Shlomo Drori Jurek Schulz ; ' Raphael & Cindy Hohmann Chrischonarain 200 4126 Bettingen/CH Email: diehohmanns@gmx.de Von Eden bis zum Paradies Shlomo Drori / Jurek Schulz Von Eden - bis zum Paradies Shlomo Drori / Jurek Schulz Gottes Heilsgeschichte in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Brunnen Verlag • Basel und Gießen Von Eden bis zum Paradies Gottes Heilsgeschichte in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Deutsche Ausgabe: Copyright © 2006 by amzi, Reinach BL Verlag: Brunnen Verlag Basel Bestellnummer: 111.371 ISBN:3-7655-i37i-7 Titelfoto: Hanspeter Obrist Umschlaggestaltung und Satz: Rita Binkert Druck: Ebner & Spiegel GmbH, Ulm Printed in Germany INHALT Vorwort 7 1 Der verheißene Messias 9 (bis 536 v.Chr.) 12 A Garten Eden - der Bund mit Noah - der Bund mit Abraham - die Patriarchen LJ B Die Schaffung des erwählten Volkes-der Sinai-Bund 24 C Die ersten Schritte im Gelobten Land unter Josua und den Richtern 32 D Samuel - Saul - David 35 E König Salomo 42 F Das geteilte Reich - Nordreich Israel und Südreich Juda 45 G Die Propheten 56 - Der erwartete Messias (536-4 v.Chr.) 66 A Rückkehr aus dem Babylonischen Exil 66 B Gott schweigt - die Zeit zwischen Maleachi und Johannes dem Täufer 7' 3 Der offenbarte Messias (4 v.Chr.-30 n.Chr.) 77 A Die vier Evangelien 77 B Das Wirken Jesu 81 4 Der verkündete Messias (30-325 n.Chr.) 94 A Die Apostolische Zeit 94 B Die judenchristliche Erweckung 116 Der Messiasglaube als Religion (4.-18. Jahrhundert) 133 A Die Konstantinische Wende 133 B Papsttum 145 C Kirche und Juden im Mittelalter 150 D Verschiedene Bemühungen, die Religion zu reformieren 154 Die Reformation in Deutschland 159 F Die Gegenreformation 165 Das 18. Jahrhundert - Ende einer Epoche 168 Der Messias in der modernen Welt (19. Jahrhundert bis Gegenwart) 177 Zwischen Aufklärung und Atombombe 177 Das Ende der Illusion des ständigen Friedens (1900-1945) 185 C Das «Heute» (ab 1945) 200 Epilog: Auf dem Weg zum neuen Jerusalem 210 Licht und Schatten in der Welt des neuen Menschen 210 Welcher Weg führt zum neuen Jerusalem? 212 Bibliografie 215 Vorwort Zwei Gründe haben mich zum Schreiben dieses Buches veranlasst. Nachdem vier Bücher, unter anderem auch meine Autobiografie. erschienen waren, reifte in mir der Wunsch heran, auch über den Heilsplan Gottes zu schreiben; ein Buch, in dem die Gnade Gottes mit den Menschen deutlich werden sollte. Der andere Grund besteht in der Tatsache, dass, nach unserer Zeitrechnung, das dritte Jahrtausend angebrochen ist. Ist es Zufall, dass der Großteil der Welt seine Zeitrechnung mit dem Geburtsjahr einer Person beginnt - oder hat diese Art der Zeitrechnung eine bestimmte Bedeutung? Ich glaube, dass sie symbolisch ist. Gott will, dass die ganze Menschheit immer an das Datum erinnert wird, an dem das wichtigste Ereignis der Geschichte stattfand: das Jahr, in dem das Wort Gottes Fleisch, d.h. Mensch, wurde, und Jesus als Messias in die Welt kam. Dies war ein bedeutender Einschnitt in Gottes Heilsgeschichte. Man muss in der Vergangenheit forschen, um Wegweisung für die Zukunft zu finden. Für uns als Christen und als Gemeinde Jesu als Ganzes gilt es, gleichzeitig zu prüfen, ob die Vergangenheit und auch die Gegenwart dem entsprechen, was der Messias lehrte, um getrost in die Zukunft gehen zu können. Dabei soll uns folgender Bibelvers als Richtschnur dienen: «Jesus, der Messias, derselbe gestern, heute und in Ewigkeit!» (Hebr. 13,8). Der Hauptzweck dieses Buches ist, dem Leser die große Gnade Gottes vor Augen zu stellen, um dadurch Mut für morgen zu schöpfen. Von der Schöpfung geht es zu den beiden Höhepunkten der göttlichen Offenbarung, Sinai und Golgatha, sowie zu dem fast zweitausend Jahre andauernden Zeitraum, in dem leider nicht mehr Gottes Wort Lebensquelle und -maßstab ist, sondern eine menschlich-religiöse Politik; eine Zeit, in der Gott dennoch segnend eingreift. Das letzte Kapitel, der Epilog, soll Ihre Gedanken auf das Wort Gottes lenken, das uns in die Zukunft leiten möchte. Ich selbst bin messianischer Jude, d.h. ethnisch gesehen gehöre ich zum Volk Israel und bin somit ein Nachkomme der alttestamentlichen Patriarchen. Auch Mose und David waren meine Vorfahren. Doch, was meinen Glauben betrifft, gehöre ich nicht zum rabbinischen Judentum, der Religion, die nach der Zerstörung des Zweiten Tempels entstand. Mein Glaube ist messianisch, der hebräische Ausdruck für «christlich». Daher gehöre ich geistlich zum Leib Christi, der Weltgemeinde Jesu. die an den jüdischen Messias glaubt. Solch eine Identität macht mich zum direkten Nachkommen der jüdischen Urgemeinde, und meine Kommentare spiegeln dies natürlich wider. Ich bin auch ein Israeli und lebe seit sechzig Jahren in dem Land, das nicht nur die Heimat meiner Vorfahren war, sondern auch Jesu Heimat, der Ort. an dem er lebte und wirkte, und das einzige Land der Welt, wo Gott sich mehrfach offenbarte und es sein Land nannte! Es mag sein, dass dieses Buch für so manchen Leser wie ein Lehrbuch wirkt. Doch meine eigentliche Absicht damit ist. altes Wissen wieder aufzufrischen und es durch die Perspektive der Gnade Gottes wiederzugeben. Der Inhalt dieses Buches soll das Rohmaterial sein, aus dem der Leser sich ein besseres Verständnis über das Handeln Gottes mit den Menschen bilden kann. Nun noch ein paar Worte zum Inhalt des Buches: Von Eden -über Sinai und Golgatha - zum neuen Jerusalem. In Eden, im Paradies, nahm die Geschichte der Menschheit ihren Anfang. Und dort, gleich zu Beginn, versagte der Mensch, traf die falsche Wahl. Er wollte wie Gott sein, deshalb hörte er auf die Schlange, das Sinnbild des Satans. Damit schaufelte der Mensch sich sein eigenes Grab, die Sünde kam in die Welt und trennte die Menschheit von ihrem Schöpfer. Dann kam Sinai, wo Gott sich ein eigenes Volk schuf, «damit es seinen Ruhm verkünde» (Jes. 43,21). Was Gott dem Volk Israel am Berg Sinai gab, war ein erneuerter Beweis seiner Liebe und Gnade gegenüber dem Menschen. Das neue Gesetz vom Sinai ist eine Art Kodex für das Verhalten des Menschen Gott gegenüber, aber auch für den Umgang der Menschen miteinander. Was darin verlangt wird, ist jedoch für den sündigen Menschen unmöglich zu schaffen. Und Gott besteht dennoch auf seiner Gerechtigkeit, die die Bestrafung von Sünden fordert. Doch gerade darin zeigt sich die unendliche Liebe des Schöpfers: Sünde muss bestraft werden, aber es muss nicht der Sünder selbst sein, der die Strafe trägt! Mit der Sinai-Lehre gab Gott seinem Volk auch das stellvertretende Opfer. Das war die Lösung, um die beiden Eigenschaften Gottes - Gerechtigkeit und Liebe - wiederherzustellen. Die Sünde wurde bestraft, doch der Sünder blieb am Leben, weil jemand anderes für ihn büßte. Über 1300 Jahre war das eine Lösung für Israel, solange ein Tempel bestand. Dann erweiterte Gott seine Heilsabsichten, wie er es vorausgesagt hatte, um für die gesamte Welt eine Möglichkeit der Erneuerung zu schaffen. Der Sohn Gottes, sein Sohn, kam in die Welt. Das Wort Gottes wurde Fleisch, wurde Mensch! Das Prinzip, das hinter der Sinai-Lehre stand, sollte nun in einer anderen, tausendmal besseren, vollkommeneren Art verwirklicht werden. So kam Golgatha, der stellvertretende Opfertod des Messias am Kreuz. Die vollkommene, alles einschließende und universale Buße für die Sünden der Welt. Das war der Höhepunkt in den Offenbarungen Gottes, und die letzte, bis zur Rückkehr seines Sohnes. Zwischen Golgatha und dem neuen Jerusalem liegen die «Letzten Tage», wie der Verfasser des Hebräerbriefes diese Zeitspanne nennt. Ihre Länge ist dem Menschen unbekannt, fast zweitausend Jahre sind seitdem vergangen, eine sehr lange Zeit. Zwar können wir inzwischen etliche Anzeichen dafür entdecken, dass es mit dieser Welt wohl langsam zu Ende geht, doch wir sollten uns nicht durch unsre Sehnsucht nach der Rückkehr von Jesus zu unbegründeten Spekulationen hinreißen lassen. Bis zum Erscheinen des Messias konnte man im Tenach. dem Alten Testament, schon vieles über sein Wesen und Wirken lernen. Über dreihundert Vorhersagen bezogen sich auf ihn. Doch dann wurde das, was bisher nur wie ein Schatten sichtbar war, Wirklichkeit. Und das lesen wir im Neuen Testament, dem Brit HaChadascha, dem Teil der Bibel, der sie erst richtig vollkommen und dadurch unteilbar macht. Der Messias ist ein Teil der göttlichen Trinität, der Dreieinigkeit, und das bedeutet, dass er sich nicht verändern kann. Im Neuen Testament sind sein Wesen und seine Lehre offenbart wie auch seine Forderungen an seine Nachfolger. So bleibt Jesus immer, zu allen Zeiten, stets derselbe, genau so wie er in der Bibel, im Tenach (Altes Testament) sowie im Brit HaChadascha (Neues Testament), beschrieben wird. Der Glaube an IHN ist zunächst abstrakt, da er etwas sehr Persönliches, eine geistliche Größe für den Menschen ist. Deshalb ist echter Glaube nur durch die Tat und das Verhalten erkennbar. Glauben können ist ein Geschenk. Man kann den Glauben mit einer Kerze vergleichen: Ohne Schutz kann sie leicht verlöschen. Deshalb ist es gut, wenn sie sich in einem Gefäß befindet; auf den Glauben übertragen in einer Ordnung, einer Religion. Doch so wie das Gefäß für die Kerze genau das richtige sein muss, so muss die Ordnung für den Glauben die richtige, also biblisch begründet sein, sonst besteht die Gefahr, dass die Kerze bzw. der Glaube ausgelöscht wird. Leider gab es solche Fälle in der Geschichte des Christentums immer wieder. Jesus wollte keine neue Religion gründen. Durch ihn sollte der biblische Glaube zur Vollkommenheit gebracht werden und nicht nur für die Juden bestimmt sein, sondern für alle Völker. Doch leider kam es dann ganz anders. Ab dem 3. Jahrhundert nach Christus bestand die Gemeinde Jesu fast nur noch aus Heidenchristen, und der Glaube an den Messias wurde schließlich zu einer christlichen Staatsreligion des Römischen Reiches. Trotz der nicht immer rosigen Kirchengeschichte habe ich oben erwähnten Bibelvers als eine Art Motto für dieses Buch gewählt: Jesus, der Messias, ist derselbe - gestern - heute - und in Ewigkeit (Hebr. 13,8). Der Messias verändert sich nicht - er bleibt immer derselbe. Darauf soll dieses Buch hinweisen, egal wie die Geschichte der Menschen aussah. Mein Wunsch und mein Gebet ist auch, dass sich möglichst viele Menschen durch das Lesen der Geschichte Gottes mit den Menschen wieder neu darüber freuen können, wie Gott durch alle Zeiten hindurch handelt. Auf dass wir gestärkt werden als an IHN Glaubende, die wir den Namen «Christen» tragen, und auf dass man über uns das Glei che sage wie über die ersten Gläubigen: «Die, die des Weges sind». Shlomo Drori, Haifa Wort des Dankes Dieses Werk von Shlomo Drori ist eine einmalige Darstellung der Heilsgedanken Gottes. So entschloss ich mich dazu, das Buch durchzuarbeiten und auch den deutschen Lesern zugänglich zu machen. Ganz herzlich danken möchte ich für die tatkräftige Mithilfe von Hanspeter Obrist, Catherine Meerwein, Tabea Andörfer, Annemarie Obrist, Rita Binkert und Christian Meyer, die zur Veröffentlichung dieses Buches beigetragen haben. Zuletzt danke ich meiner Frau Eva für alle Ermutigung und Geduld, die sie mir während dieser Zeit entgegengebracht hat. Ich wünsche mir von Herzen, dass uns dieses Buch eine neue Sicht für Gottes Handeln durch die Geschichte und in seinem Wort eröffnet. Jurek Schulz, Hamburg Der verheißene Messias (bis 536 v.Chr.) «Da nun Jesus hörte, dass Johannes gefangen gelegt war, zog er in das galiläische Land und verließ die Stadt Nazareth, kam und wohnte zu Kapernaum, das da liegt am See im Lande Sebu-lon und Naphtali, auf dass erfüllt würde, was da gesagt ist durch den Propheten Jesaja (8,23-9,1), der da spricht: Das Land Se-bulon und das Land Naphtali, die Straße am See, das Land jenseits des Jordans, das Galiläa der Völker; das Volk, das in Finsternis saß. hat ein großes Licht gesehen, und die da saßen am Ort und im Schatten des Todes, denen ist ein Licht aufgegangen» (Mt. 4,12-16). Was geschah damals, vor etwa zweitausend Jahren in Galiläa? Erschien dort der Heiland der Heidenvölker? Ganz unerwartet, sozusagen vom Himmel gefallen, ohne jegliche Verbindung mit früheren irdischen oder himmlischen Ereignissen? Eine völlig unbekannte Person, in einer eigentlich unpassenden Umgebung? Oder war es anders, war Jesus ein jüdischer Gelehrter, Reformator oder vielleicht ein Prophet? Sah er seine Aufgabe darin, das versteinerte Judentum zu erneuern und zu reformieren? Wurde er falsch verstanden und deshalb von seinen Volksgenossen den Römern ausgeliefert? Erlitt er einfach die für Aufständische übliche Art der Todesstrafe - die Kreuzigung? Diese beiden Anschauungen existieren wirklich, wenn auch nicht immer wortwörtlich so formuliert. Die erste ist die Grundlage der so genannten Zwei-Wege-Theologie, wonach es einen Weg für die Juden gibt und einen anderen für die Völker. Und die zweite Version ist unter Juden weit verbreitet. Jesus war im Grunde genommen ein jüdischer Gelehrter und Reformator. Das Christentum verfälschte seine Lehre und stahl ihn sozu- sagen dadurch dem jüdischen Volk. Jesus sollte unbedingt seinem Volk wiedergebracht werden. Wer war Jesus? - Im ersten Teil dieses Buches wollen wir aufzeigen. dass er der im Alten Testament prophezeite Messias war und ist. A Garten Eden - der Bund mit Noah -der Bund mit Abraham - die Patriarchen Adam und Eva Gott schuf Adam und Eva zu seinem Bild (i. Mo. 1,27), d.h. mit göttlichen Eigenschaften: perfekt, unsterblich, schuld- und sündlos und mit einem freien Willen. Doch leider gebrauchten sie dieses Geschenk für den falschen Weg, den Weg der Unabhängigkeit von Gott. Daraus folgte der Ungehorsam gegenüber Gottes Willen. Sie folgten dem Rat Satans und aßen vom Baum der Erkenntnis, denn sie wollten wie Gott sein, Gott vollkommen gleich. So kamen Schuld und Sünde in die Welt und wurden zu einer unüberwindlichen Trennungsmauer zwischen Gott und den Menschen. Gott musste in diese Entwicklung eingreifen, so folgte sein Gericht und die Bestrafung der Menschen (1. Mo. 3). Adam und Eva mussten das Paradies verlassen. Von nun an war ihr Leben - und das der ganzen Menschheit - voller Leid. Schmerz, Mühe, Enttäuschung und physischem Tod. Alle Fortschritte in Wissenschaft, Medizin und Technologie konnten nichts dagegen ausrichten. In 1. Mo. 3,14-15 sagt Gott aber auch zur Schlange: «Weil du das getan hast, seist du verflucht ... und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Samen und ihrem Samen. Der soll dir den Kopf zertreten, und du, du wirst ihm die Ferse zermalmen.» Diese Verse sind als das «Urevan-geliuni» (Protcvangelium) bekannt, als die erste «Frohe Botschaft». Wir haben hier eine göttliche Prophezeiung: Trotz des andauernden Kampfes zwischen Satan und der Menschheit wird eines Tages die Herrschaft Satans überwunden werden. Im Jahre 33 n.Chr. ist auf dem Hügel Golgatha, vor den Toren des Tempels in Jerusalem, dieser Sieg durch den Messias errungen worden. Dort wurde dem Messias zwar «in die Ferse gebissen», d.h. er musste leiden und sterben, wie es im Alten Testament vorhergesagt war, doch mit seiner Wiederauferstehung wurde sein Sieg bestätigt, der Sieg des Messias über Satan, Sünde und Tod. Und noch etwas sollte hier nicht übersehen werden: Gott spricht von dem «Samen der Frau». Das ist insofern sonderbar, da eine Frau keinen Samen produziert. Dies ist eine Anspielung auf die Jungfrauengeburt, die Gott im Leben von Maria bewirkte, wie Jesaja es vorausgesagt hatte. Eine Jungfrau wurde durch den Heiligen Geist schwanger, der Samen der Frau war daher göttlich. Nur so können wir verstehen, dass der Messias ganz Gott und auch ganz Mensch war. So haben wir schon im Paradies den Hinweis auf die beiden Haupteigenschaften Gottes: Gerechtigkeit und Liebe. Er ist vollkommen gerecht und muss Schuld richten. Doch er liebt den schuldig gewordenen Sünder. Deshalb will Gott keine dauernde, ewige Bestrafung. Er gibt dem Menschen eine Chance der vollständigen Erlösung. Die Nachkommen von Adam und Eva entfernten sich immer weiter vom göttlichen Willen und entarteten in unvorstellbarer Weise. Eines Tages war dann die Geduld Gottes zu Ende, denn es ging auch um das Überleben der Menschheit an sich. So musste er sich zu einem sehr drastischen Schritt entschließen. Alles, was auf Erden war, sollte durch ein globales Gericht vernichtet werden. Pflanzen, Tiere und Menschen sollten unter den Wassern einer Sintflut begraben werden. Auch hier konnte Gottes Gerechtigkeit es nicht zulassen, dass der zu seinem Bild geschaffene Mensch so sehr in Sünde lebte. Die Bestrafung, und zwar eine radikale, musste folgen. Aber auch die andere Eigenschaft Gottes, seine unendliche Liebe, zeigte sich. Die Menschen wurden nicht von Gott geschaffen, damit eines Tages alle wieder vernichtet würden. Gott will Gemeinschaft mit seinen Geschöpfen, seine Liebe hat ein Gegenüber, den Menschen, sein Ebenbild. Der Mensch ist der Empfänger seiner Liebe. Deshalb kann eine leere, vernichtete Welt nicht Gottes Plan sein. Jemand musste die Sintflut überleben, damit ein neuer, ein besserer Anfang gemacht werden konnte. Noah Gott fand in Noah einen frommen und gottesfürchtigen Mann ohne Tadel, der «mit Gott wandelte», d.h. auf Gottes Wegen ging, nach seinem Willen lebte und nicht nach seinem eigenen (i. Mo. 6,9ff.). Durch ihn sollte nun die Menschheit eine zweite Chance bekommen. Gott befahl Noah, eine Arche zu bauen, damit er die Sintflut überleben konnte (i. Mo. 6,14). Er selbst, seine Familie und ein Paar von allen Tieren sollten darin leben. Noah bekam die genauen Maße dieses Bootes (1. Mo. 6,15). Fachleute haben ausgerechnet, dass der vorhandene Platz für alle ausreichend gewesen sein muss. Vierzig Tage dauerten die Regenfälle der Sintflut an (1. Mo. 7,12), insgesamt blieben die Menschen und Tiere ein Jahr und zehn Tage in der Arche. Es ist das erste Mal von vielen, dass die Zahl vierzig in der Bibel erscheint. Diese Zahl hat eine besondere Bedeutung: Sie ist symbolisch für eine Vorbereitung auf etwas Neues bzw. eine Vorbotschaft für den Beginn einer neuen Aufgabe. Durch die Sintflut wurde alles Leben auf der Erde vernichtet (1. Mo. 7,22-23). Der Wasserspiegel stieg, bis die Arche schließlich auf dem Berg Ararat landete. Danach sank der Wasserspiegel langsam wieder, bis die Erde trocken war und man die Arche verlassen konnte. Noah baute Gott aus Dankbarkeit einen Altar und brachte ihm ein Brandopfer von Tieren dar (1. Mo. 8,20). Danach schloss Gott einen Bund mit Noah, den ersten der vier Bünde, auf denen die Fleilsgeschichte Gottes mit den Menschen beruht (i. Mo. 9,9). Die Liebe Gottes hatte die Oberhand gewonnen. Und Gott sagte: «Ich will nie mehr die Erde verfluchen um des Menschen willen, obwohl der Mensch von Natur aus schlecht ist. Nie mehr werde ich alles Lebende zerstören, so wie ich es tat!» Als Zeichen des Bundes setzte er den Regenbogen an den Himmel, der noch heute an das Versprechen Gottes erinnert (vgl. 1. Mo. 9,12-17). Unter anderem befahl Gott Noah nach der Sintflut, kein Blut zu essen,denn im Blut ist das Leben (1. Mo.9,4-5). Dieser Grundsatz zieht sich durch die ganze Heilsgeschichte über Sinai bis Golgatha. Noahs drei Söhne Sem, Ham und Japhet wurden die Stammväter der Völker (1. Mo. 9,19; 10). Sie bekamen jeweils besondere Prophezeiungen für ihre Zukunft (1. Mo. 9,25-27). Eine besondere Prophezeiung bekam Sem. ein Vorfahre des Messias, von dem Noah sagte, «gepriesen sei der Gott Sems» (1. Mo. 9.26). Abraham und Sara Zwischen der Sintflut und dem Ruf Gottes an Abraham vergingen ungefähr vierhundert Jahre. Leider gingen die Menschen nicht «auf Gottes Wegen», wie ihr Vorfahre Noah es getan hatte. Deshalb musste Gott einen neuen Plan fassen, um die Menschheit zu einem ihm wohlgefälligen Leben zu bringen. Der aus Ur in Mesopotamien, dem heutigen Irak, stammende Patriarch Abraham war mit seiner Familie nach Haran, im heutigen Ost-Anatolien, gezogen (1. Mo. 11,31). Dort erreichte Abraham eines Tages der Ruf Gottes, eine Berufung und Aufforderung: «Abram, verlasse deine Heimat, dein Haus und deinen Hof. Nimm Abschied von deiner Verwandtschaft und ziehe in ein Land, in das ich dich führen werde!» (1. Mo. 12,1). Aber zu diesem harten Auftrag fügte Gott noch ein Versprechen hinzu: «Ich werde dich zu einem großen Volk machen. Ich will dich segnen ... und in dir werden alle Völker der Welt gesegnet sein!» (1. Mo. 12,2-3). Das war ein schönes Ver- sprechen. Abraham konnte bestimmt nicht alles verstehen, was Gott ihm sagte und wie das im Detail zu verwirklichen war. Doch der gottesfürchtige Abraham achtete das Gebot Gottes. In der neuen Heimat hatte Sara, Abrahams Frau, das Problem der Unfruchtbarkeit (i.Mo. i6,i). Nach der Sitte würde daher einmal einer der Sklaven Abrahams Erbe sein. Doch Gott erschien Abraham wieder und gab ihm das Versprechen: «Es wird nicht so sein, wie du fürchtest, dein eigener Sohn wird dich beerben, und deine Nachkommen werden so zahlreich wie die Sterne sein!» (vgl. i. Mo. 15,5). Abraham glaubte diese so fantastisch erscheinenden Worte Gottes, und das wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet. Zehn Jahre vergingen nach diesem Reden Gottes, aber Sara blieb weiter unfruchtbar. Da verlor Abraham den Glauben an Gottes Versprechen und folgte Saras Rat, das zu tun, was damals üblich war: Eine Magd, in diesem Fall Hagar aus Ägypten, zu seiner Konkubine machen, und sollte sie einen Sohn gebären, würde dieser als Saras Sohn gelten. Abraham tat es und Hagar gebar ihm einen Sohn, Ismael. Dieser wurde nach dem prophetischen Wort Gottes auch ein Patriarch vieler Völker (1. Mo. 16.10). Von Ismael leiten sich heute viele ismaelitische, arabische Völker ab. Doch er wurde nicht der Segensträger des kommenden Messias. Wieder vergingen viele Jahre. Abraham war schon 99, da erschien ihm Gott wieder. Als Erstes erinnerte er Abraham an die Versprechungen, die er schon früher gemacht hatte, in Bezug auf seine Nachkommen. Natürlich forderte das hohe Alter von Abraham und Sara, sie war inzwischen 90 und er 99 Jahre alt. ein außerordentliches Wunder Gottes. Doch Gott versprach: «Sara wird einen Sohn haben, er soll Isaak heißen.» Und jetzt kommt das Wichtige: «Mit ihm und seinen Nachkommen will ich einen ewigen Bund schließen. Ismael werde ich segnen, er wird ein großes Volk sein. Aber meinen Bund, aus dem das Volk Israel entstammt [und in dem der Messias zur Welt kommt], werde ich mit Isaak machen!» (vgl. 1. Mo. 17,19-21). Die Nachkommen der Verheißung von Sem würden Gottes Volk sein. So sind beide Völker. Juden und Araber (Ismaeliten). Semiten. Aber Gott schränkte die Auswahl ein. Andere Völker würden auch durch Abraham entstehen, er war ein Stammvater vieler. Doch nach Noah und Sem wurde jetzt Isaak das nächste Glied in der Kette der Vorfahren des Messias und nicht Ismael. Dieser zweite Bund mit Abraham sollte ein sichtbares Zeichen bekommen: wie Noah, bei dem nach der Sintflut der Regenbogen am Himmel deutlich erkennbar gewesen war. Dieser jetzige Bund betraf die Nachkommen Abrahams, das künftige Gottesvolk. Daher musste das Zeichen des Bundes an den Menschen selbst sichtbar sein. Und so verlangte Gott von Abraham, dass jedes männliche Mitglied seines Haushaltes an der Vorhaut seines Gliedes beschnitten würde (i. Mo. 17,10-14). Das sollte in Zukunft bei jedem acht Tage alten männlichen Baby geschehen. Wir müssen noch eine sehr wichtige, sprachliche Tatsache erwähnen. Als Gott Abraham sein erstes Versprechen gab, zeigte er ihm die Sterne und sagte: «So zahlreich sollen deine Nachkommen sein!» (1. Mo. 15.5). So erscheint es in den meisten Übersetzungen. Das ist zwar inhaltlich richtig, aber im hebräischen Urtext steht eigentlich wörtlich anstatt «Nachkommen» dein Samen. In dem bekannten Ereignis der verlangten Opferung Isaaks gibt Gott Abraham das Versprechen: «Durch deine Nachkommen werden alle Völker der Erde gesegnet werden!» So wird es im Allgemeinen übersetzt, aber auch hier steht nicht Nachkommen., sondern «in deinem Samen werden alle Völker der Erde gesegnet werden» (1. Mo. 22,18). Das ist entscheidend, weil der Ausdruck Samen in der Einzahl nicht zufällig gewählt ist. Hier handelt es sich nicht um das Volk Israel als die Nachkommen Abrahams, sondern um den Messias. In ihm werden alle Völker gesegnet werden. Nicht durch ihn steht da, sondern in ihm, denn nur wer im Messias lebt, der ist voll gesegnet. Gott sprach zu der Schlange, dem Satan, über die Feindschaft zwischen ihrem Samen und dem Samen der Frau, dem Messias. Hier wird nun zum zweiten Mal der Messias als Same bezeichnet. Isaak und Rebekka Abraham hatte für Isaak Rebekka, eine Frau aus seiner Heimat Ur. im heutigen Irak, holen lassen. Er sollte keine Kanaaniterin. eine Bewohnerin des damaligen Israel, heiraten (i. Mo. 24). Und wieder prüfte Gott den Glauben, dieses Mal von Isaak und Rebekka, denn zwanzig Jahre lang hatten sie keine Kinder. Doch dann erhörte Gott ihre Gebete, und Rebekka gebar die Zwillinge Esau und Jakob, die sehr unterschiedlich waren (1. Mo. 25,19-28). Esau, der Erstgeborene, war ein Jäger, ein Mensch der Natur. Jakob hingegen war häuslich orientiert (1. Mo. 25.27). Schon während der Schwangerschaft hatte Rebekka gespürt, wie die beiden gegeneinander kämpften. Gott gab ihr die Erklärung dafür: «Du trägst zwei Völker in dir, sie werden die Häupter von zwei rivalisierenden Nationen sein!» (1. Mo. 25,23). Esau und Jakob Esau zeigte nur geringes Interesse an seinem Erstgeburtsrecht. das gleichzeitg eine besondere Verantwortung bedeuten würde. Als er eines Tages sehr erschöpft und hungrig vom Feld nach Hause kam. verkaufte er es seinem Bruder kurzerhand für Brot und einen Teller Linsen (1. Mo. 25,29-34). Aus diesem Grunde sah sich Rebekka dazu berechtigt. Isaaks väterlichen Segen, der für den Erstgeborenen bestimmt war, für ihren Lieblingssohn Jakob zu erschwindeln (1. Mo. 27). So wurde Jakob das nächste Glied in der Kette der Vorfahren des Messias, wie Gott es Rebekka schon vor seiner Geburt prophezeit hatte. Als Esau hörte, dass Jakob den Segen des Vaters erhalten hatte und nicht er selbst, da beschloss er, den einzig möglichen Weg zu gehen, um das Erstgeborenenrecht zurückzubekommen: Er wollte Jakob töten. Um den Lieblingssohn zu retten, erwirkte Rebekka die Zustimmung Isaaks, Jakob nach Haran zu schicken, dem Heimatort von Rebekkas Familie (i. Mo. 27,41-46). Die Suche nach einer passenden Frau für Jakob wurde als Vorwand für diese Flucht benutzt. Jakob in Haran In Haran lernte Jakob Rachel, die jüngere der beiden Töchter seines Onkels Laban, kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick, und die beiden wollten heiraten. Als Kaufpreis für seine Tochter verlangte Laban von Jakob, sieben Jahre