderem Maße der Fall, als er nach mehr als zwanzigjähriger Gemeindetätigkeit 1949 erneut in die Dienste dieses Glaubenswerkes trat und Gott ihn als auserwähltes Werkzeug in der Erweckung auf den Hebriden benutzte, die in demselben Jahre begann. Durch sein Predigen, dem er das Gebet an Bedeutung gleichstellte, bekehrten sich allein im Verlauf dieses geistlichen Erwachens Hunderte zu Gott. Gottes Instrument bei Erweckung “Sohn des Menschen, können diese Gebeine leben?“ (Hesekiel 37, 3) Manchmal überkommt uns Mutlosigkeit, was die Macht des Evangeliums in unseren schlimmen Tagen anbetrifft, und demzufolge sind wir nicht mehr geneigt, energische Anstrengungen für die geistliche Wiederherstellung des Menschen zu unternehmen oder auch nur an die Möglichkeit einer Erwek-kung zu glauben. Nun, wenn irgendein Buch dazu angetan ist, diese Tendenz zu korrigieren, dann ist es die Bibel; und im Alten Testament gibt Hesekiel 37 hierzu eine wegweisende Illustration. Dieser Schriftabschnitt führt uns eine sehr ermutigende und erstaunliche Tatsache vor Augen: der Tod selbst muß vor der Gegenwart des Herrn des Lebens fliehen - wie es in den Worten eines Liederdichters heißt: “Die dürren Einöden sind fruchtbares Land, die Wüste blüht mit Rosen; und er, die Herrlichkeit in jedem Land, offenbart sein liebliches Angesicht.“ Wieder und wieder haben wir dies während der jüngsten Erweckung auf den schottischen Hebriden geschehen sehen, als ganze Gemeinschaften unter die Macht und die Furcht Gottes kamen. Mißachtung und Gleichgültigkeit gegenüber Gottes Sache wichen der Sorge um Seelen, so daß - nach Aussage der lokalen Presse - in einer gewissen Gemeinde mehr Menschen die Gebetsversammlung besuchten als am Sonntag vor dem Ausbruch der Erweckung den öffentlichen Gottesdienst. Beachtet bitte den höchst bedeutungsvollen Aspekt dieser bemerkenswerten Geschichte, daß Gott seine Hand auf einen Mann legte. Was kann nicht alles geschehen, wenn Gott seine Hand auf einen Menschen legt! Wie beachtenswert und bezeichnend zugleich sind die Worte: “Die Hand des Herrn war auf mir.“ Hier haben wir die Geschichte eines Mannes, der, weil er in rechter Beziehung zu Gott steht, zum Vermittler einer Erweckung wird. Laßt uns betrachten, wie ein Mensch beschaffen sein muß, dem Gott Erweckung anvertrauen kann. 1. Er muß ein Mann mit von Gott geöffneten Augen sein. Dies wird in der Geschichte mit den Worten angedeutet: “Der Herr ... stellte mich in die Mitte des Tales, das voller Gebeine war, und ließ mich um sie herumgehen“ (Hesekiel 37, 1.2). Mit anderen Worten, er besichtigte das Feld, bevor er den Angriff plante. Jeder Soldat weiß, daß dies für die Kriegsstrategie von großer Bedeutung ist. Als Paulus die Stadt Athen dem Götzendienst hingegeben und die Menschen an einem “dem unbekannten Gott“ geweihten Altar anbeten sah, da erregte sich seine Seele in ihm; das, was er sah, bewegte ihn. Wenige Bilder im Alten Testament fesseln so sehr unsere Aufmerksamkeit und sind so lebendig wie Nehemias nächtlicher Ritt um die Stadtmauern Jerusalems. Welche Trostlosigkeit bot sich seinem Auge dar! Jerusalem, der Stolz der ganzen Erde - daniederliegend und zerstört! Aber seine Seele wurde von einer anderen Vision bewegt: aus den Ruinen sah er ein neues Jerusalem erstehen, dessen Tempel wiederhergestellt und dessen Mauern wiederaufgebaut waren. Das war die Schau, die ihn zum Handeln anregte und seinem Leben Zweck, Richtung und Dringlichkeit gab. Wir müssen jedoch immer daran denken, daß, wo wir sind, darüber bestimmen wird, was wir sehen. Ein Mann auf einem Fahrrad wird etwas anderes sehen als ein Mann im Flugzeug; bei dem einen ist die Sicht begrenzt, der andere hat aus größerer Höhe einen weiteren Blick. Wird nicht ebendies durch die Worte des Weisen angesprochen: “Wo keine Offenbarung ist, wird das Volk wild und wüst“ (Sprüche 29, 18)? Beachtet die Worte “... und er führte mich hinaus im Geist des Herrn“. Wie gut kann ich mich daran erinnern, daß sich im Frühstadium der Erweckung auf den Hebriden die Sicht der Not als eine solche Last auf Christen legte, daß sie sich gedrungen fühlten, nächtelang im Gebet um Seelen zu ringen, indem sie sich auf die Verheißungen Gottes beriefen. Sie waren Männer mit offenen Augen: sie sahen die Not, aber sie sahen auch einen Gott, der ihrer Not begegnen konnte. Das war die doppelte Schau, die sie antrieb, inspirierte und sie dazu führte, das Gebet des Glaubens zu sprechen, das den Segen Gottes herabbrachte. Ich erinnere mich, wie ich eines Morgens früh einem Geistlichen, der viele Stunden lang ohne Schlaf inmitten der Erweckungsbewegung gestanden hatte, den Vorschlag machte, er solle sich zurückziehen, um seinem müden Körper Ruhe zu gönnen. Er aber entgegnete mir: “Wie kann ich schlafen, wenn so viele in meinem Pfarrbezirk in der Gefahr stehen, auf ewig verlorenzugehen?“ Der Pfarrer von Barvas war ein Mann mit von Gott geöffneten Augen, und es war nicht verwunderlich, daß die Bewegung, die über die Hebriden ging, unter seinen Leuten begann. Ach, daß wir doch solche Männer hätten -Männer, die sich als “die Botschafter der Ewigkeit am Hofe der Zeit“ betrachten und die es sich zur Aufgabe machen, in der Vollmacht Gottes “den Hof der Zeit mit der Atmosphäre der Ewigkeit zu durchdringen“! 2. Achtet ferner darauf, hier war ein Mann, der ein Wort vom Herrn hatte. Welche Autorität, welche Wirkung verleiht es unserer Arbeit, wenn wir ein Wort vom Herrn haben, d.h. wenn das von uns verkündigte Wort ein lebendiges Wort ist! Hier möchte ich betonen, wie nötig die Verkündigung eines eindeutigen Evangeliums ist, das dem Wort Gottes als solchem den ersten Platz einräumen und den verlorenen oder doch weitgehend verlorenen Glanz solcher Worte wie 'Gnade', ’Sühne-opfer’, 'Erlösung’, 'Errettung' und 'Heiligung' zurückbringen wird. Meine feste Überzeugung ist, daß Gott das Wort ehrt, das er eingegeben hat, wenn dieses Wort in der Bevollmächtigung durch den Heiligen Geist verkündigt wird. C.H. Spurgeon sagte einmal: “Die alten Wahrheiten, die Calvin predigte, die Augustinus predigte, die Paulus predigte, sind die Wahrheiten, die ich heute predigen muß; andernfalls bin ich meinem Gewissen und meinem Gott untreu.“ In unseren Tagen besteht eine Tendenz, die großen Worte der Schrift zu umgehen und sie durch solche zu ersetzen, die, wie ich fürchte, keine Berechtigung im Vokabular des Himmels besitzen. Möge Gott Männer und Frauen aufrichten, die sein Wort furchtlos als “ein Wort vom Herrn“ verkündigen werden. Laßt mich hier noch einmal darauf Bezug nehmen, daß die Hand des Herrn auf ihm war. Ihr werdet euch erinnern, daß Jesus bei der Aussendung seiner Jünger sagte: “Mir ist alle Macht gegeben; geht ihr in alle Welt und predigt das Evangelium jeder Kreatur, und siehe, ich bin immer bei euch bis an das Ende der Welt.“-“Pfingsten lehrte die Jünger nichts, es machte sie zur Verkörperung dessen, was sie predigten“ (O. Chambers). Wir tun gut daran, uns zu erinnern, daß unabhängig von der Bevollmächtigung des Himmels und der in Jesus Christus verliehenen Kraft der Mensch unfähig ist, irgend etwas zu vollbringen. Immer wieder habe ich Versammlungen kennengelernt, die sich wie Getreidehalme vor dem Wind beugten, wenn auf den Hebriden Männer und Frauen predigten, die in Verbindung mit Gott standen und wußten, daß seine Kraft auf ihnen ruhte. Ich denke besonders an eine Zusammenkunft, als eine junge Frau die Wahrheit verkündigte. Plötzlich war mitten unter den Versammelten ein Schrei zu hören, und in sehr kurzer Zeit waren einige unter der Gewalt der Überführung hingestreckt und riefen um Erbarmen. Am folgenden Tag reiste ich im Flugzeug nach Glasgow. Ein junger Mann kam, setzte sich neben mich und erzählte mir, wie Gott am voraufgegangenen Abend zu ihm geredet hatte. Im Verlauf der Unterhaltung bemerkte er: “Etwas berührte mich, wo Worte mich nicht erreichen konnten.“ Wieder war ich beeindruckt von der Kraft der Bevollmächtigung des Himmels, die Menschen in der Furcht Gottes erzittern läßt. Dies ist gewiß das Predigen, das wir heute nötig haben! Menschen werden nicht durch unsere in schöne Worte gekleideten Predigten oder unsere Abhandlungen über die ethischen Aspekte des menschlichen Lebens beeindruckt sein. Wir müssen das Gebet des Propheten sprechen: “O daß du den Himmel zerrissest und herabkämest, daß die Berge in deiner Gegenwart zerflössen“ (Jesaja 64, 1). Was wir nötig haben, ist eine Demonstration des Übernatürlichen, die die Menschen von der Ebene des Gewöhnlichen in den Bereich des Außergewöhnlichen hebt - zu den größeren Höhen der Gotteserkenntnis. Vor einiger Zeit besuchte ich eine Familie auf der Insel Skye. Es war kurz nachdem auf der Insel Elektrizität eingeführt worden war, und die Frau des Hauses zeigte mir ihre Wohnung. Sie verwies auf die verschiedenen elektrischen Geräte, die angeschlossen worden waren - Kühlschrank, Kocher, Staubsauger, usw. An diesem speziellen Tag aber wäre ein Sack Torf von größerem Wert gewesen; denn die elektrische Versorgung war ausgefallen, weil sich während eines Sturms am Abend vorher das elektrische Kabel mit dem Anker eines Schiffes in der Bucht verwickelt hatte. Sie hatten Gebrauchsanweisungen für den Kocher, etc., aber eine praktische Demonstration ihres theoretischen Wissens fand nicht statt, und ich fürchte, daß dies in der Kirche Jesu Christi von heute oft nur zu wahr ist. In der Theorie akzeptieren wir die Wahrheit von der Macht des Heiligen Geistes, aber irgendwie ist das Übernatürliche nicht in Kraft. Mir scheint nun, daß die Frage, die uns heute angesichts der schlimmen Umstände konfrontiert, eben diese ist: “Können diese Gebeine leben?“ 3. Wir haben hier einen Mann des Glaubens und Gehorsams. Im siebten Vers lesen wir: “So prophezeite ich, wie mir befohlen war.“ Nun, könnte irgendeine Situation hoffnungsloser sein -ein Mann in der Gegenwart von Trostlosigkeit und Tod? Es war wider jegliche menschliche Vernunft, die Erwartung zu hegen, daß die Gebeine im Taljemals eine mächtige Armee werden könnten, und wie Maria hätte er fragen können: “Wie soll das geschehen?“ Natürlich glaubte er, daß für den Herrn nichts zu schwierig war; aber war er bereit, seinen Glauben durch seinen Gehorsam zu demonstrieren? Mit vielen Menschen heute könnte er sagen: “Gott ist der Gott des Unmöglichen“, er kann handeln “weit im Überfluß über all das hinaus, was wirerbitten oder denken“. Ja, das alles ist wahr, aber ist er bereit zu gehorchen? Er prophezeite und sah, daß tote Gebeine leben konnten, daß Gott Niederlage in “schallende Freudenrufe des Sieges“ verwandeln konnte - oder mit anderen Worten: Wir können Erweckung heute erwarten. 4. Auch haben wir hier einen Mann mit einem Bewußtsein der Nähe Gottes vor uns. Vor einiger Zeit war es mein Vorrecht, in einer Gemeinde in Glasgow Dienst zu tun. Die Veranstaltungen waren mit einem gewaltigen Eindruck der Nähe Gottes erfüllt, und am Ende suchten Menschen ihren Erretter. Ich war von dem, was dort geschah, derart beeindruckt, daß ich dem Geistlichen schrieb, der an jenem speziellen Wochenende anderenorts bei einem Abendmahlsgottesdienst geholfen hatte. In meinem Brief erwähnte ich, wie beeindruckt ich war von dem Geist in seiner Gemeinde, der großen Menge der dem Wort Zuhörenden und von der Frucht, die der Verkündigung des Evangeliums folgte. In seiner Antwort schrieb er Worte, die ich häufig zitiert habe: “Wir sind in der glücklichen Lage, in unserer Gemeinde betende Menschen zu haben, die eine geistliche Atmosphäre schaffen.“ Man ist darüber nicht erstaunt, wenn ich feststelle, daß in dieser Gemeinde der Gebetsversammlung der erste Platz eingeräumt wird. Muß ich sagen, daß das größte Bedürfnis der christlichen Kirche heute gerade in dem besteht, was diese Gemeinde besitzt - Männer und Frauen, die auf Gott warten und sich auf seine Verheißungen berufen? Oft denke ich an jenes Ereignis, das Jonathan Edwards zu der Zeit, als Gott ihn für die große Erweckung von 1739 vorbereitete, mit den Worten festhielt: “Ich ritt in den Wald hinaus und stieg an einem abgelegenen Ort ab. Dort schaute ich die Herrlichkeit des Sohnes Gottes - ein Anblick, der für ungefähr eine Stunde fortbestand und mich die meiste Zeit in Tränen hielt. Ich spürte in meiner Seele einen Drang, entleert zu werden, zu seinen Füßen zu liegen, mit Christus, und Christus allein, erfüllt zu sein.“ Hier ist sicherlich ein Mann mit einem Bewußtsein der Nähe Gottes - ein Mensch, für den Gott real war, ein Mensch, der von einem Bewußtsein des Göttlichen beherrscht war, das in ihm ein starkes Vertrauen in die Kraft des Allmächtigen bewirkte. An dieser Stelle möchte ich noch einmal aus einem Brief zitieren; ich erhielt ihn von einem Mann, der im Zentrum der jüngsten Erweckung mitarbeitete: “Jeden Morgen vor dem Frühstück verbringe ich anderthalb Stunden im Wald. Gott ist mir sehr nahe gekommen und hat mich täglich in seiner Gegenwart gebrochen. Ich finde, daß ich mich besser konzentrieren kann, wenn ich laut im Wald bete, durch nichts gestört als das Summen der Bienen und den Gesang der Vögel.“ O daß Gott die Kirche in diesen Geist des inbrünstigen und obsiegenden Gebets taufen möge! 5. Überdies sehen wir einen Mann mit einer brennenden Botschaft'. “Hört das Wort des Herrn.“ Wenn der Mensch Gottes Vermittler bei Erweckung ist, so ist das Wort das Instrument Gottes, und dieses Wort wird mit einem Hammer verglichen, der den Felsen in Stücke zerschlägt. Wie ich oft gesagt habe, ist dies das Wort, das wir mit leidenschaftlicher, persönlicher Überzeugung predigen müssen. Es ist das Wort des Kreuzes, das Wort der Absonderung, das Wort der Reinigung und das Wort des Gerichts. Ist es nicht heute nötig, das Wort des Gerichts zu verkündigen? Vor mehreren Jahren wurde ich durch jene Worte beeindruckt, die Lord Samuel im Oberhaus sprach und die der “Daily Express“ am 5. November 1953 wiedergab: “Wie finden wir zu unserem Entsetzen, daß die Laster von Sodom und Gomorrha unter uns weit verbreitet sind. Das moralische Gesetz ist geschwächt, weil die Lehren von Himmel und Hölle nicht länger mehr Menschen packen und ihr Verhalten kontrollieren.“ Wir müssen den ganzen Ratschluß Gottes verkündigen. Meine feste Überzeugung ist, daß die Botschaft, die das Land heute braucht, eine Botschaft von Gerechtigkeit vor Gott und vom Gericht ist. Charles Finney sagte vor langer Zeit: “Hinweg mit eurem seichten Predigen von der Liebe Christi, das keine Heiligkeit oder moralische Unterscheidung enthält.“ Ich entsinne mich, wie ich einen Geistlichen aus dem Hochland über dieses Thema predigen hörte, und er sagte: “Bringt mir einen Gott, der ganz Erbarmen aber ohne Gerechtigkeit ist. und ich will keine Skrupel haben, ihn einen Dummkopf eurer Vorstellungskraft zu nennen. Denkt daran, daß der Richter verurteilt ist, wenn der Schuldige freigesprochen wird!“ Von besonderem Nutzen ist es, sich daran zu erinnern, daß die Botschaft, die für mindestens drei Jahre während des geistlichen Erwachens auf der Insel Lewis verkündigt wurde, die Botschaft von Sünde, Gerechtigkeit vor Gott und Gericht war. Ich werde nicht so bald die Szene vergessen, die sich unseren Blicken darbot, als jemand während der Erweckung über den Text predigte: “Über die Zeiten dieser Unwissenheit hat Gott hinweggesehen; jetzt aber befiehlt er allen Menschen überall, Buße zu tun, denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er die Welt in Gerechtigkeit richten wird...“ (Apostelgeschichte 17, 30.31). Im Verlauf der Verkündigung dieser Predigt wurde eine große Anzahl der Zuhörer von der mächtigen Kraft Gottes erfaßt, und immer wieder hörte man die Schreie der Bußfertigen, wenn sie spürten, wie Höllenpein sie ergriff. Möge Gott uns Gnade geben, treu im Dienst zu sein und ohne Furcht den ganzen Ratschluß Gottes zu verkündigen! Dies also ist der Mann, dem Gott vertrauen kann: er war an dem Ort, wo er gebieten konnte. Die Worte im neunten Vers sind beachtenswert und bezeichnend: “So spricht Gott, der Herr; komme von den vier Winden, Odem, und hauche diese Erschlagenen an, damit sie leben können.“ Beachtet, da war viel Aktivität, bevor der Odem kam. Vers 7 spricht von “einem Rauschen und einem Schütteln“. Zerstreute Gebeine wurden zu Skeletten zusammengefügt - viel Bewegung aber kein Leben. Nun ist es gut, im Bereich christlichen Wirkens und Bezeu-gens zu planen und zu organisieren; aber wenn nun alle unsere Anstrengungen nichts als zusammengefügte Skelette hervorbringen? Ich fürchte, unsere Kirchen und Missionen sind voll davon - ein Rauschen und Schütteln, aber kein Leben! Hier aber war ein Mann, der befehlen konnte, weil er Gott gehorsam war, womit daraufhingewiesen wird, daß, wenn wir dem Gesetz des Geistes gehorchen, die Kraft des Geistes uns gehorchen wird. Abschließend laßt mich den Vers zitieren: “Muß ich mich ergeben, Seele mein, mich selber als gekreuzigt sehn? Von allen Verlockungen der Welt mich wenden, damit du kannst zufrieden sein?“ Dies ist der Ort des Segens und der Preis für Erweckung AUGUST THOLUCK (1799-1877) Seit 1826 als ordentlicher Professor für Theologie an der Universität Halle tätig, trat er dort erfolgreich dem Rationalismus entgegen. Seine Bedeutung als Ausleger, Dogmatiker und Kirchenhistoriker wird von der außerordentlichen Wirkung übertroffen, die er als Prediger und Studentenseelsorger ausübte. Tholuck, herausragender theologischer Repräsentant der deutschen Erweckungsbewegung des vorigen Jahrhunderts, hatte an der Gründung der Evangelischen Allianz (1846) ebenso Anteil wie an der Entstehung des Diakonissenmutterhauses in Halle, der Berliner Mission und der Judenmission in Deutschland. Alle Reformation muß im Kleinen beginnen, am eigenen Herzen und Haus “Ach daß du den Himmel zerrissest und führest herab, daß die Berge vor dir zerflössen, wie heißes Wasser am Feuer versiedet“, - so ruft man jammernd mit dem Propheten zum Himmel nach einer neuen Geistesausgießung. Doch wollen wir uns sammeln und weiter bei dem Propheten sehr tröstliche Worte lesen, die wir uns ebenfalls aneignen wollen: “Durch die Wunder, die du tust, derer man sich nicht versieht, wie man denn auch von keinem Gott außer dir gehört hat, der tut, was an denen geschieht, die auf dich harren. Du zürntest wohl, als wir Sünde begingen und lange darin blieben, uns ward aber dennoch geholfen.