für ihn zu arbeiten, was dieser gerne tat. Doch als die Zeit um war, gab ihm Laban Lea, seine ältere Tochter, zur Frau mit der Begründung, die ältere Tochter müsse schließlich zuerst heiraten. Doch Jakob könne auch noch Rachel heiraten - für nochmals sieben Jahre Arbeit (1. Mo. 29). Nach Beendigung dieser Frist und der Hochzeit mit Rachel erarbeitete sich Jakob bei Laban mit List eine große Herde Schafe. Doch nachdem er den Hass von Labans Söhnen, die ihn beneideten, auf sich gezogen hatte, beschloss er, nach Hause zurückzukehren (1. Mo. 30). Die Nachkommen Jakobs So zog Jakob, mit seinen zwei Ehefrauen Lea und Rachel, den beiden Mägden Silpa und Bilha und den zwölf Kindern los. Von Lea hatte er sechs Söhne und die einzige Tochter, Dina, von Rachel einen Sohn. Josef. Sie gebar später noch einen Sohn, als sie schon in Kanaan waren: Benjamin, das jüngste Kind Jakobs. Auch die Mägde brachten ihm Kinder zur Welt (1. Mo. 29,31-30,24). Als Jakob wieder in Bethel in Kanaan war, erschien ihm Gott. Er setzte auch mit ihm seinen Bund fort, so wie er es mit Abraham und Isaak getan hatte. Außerdem sollte Jakob auf Gottes Anordnung hin den Namen «Israel» tragen, was bedeutet «es streitet Gott» (1. Mo. 32,23ff.), mit anderen Worten: Gott will für Israel kämpfen. Die von Gott auserwählte Linie des Segens für die Menschen ist nun zu einer Sippe geworden. Die zwölf Söhne Jakobs, Ruhen, Simeon. Levi, Juda, Sebulon, Issachar, Dan, Gad, Asser, Naftali, Josef und Benjamin bilden das Fundament des Volkes Israel (i. Mo. 49,1-28). Sie sind die Stämme, in die das Volk Israel bis zur Zerstörung des Zweiten Tempels eingeteilt war. Der Messias wählte auch zwölf Jünger aus, wie es im Neuen Testament zu lesen ist. Die Zahl zwölf sollte ein Symbol für die Stämme Israels sein. Auch in der Offenbarung des Johannes erscheinen die zwölf Stämme Israels wieder, aber auch die Namen der zwölf jüdischen Apostel (Offb. 7,4ff.; 21,12-14). Josef Josef, der Sohn Rachels, war der Liebling von Jakob und wurde von ihm sehr verwöhnt. Deshalb hassten ihn seine Brüder. Die Verachtung wuchs, als Josef besondere Träume hatte, in denen sich die elf Brüder vor ihm beugten und niederwarfen (1. Mo. 37). Daraufhin wollten sie ihn eigentlich töten, beschlossen dann aber, ihn doch am Leben zu lassen. Um den hochnäsigen, verwöhnten Bruder loszuwerden, verkauften sie ihn an einen Ismaeliten. Dem Vater wurde erzählt, ein wildes Tier hätte Josef zerrissen. Die Ismaeliten kamen nach Ägypten und verkauften Josef an einen hohen Offizier der Leibwache des Pharaos. Josef hatte es dort gut, aber zu seinem Unglück wollte Potiphars Frau ihn verführen. Als ihr das nicht gelang, sorgte sie dafür, dass Josef ins Gefängnis geworfen wurde (1. Mo. 39). Doch Josef blieb nicht lange dort. Dank der Gottesgabe,Träume deuten zu können, befreite ihn der Pharao aus dem Gefängnis und machte ihn zum zweitwichtigsten Mann im Land (1. Mo. 41). Die Träume, die Josef gedeutet hatte, wurden Wirklichkeit: Zuerst kamen sieben Jahre der reichen Ernte und danach eine siebenjährige Dürre, die eine große Hungersnot über Ägypten und die Nachbarländer brachte. Josef hatte in den Jahren des Wohlstands alles Getreide aufgekauft, und als die Dürre kam, verkaufte er es an die Hungernden. Auch in Kanaan herrschte Hungersnot. Deshalb schickte Jakob seine Söhne nach Ägypten, um dort Getreide zu kaufen. Die Brüder kamen zu Josef, den sie aber nicht erkannten. Josef, der sie seinerseits wiedererkannte, ließ sich nichts anmerken, behandelte sie sehr hart und verlangte, dass sie auch den jüngsten Bruder, Benjamin, zu ihm bringen sollten. Als Gewähr dafür, dass die Brüder wiederkommen würden, behielt Josef einen Bruder bei sich. So zogen die Brüder zurück nach Kanaan und mit Benjamin wieder nach Ägypten, denn die Hungersnot war unerträglich. Als Josef nun alle seine Brüder zusammen sah. da konnte er sich nicht länger beherrschen. Er offenbarte seine wahre Identität und verzieh seinen Brüdern, was sie ihm angetan hatten. «Nicht ihr habt mich hergesandt, sondern Gott. Er hat dafür gesorgt, dass ich der Herrscher über ganz Ägypten bin. Es werden noch fünf Jahre Dürre sein», sagte Josef zu den Brüdern, «geht zurück nach Kanaan und holt eure Familien, und besonders den Vater. Ich gebe euch die Provinz Goschen, dort sollt ihr wohnen.» Und so siedelte sich die ganze Sippe Jakobs in Goschen an (i. Mo. 42-45). Als sie auf dem Weg nach Ägypten waren, da erschien Gott in Beerscheba dem Jakob und sprach zu ihm: «Ich bin Gott, der Gott deines Vaters! Fürchte dich nicht, nach Ägypten hinabzuziehen, denn dort will ich dich zu einem großen Volk machen. Und ich will mit dir nach Ägypten ziehen und will dich auch wieder heraufführen!» (1. Mo. 46,2-4). 215 Jahre nach Abrahams Berufung zog Jakob mit seiner Familie nach Ägypten. Die Gesamtzahl von Jakobs Sippe war siebzig Personen, die Schwiegertöchter und Enkelkinder nicht inbegriffen (1. Mo. 46,27). Als Jakob sein Ende kommen spürte, rief er seine Söhne und segnete sie (1. Mo. 49). Nach seinem Tod wurde Jakob einbalsamiert, damit er später in der Höhle Machpela.bei Hebron, begraben werden konnte, auf dem Grabplatz von Abraham und Isaak. Das hatte Josef dem Vater versprechen müssen. Nur so konnte die Prophezeiung Gottes erfüllt werden: «Ich werde mit dir gehen, und ich werde dich auch wieder zurückbringen.» Da wurde schon deutlich: Kanaan war das dem Volk Israel verheißene Land (i. Mo. 50,1-14). Juda Bei unserer Suche nach den Wurzeln des Messias ist der Segen Jakobs für Juda, seinen vierten Sohn, besonders wichtig. Zum Zeitpunkt des Segens hatte Juda drei Söhne und zwei Enkelkinder und war um die 45 Jahre alt (1. Mo. 46,12). Gott versprach durch Jakob: «Das Zepter wird nicht weichen von Juda, noch der Stab des Herrschers von seinen Füßen, bis der Schiloh kommen wird, und ihm werden die Völker gehorchen!» (1. Mo. 49,10). Schiloh ist ein hebräischer Begriff für den kommenden Messias, den König der Juden. Hier haben wir wieder ein klares Beispiel von Gottes freier Gnadenwahl. Juda ist der von den Söhnen Jakobs Auserwählte. Er und seine Nachkommen werden das neue Gottesvolk regieren. Für immer? Nein, nur bis der Schiloh kommen wird, «und ihm werden die Völker gehorchen» ! Die erste Etappe unserer Reise durch die biblische Geschichte ist beendet. Nach der christlichen Zeitrechnung befinden wir uns jetzt am Ende des 18. Jahrhunderts vor Christus. Nach dem Sündenfall in Eden waren die Menschen so schlecht, dass Gott alle vernichtete. Doch in seiner Gnade erwählte er Noah für einen Neuanfang. Wieder entfernten sich die sündigen Menschen von ihrem Schöpfer. Da fasste Gott einen neuen Plan: Er wollte ein Volk schaffen, das ihm aus Liebe dienen sollte. Abraham. Isaak und Jakob waren die auserwählten Patriarchen. Judas Nachkommen würden die zukünftigen Herrscher dieses auserwählten Volkes sein. Noch wichtiger ist. was in diesem Teil der Bibel über den Messias steht. Gleich am Anfang wird der Schlange gesagt, dass der Messias den Satan besiegen wird. Die nächste Botschaft ging an Abraham: In seinem Samen (Einzahl) werden alle Völker gesegnet sein. Der Samen ist der Messias, so wie es der Schlan- ge gesagt wurde. Der letzte Punkt erscheint in dem Segen Jakobs: Von den zwölf Söhnen wurde Juda auserwählt, über das Volk Israel zu herrschen, «bis der Schiloh kommen wird». B Die Schaffung des erwählten Volkes -der Sinai-Bund Die Entstehung des Volkes Gottes: Israel 430 Jahre verbrachten die Nachkommen Jakobs in der Fremde (2. Mo. 12.40). Während dieser Zeit war aus der bestehenden Sippe von insgesamt etwa vierhundert Seelen ein Volk von an die zwei Millionen geworden. Aber ihre Lage hatte sich in dieser Zeit total verändert. Das Verhältnis zum Pharao, das vorher dank Josef so freundschaftlich gewesen war (1. Mo. 47,6), erlebte eine radikale Veränderung, als «ein König kam, der Josef nicht kannte» (2. Mo. 1,8). Dieser neue König sah in der enormen Bevölkerungswachstumsrate der Israeliten eine Gefahr. Daher traf der Pharao zwei für das Volk Israel fatale Entscheidungen. Als Erstes wurde das einst bevorzugte Volk Israel zu einem Sklavenvolk gemacht. Die zweite Maßnahme war noch grausamer: Jedes neugeborene männliche Kind der Israeliten sollte gleich nach der Geburt umgebracht werden (2. Mo. 1,8-22), was praktisch zum Aussterben des Volkes führen würde. Die Lage war verzweifelt. So musste Gott eingreifen, um die Nachkommen der Patriarchen zu retten und dem ewigen Bund treu zu bleiben, den er mit Abraham geschlossen hatte. Mose Gott bestimmte Mose für seinen Rettungsplan. Durch eine Reihe von Wundern kam er als Säugling zur Tochter des Pharaos, die sich seiner annahm. Geschickt eingefädelt von Moses Schwester Mirjam wurde Jochebed. Moses Mutter, als Amme ausgewählt (2. Mo. 2). So wuchs Mose als Mitglied des königlichen Hofes auf. war sich aber seiner Volkszugehörigkeit voll bewusst. Er lebte vierzig Jahre lang wie ein Ägypter, bis er aus Hass einen Ägypter tötete und in die Wüste Midian flüchten musste. Vierzig Jahre blieb er dort, hielt sich verborgen und heiratete Zipporah, die Tochter des Priesters Jitro aus Midian. Mit ihr hatte er zwei Kinder, Gerschom und Elieser (2. Mo. 18,2-4). Dann befand Gott die Zeit für reif, sich Mose zu offenbaren. Am Berg Horeb teilte er ihm seine Aufgabe mit (2. Mo. 3). Mose war nicht gerade begeistert von der Aussicht, mit achtzig Jahren Anführer eines Sklavenvolkes zu werden und vom Pharao die Erlaubnis für den Exodus des israelitischen Volkes in die Freiheit zu erkämpfen (2. Mo. 4,10). Aber es sollte Moses Berufung bleiben. Israel in die Freiheit zu führen. So kehrte Mose nach Ägypten zurück, und sein Kampf mit dem Pharao begann. Die von Gott gestellte Forderung «Lass mein Volk ziehen» bewirkte allerdings vorerst das Gegenteil: Anstatt die Israeliten gehen zu lassen, machte der Pharao das Joch der Israeliten noch schwerer. Schließlich vollzog Gott ein strenges Gericht am Volk der Ägypter, indem er zehn Plagen schickte (2. Mo. 7-12). Erst die zehnte davon brach den Widerstand des Pharaos, so dass er den Auszug Israels aus Ägypten erlaubte. Das Passah - die Rettung Die letzte Gerichtsplage war die schrecklichste. Alle erstgeborenen Söhne in Ägypten starben, während die Kinder der Israeliten unversehrt blieben. Wie war das möglich? Gott hatte angeordnet. dass jede Familie ein makelloses Lamm schlachten und das Blut an die Türpfosten streichen sollte. Das war ein Zeichen dafür, dass der Tod in dieser Familie schon gewesen war, so dass die Kinder im Haus am Leben bleiben konnten (2. Mo. 12). In dieser Anordnung Gottes an Israel erkennen wir schon ein genaues Abbild von dem, was auf Golgatha geschehen würde, eine Vorschau auf das Evangelium. Dort wurde Jesus, der Messias, getötet, als makelloses, d.h. sündloses Opfer. Sein Blut rettet vor dem Tod, allerdings nicht vor dem körperlichen, wie es in Ägypten war, sondern vor dem ewigen Tod. Die Voraus- Setzung dafür ist, dass der Mensch an den Messias als Erlöser und die Rettung durch sein vergossenes Blut glaubt. Dasselbe Prinzip galt auch in Ägypten: Die Israeliten mussten den Worten Moses glauben und nicht eigene Rettungsmaßnahmen ergreifen. ln dieser Begebenheit wird bestätigt, was Gott schon vorher erklärt hatte: Im Blut ist Leben (i. Mo. 9,4; 3. Mo. 17.14). Dies ist jedoch nicht nur medizinisch gemeint in Bezug auf die Tatsache, dass großer Blutverlust zum Tod führt. Denn auch das Umgekehrte ist wahr: Vergossenes Blut kann stellvertretend wirken und dadurch vor dem Tod retten, d.h. Leben geben! Gott gab dem Volk Israel durch Mose die Anweisung, auf ewig das Passahfest zu feiern - in Erinnerung an Gottes Gnade: Der Tod überging (hebräisch «Pessach») die Wohnungen der Israeliten. Dieses Fest ist das einzige, das bereits vor dem Sinaigesetz angeordnet wurde (2. Mo. 12). So konnte Mose nun das Volk Israel aus Ägypten führen, allerdings war noch nicht jede Gefahr vorüber. Als sie das Schilfmeer zu durchqueren hatten, jagte Pharaos Heer ihnen nach. Aber Gott half seinem Volk, das Meer trockenen Fußes zu durchqueren und vernichtete die ägyptischen Armeen endgültig, indem er die Soldaten ertrinken ließ (2. Mo. 14). Nun begann die Wüstenwanderung zum Berg Sinai. Die Wüstenwanderung Zwei Jahre dauerte die Wanderung von Ägypten nach Kadesch Barnea an der Südgrenze des verheißenen Landes. Objektiv gesehen war dies zweifellos eine schwere Zeit für das Volk. Das Leben in der Wüste ist kein Picknick, besonders wenn man berücksichtigt, dass zwei Drittel des etwa zwei Millionen zählenden Volkes Frauen und Kinder waren. In der Einöde waren Sklavenarbeit und Rechtlosigkeit der Vergangenheit schnell vergessen. Mose hatte unendliche Mühe, die starke Kritik der Leute zu bekämpfen. Die Sehnsucht nach den «Fleischtöpfen Ägyptens» war so groß, dass die Nahrung, die Gott ihnen in der Wüste schenkte, missachtet wurde. Wie in jeder anderen Bezie- hung ist das Volk Israel auch in seiner Undankbarkeit nicht besser als andere Völker. Gott erwählte es aus anderen Gründen. Während dieser zwei Jahre gab Mose dem Volk auch einen organisatorischen Rahmen. Die Einteilung in die zwölf Stämme blieb natürlich weiter bestehen, aber inzwischen war das Volk so gewachsen, dass jeder Stamm viele zehntausend Menschen umfasste. Deshalb beschloss Mose, passende Männer auszuwählen, die als eine Art Offiziere Gruppen unterschiedlicher Größen leiten konnten (2. Mo. 16-18). Das Gesetz vom Sinai Die Überlieferung des Gesetzes am Berg Sinai ist das wichtigste Ereignis der Wüstenwanderung und das einschneidendste Geschehen in der Zeitspanne zwischen dem Bund Gottes mit Abraham und dem Erscheinen des prophezeiten Messias. Die eigentliche Bezeichnung für die Anweisungen Gottes am Sinai ist Tora, was nicht Gesetz, sondern Lehre bedeutet. Die Tora ist in zwei Teile aufgeteilt: in den Dekalog, also die Zehn Gebote, und in die von Mose niedergeschriebene, schriftliche Lehre. Das so genannte mündliche Gesetz, an das sich heute die rabbinische Tradition hält und das im Talmud festgehalten wurde, besitzt keinen direkten göttlichen Ursprung. Jüdische Gelehrte, Lehrer und verschiedene Rabbiner verfassten im Laufe von fast tausend Jahren den Talmud und schlossen ihn im 5. Jahrhundert n.Chr. ab. Zu unterscheiden sind der Babylonische und der Jerusalemer Talmud. Ein großer Teil des zweiten, das ganze dritte und ein Teil des fünften Mosebuches beschäftigen sich mit den Ge- und Verboten der Lehre vom Sinai. Der Dekalog (2. Mo. 20,2-17) besteht aus zwei Teilen, die auf separate Tafeln geschrieben wurden. Die drei ersten Gebote des ersten Teils betreffen das menschliche Verhalten Gott gegenüber: Du sollt keine anderen Götter neben mir haben. Du sollt dir kein Bildnis machen. Du sollst den Namen Gottes nicht missbrauchen. Das Schabbatgebot besagt, dass sechs Tage in der Woche der Arbeit gewidmet sind, der Schabbat aber Gott. So wie Gott am letzten Tag der Woche ruhte, soll auch der Mensch ruhen. Das fünfte Gebot verlangt Ehrung und Gehorsam den Eltern gegenüber. Die fünf Gebote der zweiten Tafel behandeln das Verhältnis zwischen Mensch und Mensch: kein Mord, kein Diebstahl, keine Lügen, kein Begehren nach etwas, das anderen gehört, kein Ehebruch. Diese Verordnungen wurden vor etwa 3500 Jahren in der Wüste Sinai erlassen. Gott gab sie einem Volk, das ca. zwei Jahre vorher noch versklavt gewesen war, einem Nomadenvolk ohne Heim und Besitz. Doch dieses Volk wurde von Gott erwählt, nicht weil es besser oder stärker als andere Völker war, nein, sondern weil Gott sich in ihm offenbaren wollte (5. Mo. 4,4-20; 7,6-8). Seit dem Ruf Gottes an Abraham waren mehrere hundert Jahre vergangen. Jetzt erschien das erste Mal eine Frucht dieser Wahl Gottes. Aus dem Patriarchen Abraham war ein Volk entstanden, das Volk, das Gott sich geschaffen hatte, damit es seinen Ruhm verkünde (5. Mo. 10,20-22; 26,16-19). In und durch dieses Volk offenbarte sich Gott und später der Messias. Das schriftliche Gesetz ist äußerst umfangreich. Es füllt über die Hälfte der fünf Bücher Mose aus und kann in acht Bereiche unterteilt werden: 1. Zeremonialgebote: Sie umfassen auch die Priesterschaft, die Stiftshütte und den Gottesdienst. 2. Opfersystem 3. Hygiene und Krankheiten 4. Speisegesetze 5. Regelung und Durchführung der angeordneten Feste 6. Abgaben und Steuern 7. Landwirtschaft 8. Zivilgesetze Wie sieht es heute mit der Gültigkeit dieser Verordnungen aus? Alle Zeremonialgebote sind mit der Zerstörung des Tempels hinfällig geworden. Das Opfersystem wurde nach dem Tod Jesu auf Golgatha überflüssig. Hygienische und medizinische Verordnungen sind teilweise überholt, da sie dem Überleben unter den damaligen Bedingungen dienten. Die ursprünglichen Speisegesetze waren gesundheitlich von Nutzen. Die späteren, mündlich erteilten Verordnungen im Talmud dienten dem Zweck, das Volk Israel abzusondern und eine Vermischung mit anderen Völkern zu verhindern. Das Halten der Feste ist eine von Gott verordnete Pflicht Israels bis zur Gegenwart. Abgaben wurden größtenteils von geregelten Steuersystemen abgelöst. Landwirtschaftliche Verordnungen sind weitgehend auch heute noch gültig. Die Zivilgesetze sind nahezu alle noch immer in Kraft. Die Weitergabe des Gesetzes an und durch Mose war ein gewaltiges Ereignis und wird aus drei Gründen immer wichtig bleiben: 1. Das Gesetz zeigt dem Menschen, wer und wie Gott ist. 2. Es zeigt dem Menschen, was Sünde gegenüber Mitmenschen ist, und damit bildet das Sinaigesetz die Grundlage für jedes Strafrecht in der ganzen Welt. 3. Das stellvertretende Opfersystem ist ein Ausdruck dafür, wie sich Gottes unendliche Liebe mit seiner Gerechtigkeit verbinden lässt. Die Arten des stellvertretenden Opfers waren unterschiedlich: Die Brandopfer dienten der Verherrlichung Gottes. Dankopfer und Friedensopfer waren ein Zeichen der Versöhnung zwischen den Menschen. Schuldopfer wurden dargebracht für Schaden, der Mitmenschen zugefügt worden war. Die Sühneopfer dienten der Sühne für unbewusst oder unabsichtlich begangene Sünden. Die Darbringungsart dieser Opfer zeigt deutlich den Zweck der Zeremonie: Der Sünder legte die Hände auf den Kopf des Opfertieres, bekannte seine Schuld und schlachtete es dann. Nachdem das Blut auf den Altar geflossen war, wurde das Tier außerhalb des Lagers verbrannt (3. Mo. 4-5). Man braucht nicht viel Fantasie, um in dieser Art des Opfers das, was auf Golgatha geschah, zu erkennen: Jesus starb am Kreuz, als stellvertretendes Sühneopfer. Sein Blut wurde vergossen, und er wurde außerhalb der Tore der Stadt Jerusalem begraben. Der große Versöhnungsfag (3. Mo. 16) war der höchste Feiertag und der einzige Tag im Jahr, an dem der Hohepriester das Allerheiligste der Stiftshütte und später des Tempels betreten durfte. Zuerst brachte er ein Sühneopfer für sich selbst, weil selbst der Hohepriester ein Sünder war. Für das stellvertretende Opfer für die Sünden des ganzen Volkes Israel nahm der Hohepriester zwei Ziegenböcke und schlachtete den einen als Sühneopfer für die Sünden des Volkes. Dann nahm er den anderen Bock, legte beide Hände auf seinen Kopf und übertrug damit symbolisch die Sünden des kommenden Jahres auf ihn. Danach wurde das Tier in die Wüste geschickt. Auch der Messias büßte für die Sünden der Vergangenheit und auch für alle zukünftigen. Aber er bewirkte noch mehr: Nicht nur Israels Schuld wurde gesühnt, sondern die Sühne stand nun jedem Menschen in der ganzen Welt offen. Die Einführung des stellvertretenden Opfers ist einzigartig und revolutionär. Der Mensch erhielt die Möglichkeit, die Vollstreckung der nach dem Gesetz verdienten Strafe an sich selbst zu verhindern. Jemand anderes konnte die Strafe erleiden. Auf diese Art kam sowohl Gottes Gerechtigkeit als auch seine Liebe zum Zug. Am Sinai, auf dem Berg Horeb, schloss Gott seinen dritten Bund mit den Menschen, nicht mehr mit einer einzelnen Person, sondern mit einem ganzen Volk, mit Israel, den Nachkommen Abrahams. Die beiden Steintafeln sind das äußere Zeichen dieses Bundes. In der Wüste Vom Sinaiberg führte Mose das Volk zu den Ebenen von Mo-ab. Dort waren sie schon ganz in der Nähe der Grenze zum verheißenen Land. Auf Gottes Anweisung hin sandte Mose zwölf Kundschafter aus. Das. was sie bei ihrer Rückkehr zu berichten hatten, war unterschiedlich. Zehn von ihnen waren entsetzt über die Macht und beängstigende Körpergröße der dortigen Bewohner. Israel sei niemals in der Lage, die Einheimischen zu besiegen, erklärten sie resigniert. Die beiden anderen. Josua und Kaleb. allerdings, waren fest davon überzeugt, dass mit Gottes Hilfe die Eroberung des Landes möglich wäre (4. Mo. 13). Doch das Volk glaubte dem düsteren Bericht der Mehrheit und verlangte von Mose das völlig Absurde, nämlich die Rückkehr nach Ägypten! Alles Leid dort war vergessen wie auch das Gute, das es während der bisherigen zweijährigen Wüstenwanderung von Gott erhalten hatte. Gottes Antwort auf so viel Undankbarkeit und Unglauben war wieder: totale Vernichtung des auserwählten Volkes (4. Mo. 14). Nur dank Moses Intervention gab Gott nach und entschied sich für die folgende Strafe: Kein Mann über zwanzig Jahre, d.h. der in Ägypten schon erwachsen gewesen war. würde das Gelobte Land betreten, außer Josua und Kaleb, die beiden Kundschafter mit dem starken Gottvertrauen. Damit dieses harte Urteil Gottes verwirklicht werden konnte, musste das ganze Volk weitere 38 Jahre durch die Wüste wandern. Während dieser Zeit starb die alte Generation aus und eine neue wuchs heran. 625850 Männer über zwanzig Jahre, ohne Frauen und Kinder, wurden nach 39 Jahren Wüstenwanderung gezählt (4. Mo. 2-3). Nach 38 Jahren näherte sich Israel wieder der Grenze Kanaans. Allerdings sollte nicht Mose das Volk in das verheißene Land führen. Der treue Knecht Gottes hatte sich Gott gegenüber einmal versündigt, deshalb konnte er das Land nur von der Ferne, vom Berge Nebo aus, sehen, durfte es aber nicht betreten (4. Mo. 20,1-13). Josua wurde zu seinem Nachfolger ernannt (5. Mo. 34,4-12). Bevor Mose im Alter von 120 Jahren starb, übermittelte er dem Volk eine Prophezeiung Gottes: Gott würde ihnen einen Propheten aus ihrer Mitte geben. Jemand, der ihm, Mose, gleichen würde, einen Mittler zwischen Volk und Gott. So etwas hatte das Volk ja erbeten, aus Angst, sterben zu müssen, wenn es in Gottes Nähe käme. Dieser zukünftige Prophet würde dem Volk Worte Gottes überbringen, damit es in ihnen wandelte (5. Mo. 18,15-18). Dieser Prophet sollte wie Mose sein, d.h. weit mehr als die anderen Propheten. Diese waren Gottes Sprachrohr, aber keine Mittler. Solch eine Person konnte nur der Messias sein, der im Volk Israel lebte und wirkte. In diesem Zeitraum des Auszugs aus Ägypten und der vierzigjährigen Wüstenwanderung gab es neben den oben erwähnten Worten von Mose noch zwei wichtige Hinweise auf den Messias und sein Wirken. Der erste Hinweis war das Blut des geschlachteten Opfers, das die israelitischen Erstgeborenen vor dem Tode rettete. Das andere war das im Sinaigesetz verankerte stellvertretende Opfersystem. Das Geschehen am Sinai war eine Vorausschau auf das, was auf Golgatha verwirklicht wurde. C Die ersten Schritte im Gelobten Land unter Josua und den Richtern Die nächste Zeitspanne dauerte etwa 470 Jahre. Sie beginnt mit der Eroberung Kanaans durch das Volk Israel und endet mit der Teilung des Reiches nach dem Tode von König Salomo im Jahre 926 v. Chr. Auch in diesem Abschnitt gilt es herauszufinden, welchem heiligen Zweck diese Ereignisse dienten und wo in ihnen Hinweise auf das Erscheinen des Messias zu finden sind. Josua Nach dem Tod Moses übernahm Josua die Leitung des Volkes und führte es in das schon Abraham versprochene Land Kana- an (Jos. 1,1-3). Doch das Land war keine menschenleere Wüste, denn es war von kanaanitischen Völkern bewohnt. An ihnen wollte Gott durch Israel sein Gericht vollziehen wegen ihres grauenhaften Lebenswandels und einer blutrünstigen Religionspraxis, bei der selbst Kinder rituell getötet wurden. So musste Josua einen Vernichtungs- und Eroberungskrieg fuhren. Dabei hatten die Kanaaniter allerdings auch die Möglichkeit der Umkehr zu Gott, wie es bei der Prostituierten Rahab und ihrer gesamten Familie deutlich wurde (Jos. 6). Rahab war sogar eine Vorfahrin des kommenden Königs David und des Messias (Mt. 1,5ff.). Es gelang Josua, die Ansiedlung der Israeliten zu ermöglichen. Aber leider ließ die Hingabe an Gott nach, denn das Volk führte Gottes Gerichtsauftrag an Kanaan nicht vollständig aus. Das Land sollte rein von den anderen Völkern sein, was seinen guten Grund hatte. Das Volk Israel sollte heilig sein, mit anderen Worten, es sollte nicht so wie die Welt sein. Im Zusammen-und Nebeneinanderleben von Israel und den heidnischen Urbewohnern drohte eine doppelte Gefahr. Israel war dauernd in örtliche Kleinkriege verwickelt, wie wir das später im Richterbuch lesen. Die einzelnen Stämme Israels genossen selten einen wahren Frieden. Doch viel gefährlicher war. dass die nachbarschaftlichen Beziehungen zu Mischehen führten und dadurch zur Annahme des Götzendienstes der Nachbarvölker unter den Stämmen Israels. Das Volk, das Gott sich geschaffen hatte, damit es seinen Ruhm verkünde, stand nun in der Gefahr, sich von Gottes Auftrag zu entfernen. 25 Jahre war Josua der Führer Israels. In dieser Zeit besiegte Israel 31 Könige in Kanaan (Jos. 12). Leider hinterließ Josua ein nur vorübergehend geeintes Volk, trotz der Erneuerung des Bundes und der Verheißungen. Die zwölf Richter Nach Josuas Tod versündigte sich Israel Gott gegenüber immer mehr (Ri. 3,7). So begann die Epoche der Richter,die bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Saul König wurde (um 1050 v. Chr.) andauerte. Insgesamt kamen zwölf Richter an die Macht. Ihre Aufgabe lag vorwiegend im militärischen, weniger im juristischen Bereich. Bei der Betrachtung der zwölf Richter können wir bestätigen, was Paulus fast 1200 Jahre später an die Korinther schrieb: «Was töricht ist in der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden macht. Und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist ... auf dass sich vor Gott kein Fleisch rühme!» (1. Kor. 1,27.29). Die Richter waren nicht dank ihrer Fähigkeiten erfolgreich, sondern weil Gott hinter ihnen stand. Ehud war Linkshänder, eine Eigenschaft, die damals als Nachteil angesehen wurde (Ri. 3,15). Die Waffe Schaingars war ein Viehtreiberstock, aber mit ihm erschlug er sechshundert Feinde (Ri. 3,31). Die mutige Deborah gehörte dem «schwachen» Geschlecht an (Ri. 4,4). Den mächtigen Feldherrn Sisera tötete eine Frau, Jael, mit einem Zeltpflock in ihrer linken Hand (Ri. 4.21). Gideon musste sein Heer auf dreihundert Mann verkleinern, und mit Gottes Hilfe besiegte er die Midia-niter (Ri. 7,6-7). Im Volk herrschte jedoch leider das bekannte Muster: Wenn die Not am größten war. wurde Gott um Hilfe angefleht. Gott erhörte das Flehen, er war mit dem Richter, die militärische Gefahr wurde beseitigt. Doch bald darauf fiel das Volk wieder in seine Sünden zurück. Eine unmoralische Lebensweise, Mischehen. Götzendienst und egoistisches Handeln jedes Stammes hielten ihren Einzug - das Gesetz Gottes vom Sinai war schnell vergessen. Gott antwortete wiederum darauf, indem er die Bedrohung durch einen Feind Israels zuließ. Das Volk verstand, dass nur Gott es retten konnte, und so tat es Buße und flehte erneut um Hilfe, und alles wiederholte sich von neuem. Der letzte Vers im Richterbuch beurteilt die Lage in Israel am Ende der über 320 Jahre währenden Regierungszeit der Richter: «Zu der Zeit war kein König in Israel, ein jeder tat, was recht war in seinen Augen» (Ri. 21,25). In einer Zeit, als Israel in größter Not war, bestimmte Gott Gideon als rettenden Richter (Ri. 6-8). Die Wahl wurde Gideon durch den «Engel des Herrn» mitgeteilt (Ri. 6,11ff.). Dieser geheimnisvolle «Engel des Herrn» taucht noch an anderen Stellen in der Bibel auf. Er erschien Hagar in der Wüste als der «Gott, der sieht» (i. Mo. 16,13). Bei Abraham auf dem Berg Morija nannte er sich «Jahwe» (1. Mo. 22,15-16). Jakobs Kampf mit dem Engel war ein Ringen mit Gott. Als Jakob den Josef segnete, da gebrauchte er den Namen «Gott» und «Engel des Herrn» abwechselnd (1. Mo. 48,15-16). Der Engel des Herrn war in der Wolkensäule, die Israel in der Wüste voranging (2. Mo. 14,19). An anderer Stelle (4. Mo. 12,5) heißt es, dass Gott selbst aus der Wolkensäule zu Mose, Aaron und Mirjam spricht. Gideon fürchtete, sterben zu müssen, da er den Engel des Herrn gesehen hatte, denn er hatte keinen Zweifel, dass Gott vor ihm stand (Ri. 6,11-24, besonders V. 22-24). Diese und andere Beispiele zeigen, dass, wann immer im Alten Testament der «Engel des Herrn» erwähnt wird, es sich um eine göttliche Person handeln muss. Der Engel des Herrn kann kein geschaffener Engel sein, so wie die anderen es sind. Er muss ein Teil der Gottheit sein. Und es ist nicht schwer herauszufinden. welche Person der Trinität der Engel des Herrn sein muss. Er kann nicht der Vater oder der Heilige Geist sein, denn diese sind nicht körperlich und daher unsichtbar. Folglich muss er die zweite Person der Trinität, nämlich der Messias sein. Er wird vom Vater in die Welt gesandt. Im Alten Testament war der Sohn Gottes in dem Engel des Herrn personifiziert, d.h. sichtbar. Im Neuen Testament war er der Messias, das lange vorher prophezeite, Mensch gewordene Wort Gottes (Joh. 1,14). Samuel - Saul - David Die Zeit für eine Monarchie kam, worauf bereits in den Mosebüchern hingewiesen worden war (5. Mo. 17,14-20). Die beiden Bücher Samuel beschreiben die nächste Etappe auf unserer Reise durch das Alte Testament, den Tenach. Die Bücher umfassen den Zeitraum von ca. 130 Jahren: von der Geburt des Propheten Samuel, über Saul, den ersten König, bis zum Tode des zweiten Königs, David. Die Situation im Volk verlangte nun das, was schon so oft geschehen war: Gott selbst musste eingreifen, um sein Volk wieder auf den richtigen Weg zu bringen. So wurde Samuel dazu erwählt, die so sehr notwendige Besserung, ja Rettung des Volkes zu erreichen. Obwohl er eigentlich ein Priester war. übte Samuel lange Zeit eher das Amt eines Richters aus. Als Samuel alt und schwach wurde, stellten die Israeliten eine Forderung, die objektiv betrachtet ganz logisch war. Sie verlangten: «Gib uns einen Alleinherrscher, einen König, denn wir wollen so sein wie alle Völker!» Doch dies entsprach gar nicht den Absichten Gottes. Israels Aufgabe, der Zweck seiner Erwählung, war ja gerade, dass es nicht so wie alle Völker sein sollte. Israel sollte heilig sein. Und zu diesem Anderssein gehörte natürlich auch die Art der Herrschaft. Kein König, kein weltlicher Herrscher sollte das Oberhaupt Israels sein. Nein, Gott selbst, der sich das Volk geschaffen hatte, damit es seinen Ruhm verkünde, sollte sein Herr und Beschützer sein. Aber das Volk dachte anders, und es war nicht das einzige Mal. König Saul Doch wider Erwarten stimmte Gott dem Wunsch des Volkes zu. Samuel bekam den Auftrag, Saul als ersten König Israels, als von Gott bestimmten Mann, zu berufen und die entsprechenden Regelungen zu treffen (1. Sam. 9-10). Saul begann seine Karriere als ein bescheidener, gottesfürch-tiger Mann. Er stand anfangs sichtbar unter dem Segen Gottes, hatte die begeisterte Unterstützung des Volkes und große militärische Erfolge in Zeiten starker Bedrängnis durch die Nachbarvölker (1. Sam. 11; 14,16-23). Doch im Laufe seiner Herrschaft widersetzte er sich Gottes Anweisungen. Das führte dazu, dass Samuel schließlich beauftragt wurde, einen anderen künftigen König zu salben. König David Die Salbung des nachfolgenden Königs war ein seltsames Ereignis (i. Sam. 16). Samuel wurde von Gott nach Bethlehem zu Isai geschickt und salbte dort den Schafhirten David zum König, was jedoch geheim gehalten wurde. Es sollten noch Jahre vergehen, bis der neue König sein Amt antrat. Anfangs bestand ein gutes Verhältnis zwischen Saul und David, doch allmählich steigerte sich Saul so sehr in eine Eifersucht David gegenüber hinein, so dass er ihn eines Tages in krankhaftem Hass töten wollte. Schließlich wurde Saul im Kampf verwundet und nahm sich aus Verzweiflung das Leben (i. Sam. 31). So endete die Herrschaft des ersten Königs in Israel. Es war keine Zeit voller Erfolge und friedlichen Zusammenlebens der einzelnen Stämme gewesen. Sie war eher von einem dauernden Kampf gegen die Nachbarvölker, die Amalekiter, Philister, Edomiter und Moabiter, gekennzeichnet gewesen. Das zehrte stark am Volk Israel, denn sie alle bedrohten seine Existenz. Letzten Endes brachten nur Davids Erfolge auf dem Schlachtfeld den Sieg. Nachdem der Tod Sauls bekannt geworden war, zog David nach Hebron und wurde dort ca. 1010 v. Chr. zum König von Juda gekrönt. Für zwei Jahre regierte Isch-Boscheth, Sauls Sohn, über die andern elf Stämme. Nach seinem Tod wurde David mit dreißig Jahren König über ganz Israel, das er wieder vereinte (2. Sam. 5). Sieben Jahre regierte er von Hebron, die weiteren 33 Jahre seiner vierzigjährigen Herrschaft von Jerusalem aus, das die Hauptstadt des davidischen Königreiches wurde. Die Eroberung dieser Stadt, die vormals Jebus hieß, war eine der ersten militärischen Aktionen, die David als König ausführte. Aus ihr wurde dann Jerusalem, die Stadt Davids, die Hauptstadt Israels. Nach einem entscheidenden Sieg über die Philister ließ David auch die Bundeslade, die den Bundesschluss Gottes mit Israel darstellte, nach Jerusalem bringen (2. Sam. 6). Gottes Bund mit David «Wenn deine Tage erfüllt sind und du dich zu deinen Vätern gelegt hast, dann werde ich deinen Nachkommen, der aus deinem Leib kommt, nach dir aufstehen lassen und werde sein Königtum festigen. Der wird meinem Namen ein Haus bauen. Und ich werde den Thron seines Königtums befestigen für ewig. Ich will ihm Vater sein und er soll mir Sohn sein. Wenn er verkehrt handelt, werde ich ihn mit einer Menschenrute und mit Schlägen der Menschenkinder züchtigen. Aber meine Gnade soll nicht von ihm weichen, wie ich sie von Saul habe weichen lassen, den ich vor dir weggetan habe. Dein Haus aber und dein Königtum sollen vor dir Bestand haben für ewig, dein Thron soll für ewig feststehen» (2. Sam. 7,12-16). In Bezug auf die Sünden von Davids Nachfolger heißt es also: Wenn er sündigen wird, dann werde ich ihn auf menschliche Art bestrafen, aber meine Gnade soll nicht von ihm weichen - so wie ich es bei Saul tat! Diese Schlussworte des Bundes sind ein feierliches Versprechen: Dein Haus und dein Königreich sollen in Ewigkeit sein, dein Thron soll ewiglich bestehen! Diese Verheißung der ewigen Herrschaft von Davids Nachkommen ist von großer Wichtigkeit. Viele sehen darin einen Beweis für Gottes Unzuverlässigkeit: Er macht Versprechungen und hält sie nicht. Rein geschichtlich betrachtet könnte man den Atheisten Recht geben: Die Herrschaft der Linie Davids endete mit der Babylonischen Gefangenschaft unter Ne-bukadnezar im Jahre 586 v.Chr. Hinzu kommt, dass eine zukünftige Erneuerung des davidischen Königreiches jetzt oder zu einem späteren Zeitpunkt unmöglich ist. Mit der Zerstörung des Zweiten Tempels 70 n. Chr. wurden auch alle dort aufbewahrten Familienregister zerstört. Somit kann niemand mehr einwandfrei eine Abstammung vom Geschlecht der Daviden nachweisen. Wie können wir also Gottes Versprechen an David verstehen? Sagte er nicht die Wahrheit, oder änderte er etwa seine Meinung? - Nach dem Ende des davidischen bzw. des judäi-schen Königreiches erschien noch ein Nachkomme Davids. Er wurde in Bethlehem geboren, er war der Messias. Seine Abstammung war unantastbar, denn der Tempel bestand ja noch, als er geboren wurde. Er war zwar kein irdischer Herrscher, hatte aber wichtigere Aufgaben zu erfüllen. Es stand zweifellos fest, dass dieser Nachkomme übermenschliche Macht besaß. Und er versprach wiederzukommen. Dann würde er über Israel und alle Völker regieren und herrschen, so wie Jakob es für Judas Nachkommen vorausgesagt hatte und wie es im Bund mit David erneut versprochen wurde. Davids Fall David feierte große Erfolge, denn er besiegte alle Völker, die Israel bedrohten, und leitete eine Zeit des Friedens ein. Doch auf dem Höhepunkt seiner Herrschaft, als Israel stark und vereint war, beging er eine große Sünde. Die Tatsache, dass selbst diese dunkle Episode in der Bibel erwähnt und nicht beschönigt wird, ist ein eindeutiger Beweis dafür, wie wahrheitsgetreu die Schriften sind (2. Sam. uff.). David beging eine dreifache Sünde. Er beging mit der schönen Batseba Ehebruch und ließ dann ihren Ehemann Uria unter falschem Vorwand nach Hause rufen, um zu vertuschen, dass Batseba von ihm schwanger war. Als das nicht klappte, schickte er Uria an die Front, wo dieser, wie gewünscht, umkam. Nach dem Ende der Trauerzeit heiratete David die arme Kriegswitwe Batseba (2. Sam. 11,27), ihr Sohn wuchs im königlichen Palast auf, ohne dass jemand die Wahrheit kannte. Erst der Prophet Nathan öffnete David die Augen für seine Schuld (2. Sam. 12). David wurde auf verschiedene Weisen für seine Schuld bestraft - eine davon war, dass sein Sohn starb. Doch Batseba bekam später noch einen Sohn, Salomo, der dann von Gott als Davids Nachfolger bestimmt wurde. Nach vierzigjähriger Regierungszeit starb David und wurde ca. 970 v. Chr. in Jerusalem, der Davidstadt, begraben. David ist vielleicht die interessanteste, wenn auch nicht die wichtigste Person des Alten Testaments. Besonders deshalb, weil seine Rolle mit dem Tod nicht endete. Es wurde ihm von Gott verheißen, seine Herrschaft würde ewiglich sein. Der Messias, ein Nachkomme Davids, würde für immer herrschen. Davids Aufstieg war ungewöhnlich: vom Schafhirten zum mächtigen Feldherren, vom jüngsten der acht Kinder des Schafzüchters Isai in Bethlehem zum König über ein starkes, vereintes Israel. Bei allen Fehlern zeichnete ihn auch ein unbedingtes Gottvertrauen aus. Der unerschütterliche Glaube an Gottes Gerechtigkeit einerseits und seine Fiebe und Barmherzigkeit andererseits waren Fundamente seiner Existenz. Diese geistliche Gesinnung des großen Königs Israels können wir am besten im Psalm 51 finden. Davids erschütterndem Bekenntnis nach seiner Sünde gegenüber Uria. Messianische Aussagen in Davidspsalmen Im Laufe seines 70-jährigen Lebens schrieb David 73 Psalmen. Neben persönlichen Gebeten und Aussagen über die Vergangenheit und die Zukunft Israels enthalten sie auch viele messianische Andeutungen. Es entsprach Gottes Willen, durch David tausend Jahre vor der Ankunft des Messias Einzelheiten über den zukünftigen Herrscher und seine Aufgaben schriftlich festzulegen und uns als Orientierung mitzugeben. Die folgende Tabelle über messianische Stellen in den Davidspsalmen und ihre Erfüllung im Neuen Testament stellt einen kurzen Überblick dar. Psalm Schilderung Erfüllt im NT 2,2 Widerstand der Völker Offb. 19,19 2,6 König von Zion Offb. 14,1-3 2,7 Gottes Sohn Mt. 3,17 8,3 Kinder preisen ihn Mt. 21,15-16 8.7 Herrscht über alle Hebr. 2,6-8 16,9-n Steht vom Tode auf Mt. 28,7 22,2 Von Gott verlassen Mt. 27,46 22,8 Von allen verspottet Lk. 23,35 22,17 Hände und Füße durchbort Job. 20.27 22,19 Man wirft das Los um seine Kleider Mt. 27,35 31,6 Übergibt seinen Geist Gott Lk. 23,46 34-21 Keine Knochen gebrochen Job. 19.32 -36 35.1' Angeklagt von falschen Zeugen Mk. 14,57 35-19 Grundlos gehasst Job. 15,25 38,12 Freunde standen weit weg Lk. 23,49 40,8-9 Tut Gottes Willen Hebr. 10.7 41,10 Vom Freund verraten Lk. 22.47 45-7 Ewiger König Lk. 1,33 69.5 Grundlos beschuldigt Joh. 15,24-25 69,10 Eifert für Gottes Haus Joh. 2.17 69,22 Bekam Essig und Galle Mt. 27,34 72,10-11 Könige schicken Geschenke Mt. 2,1-11 78,2 Sprach in Gleichnissen Mt. 13,34-35 109,4 Betet für Feinde Lk. 23,34 109,8 Ergehen des Verräters Apg. 1,20 109,25 Menschen tadelten ihn Mt. 27,39 110,1 Herrscht über Feinde Mt. 22,44 110,4 Ewiger Priester Hebr. 5,6 118,22 Eckstein in Gottes Haus Mt. 21,42 118,26 Kommt im Namen Gottes Mt. 21,9 Auch im Buch der Sprüche und im Buch Hiob gibt es interessante Aussagen. In Sprüche 30,4 stellt Agur, der Sohn Jakes, eine erstaunliche Frage: «Wer ist zum Himmel hinaufgefahren und wieder herab? Wer hat den Wind in seine Hände gefasst? Wer hat alle Enden der Welt bestimmt? Wie ist sein Name? Wie ist der Name seines Sohnes?» Hier haben wir die eindeutige Erklärung, dass es einen Gottessohn gibt. In Hiob 19,25-27 spricht der rechtschaffene, unschuldig bestrafte Hiob Worte, die ihn selbst inmitten sehr schweren Unglücks stärken: «Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und wird auferstehen [oder auf Erden sein]. ... Und ich seihst werde ihn sehen!» König Salomo Im ersten und zweiten Buch der Könige wird die weitere Entwicklung des Königtums Israels unter der Führung des dritten Königs Salomo beschrieben. Salomo war der letzte König des vereinten Israels, in dem noch alle zwölf Stämme unter einem Königshaus zusammen waren. Unter allen Söhnen Davids hatte Gott ihn zum Nachfolger bestimmt (1. Kön. 1,29-40; 2,1-4). Noch zu Davids Lebzeiten konnte Salomo ein vereintes Reich übernehmen, sein Thron war ungefährdet. Die äußeren Feinde des Reiches waren besiegt, innerhalb des Reiches herrschte Wohlstand (1. Kön. 5,5) und der neue König besaß viele positive Fähigkeiten. Gott schenkte Salomo einzigartige Weisheit, nachdem er bei Regierungsantritt darum gebeten hatte (1. Kön. 3,5-28). Diese Weisheit setzte er auf vielen Gebieten ein. Sein Ruf als Richter, Gelehrter, Staatsmann und Geschäftsgenie war weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt. Das führte auch zu dem bekannten Besuch der Königin von Saba in Jerusalem (1. Kön. 5; 10,1-13.23-25). Unter Salomos Herrschaft erreichte Israel die von Gott verheißene Größe: Der Euphrat war die nordöstliche Grenze, im Süden war es der ägyptische Fluss (1. Kön. 5,4-5). Der Tempel Wie Gott es David versprochen hatte, erhielt sein Sohn Salomo die Aufgabe, den Tempel zu bauen (1. Kön. 6-7). Der Bau verlangte ein gewaltiges Heer von Arbeitskräften. Sie wurden aus den Nachbarvölkern rekrutiert, eine gängige Praxis der damaligen Zeit (i. Kön. 9,i5ff.). Das reichte jedoch nicht aus. Selbst Israeliten wurden als Zwangsarbeiter eingezogen (i. Kön. 5,27ff.), so dass mehrere hunderttausend Menschen sowohl für den Tempel, als auch für das zu errichtende Königshaus insgesamt zwanzig Jahre tätig waren (i. Kön. 9,10). Salomo traf eine weise Regelung: Die Arbeiter mussten einen Monat arbeiten und konnten danach zwei Monate zu Hause sein (1. Kön. 5,28). Sieben Jahre dauerte der Bau des Tempels auf dem Berg Morija in Jerusalem. Zur Einweihung des gewaltigen Gebäudes wurde die Bundeslade aus Bethlehem geholt und in das Allerheiligste gebracht (1. Kön. 8,1 ff.). Plötzlich erschien die Gegenwart Gottes in Form einer Wolke und erfüllte den Tempel, das Haus des Herrn (1. Kön. 8,10-11). Nun war das Gotteshaus komplett. Salomo dankte dem Volk, dass er sein Versprechen in Bezug auf den Bau des Tempels halten konnte. Dann bat er Gott darum, fortan im Tempel dauerhaft bei den Menschen zu wohnen. So versprach Gott Salomo, auf ewig in dem ihm geweihten Haus zu wohnen, im Allerheiligsten, dem lichtlosen Raum, der nur von Gott selbst in seiner Herrlichkeit erhellt sein würde (1. Kön. 9,iff.). Danach erbat Salomo von Gott eine Erneuerung seines Bundes mit David, das Versprechen für eine ewige Herrschaft der Nachkommen Davids (1. Kön. 8,25ff.). Die nächste Bitte betraf das Volk Israel selbst. Gott sollte es segnen und zum Zeugen für ihn unter allen Völkern der Welt machen. Diese Bitte entsprach völlig dem Wunsch Gottes gegenüber Israel als dem Volk, das er sich selbst schuf, damit es seine Herrlichkeit unter den Völkern verkünde (1. Kön. 8-9). Das wurde später auf zweifache Weise erfüllt: als Erstes durch das Erscheinen des Messias und sein Wirken im Volk Israel. Von dort aus wurde Gottes Gnadenangebot der Erlösung allen Völkern in die Welt gebracht. Das andere Zeugnis Israels gegenüber den Völkern war das seiner Existenz an sich. Der Gottesdienst und das Opfersystem, so wie es das Sinaigesetz forderte, konnten nun an einem passenden Ort zur Ehre Gottes ausgeführt werden. Vierzehn Tage lang feierte der König zusammen mit dem Volk in ganz Israel die Tempeleinweihung (i. Kön. 8,65-66). Ein wichtiger Abschnitt in der Geschichte Israels war damit erfüllt. Fortan war der Tempel geistlicher Mittelpunkt im nationalen Israel. Der Tempel zeugte für alle Völker sichtbar von der Gegenwart Gottes. Außerdem versprach der Herr Salomo, ihm und seinen Nachkommen immer zur Seite zu stehen, vorausgesetzt, sie wären ihm gehorsam. Sollten sie aber Gott verlassen und anderen Göttern dienen, dann würde das Volk ins Exil geschickt und der Tempel zerstört werden, und alle würden Israel verspotten und verhöhnen (1. Kön. 9,6ff.). Leider geschah diese Erfüllung von 5. Mo. 28-30 in der Zukunft nicht nur einmal, sondern mehrere Male. Gott ist ein heiliger Gott, der seine Worte sowohl im positiven als auch im negativen Sinne wahr macht. Salomos Reichtum Die Weisheit Salomos wirkte sich nicht nur auf intellektuellen Gebieten aus, seine Klugheit verhalf ihm auch zu enormem Reichtum. Doch Salomo genügte das nicht. Je länger seine Herrschaft andauerte und je älter er wurde, desto mehr strebte er nach noch mehr Reichtum und Sicherheit. Salomo benutzte dazu eine Methode, die auch in der modernen Geschichte wiederholt angewandt wurde. Durch die Heirat mit Töchtern aus dem Herrschergeschlecht der Nachbarländer sicherte sich Salomo dauerhaften Frieden. Den Anfang der Umsetzung dieser Politik machte Salomo, indem er die Tochter des Pharaos aus Ägypten heiratete (1. Kön. 3,1). Dadurch wurde zwar Israels Südgrenze gesichert, aber auf geistlichem Gebiet war dies gleichzeitig der Anfang des Untergangs, wegen seines Ungehorsams Gott gegenüber. Nicht umsonst verbot das Gesetz Gottes vom Sinai die Heirat mit heid- nischen Frauen aus den Völkern, die an andere Götter glaubten. Salomo begann, die vielen Götter seiner Frauen anzubeten und ihnen zu opfern (i. Kön. 11,1-10). Daher ließ Gott die in der Vergangenheit üblichen Angriffe durch die Nachbarländer wieder aufflammen (i. Kön. 11,14-25). Salomo starb nach vierzigjähriger Regierungszeit und wurde in Jerusalem, der Stadt seines Vaters David, ca. 970 v. Chr. begraben. Die Herrschaft der drei Könige Saul, David und Salomo dauerte insgesamt nur 120 Jahre an. Der Traum einer erneuten Königsherrschaft im nationalen Sinne lebt bis heute im religiösen Judentum weiter und soll mit dem zweiten Kommen des Messias verwirklicht werden. Die letzte Frage der Jünger an den Auferstandenen war: «Wann wirst du die Königsherrschaft wieder aufrichten?» (Apg. 1,6). Es wird am Ende der Zeiten im messianischen Zeitalter geschehen. Das geteilte Reich - Nordreich Israel und Südreich Juda Bald nach dem Tod Salomos findet eine Trennung statt - es entsteht das Nordreich, auch «Ephraim» oder «Israel» genannt, und das Südreich, das als «Juda» bezeichnet wird. Der zeitliche Rahmen dafür umfasst die Jahre von ca. 926 v.Chr. bis 586 v.Chr. und zeigt die Entwicklung des Volkes während seiner Trennungszeit bis zur Deportation. Beide Reiche machen in dieser Zeit eine eigenständige Entwicklung durch. Was war geschehen? Salomos Sohn Rehabeam verursachte den Verlust der Einheit der zwölf Stämme. Er zog nach Sichern, um sich dort krönen zu lassen. Dort stand Jerobeam, eine vom Volk geachtete Führernatur (1. Kön. 11,26-43), vor dem versammelten Volk auf. Er machte Rehabeam einen Vorschlag: «Dein Vater hat uns ein untragbares Joch auferlegt, erleichtere es, verringere die Steuern, und wir werden dir gerne untertan sein» (1. Kön. 12,4). Das warein annehmbarer Vorschlag. Doch Rehabeam befolgte den Rat falscher Freunde und entschied sich für das Gegenteil. Die Arbeitslast und das Steueraufkommen sollten nicht verringert, sondern noch vergrößert werden. Das Nordreich Die Folgen waren vorauszusehen. Rehabeam wurde vom Volk aus Sichern, dem heutigen Nablus, vertrieben, und die zehn Stämme im Norden machten Jerobeam zum König über das Reich Israel, den Nordteil des Landes (t. Kön. 12,16-20). Jerobeam baute Höhenheiligtümer und führte einen Götzendienst in Bethel und in Dan ein, damit das Volk zu den vorgeschriebenen Festzeiten nicht mehr nach Jerusalem pilgerte. Gleichzeitig machte er sich selbst zum Hohenpriester und opferte, was eine absolute Anmaßung gegenüber Gottes Geboten war (1. Kön. 12,26-33). Dieses Nordreich bestand von 926 v. Chr. bis ca. 722 v.Chr.. als es von Assyrien zerstört und das Volk deportiert wurde. Diese Zeit kann man nur als eine einzige Tragödie bezeichnen. Die insgesamt neunzehn Könige im Nordreich waren alle ohne Skrupel. Rücksicht und Ehrfurcht gegenüber Gott und den Menschen. Sie schufen jeweils ihre eigenen religiösen Götzen und Praktiken, die oft grausam und entwürdigend waren. Sie passten sich den kanaanitischen Riten an, obwohl sie wussten, dass gerade deswegen die kanaanitischen Völker das Gericht Gottes erlebt hatten. So gehörte die Tötung von Kindern genauso zum Kult wie auch die religiöse Prostitution und vieles Grauenhafte mehr (siehe das Gebot in 3. Mo. 18,21; 20,2). Die Könige kamen aus neun verschiedenen Dynastien, keiner von ihnen war ein Nachkomme Davids. Sie alle werden von den Autoren der Bibel als schlecht und sündhaft bezeichnet. Gott setzte in diesen rund zweihundert Jahren, in denen das Nordreich bestand, alles daran, die Herzen der Menschen zu verändern. Er rang um sie, indem er immer wieder Propheten als sein Sprachrohr zu ihnen schickte. Diese wurden sogar mit übernatürlichen Kräften ausgestattet und vollbrachten Wunder, doch das Volk ignorierte sie trotzdem. So kam es, wie es kommen musste: Die Gnade Gottes erschien den Menschen wertlos, und so ließ Gott es zu, dass der letzte König des Nordreiches, Hoschea, durch den assyrischen König Sargon II. besiegt und mitsamt der ganzen Bevölkerung nach Assyrien ins Exil geführt wurde (2. Kön. 17.1-23). Das geschah im Jahre 721 v.Chr. In 2. Könige 17,22-23 heißt es: «Die Söhne Israels lebten in allen Sünden Jerobeams, die er getan hatte. Sie wichen nicht davon ab, bis der Herr Israel von seinem Angesicht fortgeschafft hatte, so wie er durch alle seine Propheten geredet hatte. So wurde Israel aus seinem Land gefangen nach Assur weggeführt, und das ist so bis auf den heutigen Tag.» Das allein genügte den Assyrern jedoch noch nicht. Sie siedelten Angehörige anderer Völker im nördlichen Teil des Landes an, in dem Land, das Gott Abraham und seinen Nachkommen versprochen hatte. Aus diesen verschiedenen Bevölkerungsgruppen entstand das Mischvolk der Samariter, das eine Mischreligion ohne Betonung auf den einen geoffen-barten Gott entwickelte (2. Kön. 17,24-41). Daher wurden die Samariter in neutestamentlicher Zeit abgelehnt, und es entstand eine tiefe Feindschaft zwischen Juda und Samaria. Die Samariter benützten dann auch Samaria, das frühere Sichern und heutige Nablus, als Hauptstadt, da das Nordreich dort einen Tempel ähnlich wie in Jerusalem errichtet hatte, um zu opfern. Etwas von dieser Spannung ist im Gespräch Jesu mit der Samariterin zu spüren (Joh. 4,21). Bis in die heutige Zeit ist immer wieder nach den verlorenen Stämmen Israels gesucht worden. So sind gerade in jüngerer Zeit die Falascha aus Äthiopien als Nachkommen des verlorenen Stammes Dan anerkannt worden. Israel gab ihnen 1991 die Möglichkeit, nach rund 2500 Jahren in einer spektakulären Aktion zurück nach Israel zu kommen. Auf allen Kontinenten gibt es Untersuchungen von verschiedensten Volksgruppen, bei denen es Vermutungen gibt, dass sie jüdischen Ursprungs sein könnten. Auf jeden Fall liegen noch keine Anzeichen dafür vor, dass Gott die Bestrafung der zehn Stämme des Nordreiches vollkommen aufgehoben hat. Aber auch in damaliger Zeit gab es immer Juden aus den Stämmen des ehemaligen Nordreiches, die um ihres Glaubens willen ins Südreich zogen, weil das Leben als Gläubige dort einfacher war. Doch erst nach der Rückkehr des Messias werden Israel und Juda wieder ganz vereint sein, indem die zwölf Stämme sichtbar wiederhergestellt werden, wie es in der Offenbarung des Johannes beschrieben wird (Offb. 74-8; 21,12-13). Gottes Ziel bei der Schaffung seines auserwählten Volkes war, dass sein Volk seinen Ruhm verkünden sollte. Von nun an konzentrierte sich diese Aufgabe nur noch auf das Reich Juda. Daher müssen wir uns nun auf diesen Stamm konzentrieren und werden stärker auf Einzelheiten in der Geschichte dieses Stammes zu sprechen kommen. Das Südreich Rehabeam war der Nachfolger Salomos. Sein Handeln erfüllte die Prophezeiung Gottes an Salomo, dass das Reich aufgrund seiner Hartherzigkeit zerrissen würde (1. Kön. 11,30-32; 12.4-11). Das Südreich begann mit der Regierung Rehabeams 926 v.Chr. und endete mit der Zerstörung Jerusalems und der Deportation nach Babylon 586 v.Chr. Das Reich Juda bestand rund 135 Jahre länger als das Nordreich und hatte zwanzig Könige. Im Gegensatz zu den Königen des Nordreiches gehörten sie alle einer einzigen Dynastie an, der davidischen Linie. Dadurch wurde Gottes Versprechen an Jakob Israel erfüllt, das dieser rund tausend Jahre zuvor bekommen hatte: «Das Zepter wird nicht von Juda weichen, bis der Schiloh [der Messias] kommen wird» (1. Mo. 49,10). Rehabeams Regierungszeit war von unzähligen Kriegen mit den Nachbarstaaten wie auch mit Israel gekennzeichnet. Unter seinem Sohn Abija florierte der Götzendienst weiter, den er und seine Väter von den Nachbarvölkern übernommen hatten. Sein Bruder Asa gehörte zu