“ Ja, treue Christen, wir wollen auf die Wunder blicken, die er schon zu anderen Zeiten an denen getan hat, die auf ihn harren. Schon oft genug hat die Kirche Zeiten gehabt, wo wie jetzt der Himmel verschlossen war und die Erde hart wie Stein, und doch hat er den Himmel wieder zerrissen und ist herabgefahren. Gebt acht, es wird abermals das geschehen, dessen sich keiner versieht, “denn dein Grämen zu beschämen, wird es unversehens sein“. Auch uns wird, nachdem wir lange in der Sünde geblieben, geholfen werden, wenn nur wir Treuen, die wir die Kirche bauen sollen, unsere Sünden, in denen wir bisher sind, recht erkannt haben. Die Freien werden sie nicht bauen, sondern nur die Treuen, nicht die, welche das sanfte Joch Christi abgeworfen haben, sondern die, welche sich unter sein Joch beugen. Von den unerkannten Sünden der Treuen im Lande laßt mich daher jetzt etliche Sonntage lang predigen, damit wir erkennen, was das für Sünden sind, die wir ablegen müssen, wenn es mit der Kirche besser werden soll. An uns selbst also muß alle Reformation anfangen, und laßt mich heute gerade diese Wahrheit selbst euch predigen: wie aller Reformation der Kirche die Reformation an uns selbst vorausgehen muß. Ich führe euch in eine Zeit hinein, wo Gott über der Kirche des Alten Testaments auch eine Zeitlang sein Antlitz verborgen hatte und Abfall und Frevel im Schwange waren, danach aber, wie der Prophet spricht, “ihr dennoch geholfen wurde“. “Der Hohepriester Hilkia sprach zum Schreiber Saphan: Ich habe das Gesetzbuch im Hause des Herrn gefunden. Und Hilkia gab Saphan das Buch, damit er es läse. Saphan, der Schreiber, sprach zum König: Hilkia, der Priester, gab mir ein Buch. Und Saphan las es vor dem König. Als aber der König die Worte im Gesetzbuch hörte, zerriß er seine Kleider. Und der König sandte hin, und es versammelten sich alle Ältesten in Juda und Jerusalem um ihn. Der König ging hinauf ins Haus des Herrn und alle Männer von Juda und alle Einwohner Jerusalems mit ihm, Priester und Propheten, und alles Volk, klein und groß. Man las vor ihren Ohren alle Worte aus dem Buch des Bundes, das im Hause des Herrn gefunden worden war. Und der König trat an eine Säule und machte einen Bund vor dem Herrn, daß sie dem Herrn nachwandeln und von ganzemHerzen und von ganzer Seele seine Gebote, Zeugnisse und Rechte halten sollten, um die Worte dieses Bundes aufzurichten, die in diesem Buch geschrieben standen. Und alles Volk trat in den Bund.“ (2. Könige 22, 8.10.11; 23, 1-3) Der Zeit,von der wir hier gelesen haben, ging in Israel eine voraus, wo unter dem gottlosen König Manasse und seinem Sohn Amon Gottes Wort und Dienst im Lande abgetan worden waren. Damals fanden sich Götzenbilder in allen Hainen, Rauchaltäre für Sonne, Mond und die Planeten auf allen Anhöhen, ja Anbetung der Gestirne im Tempel des lebendigen Gottes selbst; in den Vorhöfen des Tempels waren die der Sonne geweihten Wagen und Rosse aufgerichtet. Daß in einer solchen Zeit Gottes Gesetzbuch in dunklen Kammern vergraben worden war, kann das Wunder nehmen? Die lebendigen Propheten töteten und verfolgten sie; so wollten sie sich auch nicht einmal durch das Pergament strafen lassen, das aus der Vergangenheit heraus zu ihnen predigte. Kann nicht für ein böses Gewissen der bloße Anblick einer Bibel unerträglich werden? Da erweckt Gott einen König in Israel, der in allen Wegen seines Vaters David wandeln will. Mit der Entfernung des abscheulichen Götzendienstes aus Gottes Tempel und mit der äußeren Herstellung des in Verfall geratenen Hauses Gottes fängt er sein Werk an. Hier wird nun auch das Gesetzbuch Moses, einst neben der Bundeslade Gottes niedergelegt, wieder aufgefunden. Es wird vor den Ohren des Königs verlesen, und er, der fromme Mann, womit beginnt er? Als ihm das Wort des Gesetzes vorgelesen wird, zerreißt er vor Schmerz seine Kleider, tut Buße in eigener Person und beginnt die Reformation seines Landes mit der Reformation seiner selbst. Denn wo ein ganzes Volk in so tiefen Abfall hineingeraten ist, da trägt auch jedes einzelne Glied die Unreinheit und einen Teil der Schuld mit. So lernt nun an diesem Beispiel, wie jede echte Sehnsucht nach einer Reformation der Kirche beginnen muß mit einer Reformation unserer selbst. Wie wünschte ich, hier die Bücher der Geschichte vor euch aufschlagen und euch aus der Lebensgeschichte der gesegnetsten Reformatoren in kleineren und größeren Kreisen zeigen zu können, wie ihr Werk gewöhnlich solche Entscheidungsstunden zur Geburtsstätte hatte, in denen sie erst sich selbst ganz dem Herrn zum Eigentum übergeben hatten. Aus dem Leben eines Paulus und eines Luther ist euch solches bekannt; bei wie manchen anderen ist es aber auch der Fall. Daß jede echte Sehnsucht nach einer Reformation mit einer Reformation unserer selbst anfangen muß, folgt zuerst daraus, daß nur in dem Maße, in welchem einer selbst vom Geist des Herrn gebessert ist, er auch andere zu bessern vermag. Zu der großen göttlichen Aufgabe, Menschen von Welt und Sünde zum lebendigen Gott zu bekehren, kann das allein nicht ausreichen, was der Mensch von Natur hat und ist - schon darum nicht, weil mit menschlicher Vernunft und Kraft wir Menschen niemals unsere Krankheit recht erkennen. Nur Gottes den Sinn und die Gedanken richtendes Wort kann uns unsere Krankheit erkennen lehren und sie heilen. Das erste also, was wir den Menschen erneut nahebringen müssen, ist Gottes untrügliches Wort, ist die reine Lehre. Zur vollen Wirksamkeit ist indessen auch sie nicht genug. Ja es mag sein, daß dies göttliche Wort, wo es auf tiefsehnsüchtige Herzen trifft, auch Leben weckt, wenn es aus unheiligen Herzen und über unheilige Lippen quillt; eigentlich aber kann es doch keiner recht predigen, der es nicht recht versteht. Und wodurch anders lernt man es verstehen, als wenn man es schmeckt und in seinen Wirkungen an sich erfährt? Wer es anderen recht verkünden soll, muß es doch bei anderen recht anwenden können, was die Schrift nennt: das Wort recht teilen. Denn verschiedenartige Speisen und Getränke sind in Gottes Wort aufgetragen; da ist feineres Brot und gröberes, Tränenbrot und Freudenbrot, Honig und Salz, Wein und Wermut - für fröhliche und traurige Herzen, für Verstockte und Verzagte, für Gefallene und Aufgerichtete. Ihr Prediger nun mit trockenem Herzen und dürrer Lippe, die ihr die Speisen nur so von außen besehen habt und nicht in guter und böser Stunde den Geschmack kennengelernt habt, wie wollt ihr denn das Wort recht teilen? Nein, wer durch Gottes Wort und reine Lehre andere bessern will, muß selbst dadurch gebessert sein. Wißt ihr, wie die rechten Prediger Gottes werden? Wenn das göttliche Wort als ein aufgehendes Samenkorn in warme Herzen fällt, dieses Samenkorn in warmen Herzen seine Hülse abwirft und die in ihm verborgene treibende Kraft sich unserem Geist mitteilt und vermählt - nur so und nicht anders gibt es eine Predigt aus dem Geist in Christus. Was spricht Paulus zu den Korinthern? “Nicht durch Reden menschlicher Weisheit“, sagt er, hat er den Glauben in der Gemeinde begründen wollen, sondern durch den Geist, den er aus Gott empfangen und die Worte, die ihn der Heilige Geist gelehrt hat. So hat er einen Beweis des Geistes und der Kraft in sie hineingepredigt, den auch die scharfsinnigste Demonstration nicht mehr hat herausdemonstrieren können. Denn einen stichhaltigeren Beweis für die Wahrheit des Wortes Gottes gibt es nicht, als den es für sich selbst in einem warmen Menschenherzen führt, wenn es seine Hülse abstreift und die in ihm liegende Kraft des Geistes durch ihre Wirkungen einem Menschen fühlbar wird. Es mag hier und da sein, wie gesagt, daß das Wort, auch wo es nicht aus dem Geist gepredigt wird, wenn es in ein sehnsuchtwarmes Herz gefallen ist, von selber lebendig wird; aber nur in den allerseltensten Fällen wird so etwas Vorkommen. Im allgemeinen gilt: wer Gottes Geist nicht selbst hat, kannlihn anderen nicht einpredigen. Die Prediger, die wohl das Wort haben, aber nicht den Geist, stoßen wohl mächtig in die Posaune, nur daß sie keinen Ton gibt; sie schwingen wohl mächtig die Glocke, nur daß der Klöppel darin fehlt. Da kann keine Rechtgläubigkeit helfen, und wenn , sie bis aufs Jota mit den symbolischen Büchern übereinstimmte. Wort und Geist gehören zusammen wie Leib und Seele. Solche Prediger haben nichts bewirkt, wenn sie euch ans Wort zu glauben lehren, aber nicht aus dem Beweis des Geistes und der Kraft. “Die Stimme ist Jakobs Stimme, aber die Hände sind Esaus Hände“, sprach einst Isaak: wo der Geist Esaus Geist ist, mag tausendmal das Wort Jakobs Wort sein, die Toten stehen davon nicht auf. Eher geht es so, wie wir in der Schrift lesen, als die Söhne des Skevas den bösen Geistern zurufen: “Wir beschwören euch bei Jesus, den Paulus predigt“, und der böse Geist antwortet: “Jesus kenne ich wohl, und von Paulus weiß ich wohl, wer aber seid ihr?“ O ihr alle, die ihr so gern den Zweck eures Lebens mit den Worten des Heilands aussprecht: “Ich muß wirken, solange es Tag ist“, und die ihr bei diesem Wirken immer nur an das Wirken.an anderen denkt, laßt es euch noch einmal zurufen: “Es kann jeder nur in dem Maße heilsam an anderen arbeiten, wie er heilsam an sich selbst gearbeitet hat.“ Darum, ist sie eine heilige Sehnsucht, die Sehnsucht nach einer Reformation unserer Kirche, o daß sie sich immer wieder zurückwendete auf uns selbst! Ein Tempel Gottes - ist das nicht auch jeder von uns selbst? Wohlan, so laßt uns ernstlich fragen: Wo gibt es noch an unserem eigenen Herzen und Haus zu reformieren? Jetzt aber noch ein anderes, aus dem offenbar wird, wie jede echte Sehnsucht nach einer Reformation der Kirche zunächst uns auffordert, mit der Reformation unserer selbst zu beginnen. Von jeher nämlich baut sich das Reich Gottes im ganzen und im einzelnen nur nach dem Senfkorngesetz - aus der Enge in die Weite, aus der Tiefe in die Höhe. Das ist das Gesetz gewesen, was der Heiland selbst für sein Reich aufgestellt hat in jenem Gleichnis von dem kleinsten aller Samen, der zum Baum emporwächst, in dessen Zweigen die Vögel des Himmels wohnen. Bei seinen Lebzeiten sind es zwölf: das ist das kleinste aller Samenkörner, aus dem die Millionen hervorgewachsen sind, die im Namen Jesu ihre Knie gebeugt haben, beugen und bis in die ferne Zukunft beugen werden. Nach seiner Auferstehung sind es 120 in Jerusalem und 500 in Galiläa; das erste Pfingstfest - und es sind schon rund 3000 Seelen: so ist aus dem kleinsten Samenkorn der weiten Schatten verbreitende Baum geworden, den wir die Kirche Christi nennen. Aus der Enge in die Weite, aus der Tiefe in die Höhe: das ist das Senfkorngesetz des Reiches Gottes, das ist das Gesetz im Leben und Wirken des Herrn selbst. Aus dem abgehauenen, heruntergekommenen Isai-Stamm ging das heilige Reis Gottes auf, so verächtlich und unscheinbar, daß kaum ein paar arme Hirten in der Nacht, als er geboren wird - in dieser Nacht, von der an wir eine neue Zeitrechnung datieren - davon erfahren und anbeten. Still und gering wandelt er über die Erde unter den Kleinen und Geringen seines Volkes; sein Weg geht zum Thron Gottes, aber über Gethsemane und Golgatha. Still und unbemerkt, nur in dem ihm vertrauten Kreis, nimmt er Abschied von der Erde und geht hin, den Namen zu empfangen, der über alle Namen ist. Ich sage noch einmal: “Aus der Enge in die Weite, aus der Tiefe in die Höhe“; das ist das Senfkorngesetz des Reiches Gottes. Bei allen wahrhaft göttlichen Reformationen in kleineren Kreisen der Kirche kehrt dieses Gesetz wieder. Dagegen, was mit Sang und Klang anfing, fand bald auch seinen Untergang. Wie manche kirchliche und politische Reformation und vom Zeitungslob in die Höhe geblasenen Tageshelden fallen euch dabei ein, deren Sache und Namen nach zwei, drei Jahren fast spurlos verschwunden sind! Endlich trifft das Gleichnis vom Senfkorn und vom Sauerteig auch auf die Geschichte des Reiches Gottes in jedem einzelnen Herzen zu. Das Samenkorn fällt wohl in ein gläubiges Herz, es streift wohl seine Hülse ab, und ein Geistestrieb geht daraus hervor: aber wie erstaunlich viel Selbstbetrug und Unlauterkeit bleiben, auch nachdem einer das Wort Gottes schon aufgenommen hat, in seinem Herzen noch zurück! Wie wird einem, treues Beten und Ringen vorausgesetzt, ganz allmählich erst über das alles das Auge aufgetan! Wie gewinnt der Drang, schonunglos abzutun, was gegen Gott ist, erst ganz langsam, durch tausend Selbstverblendungen hindurch, die Oberhand, bis man sagen kann: nur eine Liebe habe ich jetzt, und die ist er, nur er! Auch hier heißt es wiederum “aus der Enge in die Weite, aus der Tiefe in die Höhe“. Ist das nun Gottes Gesetz für den Bau des Reiches Gottes im einzelnen und ganzen, dann ist es auch aus diesem Grunde unmöglich, daß eine Kirchenreformation wächst und Bestand hat, bei der nicht der ernste Wille der einzelnen da ist, die Reformation im Kleinen anzufangen, am eigenen Herzen und Haus. Es sollen aus dem ganzen Land die gottesfürchtigen und treuen Männer sich sammeln, um die Kirche zu bauen - aber wenn nun die gottesfürchtigen und treuen Männer nicht da sind, die erst hin und her im Land uns christliche Gemeinden bauen helfen? Es treten Pastoren in Konferenzen zusammen und ratschlagen, aber wenn nun der Pastor nicht damit anfängt, durch Zucht unter Frau, Kind und Bediensteten erst ein christliches Haus zu bauen, zum Vorbild für die Gemeinde, damit sie eine Ahnung bekommt, was eine christliche Gemeinde ist? Da schreibt mancher und redet begeistert über die Notwendigkeit eines neuen Kirchengebäudes, und wenn man nach den lebendigen Steinen fragt, die sie zu ihrer eigenen Gemeinde hinzugefügt haben - nicht eine einzige durch ihre seelsorgerliche Arbeit bekehrte Seele haben sie aufzuweisen, von der sie wie Paulus von seinen Thessalonichern sagen könnten: “Die ist mein, die ist meine Krone und mein Empfehlungsbrief vor Gott.“ Oh, wer im Kleinen nicht treu ist, spricht der Herr, wie wird man dem denn das Große anvertrauen! Kann eines von beiden nur sein, dann lieber den Gedanken an den Bau der Kirche gänzlich aus dem Sinn geschlagen und erst ein einziges christliches Haus gebaut, worin Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist verkündigen, daß hier das Reich Gottes angefangen hat! Noch ein Drittes habe ich euch ans Herz zu legen: Auch nur ein wenig Sauerteig verdirbt den ganzen Teig - jeder Faden der Unlauterkeit im eigenen Herzen zieht sich, den Keim der Fäulnis in sich tragend, durch das Werk hindurch; und auch darum muß die Reformation an uns selbst anfangen, ehe wir die Kirche reformieren können. Wir lesen in den Worten des Herrn von solchen, die zwar Teufel austreiben und in seinem Namen große Dinge tun, zu denen er dennoch einst sprechen wird: “Weicht von mir, ihr Übeltäter, ich habe euch noch nie gekannt.“ So können denn auch Christen, die im tiefsten Grunde ihres Wesens Christus nicht angehören, große Werke in seinem Namen tun, können vielleicht Gemeinden und Kirchen reformieren, Waisen- und Krankenhäuser stiften. Es ist eine wenig erkannte und unglaubliche Wahrheit, die uns der Herr in diesem Ausspruch lehrt, daß eine einzelne Seite des Menschen vom Evangelium übermächtig angezogen und ergriffen werden kann, während in der anderen der alte böse Geist nach wie vor sein Wesen hat. Bleibt doch mit eurer Betrachtung einen Augenblick vor dieser Wahrheit stehen. Ihr geht so sicher dahin, und ob nicht viele von euch in derselben Lage sind? Gerade darum, weil es so ist, weil auch lebendigere Christen auf gewissen Beeten ihres Herzens das alte Unkraut so ganz ungestört fortwuchern lassen, während auf anderen wirklich ein Garten Gottes zu keimen anfängt, kann ich euch nicht dringend genug ans Herz legen. Stunden ausdrücklicher Selbstprüfung darüber zu verbringen, ob bloß Stücke eures Herzens oder euer ganzes Herz Christus angehört. Man sollte das nicht für möglich halten, daß ein Mensch so stückweise Christus angehören könnte, aber es ist die Sünde, die den in sich selbst einigen Geist auseinanderreißt und bewirkt, daß Verstand, Gefühl und Wille nach verschiedenen Richtungen auseinanderfahren. Mit dem Kopf ein Christ, mit dem Herzen ein ungetaufter Heide, was ist häufiger als das! Zuweilen gibt es freilich auch das andere: im Herzen schon ein werdender Christ, im Kopf noch ein ungetaufter Heide! Wie lange dauert es namentlich bei uns allen, auch nachdem Kopf, Phantasie und Gefühl schon besprengt sind, ehe das geistliche Taufwasser so recht bis an den Willen dringt! Solches Wirken nun zum leiblichen und geistlichen Wohle anderer, aus christlicher Erkenntnis und Phantasie, aber mit ungetauftem Willen, an dem haftet ein Sauerteig, der den ganzen Teig verdirbt. Da kommt es dann, daß man beim Wirken für das Wohl anderer immer auf etwas das Gewicht legt, worauf es nicht liegt. Dem einen ist es dann schon genug, wenn die Leute nur Nahrung und Kleidung bekommen, dem anderen, wenn sie nur den Rock der bürglichen Ehrlichkeit anziehen, mag auch ein noch so großer Schalk sich dahinter verstecken, dem dritten, wenn sie fromm sprechen und handeln lernen. Aus solcher Halb- und Viertel-Bekehrung, wo der alte Sauerteig nicht gründlich ausgefegt wurde, sind auch von jeher die Sektenstifter und Fälscher des Wortes Gottes gekommen. Nur wo einer mit dem vollen Ernst der Selbsterkenntnis erfahren hat, worauf es ankommt, um ein Christ zu werden, kann es ein erfolgreiches Wirken am Wohle anderer geben. Laßt uns z.B. solche Christen uns vorstellen, wie der Herr sie in jenem Wort vor Augen hatte: “Viele werden zu mir sagen: Haben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Taten getan?“ Haben wir nicht dabei an solche zu denken, wie wir sie auch in Korinth finden, denen das Vermögen, Wunder zu tun, wie es in jener Zeit der ersten Christen sich hier und da zeigte, als die höchste aller Gaben und Gnaden Christi erschien - warum, weil der Sauerteig der Eitelkeit im Herzen nicht erkannt und nicht ausgefegt war? Bei ihnen war das, was sie an Glaubenskraft besaßen, ganz und gar in die Phantasie geschlagen. Sie haben nach Menschenurteil große Taten vollbracht, aber in Geduld und Schweiß, unter Beten und Tränen eine einzige arme Seele aus der Gewalt Satans zu Gott zu bekehren, das wäre vor Gott eine größere Tat gewesen als alle Wunderwerke. Wie mancher, mancher unter denen, die jetzt für Mission im Ausland und in der Heimat sowie Volksbildung begeistert sind, bringt auch heutzutage zu diesem Werk mehr eine christliche Phantasie als einen in Buße, Demut und Glauben geheiligten Willen mit, und was die Phantasie in Flammen setzt, ist - wenigstens teilweise - der unausgefegte Sauerteig der Eitelkeit. Wo nun auch nur dieses Wenige an Sauerteig vorhanden ist, welch ein Unsegen ruht auf den Unternehmungen! Da kommen Rechthaberei und eigensinniges Besserwissen in die Beratungen, da werden große Gebäude auf Sand gebaut. Wenn Phantasie und Eitelkeit keine Nahrung mehr finden, kommen Überdruß und Lässigkeit: was schnell anflog, fliegt schnell ab. Glaubt mir, ein unaussprechlicher Segen ruht auf jedem Unternehmen, das aus völlig lauterem Herzen kommt; und wiederum zieht sich durch jedes Werk, wenn noch Sauerteig im Herzen geblieben ist, eine verborgene innere Fäulnis hindurch. Darum, Christen, wie König Josia, ehe er seine Reformation vornimmt, hintritt und über seinem von Bußgefühlen zerrissenen Herzen das Gewand zerreißt, so laßt auch unser Sorgen, Bitten und Tun für das Heil unserer Kirchen immer wieder Umschlägen in das Sorgen, Bitten und Tun für das Heil unserer, der einzelnen Glieder, denn “wo ein Glied leidet, da leidet der ganze Leib mit, und wo ein Glied herrlich wird, da freuen sich alle Glieder mit.