den acht Königen, die ihre Regierungszeit mit dem Herrn gut begannen. Es waren allerdings insgesamt nur vier Könige, die während ihrer ganzen Regierungszeit unter dem Willen des Herrn blieben: Josaphat, Usia, Hiskia und Josia. Asa liquidierte den Götzendienst und reinigte den Tempel von allem Heidnischen (i. Kön. 15,9-15). Mit seinem Sohn Josaphat begann eine Epoche, in der die Trennung des Volkes in Nord und Süd für kurze Zeit sogar aufgehoben wurde, weil sie in den Aramäern einen gemeinsamen Feind hatten (1. Kön. 22). Doch diese Zeit dauerte nicht lange. Mit dem Regierungsantritt von Joram, Josaphats Sohn, schlug das Pendel wieder um. Er heiratete Atalja, die Tochter des Königspaars des Nordreiches, Ahab und Isebel, des wohl schlimmsten und gottlosesten Herrscherpaares in Israel. Jorams Heirat sollte dem politischen Zweck dienen, den langen und blutigen Kriegen mit Israel ein Ende zu setzen. Doch für diese Allianz musste Joram einen sehr hohen Preis bezahlen: Der Götzendienst wurde in Juda wieder eingeführt. Gott selbst sagte dann prophetisch, dass er trotz allem zu seinem Schwur steht und der Messias aus der Linie Davids kommen wird: «Aber der Herr wollte Juda nicht vernichten um seines Knechtes David willen, wie er ihm zugesagt hatte, dass er ihm eine Leuchte geben wolle, seinen Söhnen alle Tage» (2. Kön. 8,19). In dieser Zeit trat der Prophet Obadja auf. Er war der erste von insgesamt vierzehn Propheten, die Gott gezielt ins Südreich sandte, wie er das auch schon beim Nordreich getan hatte, um die Menschen zur Umkehr zu ihm zu bewegen. Obadja selbst hatte eine Gerichtsbotschaft über Edom, die dann Joram ausführte (2. Kön. 8,20-22; Obad. 1). Der Sohn Jorams. Ahasja, regierte nur ein Jahr in Jerusalem, als er durch den Feldhauptmann Jehu von Israel im Kampf verwundet wurde, so dass er auf dem Berg Megiddo starb (2. Kön. 9.27). Nach seinem Tod riss seine Mutter Atalja.die Frau von König Joranr, die Herrschaft an sich und konnte sechs Jahre lang eine Gewaltherrschaft ausüben (ca. 845-840 v.Chr.). Sie scheute sich nicht einmal, ihre eigenen Enkelkinder zu töten (2. Kön. 11,1-3). Ihr größtes Interesse bestand darin, der davidischen Dynastie für alle Zeit den Thron zu entreißen und für ihre eigene zu gewinnen. Dadurch hoffte sie auch. Juda völlig von Gott zu entfernen und ihren Baalskult für immer in Juda etablieren zu können. Dann hätte auch kein direkter Nachkomme Davids einen Anspruch auf die Königswürde gehabt. Doch Atalja hatte nicht mit Gott gerechnet, den man nicht von seinen Plänen und Versprechen abbringen konnte. Einer der Enkel. Joasch, wurde durch den Mut anderer Familienangehöriger gerettet und sechs Jahre im Tempel versteckt, bis er gekrönt werden konnte (2. Kön. 11,1-3; 12,1-3). So blieb die davi-disch-messianische Thronfolge erhalten. In 2. Chronik 24,4 lesen wir. dass es Joasch am Herzen lag, «das Haus Gottes zu erneuern». Er begann seine Regierungszeit als gottesfürchtiger König, was nach einer Zeit, in der die Menschen, und sogar die Propheten, nur in Angst gelebt hatten, wunderbar war. Während des größten Teils seiner Herrschaft lebte Joas nach dem Willen Gottes und kämpfte gegen den Götzendienst. In diesem Kampf hatte er im Priester Jojada eine geistliche Stütze. Nach dessen Tod allerdings ließ sich der seelisch schwache König wieder zum Götzendienst verführen und wurde sogar das Opfer einer Verschwörung seiner eigenen Soldaten (2. Chr. 24,17-27). Sein Sohn Ainazija war 25 Jahre alt. als er sein Regierungsamt antrat. Der Beginn der Regierungszeit dieses Mannes war auch wieder von Gottesfurcht geprägt: «Er tat, was recht war in den Augen des Herrn, jedoch nicht mit ungeteiltem Herzen» (2. Chr. 25,2). Sein Sohn Usija (aramäisch Asarja) war einer der vier Könige in Juda, von denen man wirklich sagen konnte, dass sie durchwegs gute und gottesfürchtige Herrscher waren. Unter seiner Regierung wirkten in Juda die Propheten Amos, Hosea und Jesaja. König Hiskia Nachdem wieder zwei abtrünnige Könige. Jotam und Ahas, für einige Jahre regiert hatten, kam Hiskia auf den Thron (ca. 725 bis 697 v. Chr.). Er war zweifellos der beste König Judas (2. Kön. 18,1-8), über keinen anderen wurde so viel geschrieben. Während seiner Regierungszeit wirkte der Prophet Jesaja. Hiskia ließ alle Formen des Götzendienstes abschaffen, und Juda erkannte Jahwe wieder als seinen alleinigen Gott an (2. Chr. 29-32). Außenpolitisch litt Hiskia unter den vielen Bedrohungen von Seiten Assyriens, die er militärisch und diplomatisch zu lösen versuchte. Doch dann beging Hiskia einen großen Fehler. Als Babylon Judas Allianz gegen Assyrien suchte, zeigte der König den babylonischen Abgesandten alle seine Schätze. Dieses Übermaß an Stolz sollte Juda viel kosten. Der Prophet Jesaja rügte Hiskia sehr dafür und prophezeite, dass Juda in babylonische Gefangenschaft geführt werden würde, was im Jahr 586 v. Chr. Wirklichkeit wurde (2. Chr. 36). Der nächste König war Manasse (696-642 v.Chr.). Seine Regierungszeit zeichnete sich nicht nur durch ihre Länge aus, sondern auch durch ihre Sündhaftigkeit. Gott war so verärgert darüber, dass er versprach. Juda in Gefangenschaft zu führen (2. Chr. 33). Aber Manasse tat als einziger König in der Geschichte Israels Buße und veränderte sich zum Guten, indem er sich zu Gott als dem Herrn hinwandte. Er heiligte den Tempel wieder und wandte sich von den Götzen ab, denen er sogar seine Söhne geopfert hatte (2. Chr. 33,6.13.16). Manasses Sohn Amon begann genauso schlecht wie sein Vater, demütigte sich aber leider nicht im Laufe seines Lebens, sondern verstrickte sich immer mehr in Sünde (2. Chr. 33,21-25). Doch dann schlug das Pendel wieder nach der guten Seite aus. Josia, der Sohn Amons, wurde mit acht Jahren König (ca. 640 v. Chr.) und regierte insgesamt etwa 31 Jahre lang. Wesentlich ist bei ihm, dass er mit sechzehn Jahren anfing, Gott zu suchen. Als er zwanzig war, schaffte er den Götzendienst wieder ab und begann eine Art Reformation. Der Tempel wurde gereinigt und man nahm Reparaturarbeiten an ihm vor (2. Chr. 34,1-7). Gleichzeitig wurde das ganze Land vom Götzendienst gereinigt. Als Josia 24 Jahre alt war, wurde während der Arbeiten am Tempel ein Exemplar des Gesetzbuches gefunden, wahrscheinlich waren es die fünf Bücher Mose. Sie wurden dem König vorgelesen, und der war so überwältigt von dem sündhaften Leben, das im Lande herrschte, dass er als Zeichen der Reue seine Kleider zerriss. Danach wurde das ganze Buch dem Volk vorgelesen, und der König versprach, alles zu befolgen, was darin geschrieben stand. Das Volk versprach dasselbe (2. Chr. 34,8-33). Wir haben hier ein klares Beispiel dafür, wie weit selbst Juda von Gottes Wegen abgewichen war. Anscheinend waren schon Jahrhunderte vergangen, seit das Volk überhaupt die Möglichkeit gehabt hatte, Gottes Wort zu hören. Josia führte auch das Feiern des Passahfestes wieder ein (2. Chr. 35,1-19), das seit Hiskia rund siebzig Jahre lang nicht mehr abgehalten worden war. Doch trotz der eindeutigen Veränderung zum Guten achtete auch Josia nicht immer auf das Wirken Gottes. So zog er eigenmächtig in den Krieg und kam ca. 609 v.Chr. bei Megiddo im Kampf gegen Pharao Necho um (2. Chr. 35,20-27). Jeremia stimmte daraufhin seine Klagelieder an (2. Chr. 35,25). In seiner Fürsorge schickte Gott auch eine Frau als Ermahne-rin, die Prophetin Hulda. Diese sagte eine baldige Bestrafung Judas voraus, was dann leider auch eintrat, weil Juda immer wieder vom vorgegebenen Weg abirrte (2. Kön. 22,14-20). Nun kamen die letzten vier Könige vor der Deportation des Südreiches. Das Volk machte Joahas (von Jeremia Schal-lum genannt), den Sohn Josias, mit 23 Jahren zum König. Nach nur drei Monaten Regierungszeit jedoch setzte der ägyptische König Necho ihn ab, nahm ihn gefangen und machte seinen Bruder Eljakim mit 25 Jahren zum König, dessen Name später in Jojakini umgewandelt wurde (2. Chr. 36.1-5). Leider hatte Jojakim nicht auf das Handeln und Wirken Gottes im Leben seines Vaters Josia geachtet und stand den gottlosen und schlechten Königen der Vergangenheit in seiner elfjährigen Regierungszeit in nichts nach. Nach ihm kam sein Sohn Jojachin ca. 598 v. Chr. mit achtzehn Jahren zur Königsherrschaft (2. Chr. 36,9). Er regierte nur drei Monate und zehn läge, bevor er und sein ganzes Haus durch Nebukadnezar in babylonische Gefangenschaft geführt wurden (2. Kön. 24,12-17). Nach 37 Jahren Kerker gab ihm der babylonische König eine begrenzte Freiheit und einen hohen Posten innerhalb seiner Verwaltung. Jeremia rief das Land, einem Trompetenstoß gleich, auf: «O Land. Land, Land, höre des Herrn Wort!» (Jer. 22,29). In dieser Zeit wurden die ersten umfangreichen Deportationen durch den babylonischen König Nebukadnezar durchgeführt, in denen auch Daniel (in Babylon Beltschazar genannt), Hanan-ja (Schadrach). Mischael (Meschach) und Asarja (Abed-Ne-go) weggeführt wurden (Dan. 1,1-7). Die Namensänderungen waren Teil der Kriegsführung, um die Erinnerung der Deportierten an ihre Herkunft auszulöschen. Diese Praxis kam im Leben der Juden bis heute immer wieder vor. Zedekia und das Exil in Babylon Zedekia war dann der letzte König Judas, bevor der Tempel endgültig zerstört und das Land verwüstet wurde. Er war der Bruder Joahas und der jüngere Sohn des guten Königs Josia und dessen Frau Hamutal (2. Kön. 23,31; 24,18). Doch es wurde ihm zum Verhängnis, dass er die Stimmen Jeremias, Daniels und Hesekiels missachtete. Durch ein Bündnis mit Nebukadnezar, dem König Babylons, und der Bereitschaft, als sein Vasall zu dienen, versuchte er noch, die drohende Gefahr der Vernichtung abzuwenden. Doch nach kurzer Zeit brach er das Bündnis und suchte die Unterstützung Ägyptens im Kampf gegen Babel. Solch einen Verrat konnte Nebukadnezar nicht dulden, und so zog er gegen Jerusalem und belagerte die Stadt achtzehn Monate lang, bis sie ihm in die Hände fiel. Im Jahre 586 v.Chr. kam es dann zur Eroberung Israels. Die Bevölkerung, mit Ausnahme der Ärmsten, wurde in die Babylonische Gefangenschaft geführt. Unter ihnen war auch König Zedekia (2. Chr. 36,11-21; 2. Kön. 25,1-21). Es ist traurig, dass diese Katastrophe zu verhindern gewesen wäre, hätte Israel auf seinen Gott gehört. Gott selbst war traurig, dass die Menschen nicht auf ihren Schöpfer achteten, so heißt es in 2. Chronik 36,14-16: «Auch alle Oberen Judas und die Priester und das Volk versündigten sich noch mehr mit all den gräulichen Sitten der Heiden und machten unrein das Haus des Herrn, das er geheiligt hatte in Jerusalem. Und der Herr, der Gott ihrer Väter, ließ immer wieder gegen sie reden durch seine Boten, denn er hatte Mitleid mit seinem Volk und seiner Wohnung. Aber sie verspotteten die Boten Gottes und verachteten seine Worte und verhöhnten seine Propheten, bis der Grimm des Herrn über sein Volk wuchs und es kein Vergeben mehr gab.» So hatte das israelitische Königreich bis zur Babylonischen Gefangenschaft rund 450 Jahre bestanden, und davon nur rund hundert Jahre ungeteilt. Der Aufstieg begann mächtig und dauerte bis zur Herrschaft des Königs Salomo. Danach begann der kontinuierliche Abstieg. Nach der Teilung der zwölf Stämme ca. 926 v.Chr. unter der Führung Jerobeams begann eine eigenständige Entwicklung für das zehn Stämme umfassende Nordreich und das zwei Stämme umfassende Südreich unter der Führung Rehabeams. Nach der Teilung kam es im Nordreich zu einer insgesamt rund 200 Jahre andauernden Herrschaft von neunzehn Königen, die sich in ihrer Schlechtigkeit und Gottlosigkeit kaum voneinander unterschieden. Als Bestrafung wurden die zehn Stämme 721 v.Chr. nach Assyrien ins Exil geführt und verschwanden bis heute beinahe spurlos. Etwas besser war es im Südreich Juda. Von den zwanzig Königen, die ab dem Jahr 926 v.Chr. bis zur Eroberung im Jahre 586 v.Chr. regierten, waren fünf Könige wirklich zum Segen für das Volk geworden. Diese gottesfürchtigen Könige Josaphat, Usija, Jotham, Hiskia und Josia führten das Volk zu Gott zurück. Drei andere begannen zwar mit Gott, fielen aber mit der Zeit wieder ab: Asa, Joasch und Amazja. Nur ein einziger König, Manasse, bekehrte sich wirklich im Laufe seiner Regierungszeit und wurde vom Götzenanbeter zum Diener Gottes. Mit den Königen kehrte auch das Volk immer wieder zum Götzendienst zurück, weil dieser attraktiver erschien, als an Jahwe festzuhalten, und so endete auch für das Südreich die Herrschaft im Jahre 586 v. Chr. Damit erlosch nach 340 Jahren die politische Selbständigkeit des Volkes Juda. Als der Tempel 586 v. Chr. durch Nebukadnezar zerstört worden war, führte dies eine entscheidende Wende im religiösen Leben der Juden in Babylon herbei. Wir dürfen uns das Babylonische Exil nicht als eine Gefangenschaft mit Zwangsarbeit und völliger Rechtlosigkeit vorstellen. Die Juden lebten in einer Art Autonomie, und wirtschaftlich ging es ihnen nicht allzu schlecht. Es stellte sich ihnen aber die Frage, wie sie nun ihren Glauben gestalten konnten, der sich doch durch das Opfern im Tempel ausgezeichnet hatte. Ohne Tempel auszukommen, war die größte geistliche Herausforderung ihrer Existenz in Babylon. Es musste eine Ersatzform für das Tieropfer gefunden werden, das zur Tilgung der Schuld des Einzelnen wie auch des Volkes diente. Auch für die Pilgerreisen zum Tempel nach Jerusalem an den drei Wallfahrtsfesten mussten andere Formen der Anbetung entwickelt werden, die auf der einen Seite das jüdische Volk zusammenhielten, auf der anderen Seite aber auch den geistlichen Zusammenhang zwischen Jerusalem und der Diaspora zeigten. Diese verschiedenen Ersatzformen wurden prägend für das religiöse Judentum von Babylon bis heute. So entstanden Lehrhäuser, so genannte Synagogen, in denen Gottes Wort vermittelt wurde. Diese Versammlungsorte sollten von nun an und besonders in der nachbiblischen Zeit den Tempel von Jerusalem ersetzen. Gleichzeitig wurden in Babylon die ersten verbindlichen Ordnungen für das Diasporadascin erlassen, die das Leben des jüdischen Menschen von der Wiege bis zur Bahre regeln sollten: Schabbat-Ordnungen, Speise-geselze und Reinheitsvorschriften. Diese Ordnungen (Halacha). die sich über Jahrhunderte weiterentwickelten, galten nun autoritativ für alle, weil sie als göttlich verstanden wurden. Dabei beriefen sich die Gelehrten auf Mose, der am Sinai in der Tora den Willen Gottes in schriftlicher Form erhalten, aber auch eine mündliche Überlieferung weitergegeben hatte, die nun in der Diaspora schriftlich festgehalten und als rechtsverbindlich erklärt wurde. Diese ersten Ordnungen mündeten in den Talmud. Diesem wurden noch bis ins 16. Jahrhundert Kommentare beigefügt. Dieses Werk, an dem ca. 2800 Personen mitarbeiteten, besteht in der deutschen Ausgabe aus fast 10000 Seiten und ist in zwölf Bände unterteilt. Doch wie war und ist das Exil als solches zu verstehen? Gott hatte doch Jakob versprochen, dass das Zepter nicht von den Nachfolgern Judas weichen sollte, bis der Schiloh, der Messias, kommt (1. Mo. 49,10). Gott kann nicht lügen oder seine Meinung ändern, das hat er deutlich gesagt (4. Mo. 23,19; Hebr. 6.18). Israel wurde geschaffen, damit es Gottes Ruhm verkünde. Doch wie war das noch möglich? Alles schien verloren zu sein. Es blieb nur die Hoffnung auf das Kommen des Messias, des Schiloh. Um diese Hoffnung besser verstehen zu können, müssen wir die geschichtlichen Entwicklungen und Aspekte verlassen und uns mit den geistlichen Aussagen der Boten Gottes, der Propheten, befassen. Die Propheten Wir haben über zwanzig namentlich genannte Propheten, die in der Bibel erwähnt werden. Bevor wir uns mit einzelnen Propheten beschäftigen und bei ihnen nach messianischcn Äußerungen suchen, betrachten wir zuerst das Amt, die Bedeu- tung und die Aufgaben dieser Menschen, die einen besonderen Ruf Gottes erhielten. Das Amt und seine Bedeutung Halten wir zunächst einmal fest, dass ein Prophet im biblischen Sinn ein Sprachrohr Gottes für den König und das Volk war, manchmal auch für andere Nationen wie bei Jona und Na-hum. Gott redete in dieser Zeit durch den Heiligen Geist direkt zu einzelnen Menschen. Dafür nutzte er verschiedene Wege, etwa sein geschriebenes Wort, oder er gab Menschen besondere Visionen oder bestimmte Träume mit prophetischem Charakter. Manchmal war das, was Gott seinem Volk mitteilen wollte, etwas Gutes, Positives, wie z.B. die Aussicht auf Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft, die er durch Mose Voraussagen ließ. Doch das waren Ausnahmen. Im Allgemeinen berief Gott einen Propheten in Zeiten, in denen Israel sich schwer versündigte. Dann war es die Aufgabe des Propheten, das Volk anzuklagen, es zu Buße und Umkehr aufzufordern und es auch zu warnen. Gottes Bestrafung bei Ungehorsam würde nicht ausblei-ben. das hatte er in den Tagen Moses durch seinen Bundesschluss mitgeteilt (5. Mo. 28-32). Dem gegenüber stand aber auch der unermessliche Segen für Israel, wenn es seinem Gott vertraute. Messianische Prophetien Doch außer den Ermahnungen an das Volk Israel, sich an den Bundesschluss zu erinnern, gab es einzelne Prophetien, die oft schwer verständlich waren, weil sie, zwischen völlig verschiedenen Themen verstreut, manchmal sehr unpassend erschienen. Dabei handelt es sich oft um messianische Verheißungen, die uns in diesem Buch besonders interessieren. Das Vorausschauen in die Zukunft, oft Jahrhunderte entfernt, teilweise bis heute noch nicht erfüllt, geschah nicht auf eine systematische Art. Es gab keine grundlegende Methode, durch die Gott den auserwählten Dienern seine Zukunftspläne mitteilte, und das macht Prophezeiungen oft so schwer verständlich. Diese Schwierigkeit in Bezug auf das richtige Verständnis von messianischen Aussagen besteht bei Juden und Nichtjuden bis heute. Grundsätzlich können sie in «schon erfüllt» und «noch nicht erfüllt» eingeteilt werden. Allerdings gibt es eine ganze Reihe von zusammengesetzten, mehrdeutigen Prophezeiungen. Das heißt, es sind Voraussagen, die entweder aus mehreren Teilen bestehen oder eine doppelte Bedeutung haben. und so für verschiedene Zeiten relevant sind. Deshalb ist die Deutung von Prophezeiungen kein leichtes Unterfangen. Oft kann nur der Heilige Geist uns dabei helfen, und manchmal ist es Gottes Plan, uns in Unwissenheit zu lassen. Nicht alle Propheten machten klare messianische Äußerungen. Von den zwölf «kleinen» Propheten waren es nur sieben. Jere-mia und Hesekiel machten nur wenige, aber enorm wichtige Voraussagen, dasselbe gilt für Daniel. Der zweifellos wichtigste Prophet, was die Anzahl und Aussagekraft seiner messianischen Prophezeiungen angeht, war Jesaja. Ein Teil seines Buches wird oft das erste - oder fünfte - Evangelium genannt. Die meisten Propheten wirkten vor dem Babylonischen Exil. Hesekiel und Daniel übermittelten dem Volk Gottes Wort während des Exils; Haggai, Sacharja und Maleachi erst nach dem Exil von Babel. Alle Propheten, mit Ausnahme von Elia, Elisa, Jona, Arnos und Hosea, wirkten in Juda vor seiner Deportation, aber auch während seiner Zeit im Exil und danach, als das Volk wieder zurück nach Israel kam. Die einzelnen Propheten Joel war der erste schreibende Prophet. Joel kündigte Juda die Ausschüttung von Gottes Geist und die wunderbaren Folgen dieses Ereignisses an. Genau das geschah damals an Schawuot (Pfingsten): «... und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Alten sollen Träume haben und eure Jünglinge Gesichte sehen. Auch will ich zur selben Zeit über Knechte und Mägde meinen Geist ausschütten» (Joel 3,1-2; vgl. Apg. 2,1-36). Joel 3,3-5 weist auf das zweite Kommen des Messias hin: «Und ich will Wunderzeichen geben am Himmel und auf Erden, Blut, Feuer und Rauchdampf. Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des Herrn kommt. Und es soll geschehen: Wer des Herrn Namen anrufen wird, der soll gerettet werden. Denn auf dem Berge Zion und zu Jerusalem wird Errettung sein, wie der Herr verheißen hat!» Amos wirkte sowohl in Juda als auch in Israel. Er wetterte gegen die Habgier des Volkes und die in der Gesellschaft herrschende Ungerechtigkeit. In seiner Ankündigung der zu erwartenden Strafe Gottes beschreibt er ein Phänomen, das beim Tod des Messias Wirklichkeit wurde: «Zur selben Zeit, spricht Gott der Herr, will ich die Sonne am Mittag untergehen und das Land am hellen Tage finster werden lassen» (Amos 8,9). Jona wurde von Gott nach Ninive geschickt, um die assyrische Bevölkerung dort zu Buße und Umkehr aufzurufen. Allerdings war er nicht gerade begeistert von dieser Aufgabe und wollte deshalb nach Tarsis flüchten. Zur Strafe ließ Gott ihn von einem großen Fisch verschlingen. Jona blieb drei Tage unversehrt im Bauch des Fisches und wurde dann wieder ausgespuckt. Jesus deutete dieses Geschehen als Vorausschau auf seinen Tod, seinen Aufenthalt im Grab und seine Wiederauferstehung (Mt. 12,39-41). Micha wirkte in Juda, zur gleichen Zeit wie Jesaja. Im Neuen Testament wird Micha fünf Mal erwähnt. Die für uns wichtigsten seiner Aussagen sind die, die sich auf den Geburtsort des Messias und seine Persönlichkeit beziehen: «Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist» (Mi. 5,1). Dies erfüllte sich im Leben Jesu (z.B. Lk. 2,4). In Micha 4,1-4 wird genau beschrieben, was beim zweiten Kommen des Messias geschehen wird. Habakuks Lebensdaten sind nicht ganz klar. Von großer Bedeutung bei ihm ist seine Aussage: «Der Gerechte wird durch seinen Glauben leben!» (Hab. 2.4b). Dieser Vers wird im Neuen Testament drei Mal zitiert: In Römer 1,17, wo die Seite der Gerechtigkeit betont wird, in Galater 3,11, wo die Notwendigkeit des Glaubens unterstrichen wird, und in Hebräer 10.38, wo wird leben hervorgehoben wird. Zweifellos geht es in diesem Vers um die Erlösung durch den Glauben. Gottes Wunsch und Plan ist, dass jeder Mensch gerecht wird. Doch im Alten Testament steht klar und deutlich: Kein Mensch kann von sich aus gerecht sein (Ps. 14; Jes. 64,6). Deshalb ist dieser Vers nur so zu verstehen: Der durch den Glauben an den Messias Gerechtfertigte wird ewig leben! Jeremia wirkte während der letzten vierzig Jahre vor dem Exil in Juda. Er wandte sich gegen das sündige Verhalten des Volkes und sagte den Fall Jerusalems und die Rückkehr nach siebzig Jahren Exil voraus. Jeremia machte zwei wichtige Prophezeiungen: Er kündigte den «Herrn der Gerechtigkeit» (23,5) und einen Neuen Bund (31,31-34) an. Diese Aussagen wurden damals als Trost für die Verbannten verstanden, doch das war ein Irrtum. Weder erschien der Herr der Gerechtigkeit noch wurde ein neuer Bund nach der Rückkehr aus Babel geschlossen. Der Herr kam 550 Jahre später, und der Bund wurde auf Golgatha geschlossen. Dieser Neue Bund sollte anders als der Alte Bund sein, den der Herr mit Israel am Berg Sinai geschlossen hatte, und den Israel nicht hielt, obwohl Gott mit ihm war. Im Neuen Bund sollte Gott das Gesetz in das Herz der Menschen schreiben. Und das Wichtigste: Gott würde ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken! Das ist der Neue Bund, der im Blut des Messias am Kreuz geschlossen wurde. Hesekiel war ein Prophet des Exils, der gegen den Götzendienst kämpfte und vor Gottes Bestrafung warnte. Hesekiel sagte haargenau das Schicksal der Nachbarländer voraus. Der letzte Teil des Buches beschreibt die Wiederkehr des Messias und das Millennium, das Tausendjährige Reich. Die Verse 34,23-24 weisen klar darauf hin, dass der Messias Davids Sohn sein wird. Interessant ist auch der Ausdruck «Menschensohn», den der Prophet über neunzig Mal gebraucht. Im Neuen Testament nennt sich Jesus auch so, über achtzig Mal. Das Buch Hesekiel ist voll von messianischen Prophezeiungen, doch sind sie zum größten Teil auf das zweite Kommen des Messias gerichtet, das heißt, sie sind noch nicht erfüllt. Daniel wurde von Nebukadnezar als Gefangener nach Babylon gebracht. Dort bekleidete er verschiedene hohe politische Ämter und wirkte auch prophetisch, obwohl sein Buch im Tenach. im Alten Testament, nach der jüdischen Einteilung, nicht zu den Propheten gerechnet wird. Das Buch Daniel ist reich an messianischen Aussagen. Als die drei Juden Hananja, Mischael und Asarja in den Feuerofen geworfen wurden, weil sie keine Götzen anbeten wollten, geschah ihnen nichts, denn es war noch jemand bei ihnen, der wie Gottes Sohn aussah (Dan. 3,25). In Kapitel 7,13-15 prophezeite Daniel die Rückkehr des Messias. In Kapitel 12,2 schreibt er über die Auferstehung, das Weltgericht und das ewige Leben der Erlösten. Doch der Höhepunkt und die Krone von Daniels messianischen Prophezeiungen ist der vorausgesagte Zeitpunkt für das Erscheinen des Messias und seinen Tod. «Siebzig Wochen [70 Schwu’im, d.h. Gruppe von sieben Jahren] hat Gott angeordnet als weitere Bestrafung von Jerusalem und seinem Volk. Dann wird es endlich aufhören zu sündigen, und seine Schuld wird vergeben sein, und ewige Gerechtigkeit wird ihren Anfang nehmen. Gericht und Weissagung wird erfüllt und das Allerheiligste gesalbt werden. So wisse nun und gib Acht: Von der Zeit an. als das Wort erging, Jerusalem werde wieder aufgebaut werden, bis ein Gesalbter, ein Fürst kommt, sind es sieben Schwu’im, und 62 Schwu’im lang wird es wieder aufgebaut sein, und nach den 62 Schwu'im wird ein Gesalbter ausgerottet werden. Und das Volk eines Fürsten wird kommen und die Stadt und das Heiligtum zerstören» (Dan. 9,24-26). Was sagen uns diese drei Verse? «Schawuot» bedeutet im Hebräischen Wochen, d.h. Einheiten von je sieben Tagen. «Schwu'im» sind Einheiten von je sieben Jahren. So wissen wir erstens, dass nach 490 Jahren Gott dem Volk Israel seine Schuld verziehen hat. Zweitens: Von der Zeit an, als verkündet wurde, Jerusalem könne wieder aufgebaut werden, bis ein Gesalbter, ein Messias kommt, sind es 483 Jahre (7 x 7 + 62 x 7 = 483). Nun fehlt uns nur noch der Anfang dieser Zeitspanne von 483 Jahren. Esra kam im siebten Regierungsjahr des persischen Königs Artaxer-xes (Esr. 7,7), der von 465-425 v.Chr. regierte, nach Jerusalem. Das heißt, wir können als Ausgangspunkt das Jahr 457 oder 458 v.Chr. nehmen. Rechnen wir nun von 457 v.Chr. 483 Jahre dazu, dann kommen wir ins Jahr 26 n.Chr., was der Zeit entspricht. in der der Messias wirkte. Im Vers 26 wird klar prophezeit, dass nach den 62 Schwu'im der Gesalbte getötet wird. Ebenso heißt es, die Stadt und der Tempel würden von einem heidnischen Volk zerstört, was vierzig Jahre später im Jahre 70 n.Chr. auch geschah. Jesaja muss zur Zeit der Zusammenstellung des Alten Testaments als der größte und wichtigste aller Propheten gegolten haben, da er in der hebräischen Bibel an erster Stelle der späten Propheten steht. Das Buch Jesaja kann in drei Teile eingeteilt werden. Kapitel 1-35 haben einen vorwiegend prophetischen Inhalt. Das Hauptthema ist Verurteilung. Das Reich Israel war zerstört, die Bevölkerung ins Exil verschleppt. Die politische Konstellation war so, dass dem Reich Juda ein ähnliches Schicksal drohte. Was war geschehen? Nicht Gott hatte sein Volk verlassen, aber das Volk seinen Gott! In Juda wurde zwar noch nicht direkter Götzendienst praktiziert, aber der Glaube an Gott war allmählich zu einer verwässerten Religion geworden. Der zweite Teil von Jesaja ist kurz und besteht aus den Kapiteln 36-39. Hier finden wir geschichtliche Ereignisse mit der Prophezeiung des Babylonischen Exils für Juda, ca. 170 Jahre bevor sie eintraf. Die Kapitel 40-66 sind von dem Leitmotiv des Trostes, auf der Grundlage der Hoffnung durchzogen. Gottes Endziel ist ja nicht Verurteilung oder gar Vernichtung des Menschen, dazu erschuf er ihn nicht. Gott ist voll Liebe, er will erretten und erlösen. Und wie kann das geschehen? Durch den Messias! Das ist der rote Faden, der durch diese Kapitel geht. Doch es kann nicht bestritten werden, dass mit dem 40. Kapitel etwas Neues beginnt. Der Verfasser wechselt nicht direkt das Thema, aber man könnte sagen, er veränderte die Richtung seiner Prophezeiungen. Mehr und mehr konzentriert sich alles auf die Erlösung durch einen Messias. Besonders zeigt sich das natürlich im Kapitel 53. wo sozusagen eine Biografie des Erlösers gebracht wird. Über Jesaja als messianischen Propheten wurden schon viele Bücher geschrieben, so wollen wir uns mit einer Liste der wichtigsten Prophezeiungen über den Messias begnügen. Jesaja Schilderung Erfüllt im NT 2,4 Alle Nationen unter seiner Herrschaft Offb. 12,5 7-14 Wird von einer Jungfrau geboren Mt. 1.18-25 8,14-15 Ein Stolperstein für viele Röm. 9,32-33 8,23-9,1 Beginn seines Dienstes in Galiläa Mt. 4,12-16 II,I Ein Zweig Mt. 2,23 11,2 Besitzt den Heiligen Geist Mt. 3,16-17 II,IO Erlöser der Welt, Samen Davids Röm. 1.3; Mt. 12,17-21 25,8 Besiegt den Tod 1. Kor. 15,54 28,16 Eckstein 1. Petr. 2,6-8 33,22 Richter und Gesetzgeber Joh. 5,30 35,5-6 Vollbringt Wunder, heilt Kranke Mt. 11,3-6 40,3 Ein Bote vor ihm Mt. 11,10 42,2-3 Sanft und milde Mt. 12,18-20 49,6 Wird auch Messias der Heiden sein Mt. 12,21 50,6 Wird geschlagen werden Mt. 26,67 55,3-4 Ein neuer, ewiger Bund Mt. 26.28 59,16 Der rechte Arm Gottes Joh. 12,38 5946 Messias als Mittler Hebr. 9,15 60,3.6 Weise beten ihn an Mt. 2.1-2.11 61,1-11 Dienst an Verachteten Lk. 4.16-21 63,1 Der glorreiche Messias Offb. 19,11-16 Fazit des ersten Kapitels Wir können die Frage, die am Anfang dieses Kapitels stand, klar und eindeutig beantworten: Jesus, der Messias, fiel nicht plötzlich und völlig unerwartet vom Himmel. Er war auch kein Reformator, Gelehrter, Prophet oder Heiland der Heidenvölker. Nein, er war und ist und bleibt der lange prophezeite und erwartete Messias, Herr und Erlöser der Juden wie auch der Nichtjuden. Jesus ist der Sohn Gottes, das Wort Gottes. Er ist Teil des dreieinigen Gottes Jahwe. Die Juden bekennen diese dreifache Einheit seit Jahrtausenden:«Höre Israel, Jahwe [der Herr], unser Gatt [Hebräisch Elohim = Mehrzahl], der Herr, ist eins\» (5. Mo. 6,4). Der Verfasser des Hebräerbriefes beschreibt äußerst treffend das Kommen des Messias: «Nachdem vor Zeiten Gott manchmal und auf mancherlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn. Ihn hat Gott gesetzt zum Erben über alles, durch ihn hat er auch die Welt gemacht. Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die Reinigung von unseren Sünden und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe!» (Hebr. 1,1-3). Der erwartete Messias (536-4 v.Chr.) Rückkehr aus dem Babylonischen Exil Nach Jahrzehnten der Verbannung lebte wohl keiner der ursprünglich Deportierten des Volkes Israel mehr, als Babel im Jahre 539 v.Chr. von den Persern erobert wurde. Der persische Herrscher, König Cyrus, gab bald darauf eine Erklärung ab, in der er die Rückkehr der Juden in ihre Heimat erlaubte (Esra 1,1-4). Und nicht nur das, sie durften auch die zerstörte Stadt Jerusalem sowie den Tempel wieder aufbauen, wobei die anderen, nichtjüdischen Bewohner des Landes sogar zu finanzieller Unterstützung aufgefordert wurden (Esr. 6,3-5.8). Viele Jahre vor seiner Geburt war Cyrus von Gott für diese Aufgabe erwählt worden, wie Gott es dem Propheten Jesaja gezeigt hatte (Jes. 44,28-45,13). Sembabbel: Bau des Zweiten Tempels Die erste große von insgesamt vier Gruppen, die unter der Leitung von Serubabbel zurückkehrte, zählte 42360 Juden, dazu 7337 Bedienstete und rund 200 Tempelmusiker (Esr. 2,64-65; Neh. 7,66-67). Serubabbel war ein Nachkomme des Königs David, und Haggai sah ihn sogar als kommenden Weltherrscher an (Hag. 2,20-23). Kaum in der alten Heimat wieder ansässig geworden, wurde im zweiten Jahr nach ihrer Ankunft 520 v.Chr. mit dem Bau des neuen Tempels begonnen (Esr. 3,8). In dieser Zeit wurden die halachischen Gesetze von Babel nicht aufgehoben. Der Gottesdienst und der spätere Opferritus wurden erneuert und den neuen Umständen und den Erfahrungen der Deportation angepasst. Das Exil hat eine erste Rückkehr zu Gott bewirkt (Esr. 6,22). Der Bau des Zweiten Tempels gelang nicht ohne Schwierigkeiten. Da war als Erstes die Opposition der inzwischen angesiedelten Bevölkerung, des samaritischen Mischvolkes, darunter auch Juden, die nicht nach Babylon weggeführt worden waren (Esr. 5,9-10; 2. Kön. 17.24-41). Aber auch die persischen Beamten versuchten, den Bau des Tempels zu verhindern. Sie sahen darin den ersten Schritt zur erneuerten Souveränität Israels, was sie verhindern wollten. Dieser starke Widerstand führte zu zeitweiligen Unterbrechungen des Baus. Und so dauerte es über zwanzig Jahre seit dem Erlass des Cyrus, bis der Zweite Tempel vollendet war, obwohl er, verglichen mit dem Ersten Tempel von Salomo, sehr bescheiden ausfiel. Zeitgleich hatten Haggai und Sacharja Serubabbel ermutigt, an der Arbeit zu bleiben (Hag. 2,1-9.20-23; Sach. 1,1-16; 2,1-4). Am 1. April 515 v.Chr. wurde dann der Zweite Tempel eingeweiht. Doch unter den Zurückgekehrten herrschte mehr Enttäuschung als Freude, berichtet uns Esra in seinem Buch (Esra 3,12). Zum einen war die Bundeslade nicht mehr vorhanden, ebenso die Säulen, die Cherubim und der Leuchter, und zum anderen erschien die «Schechina Gottes», die Gegenwart Gottes, nicht, wie es bei der Einweihung des Ersten Tempels der Fall gewesen war. Immerhin war gut siebzig Jahre nach der Zerstörung des Ersten Tempels der Zweite Tempel wieder errichtet worden. Esra: geistliche Erneuerung Wir lesen in Nehemia 9 und 10. wie das Volk seine Schuld bekannte und mit einem Treueschwur zurückkehrte zu den Richtlinien Gottes im Umgang mit dem Schabbat, den Opfern, dem Wirtschaftsverkehr mit den fremden Völkern und besonders im Blick auf die Mischehen zwischen Israeliten und Nichtisraeliten. Sogar die hebräische Sprache musste neu erlernt werden. da sie nicht mehr Umgangssprache war (Neh. 13,24). Esra wurde mit der zweiten großen Gruppe der Exilanten nach Jerusalem zurückgeführt (457 v. Chr.). Er, ein Nachkom- me Levis, Sohn des Hohenpriesters Seraja, war fest entschlossen, die so notwendige Aufgabe der geistlichen Erneuerung auszuführen (Esr. 9,6-10; 10,1-5). Die Zurückgekehrten, die wieder in Jerusalem lebten, waren die Repräsentanten des ganzen Volkes Israel und sollten wieder als ein heiliges Volk abgesondert und nach den Gesetzen Gottes leben. Da bei vielen die Tora (die fünf Bücher Mose) nicht mehr in vollem Umfang bekannt war und stattdessen nur noch die halachischen Lebensordnungen, musste Esra öffentliche Vorlesungen über die Tora des Mose halten (Neh. 8.1-6). Esras Aufgabe war insofern immens, als er auch das geoffen-barte Wort Gottes niederschreiben musste, das 1. und 2. Chronikbuch und wahrscheinlich auch Psalm 119, den längsten unter den Psalmen. Das Studium der Tora wurde in den Synagogen zu einer der Haupttätigkeiten des Volkes. Nehemia: Aufbau der Stadtmauer Zwölf Jahre nach der Ankunft Esras kam auch Nehemia nach Jerusalem zurück (ca. 445 v. Chr.). Er war die dritte Person, die zentral war für den Wiederaufbau der jüdischen Gemeinschaft in Jerusalem und ganz Judäa. Er sah seine Aufgabe im praktischen und technischen Bereich, dem Wiederaufbau der Stadtmauern und der Tore Jerusalems (Neh. 2-4). ln nur 52 lagen schaffte er es, die Stadtmauern Jerusalems aufzubauen, was einem Wunder gleichkommt (Neh. 6,15). Es war auch Nehemia, der erkannte, dass es sicherheitstechnisch ein Problem darstellte, dass der größte Teil der Juden außerhalb von Jerusalem in Kleinstädten lebte. Deshalb erließ er eine Verordnung, die festlegte, dass jeder zehnte Jude, der außerhalb der Stadt lebte, nach Jerusalem kommen und sich dort ansiedeln musste (Neh. 11,1-2). Weitere Schwierigkeiten lagen im sozialen Bereich. Durch den Mangel an Nahrungsmitteln in der Stadt schnellten die Preise in die Höhe. Dazu kamen noch die Steuern, die der persische König den Juden auferlegt hatte. So gab es nicht wenige Leute, die Geld von ihren besser situierten Brüdern borgen mussten, was wiederum die Zahlung hoher Zinsen oder die Verpfändung von Eigentum bedeutete. Es gab sogar Fälle, in denen Eltern ihre Kinder als Sklaven verkaufen mussten, um das nötige Geld aufbringen zu können. Solche Zustände waren natürlich ein klarer Verstoß gegen die Tora und nicht im Sinne der geistlichen Wiederherstellung. Nehemia rief die Wohlhabenden des Landes zusammen und konnte erreichen, dass sie den Armen die Schulden erließen und alles verpfändete Eigentum Zurückgaben (Neh. 5,1-13). Nach zwölf Jahren Wirkungszeit musste Nehemia wieder nach Babel zurückkehren, da er als Staatsbeamter weiter im Dienst des persischen Königshauses stand. Späte Propheten Sacharja wurde wohl im Exil geboren und kam zusammen mit seinem Vater und Großvater bei der ersten Alija (Rückkehr) mit Serubabbel 520 v. Chr. zurück nach Jerusalem (Neh. 12,4.16). Er war ein Priester, der 520-480 v. Chr. wirkte, zeitgleich mit Hag-gai. Er unterstützte maßgeblich den Aufbau des Zweiten Tempels und wird von allen zwölf, so genannten Kleinen Propheten am häufigsten im Neuen Testament zitiert, nämlich über vierzig Mal! In Sacharja finden wir einige zusammengesetzte Prophezeiungen. Er bringt Ereignisse, die teilweise schon geschehen, jedoch gleichzeitig symbolisch sind für etwas, das auch noch in der Zukunft geschehen wird. So ist das Erscheinen des Messias seine zentrale Botschaft: «Du, Tochter Zion, freue dich sehr; und du, Tochter Jerusalems, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, demütig und auf einem Esel reitend, auf dem Füllen einer Eselin» (Sach. 9,9). Das ist das genaue Bild vom Einzug Jesu in Jerusalem (Mt. 21,5). Der nächste Vers in Sacharja 9,10 hingegen spricht von etwas ganz anderem, der Herrschaft des Messias und dem Weltfrieden. Zweifellos handelt es sich hier um das Zweite Kommen Jesu und das Tausendjährige Reich, das Millennium. In Sacharja 11,12-13 wird der Verrat des Messias durch Judas geschildert, der als Lohn dreißig Silberstücke bekam und wegwarf (Mt. 26,15). Sacharja 12,10 enthält eine Prophetie in Bezug auf Israel in der Endzeit, aber auch auf das Kreuz: «Aber über das Haus Davids und die Bürger Jerusalems will ich ausgießen den Geist der Gnade und des Gebets. Und sie werden mich ansehen, den sie durchbohrt haben, und sie werden um ihn klagen, wie man klagt um ein einziges Kind!» Auch Sacharja 13,7a bezieht sich auf den Tod des Messias: «Schwert, mache dich auf über meinen Hirten, über den Mann, der mir am nächsten ist, spricht der Gott Zebaoth!» Die Verse 8-9 hingegen weisen wieder eindeutig auf die Endzeit hin: Zwei Drittel des Volkes Israel werden ausgerottet, und der Rest wird dann geprüft und geläutert werden, bis sie den Namen des Herrn anrufen und so gerettet werden. Wir sehen bei Sacharja die zukünftige Erfüllung des Bundesversprechens Gottes, und wie er Israel erretten und den Menschen seinen Heiligen Geist geben wird. Aber es ist auch die Rede davon, dass noch eine Zeit der Verfolgung und Tötung bevorsteht, durch die der Feind Israel vernichten will. Maleachi ist der letzte der Propheten und schließt das Buch der «Propheten» im Tenach, dem jüdischen Alten Testament, ab. Auch er macht messianische Prophezeiungen. Die beiden wichtigsten sprechen über das Erscheinen des Messias. Maleachi 3,1 schildert das erste Kommen des Messias und dessen Boten, womit zweifellos Johannes derTäufer (Mt. 11,10) gemeint ist: «Siehe, ich will meinen Boten senden, der vor mir den Weg bereiten soll. Und bald wird kommen zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht, und der Engel des Bundes, den ihr begehrt. Siehe, er kommt, spricht der Herr Zebaoth!» In Maleachi 3,23 wird ein Bote wie Elia angekündigt, der vor dem Weltgericht kommen soll. Matthäus 11,14 macht deutlich, dass Johannes derTäufer die Person des Elia, von dem in Maleachi die Rede war, verkörpert, indem er ein Bote für den Messias ist. genauso wie Elia ein Bote Gottes war. Gott schweigt - die Zeit zwischen Maleachi und Johannes dem Täufer Wechselnde Herrscher Die Zeitspanne, die wir jetzt untersuchen wollen, erstreckte sich über etwa vierhundert Jahre, von den Prophezeiungen Malea-chis bis zur Verkündigung der Geburt von Johannes dem Täufer, und zeichnet sich durch wechselnde Herrscher aus. Nach der nahezu zweihundert Jahre währenden persischen Ära übernahmen die Griechen unter der Führung von Alexander dem Großen die Weltherrschaft, die allerdings nur ca. zehn Jahre (332-323 v.Chr.) dauern sollte. Dennoch hatte der Hellenismus großen Einfluss, bis heute. Alexander der Große wollte das größte Reich seiner Zeit schaffen, geeint in Sprache, Kultur und Lebensart. Daher wurde Griechisch die Weltsprache, und die hellenistische Kultur und Religion sollten für alle Völker gelten. Als Folge dieser Entwicklung wurde das Alte Testament um 270 v.Chr. ins Griechische übersetzt. Durch die «Septuaginta». wie man diese Übersetzung des Tenach nannte, wurde das Alte Testament auch der nichtjüdischen Welt zugänglich gemacht. Nach den Griechen übernahmen verschiedene Herrscher aus Ägypten (Ptolemäer) oder Syrien (Seleukiclen) abwechselnd die Verwaltung der Heimat des Volkes Israel. Unter dem Seleu-kidenherrscher Antiochus Epiphanes (175-164 v.Chr.) kam es erneut zu einer Wende ungeheuren Ausmaßes. Es wurde nicht nur das Darbringen von Opfern im Tempel verboten, sondern auch die Bedeutung des Tempels selbst wurde durch öffentliche Unzucht in den Dreck gezogen. Die Beschneidung wurde als Verbrechen abgestempelt. Der Schabbat durfte nicht mehr gehalten und die biblischen Feste nicht mehr gefeiert werden. Die Torarollen wurden zerstückelt oder verbrannt. Die Juden wurden gezwungen, Schweinefleisch zu essen und den Götzen Opfer zu bringen. Doch der Höhepunkt der Gotteslästerung war die Entweihung des Allerheiligsten im Tempel. Dort wurde ein Altar gebaut, auf dem Schweine als Opfer für Zeus dargebracht wurden. Am 6. Dezember 167 v.Chr. wurde der Tempel endgültig dem Zeus Olympus geweiht. Viele Juden versuchten, die Schändung zu verhindern und mussten dabei ihr Leben lassen. Bereits eine Woche später, am 15. Dezember 167 v.Chr., wurde eine Zwangsverordnung für alle Juden erlassen. Schweine und andere unreine Opfer als Götzenopfer dem Zeusbild im Tempel darzubringen, ansonsten würden sie mit dem Tod bestraft. Israel befand sich nun wieder in einer prekären Lage. Das Volk selbst war in Bezug auf seine Religion gespalten. Doch das Schlimmste war der Angriff auf den biblischen Glauben an Jahwe überhaupt (1. Makk. 1,11-6,16; 2. Makk. 5,11-9,28). Die Herrschaft der Hasmonäer Wie so oft in der Geschichte genügte eine einzelne Tat, um eine Revolte herbeizuführen. Diese Tat, auf die wir im Folgenden genauer eingehen werden, würde der Auslöser für den Kampf der Makkabäer sein, der die Regierungszeit der Dynastie der Hasmonäer einläuten sollte. In dieser Zeit, die rund hundert Jahre andauerte, erlangten die Juden in Judäa politische Unabhängigkeit von Syrien. Zu jener Zeit lebte ein Priester namens Mattathias vom Geschlecht Hasmon mit seinen fünf Söhnen in dem Städtchen Modi’in westlich von Jerusalem. Als eines Tages ein syrischer Beamter von der Bevölkerung von Modi’in verlangte, den heidnischen Göttern Opfer darzubringen, widersetzte sich der Priester Mattathias zusammen mit seinen Söhnen diesem Befehl, was den Stein zum allgemeinen Aufstand gegen die antijü- dischen Machenschaften von Antiochus Epiphanes ins Rollen brachte. In der Folge floss sehr viel Märtyrerblut, bis der Sieg erkämpft war (i. u. 2. Makkabäerbuch). Drei Jahre nach dem Aufstand konnte der Tempel am 14. Dezember 164 v. Chr. wieder zu seiner ursprünglichen Bedeutung zurückgeführt werden. Das Fest, das daraufhin entstand, wird heute noch als Chanukka. als Lichterweihfest, zur Ehre der Wiederherstellung des Tempels gefeiert. Von zentraler Bedeutung bei diesem Ereignis war. dass auch die Autorität der Tora und der Flalacha im Volk wiederhergestellt wurde, was sehr eindrücklich in den außerbiblischen Büchern der Makkabäer geschildert wird. Wie war es möglich, dass dieser Aufstand gelang? - Nicht wenige Juden fühlten sich zum Hellenismus hingezogen, versprach die Assimilation doch ein leichteres Leben. Deshalb musste Gott eingreifen. um sein Volk zu erhalten, den biblischen Glauben zu schützen und den Tempel wieder zu seinem Wohnsitz zu machen. Die zweite Erklärung für den unerklärlichen Sieg der Makkabäer liegt im Kommen des Messias. Die Prophezeiungen des Alten Testaments setzen für das Kommen des Messias den Tempeldienst voraus. Darin liegt der eigentliche Grund dafür, weshalb Gott eingreifen musste, weshalb die Makkabäer das menschlich gesehen Unmögliche erreichen konnten, denn Gott hatte sie erwählt und stand hinter ihnen! Der Makkabäer-Aufstand diente dem sehnsüchtig erwarteten Erscheinen des Messias. Nach rund hundert Jahren wurde dem hasmonäischen Reich 63 v. Chr. durch die übermächtige Besatzung der Römer ein Ende gesetzt. Die Pharisäer Während dieser wechselvollen politischen Zeit entstanden die wichtigsten religiösen Gruppierungen des Judentums, die Gruppe der Schriftgelehrten und die Partei der Pharisäer. Die Pharisäer leiteten ihren Namen von dem hebräischen Wort «parusch» (getrennt, abgesondert) ab. Sie forderten die Heiligung des Menschen, weil Gott und seine Gebote heilig sind. Das war die entscheidende Zielsetzung dieser immer einflussreicher werdenden Gruppe. Es galt, sich immer mehr abzusondern von der Welt und den täglichen Lebensbezügen, um durch die Einhaltung der Gebote in der Heiligung zu leben. Durch die Pharisäer entstand eine Laienbewegung, die eine Art allgemeines Priestertum darstellte. Das Lernen, Studieren und Beten mit der Bibel in den Lehrhäusern wurde von nun an eine tägliche Aufgabe für jeden Juden, und nicht mehr nur für die Priesteraristokratie. Die Lehre der mündlichen Überlieferung wurde immer mehr erweitert, um dadurch der Gefahr der Assimilierung, wie sie in der Zeit des Hellenismus bestand, zu begegnen. Es wurde eine autoritativ verbindliche Ordnung gefordert, die für jeden Juden weltweit gültig und für jeden umsetzbar sein sollte. Das wurde das entscheidende Anliegen und Ziel der Pharisäer. Sie setzten sich in der Geschichte durch, und viele ihrer Ordnungen flössen als rechtsverbindlich in den Talmud ein. Aus den erarbeiteten 613 Lebensanweisungen des Mose, die in der Tora erkannt wurden, entstanden 365 Verbote und 248 Gebote. Eine weitere Änderung dieser Zeit betraf die Religionspolitik. Das Amt des Hohenpriesters wurde immer mehr durch politische Fragen beeinflusst. Das Kriterium für die Erlangung dieses Postens war nicht mehr die aaronitische Abstammung, sondern wurde immer mehr von weltlichen Machtspielen beeinflusst. Den orthodoxen Pharisäern missfiel dieser Trend natürlich sehr, was zu einer ernsthaften Spaltung in der Zeit der hasmonäischen Herrschaft führte. Als Johannes Hyrkanus sich aufgrund seiner militärischen Siege König nannte, konnten das die Pharisäer nicht verkraften. Ein König musste in Juda davidischer Abstammung sein, was die Hasmonäer nicht vorzuweisen hatten. Neben den Pharisäern gab es noch andere Gruppierungen. Die Sadduzäer, zu denen gutsituierte und einflussreiche Familien gehörten, waren eng mit den Priestern verbunden. Sie waren sozusagen die gesellschaftliche Aristokratie des Volkes. Die Sadduzäer waren mehr an Politik und Wirtschaft interessiert als an Religion und unterstützten die Hasmonäer. Die Pharisäer waren in ihren Augen religiöse Fanatiker. Die Essener waren eine streng religiöse, weltabgeschiedene Gruppe, die ein klosterartiges Leben führte. Sie eiferten für das Gesetz und wollten ihr Leben nur Gott widmen. Doch durch ihre völlige Abkapselung von der Welt vernachlässigten die Essener das Ziel des von Gott geschaffenen Volkes Israel, nämlich Seinen Ruhm zu verkünden! Die Zeloten, die Eiferer, waren eine politische Partei mit dem Ziel, der römischen Herrschaft, wenn nötig auch mit Gewalt, ein Ende zu bereiten. Keine der Gruppen rechnete zu diesem Zeitpunkt wirklich mit der Hilfe Gottes, geschweige denn dem Kommen des Messias. Wenn, dann stellte man sich ihn eher als eine politischmilitärische Leitfigur vor, die ihnen helfen sollte, das Joch der Römer loszuwerden. Alle suchten nach einer Lösung, doch als sie kam, verstanden sie sie nicht. Die Bühne war vorbereitet, Gott würde sein vierhundert Jahre langes Schweigen brechen und in diesen letzten Tagen zur Menschheit durch den Sohn reden (Hebr. 1,2)! Unter römischer Herrschaft Im Jahre 63 v.Chr. eroberte der römische Feldherr Pompejus Jerusalem. Die Selbständigkeit Israels war wieder zu Ende. Julius Caesar ernannte 47 v.Chr. den Idumäer Antipater zum Bevollmächtigten in Judäa. Von 37 bis 4 v.Chr. wurde sein Sohn Herodes, genannt der Große, zum König der Juden ernannt. Obwohl er nach halachischer Tradition nicht als Jude akzeptiert wurde, war er es, der den Tempel erneuerte und erweiterte. Er selbst war begeisterter Hellenist und fürchtete die Hasmonäer als Rivalen. Diese Angst des Herodes führte dazu, dass er alle Hasmonäer ermorden ließ, sogar seine eigene Frau Mariamne und seine zwei Söhne, deren Mutter sie war. Herodes war König über Judäa, als Jesus der Messias geboren wurde. Wie düster war die Lage Israels geworden! Fazit des zweiten Kapitels Nachdem Israel in vier Wellen aus der Babylonischen Gefangenschaft nach Jerusalem zurückgekehrt war. war es möglich, nicht nur den Tempel, sondern auch die Stadt und die Mauern zum Schutz vor den Feinden wieder aufzubauen. Es entwickelte sich eine neue messianische Sicht. Diese Hoffnung wurde auch nicht getrübt, als Israel von schwersten außen- und innenpolitischen Konflikten bedroht wurde. Durch die Entstehung neuer religiöser Gruppen wurde das Judentum zum Teil zu einer politischen Macht instrumentalisiert. Gleichzeitig drohte es ganz unterzugehen, da die hellenistische Lebenskultur im Widerspruch zum Wort Gottes einen immer größeren und vor allem konfliktfreieren Rahmen bot, als das Einhalten der jüdischen Lebensart. Ein entscheidender Wendepunkt war dann die Regierungszeit der Hasmonäer, in der das Judentum eine gewisse Erweckung erlebte und vor allem die Fremdherrschaft über das Land eine Zeit lang abschütteln konnte. Nachdem das Land erneut erobert worden war, diesmal von den Römern, war der Zeitpunkt gekommen, von dem es heißt: «Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn» (Gal. 4,4). Mit anderen Worten, die Vorbereitungen für das Kommen des Messias waren abgeschlossen. Der offenbarte Messias (4 v.Chr.