“ Ihr Halb- und Viertel-Christen, wie lange wollt ihr auf beiden Seiten hinken? Erforscht euch doch selbst, ob ihr nur stückweise oder ganz dem strafenden und reinigenden Geiste Gottes das Herz geöffnet habt! Grabt tief, und ginge es in noch so greuliche Abgründe hinab! “Wer zu mir kommt und nicht Vater, Mutter, Weib, Kind und dazu sein eigenes Leben haßt“- nämlich wo sie irgendwie Christus entgegenstehen -“der kann nicht mein Jünger sein.“ Es soll keinen betrüben, wenn er am Bau der ganzen Kirche nicht glaubt mitarbeiten zu können. Seid ihr nicht allesamt Steine dieses Baues? Nun so baut nur euch selbst im Ernst der Selbsterkenntnis und Selbstverleugnung zu lebendigen Steinen: Je mehr die Steine all der Geist des Herrn durchweht, Je mehr der ganze Bau in Herrlichkeit ersteht! “Du Elende, über die alle Wetter gehen, und du Trostlose! Durch Gerechtigkeit wirst du gebaut werden. Siehe, ich will deine Steine wie einen Schmuck und deinen Grund mit Saphiren legen!“ Amen. LUDWIG HOFACKER (1798-1828) Wenn auch dem Pfarrerssohn aus Wildbad nur wenige Jahre öffentlicher Wirksamkeit vergönnt waren, ist er doch als der bedeutendste Erweckungsprediger Württembergs in die Kirchengeschichte eingegangen. Zwei Jahre nach dem Beginn seines Theologiestudiums in Tübingen erlebte er 1818 eine plötzliche Bekehrung. Sein weiterer Ausbildungsgang stand unter dem Schatten wiederholter Unterbrechungen infolge von Krankheit. Während er als Vikar seinen Vater an der Leonardskirche in Stuttgart unterstützte, zogen seine Predigten viele Besucher an, die um seiner Verkündigung willen z.T. stundenlange Wanderungen auf sich nahmen. 1826 trat er seinen Pfarrdienst in Rielingshausen an, starb jedoch nach schwerem Leiden schon zwei Jahre darauf. Hofackers gesammelte Predigten, die bereits in über fünfzig Auflagen erschienen sind, geben bis zum heutigen Tage sein erweckliches Anliegen weiter. Was uns hindert, zum Frieden und rechtschaffenen Wesen in Christus erweckt zu werden “Da aber Johannes im Gefängnis die Werke Christi hörte, sandte er zwei seiner Jünger und ließ ihm sagen: Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines anderen warten? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr seht und hört; die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein, die Tauben hören, die Toten stehen auf, und den Armen wird das Evangelium gepredigt. Und selig ist, der sich nicht an mir ärgert. Als sie fortgingen, fing Jesus an, zum Volk von Johannes zu reden: Was zu sehen seid ihr in die Wüste hinausgegangen? Wolltet ihr ein Rohr sehen, das der Wind hin und her bewegt? Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Menschen in weichen Kleidern sehen? Siehe, die weiche Kleider tragen, sind in den Häusern der Könige. Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Propheten sehen? Ja, ich sage euch, daß er mehr ist als ein Prophet. Denn dieser ist es, von dem geschrieben steht: Siehe, ich sende meinen Engel vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll.“ (Matthäus 11, 2-10) In unserem heutigen Evangelium wird uns die Verhärtung das menschlichen Herzens gegen die Kraft der göttlichen Wahrheit auf besondere Weise vor Augen geführt. Die zwei Jünger des Johannes, die ihr Meister zu Jesus sandte, hatten vorher die Zeugnisse mitangehört, diederTäufer von Christus ablegte. Es war auch zu ihnen die Kunde von den Taten des Heilands gedrungen, und doch können sie diesen fragen: “Bist du der Messias, oder sollen wir eines anderen warten?“ So wenig waren die triftigsten Zeugnisse imstande gewesen, ihren im Unglauben und in allerhand Ärgernissen, die sie an Christus nahmen, verhärteten Sinn zu beugen und ihre zweifelnden Gedanken zur Stille und zu einem festen, siegenden Schluß - oder, mit anderen Worten, zum Glauben -zu bringen. Die ungläubige, schwankende Gemütslage dieser zwei Jünger des Johannes gab dann dem Heiland Veranlassung, bei ihrem Weggehen zum Volk von der Art zu reden, wie es den Täufer, diesen größten unter allen Propheten, aufgenommen habe, wie es an ihm Ärgernis genommen und in heillosem Unglauben sich von seinem Wort abgewendet habe. O meine lieben Zuhörer! Die Worte, die der Herr Jesus in unserem Evangelium und dem ganzen übrigen elften Kapitel des Matthäus hierüber zum Volk spricht, sind sehr bedeutend und gehen uns sehr nahe an. Zwar haben wir, die wir im neunzehnten Jahrhundert leben, uns nicht an Johannes dem Täufer verschuldet wie das jüdische Volk, aber ob wir mit dem uns gepredigten Wort Gottes nicht ebenso heillos umgegangen sind oder umgehen wie jene, ob wir nicht großenteils auch die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufhalten wie jene, das ist eine andere Frage. Die Absicht, warum uns Gott sein Wort verkündigen läßt und zu dem Wort den Geist gibt, ist keine andere, als daß die Menschen - und zwar jeder einzelne - in das durch die Sünde verlorene Ebenbild Gottes erneuert werden. Die Menschen sollen durch das Wort und den Geist Gottes angerührt, aber nicht nur oberflächlich angerührt, sondern auch wirklich aus ihrem Sündenschlaf erweckt werden. Sie sollen aber nicht nur erweckt, sondern auch zum Genuß des Verdienstes Christi, zur Vergebung der Sünden durch den Glauben an Jesus gebracht werden, aber nicht nur das, sondern auch im neuen Leben als Kinder Gottes wandeln. Dies ist die Absicht Gottes. Aber an wie vielen erreicht er diese seine liebevolle Absicht ganz? An wenigen! Warum? Hauptsächlich darum, weil es den Menschen unbequem ist, sich sowohl ihrem Herzen wie auch ihrem Verstände nach dem Worte Gottes zu beugen, weil sie viel lieber das Wort Gottes nach ihren verborgenen oder offenbaren Lüsten und nach ihren Vorstellungen, Einfällen und guten Meinungen selber biegen. Mit anderen Worten, die Kraft des Wortes Gottes wird an den Menschen durch allerhand Ärgernisse aufgehalten. Doch wir wollen diesen Gedanken weiter nachgehen, und ich will mit Gottes Hilfe einige Hindernisse angeben, warum es bei vielen Menschen zu keinem Anrühren durch das Wort Gottes kommt; wenn sie auch angerührt werden, zu keiner wirklichen Erweckung; wenn sie auch erweckt werden, zu keinem Frieden mit Gott durch Christus; wenn sie auch Frieden finden, zu keinem rechtschaffenen Wesen in Christus. Liebreicher Heiland! Du tust unaussprechlich viel an uns, begegnest uns überall und trachtest danach, unser Herz zu gewinnen. Wir aber verhalten uns großenteils so fremd dir gegenüber und schließen die Tore unseres Herzens vor dir zu wie vor einem Feind. Ach, offenbare doch unseren Herzen die große Abneigung und den Widerwillen dir gegenüber, worin wir gefangen sind, zeige uns im Lichte deiner Wahrheit die verborgenen Ursachen dieses Widerwillens. Zerstöre die Befestigungen der Eigenliebe, der Lüge, der falschen Tröstungen, schaffe dir eine Bahn zu unseren Herzen und ruhe nicht, bis dir alles darin zu deinen Füßen liegt! Amen. Das erste, was in einem Menschen Vorgehen muß, an welchem die Absicht, die Gott mit seinem Wort hat, erreicht werden soll, ist das: er muß durch die Kraft des Wortes Gottes angerührt, auf seinen verlorenen Zustand aufmerksam gemacht werden. Dies lag im Auftrag Johannes des Täufers. Er sollte den Israeliten ihre Sünden Vorhalten, er sollte unter ihnen durch das Wort Gottes, das er predigte, eine Bewegung anrichten; er sollte Bahn machen, sein Wort sollte das Höckerige eben und das Krumme gerade machen, damit der Heiland einen offenen Weg in die Herzen fände. Dies gelang ihm auch an vielen Menschen. Viele wurden durch das Wort des Propheten erschüttert, von der Ungerechtigkeit ihrer Wege überzeugt, und ließen sich mit der Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden taufen. Aber an vielen richtete das Wort des Täufers nichts aus. Und so ist es noch jetzt mit dem Wort Gottes: auf viele macht es keinen, auch nicht den ersten Eindruck. Woher kommt das? Wenn man diese Frage beantworten soll, muß man zum voraus sagen, daß es überhaupt als ein großes Wunder zu betrachten ist, wenn ein Menschenherz einen Eindruck von der göttlichen Wahrheit bekommt. Dies ist ein Wunder, das nur durch die göttliche Lebenskraft, die im Wort liegt, erklärbar wird. Denn unsere Herzen sind von Natur kalt, tot, undurchdringlich für das Göttliche, wie Stein. Der Heiland redet in unserem Evangelium von Blinden, Lahmen, Tauben und Aussätzigen, die er geheilt habe, und versteht darunter leiblich Kranke. Aber wie diese Menschen äußerlich am Leibe gelitten haben, ehe sieder Heiland heilte, ebenso, ja noch viel mehr, leiden alle Menschen von Natur aus am Geiste. Ich könnte Stellen der Heiligen Schrift anführen, welche euch beweisen sollten, daß wir von Natur geistlich blind, geistlich lahm, geistlich aussätzig und geistlich taub sind - nämlich in Beziehung auf Gott und das Leben in Gott; in Beziehung auf die Welt und das Leben in der Welt hat unsere Seele gesunde Sinne und Kräfte. Es würde mich aber zu weit führen und auch nicht viel nützen. Denn bevor ein Mensch durch den Heiligen Geist erleuchtet und lebendig gemacht wird, glaubt er nicht, daß er so elend ist. Und eben in dieser Hinsicht sind wir dem Geiste nach kränker, als esjene Kranken dem Leibe nach waren. Denn diese fühlten doch ihr Elend, sie seufzten unter ihrer Last, es trieb sie zum Heiland, zum Arzt. Wir aber fühlen es nicht einmal, kennen es nicht, es ist uns keine Last, bevor der Heiland durch seinen Geist eine Erkenntnis unseres Verderbens in uns anregt und ein Verlangen nach etwas Besserem in uns erweckt. Daß ich es kurz sage: von Natur aus sind wir tot in Sünden. Einen Toten aufzuwecken ist aber Gottes Werk. Darum habe ich gesagt, es sei überhaupt als ein großes Wunder zu erachten, wenn ein Menschenherz einen Eindruck von der göttlichen Wahrheit bekommt. Indessen gibt es Herzensverfassungen und Gemütslagen, die den Menschen für die Kraft des Wortes Gottes doppelt unzugänglich machen. Dieser Fall tritt ein, wenn eben jener erstorbene Herzenszustand als Weisheit oder Frömmigkeit ausgegeben wird. Ein entsetzlicher, aber unter den Menschen sehr häufiger Betrug der Sünde! Die Kälte und Entfernung des Herzens Gott gegenüber, seine Blindheit in Bezug auf göttliche Wahrheiten, wird dann so wenig als etwas Drückendes gefühlt, daß man vielmehr entweder sich derselben als der wahren Weisheit rühmt oder sie, nachdem man sie in die Schranken der bürgerlichen Rechtlichkeit und der äußerlichen Gottesdienst-lichkeit gezwungen hat, als die wahre Frömmigkeit, als das wahre Leben aus Gott, ausgibt. Somit ist der Mensch in zweifacher Hinsicht erstorben, nämlich einmal von Natur aus und zum anderen dadurch, daß er seinen Tod für das Leben hält (Johannes 9, 41). Um euch aber dieses deutlicher zu machen, will ich es euch so sagen: Die für die Kraft des Wortes Gottes unbesiegbarsten Menschen, die Menschen, die noch einmal soviel Bollwerke gegen Gottes Wort in ihrem Herzen haben wie andere, sind die Sadduzäer und Pharisäer. Diesen zwei Sekten gehörten jene Leute an, welchen der Herr in Matthäus 21, 32 das scharfe Wort sagte: “Johannes kam zu euch und lehrte euch den rechten Weg, und ihr glaubtet ihm nicht; aber die Zöllner und Huren glaubten ihm. Und obwohl ihr es saht, tatet ihr dennoch nicht Buße, daß ihr ihm danach auch geglaubt hättet.“ Die Sadduzäer waren gebildete Weltleute, Leute, die ihre eigene Religion hatten, die Volksreligion für Aberglauben hielten und sich mit ihren aufgeklärten Religionsansichten weit über den Pöbel erhaben dachten. Weil der fleischliche Mensch, dessen Trieb auf das Sichtbare geht, keine Freude am Unsichtbaren hat, und der Gedanke an eine Geisterwelt und eine Ewigkeit für ihn mit einem unheimlichen Gefühl verbunden ist, hatten es sich die Sadduzäer bequem gemacht. Sie entfernten aus ihrer selbstgemachten Religion alles, was nur von ferne an eine unsichtbare Welt erinnerte. Sie verwarfen eigenmächtig das göttliche Ansehen aller alttestamentlichen Bücher bis auf die fünf Bücher Mose, wo, wie sie behaupteten, der Wahnglaube an eine Auferstehung nicht eingedrungen sei (Matthäus 22, 29-32). Sie glaubten an keinen Engel noch Geist, keine Auferstehung der Toten, vielleicht nicht einmal eine Unsterblichkeit der Seele. Dies alles hatte viel zu sehr die Gestalt des Aberglaubens oder konnte dazu Anlaß geben. Sie scheinen den Grundsatz gehabt zu haben, der auch in unseren Tagen den sogenannten aufgeklärten Religionsansichten auf offensichtlichere oder verstecktere Weise zugrunde liegt: daß nichts zu glauben sei, was nicht unter die fünf Sinne falle. Diesen aus dem Fleisch, aus tiefer Blindheit des Herzens und aus den gröbsten sinnlichen Begriffen entsprungenen Wahn nannten sie Weisheit, Aufklärung, vernunftgemäßere Religionsansichten. Dabei suchten sie natürlich ihr Teil in dieser Welt, trachteten nach Ehre, Geld und Wollust. Die Welt und was die Welt gibt, das war ihnen groß, das Unsichtbare war in ihren Augen nichts, und so sehr sie sich feiner und geläuterter Religionsbegriffe rühmten, so grob dienten und frönten sie den Lüsten und Begierden des Fleisches. Ihr seht, liebe Zuhörer, daß nicht eben viel Kunst und Weisheit dazu erforderlich ist, ein Sadduzäer zu sein. Auch könnt ihr sehen, daß die Sadduzäer gegenwärtig in der Welt überhand genommen haben. Wie sehr aber eine solche Denkungsart das Herz gegen die züchtigende und ergreifende Kraft des Wortes Gottes verschließt, werde ich euch nicht erst zu beweisen brauchen. Was mag Johannes der Täufer in den Augen dieser aufgeblasenen Leute für ein verachtenswertes kleines Licht gewesen sein, was muß die einfältige Predigt des Evangeliums für ein törichtes Ding vor einem solchen Weltweisen sein! Wie wenig kann der Geist Gottes durch das verworfene und für Aberglauben gehaltene Wort einem solchen stolzen Herzen beikommen! Wahrlich, es war schon viel, wenn ein solcher weiser Mann nur hinausging, um den armseligen Propheten in der Wüste zu hören! Es war viel, wenn er den Bußprediger nicht ins Angesicht hinein auslachte. Und wenn je das eine oder andere Wort des Täufers einen solchen Sadduzäer traf, so war der Eindruck von seinen Freunden bald wieder hinweggelacht oder weggespottet. Die zweite Denkungsart, welche das Herz gegen die Kraft des Wortes Gottes besonders verriegelt, ist die der Pharisäer. Sie wickelten sich in ein äußeres Scheinbild von Gerechtigkeit, nannten dieses die wahre Gerechtigkeit, obgleich sie die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, nicht kannten, auch mit keinem Finger berührten. Das Gesetz ist geistlich und richtet die innersten Triebe und Gedanken des Herzens. Dies ist dem fleischlichen Menschen, der die Sünde liebhat, unbequem. Um nun doch ihrem Gewissen, das die Unterwerfung unter das Gesetz forderte, einigermaßen Genüge zu tun, verlegten sich die Pharisäer mit aller Macht auf die Beobachtung des äußerlichen mosaischen Gesetzes und waren darin übertrieben genau, andächtig und gottesdienstlich. Hierbei fand das Fleisch immer noch seine volle Nahrung, ihm wurde kein Abbruch getan, wenn es sich nur in gewisse äußerliche Schranken fügte. So brachten sie einen Schein von Gerechtigkeit zustande und kamen so weit, daß sie diese fleischliche Gerechtigkeit für die Gerechtigkeit hielten, die vor Gott gilt. Sie taten sich darauf sehr viel zugute und verachteten alle, die nicht in eben dem Lügenbild gefangen waren wie sie, aufs tiefste - z.B. den Heiland (Matthäus 11, 19; 9, 11; Lukas 15, 2). In solche eigengefällige und selbstgerechte Lügner hat, wie leicht einzusehen ist, das Wort der Buße keinen Eingang, wenn nicht Gott ein besonderes Wunder tut. Wir dürfen aber nicht meinen, liebe Zuhörer, daß es unter uns keine Pharisäer mehr gäbe und diese Denkungsart nur jener jüdischen Sekte angehört habe. O nein! auch in der Christenheit sind viele, erstaunlich viele Pharisäer. Nur die äußere Gestalt der Sache hat sich verändert, der darunterliegende Sinn ist derselbe wie damals. Freilich gibt es keine Leute unter uns, die breite Denkzettel an ihren Kleidern tragen, die keinen Bissen Brot essen, ohne vorher die Hände zu waschen, und die aus diesen und dergleichen äußerlichen Beobachtungen und Übungen eine Gerechtigkeit zusammenflicken, die vor Gott gelten soll. Solche Dinge haben in der christlichen Kirche ihren Wert und ihr Ansehen verloren und taugen nicht mehr zu unseren Sitten. Aber gibt es nicht auch Menschen unter uns, die in ihrer Herzensblindheit das, was am Christentum äußerlich ist, als das Wesentliche ansehen und die Gnadenmittel für die Gnade selbst halten? Wie viele mögen wohl unter uns sein, ja auch unter uns, die sich auf ihre Frömmigkeit, auf ihr rechtschaffenes Christentum etwas zugute halten? Weil sie fleißig zur Kirche und zum heiligen Abendmahl gehen, in der Bibel lesen und zu ihrem Zeiten ihre Gebete verrichten, halten sie sich für gute Christen und meinen, die Aufforderung zur Bekehrung gehe sie nicht an, da sie so etwas nicht nötig haben. Seht, das sind die gleichen Pharisäer wie zur Zeit Christi; sie wickeln sich, wie jene, in ein äußeres Scheinbild der Gerechtigkeit und nennen dieses die wahre Gerechtigkeit. Und was soll ich von den tugendhaften Leuten unseres Zeitalters sagen, die die Gerechtigkeit und das Verdienst Christi entbehren zu können glauben und eben darum das Wort vom Kreuz, wenn es ihnen ungeschminkt:dargeboten wird, schnöde von sich weisen? Ist es denn eine wahre Tugend, deren sie sich rühmen? Nein, es ist nur ein elendes Flickwerk von allerhand Eigenliebe und Selbstbetrug, von allerhand vermeintlichen Vorzügen, die das selbstgefällige Herz sich selbst zugesprochen hat, oder die es auf die heuchlerischen Schmeichelworte anderer hin an sich zu finden glaubt, eine Mischung von natürlicher Gutmütigkeit, Stolz, Torheit und Nichtvertrautsein mit dem Willen Gottes. Diese Pharisäer sind gewöhnlich Sünder, die es mit dem Sündigen ins Große und Grobe getrieben haben und treiben. Ich habe schon zu bemerken die Gelegenheit gehabt, daß Leute, die es im Lügen und Betrügen, in Unzucht, im Verleumden, im Spott und Verachten des Nächsten, im Fressen und Saufen und in den anderen Werken des Fleisches weiter gebracht haben als andere, sich am meisten mit ihrer Tugend brüsten, nicht bloß um sich vor den Menschen einen guten Schein zu geben, sondern aus eigener innerer Überzeugung. Dieser Widerspruch kommt daher, daß der Dienst der Welt und der Sünde das Gewissen abstumpft und dessen Licht verdunkelt. Der ganze Ruhm solcher Leute besteht darin, daß sie sich auf eine artige und geschliffene Weise gegenüber ihresgleichen verhalten, ferner in einigen, wie sie es nennen, guten Taten, von welchen sie gelesen haben, daß man dadurch selig werde, und darin, daß sie noch niemanden totgeschlagen haben; denn alle übrigen Gebote haben sie in der Regel oft und vollständig übertreten. Bei ihren Sünden, die sie Fehler und Schwachheiten nennen, haben sie es doch immer gut gemeint, obgleich sie oft verkannt worden sind, und so das Bild der verkannten Tugend haben darstellen müssen. Die Ewigkeit, meinen sie, wird das Rätsel lösen, warum die Tugend hier auf Erden oftmals leiden muß. Das ist das Pharisäertum unserer Zeit, vermischt mit saddu-zäischen Grundsätzen; solche Leute sind unzugänglich für das Wort Gottes, mit Lügen zehnfach gegen die Wahrheit verschanzt, in zweifacher Hinsicht erstorben. Diese Pharisäer haben keine Erkenntnis des Evangeliums. Es gibt aber auch Pharisäer, welche christliche Erkenntnis haben, die Heilslehre wohl kennen, schon vieles vom Heiland gehört, wohl auch selbst von ihm geredet haben, und doch im Herzen tot sind. Sie halten ihre Erkenntnis, ihre Sprüche und Verse, die sie im Kopf haben, ihr Erlerntes, das auf der Oberfläche ihres Herzens schwimmt und niemals in ihr Blut und Leben eingedrungen ist, für das wahre, ihnen eigentümliche, göttliche Leben. Diese sind wohl die Unzugänglichsten für die Kraft des Wortes. Was sie davon lesen oder hören, das ist ihnen schon bekannt und eine alte ausgemachte Sache. Ist das Wort Gottes scharf, dann denken sie: das ist gut für die Unbußfertigen. Ist das Wort tröstend, deuten sie es ganz auf sich. Redet es von Gläubigen, von Kindern Gottes, sind sie damit gemeint; ist von Ungläubigen die Rede, sind andere darunter zu verstehen. So wird die Kraft des Wortes an ihren Herzen ganz gebrochen und abgestumpft, sie meinen, sie hätten den Himmel gepachtet. Ein jämmerlicher Herzenszustand! Wer ist denn nun empfänglich für die Kraft des Wortes Gottes? Antwort: den Armen wird das Evangelium gepredigt; und am Ende des elften Kapitels des Matthäusevangeliums, aus dem der Predigttext entnommen ist, sagt der Heiland: “Kommt her zu mir, ihr Mühseligen und Beladenen, ich will euch erquicken.“ Wer unter äußerem Leidensdruck steht, in wem Zweifel an seiner eigenen Weisheit erwachen, wer in seinem Gewissen beunruhigt ist, solche Seelen sind dazu vorbereitet, durch die Kraft des Wortes Gottes getroffen zu werden. Wo aber dies alles nicht eintrifft, da findet die bittere und demütigende Wahrheit keinen Raum, und wenn ein solcher Mensch doch durch das Wort Gottes erschüttert wird, so ist es, wie oben gesagt wurde, ein doppeltes Wunder. Bei dem ersten Angerührtsein darf es aber freilich nicht bleiben, sondern es muß bei einem Menschen zu einer eigentlichen Erweckung kommen, wenn der Zweck, den Gott mit seinem Wort und Geist verfolgt, an ihm erreicht werden soll. Gott will mit der Kraft seines Wortes nicht bloß einen oberflächlichen Eindruck auf das Herz des Menschen machen. Nein, es soll auch tiefer dringen, hinunter auf den Herzensgrund; es soll des Herzens innerste Gestalt offenbaren, es soll schneiden, bis es Seele und Geist, auch Mark und Bein, scheidet (Hebräer 4, 12). Wenn du einen Menschen, der sorglos am Rande eines Abgrundes schläft, hundertmal anstoßen und zu ihm sagen würdest: “Freund! wache auf und bedenke deine gefährliche Lage!“ Und er würde hundertmal die Augen aufschlagen und sprechen: “Du hast recht, ich will aufstehen“, würde aber jedesmal die Augen wieder schließen und weiterschlafen, was würde zuletzt aus ihm werden? Über kurz oder lang würde er trotz aller dieser Mahnungen, von seinem schweren Schlaf überwältigt, in den Abgrund stürzen. So ist es auch nicht genug, daß ein Mensch durch das Wort Gottes angerührt wird. Man muß auch aufwachen von seinem Sündenschlaf, vom Schlaf der Sorglosigkeit und natürlichen Sicherheit; man muß auch die Augen offen behalten und sein Elend, seinen gefährlichen, seinen verzweifelt-gefährlichen Seelenzustand kennenlernen, sonst kann man nicht aus der Obrigkeit der Finsternis errettet werden und fällt doch über kurz oder lang der höllischen Verdammnis anheim. Liebe Zuhörer! Dieses völlige Wachwerden ist aber eben keine angenehme Sache für das Fleisch. Ihr wißt ja, wie es mit dem leiblichen Schlaf ist. Wenn man gerade in tiefem, festem Schlaf liegt, und es kommt jemand, weckt und spricht: steh auf, du hast dies und das zu tun, dann ist das etwas Unangenehmes, es kostet Überwindung, sich aus seinem tiefen und festen Schlaf heraus wecken zu lassen, die Augen aufzuschlagen und völlig wach zu werden. Viel lieber würde man, wenn der Weckende fortgegangen ist, sich auf die andere Seite legen und den Schlaf von vorne anfangen. Im geistlichen Bereich ist es auch so. Wenn das Wort Gottes das Herz anrührt, wenn die Weckstimme des Sohnes Gottes an das Herz dringt, dann ist es viel angenehmer, diese Stimme, wenn sie verhallt ist, wieder zu vergessen und sich seiner vorigen fleischlichen Sicherheit zu überlassen. Ja, wenn es wie ein Donner in die Ohren getönt hat: “Steh auf, du Kind des Verderbens“, so erschrickt man zwar, fährt erschrocken auf, aber bald kommt die vorige Schläfrigkeit wieder, der Schrek-kenseindruck verwischt sich, die Augen sinken wieder zu, und es kann dahin kommen, daß man auf ein so kräftiges Anrühren hin wieder schläft und schnarcht, daß es in der Nachbarschaft: gehört wird. Es kostet allerdings einige Überwindung, es kostet Verleugnung, wahrhaft geistlich wachend zu werden und sein Elend, sein Verderben, seinen Aussatz kennenzulernen. Man muß die Eindrücke, die das Wort Gottes auf das Herz gemacht hat, in sich erneuern und erneuern lassen, man muß unter der Zucht des Geistes Gottes aushalten, man muß sich einige Gewalt antun, es ist dem Fleische nicht eben bequem. Auch hat man indessen etwa schöne Träume gehabt, hat geträumt von allerhand Dingen, die dem Fleische Wohlgefallen; man hat geträumt von Sündigem oder nicht gerade Sündigem; man hat sich in seinen Träumen im Sündenschlamm gewälzt; man hat vielleicht auch von ewiger Seligkeit und einem himmlischen Tugendlohn geträumt - und nun aus all diesen Träumen heraus die schreckliche Wirklichkeit sehen, daß man ein verdammter, verlorener, ein der Hölle zueilender Mensch sei - liebe Zuhörer, man kann es nicht leugnen, daß dies eben keine angenehme Sache für das Fleisch ist. Und das ist eben das Hindernis, das viele nicht überein erstes Angerührtwerden hinauskommen läßt. Daß das Wort Gottes jeden Sonntag einen Eindruck auf ihr Herz macht, das können sie schon ertragen; aber daß es in ihnen Wurzel faßt, daß es seine durchsuchende, läuternde, scheidende und schneidende Kraft an ihren Herzen beweist, dazu lassen sie es nicht kommen, dazu haben sie keine Geduld, dazu sind ihre Gedanken zu ausschweifend, dazu haben sie das Eitle zu lieb. In eine ernstliche Beziehung zu Gott möchten sie nicht treten. Mit dem Christentum spielen, es zu einer Sache machen, an der man gewissermaßen eine Zeitlang - aber freilich nur spielend und tändelnd - seine Freude hat, das läßt sich die Natur schon noch gefallen. Aber es zur Hauptangelegenheit des Herzens zu machen, mit Bitten und Flehen und Anhalten um die Gabe des Heiligen Geistes vor Gott zu treten, sich seine Sünden und Schanden willig ins Licht stellen zu lassen, das ist wenigen bequem. Weil aber doch durch das Wort der Wahrheit einige Unruhe in das Herz gekommen ist, sucht man dieser Unruhe auf anderen Wegen abzuhelfen. Man tröstet sich selber, daß es doch mit einem so schlimm nicht stehe, man habe doch seine Freude am Worte Gottes und möchte auch gerne davon reden hören, oder man sucht seine Ruhe in allerhand Werken. Man sucht sie im Lesen erbaulicher Bücher, oder man sucht sie darin, daß man zu anderen Leuten geht, die vom Christentum reden, und mit ihnen spricht, oder man sucht sie in allerhand Aufopferungen, die man sich um des Reiches Gottes willen gefallen läßt. Dabei übt man die groben Werke des Fleisches nicht mehr aus, w'ie man es vorher getan hatte: man flucht nicht mehr, man säuft nicht mehr, man treibt nicht mehr wie vorher Unzucht oder Ehebruch. So richtet man ein Gebäude auf, das man Christentum nennt, das aber nur von weitem betrachtet so aussieht. Auf diesen Schein hin fängt man an, sich unter die Frommen, unter die Bekehrten zu rechnen; man will, daß man von jedermann so angesehen wird, und wirft sich zuletzt gar zu einem Unterweiser und Leiter der Blinden, zu einem Lehrer auf, obgleich man in Sünden tot ist. Das ist schrecklich! Solche Leute sind an dem Punkt, die grimmigsten Feinde des Heilands zu werden, unter lauter Selbstbetrug und Schein des Christentums. Seht die Juden an, wie sie es mit Johannes dem Täufer trieben. Scharenweise strömten sie zu ihm in die Wüste hinaus, es wurde - ich darf mich ja wohl dieses Ausdrucks bedienen -Mode unter dem Volk, zu Johannes zu gehen und ihn zu hören. Das ganze jüdische Land war erfüllt vom Ruhm des Täufers, Unzählige wurden durch sein ernstes Bußwort getroffen. Aber dabei blieb es auch bei den meisten. Wenn sie in ihrer fleischlichen Gesinnung hätten verharren können, wenn nicht die Ruhe, Sorglosigkeit und Sicherheit des Fleisches auf dem Spiel gestanden hätten,wäre ihnen Johannes und seine Büßpredigt schon recht gewesen, und solange alles mit einem oberflächlichen Beifall abgetan zu sein schien, wurde der Täufer bei ihnen gerühmt. Als aber die Sache tiefer gehen sollte, als man sah, daß man nicht mit einer schnellen Buße fertig und somit der unangenehmen Angelegenheit, die man Bekehrung nennt, auf einmal enthoben sei und auf einmal mit allen Unarten des alten Menschen ein Bürger des Messiasreiches werde; sondern als man erkannte, daß es mit der ganzen Sache und auch mit dem Auftreten des von Johannes bezeichneten Messias auf eine gründliche Herzensänderung angelegt und abgesehen war, auf eine Herzensänderung, wobei man unter geduldigem Ausharren durch die Erkenntnis der Wahrheit und die Verleugnung seines irdischen Sinnes frei werde: da wurden sie irre, von da an war Johannes nicht mehr ihr Mann. Da hatten sie allerhand an ihm auszusetzen. Die einen hätten gewünscht, daß er nur höflicher wäre; die anderen meinten, er sei doch gar zu streng und unbeugsam - ein Rohr, das vom Wind hin und her bewegt wird, hätten sie lieber gehabt. Andere gingen so weit, ihn als besessen zu bezeichnen (Matthäus II, 18). Da sehen wir, worauf es mit dem Angerührtsein hinausläuft, wenn man dabei stehen bleibt und es nicht zu einem wirklichen Ernst bei sich kommen läßt. O meine lieben Zuhörer! Ich weiß ja, daß unter uns viele Seelen sind, auf die das Wort Gottes einen starken Eindruck gemacht hat; aber ich fürchte sehr,daß wenig wahrhaft Erweckte darunter sind. Nicht wahr? Wenn es mit dem oberflächlichen Beifall, den man der Sache gibt, erledigt wäre, oder wenn es genug wäre, das Wort zu hören und dann zu sagen: “Das ist eine rechte Predigt gewesen.“ Oder wenn es damit erledigt wäre, daß man zusammensitzt und vom Christentum redet, oder auch, wenn das Christentum darin bestünde, daß man eine richtige Erkenntnis der Heilswahrheiten erlangt, nicht wahr?- dann wären die meisten unter uns auf dem Wegder Seligkeit. Aber obgleich alle diese Dinge gut sind, glaubt doch nur nicht, daß damit die Sache abgetan sei, da würdet ihr euch elend betrügen. Grund muß erst gegraben werden, Eh'man Türme bauen mag, Und das Korn muß in die Erden, Eher kommt kein Erntetag. Ich bitte daher um Jesu willen einen jeden, dem Gott einigen Willen ins Herz gegeben hat, ein anderer Mensch zu werden, daß er doch diese große Sache nicht leichtsinnig ansehen, sondern sich seinen verlorenen und unseligen Herzenszustand durch den Heiligen Geist aufdecken lassen möchte, und daß er zu diesem Zweck doch recht ernstlich um den Heiligen Geist beten möchte. Der Heiland hat gesagt: “So ihr, die ihr arg seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wieviel mehr wird euer Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten.“ Wir wollen ihn bei diesem Worte nehmen, auf dieses Wort hin wollen wir es tun. Glaubt sicherlich, das Schwatzen vom Christentum erledigt die Sache nicht; im Gegenteil, wenn ein Mensch sich hierauf verlegt, wird er nach und nach reif zum höllischen Feuer, mehr als andere. Ein Nachfolger des Heilands sagte einmal, er wüßte sich keinen größeren Schmerz, keine größere Schmach, die Gott über ihn kommen lassen könnte, vorzustellen- er bitte daher inständig um deren Abwendung -, als wenn er ohne Gnade, ohne Kraft und Salbung vom Heiland reden lernte. Das kann man noch für keinen wesentlichen Segen der Wortverkündigung halten, wenn viele angerührt werden; aber wenn ein einziger Mensch ernstlich suchend, still, in sich gekehrt wird,das bedeutet Freude im Himmel und auf Erden. Denn auf diesem Wege wird man geistlich arm, und den Armen kommt der Trost des Evangeliums zustatten, den andern nicht. Die Armen werden zu Kindern Gottes versiegelt, die andern nicht. Sind sie aber Kinder, dann sind sie auch Erben und gerettet für alle Ewigkeit. Aber es fragt sich, warum viele, die doch wirklich erweckt sind, oft so lange nicht zur Gnade durchdringen, immer nur über ihr Verderben zu klagen haben und sich nicht auch ihres Heilands freuen können. Unter erweckten Seelen sind solche zu verstehen, die durch das Licht und die Zucht des Heiligen Geistes zu dem klaren Bewußtsein gebracht worden sind, daß sie als in sich selbst verdammte und verlorene Geschöpfe ohne das Erbarmen Gottes in Christus Jesus der verdammenden Gerechtigkeit Gottes anheimfallen. Zwischen einer solchen Seele und ihrem Erbarmer steht eigentlich nichts Scheidendes mehr, und es sollte, wie ein vollmächtiger Schriftsteller es ausgedrückt hat, keine Viertelstunde vergehen, bis eine Seele, die zu dieser Erkenntnis gelangt ist, ihres Heils froh und gewiß wäre. Was ist denn nun die Ursache, daß viele Erweckte so lange nicht zum Bewußtsein und Genuß des Friedens mit Gott hindurchdringen? Einige, die wohl erweckt sind, sind nicht gründlich erweckt. Wenn ein Mensch des Herrn Jesu teilhaftig werden will, muß er mit seinem innersten Willen aus der Gemeinschaft mit der Sünde austreten. Er muß mit seiner Finsternis in das Licht des Heilands kommen; es muß ihm darum zu tun sein, im Lichte Gottes mehr und mehr die Finsternis - auch in ihren verborgensten Formen - in seinem Herzen zu entdecken und dem Herrn nichts zu verhehlen. Diesem Offenbarwerden weichen viele lange Zeit aus, vielleicht weil sie sich fürchten, ihre eigene Gerechtigkeit einzu- büßen, vielleicht weil sie die Sünde noch heimlich nähren und pflegen, neben dem Leben aus Gott auch noch ein Leben des eigenen Ichs führen, mit anderen Worten: zwei Herren dienen und kein ganzes Eigentum des Herrn Jesu werden möchten. So muten sie dem Heiland zu, er solle über ihre verborgene fleischliche Gesinnung den Mantel seiner Gerechtigkeit breiten und ihnen seinen Frieden schenken, obgleich sie die Finsternis noch liebhaben und die feinere und verborgenere Gemeinschaft mit ihr nicht ans Licht bringen lassen möchten. Aber dies geschieht nie und nimmer. Auf diese Art entstehen geistliche Zuckungen und Krämpfe. Der Geist Gottes offenbart der Seele diese oder jene Unart, die Seele aber will diese Unart nicht als so bedeutend ansehen, wie sie in den Augen des Herrn ist; sie will sich nicht schuldig darunter stellen, will nicht anerkennen, daß ihr die Gemeinschaft mit dieser vielleicht sehr gering scheinenden Sünde den Zugang zur Gnade verschließt, sucht lieber die Ursache anderswo und bleibt so in ihrem trüben Herzenszustand. Eure Untugenden, unter die ihr euch nicht schuldig geben wollt, scheiden euch und euren Gott voneinander. Wer aber seine Sünde bekennt, dem wird sie vergeben; der kann, eben unter solchem Sichschuldiggeben, seinen Versöhner und Bürgen und eben darin die Kraft finden, die Sünde zu überwinden. Oft sind es auch bloße Vorurteile, falsche Begriffe, die den Erweckten den Weg zur Gnade verschließen. Eine solche falsche Vorstellung, die häufig diesem Übelstande zugrunde hegt, ist die, daß man meint und sich einredet, die Erfahrung müsse dem Glauben vorangehen - wo doch der gewöhnliche Weg Gottes gerade umgekehrt ist. Gott sagt: glaube zuerst, dann wirst du erfahren; der eigensinnige Mensch aber sagt: nein! ich will nicht glauben, bis ich vorher erfahren habe. So hat es Thomas gemacht, und so hegt es überhaupt in unserer Vernunft: was ich einmal erfahren und gesehen habe, das will ich glauben. Dieser für das Reich Gottes untaugliche Schluß, der ohnehin fest genug in allen Menschen sitzt, wird oft noch von außen her bestärkt. Da kommt einer daher und erzählt, wie es ihm erging, als er Gottes Gnade erfuhr, wie er vorher in große Finsternis, in eine Art Hölle hineingeführt worden und beinahe verzweifelt sei, wie dann das Licht auf einmal bei dieser oder jener Gelegenheit in seinem Herzen aufgegangen sei. Er setzt nicht hinzu, wie er nach und nach, mitten in seiner Finsternis, zum Glauben und durch den Glauben zum Anbruch des Tages in seinem Herzen vorbereitet wurde. Vielleicht kann er dies auch nicht auseinanderwickeln und entziffern, weil, was im Grunde des Herzens von Gott gewirkt wird, oft nicht in die äußere Wahrnehmung fällt. Er sagt nur, wie ihm aus der Finsternis das Licht aufgegangen sei und wie er dann habe glauben können, was ihm vorher unmöglich gewesen sei. Neben diesem Erzähler sitzt eine redliche Seele, hört zu, erschrickt und denkt, so etwas hast du noch nie erfahren, und faßt bei sich den festen Entschluß: Ehe du nicht eine solche Buße und fühlbare Begnadigung erfährst, kannst und willst du nicht glauben, daß du durch Jesus Christus Frieden mit Gott hast. Aber dieser Schluß ist falsch. Gewiß ist es so, daß manche auf jenem beschriebenen Wege und durch solche fühlbaren und plötzlichen Erfahrungen der Begnadigung geführt werden; mußt du deshalb ebenso geführt werden? Bläst nicht der Wind, wie und wo er will? Hat die Weisheit Gottes nicht die verschiedensten Wege, auf denen sie ihre Kinder zur Herrlichkeit führen kann? Seht, deswegen kommen manche so lange nicht aus ihrem elenden, trüben Herzenszustand heraus, weil sie sich in ihrem Kopf ein Bild festsetzen, wie es kommen müsse, und namentlich meinen, der Heiland müsse ihnen vorher recht spürbar nahe treten, und dann erst hätten sie ein Recht, die Vergebung ihrer Sünden zu glauben. Aber wo steht denn das geschrieben? Nirgends. Wenn du deine Verdammungswürdigkeit, dein Sündenelend fühlst, dann hebe deine Augen zu der am Kreuz erhöhten Liebe auf und fange an zu glauben, so gutdueben kannst. Glaube, wie wenn du ein Kind wärest, dem diese große Sache eben erst erzählt wird; nimm sie in dich auf, behalte und bewege sie in deinem Herzen. Fange an, dich schüchtern darüber zu verwundern, daß du einen solchen vollgültigen Versöhner und Bürgen hast; fange an, dich darüber zu freuen, halte das Verdienst Christi deinem eigenen ungläubigen Herzen und den feurigen Pfeilen des Bösewichts als einen Schild entgegen; gewiß wirst du bald etwas von göttlicher Kraft spüren und bald inne werden, daß der Heiland wirklich nicht so fern von dir steht wie du gemeint hattest, und daß er dich dabei unterstützt. Fahre in dieser Glaubensarbeit fort, dann wirst du zuletzt mit dem Heiligen Geist zu einem Kind und Erben Gottes versiegelt werden, wie es geschrieben steht: “Als ihr glaubtet, wurdet ihr versiegelt“, nicht umgekehrt: da ihr versiegelt wart, glaubtet ihr. Eine andere falsche Vorstellung, die man sich gerne macht, ist die Meinung, der Heiland sei ein Heiland für die Frommen, nicht für die Sünder. Oh, wie lange kann sich ein armes Herz mit dieser Vorstellung abplagen! Ein Heiland für die Tadellosen ist ein in sich selbst widersprüchlicher Begriff, es steht aber auch nichts deutlicher in der Bibel als die Wahrheit, daß Jesus ein Heiland der Sünder, der Verlorenen, ist: der Name des Heilands, seine Menschwerdung, sein Lebensweg, seine Worte, sein ganzes Evangelium - alles setzt Sünder voraus, wirkliche Sünder, d.h. Feinde und Beleidiger Gottes, die der Hölle wert sind. Dies wissen wir, dies meinen wir auch zu glauben, aber recht betrachtet, wird diese Wahrheit von wenigen geglaubt. Da höre ich jemanden seufzen: “Wenn ich es mit dem Sündigen nicht übertrieben hätte, wollte ich gerne glauben.