-30 n.Chr.) Die vier Evangelien Für uns sind die vier Evangelien des Neuen Testaments die einzige Quelle, um zu erfahren, wer und wie Jesus war, was er tat. lehrte und von seinen Schülern und Nachfolgern verlangte. Dort erhalten wir authentische Informationen durch unmittelbare Augenzeugen. Die Evangelien wurden geschrieben, um dem Leser zu beweisen, warum nur Jesus der Messias sein kann. So stellen die Evangelien gemeinsam das Zeugnis aus. dass er König, Priester und Prophet ist. In seiner Person vereinigen sich diese drei Kennzeichen seiner Messianität (5. Mo. 18,16-18; 2. Sam. 7,11 -13; Ps. 110,4). Die vier Evangelien ergänzen sich untereinander in ihren Aussagen und Erzählungen. Zum besseren Verständnis ist es notwendig, vorher noch etwas über die Verfasser und die Hintergründe der Evangelien zu sagen. Matthäus war zuvor Zöllner gewesen (Mt. 10,3; Mk. 2,13-15), also Steuereinnehmer für die römischen Behörden. Er verfasste sein Evangelium, nachdem er etwa fünfzehn Jahre als Augen- und Ohrenzeuge, eben als Apostel, im Lande Israel gewirkt hatte. Dabei schrieb er als Jude für Juden und dokumentierte die Erfüllung alttestamentlicher Verheißungen. Daher ist das Matthäusevangelium die passende Brücke zwischen dem Alten Testament und dem Neuen Testament. Matthäus benutzte viele Zitate aus dem Tenach, dem Alten Testament, mit dem Hinweis «... auf dass sich erfüllte ...» (1,22; 2,15.17.23 usw.). Damit trat er die Beweisführung an, dass Jesus der lang erwartete, so oft prophezeite Messias Israels war. Wie die anderen Evangelisten schilderte auch Matthäus keine vollkommene Lebensgeschichte von Jesus. Er sah seine primäre Aufgabe darin zu zeigen, wer Jesus ist: der Sohn Davids, der König der Juden (Mt. 9,27:15,22; 20,30). Der Evangelist Markus, an anderen Stellen auch Johannes Markus genannt, wandte sich als Jude an die Römer, also an Menschen, für die Taten wichtiger waren als Gedankengebäude. Sein Evangelium ist das kürzeste und eignet sich daher besonders gut als Einführung in den Glauben. Das Hauptziel von Markus war, Jesus als den wahren Israeliten vorzustellen, indem er seine Eigenschaft als Diener unterstrich. Markus gehörte nicht zum Apostelkreis der Zwölf, daher verstärkt das Erwähnen von Einzelheiten die Annahme, dass einer der Apostel, höchstwahrscheinlich Petrus, als Informationsquelle für Markus diente. In der Apostelgeschichte hören wir noch mehr über Johannes Markus, der Paulus, Barnabas und Petrus in ihrem Dienst unterstützte (Apg. 12,12; 13,5.13; i5,37ff.). Lukas, der dritte Evangelist, war Arzt und der einzige nichtjüdische Autor des Neuen Testaments. Er verfasste auch die Apostelgeschichte. Als enger Mitarbeiter von Paulus war er auch mit allen anderen führenden Mitarbeitern der neu entstandenen Gemeinden in Kontakt. Die Leser, die er als Zielgruppe vor Augen hatte, waren Griechen und Römer aus dem hellenistischen Kulturkreis, Leute, die einen schönen und literarischen Stil schätzten. Explizit nennt Lukas in seinem Evangelium und der Apostelgeschichte einen privaten Empfänger namens Theophilus. Lukas achtete besonders auf genaue Daten und exakte technische und historische Erklärungen, wie es einem Akademiker zu Eigen ist. Weil die Griechen von einem göttlichen Erlöser erwarteten, dass er auch ganz menschlich ist, unterstrich Lukas den Menschensohn Jesus, der einerseits stark und mächtig, aber andererseits auch sehr mitfühlend war. Seine Sympathie und sein Mitleid für andere wurden stark betont, weshalb er auch viel über das Verhältnis von Jesus zu Frauen und Kindern schrieb. Außerdem wird in keinem anderen Evangelium so viel über das Gebetsleben des Messias berichtet. Das Evangelium des Galiläers Johannes ben Zebedäus (Sohn des Zebedäus) hatte keine bestimmte Zielgruppe vor Augen. Daher ist es kein Wunder, dass es das populärste Evangelium ist. Es enthält die meisten Reden Jesu, insgesamt 27 Ansprachen an das Volk, Gespräche mit Einzelnen oder den Jüngern, ebenso 16 Aussagen über die Zeichen und Wunder, die ihn als den vollkommenen Menschensohn dokumentieren. Es war die Absicht von Johannes, hauptsächlich solche Begebenheiten zu schildern, die noch nicht anderweitig erzählt wurden. Das Ziel seines Schreibens war, «dass ihr glaubet, Jesus ist der Messias, der Sohn Gottes, und dass ihr durch den Glauben das Leben habet in seinem Namen» (Joh. 20,31). Durch das ganze Evangelium zieht sich ein dreifacher roter Faden: Es ist die Liebe Gottes im Messias, der Glaube an Gottes Sohn und das ewige Leben. Dieses dreifache Anliegen wird in Johannes 3,16 auf den Punkt gebracht. Das zeitgeschichtliche Umfeld Wie sah die Welt in Judäa, Galiläa und darüber hinaus zur Zeit Jesu aus? So wie Johannes der Täufer gesandt war, um den Weg für den Messias unter den Juden zu ebnen, musste auch die Welt für die Botschaft des Flerrn vorbereitet werden. Daran waren die Römer, die Griechen sowie die Juden beteiligt. Noch ein Jahrhundert, bevor Jesus kam, waren die Völker in Nationalstaaten aufgeteilt. Jedes Volk hatte seine eigene Religion. Kultur und Gesetzordnung. Es gab ständig ethnische und religiöse Kriege. Die Römer schufen ein einheitliches Reich, was die Verkündigung des Evangeliums außerhalb von Israel erst ermöglichte. Alle nationalen, sprachlichen und religiösen Barrieren waren überwunden. Doch nicht nur das, die Römer waren auch hervorragende Straßenbauer. Sie schufen ein weit verzweigtes Straßennetz, das den Verkehr zwischen den einzelnen Teilen des Reiches ermöglichte. Die Griechen hatten Griechisch zur Weltsprache gemacht. Die Römer selbst sprachen zwar Lateinisch, die Juden Aramäisch und Hebräisch, und die vielen anderen Völker, die auch von den Römern beherrscht wurden, hatten ebenso ihre eigenen Sprachen. Doch Griechisch, diese reiche, schöne und flexible Sprache, wurde zur gemeinsamen sprachlichen Basis des Römischen Reiches, wie es heute mit der englischen Sprache als internationales Kommunikationsmittel der Fall ist. Die Juden waren auch nach der Babylonischen Gefangenschaft zu einem großen Teil in verschiedenen Ländern des späteren römischen Imperiums verstreut, nur eine Minderheit kehrte nach Israel zurück (Apg. 2,8-11). In Mesopotamien, dem früheren Babylon, lebten eine Million Juden, ebenso in Ägypten. in Griechenland und dem heutigen Anatolien, der Wiege des heidnischen, nichtjüdischen Christentums. In Rom waren es einhunderttausend Juden, an den Wasserstraßen Westeuropas mehrere Zehntausende. So gab es zu Jesu Zeiten dreieinhalb Millionen Juden, die außerhalb ihrer Heimat lebten, gegenüber zweieinhalb Millionen im Land Israel selbst. Diese Juden verbreiteten Gottes Wort, das Alte Testament, in alle Himmelsrichtungen. Das heißt konkret, an jedem Schabbat wurde in der Synagoge, wo auch immer eine war, Gottes Wort gepredigt. Doch vor allem klammerten sich die Juden überall an ihre alte Hoffnung: das Erscheinen des Messias, der Höhepunkt von Gottes Ruhm. Die Synagogen in der Diaspora bildeten nicht nur das geistliche Zentrum für Juden und Proselyten (zum Judentum Konvertierte), es kamen auch viele Nichtjuden, also Heiden, zu den Versammlungen, die vom Glauben an Jahwe angezogen wurden. Das Judentum war zu dieser Zeit eine der attraktivsten Religionen. Viele Heiden kannten die Septuaginta, die griechische Übersetzung des Alten Testaments, doch die halachischen Ordnungen hielten manche vom Übertritt zum Judentum ab. Hier wird klar: Das Babylonische Exil Judas im Jahre 586 v. dir. bedeutete zwar das Ende der Selbständigkeit Israels, doch dieses nationale Unglück wurde zum Segen. Das daraus entstandene Diasporaleben des Volkes diente einem anderen, von Gott geplanten Zweck. Auf diese Weise wurde möglich, dass Israel seine ursprüngliche Aufgabe, zu der es geschaffen und berufen worden war, erfüllen konnte: Gottes Ruhm zu verkünden (Jes. 42,10). Dessen Höhepunkt war natürlich das Erscheinen des Messias. Juden, die über die Vision des Propheten Jesaja tiefer nachdachten, sahen in ihr die Zukunft. Eines Tages würde aus dem Stamm Juda der Messias kommen: «Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten. Ich habe dich auch zum Licht der Völker gemacht, dass du seiest mein Heil bis an die Enden der Welt!» (Jes. 49,6). Sie wussten, egal wo sie lebten, Gott würde seinen Neuen Bund aufrichten, indem er durch den Messias Sünden vergab (vgl. Jer. 31). Gott hatte auf wunderbare Weise die Bühne vorbereitet. Die Zeit war reif, das von Daniel prophezeite Datum war nun erreicht: Der Erlöser konnte nach Zion kommen, wie die Propheten es vorhergesagt hatten (Jes. 59,20). B Das Wirken Jesu Johannes der Täufer bereitete das Volk auf das Kommen des Messias vor (Mt. 3,1-17). Zu dieser Zeit ließ Jesus das gewöhnliche Leben hinter sich, und seine eigentliche Aufgabe begann. Reisen durch Galiläa Mehr als die ersten zwei Jahre seines gut dreijährigen Wirkens verbrachte Jesus in Galiläa. Zur Zeit Jesu herrschten die Römer nur in Judäa und Samaria direkt, in den anderen Teilen des Landes Israel hatten sie Marionettenherrscher eingesetzt. Galiläa unterschied sich aber auch landschaftlich von Judäa. Judäa war eine steinige Gebirgsgegend mit größtenteils kahlen Bergen. Nur wenige Obstbäume und -sträucher brachten etwas Farbe in die braune Sommerlandschaft. Aus dem steinigen Gebiet konnte nur als Weideland landwirtschaftlicher Nutzen gewonnen werden. Die starken Winterregen wurden von der Erde nicht aufgesogen und strömten durch die tiefen Wadis in das Tote Meer. Die ganze Landschaft strömte eine Atmosphäre der Härte, Nacktheit und Versteinerung aus, und es ist anzunehmen, dass sich dies auch in der Bevölkerung widerspiegelte. Galiläa war ganz anders. Es umfasste damals die Ebene Jesreel, das Beisan-Tal und den ganzen Nordteil der fruchtbaren Jordanebene und war so, trotz der Gebirgsketten, die es durchzogen, von weiten, grünen Tälern und Ebenen gekennzeichnet. Der Boden dort war fruchtbar, an Wasser fehlte es nicht, die Berge waren bewaldet und konnten so das Regenwasser halten. Der See Genezareth, die Perle des ganzen Landes mit seinem Fischreichtum, war ein Gebiet, in dem die Landwirtschaft blühte, daneben gab es unzählige Dörfer und viele Städte. Der Historiker Flavius Josephus. der selbst lange dort lebte, schrieb, dass Galiläa dicht besiedelt war. Doch kehren wir nun wieder nach Judäa zurück, das landwirtschaftlich gesehen kein Paradies war. Der Großteil der Bevölkerung lebte somit nicht vom Ackerbau. Allerdings befand sich Jerusalem dort, die Hauptstadt des Landes, der Ort des Tempels und das geistliche Zentrum, nicht nur für die Juden Palästinas, sondern auch für das ganze Diasporajudentum, das damals schon, wie wir bereits gesehen haben, die Mehrheit des jüdischen Volkes ausmachte. Damit war Jerusalem eine wichtige Einkommensquelle für die Bewohner des Umlandes. Als Erstes war da der Tempeldienst: Es waren nicht nur die Priester und Leviten, die dort ihr Brot verdienten, sondern auch die Geldwechsler, bei denen man die verschiedenen Währungen der Nachbarländer in die im Tempel allein gültige Geldwährung umtau- sehen konnte. Des Weiteren war da der Handel mit Opfertieren. Theoretisch konnte zwar jeder sein eigenes Tier mitbringen, doch musste es von den Priestern als einwandfrei bestätigt werden. Dann kamen noch die zahlreichen Lehrinstitute hinzu, die von berühmten Rabbis geleitet wurden, sowie viele kleine Lehrstuben, die den Synagogen angegliedert waren. Jerusalem war auch Sitz des Hohen Rates, des Sanhedrin, der zugleich Regierung, Parlament und oberstes Gericht für die jüdische Bevölkerung darstellte. Dazu kam noch die «Touristikindustrie». Das Gesetz verlangte von jedem Juden, dreimal im Jahr zu den Wallfahrtsfesten (Pessach, Schawuot und Sukkot) nach Jerusalem zu kommen. Diese Pflicht wurde ernst genommen. Besonders für die Diasporajuden war es nicht nur ein Gebot, sondern auch eine Möglichkeit, mit den Glaubens- und Volksgenossen zusammen zu sein. Und so sammelten sich in der Stadt zu den Feiertagen Millionen von Juden und verschafften vielen Bewohnern von Jerusalem eine gute Existenzmöglichkeit. Zusätzlich bot der Besuch der Auslandsjuden auch eine gute Gelegenheit für beide Seiten, internationale Handelsbeziehungen zu knüpfen. So sehen wir den großen Unterschied der Gebiete Judäa und Galiläa, sowohl landschaftlich als auch wirtschaftlich. Wie sah die geistliche und religiöse Situation von Judäa und Galiläa aus? Gab es auch dort Unterschiede? Jerusalem, das geistliche Zentrum Israels und der Juden weltweit, lag in Judäa. Selbst diejenigen, deren Beruf und Existenz nichts mit dem Tempel und anderen religiösen Institutionen zu tun hatten, fühlten sich den galiläischen Hinterwäldlern überlegen. Die ganze Stadt strahlte Religiosität aus, das genaue Einhalten der unzähligen Gebote gehörte zum Jerusalemer Lebensstil. Doch diese Religiosität war nur äußerlich. formell und oft nur geheuchelt, und deshalb griff Jesus sie so an. Aber sie existierte und galt als Fundament, ja, als das ganze Gebäude des nachbabylonischen Judentums. Auch in Galiläa gab es viele Synagogen mit angegliederten kleinen Lehrstuben und umherziehende Wanderprediger. Doch die Art der Religiosität unterschied sich deutlich von der in Judäa. Erstens erkannte der Galiläer als Landwirt oder Fischer die Größe Gottes auf eine ganz andere Art als der städtische Judäer. Für ihn war Gott viel realer. Der irdische Wohlstand, ja das tägliche Brot hingen völlig von Gottes Gnade ab. Ein plötzlicher Hagel, ein Ausbleiben des Regens, Überschwemmungen. Sturm auf dem See, all das konnte in kürzester Zeit das Menschenwerk zerstören. Der Galiläer verstand die Bitte im Vaterunser gut, in der es heißt: «Gib uns unser täglich Brot!» Der Glaube der Galiläer war weit weniger formell. Die äußeren Dinge beachteten sie nicht so genau. Für sie hing der Glaube nicht vom Verstand ab, vom großen Wissen über Gesetz und Auslegung. Ihr Glaube war viel natürlicher und von Herzen kommend. Deshalb traf es die Galiläer sehr, wenn sie in den Augen der Judäer als minderwertig betrachtet wurden, als ungebildete Bauern, die das Gesetz nicht buchstabengetreu befolgten. Wären die Galiläer weltlicher gewesen, dann hätte diese Kritik sie nicht so berührt. Doch sie waren tiefgläubig, nur auf eine andere Art. Wenn man damals einen Prototypen als Empfänger des Neuen Bundes, wie der Prophet Jeremia ihn beschrieb, gesucht hätte, dann wäre es bestimmt ein Galiläer gewesen. Und genau in dieses Milieu von Galiläa kam nun Jesus hinein, was sicher kein Zufall war. Die Zeit des Wirkens von Jesus kann in drei thematische Gruppen unterteilt werden: 1. Heilungen 2. Gleichnisse 3. Die Persönlichkeit des Messias und seine Lehre Unterwegs nach Jerusalem Mit seiner Reise durch Judäa begann Jesus die sieben letzten Monate seines Wirkens, in denen es immer häufiger zu offenen Konflikten kam. Beim Chanukkafest wurde Jesus gefragt, ob er der Messias sei. Worauf er antwortete: «Ich habe es euch gesagt, und ihr glaubt nicht. Die Werke, die ich tue in meines Vaters Namen, die zeugen von mir. Aber ihr glaubt nicht, denn ihr seid nicht von meinen Schafen. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen. ... Ich und der Vater sind eins» (Joh. 10,24-30). Die Auferweckung des Lazarus (Joh. 11,1-45) war ein wichtiges Ereignis in dieser Zeitspanne. Doch nicht das Ereignis als solches bewegte die Gemüter. Jesus hatte ja vorher schon zwei solche Wunder bewirkt, sondern die Tatsache, dass es so nahe bei Jerusalem geschah, vor so vielen frommen Zeugen und unter den Augen der religiösen Führer. Daraufhin wurde der San-hedrin, der Hohe Rat, einberufen, und man beriet, was zu tun sei. «Dieser Mann vollbringt Wundertaten. Alle werden an ihn glauben, und dann werden die Römer unser Land und Volk vernichten», sagten viele. «Ihr versteht gar nichts», erwiderte Kaiphas. der Hohepriester, «es ist doch viel besser, wenn ein Mann für das Volk stirbt und dadurch die Nation gerettet wird.» Das sagte er nicht aus sich heraus, sondern als Hohepriester prophezeite er, dass Jesus für das Volk sterben würde. Und nicht nur für das Volk, sondern auch für die zerstreuten Kinder Gottes, und sie würden eine Herde werden. Von dem Tage an plante man Jesu Tod (vgl. Joh. 11,46-57). In Jerusalem: Lehrtätigkeit der letzten Tage (April 30 n.Chr.) Einzug des Königs (Montag - Donnerstag, Anfang des Monats) Als Jesus sich Jerusalem näherte, nahm er zwei seiner Schüler beiseite und sagte ihnen: «Wenn ihr in das nächste Dorf kommt, dann werdet ihr einen Esel finden, an den ein Fohlen gebunden ist, auf dem noch niemand geritten ist. Macht sie los und bringt sie her. Sollte jemand fragen, warum ihr das tut, dann sagt: Der Herr braucht sie, und man wird es erlauben.» Die Schüler gingen und taten, was Jesus ihnen aufgetragen hatte. Es war genau so, wie er es vorausgesehen hatte. Sie legten ihre Kleider auf die Tiere und Jesus setzte sich auf das Fohlen (vgl. Lk. 19,28-40). Die Leute, die die Wiederbelebung von Lazarus miterlebt hatten, erzählten überall in Jerusalem von dem Ereignis. Als nun bekannt wurde, dass Jesus zum Fest nach Jerusalem kommen würde, da gingen sie ihm entgegen mit Palmzweigen in den Händen. Das geschah den Prophezeiungen entsprechend: «Saget der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir, sanftmütig, auf einem Esel reitend, dem Fohlen eines Esels!» Doch die Jünger verstanden es nicht. Erst nachdem Jesus verherrlicht worden war, erinnerten sie sich, dass dies bereits im Tenach vorhergesagt worden war (Sach. 9,9). Die Menge folgte Jesus, pries Gott für die mächtigen Werke, die sie gesehen hatten, und riefen: «Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!» (Mt. 21,9; Ps. 118,25.26). Als die Pharisäer das sahen, sagten sie zueinander: «Sehet, man kann nichts machen, alle laufen ihm nach!» Als Jesus näher kam und die Stadt sehen konnte, da weinte er laut: «Wenn du heute wüsstest, was Frieden gibt. Doch jetzt ist es vor deinen Augen versteckt. Es wird eine Zeit kommen, wo deine Feinde einen Wall um dich herum bauen und dich von allen Seiten bedrohen werden. Dich und deine Söhne wird man ausrotten, in dir wird nicht ein Stein auf dem anderen bleiben. Und das, weil du nicht erkannt hast die Zeit deiner Heimsuchung» (Lk. 19,41-44). Als Jesus in der Stadt war, fragten manche, wer er sei. Die Antwort war: der Prophet Jesus von Nazareth in Galiläa! Als er dort war, ging er in den Tempel, vertrieb die Händler und Geldwechsler und lehrte dort. Die Blinden und Lahmen kamen zu ihm, und er heilte sie. Als die Priester und Schriftgelehrten das sahen und sie die Kinder hörten, die im Tempel schrien «Unser Messias, Sohn Davids!», da fragten sie Jesus verärgert: «Hörst du, was sie sagen?» - «Ja», antwortete Jesus, «habt ihr nie gelesen: Aus dem Munde von kleinen Kindern und Säuglingen hast du die Macht vorbereitet?» (vgl. Mt. 21,12-16; Ps. 8,3). Während dieser vier oder fünf Tage erzählte Jesus sechs Gleichnisse. Etwa zwanzig Mal lehrte er, wobei sich fast alle der Themen dieser Unterweisungen auf die Zukunft bezogen, sowohl auf die nahe als auch auf die ferne. Jesus sprach von seinem irdischen Ende, seiner Auferstehung, der Verfolgung der Jünger und seiner späteren Anhänger. Doch er redete auch von späteren Dingen, einschließlich der Ereignisse, die kurz vor seinem zweiten Kommen geschehen würden. Des Weiteren warnte er vor den zahlreichen falschen Messiassen, die auftre-ten und die Menschen in die Irre führen würden (Mt. 24-25). Das Passahmahl (Donnerstag, 6. April 30 n.Chr.) Es war der Tag, an dem das Passah-Lamm geschlachtet wurde. Am Abend kamen alle zu dem Mahl, und Jesus sagte: «Ich sehnte mich danach, dieses Passahmahl mit euch zu essen, bevor ich leide. Ich sage euch, ich werde es nicht wieder essen, bis es im Himmelreich erfüllt sein wird» (Lk. 22,15-16). Bevor dann das Passah gehalten wurde, wusch der Herr sogar die Füße seiner Jünger, um ihnen ein Beispiel seiner dienenden Liebe zu geben (Joh. 13.1-10). Danach sprach Jesus die verschiedenen Abschiedsworte an seine Schüler (Joh. 13,31-16,33). Beim Passahmahl sind die einführenden Worte Jesu entscheidend: Nun habe sich der Neue Bund, den Gott in Jeremia 31 verheißen hat, in seiner Person erfüllt. Der dritte von insgesamt vier Kelchen, die während der Passahfeier gesegnet und getrunken werden, ist derjenige der Erlösung. Daraus ist dann das so genannte Abendmahl, die Gedächtnisfeier oder auch das Sakrament für die spätere Kirche, entstanden. Seit 2000 Jahren sind die Gläubigen mit ihrem Erlöser durch das Abendmahl in besondererWeise verbunden. Innerhalb des messianischen Gottesdienstes bildet das «Sich Erinnern», das Gedenken der gro- ßen Gnade des Messias, stets den Höhepunkt. Jesus bereitete während des Mahles seine Jünger wahrscheinlich auf seinen Weggang vor. Daher gebrauchte er das Bild des Weinstocks, das die Abhängigkeit des Gläubigen vom Messias betont. Dieser Bedarf an Führung, geistlicher Stärkung und Trost würde durch das Kommen des Heiligen Geistes gedeckt werden, versprach Jesus seinen Schülern und damit auch den Gläubigen aller Zeiten (Joh. 14.15-26). Den Abschluss des Passahmahls bildete das Hohepries-terliche Gebet (Joh. 17). in dem Jesus für sich selbst, für seine Jünger und schließlich für alle Menschen betete, die später an ihn glauben würden. Der leidende Messias (Donnerstagabend bis Samstag) Nach dem gemeinsamen Passahmahl machten sich Jesus und seine Jünger auf den Weg zum Ölberg. Unterwegs sagte er zu ihnen: «Ihr alle werdet gegen mich sein, denn es steht geschrieben: Aber nachdem ich auferstanden bin, werde ich vor euch nach Galiläa gehen» (Mt. 26.31-32; Sach. 13-7)- Und im Garten Gethsemane sagte er dann weiter: «Bleibet hier, ich gehe beten.» Er nahm Petrus. Johannes und Jakobus mit und entfernte sich ein Stück von den andern. Dann sagte er zu ihnen, er sei in großer Trauer über das. was auf ihn zukommen werde und bat sie, mit ihm zu wachen und zu beten. Jesus ging noch etwas weiter, fiel zu Boden und betete, dass, wenn es möglich wäre, er nicht das zu erleiden hätte, was ihm bevorstand. Aber er endete mit den Worten: «Doch dein Wille, Vater, nicht meiner geschehe!» Danach kehrte er zu seinen Jüngern zurück. Er fand sie schlafend, weckte sie auf und fragte: «Konntet ihr nicht eine Stunde mit mir wach bleiben? Hütet euch und betet, dass ihr nicht versucht werdet. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.» Dies geschah noch zweimal. Als er beim dritten Mal zu den wieder schlafenden Schülern zurückkam, sagte er: «Wachet auf! Die Zeit ist gekommen, der Menschensohn wird in die Hände von Sündern, von Menschen, die ohne Gott leben, verraten werden!» (vgl. Mt. 26,36-46). Nun folgte der Verrat durch Judas, die Verhaftung, dann die Anklage und die Verhandlungen vor dem Hohenpriester. Pilatus und Herodes. Danach wurde das Todesurteil gesprochen, und Jesus wurde gekreuzigt. Über das irdische Ende des Messias können wir lesen: Gegen Mittag verdunkelte sich der Himmel. denn die Sonne schien nicht mehr, und die Finsternis dauerte bis drei Uhr nachmittags. Da schrie Jesus: «Oh. mein Gott, warum hast du mich verlassen?» Die Leute, die das hörten, dachten, er riefe nach Elia. Weil Jesus wusste, dass alles getan war, sagte er, damit die Worte der Bibel erfüllt würden: «Ich bin durstig!» Sofort brachte ein Mann einen Schwamm, tauchte ihn in Essig, steckte ihn auf einen Stock und ließ Jesus trinken. Die anderen sagten spöttisch: «Wir werden sehen, ob Elia kommen wird, um ihn zu retten.» Nachdem Jesus Essig getrunken hatte, sagte er: «Es ist vollkommen (bezahlt)!» Dann rief er: «Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist!» Danach senkte er den Kopf und verschied. In diesem Moment zerriss der Trennvorhang im Tempel, der das Heilige vom Allerheiligsten trennte, in zwei Teile. Es gab ein Erdbeben, Gräber wurden geöffnet, und viele heilige Leute kehrten zum Leben zurück und zeigten sich, nachdem Jesus auferstanden war. Der Hauptmann, der die Kreuzigung überwachte, sagte, als die Erde bebte: «Dieser Mann war zweifellos gerecht, er war der Sohn Gottes!» (vgl. Mt. 27,31-54). Da es der Freitag vor dem Schabbat des Passahfestes war, sollten die Leichen nicht an den Kreuzen bleiben. Deshalb baten die Priester den Pilatus, die Beine der Männer brechen zu lassen, damit sie sterben würden und die Leichen herabgenommen werden könnten. Die Soldaten taten wie geheißen, beim ersten und beim zweiten, doch als sie zu Jesus kamen, sahen sie, dass er schon tot war. Doch einer der Soldaten stieß seinen Speer in die Seite von Jesus, und sofort kam Blut und Wasser heraus. So wurde die Schrift erfüllt, die sagt: «Ihr sollt ihm kein Bein zerbrechen!» Wie das Passahlamm hatte auch Jesus keinen gebrochenen Knochen. Und weiter: «Sie werden sehen auf den, in welchen sie gestochen haben!» (vgl. Joh. [9'31_37- 2- Mo. 12,46; 3. Mo. 22,17-22; Sach. 12,10). Der auferstandene Messias (Sonntag, Anfang April 30 n.Chr. bis vierzig Tage später) Am ersten Tag der Woche kam Maria Magdalena zum Grab und sah, dass der Stein weggerollt war. Sie lief zurück zu Petrus und Johannes und sagte: «Sie haben den Herrn aus dem Grabe genommen, und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat.» Da eilten auch die beiden zum Grab. Sie sahen die Leichentücher dort liegen, aber das Kopftuch war an einem anderen Ort zusammengerollt. Jetzt verstand Johannes, was der Herr gemeint hatte, als er sagte, er müsse von den Toten auferstehen. Danach gingen sie wieder nach Hause (vgl. Joh. 20,1-10; Lk. 24,1-53). Jesus erschien danach mindestens zehn Mal auf unterschiedlichste Weise seinen Jüngern, die nach seiner Kreuzigung verunsichert waren, was zum Beispiel aus dem Bericht über die zwei Anhänger Jesu, die auf dem Weg nach Emmaus waren, ersichtlich ist. Später erschien der auferstandene Jesus auch Simon (Petrus).Thomas sowie den elf Jüngern auf dem Weg nach Galiläa. Doch nach vierzig Tagen kam der Abschied (Joh. 20,19-23; Lk. 24,13-49; Mt. 28,1-10; Mk. 16,14-20; Apg. 1,1-14; !• Kor. 15,5; Hos. 6,2). Die elf Schüler gingen zum Berg, den Jesus ihnen genannt hatte. Als er kam, beteten sie ihn an, doch einige hatten Zweifel. Dann sprach er zu ihnen: «Alle Macht im Himmel und auf Erden ist mir gegeben. Geht in die Welt und verkündet überall die frohe Botschaft, dass erlöst wird, wer glaubt und getauft ist. Wer aber nicht glaubt, ist verdammt. Geht und macht alle zu Nachfolgern meiner Botschaft. Tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Und lehrt sie all das tun, was ich euch geboten habe. Wenn der Heilige Geist zu euch kommen wird, dann werdet ihr Macht erhalten, und ihr werdet über mich Zeugnis geben in Jerusalem, Judäa und bis an das Ende der Welt. Und gedenket, ich bin immer mit euch bis zum Ende der Zeiten.» Danach segnete er die Jünger. Im nächsten Augenblick wurde Jesus vor ihren Augen in eine Wolke gehüllt, die ihn in den Himmel mitnahm. Noch während sie so dastanden und in den Himmel blickten, bemerkten sie plötzlich zwei weiß gekleidete Männer neben ihnen, die zu ihnen sagten: «Galiläer. was steht ihr hier und starrt zum Himmel? Der Jesus, der von euch zum Himmel genommen wurde, er wird so wiederkommen, wie ihr ihn zum Himmel habt auffahren sehen» (vgl. Mt. 28,16-20: Mk. 16,15-16; Apg. i.8-11). Nachdem wir nun unsere Wanderung durch das Alte Testament und die Evangelien beendet haben, wird deutlich, wer der in den Evangelien beschriebene Jesus war: der Messias für Juden und Nichtjuden. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass schon im Tenach, dem Alten Testament, viel über ihn steht. Allein die Evangelien zitieren über zweihundert Stellen aus dem Alten Testament in Bezug auf seine Person. Zum Beispiel nannte sich Jesus oft Menschensohn, ein Ausdruck. der beim Propheten Daniel vorkommt (Dan. 7,13; Ml. 9,6; 12,8.32.40). Warum tat er das wohl? Jesus gebrauchte diesen messianischen Titel als Betonung seiner göttlichen Abstammung, aber auch als Hinweis, dass er als Gott Mensch geworden war. Gott wurde eine Zeit lang Mensch, um seine Aufgabe, die versprochene Erlösung der Menschen, ausführen zu können. Das ist die wahre Identität des Messias. Fazit des dritten Kapitels An dieser Stelle muss ein weit verbreiteter Irrtum geklärt werden. Es war nie die Absicht von Jesus, das Gesetz zu annullieren bzw. aufzuheben (Mt. 5,17-18; Röm. 3,31; 10,4; 1. Joh. 2,7). Die Lehre vom Sinai sollte erfüllt werden, und damit meinte Jesus zwei Dinge: Er wehrte sich gegen das formelle Halten der Gebote, das Beachten der äußeren Form unter Missachtung des eigentlichen Inhalts. So konnte er sogar sagen: «Auf dem Stuhl des Mose sitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer. Alles, was sie euch sagen, das tut und haltet, aber nach ihren Werken sollt ihr nicht handeln» (Mt. 23,2-3). Denn das würde nur die Erfüllung des Buchstabens eines Gebotes bedeuten, nicht aber seines Inhalts. Jesus führte das ganze Gesetz auf zwei Ziele hin. die schon im Tenach verankert waren, aber im Laufe der jüdischen Geschichte eine Veränderung erfahren hatten: 1. Wir sollen Gott lieben und ihm dienen mit all unseren Kräften, und 2. den Mitmenschen, ja sogar den Feind so lieben wie uns selbst (2. Mo. 23,2-5; 5. Mo. 10,12; 1. Sam. 15,22; Mi. 6.8; Mt. 5,43.44; 22,37-39; Lk. 6,27-28). Mit seiner Forderung an den Menschen, praktisch Unerfüllbares zu erfüllen, zielt Jesus auf etwas ganz Bestimmtes hin. Er will uns zeigen, dass die Kräfte des Menschen nie ausreichen können, um vollkommen gottgemäß zu leben. Daher ist der Mensch auf Gottes Gnade angewiesen. In Eden kam die Sünde in die Welt; am Sinai wurde dem Volk Israel, und damit der Menschheit, offenbart, was in Gottes Augen Sünde ist und dass sie bestraft werden muss, weil Gottes Gerechtigkeit es verlangt. Aber durch die Einführung des stellvertretenden Opfersystems wurde am Sinai auch Gottes Liebe gezeigt. Doch das war nur ein Schatten dessen, was später geschah: Auf Golgatha wurde der Messias das vollkommene, universale stellvertretende Opfer für die Sünden der Welt. Dadurch wurde das Gesetz erfüllt. In Eden kam der Tod in die Welt, auf Golgatha wurde dem Menschen ewiges Leben angeboten. Daher kann der Mensch heute Gott dienen und muss nicht Sklave der Welt sein. Jesus verspricht seinen Nachfolgern das wahre Leben, in Gemeinschaft mit Gott und im echten Frieden miteinander. Jesus vergleicht sich mit einem Hirten, der jedes seiner Schafe kennt und sich um es sorgt. Obwohl Jesus keine Zweifel darüber aufkommen ließ, dass er der Messias Israels ist, schloss er Nichtjuden nicht vom Heil aus. Sie sollten alle eine Herde mit einem Hirten sein, erklärte er. Die Heilungen und Auferweckungen, die Jesus vollbrachte, dienten immer der Verherrlichung Gottes und als Beweis, dass der Vater ihn gesandt hatte. Jesus betonte die Unsterblichkeit der menschlichen Seele (Lk. 16,19-31). Das bedeutet ewiges Leben, ohne Gericht für diejenigen, die an ihn glauben und ihm nachfolgen; für alle anderen heißt das jedoch Gericht und eine ewige Existenz fern von Gott. Daher ist der Glaube des Einzelnen notwendig, da er die Brücke zum Vater im Himmel ist. Jesus war der Immanuel, d.h. Gott mit uns. Doch dieses Verhältnis soll auch nach seiner Himmelfahrt und Rückkehr zum Vater aufrecht erhalten bleiben. Gott ist mit uns in seinem Immanuel. Der verkündete Messias (30-325 n.Chr.) Die Apostolische Zeit ln Jerusalem Die Apostelgeschichte gibt uns einen geschichtlichen Überblick über die ersten Jahrzehnte des messianischen Glaubens. Die Apostel, besonders Petrus und Paulus, machen uns vor, wie das Evangelium richtig verkündigt werden soll: kompromisslos in allem, was die evangelistische Botschaft betrifft. Für die Apostel war der Glaube an Jesus als den Messias keine neue Religion, für sie war dieser Glaube in der Bibel, dem Alten Testament, verwurzelt und die Erfüllung der dort enthaltenen Prophezeiungen. Auch die folgenden Generationen von jüdischen und nichtjüdischen Gläubigen wurden von der Umwelt und den römischen Herrschern als ein Teil der jüdischen Religionsgemeinschaft angesehen. Pfingsten Die elf Jünger hatten gesehen, wie Jesus in den Wolken verschwand (Apg. 1,9). Nun waren sie wieder alleine, ohne den geliebten Herrn. Doch diesmal war die Lage anders: Der Messias war nicht im Grabe verwest, die drei Jahre der glücklichen Gemeinschaft mit ihm waren nicht durch das grausame Kreuz beendet worden. Jesus hatte seine göttliche Identität bewiesen: Er war auferstanden. Während der vierzig Tage zwischen Kreuz und Himmelfahrt hatten sie ihn getroffen. Wieder hatte die Zahl vierzig ihre besondere Bedeutung gezeigt, nämlich als eine Zeitspanne der Vorbereitung und als Übergang zu etwas Neuem. Der Herr hatte seinen Nachfolgern zwei wichtige Dinge hinterlassen. Einerseits den Auftrag, Menschen in allen Völkern zu Jüngern zu machen, und andererseits die Verheißung des Heiligen Geistes, der sie mit der Kraft für diese Aufgabe befähigen würde (Mt. 28,19-20: Apg. 1,8). Die Jünger mussten nicht lange auf die Ausgießung des Heiligen Geistes, die schon in Joel 3,1 angekündigt worden war, warten. Nach neun Tagen fand das Wochenfest Schawuot (Pfingsten) statt, an dem die elf die Taufe des Geistes erlebten. Dabei wurde ihnen die übernatürliche Gabe gegeben, in anderen Sprachen zu reden, so dass sie von den vielen zum Fest versammelten Völkergruppen verstanden wurden. Die Gabe des Heiligen Geistes verursachte die sofortige, totale Veränderung. Aus den Jüngern, die ohne ihren Herrn völlig verloren gewesen waren, wurden Apostel, Gesandte des auferstandenen und erhöhten Messias (Apg. 2,1-13). Das erste Zeichen dieser Verwandlung war die Rede des Petrus vor der versammelten, völlig verwirrten Volksmenge. Petrus hatte erst wenige Wochen zuvor seinen Herrn dreimal verleugnet (Joh. 18,25-27). Doch nun fürchtete er sich nicht mehr, der Menge zu sagen: «So wisse nun das ganze Haus Israel, dass Gott diesen Jesus, den ihr habt kreuzigen lassen, zum Herrn und Messias gemacht hat! ...Und wenn ihr Buße tut und euch auf den Namen Jesu taufen lasset zur Vergebung eurer Sünden, dann werdet ihr den Heiligen Geist empfangen!» (Apg. 2,36.38). Von diesem Zeitpunkt an gehörte der offenbarte Messias der Vergangenheit an, jetzt war die Zeit des verkündeten Messias gekommen. Die Frucht der Rede von Petrus blieb nicht aus: 3000 Menschen folgten seiner Aufforderung, taten Buße, nahmen den Messias an und wurden getauft (Apg. 2,41). Doch die Apostel verkündeten Jesus nicht nur mit Worten, sie hatten auch die Gabe der körperlichen und seelischen Heilung erhalten. Dazu kam die besondere Lebensart der Gläubigen: Sie verkauften ihren Besitz und gaben den Erlös in eine gemeinsame Kasse, aus der alle Bedürfnisse der Gemeindemitglieder bestritten wurden. Auch ihre Art der geistlichen Ge- meinschaft war etwas Neues, bisher Unbekanntes: Sie besuchten zwar weiterhin den Tempel und die Synagoge, doch war das nur ein Teil des Gottesdienstes. Darüber hinaus trafen sie sich in ihren Häusern zu Gebetsversammlungen, hielten Tischgemeinschaft und priesen Gott für das Heil im Messias (Apg. 2-45-47)- Als Nächstes heilten Petrus und Johannes einen Lahmen, was viel Aufsehen erregte. Petrus erklärte der erstaunten Menge, dass die Kraft Jesu den Mann geheilt habe. Er erinnerte auch an die alttestamentlichen Prophezeiungen: Gott würde Israel einen Propheten wie Mose erwecken, und in Abraham würden alle Völker der Erde gesegnet werden (Apg. 3,1-26; 5. Mo. 18,15; 1. Mo. 22,18). Petrus verkündete das Evangelium den Juden, hatte aber auch das Gebot des Herrn «bis an das Ende der Welt» im Blick. Am folgenden Tag wurden die beiden Apostel auch vor dem Hohen Rat zur Rede gestellt, wo sie gefragt wurden, in welcher Kraft sie den Lahmen geheilt hätten. Ihr Bekenntnis war klar: «In keinem anderen ist das Heil gegeben, und es gibt keinen anderen Namen unter dem Himmel, in dem wir errettet werden können!» (vgl. Apg. 4,1-22). Im Gefängnis Durch die Worte und Taten der Apostel kamen in Jerusalem viele Juden zum Glauben an den Messias, doch verstärkte dies gleichzeitig den Widerstand der Führerschicht. Der Sanhedrin ließ die Apostel ins Gefängnis werfen, von wo sie jedoch auf übernatürliche Weise befreit wurden (Apg. 5,17-23). Wieder vor den Sanhedrin gebracht, wiederholten die Apostel ihre Pflicht, Gott zu gehorchen und nicht den Menschen, wer immer sie auch sein mochten. Die Mitglieder des Sanhedrins kochten vor Wut und wollten die Apostel töten lassen. Doch diese Absicht vereitelte ein Rabbi namens Gamaliel. «Lasset ab von diesen Menschen! Ist der Rat oder das Werk [das die Apostel tun] von Menschen, dann wird es bestimmt untergehen. Sollte es aber von Gott sein, dann könnt ihr sie nicht hindern, denn sonst wäret ihr als solche gezeichnet, die wider Gott kämpfen wollen.» So ließ man die Apostel gehen (vgl. Apg. 5,34-42). Diese Worte von Gamaliel wurden das Motto der messiani-schen Juden in der Gegenwart. 1500 Jahre lang schien es so, als wenn der Glaube an Jesus als den Messias für die Juden nicht Gottes Rat oder Werk gewesen sei. Doch heute ist diese Anschauung widerlegt. Heute glauben mehr Juden an Jesus als zu den Zeiten der größten Blüte im ersten und zweiten Jahrhundert. Deshalb sollten alle diejenigen, denen die Existenz von messia-nischen Juden «ein Stein des Anstoßes» ist, sich die Worte Ga-maliels zu Herzen nehmen, damit sie nicht gegen Gott kämpfen! Alle Verbote und Bedrohungen seitens der religiösen Führerschicht halfen nichts. Die Apostel verkündeten weiterhin mit Macht das Evangelium des auferstandenen Messias, sowohl im Tempel als auch in Synagogen und Privathäusern. Um sich noch mehr dieser Aufgabe widmen zu können, wurden sieben Diakone gewählt, die die Apostel von den praktischen und finanziellen Aufgaben der rapide wachsenden Gemeinde befreiten (Apg. 6,1-7). Einer dieser Diakone, Stephanus, wurde seines Glaubens wegen gesteinigt. So waren aus den etwa 120 Gläubigen, die vor Pfingsten Jesus gefolgt waren, mindestens 10000 geworden. Zu Pfingsten waren es 3000 neue Gläubige, und später steht geschrieben: «Der Herr fügte täglich neue Gläubige hinzu.» So kann man wohl sagen, dass die Verkündigung des auferstandenen Messias in Jerusalem auf immens fruchtbaren Boden fiel (Apg. 2,47; 5-14:6,7). In Judäa und Samaria Die Steinigung von Stephanus löste eine große Verfolgung der Gläubigen in Jerusalem aus. So flohen diese nach Judäa und Samaria, alle bis auf die Apostel (Apg. 8,1). Doch das, was eine Niederlage zu sein schien, diente der Verkündigung des Messias. Unter den verfolgten Gläubigen, die in die Umgebung von Jerusalem flohen, war auch der Diakon Philippus. Er ver- kündete das Evangelium mit großem Erfolg, besonders in Sa-maria. Später wurde Philippus durch göttliches Gebot nach Judäa gesandt und traf auf dem Weg nach Gaza den Schatzmeister der äthiopischen Königin, einen Eunuchen. Der las das 53. Kapitel im Buch Jesaja, ohne es zu verstehen. Philippus erklärte ihm anhand dieses Kapitels die in Jesus verwirklichte Heilsgeschichte. Zweifellos war die Bekehrung des Eunuchen die Ursache dafür, dass der Glaube an Jesus so früh in Äthiopien Fuß fasste und verbreitet wurde (Apg. 8,26-40). Doch kehren wir zu Petrus zurück, dem eigentlichen Hauptakteur der Verkündigung im Land Israel. In Lydda heilte er im Namen Jesu einen Gelähmten, und durch diese Wundertat kamen viele aus der Umgebung zum Glauben. Dann wurde Petrus nach Jaffa, der Hafenstadt am Mittelmeer gerufen, um eine gläubige Frau namens Tabitha, die gestorben war, wieder aufzuerwecken. Es gelang ihm im Namen Jesu, und dieses Ereignis war natürlich ein mächtiges Zeugnis für den Messias (Apg. 9,32-43). Doch dann stand Petrus vor einer ganz neuen Herausforderung: Kornelius, ein nichtjüdischer römischer Offizier in der römischen Militärstadt Cäsarea, bat Petrus, zu ihm zu kommen. Der revolutionäre Schritt Die gute Botschaft sollte «bis ans Ende der Welt» gebracht werden, sie war für alle Völker bestimmt. Und Petrus sollte als Erster den «revolutionären» Schritt von den Juden zu den Heiden machen. Aber zuvor musste ihm Gott zeigen, dass er die halachischen Traditionen zurücklassen konnte. Die Juden hatten neben strengen Speisegesetzen auch das Verbot der Hausund Tischgemeinschaft mit Heiden zu beachten. So durften sie die Häuser der Nichtjuden nicht betreten. Bevor nun Petrus nach Cäsarea gehen konnte, um dem Hauptmann Kornelius das Evangelium zu bringen, wurde ihm durch eine Vision von Gott gezeigt, dass alle Menschen vor Gott gleich sind. Die Vision selbst zeigte Petrus unreine und reine Tiere gemeinsam, und gleichzeitig war eine Stimme zu hören, die ihn aufforderte, alles zu essen. Petrus weigerte sich, doch Gott selbst sagte, was er für rein erklärt habe, dürfe er, Petrus, nicht für unrein erklären (Apg. 10,1-20). So wurde der Apostel vorbereitet, um das Haus eines Nichtjuden zu betreten. Er machte sich auf den Weg, allerdings nicht alleine, sondern in Begleitung von sechs (Apg. 11,12) weiteren Gläubigen, damit er Zeugen für das ungewöhnliche Ereignis der Heilsgeschichte Gottes haben würde. Im Haus von Kornelius angekommen, hielt der Apostel wieder eine beeindruckende Rede, in der er wie üblich erzählte, wer Jesus war und zu welchem Zweck er in die Welt gesandt war: das Heil zu bringen all denen, die an ihn glaubten. Als die anwesenden Römer das hörten, fiel zum großen Erstaunen der anwesenden Juden der Heilige Geist auf sie, sie sprachen in anderen Sprachen und priesen Gott. Dadurch wurde Petrus überzeugt, dass die Anwesenden auch mit Wasser getauft werden konnten (Apg. 10,21-48). Dies erklärte die damals schwer verständlichen Worte von Jesus in Johannes 10,16: «Ich habe auch andere Schafe in meiner Herde, sie gehören zu einem anderen Stall; auch sie muss ich leiten, sie werden mir gehorchen, und es wird eine Herde und ein Hirte sein.» In Jerusalem wurde natürlich bekannt, dass Petrus in Cäsarea gewesen war. und dass Nichtjuden Jesus als Messias angenommen und den Heiligen Geist erhalten hatten. So war es nicht verwunderlich. wenn manche der jüdischen Gläubigen Kritik am Handeln von Petrus übten und ihn beschuldigten, er habe «mit Heiden Gemeinschaft». Doch als er erklärte, dass es nicht durch seinen Entschluss, sondern durch Gottes Anweisung dazu gekommen war, verstummte alle Kritik und man pries Gott dafür, dass nun auch Nichtjuden das Heil erhalten konnten (Apg. 11,1-18). Hier kommt ein gewaltiger Durchbruch zum Ausdruck: Die messiasgläubigen Juden begannen, die Universalität des Heilsangebotes ihres Messias zu verstehen, allerdings wurde die Bedeutung dieser Wahrheit mit all ihren Konsequenzen von manchen Gläubigen erst allmählich erfasst, wie später in der Apostelgeschichte und an anderen Stellen des Neuen Testaments deutlich wird. Doch der ganz große Schritt war getan, viele Jahrhunderte hatte nur Israel in einem Bund mit Gott gestanden, nur ihm hatte sich der Allmächtige offenbart. Das Sinai-Gesetz war Israel gegeben worden, auf Golgatha wurde es erfüllt. Der Neue Bund im Blut des Messias war universal. Menschen aller Völker. die an ihn glauben, können das Heil erhalten und Gott zum Vater haben. Gott hatte sich Israel geschaffen, damit es seinen Ruhm bekannt mache. Und der Höhepunkt davon war natürlich das Evangelium, die Heilsbotschaft des Messias Jesus, die nun verkündet werden sollte, in Jerusalem, in Judäa und Samaria und bis an das Ende der Welt! Bis an das Ende der Welt Bis jetzt war Petrus der wichtigste Apostel gewesen, doch nun erscheint eine neue Person: Saul aus Tarsus, von den Heiden Paulus genannt. Wer war dieser Mann? Ein junger Gelehrter, der zu den Pharisäern gehörte. Er kam aus einer reichen Familie, besaß das römische Bürgerrecht und auch weltliche Bildung (Apg. 22,25.26; 26,5: Phil. 3,5.6). Seine Lehrer sahen in Saul eine zukünftige Kapazität im Judaismus. Und das nicht nur wegen seiner Klugheit, sondern auch wegen seines feurigen Eifers für die pharisäische Theologie. Diese beiden Eigenschaften ließen Saul auch die große Gefahr erkennen, die im Glauben der messianischen Juden lag. Bald war er in Jerusalem und Judäa als der schlimmste Verfolger der Anhänger von Jesus bekannt. Deshalb erhielt er eines Tages vom Hohenpriester den offiziellen Auftrag, nach Damaskus zu gehen und auch dort nach Anhängern des «neuen Weges» zu suchen, um sie als Gefangene nach Jerusalem zu bringen. Doch als Saul auf dem Weg nach Damaskus war, hatte er eine Begegnung mit Jesus. Dieser fragte Saul, weshalb er ihn verfolge. Für Saul musste das ein unvorstellbares Ereignis gewesen sein: Seiner Ansicht nach war Jesus als Gotteslästerer am Kreuz gestorben, und die Erzählungen seiner Anhänger über seine Auferstehung und Erhöhung zum himmlischen Richter der Menschheit am Ende der Welt waren in seinen Augen bestenfalls leere Hirngespinste. Der durch die Erscheinung geblendete Saul wurde nach Damaskus geführt. Dort nahm er den Herrn an und hörte, dass er ein auserwähltes Werkzeug sei, um den Namen des Herrn vor Heiden und Könige und das Volk Israel zu tragen (Apg. 9,1-18). So wurde Saul, als Paulus, der wichtigste Heidenapostel. Skeptiker mögen die Art der Bekehrung von Paulus anzweifeln. Aber es gibt keine andere Erklärung dafür, warum der Pharisäer, der mit solchem Eifer und tiefer Überzeugung die Anhänger Jesu verfolgt hatte, plötzlich nicht nur Jesus als Herrn und Erlöser annahm, sondern auch das Evangelium anderen verkündete. Nein, es gibt keine andere Erklärung, Paulus muss den auferstandenen Herrn gesehen haben. Missionsreisen des Paulus Paulus unternahm drei Missionsreisen. Seine Strategie bestand jeweils darin, zuerst in die Synagoge vor Ort zu gehen und dort das Evangelium zu predigen. Viele der Anwesenden nahmen die Botschaft an. Juden wie auch gottesfürchtige Heiden. Oft traten dann aber die Gegner so heftig auf, dass Paulus die Stadt verlassen musste. Doch die Samen waren gesät und Gemeinden entstanden. Meist ernannte Paulus Älteste, damit die Gemeinden eigene Leiter hatten, wenn er weiterzog. Am Ende seiner ersten Missionsreise durch Kleinasien traf Paulus in Antiochien in Syrien auf jüdische Gläubige aus Judäa, die lehrten, Heiden müssten erst beschnitten werden, um das Heil zu erhalten. Deshalb beschloss er, mit Barnabas nach Jerusalem zu gehen, um diese Frage mit den Leitern der Ur-gemeinde zu klären. Es gab eine lebhafte Diskussion, doch dann ergriff Petrus das Wort und sagte: «Brüder, ihr wisst gut. dass Gott mich am Anfang dazu auserwählte, den Heiden das Evangelium zu bringen. Und Gott in seiner Gnade gab ihnen den Heiligen Geist, und so zeigte er, dass kein Unterschied ist zwischen uns und ihnen. Der Glaube reinigte ihre Herzen. Warum sollten wir sie nun dazu zwingen, Gebote zu halten, die nichts mit dem Heil zu tun haben? Wir glauben doch, dass der Messias Jesus uns nur durch den Glauben in seiner Gnade erlöste.» Nach diesen Worten sagte Jakobus, der Bruder des Herrn: «Das, was Petrus erzählte, entspricht dem, was der Prophet Arnos prophezeite in Arnos 9,11-12. ... Deshalb lasst uns den gläubigen Heiden kein überflüssiges Joch auferlegen. Sie sollen nur Götzenanbetung und Prostitution aufgeben, kein Fleisch von erstickten Tieren und kein Blut essen. Mose wird ja überall in den Synagogen gelesen, die Heiden brauchen ihn nicht zu verkünden» (vgl.Apg. 15,7-21). Es wurde beschlossen, einen Brief an alle Gemeinden zu schreiben, in dem der von Jakobus empfohlene Beschluss mitgeteilt wurde. Paulus und Barnabas brachten den Brief nach Antiochien, und dort trennten sich die beiden. Barnabas nahm Markus mit, während Paulus Silas als Gefährten wählte und mit ihm seine zweite Fahrt begann. Auf seiner zweiten Missionsreise bekam Paulus den göttlichen Auftrag, nach Mazedonien zu fahren, um dort das Evangelium zu predigen. Dort ging Paulus nach der bewährten Strategie vor und suchte zuerst die Synagoge auf, sprach aber auch auf dem Markt zu den Menschen, etwa bei seiner berühmten Rede über den «unbekannten Gott» in Athen (Apg. 17,16-34). ln Korinth zeigte sich, dass die Heiden offener waren als die Juden (Apg. 18,1-17). Auf seiner dritten Reise wanderte Paulus zunächst durch Gala-tien und Phrygien. bis er nach Ephesus kam. Er besuchte alle Gemeinden in diesen Gegenden und stärkte sie. Nach zwei Jahren zog Paulus weiter nach Mazedonien und Achaja, ins heutige Griechenland, bevor er sich auf den Rückweg nach Jerusalem machte. In Milet verabschiedete er sich von den Ältesten der Gemeinde von Ephesus, weil er ahnte, dass ihm Schweres bevorstand. Doch ihn ängstigte das wenig. «Ich bin bereit, für den Herrn Jesus alles zu erleiden, auch zu sterben», sagte er. Objektiv gesehen war es unwahrscheinlich, dass jetzt, nach so langer Zeit, in der Paulus auch Heiden das Evangelium gebracht hatte, plötzlich ernsthafte Gefahr für ihn bestand. Doch es sollte anders kommen (Apg. 18,24-21,14). Der letzte Teil der Apostelgeschichte enthält die letzten Informationen über den großen Evangelisten Paulus. Die Ältesten der Jerusalemer Gemeinde empfingen Paulus freundlich und priesen Gott, als sie über seine Erfolge unter den Heiden hörten. Jakobus brachte dann diese Botschaft: Zehntausende Juden sind gläubig geworden, doch alle sind Gesetzesfanatiker! Und das Schwierigste: «Sie haben gehört, dass du die Juden lehrst, das Gesetz zu verlassen und die Beschneidung nicht mehr auszuüben.» Deshalb sollte Paulus nach jüdischer Sitte zum Tempel gehen. Da geriet er in die Hände aufgewiegelter Juden, denen er in einer Rede seinen Weg zum Glauben erklärte, doch es half nichts. Die aufgehetzte Menge verlangte seinen Tod. Daher brachten ihn die Römer ins Gefängnis. Nach zwei Jahren berief sich Paulus auf sein römisches Bürgerrecht und verlangte, vom Kaiser in Rom angehört zu werden (Apg. 18.23-26.32). Und so erreichte Paulus nach einer langen, abenteuerlichen Schiffsreise Rom. Dort stand er unter Hausarrest und lehrte zwei Jahre lang alle Menschen, die zu ihm kamen. Er predigte das Reich Gottes und Jesus, den Messias, ohne Furcht und ungehindert (Apg. 27,1-28,31). Hier endet die Apostelgeschichte. Wir wissen mit ziemlicher Sicherheit, dass Paulus bis Anfang der Sechzigerjahre in Rom gelebt hat. Er muss dann zur Zeit der großen Christenverfolgungen in der Zeit Neros hingerichtet worden sein. Dasselbe geschah wohl auch mit Petrus, von dem angenommen wird, dass er als Gefangener von Palästina nach Rom geschickt worden war. Damit war die Zeit zu Ende, in der jüdische Apostel das Evangelium anderen Völkern brachten. Von jetzt an hörten die Menschen die Gute Nachricht aus zweiter und dritter Hand von Leuten, die weder den Herrn gekannt noch zu seinem Volk gehört hatten. Die anderen Apostel Über das Schicksal der anderen Apostel sind wir nur durch vage außerbiblische Quellen informiert. Die Vermutung geht um. dass Jakobus, der Herrenbruder. das Evangelium nach Armenien brachte. Das mag stimmen, denn die Liturgie dort erinnert stark an den Gottesdienst in der Synagoge im i. und 2. Jahrhundert. Ein anderes Gerücht behauptet, Jakobus habe den Wunsch von Paulus erfüllt und sei in Spanien gewesen. Auch dass Markus in Ägypten wirkte und später bis nach Venedig kam, ist nur eine Vermutung. Andererseits kann kein Zweifel bestehen, dass Johannes lange Zeit in Ephesus war und mit ihm auch Maria, für die er ja durch Jesus die Verantwortung übertragen bekommen hatte (Joh. 19,26.27). Ebenso wissen wir. dass er durch Gott auf die Insel Patmos geführt wurde (Offb. 1.9). Er soll in Ephesus im Jahre 100 eines natürlichen Todes gestorben sein. Simon Petrus soll nach der Überlieferung bis England und Gallien gekommen sein. Er wurde zwischen 64 und 68 in Rom unter Kaiser Nero kopfüber gekreuzigt. Andreas predigte das Evangelium in Kleinasien und Griechenland und wurde in der Stadt Patras in Achaia (Griechenland) gekreuzigt. Jakobus, der Bruder von Johannes und Sohn des Zebedäus, wurde vom König Herodes Agrippa I. hingerichtet (Apg. 12,1-2). Philippus wurde der Überlieferung nach in Hierapolis in Kleinasien gekreuzigt. Matthäus hat einer Vermutung nach in Mazedonien und Persien gewirkt, andere sagen in Äthiopien und Parthia (Kleinasien). Thomas soll nach Babylon, im heutigen Irak, gegangen sein und später nach Indien, wo er den Märtyrertod starb. Noch heute nennt die indische Kirche ihn als ihren Begründer. Bartholomäus begleitete wohl Philippus nach Hierapolis und zog später weiter nach Armenien, wo er den Märtyrertod starb. Auch da erinnert die kirchliche Tradition an ihn als ihren Begründer. Jakobus. Sohn des Alphäus, ist in der Überlieferung immer wieder mit Jakobus, dem Bruder des Herrn Jesus, verwechselt worden, hat aber höchstwahrscheinlich in Syrien gewirkt. Thaddäus wurde ebenso mit Judas, dem weiteren Bruder Jesu (Geschwister Jesu: Mt. 13,55.56), verwechselt. Simon der Zelot ist wahrscheinlich nach Ägypten gegangen, dann nach Persien, im heutigen Iran. Andere sagen, er soll bis nach England gekommen sein. Judas aus Ischarioth erhängte sich selbst, nachdem er Jesus verraten hatte (Mt. 27,1-5; Apg. 1,18.19). Die Geschichte lehrt uns, dass mit einem Ort verknüpfte Traditionen selten erfunden sind. Dennoch sind keine sicheren Fakten vorhanden. So laufen wir nicht Gefahr, die Apostel anzubeten. sondern Jesus selbst, als den Herrn der Mission. Die Briefe Paulus schrieb dreizehn Briefe, zwei wurden von Petrus, vier von Johannes, einer von Jakobus und einer von Judas verfasst. Bei einem Brief ist die Verfasserschaft unklar. Lukas informierte uns durch die Apostelgeschichte über die Verbreitung des Evangeliums und über die Gründung von Gemeinden. Es verwundert nicht, dass es in den jungen Gemeinden zu geistlichen Problemen und unterschiedlichen theologischen Ansichten kam. Daher wurden die Briefe als seelsor-gerliche Hilfe an Gemeinden und Einzelpersonen geschrieben. Für das Verständnis ist es wichtig, die Paulusbriefe in chronologischer Reihenfolge zu betrachten. Der Brief an die Galater wurde von Paulus um ca. 49. noch vor dem Jerusalemer Konzil (Apg. 15), unmittelbar nach der ersten Missionsreise in Korinth oder in Antiochien in Syrien geschrieben. Er richtete sich an die Gemeinden in Südgalatien (Gal. 1,2; Apg. 14,1-23). Das Hauptthema des Briefes ist die Freiheit in Christus: «Zur Freiheit hat uns der Messias befreit; so steht nun fest und lasst euch nicht wieder unter ein Joch der Sklaverei spannen» (Gal. 5,1). Die Reaktion auf die Verkündigung des Evangeliums in Galatien war positiv gewesen. Viele Menschen erkannten Jesus als den Messias und nahmen ihn als Herrn an. Nachdem Paulus die Gegend verlassen hatte, nahmen jedoch falsche Lehrer und Prediger seinen Platz ein. Eine neue Form von Gesetzlichkeit durch judaistische/halachische Lehren brach auf. Diese besagten, dass zur Erlösung nicht nur der Glaube an den Messias gehört, sondern auch das Halten der Gebote und Ordnungen im Sinne des Pharisäismus (Gal. 2,4-5). Paulus betonte daher, dass die frühere strenge Trennung zwischen Juden und Nichtjuden bei den Jesusgläubigen aufgehoben sei, ebenso die Kluft zwischen Herrn und Sklaven, Mann und Frau. In Jesus sind alle zu einer Einheit geworden (Gal. 3,26-29). Die beiden Briefe an die Thessalonieher. Der erste Brief wurde wohl im gleichen Jahr geschrieben wie der Galaterbrief, im Jahre 49, und der zweite im Jahre 50/51, beide von Korinth aus während der zweiten Missionsreise (i.Thess. 1,1; Apg. 17,19). Die Empfänger waren die Gläubigen in Thessalonich. Der Hauptschwerpunkt ist in 1. Thessalonieher 1,9-10 angegeben: Paulus und Silas hatten die Menschen in ihrer Predigt aufgerufen, sich zu Gott zu bekehren, ihm zu dienen und auf die Wiederkunft des Sohnes zu warten. Diese Predigt hatte in kurzer Zeit schon große Auswirkungen bei Juden und gottesfürchtigen Heiden ge- zeigt, doch dann wurden die Apostel durch die Gegner gezwungen, Thessalonich zu verlassen. Der Grund für das baldige Schreiben eines zweiten Briefes war das falsche Verständnis vom zweiten Kommen von Jesus (2. Thess. 2,1-12). Die Erwartung, dass Jesus bald wiederkommt, sollte die Thessalonicher vor Müßiggang und unnützen Tätigkeiten schützen (2. Thess. 3,6-12). Deshalb schrieb Paulus die strengen Worte: «Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen» (2.TTiess. 