“ Ein anderer meint: “Wenn ich nur jetzt nicht so untreu wäre, wollte ich wohl glauben; aber ich muß mich in allen Stücken schuldig und unter die Sünde gefangen bekennen.“ Ein dritter sagt, ehe er sich zu glauben anschicken könne, müsse er notwendig vorher bußfertiger, zerknirschter sein. Überall tritt das Bestreben hervor, aus irgend etwas eine Würdigkeit herauszuzwingen, die man vor den Heiland bringen könne, weil er ein Heiland der Würdigen, nicht der Unwürdigen, sei. Aber liebe Zuhörer, lernt doch alles dieses aus dem rechten Licht anzusehen. Wahre Treue und wahre Buße entspringen erst aus dem Glauben; nur wenn man dem Heiland in sein erbarmendes Herz geblickt hat, hat man ein Verlangen, sich ihm aufzuopfern, und weiß auch, was man für ein Sünder ist. Mit deiner Untreue, mit deiner Unbußfertigkeit, mit deinem geistlichen Tod bist du ja eben recht für den treuen und lebendigen Heiland. Das gerade will dir ja der Geist des Herrn offenbaren, daß du ein arger Sünder bist und nicht nur in den Tagen deiner Blindheit gewesen bist, sondern daß du jetzt noch ein blindes, totes, unreines Herz hast, in dem kein Gehorsam, keine Aufrichtigkeit, keine Liebe zu Gott, sondern das Gegenteil wohnt, ein Herz, das nicht einmal über diesem seinem Verderben sich beugen könnte, wenn nicht der Heiland es ihm schenkte, mit anderen Worten: daß du in Sünden tot bist. Aber wofür will dir der Geist Gottes solches offenbaren? Um dich von Jesus wegzutreiben? Nein, um dich zu ihm hinzutreiben, damit du ihn als deinen vollgültigen Versöhner und Bürgen annehmen sollst, der dich als einen undankbaren, als einen toten Sünder annimmt und selig macht. Das geschieht nicht um deinetwillen, auch nicht, weil du dich gebessert hättest, sondern allein nur um seinetwillen, um seines Gehorsams, seiner heiligen Bußtat am Ölberg, seiner Liebe zum Vater, seiner Schmerzen, um seines Todes willen. Er muß dein ganzer Heiland werden, er muß ganz die Ehre haben. Wenn du der Frömmste wärest, würde dich Gott nicht um deinetwillen an-blicken, aber in Christus und um Christi willen wird er dich als einen Sünder, als einen Gottlosen selig machen, wenn du ihm die Ehre gibst und solches zutraust (Römer 4, 5). Damit seht ihr einige Glaubenshindernisse bei Erweckten. Es ist aber nicht möglich, alle oft so verborgenen Stricke der Sünde oder des Gesetzes anzuführen. Ein jeder wende sich selber an seinen Erbarmer, erkläre ihm seinen Herzenszustand und begehre seinen Rat und seine Hilfe, dann wird er gewiß nach und nach einen Ausweg aus der Finsternis ins Licht finden und gewisse Tritte tun. Nur Jesus kann unseren Gang gewiß machen, nicht Menschen; mit ihm müssen wir bekannt werden und unsere Sachen vor ihm abhandeln, dann wird das Gericht am Ende zum Sieg werden. Es ist noch übrig, davon zu reden, warum viele, die Frieden und Vergebung der Sünden gefunden haben, doch zu keinem rechtschaffenen Wesen in Christus kommen. Diese Frage will ich kurz allgemein beantworten. Zwei Hauptabwege gibt es im allgemeinen für solche Seelen: daß sie entweder in eine weltliche oder in eine gesetzliche Gesinnung 'zurückkehren; der rechte Weg aber ist, beim Heiland und in der Gemeinschaft seines Kreuzes zu bleiben. Viele werden bald, nachdem sie Vergebung der Sünden erlangt haben, lau und leichtsinnig, und sie vergessen das Wachen und Beten. Dazu trägt viel die Meinung bei, daß sie sich, wenn sie die ersten Gnadenerweise des Heilands erfahren haben, für besondere Leute und Christen ansehen. Sie werden wieder sicher, sie verwickeln sich wieder in eine weltliche Gesinnung, sie spielen mit der Sünde. Sie haben ja Gnade, es hat ja im ganzen bei ihnen seine Richtigkeit; deshalb haben also, wie sie meinen, kleinere Übertretungen nichts zu sagen. Nach und nach werden sie so wieder unter die Sünde gefangen, verlieren auch den Genuß der Gnade, und endlich sind sie imstande, es zu einer Lehre zu machen, daß ein Christ ein Knecht der Sünde bleiben müsse. Das gibt, wenn es gut geht, ein sieches, kränkelndes, kraftloses Christentum, das zwar einigermaßen wie Christentum aussieht, aber alles andere ist als ein rechtschaffenes Wesen in Christus Jesus. Andere verirren sich auf einen anderen Abweg. Sie können sich nicht in die Tatsache finden, daß, nachdem der Heiland sich ihnen so herrlich in seiner Gnade offenbarte, die alte sündige Natur sich immerfort noch in ihnen regen soll. Das treibt sie wieder in das Gesetz zurück. Sie wollen durch eigenes Wollen und Wirken, durch selbstgefaßte Anläufe und allerhand Erfindungen dem Übelstand abhelfen. Dadurch entfernen sie sich aus der Gemeinschaft des Todes Jesu und geraten auf eigene Wege. Auch haben sie noch aus der Zeit, wo sie den Frieden Gottes erst suchten, allerhand gesetzliche Vorstellungen und Bilder in ihren Gnadenstand mit übernommen. Diese alten, aus dem Gesetz und der Vernunft kommenden Bilder erheben sich wieder in der Seele und drängen sie aus dem Gnadenstande hinaus. So wird man wieder elend, saft- und kraftlos, meint, man sei ernstlicher als unter dem sanften Regiment der Gnade, und steht doch nicht wahrhaftig in der Gemeinschaft des Sohnes Gottes. Von diesem Abweg zeugt der ganze Brief an die Galater. Selig ist die Seele, die an sich erfährt, was Luther von Gott in den Worten “der mir täglich und reichlich meine Sünden vergibt“ rühmte. Hierin liegt das ganze Geheimnis der Heiligung. Der Herr führe uns alle auf den schmalen Weg um seines Namens willen! Amen. JOHANNES EVANGELISTA GOSSNER (1773-1858) Zum lebendigen Glauben an Jesus Christus fand er als vierundzwanzigjähriger Kaplan. Er verband sich mit der Allgäuer Erweckungsbewegung und sah unter seiner Verkündigung eine Neubelebung seiner Heimatgemeinde in Dirlewang. Während er Jahre später in Petersburg arbeitete, löste er von dort Impulse für eine Erweckungsb’ewegung in Finnland aus. 1826 schloß er sich dem lutherischen Bekenntnis an und übernahm drei Jahre danach eine Pfarrstelle an der Berliner Bethlehemskirche. Goßners erheblicher Einfluß ergab sich nicht nur aus seiner seelsorgerlichen Tätigkeit, sondern auch daraus, daß seine erwecklichen Schriften in verschiedene Länder Eingang fanden, daß er umfangreiche Aktivitäten im Bereich der Inneren Mission entwickelte und jene nach ihm benannte Mission gründete, die bis zu seinem Tode 141 Missionare aussandte. Sollten wir nicht ein göttliches Leben führen können wie Henoch? Das fünfte Kapitel des ersten Buches Mose enthält das Geschlechtsregister der Patriarchen, der Stammväter des Menschengeschlechts, von Adam bis Noah. Es wird uns aber von ihnen allen, selbst von Adam außerhalb des Paradieses, nicht mehr berichtet, als daß sie gelebt, wie lange sie gelebt, daß sie Söhne und Töchter gezeugt hätten und dann gestorben wären. Nur mit einem macht die Bibel eine Ausnahme, weil er wohl eine Ausnahme oder der Ausgezeichnetste von allen war. Dieser ist Henoch, der siebte von Adam. Zwar sagt die Bibel auch von diesem nur sehr wenig, nur ein Wort, aber mit diesem einen Wort doch so viel, ja alles, was von einem Sterblichen gesagt werden kann; denn sie erklärt: “Henoch führte ein göttliches Leben, und er blieb in einem göttlichen Leben dreihundert Jahre und zeugte Söhne und Töchter. Und weil er ein göttliches Leben führte, nahm ihn Gott hinweg, und er ward nicht mehr gesehen.“ (1. Mose 5, 22-24) Wahrhaftig, das ist mit wenig Worten viel gesagt, ja es wird vielen zu viel gesagt sein. Wir haben von vielen Menschen ausführliche, lange und dicke Lebensbeschreibungen, die aber alle nicht so viel sagen, wie die Bibel von Henoch mit diesem einen Wort sagt: ein göttliches Leben führte Henoch. Merkwürdig ist es, daß dieser Gottesmann Henoch unter all den zehn Erzvätern das kürzeste Leben auf Erden erreichte, nämlich nur 365 Jahre, dagegen aber einen Sohn zeugte, der am längsten von allen lebte. Denn Methusalah, Henochs Sohn, wurde der älteste Mensch; seine Jahre überstiegen an Zahl die Lebensjahre aller Menschen, die vor, mit und nach ihm lebten. Denn sein ganzes Alter war 969 Jahre. Man kann demnach sagen: ein gutes, ein göttliches Leben zeugt ein langes, ewiges Leben. Wer gut, wenngleich kurz lebt, hat lange, hat länger gelebt, als wer lange und schlecht lebt. Da nun alles, was geschrieben steht, uns zum Vorbild und zur Belehrung geschrieben ist, so sollen wir auch auf diesen von der Bibel zwar mit wenigen Worten, aber doch hochgerühmten Mann Gottes unser Auge richten, um ihm nachzufolgen und in seine Fußstapfen zu treten. Dazu müssen wir aber zuerst wissen, was es heißt, ein göttliches Leben zu führen, und dann, ob wir denn alle ein göttliches Leben führen können und sollen. Wer kann aber erforschen, wer kann uns sagen, was die Bibel darunter versteht, wenn sie uns von Henoch berichtet: er führte ein göttliches Leben? Sie setzt kein Wort zur Erklärung hinzu, sie führt nicht eine Tat aus seinem Leben an, woraus wir schließen könnten, worin denn sein göttliches Leben bestanden habe. Dennoch können wir ihren Sinn mit göttlicher Gewißheit finden, wenn wir nur wollen. Die Bibel ist groß genug und erklärt an anderer Stelle deutlich und hinlänglich, daß wir die Erkenntnis eines göttlichen Lebens leicht erlangen können, wenn wir nur die Lust und den Entschluß haben, ein göttliches Leben zu führen. Haben wir nicht an dem Leben Jesu genug, um anschaulich zu erkennen, was es heißt, göttlich zu leben? Denn göttlicher, heiliger, vollkommener als unser Herr und Heiland Jesus gelebt hat, kann Henoch doch nicht gelebt haben; wissen wir also, wie Jesus lebte, und davon sagt uns die Bibel genug, so wissen wir, was es heißt, göttlich zu leben. Ein göttliches Leben führen heißt nach der Schrift gewiß nichts anderes, als vor und für Gott zu leben, im Umgang, in der Gemeinschaft mit Gott stehen und diese vertraute, innige, lebendige Verbindung mit Gott fortsetzen und festhalten bis ans Ende. Daß der Wandel vor Gott die Bestimmung des Menschen auf Erden ist und von Gott ausdrücklich verlangt wird, sehen wir aus der Geschichte Abrahams, zu welchem der Herr mit Bestimmtheit sagte: “Ich bin der allmächtige Gott; wandle vor mir und sei fromm“ (1. Mose 17, 1). Es bedarf also keiner großen Wissenschaft, keiner tiefen Forschung, keiner ausgebreiteten Gelehrsamkeit, um zu wissen, wie man ein göttliches Leben führen kann; es erfordert nur einen entschiedenen Willen, ein göttliches Leben führen zu wollen. Wir sollen es nur wirklich beginnen und in ein göttliches Leben mit Ernst eintreten; denn durch Leben lernen wir leben, durch Übung eines göttlichen Lebens lernen wir allein recht erkennen, aus Erfahrung erkennen, was das göttliche Leben ist. Wenn dir Gottes Wort oder das Beispiel der heiligen Männer Gottes zuruft: Führe ein göttliches Leben! so heißt das nichts andres als: Habe Gott vor Augen und im Herzen! Lebe und wandle im steten Andenken und Aufblick zu Gott, im lebendigen Glauben an den lebendigen Gott, lebe im steten Umgang mit dem überall dir gegenwärtigen Gott; denn er ist nicht fern von einem jeden von uns, in ihm leben, weben und sind wir (Apostelgeschichte 17, 27.28). Das war das göttliche Leben dieser Stammväter der Menschheit und besonders das Leben Henochs. Er hatte sich durch Glauben, durch lebendigen Glauben, den lebendigen, wenngleich unsichtbaren, aber stets nahen Gott so vergegenwärtigt und im herzlichen Gebet und kindlichen Umgang sich mit ihm so vertraut gemacht, daß er in der innigsten Verbindung und Gemeinschaft mit Gott stand, seiner Nähe stets so gewiß war, als sähe er ihn - wie es von Mose geschrieben steht: “Er hielt sich durch Glauben an den Unsichtbaren, als sähe er ihn“ (Hebräer 11, 27). Ihr Glaube an Gott lebte, darum lebte ihr Gott in ihnen und sie in Gott. Ihr Glaube hielt fest an dem Unsichtbaren, und darum waren sie so selig bei ihrem nichtsehenden Glauben, als wenn sie Gott gesehen hätten. Es war ihnen nicht, wie der Unerfahrene sich denkt, Zwang und Last, es war ihnen Lust und Freude, an Gott nicht nur zu denken, sondern mit ganzem Herzen an ihm zu hangen; so wie es einem guten Kinde nicht Zwang und Last, sondern lauter Lust und Freude ist, am Halse des Vaters hängen, im Schoße der Mutter liegen zu dürfen. Und wenn ein Kind der Entfernung wegen sich diese Freude und Lust nicht verschaffen und sich nicht so nahe anschmiegen kann, so kennt es keinen sehnlicheren Wunsch, keine heißere Begierde, als die nach des Vaters und der Mutter Nähe, hat keinen freudigeren Gedanken als die stete Erinnerung an den Vater und die Mutter. Es weint danach, es sehnt sich, es schreit wohl auch, bis ihm sein Wunsch wieder gewährt wird. So sehr, und nicht mehr, wie Väter und Mütter es von ihren Kindern erwarten, so sehr und nicht mehr, wie ein wohlerzogenes Kind an seinen Eltern hängt, seine Eltern liebt: so sehr, und nicht mehr sollst du deinem Gott anhangen, ihn lieben, dich nach ihm sehnen, dich im lebendigen Glauben ihm nahen. So gern, so leicht, so herzlich, so kindlich, so lebendig sollst du mit ihm umgehen und im Geiste mit ihm vertraut werden. Diese Gottesnähe, diese Gottesgemeinschaft, wird dir nicht nur die seligsten Stunden der Andacht gewähren, sondern auch die kräftigsten Rückwirkungen und Einflüsse auf deinen ganzen Wandel haben. Du wirst wie Joseph in Ägypten, im Hause Potiphars, so oft du zur Sünde versucht wirst, so oft dich die wollüstige Welt durch lasterhafte Reize in ihre Arme locken will, zuerst und schnell an deinen dir nahen Gott denken, wirst erschrecken vor den Forderungen des Lasters und seufzend ausrufen: “Wie sollte ich ein so großes Übel tun vor meinem Gott, vor den Augen des Allsehenden, der in meinem Herzen wohnt!“ Kurz, der Wandel vor Gott, der lebendige Glaube an den lebendigen Gott, wird dich vor allem Bösen bewahren und dich zu allem Guten anspornen. Er wird dir die Verleugnung aller weltlichen Lüste und allen ungöttlichen Wesens sowie das Führen eines Gott wohlgefälligen Lebens zur Lust und Freude, zu deinem Element machen. Oh, es wandelt sich so schön, so selig, mit dem freundlichen Gott; es lohnt sich kein Gedanke so sehr wie der vertraute Gedanke an den nahen Unsichtbaren; es ist kein Umgang, keine Gemeinschaft so beseligend, so erquickend und belebend, wie der herzliche Umgang und die innige Gemeinschaft mit dem innig nahen Gott. Es ist kein Leben so selig, so heilig wie Henochs Leben. Man steht immer an der Quelle aller Kraft und Freude; ja, man trägt den Brunnen Gottes, der Wasser des Lebens in Fülle hat, immer überströmt und nie versiegt, in sich und mit sich. Wenn Gott mit uns ist, wer will wider uns sein oder was kann uns da fehlen? Was werden wir nicht vermögen, was sollen wir fürchten, wenn wir sagen können: “Der Herr ist mit mir; der Herr ist mein Licht und mein Heil; der Herr ist meines Lebens Kraft, mein Fels und meine Burg?“ - “Beredet euch, und es geschehe nicht! Denn hier ist Immanuel“ (Jesaja 8, 10). Wer so vor, mit und in Gott lebt, der lebt auch für Gott, lebt nicht sich selbst, sondern seinem Gott und Gottes Absicht. Und das ist ein wesentliches Stück des göttlichen Lebens. Die Patriarchen, namentlich Henoch, der ausgezeichnetste unter ihnen, lebten nicht sich und für sich, sondern Gott und für Gott und um Gottes willen. Er suchte nur Gottes Absicht und Bestimmung zu erreichen; denn ein selbstsüchtiges,' egoistisches Leben ist das ungöttlichste Leben unter der Sonne. Wer nur sich selber lebt, sich selbst sucht und immer in allen seinen Gesinnungen und Handlungen sich selber zum Zweck und zur Absicht hat, der macht sich selbst zu seinem Gott, und unrein, unlauter und abgöttisch ist all sein Tun und Wesen. Keiner von uns lebt sich selbst, bekennen und bezeugen die ersten Christen; leben wir, so leben wir dem Herrn, darum wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn (Römer 14, 7.8). “Darum ist auch Christus für alle gestorben, daß alle, die da leben, nicht sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstan-den ist“ (2. Korinther 5, 15). Wer mit Gott vertraut wandelt, wer Gott in Christus kennengelernt und erfahren hat, wie er uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat, der kann von Stund an nicht mehr für sich selbst leben. Sondern, sich selbst vergessend, fühlt er sich von Liebe und Dankbarkeit gedrungen, nur für seinen Gott und Heiland zu leben und nach Gottes Absicht seinem Nächsten zu dienen, wie Paulus in 2. Korinther 5, 14 sagt: “Die Liebe Christi drängt uns.“ Wir können gar nicht anders, wir wüßten nicht, wie wir es machen müßten, wenn wir jetzt noch uns selber leben wollten, nachdem wir wissen, daß Christus nur für uns lebte und starb. “ Er für uns, wir für ihn!“ ist nun unser Losungswort. Für Gott leben aber heißt: Gottes Willen und Gottes Ehre zur höchsten und einzigen Richtschnur und Regel seines Lebens machen und daher in keinem Stück seine eigene Ehre, seinen eigenen Willen und seine eigene Lust suchen, sondern alle Selbstsucht opfern - das heißt dann: Gott seinen Isaak schlachten. Wer sich selbst sucht, nurseinem Willen und seiner eigenen Ehre oder gar seinem Bauche dient und lebt, der lebt kein göttliches Leben, sondern ein fleischliches, sinnliches, selbstsüchtiges, also höchst ungöttliches Leben. Christus erklärte deutlich und oft genug, daß er nicht in diese Welt gekommen sei, um seinen Willen zu tun, sondern den Willen seines Vaters, nicht, um seine Ehre zu suchen, sondern die Ehre Gottes, seines Vaters. Es war ja sein letztes Gebet in den heiligsten, wichtigsten und schwersten Stunden seines Lebens, als er mit dem Tode rang und ihm vor Angst der Blutschweiß aus den Adern drang, als seine menschliche Natur zitterte und sein eigener Wille so sehr zurückschauderte, daß er gern des bitteren Kelches enthoben gewesen wäre, als es ihn also alles kostete, sich selbst zu verleugnen und seinen Willen zu opfern - da betete er das große, ja das größte Gebet: “Vater! Ist es möglich, so gehe der Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst, nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“ Das ist das Höchste, Erhabenste und Göttlichste im Leben des Menschen, wenn er sich, seinen eigenen Willen, seine eigene Ehre und Lust Gott und seinen Brüdern opfert oder dem höchsten, heiligsten Willen ganz unterwirft. Nur dann, nur so lebt er nicht mehr sich selbst; nur so lebt Gott in ihm und er in Gott oder für Gott; nur so führt er ein göttliches Leben, wie Paulus von sich selber bezeugt (Galater 2, 20.21). Nun bleibt uns aber noch die Frage übrig: Können wir alle und sollen wir alle ein göttliches Leben führen? Ich frage dagegen: Warum nicht? Was ein Mensch durch Gott vermochte, können alle, kannst auch du, und was du mit Gott kannst, das sollst du, das mußt du. Haben wir nicht alle denselben allgenügenden, allgegenwärtigen und in Christus ganz unser gewordenen Gott? Ist nicht auch zu einem jeden von uns gesprochen, was Gott zu Abraham sprach: “Ich bin der Allgenügende, der Allvermögende; wandle vor mir und sei fromm!“ Wen die allmächtige, allgegenwärtige Liebe einlädt: “Wandle vor mir, mit mir, an meiner Hand!“, was sollte dem, wenn er diese hebe Hand ergreift, unmöglich sein? Ist sie es nicht, die uns allen Leben und Atem und alles gibt? Ist sie es nicht, die allgenügende, allbelebende und allsegnende Liebe, die uns wie die Luft umgibt, in der wir alle leben, weben und sind? Ist sie eine himmelweit und himmelhoch entfernte oder eine innig nahe, uns überall umgebende, hebende und tragende Allmacht und Liebe, der wir uns mit aller Gewalt nicht entziehen können? Sollte uns nicht schon die leibliche Wohltat, womit wir immer überhäuft werden, dazu erwecken, in dem, mit dem und nur für den zu leben, durch den wir leben, atmen und bestehen, ohne den wir keinen Augenblick atmen können, der uns von Augenblick zu Augenblick alles darreicht und erhält, was wir sind und haben? Ist ein Blutstropfen in unsern Adern, der nicht von ihm ist, den er nicht erhält? Ist die Luft, die wir mit jedem Atemzug einhauchen, von uns oder von einem anderen als von ihm? Ist also nicht jeder Pulsschlag und jeder Atemzug eine Erinnerung und Aufforderung, dem zu atmen und zu leben, ja Gut und Blut zu opfern, der unseren Atem und unseren Puls in Bewegung hält, daß sie nicht stille stehen und wir nicht vergehen? Wenn wir aber erst nach Golgatha blicken, sehen wir, daß die Gnade und Menschenfreundlichkeit Gottes in Christus uns allen erschienen ist. Wir sehen, daß dieser Gott, der uns täglich, stündlich, augenblicklich leiblich segnet und erhält, uns auch geistlich so geliebt hat, daß er seines eigenen Sohnes nicht verschont, sondern ihn für uns alle dahingegeben hat. Mit ihm hat er uns alles geschenkt, uns durch sein Verdienst erlöst, erkauft, gerechtfertigt und geheiligt, daß wir durch Jesus seine Kinder und Erben, Miterben seines Sohnes, seine Hausgenossen und Mitbürger mit den Heiligen geworden sind. Wenn wir nun alles das, was Gott in Christus für uns getan und uns gegeben hat, gibt und geben wird, bedenken: soll unser Herz noch einen anderen Wunsch, noch einen anderen Gedanken haben können, als die Liebe ewig zu lieben, die uns in Christus derart zuerst geliebt hat? Soll es uns schwer, hart, lästig oder gar unmöglich werden, an den zu denken, vordem zu wandeln, der uns vorder Grundlegungder Welt erwählt hat, daß wir vor ihm heilig in Liebe wandeln sollen (Epheser 1,4)? Sollten wir noch fragen können, ob wir dem leben müssen, der, obwohl er in Gottesgestalt war, Knechtsgestalt annahm, uns in allem gleich wurde, sich selbst erniedrigte und gehorsam wurde bis zum Tod am Kreuz. - und dies für uns, alles für uns!? Sollte es uns unmöglich sein, für den und vor dem zu leben, der uns selber zuruft und bezeugt: “Ich bin alle Tage bei euch bis ans Ende; ich komme zu euch. Bleibet in mir, so bleibe ich in euch, so werdet ihr viel Frucht bringen“? Sollte uns der gläubige Gedanke: er in uns und wir in ihm\ nicht über alles erheben, nicht zu allem tüchtig machen, daß wir wie Paulus sagen können: “Ich vermag alles in dem, der mich stärkt“? Sollte uns seine uns so oft verheißene und verpfändete Nähe, sein Wohnen und Bleiben in uns nicht mit aller Kraft und Lust erfüllen, für ihn alles zu wagen, um seinetwillen allem abzusagen, durch ihn alles zu vergessen, was hinter uns ist, und nur nach dem zu streben, was vor uns ist, uns nur mit dem zu beschäftigen, der in uns ist? Wir haben ja die väterliche Erlaubnis und Einladung, ja den Befehl, im Gebet uns täglich - was sag’ ich täglich? - ohne Unterlaß seinem Gnadenthron, seinem väterlichen Herzen zu nahen und alles, dessen wir bedürfen, von ihm zu begehren.Wir dürfen, wir sollen in seiner Nähe, im vertrautesten Umgang mit ihm verharren. Sollte dieser göttliche Umgang nicht einen göttlichen Einfluß haben auf unsern Wandel, auf all unsre Handlungen? Wer sagt, er könne nur bei Gott und mit Gott sein, solange er betet, wer nach dem Beten und außerhalb des Gebets auch ohne Gott und außerhalb seines Willens in der Welt sein kann, der hat ihn auch im Gebet nicht gesehen noch erkannt, der ist ihm auch im Gebet nicht wahrhaft nahe gekommen. Wir müssen nicht beten, bloß um gebetet zu haben, sondern um uns Gott zu nahen, uns mit Gott zu verbinden, in ihm eingewurzelt und gegründet zu werden, daß uns nichts mehr von ihm trennen kann, daß wir in ihm bleiben, in ihm wandeln auch außerhalb der Stunde der Andacht. Wer, wenn seine Gebetszeit, seine Andachts- oder Erbauungsstunde, der sogenannte Gottesdienst, vollendet ist, meint, er habe nun seine Pflicht getan und Gott bezahlt, seine Gedanken und sein Herz könnten sich nun frei und unabhängig von Gott bewegen und bloß der Welt und seinem irdischen Beruf sich so ganz hingeben, was meistens nichts anderes heißt, als seinen Begierden und Leidenschaften dienen, der irrt sich sehr, dessen Gebet und Gottesdienst ist ganz eitel und unnütz. Du sollst, wenn du dein Gebet beendet hast, nicht von Gott Weggehen, sondern, in Gott tiefer gewurzelt, mit Gott in deine Geschäfte und in deinen Beruf hinein und überall umhergehen, überall und in allem mit Gott und in Gott sein und bleiben und ihn in dir sein und bleiben lassen. Was du tust und was du denkst, soll mit seinem Andenken und durch seine Nähe geheiligt sein. “Nichts ohne ihn, alles für ihn und mit ihm, in dem ich lebe, webe und bin.“ Das soll dein Losungswort sein. Ihr werdet mir aber einwenden: Wer wird so leben können? Dieses göttliche Leben mag ein Henoch geführt haben, der wohl in einer ganz anderen Lage und in ganz anderen Umständen zu einer anderen Zeit und in anderen Verhältnissen gelebt haben muß. Wir sind in einer neuen Welt, unter Zeitgenossen, die kaum an einen Gott glauben, in der der Gott dieser Welt sein Wesen treibt, sind in Familien und Verhältnissen, in welchen es unmöglich ist, ein solches Henoch-Leben zu führen. Und noch hundert Einwendungen werdet ihr Vorbringen, jeder seine eigene. Aber alle diese Entschuldigungen und Einwendungen widerlegt Henoch so ganz und gar, daß ihr verstummen und an eure Brust schlagen müßt. Ja, seht nur auf Henoch und seine Zeit, so werdet ihr euch schämen. Denn Henoch lebte nicht in heiligen Jahrhunderten, nicht in einer Wüste, nicht in einem Kloster, nicht in Abgeschiedenheit von Menschen. Nein, ganz und gar nicht! Er lebte im Ehestand, mit Frau und Kindern, denn es heißt: “Er blieb in einem göttlichen Leben dreihundert Jahre und zeugte Söhne und Töchter.“ Er wurde also kein Einsiedler, kein Sonderling; er blieb wo er war, ein Vater vieler Kinder, in seinem Stand und in seiner Familie. Seine Zeit, seine Jahrhunderte, seine Zeitgnossen waren nicht nur nicht besser als die unsrigen, sondern viel schlechter. Lest nur das folgende sechste Kapitel des ersten Buches Mose, um die Zeit und Zeitgenossen Henochs, die Welt, in der und mit der er lebte, kennenzulernen. Es war die gesunkenste, die verdorbenste Welt, ein derart entartetes Geschlecht, daß die langmütige, göttliche Liebe sich wehmütig darüber beklagt: “Ach, die Menschen sind Fleisch, sind Tiere geworden. Sie wollen sich von meinem Geist nicht mehr strafen lassen. Ihre Bosheit ist groß auf Erden, alles Dichten und Trachten ihres Herzens ist böse immerdar.“ Ja, die Erde war verdorben vor Gottes Augen, war voll Frevel, so daß es Gott reute, Menschen geschaffen zu haben, daß es ihn tief bekümmerte in seinem Herzen wie einen Vater, der lauter ungeratene Kinder hat, die ihm nichts als Herzeleid verursachen. ln einer solchen Welt lebte Henoch, unter solchen Greuel-Menschen, die selbst Gottes Geduld nicht mehr ertragen konnte, sondern von der Erde vertilgen mußte, ja um derentwillen er die ganze Welt vernichtete. Ihre himmelschreienden Greuel umgaben Henoch, und er führte ein göttliches Leben. Das hinderte ihn nicht, damit entschuldigte er sich nicht; sondern je mehr sich seine Nachbarn und Zeitgenossen von Gott entfernten, desto mehr nahte er sich Gott. Sah er, wie sie sich gottlos den schändlichsten Lüsten und Lastern ergaben, so bemühte er sich umso mehr, sich in Gott als in das Element der Liebe und des Lebens zu versenken. Wenn er wahrnahm, daß alles, was ihn umgab, nur dem ungöttlichen Wesen, nur dem Bauch, nur dem Satan diente und mit unersättlichem Durst die Sünde und das Laster wie Wasser aufsog, so war ihm das nur eine umso stärkere Aufforderung, sein Fleisch samt seinen Lüsten zu kreuzigen, alles sinnliche, alles weltliche, ungöttliche Wesen zu verleugnen und nur dem heiligen Willen Gottes zu leben, den Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, zu bewahren und allen anderen Freuden vorzuziehen. Je tiefer seine Zeitgenossen in das Irdische sanken, desto mehr erhob er sich über alles, was ihm die Erde darbot, indem er auf die unvergänglichen Güter, Freuden und Herrlichkeiten blickte, die Gott denen verheißt und geben wird, welche ihn lieben und in Geduld bis ans Ende ausharren. Sah er, daß alle Welt nur sich selbst, nur ihre eigene Lust, nur ihren eigenen Nutzen und ihre Ehre auf schändliche Weise suchte, so ließ er sich durch diese Verkehrtheit nur desto mehr anspornen, nach dem zu trachten, was droben ist, was ewig dauert, was nie zerrinnt, was kein Dieb stehlen, weder Feuer noch Wasserflut zerstören, was auch der Tod nicht töten und nicht rauben kann. Seine Zeitgenossen fanden, indem sie sich und das Ihrige in allem suchten, die Welt und ihre Lust genießen wollten, der Wollust des Fleisches sich ergaben, fanden in allem nur Unfrieden und Herzeleid, Reue und Schande und zuletzt Tod und Verderben in den Fluten, von denen sie verschlungen wurden. Er aber fand in allem, was er suchte, Gott und in Gott Frieden, Freude und Seligkeit, die niemand von ihm nehmen konnte. Er wurde von der Erde hinweggenommen, ehe die Gerichte losbrachen und alles Fleisch unterging. Hat nun Henoch unter solchen Umständen, in einer so gesunkenen Welt, die schon zum schrecklichsten Gericht, zur Sintflut, reif war - hat er in solchen Umgebungen, wo alles um ihn her, was er sah und hörte, nur zur Sünde und Gottlosigkeit reizte und wie ein gewaltsamer Strom mit sich alles fortriß, was ihm entgegenstand - hat Henoch in einem solchen Zeitalter, das unstreitig das verdorbenste war - hat Henoch unter solchen Menschen, die offenbar die schlechtesten waren, vor Gott, mit Gott und für Gott leben und, merke wohl, 300 Jahre, ich sage dreihundert Jahre lang, einen göttlichen Wandel führen können: Warum solltest du es nicht können, da dir lange nicht so viele Hindernisse entgegen- und viel mehr Förderungsmittel, gute Beispiele und Aufforderungen zum Guten zu Gebote stehen? Solltest du bei dem Licht des Evangeliums, das dir so hell leuchtet, nicht den Weg finden und wandeln können, den Henoch bei den matten Strahlen und dem schwachen Schimmer wandelte, der zu seiner Zeit leuchtete und wie das allererste Morgenrot die erst 3000 Jahre später aufgehende Sonne verkündete? Ob wir, wie Henoch, ein göttliches Leben führen sollen, das ist gar keine Frage; wer Gutes zu tun weiß und es nicht tut, dem ist es Sünde. Wer sich Gott nahen, in ihm selig sein kann und es nicht will, der raubt sich selbst eine Seligkeit, die ihm nichts ersetzen kann, der ist sein eigener Richter und Henker und baut sich selbst die Hölle, indem er die Seligkeit, die ihm Christus so teuer erworben hat, nicht achtet und den Himmel, der ihm so nahegelegt ist, mutwillig von sich stößt. Vielleicht möchte jemand den widersprechenden und einwendenden Gedanken hegen: Henoch muß doch wohl ein anderes Wesen, ein Wesen höherer Art, von einer anderen Natur gewesen sein, daß er unter solchen Umständen, in einer solchen Welt, unter so gottlosen und ungöttlichen Menschen doch so göttlich leben konnte. Nein doch. Sieh, er war ein Mensch wie du. Er war, wie die Bibel ausdrücklich sagt und es durch Aufführung seines Stammbaums und Geschlechtsregisters beweist, der siebte von Adam. Von Adam war er, wie du und ich, ein Mensch von Fleisch und Blut, wie wir alle. Die Natur hat ihm nicht mehr gegeben als uns. Er war in Sünden empfangen und geboren wie David, wie wir alle; er zeugte Söhne und Töchter, wie andere Menschen. Kurz, er war Mensch, uns in allem gleich und führte doch ein göttliches Leben, allen Menschen zum Vorbild, zur Aufforderung, in seine Fußstapfen zu treten. Er lebte auf Erden und hatte seinen Wandel im Himmel, vor Gott und für Gott. Er lebte wohl dem äußeren Anschein nach wie jeder andere Mensch - aß, trank, schlief, arbeitete, ruhte, ging und stand wie andere Leute. Aber er ging und stand doch anders, lebte, arbeitete, ruhte, aß und trank, schlief und wachte doch anders als andere Leute, d.h. in einem anderen Sinn, mit einem anderen Geist, in einer anderen Absicht, als andere dies alles taten. Sie taten alles fleischlich, sinnlich, selbstsüchtig, unlauter, ohne Gott, ungöttlich - er aber alles göttlich, heilig, mit Gott ehrendem, Gott liebendem Sinn und Gemüt, alles mit, in und für Gott. Die Triebfelder war bei ihm eine andere, bei ihm göttlich, bei der Welt ungöttlich, fleischlich und teuflisch. Es ist aber doch schwer, es ist unmöglich, werdet ihr ferner sagen, so gegen den Strom zu schwimmen. Aber welch ein Strom des Verderbens, welche Fluten und Wogen der greu- lichsten Laster strömten Henoch entgegen und drohten ihn mitfortzureißen! Was hielt ihn? Woran hielt er sich? Gott, der Allgenügende, seine allvermögende, allbesiegende Gnade, die in den Schwachen mächtig ist und Wunder tut, war es, die ihn, wie die Arche den Noah, über alle Fluten des Verderbens, die alle Welt überschwemmt und das Land, in dem er lebte, wie die Sintflut bedeckt hatten, erhob und erhoben hielt, so daß er nicht sank, nicht mitfortgerissen wurde. Der Blick, der unverwandte Glaubensblick auf den unsichtbaren Nahen, an dem er sich festhielt, als sähe er ihn, war ihm wirklich eine Arche, ein Schiff, in dem er sich bei der allgemeinen Überschwemmung der Gottlosigkeit rettete und unbefleckt erhielt. Dieses Schiff, diese Arche, kannst auch du dir bauen. Das Material, das du zu diesem Bau nötig hast, gibt dir Gott umsonst, und noch seinen Geist dazu, der dich als Baumeister dabei leitet, schützt und stärkt. Die Flut des Verderbens, die dir zu deiner Zeit droht, sollst du nicht fürchten. Dein Glaube kann und soll die Allmacht fassen. Mit Gott kannst du über Mauern springen, mit Gott vermagst du alles, mit demselben Gott, mit derselben Allmacht und Liebe, mit demselben Allgenügenden, der Henoch stärkte, belebte, führte und leitete, daß er 300 Jahre in einem göttlichen Leben und Wandel verblieb, kannst und sollst du auch dasselbe göttliche Leben führen. Ist HenochsGott dein Gott, so kann, so soll Henochs Leben auch dein Leben sein. Derselbe Gott bietet dir dieselbe Gnade an: Solltest du nicht auch dasselbe mit ihr ausrichten können, mit demselben Gott nicht können, was Henoch 300 Jahre lang mit ihm konnte? Die Allmacht ist auch jetzt noch allmächtig, auch für dich allgenügend. Gott ist heute noch Gott, ist auch unser Gott. In ihm überwinden wir weit. Kein Strom der Bosheit, des Lasters, des Irrtums, des Unglaubens soll uns erschrecken oder zu stark werden; unser Gott und sein Gnaden-Strom in Christus Jesus ist stärker, mächtiger, alldurchbrechend, allüberwindend. Wenn Gott für uns ist, wer will wider uns sein? Was kann den Strom der Gnade hemmen? Ist Gott in uns, strömt seine Gnade in unsere Herzen durch den Blutstrom Jesu, der uns geschenkt ist: Was kann uns hindern, dem Herrn anzuhangen, in ihm zu leben? Will er doch alle Tage bei uns sein, und wir sollten mit ihm nicht alle Tage göttlich leben können? Will er doch in uns wohnen und wirken und alles in uns allen sein, und wir sollten nicht in ihm bleiben und alles in ihm tun und leiden können? Will er in jeder Not, in jedem Kampf, in jeder Schwachheit unsere Burg, unsere Zuversicht und Stärke, in jeder Dunkelheit unser Licht und Leben sein, und wir sollten durch irgendeine Entschuldigung uns vom göttlichen Leben und Wandel lossagen können, da, wie 2. Petrus 1,3 bezeugt, uns durch die Erkenntnis Jesus Christi allerlei, d. i. alle göttliche Kraft und Gnade, geschenkt ist, was zum göttlichen Leben und Wandel dient? Warum, sage mir, sollen wir uns von der Welt, vom Strom des Verderbens und der Bosheit überwinden lassen, warum Sklaven und Knechte der Zeit und Zeitgenossen, Kinder der gesunkenen Welt werden','1 Haben wir nicht einen Gott, der hilft und vom Verderben und Tode errettet, der uns die Hand bietet und uns, wenn wir schon im Rachen der Hölle, im Abgrund liegen, herausholt und uns mit dem Licht der Lebendigen erleuchtet? Warum wollen wir uns nicht lieber über unsere Zeit und Welt erheben, über Sünde und Teufel siegen und Ewigkeit und Gott ergreifen, der uns in Christus ergriffen, uns seine Hand geboten, uns berufen hat zu seinem himmlischen Reich und zu seiner göttlichen Herrlichkeit? Warum soll denn der Arge, der Gott der Welt, über uns herrschen? Wir haben einen besseren Herrn, der sich selbst für uns gegeben und uns mit seinem Blut erworben hat. Werft nur noch einen Blick auf das Leben Henochs, was es mit seinem göttlichen Wandel auf Erden für ein Ende nahm. "Und weil er ein göttliches Leben führte, nahm ihn Gott hinweg, und er ward nicht mehr gesehen.“ Er sollte, weil er göttlich lebte, nicht sterben und die Bitterkeit des leiblichen Todes nicht schmecken; er sollte, weil sein Herz, sein Geist umgewandelt und göttlich erneuert war, auch dem Leibe nach verwandelt, in jenes Land des Friedens und des Lebens versetzt werden, wo man nicht stirbt, wo kein Kampf, sondern lauter Sieg und Leben ist. So endet das göttliche Leben auf Erden. Doch es stirbt, es endet eigentlich gar nicht, es wird nur ins bessere Land versetzt. Wer in Gott, göttlich lebt, der stirbt nicht; das Elend stirbt nur, er aber steht da in der neuen Natur. Wer seinen Wandel hier schon im Himmel hat, der hört in dem, was man Tod nennt, nicht auf zu leben; sondern er hört auf zu sterben und setzt das Leben ohne Sterben, das wahre, ewige Leben, das er hier in Gnaden angefangen hat, dort in ewiger Herrlichkeit fort. Zum Schluß laßt uns noch Paulus’ Worte in Titus 2, 11 bis 14 zu Herzen nehmen: “Es ist erschienen die heilvolle Gnade allen Menschen und züchtigt uns, daß wir alles ungöttliche Wesen verleugnen (also göttlich leben) sollen und alleweltlichen Lüste und sittsam und gerecht und gottselig leben in dieser Welt und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilands Jesu Christi, der sich selbst für uns gegeben hat, auf daß er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit und sich selbst ein Volk zum Eigentum reinigte, das fleißig wäre zu guten Werken.“ O du freundlicher, gütiger Gott der frommen Patriarchen! Wie alt ist deine Liebe schon, wie bewährt deine Treue und Güte! Jahrhunderte hast du ihnen Treue gehalten, Jahrhunderte hast du ihnen deine Güte und Gnade erwiesen und sie nie verlassen. Deine Güte war ihnen alle Morgen neu. Solltest du uns nicht mehr derselbe sein? Ja, du bist es und bleibst in Ewigkeit die Liebe. Wir hoffen auf deine Güte, auf deine allgenügende Gnade und Kraft. Du bist Henoch 300 Jahre nahe gewesen, du hast ihm Erlaubnis und Kraft geschenkt, daß er 300 Jahre im vertrautesten, innigsten Umgang mit dir zubringen durfte, 300 Jahre ein göttliches Leben führen, 300 Jahre dir beständig anhangen konnte zur schlechtesten Zeit, unter den gesunkensten und verdorbensten Zeitgenossen. Deine Hand ist doch nicht gekürzt, deine Güte jetzt nicht minder gut, sondern heute wie gestern dieselbe. O stärke, belebe, erwecke und kräftige auch uns, daß wir uns dir so kindlich, zuversichtlich nahen, dir nahe bleiben, in deiner Nähe und beständig in ununterbrochenem Umgang mit dir wandeln und ein göttliches, ein gottseliges Leben führen alle die Tage unseres Lebens, die du in dein Buch geschrieben hast! Ja, wir hoffen es voll Zuversicht - konnten die Alten durch dich und deine Gnade Jahrhunderte im Umgang mit dir verbleiben und in deiner Gegenwart wandeln, ohne dich aus Aug’ und Herz zu verlieren: so wirst du auch uns stärken, daß wir mit dir und vor dir wandeln und in dir bleiben hier im Glauben, bis du kommst und auch uns vom zeitlichen in das ewige, ewig göttliche Leben des Schauens versetzt. Amen . “Die wahre Gottseligkeit hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens. Christus für uns und in uns ist die Hoffnung der Herrlichkeit, das große Geheimnis, in dem alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis liegen (Kol. 1 und 2).“ J. E. Goßner GOTTFRIED DANIEL KRUMMACHER (1774-1837) Der gebürtige Tecklenburger hatte bereits in Baerl und Wülfrath das Amt eines reformierten Pfarrers ausgeübt, bevor er 1816 einer Berufung nach Elberfeld folgte. Dort erlebte er einen großen geistlichen Aufbruch und wurde zur zentralen Gestalt der niederrheinischen Erweckungsbewegung. Während er seinerseits u.a. in Kontakt mit den Herrnhutern und erweckten Gruppen im Siegerland, in Württemberg und Minden-Ravensberg stand, wurden seine kraftvollen Predigten vielerorts im ln- und Ausland gelesen. Die Frucht seines Dienstes zeigte sich in der Verwandlung ganzer Landstriche. Kämpfe recht! “Und so jemand auch kämpft, wird er doch nicht gekrönt, er kämpfe denn recht.“ (2. Timotheus 2, 5) Paulus ermuntert seinen geschätzten Mitarbeiter Timotheus, stark zu sein durch die Gnade, und zeigt in unserem Text, wozu er dieser Stärke bedarf, nämlich zum Kampf. Wenn aber auch jemand kämpft, so wird er doch nicht gekrönt, er kämpfe denn recht. Diese merkwürdigen Worte gedenken wir etwas näher zu betrachten und reden erstens von dem Kampf überhaupt und zweitens von seiner Beschaffenheit. Sobald vom Kämpfen die Rede ist, erinnert das an Feinde, und zwar an nicht unbedeutende Feinde, und da hier von Geistlichem die Rede ist, setzt es geistliche Feinde voraus. Und freilich haben wir geistliche Feinde, Feinde, die uns an unserem ewigen Heil hindern und uns in ein ewiges Verderben stürzen wollen. Fragen wir, welche sie sind, so sind uns schon von Jugend an die drei Hauptanführer ganzer geistlicher Heere, die gegen uns ziehen,dem Namen nach bekannt. Sollen wir den gewissermaßen am wenigsten bedeutenden Feind zuerst nennen, so ist es die Welt. Gewiß ist dies aber kein geringer Feind, sonst würde nicht Paulus in Galater 1, 4 erklären: “Jesus Christus hat sich für unsere Sünden gegeben, daß er uns errettete von der gegenwärtigen argen Welt.“ Sonst würde Johannes nicht sagen: “Alles,was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt“ und fragen: “Wer ist, der die Welt überwindet, als der, der glaubt, daß Jesus Gottes Sohn ist?“, Jesus nicht darauf hinweisen: “Ich habe euch von der Welt erwählt.“ Zuvörderst ist diese Welt der eigentliche Platz, wo der Kampf ausgetragen werden muß. Wie ernstlich bittet Christus seinen himmlischen Vater, die Seinen, die in der Welt sind, zu bewahren! Es muß also doch, an sich betrachtet, hier in der Welt gefährlich sein, daß er überhaupt feststellt: “In derselben habt ihr Angst.“ Heißt Satan ein Gott dieser Welt, so zeigt dies das Revier an, wo er als listige Schlange oder brüllender Löwe sein Wesen hat. Die Welt hat Güter und Freuden. Allein, man kann jene besitzen und erwerben, und diese zum Teil genießen, ohne daß es sofort Sünde wäre. Es gibt Begüterte, die gottesfürchtig, und Arme, die gottlos sind. Wahr ist es aber, daß Güter und Vergnügungen der Gott der meisten Menschen sind, die Dornen, die das Wahre und Göttliche nicht emporkommen lassen. Also können sie sehr gefährlich sein, und sind es dann wirklich, wenn sie die Wünsche und Begierden des Menschen gefangennehmen und von Gott, dem wahren Gut, abhalten. Das Allergefährlichste jedoch ist die weltliche Gesinnung, die nicht bloß in der genannten Begierde nach Gütern besteht, sondern in der Feindschaft gegen Jesus. “Die Welt haßt mich und euch“, sagt er. Jesus, sein Verdienst und seine Gnade kann und will sie durchaus nicht annehmen, so daß Jesus schon von denen, die nicht gegen ihn sind, erklärt, sie seien für ihn. Sie streitet gegen Jesus mit ihrer Weisheit und ist von jeher darauf aus gewesen, das Evangelium als eine Torheit darzustellen, das keines Vernünftigen Beifall verdiene. Sie ruft: “Das ist nicht vernunftgemäß!“ und glaubt es damit widerlegt zu haben. Damit nicht zufrieden, stellt sie ein anderes System auf, wo entweder Christus gar nicht vorkommt, oder seiner doch nur so am Rande gedacht wird. Dies ist so seelenverderbend, daß Paulus erklärt, man müsse in dieser Hinsicht vor der Welt ein Narr werden. Ja, die Welt hat sogar ein Tugendgebäude, das ebenso gefährlich ist und die erwähnte Feindschaft gegen Jesus als Grundstein hat. Die Schrift nennt es die Aufrichtung einer eigenen Gerechtigkeit. Die Welt streitet mit ebenso großer Erbitterung für sie wie gegen die Gerechtigkeit, welche ohne ein Zutun der Werke dem Glauben zugerechnet wird, und die sie gern für eine Mutter aller Greuel erklärt. Besonders heftig sträubt sie sich auch gegen die Lehre der Schrift von der Ohnmacht des Menschen, solange er nicht wiedergeboren ist, weil sie wohl merkt, daß ihr dies nichts als Christus übrigläßt, den sie haßt. Schließlich legt sie auch ihre Feindschaft durch Spott und Verfolgung an den Tag, der keiner von denen entgeht, die in dieser Welt gottesfürchtig leben wollen. Wie entsetzlich übel ist es Christus selbst ergangen, gerade als ob nie ein gottloserer Mensch auf Erden gelebt hätte. Wie ist es seiner Gemeinde von Anfang an ergangen, und wie oft hat man über ihr geschrieen, was man über Paulus ausrief: “Hinweg mit diesem von der Erde! Er darf nicht mehr leben“ (Apostelgeschichte 22, 22). Es würde sich am Ende klar erweisen, daß, wenn Christus nicht selbst seine Kirche geschützt hätte, sein Name schon längst nicht mehr anders genannt würde, als er bei den Juden genannt wird. Also kann die Welt wohl ein Feind genannt werden. Und wo ist sie? Hier - wir sind die Welt; es sei denn, daß wir aus Gott geboren und daher nicht von der Welt wären, wofür sie uns denn auch hassen wird. Der andere Hauptfeind ist der Satan. Er reißt den Menschen das Wort vom Herzen und sucht bald als brüllender Löwe, bald als listige Schlange, bald als Engel des Lichts sein Ziel zu erreichen. Ihr habt nicht bloß mit Fleisch und Blut zu streiten. Ihr habt mit einer Obrigkeit der Finsternis zu streiten, der es nicht nur gelang, in einen gottlosen Judas zu fahren, einen got-tesfürchtigen Petrus zu sichten, einen Mann nach dem Herzen Gottes zu reizen, sondern der es gelang, einen Menschen, in welchem durchaus nichts Sündhaftes war, in Sünde und Elend zu stürzen. Dieser Feind ist ebenso dreist wie schlau, ebenso stark wie bösartig, ebenso versteckt wie tätig. - Genug also zum Kämpfen. Ist es aber nicht seltsam und beklagenswert, daß wir selbst unsere eigenen Feinde sind? Es bedarf der Welt, es bedarf des Satans nicht, wir sind uns selbst Feind genug, so daß Christus sagt: “Wer nicht sein eigenes Leben haßt, sich nicht selbst verleugnet, der kann nicht mein Jünger sein“, so daß der alte Mensch nicht nur gekreuzigt, sondern ganz getötet werden muß. Wir brauchen zu unserem ewigen Unglück nicht mehr, als daß wir bei uns selbst stehenbleiben, so sind wir verloren. Denn in uns wohnt nicht nur nichts Gutes, sondern was in uns wohnt, können wir an demjenigen merken, was nach der Versicherung dessen, der alle Herzen kennt, aus uns herausgeht: Mord, Ehebruch, Hurerei, Diebstahl, falsches Zeugnis, Lästerung. Wir sind Fleisch vom Fleisch geboren, und es bedarf weiter nichts, als daß wir darauf säen, um vom Fleisch das Verderben zu ernten. Die Gesinnung dieses Fleisches ist Feindschaft gegen Gott. Es bedarf weiter nichts, als sie zu behalten, so sind wir verloren. Man darf nicht denken, es müßten irgendwelche greulichen Dinge von uns begangen werden, um uns in die Hölle zu stürzen. Bleibe nur derjenige, der du von Natur bist: so ist es um dich geschehen. Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen. Ist nicht aber außerdem auch das Gesetz unser Feind, indem es uns verflucht, weil wir ihm nicht untertan sind, es auch nicht vermögen - und der Tod, der uns jeden Augenblick bedroht, uns alles zu rauben, was uns lieb ist, und uns nackt und bloß in eine furchtbare Ewigkeit zu verstoßen? Sehen wir uns nicht auch den heiligen Engeln gegenüber, die einst ausgesandt werden, um alles Unkraut zu sammeln und ins Feuer zu werfen -ja Gott selbst, dem starken und eifrigen, vor dem niemand unschuldig ist? Anlaß besteht also genug zum Kampf. Kämpfe! heißt es deswegen. Niemand spreche: Friede, Friede, es gibt keine Gefahr! Was geht dich der Friede an? Ja, mit Kämpfen allein ist die Sache keineswegs abgetan, sondern mit Siegen, mit Überwinden, sonst bleiben wir gefangen und elend. Dies ist, was Paulus sagt: “So jemand auch kämpft, wird er doch nicht gekrönt, er kämpfe denn recht“, wo er von der Beschaffenheit des geistlichen Kampfes redet. Man kann also kämpfen, ohne gekrönt zu werden, ohne den Sieg davonzutragen. Das kann im natürlichen Bereich ebenso wie im geistlichen geschehen. Das ist eine merkwürdige Wahrheit, die wir wissen müssen. Du kannst kämpfen, ohne doch gekrönt zu werden, ohne zu siegen, wegen der Menge und Stärke der Feinde, wenn jemand, wie Christus sagt, einem, der mit zwanzigtausend gegen ihn kommt, mit zehntausend entgegenziehen wollte. Das ist hier nicht der Fall, nicht die Ursache des Nichtsiegens. Wo kämen dann die Überwinder her? Die zehn Kundschafter erhoben ein böses Geschrei gegen das Land Kanaan: “Es ist unmöglich, daß ihr es einnehmt, wir sind ihnen gegenüber wie Heuschrecken“, Josua aber sagte: “Wie Brot wollen wir sie fressen, denn der Herr ist mit uns“. So müssen auch wir nicht etwa wegen der Menge und Stärke der Feinde scheitern, auch nicht weil sie uns zu listig und verschlagen wären, und auch nicht, weil wir zu schwach sind. Müßte der Kampf auf dieser Grundlage, nach solchen Berechnungen geführt werden, wäre er schon verloren, ehe er begonnen hat. Denn Gott selbst sprach zu dem Volk: “Die Völker sind größer und stärker als du, wie du auch gehört hast: Wer kann gegen die Kinder Enaks bestehen? Ihr seid nur ein Haufen Ameisen gegen sie.“ Es ist aber gewiß, daß häufig gekämpft wird, ohne die Krone zu erlangen, obwohl der Grund nicht in der Menge, Macht und List der Feinde, oder in unserer Schwachheit liegt. Denn das ist eine gewisse Wahrheit, daß wir dennoch siegen können, obwohl wir schwach und töricht, jene aber stark und listig sind. Was ist aber der wahre Grund, wenn jemand, obwohl er kämpft, dennoch nicht gekrönt wird? Es liegt daran, wenn er nicht recht kämpft, wohingegen derjenige gekrönt wird, der recht - oder wie es eigentlich heißt, den Gesetzen des Kampfes gemäß - kämpft. Paulus bezieht sich auf Kampfspiele, die bei den Griechen üblich waren. Mochte jemand dort auch so kämpfen, daß er es den anderen zuvortat, z.B. im Lauf das Ziel eher erreichte als der, mit dem er um die Wette lief, so bekam er doch den für den zuerst am Ziel Eintreffenden bestimmten Kranz nicht, wenn er nicht den Gesetzen des Wettlaufs gemäß gelaufen war, was Richter zu beurteilen hatten. Laßt uns denn erwägen, was es heißt, recht, den Kampfgesetzen gemäß, zu kämpfen. Laßt uns diese Kampfgesetze kennenzulernen suchen, woraus dann zugleich erhellen wird, was es heißt, nicht recht zu kämpfen. Sie sind hauptsächlich zweierlei Art; ein Teil ist der Vernunft gemäß, der andere dem Evangelium eigentümlich. Von der ersten Art ist dieses Kampfgesetz: Kämpfe gegen alle geistlichen Feinde, keinen ausgenommen. Läßt du einen einzigen unangetastet und in Frieden, so gewinnt er die Überhand, und du bist verloren. Kämpfe ernstlich, so daß es dir in der Tat um den wirklichen Sieg zu tun ist. Es darf dir nicht genug sein, sagen zu können: “Ich bekämpfe meine Unarten“, sondern ihre wirkliche Ausrottung ist die Sache, um die es geht; wenn sie nicht der Erfolg ist, so kann der Kampf zwar mühsam sein, aber er ist fruchtlos. Was hilft es einer Armee, tapfer gefochten zu haben, wenn sie dennoch geschlagen wird, wenn die feindliche Armee auch einigen Schaden erleidet, aber doch siegt? Kämpfe gegen den Hauptfeind am meisten und richte gegen ihn den Hauptangriff. Was würde es in einem Krieg nützen, wenn eine Nebenarmee geschlagen, irgendeine Festung erobert würde, aber die Hauptmacht noch übrig wäre? Was nutzt es, einem giftigen Baum einige Zweige zu nehmen, den Stamm und die Wurzel aber stehenzulassen, die heute oder morgen desto üppiger wächst? Was hilft es etwa, das Äußere am Becher zu reinigen, das Innere aber voller Unsauberkeit zu lassen, bloß einige sündige Ausbrüche zu verhüten, die Wurzel aber stehenzulassen? Der Grund selbst, woraus es quillt, muß angegriffen und umgeändert werden. Der wilde Baum muß ein Edelreis eingesetzt bekommen, dann wird seine Frucht gut. Man darf sich beim geistlichen Kampf nicht verrechnen. Es geschieht nicht selten, daß eine feindliche Armee sich geschlagen stellt und eine vorgetäuschte Flucht ergreift, aber nur, um in einen Hinterhalt zu locken, wo sie ihren Zweck erreicht. Die Pharisäer durchzogen Land und See, um Proselyten zu machen, und machten nur zweifache Kinder der Hölle aus ihnen. Sie selbst meinten, wunder was sie wären, und doch war für die rohesten Leute noch mehr Hoffnung als für sie. Jemand kann sich bis zu einem sehr ehrbaren Lebenswandel bekehrt haben und dann in die unheilbaren Netze der Eigengerechtigkeit geraten sein. Will man mit Erfolg und so kämpfen, daß man den Sieg davonträgt, so lehrt schon die Vernunft, daß man mit allem dazu Dienlichen ausgerüstet sein muß. Man muß seinem Feind überlegen sein: überlegen an Weisheit, so daß er mit aller seiner List und Klugheit an uns zuschanden wird, wir ihm aber überall Schaden tun; an Waffen, so daß die seinigen dadurch unbrauchbar gemacht werden, die unsrigen treffen und die seinen verfehlen; an Macht, so daß die seinige sich nur zu ihrem eigenen Verderben dagegen auflehnt. Kurz, in allem müssen wir unseren Feinden überlegen sein, das will aber etwas Großes bedeuten: Ich soll mir selbst überlegen sein, der Welt, dem ganzen höllischen Heer, dem Gesetz, dem Tod und - darf man es sagen - Gott selbst. Unter solchen Umständen sieht es sonderbar ums Kämpfen und Siegen aus. Welches sind denn die übrigen Regeln? Sie sind allerdings dem Evangelium eigentümlich und folglich nicht von dieser Welt, und um sie zu verstehen, wird man vor der Welt ein Narr werden müssen, damit man weise werde vor Gott. In 4. Mose 14 wird uns eine sonderbare Geschichte erzählt. Das Volk Israel war durch die bösen Nachrichten, welche die Kundschafter von Kanaan brachten, so mutlos geworden, daß es nach Ägypten zurückwollte. Hierüber wurde der Herr so zornig, daß er das ganze Volk umbringen wollte, sich aber durch die Fürbitte Moses bewegen ließ, es nicht zu tun. Die Kundschafter aber mußten sterben. Da machte sich das Volk am anderen Morgen auf und sprach: “Hier sind wir und wollen an die Stätte hinaufziehen, von der der Herr geredet hat; denn wir haben gesündigt.“ Aber war es vorher nicht recht gewesen, daß sie nicht kämpfen wollten, so war es nun nicht recht, daß sie es wollten. Sie taten es aber doch und wurden geschlagen; denn der Herr war nicht mit ihnen. So jemand auch kämpft, wird er doch nicht gekrönt, er kämpfe denn recht. Die erste und vornehmste Kampfregel nun ist diese: Sei wiedergeboren, denn alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt. Ist jemand wiedergeboren, so ist in ihm ein Größerer als in der Welt ist, denn ihr seid aus Gott. Dies ist das erste, unumgängliche Erfordernis zum geistlichen Kampf und Sieg, denn bis dahin ist er tot in Sünden, wird aber durch die Wiedergeburt aus einem Toten zu einem Lebendigen. Nun ist Geist in ihm; dieser streitet gegen das Fleisch, da sein ganzer bisheriger etwaiger Kampf nur Luftstreiche waren. Eine andere Kampfregel lautet: Sei an den Herrn Jesus gläubig. Denn wer ist es, der die Welt überwindet, außer dem, der glaubt? Der Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. Das ist auch nicht verwunderlich; denn was tut der Glaube? Durch ihn wird man Christi teilhaftig (Hebräer 3, 14), mit ihm vereinigt wie eine Rebe mit dem Weinstock, wird ein Glied an ihm. Er wird unsere Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung. Wer könnte einem solchen schaden, und sollte ein solcher nicht mit allem Fug und Recht sagen können: “In allem überwinden wir weit um deswillen, der uns geliebt hat. Ich vermag alles.“ Denn dem, der glaubt, sind alle Dinge möglich. Will also jemand recht kämpfen, daß er auch gekrönt werde, dann sei er an den Herrn Jesus gläubig. Dann kann er wachsen, beten - alles, was er sonst wohl mußte und wußte, aber nicht vermochte. Die dritte Regel heißt: “Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner StärkeSei stark durch die Gnade; daraus erwächst jene Gemütshaltung des Josaphat: “In uns ist keine Kraft, wir schauen nach dir.“ Man kann zum Kämpfen und Gekröntwerden nicht nur zu schwach, sondern auch, so seltsam es klingt, zu stark sein - daß Gott deswegen keinen Sieg gibt, weil man sich sonst ihm gegenüber rühmen würde (Richter 7, 14). Der Herr wird sich seiner Knechte erbarmen, wenn er nach 5. Mose 32, 36 sieht, “daß ihre Macht dahin ist“. “So ihr stille bliebet, würdet ihr stark sein“ (Jesaja 30, 15) lautet die vierte Regel. Eine fünfte finden wir in 5. Mose 1: “Wirst du in deinem Herzen sagen: Dieses Volk ist größer als ich bin, wie kann ich sie vertreiben, dann entsetzt und fürchtet euch nicht vor ihnen. Der Herr, euer Gott, zieht vor euch hin und wird sie in eure Hand geben.“ Freilich mag von diesen und noch anderen geistlichen Kampfregeln gesagt werden, was Paulus grundsätzlich feststellt: “Mein Wort und meine Predigt war nicht eine vernünftige menschliche Weisheit, sondern wir reden von der heimlich verborgenen Weisheit, die Gott zu unserer Herrlichkeit verord- net hat, nicht mit Worten, welche menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Heilige Geist lehrt, und richten geistliche Dinge geistlich.“ So viel aber ist gewiß, daß nur ein nach diesen Regeln geführter Kampf gekrönt wird und den Sieg erlangt - einmal schon hier auf Erden. Wem es gegeben ist, sich nach diesen Regeln zu verhalten, bei dem wird das fürchterliche Bild, das er sich vom Kämpfen gemacht hat, wegfallen. Der wird die entmutigenden Erfahrungen nicht mehr zu machen brauchen, daß er aller seiner Vorsätze ungeachtet immer aufs neue überwunden wird, dem wird die göttliche Kraft zuteil, die zum Leben und göttlichen Wandel dient. Er wird ebenso vor Leichtsinn auf der einen, wie vor Zaghaftigkeit auf der anderen Seite glücklich bewahrt bleiben und erfahren, daß das Joch Jesu wirklich sanft und seine Last leicht ist. Vergeblich erwartet man auf einem anderen Wege die Krone, möchte man die Mühe, die man sich gibt, auch noch so hoch veranschlagen. Freilich mußtest du aber sechs Tage arbeiten und das erfahren, was David in Psalm 18, 35 sagt: “Du lehrst meine Hände, Krieg zu führen, und lehrst meine Arme, einen ehernen Bogen zu spannen.“ Die völlige Krönung erfolgt allerdings erst am Ziel. Bei aller Angst in dieser Welt findet die gläubige Seele freilich Frieden in Christus: “Solange wir in dieser Hütte wohnen, sind wir beschwert und sehnen uns nach unserer Behausung, die vom Himmel ist, und uns verlangt danach, damit überkleidet zu werden. Der uns aber dazu bereitet, ist Gott, und wir begehren, abzuscheiden und bei Christus zu sein.“ - “Wenn aber dies Verwesliche das Unverwesliche anziehen wird, dann wird das Wort erfüllt werden, das geschrieben steht: Tod, wo ist dein Stachel; Hölle, wo ist dein Sieg? Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unseren Herrn Jesus Christus. Darum, liebe Brüder, seid fest und unbeweglich, und nehmt immerdar zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wißt, daß eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn!“ Amen. Anhang Hinweise zu den Quellen und ihrer Bearbeitung Bei den Editionsarbeiten ließ ich mich von dem doppelten Vorsatz leiten, die englischen und älteren deutschen Originaltexte mit einer angenehm lesbaren Gestalt zu versehen, zugleich jedoch die ursprüngliche Aussageabsicht der Autoren möglichst weitgehend nach Form und Inhalt zu bewahren. So fand hinsichtlich der zweiten Textgruppe das Bestreben nach einer gewissen sprachlichen Modernisierung einerseits (Anpassung von altertümlicher Rechtschreibung, Zeichensetzung und zuweilen auch Wortwahl an den heutigen Sprachgebrauch) doch andererseits seine Grenze darin, daß öfter Unebenheiten unverändert gelassen wurden, wie z.B. zwar veraltete, aber noch verständliche, oder gar derbe, aber doch treffende Formulierungen, die die Originalität des jeweiligen Sprechers kennzeichnen. Wenn auch die Bearbeitung der Texte notwendigerweise mancherlei Umgestaltungen beinhaltete, habe ich mich doch bemüht, nach Möglichkeit nur dort zu verändern bzw. zu kürzen, wo es im Dienste der besseren Verständlichkeit und Aktualisierung für den heutigen Leser von Vorteil schien. Zur Hervorhebung wurde oftmals Kursivdruck eingeführt, zur besseren Übersichtlichkeit in zusätzliche Paragraphen unterteilt. Auslassungen wurden um der bequemeren Lesbarkeit willen als solche nicht kenntlich gemacht. Umfangreichere Kürzungen sind im Zusammenhang mit den anschließenden Quellenhinweisen besonders vermerkt. Allen denjenigen, die mir bei der Beschaffung oder Nutzung einiger der folgenden Materialien behilflich waren, möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. SPURGEON: The Story of God’s Might Acts. C.H. Spur- geon. Evangelical Press, London. Diese Predigt, die am 17. Juli 1859 in der Surrey Gardens Music Hall gehalten wurde, ist um einige Passagen geringerer Bedeutung gekürzt. FINNEY: TORREY: CAMPBELL: THOLUCK: HOFACKER: GOSSNER: “Revival“. By President Finney. In: The Oberlin Evangelist. Vol. 23, Whole No. 593, pp. 161/162; Vol. 23, Whole No. 594, pp. 169/170; Vol. 23, Whole No. 595, pp. 177/ 178. Microfilmed by Oberlin College, Oberlin/ Ohio 1972. An Finneys Beitrag, ursprünglich in drei Teilen fortlaufend veröffentlicht, wurden im Zuge einer eingehenderen Bearbeitung umfängliche Kürzungen vorgenommen. “The Holy Spirit in a Revival“ in: How to Promote & Conduct a Successful Revival. With Suggestive Outlines. Edited by R.A. Torrey. London, Andrew Melrose, (1901), pp. 11-18. “God’s Instrument in Revival“ in: God’s Answer. Revival Sermons by Duncan Campbell. Christian Literature Crusade, Fort Washington/Pennsylvania, (1967), pp. 50-59. “Wie aller Reformation der Kirche die Reformation an uns selbst vorausgehen muß“ in: Acht und zwanzig Zeitpredigten 1845 bis 1852, gehalten von Dr A. Tholuck. Aus dem Verlag von Rieh. Mühlmann in Halle übergegangen 1863. an Friedrich Andreas Perthes in Gotha. Predigten über die neuesten Zeitbewegungen von Dr A. Tholuck. Drittes Heft: Zehn kirchliche Zeitpredigten. Halle, Verlag von Richard Mühlmann 1851. S. 1-15. Eine Reihe zeitgebundener Äußerungen, im wesentlichen in der Einleitung, wurde fortgelassen. “Am dritten Sonntage des Advents. Einige Hindernisse, warum es bey vielen Menschen zu keiner Ruehrung durch das Wort Gottes komme“ in: Predigten für alle Sonn-, Fest-und Feiertage von M. Ludwig Hofacker, Pfarrer in Rielingshausen. Erster Band. Stuttgart, in Commission bey Joh. Friedr. Steinkopf. 1831. S. 262-287. “Das göttliche Leben, oder Henochs Wandel. Predigt über 1. Mose. 5, 22-24. 1829“ in: Sammlung gedruckter und ungedruckter Predigten von Johannes Goßner, Prediger an der Bethlehems-Kirche zu Berlin. Nürnberg, im Verlag der J. Ph. Raw’schen Buchhandlung, 1838. S. 506-522. KRUMMACHER:“Kämpfe recht! Predigt über 2. Timotheus 2, 5“ in: Gottfr. Dan. Krummacher’s gute Botschaft in fünfundvierzig Predigten. Herausgegeben und mit einer Biographie des Verfassers begleitet von Emil Wilh. Krum-macher, evang.-ref. Pastor zu Langenberg. Elberfeld 1838, Verlag der Wilhelm Hassel’ sehen Buchhandlung. S. 438-446. Die einzig nennenswerte Kürzung stellt der Wegfall des Predigteingangs dar. Das vorliegende Buch will schlicht denjenigen, denen eine geistliche Erneuerung heute ein Anliegen ist, Wahrheiten über Erweckung weitergeben und nicht wissenschaftlichen Maßstäben Genüge tun. Daher wurde auch auf eine Angabe der zur Erstellung der Kurzbiographien benutzten Sekundärliteratur verzichtet. Diese findet sich zu einem Teil in den nachfolgenden Literaturhinweisen; besonders genannt sei jedoch das hilfreiche Werk: Evangelisches Gemeindelexikon. Herausgegeben von E. Geldbach, H. Burkhardt, K. Heimbucher. R. Brockhaus Verlag Wuppertal (1978). Bibeltexte zum Themenkreis Erweckung Bücher, Kassettenvorträge u.a.m. verschaffen uns manch lehrreichen Aufschluß über vergangenes und gegenwärtiges Erwek-kungsgeschehen. Doch sind wir nicht dazu aufgerufen, ständig zur Quelle aller Wahrheit, auch der über Erweckung, zurückzukehren: zum Wort Gottes? Denn gerade durch das sorgfältige Studium der Bibel - in demütiger Offenheit gegenüber der Unterweisung durch den Heiligen Geist - erleben wir, wie Aussagen der Heiligen Schrift für uns ganz persönlich verbindlich werden und auf unser Leben verändernd Einfluß nehmen. Die folgende Zusammenstellung von Schriftabschnitten hilft uns, Prinzipien geistlicher Erneuerung zu entdecken; indem wir diese ausleben, werden wir zu Gottes Werkzeugen für Erwek-kung geformt. Die aufgeführten Verheißungen, die für uns in Christus ja und amen sind (2. Korintherl,20), vermögen nicht nur unseren Glauben zu stärken, Gott für eine umfassende geistliche Neubelebung in unserer Zeit zu vertrauen. Sondern sie liefern uns zudem die Grundlage, auf die wir uns in unseren Gebeten für Erweckung stellen dürfen. Berichte von Erweckung 1. Samuel 7,2-14 2. Könige 22-23,28 2. Chronik 14.15 2. Chronik 29-32 Esra 8,35-10,17; Nehemia 8-10 Jona 3 Apostelgeschichte 1-5 Erweckliche Texte und Verheißungen 1. Könige 18,17-40 2. Chronik 7,14 Psalm 24,3-6; 37; 51 Psalm 80; 85; 143,5-1 1 Jesaja 41.17-20; 43,18-21; 44,3 Jesaja 57,15 Jesaja 64,1-3 Jeremia 3,21-4,4 Jeremia 29,11-14 Klagelieder 5,21 Hesekiel 18,30-32; Hosea 10,12 Hesekiel 37 Daniel 9,1-23 Hosea 6,1-3 Joel 2.12-17 Joel 2,21-3,5 Habakuk 1,5 Habakuk 3,2 Sacharja 4,6 Sacharja 12,10 Maleachi 3,6-12 Matthäus 5,3-12 Matthäus 13,1-9.18-23 Markus 2,21.22 Lukas 11,9-13 Lukas 12,49 Lukas 18,9-14 Römer 12,1.2 1. Korinther 13 2. Korinther 6,14-7,1; 1. Johannes 2,15-17 Galater 5,16-26 Epheser 5,18 1. Petrus 1,13-19; Titus 2,11-14 1. Petrus 4,17 1.Johannes 3,19-24 Hebräer 12,14 Jakobus 4,1-10 Jakobus 5,16-18 Offenbarung 2.3 Literatur über Erweckung Allen denjenigen, die sich mit weiterem Schrifttum über Erweckung beschäftigen wollen, möchte ich mit der untengenannten Liste Anregungen bieten. Diese Auswahl umfaßt neben mehr systematischen Abhandlungen über Erweckung und über Gebet auch Lebensbeschreibungen, Erweckungsberichte und erweckliche Botschaften. Dabei sind bewußt nur solche Titel genannt, die zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Buches erhältlich waren. Beyreuther, E. Beyreuther, E. Birkenstock, I. Busch, W. Die Erweckungsbewegung. 2. ergänzte Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen (1977). Der junge Zinzendorf. Francke-Buchhand-lung, Marburg (1957). Zinzendorf und die sich allhier beisammen finden. Francke-Buchhandlung, Marburg (1959). Zinzendorf und die Christenheit. Francke-Buchhandlung, Marburg (1961). (Umfassende dreibändige Beschreibung des Lebens Z.s und des sich ausweitenden Dienstes der Brüdergemeine im Anschluß an die Herrnhuter Erweckung von 1727) Eiserne Türen zerbrechen. Erweckung unter den Zulus mit Erlo Stegen. Schulte + Gerth, Wetzlar 1979. (Erweckung in Südafrika seit über einem Jahrzehnt) Die von Herzen dir nachwandeln. Gestalten des rheinisch-westfälischen Pietismus. 5. Auflage, Schriftenmission, Gladbeck (1975). Coleman, R. (Hrsg.)Die Stunde Gottes. Erweckung in Asbury. Herold, Frankfurt/Main o.J. (Eine Erweckung vom Frühjahr 1970, die von diesem College auf viele Universitäten Amerikas Übergriff) Daniel, J. John Wesley und die Erweckung in Eng- land. St.-Johannis-Druckerei C. Schweick-hardt, Lahr-Dinglingen (1979). Erb, J. Finney, C.G. Finney, C.G. Finney, C.G. (Finney, C.G.) Goforth, J. Grubb, N.P. Hahn, F. (Hrsg.) Hauss, F. Hession, R. Hession, R. Kantzenbach, F.W. Erwecker und Evangelisten. Gestalten aus dem Evangelischen Namenkalender. St. -Johannis-Druckerei C. Schweickhardt, Lahr-Dinglingen (1967). Das Gebet des Gerechten als Mittel zur Förderung einer Erweckung. Harfe, Aar-burg/Schweiz 1971. Das Gebetsleben der Gläubigen. 2. Auflage, Freundes-Dienst, Biberstein/Schweiz 1973. Der Weg zur Erweckung, Freundes-Dienst, Biberstein/Schweiz o.J. Die gekürzte Lebensgeschichte Charles G. Finneys. Autobiographie. Herold, Frankfurt/Main o.J. Durch meinen Geist. Herold, Frankfurt/ Main o.J. (Zum Erweckungsgeschehen in Korea und China am Beginn dieses Jahrhunderts) Fürbitte ändert die Welt. Aus dem Leben des Fürbitters Rees Howells. Herold, Frankfurt/Main 1975. Über geistliche Erweckung aus Rev. Charles G. Finneys Reden. Harfe, Aarburg/Schweiz 1976. Väter der Christenheit. 5. Auflage, R. Brockhaus, Wuppertal 1976. (U.a. werden Leben und Wirken zahlreicher Erwecker verschiedener Länder bebeschrieben) Christus ist mein Leben. Meine Erlebnisse in Gottes Schule. R. Brockhaus, Wuppertal 1979. Das neue Erwachen. Ein Aufruf zur Erweckung der Gläubigen. 9. bearbeitete Auflage, R. Brockhaus, Wuppertal 1978. Die Erweckungsbewegung . Studien zur Geschichte ihrer Entstehung und ersten Ausbreitung in Deutschland. Freimund, Neuendettelsau 1957. Lean, G. John Wesley - Modell einer Revolution ohne Gewalt. 3. Auflage, Brunnen, Gießen und Basel 1974. Monsen, M. Erweckung in China 1927-1937. Herold, Frankfurt/Main o.J. Pagel, A. Ludwig Hofacker. Gottes Kraft in einem Schwachen. 3. Auflage, Francke-Buch-handlung, Marburg (1976). Pollock, J. Dwight L. Moody. Vater der modernen Evangelisation. Christliche Verlagsanstalt, Konstanz 1973. Redpath, A. Sieghafter Dienst. Seelsorgerliche Studien zum Buch Nehemia. Francke-Buchhand-lung, Marburg (1975). Rice, J.R. Erweckungsbotschaften. Herold, Frankfurt/ Main o.J. Riecker, 0. Das evangelistische Wort. Pneumatologie und Psychologie der evangelistischen Bewegung, Träger, Rede und Versammlung. Hänssler, Neuhausen-Stuttgart (1974). (Grundlage des Werkes ist die Verkündigungstätigkeit der Evangelisten White-field, Wesley, Finney, Moody, Schrenk und Keller) Riecker, O. Herausforderung an die Gemeinde. Der erweckliche Geist und die Lebendigkeit der Gläubigen. Hänssler, Neuhausen-Stuttgart (1972). Roessle, J. Von Bengel bis Blumhardt. Gestalten und Bilder aus der Geschichte des schwäbischen Pietismus. 5. Auflage, Franz, Metzingen 1975. Roessle, J. Zeugen und Zeugnisse. Die Väter des rheinisch-westfälischen Pietismus. Christliche Verlagsanstalt, Konstanz 1968. Singh, B. Das Geheimnis erlebter Erweckung. Die Rückkehr der Herrlichkeit Gottes. Schwengeler, Berneck/Schweiz (1979), Smith, O.J. Smith, O.J. Stucki, A. Torrey, R.A. (Verf. unbek.) (Wesley, J.) Woolsey, A.A. Glühende Retterliebe. 12. deutschsprachige Auflage, Brendow, Moers 1978. Keine Erweckung ohne Buße. Mitternachtsruf Verlag Große Freude, Pfäffi-kon/Schweiz o.J. R.A. Torrey. Ein Weltevangelist. Majer, Basel (1962). Die Macht des Gebets und das Beten in Vollmacht. Herold, Frankfurt/Main o.J. Der kniende Christ. Herold, Frankfurt/ Main o.J. (Tiefgründige Abhandlung über das Gebet) Das Tagebuch John Wesleys. Herold, Frankfurt/Main o.J. Im Kampffeld Gottes. Lebensbild von Duncan Campbell, Erweckungsprediger unserer Zeit. Herold, Frankfurt/Main o.J. Günter Krallmann, 1948 geboren, studierte Anglistik und Philosophie. Nach mehrjähriger Tätigkeit im gymnasialen Schuldienst schloß er sich 1978 vollzeitig “Jugend mit einer Mission“ an und nimmt im Rahmen dieses Werkes u.a. Publikationsaufgaben wahr. Er ist verheiratet und hat einen Sohn. Notizen Notizen Notizen Notizen Was bedeutet Erweckung? Wann ist Erweckung nötig? Heiliger Geist und Erweckung Bedingungen für Erweckung Gebet und Erweckung Was hindert Erweckung? gebrauchen? „Denn ich will Wasser ausgießen auf das dürstende Land...“ geht unter anderem auf diese Aspekte ein. Die Botschaften - vier stammen von angloamerikani-schen Erweckungspredigern der Vergangenheit, die übrigen von herausragenden Vertretern der deutschen Erweckungsbewegung des vorigen Jahrhunderts - bieten all denen Wegweisung und Hilfe an, die mehr über Erweckung erfahren möchten; zugleich fordern sie dazu auf, mit ganzer Hingabe und Kraft für die Förderung einer umfassenden Erweckung heute zu leben. .. eine Erweckung kann es nur in dem Umfang geben, wie sie zu einem persönlichen Anliegen gemacht wird, indem jeder eine Erweckung in seiner eigenen Seele sicherstellt.“ Wen kann (Charles G. Finney) Jugend mit einer Mission e.V. Hurlach Oncken Verlag Wuppertal und Kassel