3,10). Die beiden Briefe an die Korinther. Der erste Brief wurde im Jahre 54 während der dritten Missionsreise von Ephesus aus geschrieben (1. Kor. 16,8). Das Thema des Briefes ist (1. Kor. 3,11): «Niemand kann einen anderen Grundstein legen als den, der bereits gelegt ist, der ist Jesus, der Messias.» Korinth war damals ein wichtiges Handels- und Verkehrszentrum, aber auch ein Zentrum für alles Unmoralische. Drei Jahre nach seinem ersten Besuch in Korinth hörte Paulus von den Problemen in der Gemeinde, deshalb schrieb er ihnen diesen Brief. Der zweite Brief an die Korinther wurde etwa ein Jahr später während der dritten Missionsreise aus Mazedonien geschrieben (2. Kor. 7,5; 8,1; 9,2-4). Der Schlüssel zum Verständnis des Briefes ist: «Wir versuchen, uns auf jede Weise als Arbeiter für Gott zu empfehlen» (2. Kor. 6,4). Der Brief an die Römer wurde von Paulus ca. 55 zum Ende der dritten Missionsreise in Korinth verfasst (Röm. 16,1.2.23). Sein Schwerpunkt wird in Römer 1,16-17 genannt: «... ich schäme mich des Evangeliums nicht, da es Gottes mächtiges Werkzeug ist, jedem, der im Vertrauen festbleibt, die Erlösung zu bringen, den Juden im Besonderen und auch den Nichtjuden. ... wie geschrieben steht (Hab. 2,4): Der Gerechte wird aus Glauben leben.» Paulus bereitete mit diesem Brief seinen Besuch in Rom vor, wo er bis dahin noch nicht gewesen war. Der Brief an die Gemeinde in Rom richtete sielt an die Gläubigen aus Juden und Nichtjuden. Wir wissen nicht weshalb, doch musste dort die Anschauung geherrscht haben, Israel hätte durch die offizielle Ablehnung des Messias seine besondere Stellung als Erwählte Gottes verloren, und Gottes Versprechen gegenüber Israel seien aufgehoben worden. Paulus widerlegte dieses Verständnis mit aller Macht. In den Kapiteln 9-11 erklärte der ehemalige Pharisäer, dass die Erwählung Israels und die ihm gegebenen Versprechen für immer Gültigkeit haben werden. Später, als das Christentum Staatsreligion wurde, verhielt man sich so, als gäbe es diese Kapitel nicht. Der Brief an die Epheser wurde im Jahre 60 von Rom aus geschrieben, wo Paulus gefangen gehalten wurde (Apg. 28,30). Sein Hauptthema ist das, was Paulus ein Rätsel oder Geheimnis nannte (Eph. 3,8-9), eine wundervolle Wahrheit, die vorher nie offenbart worden war. Als Erstes ist es die Tatsache, dass sowohl Juden als auch Griechen durch die Gnade Gottes erlöst werden können. Der Trennungswall zwischen ihnen ist gefallen, verbunden mit Jesus werden sie ein Leib, der Leib des Messias, der neue Tempel, in dem Gott durch seinen Geist wohnt (Eph. 2.ii-22). Ein anderes Rätsel ist das Verhältnis zwischen Jesus und seinem Leib, der Weltgemeinde aller Gläubigen. Er ist das Haupt, die Gemeinde der Leib, aus vielen Gliedern bestehend, wobei jedes Glied eine bestimmte Aufgabe hat. Dasselbe Verhältnis zwischen Haupt, Leib und Gliedern besteht auch in der örtlichen Gemeinde. Was Paulus in diesem Brief besonders am Herzen liegt, äst die Einheit in der Gemeinde. Der Brief an die Kolosser wurde auch im Jahre 60 geschrieben, wahrscheinlich aus Rom. Gründer der Gemeinde in Kolossä war wahrscheinlich Epaphras (Kol. 1,7; 4,12), Paulus selbst war wohl nie in der Stadt gewesen. Leute aus der nahe gelegenen Gemeinde in Ephesus müssen das Evangelium dorthin gebracht haben. Der Brief ähnelt in vielem dem Epheserbrief, mit Aus- nähme des zweiten Kapitels, das eine enorm wichtige Frage behandelt: die falsche Lehre der Gnostiker, besonders in Bezug auf die Person des Messias. Wir werden den Gnostizismus später noch behandeln. Doch der Hauptschwerpunkt des Briefes liegt in der Aussage von Kolosser 1.18: «Er ist das Haupt des Leibes - der messianischen Gemeinschaft. Er ist der Anfang, der Erstgeborene aus den Toten, damit er den ersten Platz in allem innehabe.» Der Brief an die Philipper wurde ca. 61 von Rom aus geschrieben (Phil. 1,13; 4,22). Einige vermuten, dass es sogar der letzte Brief des Paulus an eine Gemeinde vor seinem Tod war. So ist es ein großes Zeugnis, dass dies ein Brief der Freude mitten im Tod war: Freude im Herrn, Freude durch die gute Botschaft der Erlösung, Freude in der Hoffnung (Phil. 1,3-26). Es ist der persönlichste und liebevollste der Briefe von Paulus. Seine tiefe Verbundenheit mit Jesus zeigt der Schlüsselvers: «Für mich ist der Messias Leben, und Tod ist Gewinn» (Phil. 1,21). Zuerst hatte Paulus auf die Vorteile seiner Abstammung, auf seine Ausbildung und seinen Eifer für Gott gesetzt. Doch dann sagte er: «Aber was mir einst Gewinn war, das habe ich um des Messias willen für Schaden geachtet. Alles ist für mich zum Schaden geworden gegenüber dem Gewinn, den Messias zu kennen und sich in ihm zu befinden» (Phil. 3,1-11). In den nun folgenden Hirtenbriefen (Pastoralbriefen) kümmerte sich Paulus besonders um einzelne Personen und schulte sie als Jünger. Diese Briefe sind nicht primär an Gemeinden gerichtet. Der Brief an Philemon wurde im Jahre 60 von Rom aus geschrieben. Philemon leitete eine Hausgemeinde in Kolossä und war mit Paulus bekannt (Phil. 1-2). Sein Thema war, tätige Liebe zu üben. Anlass für den Brief war die Flucht von Phile-mons Sklaven Onesimus, der sich inzwischen bekehrt hatte. Paulus betonte, sie seien nun beide eins im Herrn. Entsprechend sollte Philemon den Sklaven Onesimus als einen «Bruder» behandeln, wenn er wieder zurückkäme. Vers 17 ist der Schwerpunkt des von der Liebe Gottes geprägten Handelns. Paulus identifizierte sich selbst mit dem Sklaven: «Wenn du mich nun für deinen Freund hältst, so nimm ihn auf, wie du mich aufnimmst.» Der 1. Brief an Timotheus ist ca. 62 in Mazedonien entstanden (i.Tim. 1,3), wahrscheinlich nach der ersten Gefangenschaft des Apostels. Er richtete sich an Timotheus aus Lystra (Apg. 16,1), der für die Gemeindeordnung der Versammlung in Ephesus verantwortlich war. Der Schwerpunkt liegt in Vers 3,15: «Damit du, wenn ich mich verspäte, weißt, wie man sich im Haus Gottes, das ist die messianische Gemeinschaft des lebendigen Gottes, die Säule und Stütze der Wahrheit, verhalten soll.» Der Brief an Titus wurde im Jahre 62 von Nikopolis aus geschrieben (Tit. 3,12) und war an den Griechen Titus auf Kreta gerichtet (Tit. 1,4-5; Gal. 2,3). Dieser sollte sich für eine gesunde Lehre innerhalb der Gemeinde auf Kreta einsetzen. Den Schwerpunkt beschreibt Titus 2,1: «Du aber erkläre, welches Verhalten mit der heilsamen Lehre einhergeht.» Der 2. Brief an Timotheus war ein Abschiedsbrief des Paulus und gleichzeitig ein Ermutigungsbrief für Timotheus, treu zu bleiben (2. Tim. 1,4-9; 2,15; 4,6-9). Er wurde wahrscheinlich 63 von Rom aus geschrieben, wo Paulus in Gefangenschaft war und wusste, dass er bald sterben würde, was nach der Überlieferung im Jahr 64 eintrat. Sein Generalthema war die Treue mitten in der Welt: «Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du überzeugt bist, und gedenke der Menschen, von denen du es gelernt hast» (2. Tim. 3,14). Dieser Rat ist zu allen Zeiten für die messianische Bewegung von Gültigkeit gewesen und hat ihr immer wieder «den Rücken» gestärkt. Es folgen nun die Briefe von anderen Verfassern. Beim Brief an die Hebräer ist die Verfasserschaft unklar, wie auch der Ort und der Zeitpunkt der Abfassung. Sicher wurde der Brief vor dem Jahr 70 geschrieben, als der jüdisch-römische Krieg mit der Zerstörung des Tempels und Jerusalems endete, da dieses schreckliche Ereignis sonst mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Brief Eingang gefunden hätte, was aber nicht der Fall ist. Ohne Frage unterscheidet sich der Flebräerbrief von allen anderen Briefen darin, dass er an eine Gemeinde gerichtet war. die nur aus Juden bestand, die in direktem Bezug zum Tempel und den Opferpraktiken lebten. Wahrscheinlich war es eine Gemeinde in Judäa in unmittelbarer Nachbarschaft zu Jerusalem. Der Hebräerbrief wollte für jüdische Menschen, die Jesus als Herrn und Erlöser angenommen hatten, die grundlegenden Glaubensfragen aus rein jüdischer Perspektive beantworten. Der Autor zeigte auf, dass das Evangelium nicht etwas völlig Neues ist, sondern die Verwirklichung von etwas, was schon seit langer Zeit bestand. Er verglich Sinai und Golgatha, indem er deutlich machte, dass der Sinai eine Vorausschau dessen war, was durch das Evangelium endgültig Wirklichkeit wurde. Der Messias Jesus ist allem anderen überlegen: den Propheten, weil er göttlich war und ist, den Engeln, weil er zugleich Mensch und Gott war. und auch Mose, dem Propheten, weil Jesus der Sohn Gottes ist (Hebr. 1,3-3,6). Das wichtigste Thema im ganzen Brief ist der Vergleich von Jesus mit der Priesterschaft und dem Opfersystem. Der Messias ist ein Priester ganz anderer Art, er ist sündlos und von der ewigen Ordnung des Melchisedek. Das Opfersystem, das am Sinai gegeben worden war, war nur ein Schatten des einmaligen Opfers, das universal gilt. Das konnte natürlich kein Tier sein, nur der Menschen- und Gottessohn Jesus (Hebr. 4.14-7.28). Auch der Tempel war nur ein Abbild, der wahre Tempel ist im Himmel, und dort sitzt Jesus als Hohepriester, d.h. Mittler. Gleichermaßen war der Alte Bund vom Sinai nur ein Schatten, der dann vom Neuen Bund auf Golgatha abgelöst wurde. Des Weiteren machte der Verfasser unmissverständlich deutlich: Jesus ist der Messias, die Erfüllung des verheißenen Neuen Bundes aus Jeremia 31 (Hebr. 8,1-10,18). Der Autor ermahnte die Gläubigen auch, weil sie wieder begonnen hatten, die Ordnungen des Tempels und des Opfers zu halten. Er machte ihnen deutlich, dass sie dadurch ihren Zweifel am Wert des vollkommenen stellvertretenden Sühne-und Opfertods Jesu am Kreuz zeigten (Hebr. 9,1-10,18). Seel-sorgerlich ermutigte der Schreiber die Glaubensgeschwister, an der Hoffnung des Glaubens festzuhalten, und zählte die zahlreichen Vorbilder des Glaubens auf. Das Miteinander im zwischenmenschlichen Bereich sollte von dieser zukünftigen Hoffnung bestimmt und geprägt sein (Hebr. 10,19-13,25). Viel zitiert ist auch die Definition des Autors vom Glauben an den Erlöser: «Der Glaube aber ist eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, ein Nichtzweifeln und überzeugt sein von Dingen, die man nicht sieht!» (Hebr. 11,1). Der Brief des Jakobus wurde im Zeitraum zwischen 45 und 48 von Jakobus, dem Bruder des Herrn, in Jerusalem geschrieben (Jak. 1,1; Mk. 6,3; Gal. 1,19; 2,9). Jakobus war erst zum Glauben gekommen, nachdem ihm der auferstandene Jesus erschienen war, und galt danach als eine der «Säulen» der Jerusalemer Urgemeinde. Die Empfänger waren Judenchristen aus den zwölf Stämmen Israels in der Diaspora (Jak. 1,1). Jakobus machte in seinem Brief deutlich, dass wahrer Glaube durch entsprechende Taten sichtbar wird. Den Schwerpunkt bildet Jakobus 2,17: «So ist der Glaube allein, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber.» Die beiden Briefe des Petrus wurden um das Jahr 63 geschrieben. Petrus verwendete wahrscheinlich den Decknamen «Babel» für Rom als Abfassungsort (1. Petr. 5,13). Gerichtet war der Brief an die jüdischen Gläubigen in Kleinasien, die er als Fremdlinge in der Zerstreuung bezeichnete (i. Pelr. i.i; 2. Petr. 3,1). Sein Thema im ersten Brief ist die Gnade Gottes im Leid. So verlangte Petrus von den Gläubigen, ein heiliges Volk zu sein, wie es Gott auch von Israel gefordert hatte (1. Petr. 1,13-25). Gemeint ist, von Gott für einen besonderen Zweck und Dienst bestimmt zu sein, was auch ein «heiliges» Leben voraussetzt. Petrus geht sogar noch weiter in seinem Vergleich zwischen Israel und dem Leib des Messias: Es sei ein Reich von Priestern, ein auserwähltes Volk, «das den Ruhm dessen erzählen soll, der euch aus der Finsternis in sein herrliches Licht berufen hat» (1. Petr. 2,9). Der zweite Brief des Petrus war das letzte Zeugnis vor seinem Tod (2. Petr. 1,13-15), in dem er nochmals auf die wahre Erkenntnis hinwies (2. Petr. 1,3): «Gottes Macht hat uns alles gegeben, was wir zu einem gottesfürchtigen Leben brauchen, durch unsere Erkenntnis des Einen, der uns zu seiner Herrlichkeit und Tugend berufen hat.» Die Briefe des Johannes wurden kurz vor 70 vom Apostel Johannes in Ephesus verfasst, wo er nach der Überlieferung im hohen Alter eines natürlichen Todes gestorben sein soll. Das Evangelium schrieb er. um Glauben zu wecken, die Briefe, um Sicherheit im Glauben zu vermitteln. Er wollte die Gemeinschaft der Gläubigen stärken. Das ist der Kern seiner Briefe: «Wenn wir im Licht des Messias wandeln, wie er im Licht ist, dann haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut seines Sohnes, Jesus, reinigt uns von aller Sünde» (1. Joh. 1,7). Johannes behandelte die Themen der Sünde und Schuld (1. Joh. 1,8-2,2; 3,4-24) im Leben der Gläubigen und betonte, dass wir einen Versöhner haben. Ein weiteres Thema war Liebe zu Gott und dem Nächsten gegenüber, die das Handeln bestimmen sollte. Denn wer liebt, ist von Gott geboren. Zu jener Zeit, als Johannes diesen Brief schrieb, nahm die Glaubensbewegung der Gnostiker Einfluss auf ihre Umgebung. Sie nannten sich Christen, doch wich ihr Glaube in wichtigen Punkten vom Evangelium ab, vor allem in Bezug auf die Identität von Jesus. Sie unterschieden zwischen dem «menschlichen» Jesus und dem «göttlichen» Messias. Der Messias war, gemäß den Gnostikern, eine göttliche Ausstrahlung, die der «Mensch» Jesus bei seiner Taufe erhielt und die ihn vor seinem Tode wieder verließ. Jesus starb, aber der Messias nicht, das heißt, sie leugneten die vollkommene Menschwerdung Gottes und damit das vollkommene Erlösungsopfer. Aus diesem Grunde warnte der Apostel vor solchen falschen Lehrern, denn sie würden den Geist des Antichristen in sich tragen, da sie im Tiefsten das Versöhnungswerk von Golgatha ablehnten, aber dennoch behaupteten, das richtige Evangelium zu lehren (i. Joh. 2,18-29; 4,1-6; 5,6-12.20). Johannes brachte den Ausschließlichkeitsanspruch des mes-sianischen Glaubens mit der Erklärung auf den Punkt: «Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht. Wer den Sohn bekennt, der hat auch den Vater!» (1. Joh. 2,23). Das ist auch heute noch eine starke Herausforderung an das rabbinische Judentum, aber auch an den Islam und alle anderen Religionen. Wer an Jesus, den Messias, glaubt, der genießt das dreifache Heil: Seine Sünden werden ihm verziehen, er ist ein Kind Gottes und hat die Gewissheit des ewigen Lebens! Deshalb beendete Johannes den Brief mit den Worten: «Solches habe ich euch geschrieben, die ihr glaubet an den Namen des Sohnes Gottes, auf dass ihr wisset, dass ihr das ewige Leben habil» (1. Joh. 5,13). Der Brief des Judas muss etwa um 65 in Judäa geschrieben worden sein. Judas bezeichnete sich als Bruder von Jakobus (Jud. 1), und damit als Bruder von Jesus (Mk.6,3). Er rühmte sich nicht der engen Verwandtschaft mit Jesus, sondern verstand sich als Diener Jesu. Er schrieb an Judenchristen in Israel mit dem Zweck, für den überlieferten Glauben einzutreten und zu kämpfen (Jud. 1-3). Durch die vielen Jahrhunderte hindurch gab uns das Wort Gottes Auskunft über das, was wir suchten: den prophezeiten Messias, den offenbarten Messias und den verkündeten Messias! Offenbarung Zu erwähnen ist noch als Letztes die Offenbarung, die den Abschluss des Neuen Testaments bildet. Sie wurde vom Apostel Johannes auf der Insel Patmos geschrieben (Offb. 1,1; 1,9), wohl etwa um 95 n.Chr., in der Regierungszeit des Kaisers Domitian. Der Zweck des Buches war die Aufzeichnung dessen, was in Kürze geschehen sollte (Offb. 1,1). So dienen die Sendschreiben an sieben verschiedene Gemeinden vor allem der Ermutigung und Ermahnung, in der Zeit der Verfolgung weiter durchzuhalten (Offb. 2-3), da die Rückkehr des Messias unmittelbar bevorstehe. Johannes verarbeitete die Symbolik von Hesekiel und Daniel über die Zukunft des Volkes Israel und der Erde in seinem Werk gemäß dem Auftrag und der Offenbarung durch den auferstandenen Herrn (Offb. 1,2-3). Dieses letzte Buch des Neuen Testaments befasst sich ausschließlich mit der Zukunft, um den Gläubigen eine Sicht der zukünftigen Ereignisse, die vor. während und nach der Wiederkunft des Messias eintreten, zu vermitteln, bis hin zu der Zeit, in der Gott selbst einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen und die Tränen der verfolgten Gemeinde endgültig abwischen wird (Offb. 21-22). So hielt Gott sein Wort, dass seine Botschaft von Jerusalem über Judäa und Samaria bis an das Ende der Welt dringen sollte (Apg. 1,8). Durch die Verkündigung kamen Tausende und Zehntausende zumeist jüdischer Menschen zur Erkenntnis, wer der wirkliche Messias war (Apg. 2-3; 21,20). Ebenso wurde die Tür zu den nichtjüdischen Menschen geöffnet (Apg. 10). In ganz Israel, in Kleinasicn und im gesamten Mittelmeerraum bildeten sich Gruppen und Gemeinden, die ein gemeinsames Bekenntnis hatten, die Messianität Jesu. Allerdings fanden rasch Irrlehren ihren Weg in die jungen Gemeinden, die gleichzeitig mit Verfolgung bis hin zum Martyrium konfrontiert wurden. Diese Situation machte es notwendig, dass die Apostel die Gläubigen durch ihre Briefe auf diese Irrlehren aufmerksam machten und sie ermutigten, den Weg des Glaubens weiterzugehen. Das Buch der Offenbarung bildete den Abschluss der Überlieferung des Neuen Testaments. Über die folgenden etwa 1800 Jahre stehen uns nur außerbiblische, menschliche Berichte zur Verfügung. Im Mittelpunkt steht weiterhin der Glaube an den Mensch gewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Sohn Gottes, der als stellvertretendes Opfer die Sünden der Menschheit sühnte. Diesen lang verheißenen Messias Israels hat Jahwe, der Gott Israels, allen Völkern zugänglich gemacht. Die judenchristliche Erweckung Die Probleme des religiösen Judentums Es gab in den ersten Jahrhunderten nach Christus in Israel vier Hauptströmungen des Judentums: Pharisäer, Sadduzäer. Essener und Zeloten. Dieser Pluralismus war sicher ein wichtiger Grund dafür, dass die messianischen Juden in dieser Zeit einfach eine Gruppe unter vielen war. Doch dann kam die Vertreibung der Juden im Jahre 135 n.Chr. durch die Römer. Für das Volk Israel bedeutete es die totale religiöse, politische und nationale Niederlage. Über eine Million Juden wurden getötet und fast hunderttausend ins Exil geführt. Für die Zeloten, die Sadduzäer und die Essener war es das Ende ihres Bestehens überhaupt. Die Pharisäer überlebten, aber sie standen jetzt wie zur Zeit des Babylonischen Exils vor der großen Frage: Wie konnte der uralte biblische Glaube, die jüdische Religion, nun ohne Tempel auskommen? Mit der Lehre vom Sinai bekam Israel ein dreifach gegliedertes Gesetzessystem. Einmal das Moralgesetz, das seine Gül- tigkeit nicht verlor, sondern sogar im Neuen Testament durch den Herrn Jesus als das Gesetz hervorgehoben wurde («Liebe deinen Nächsten wie dich selbst», 3. Mo. 19,18; Mt. 5.43-44). Dann das Judizialgesetz (Strafbestimmungen bei schweren Sünden. so 3. Mo. 20 u.v.m.) und schließlich das Zeremonialgesetz, das das Opfersystem, die verschiedenen Tempeldienste, die Funktionen der Priester und Leviten usw. regelte (z.B. 3. Mo. 16; 17; 21-25). Dieses Zeremonialgesetz stellte in besonderer Weise die Heiligkeit Gottes dar und sollte die Ehrfurcht gegenüber seinem Willen hervorheben. Nach der endgültigen Zerstörung des Zweiten Tempels durch Titus im Jahre 70 gehörte dies der Vergangenheit an. Es gab kein gottgeweihtes Gebäude mehr und dadurch waren die Ämter der Priester und Leviten abgeschafft und das ganze Opfersystem nicht mehr durchführbar. Diese veränderte Situation war eine wahre Katastrophe in Bezug auf den geistlichen und theologischen Inhalt der jüdischen Religion. Die Grundpfeiler des jüdischen Glaubens waren getroffen, denn die Möglichkeit zur Sündenvergebung durch das Darbringen von Opfern existierte nicht mehr. Des Weiteren betraf es das Erscheinen des gesalbten Erlösers. Der Messias, Davids Sohn, der nach jüdischem Verständnis nur in einem geheiligten Tempel erscheinen konnte, würde nun nicht mehr kommen, wenn es keinen Tempel mehr gab. Die Möglichkeit, Gottes Gerechtigkeit und seine Liebe zu vereinen, zerbrach. Gott, der Herr, war ein strenger Richter der Sünde, aber auch ein liebender Vater, der durch ein stellvertretendes Opfertier Vergebung zusprechen wollte. Doch mit der Zerstörung des Tempels war das nicht mehr möglich. Wie konnten nun ohne Tempel Sünden gesühnt werden? Darauf musste eine Antwort gefunden werden. Gleichzeitig bereitete den Rabbinern in Jawneh. dem Ort, an den sie hatten fliehen können, ein weiteres Problem Kopfzerbrechen: Der kommende Messias musste der Sohn Davids sein, d.h. seinem Geschlecht angehören. Bis zum Jahre 70 n.Chr. war es kein Problem gewesen, so etwas nachzuweisen, denn alle Familienregister waren sorgfältig geführt und im Tempel aufbewahrt worden. Bei der Zerstörung des Ersten Tempels konnten sie gerettet werden, doch bei dieser Tempelvernichtung verbrannten die Familienregister tragischerweise mit. Das bedeutete nun praktisch, die messianische Floffnung musste einstweilen begraben werden oder sie musste sich auf irgendeine Art und Weise einem Wandel unterziehen. Was geschah mit den Judenchristen? Die judenchristlichen Kreise hatten sich drei Jahre vor der Zerstörung auf Anweisung der führenden geistlichen Persönlichkeiten nach Pella begeben, einer Stadt in Peräa östlich des Jordans. So kamen die messianischen Juden nicht durch die Römer um. Sie hatten nicht nur überlebt, sondern sie erkannten auch die prophetische Erfüllung der Reden Jesu (z.B. Mt. 24-25) bezüglich der Zukunft des Tempels, und das veränderte ihren geistlichen Blick. Der Tempel als äußeres Symbol der Sinailehre war nicht mehr notwendig. Der Neue Bund machte ihn überflüssig, und durch das Kreuz hatte das Opfersystem seinen Hauptzweck verloren. Die Judenchristen konnten nun die Richtigkeit ihres Glaubens beweisen: Jesus musste der im Alten Testament prophezeite Messias sein, denn ein anderer konnte nicht mehr kommen. Das Opfersystem als Sühne für Sünden war durch das Kreuz abgelöst worden. Der Tempel war zerstört worden, so wie Jesus es vorausgesagt hatte. Jerusalem war genau so, wie Jesus es beschrieben hatte, erobert worden. All das war nun nicht mehr zu leugnen. So wurden die Nazarener, wie die Judenchristen auch genannt wurden, eine Gefahr für die gelehrten Pharisäer in Jaw-neh. Da sie theologisch nicht zu besiegen waren, mussten sie auf andere Art gezwungen werden, die Synagogen zu verlassen. Es wurde ein Gebet mit einer Verfluchung der «Minim» verfasst, das in allen Synagogen gesprochen wurde. Das hebrä- ische Wort Minim bedeutet Sekten, aber es setzt sich auch aus den Anfangsbuchstaben von «an Jesus von Nazareth Gläubige» zusammen. Beide Bedeutungen des Ausdrucks zielten auf die messianischen Juden. So mussten die messianischen Juden die Synagogen verlassen, die von nun an den Tempel ersetzten. Diese Trennung führte dazu, dass die Judenchristen die eigentlichen Träger der Offenbarung Gottes wurden und alleine den biblischen Glauben fortsetzten. Parallel entwickelte sich das rabbinische Judentum, das zwar biblische Wurzeln hat, dem aber viel Menschenwerk beigefügt wurde, um Ersatzlösungen für den verloren gegangenen Tempel anzubieten. Durch die Rabbiner entstand ein verfremdeter Messiasbegriff, der dazu führte, dass immer wieder Menschen als Messias verehrt wurden. So sind im Laufe der jüdischen Geschichte viele Fälle von falschen Messias-sen bekannt. Die berühmtesten waren Bar-Kochba (hebräisch für «Sternensohn») während des jüdischen Aufstands gegen die Römer (132-135 n.Chr.), später Sabbatai Zwi (1626-1676). der zum Schluss zum Islam übertrat, und in unserer Zeit Mena-chem Mendel Schneerson (1902-1994), langjähriger Führer der Chabadbewegung, die auch Lubawitscher Bewegung genannt wird. Das rabbinische Judentum löste das biblische Judentum ab. Es betrachtete zwar das Alte Testament als Gottes Wort, wurde aber durch die Umstände gezwungen, von ihm abzuweichen, um die Existenz einer jüdischen Religion im Exil zu ermöglichen. Das rabbinische Judentum ist fraglos jüdisch; ohne es hätte Israel weder Exil noch Diaspora überstanden, denn es regelte das jüdische Leben von der Wiege bis zur Bahre. Aber weil dieses Judentum nicht mehr biblisch war, war es nicht die richtige Fortsetzung. Der Glaube an Jesus, anfangs «der Weg» genannt, wollte keine neue Religion sein. Die Nazarener erkannten in Jesus die Erfüllung der biblischen Prophezeiungen, von Eden bis Malea- chi, deshalb sahen sie im Glauben an Jesus die folgerichtige Fortsetzung ihres biblischen Glaubens. Dass dies in der jüdischen Gemeinschaft nicht akzeptiert wurde, war auch gottgewollt, denn dadurch wurde es nun möglich, dass auch Nichtjuden den Gott Israels annehmen konnten. Darin bestand eine Seite des Segens für die Völker durch Israel (Röm. n; t. Mo. 12,2-3; Jes- 66,18-19). Im Jahr 132 begann dann ein letzter Versuch der im Lande Israel verbliebenen jüdischen Bevölkerung, sich vom römischen Joch zu befreien. Der Feldherr Bar-Kosiba, der den Aufstand anführte, wurde von Rabbi Akiba zum Messias erklärt und Bar-Kochba genannt, eine der vielen Bezeichnungen des Messias. Der Aufstand wurde niedergeschlagen, fast die ganze Bevölkerung ging ins Exil. Doch für die messianischen Juden hatte dieses Ereignis besonders bittere Konsequenzen. Da sie Bar-Kochba nicht als Messias anerkannten und sich deshalb weigerten, für ihn zu kämpfen, ging der Feldherr mit einer scharfen Anklage gegen diese Kriegsdienstverweigerer an, so dass sie als Verräter geächtet wurden. Damit war die Spaltung vollzogen. Sechzig Jahre zuvor hatte man zwar die messianischen Juden aus den Synagogen vertrieben. aber sie wurden noch immer als Teil des jüdischen Volkes betrachtet. Damit war es nun vorbei. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als in die Nachbarländer auszuwandern und sich den dort bestehenden Gemeinden von Jesusgläubigen anzuschließen. Doch dort befanden sich, achtzig Jahre nach den Missionsreisen von Paulus, die nichtjüdischen Mitglieder bereits in der Mehrzahl. Und so verschwand das messianische Judentum als Bewegung von der Bildfläche. Von der Synagoge schon lange getrennt, waren sie nun auch aus dem Volk ausgestoßen. Sie lebten nun in einer Gemeinschaft mit Nichtjuden, die denselben Glauben an den jüdischen Messias hatten, aber selbst keine Kenntnis und oftmals auch kein Verständnis für das Judentum hatten. Daher war eine völlige Assimilation an die Gastvölker unvermeidlich. So sollte es bis zum Zeitalter der Aufklärung im 17. Jahrhundert bleiben. Die nachapostolischen Väter Mit dem Tod des römischen Kaisers Domitian (Regierungszeit [R.] 81-96 n.Chr.) hörten die schrecklichen Verfolgungen der Christen auf. Dadurch konnten sich die Gemeinden erholen und die Botschaft von Neuem verkündigen. Über diese Zeit geben verschiedene Quellen Auskunft, vor allem die Berichte der nachapostolischen Väter, die so genannt werden, weil sie noch mindestens einen Apostel persönlich gekannt hatten. Bischof Polycarp von Smyrna war ein Schüler des Apostels Johannes und musste etwa dreißig Jahre alt gewesen sein, als dieser starb. Er selbst starb am 23. Februar 155, im Alter von 86 Jahren, den Märtyrertod auf dem Scheiterhaufen. Das Thema seines Briefes ist das richtige Datum für den Ostersonntag, worüber es unter den Christen unterschiedliche Meinungen gab. So feierten die Christen in Kleinasien nach der Sitte der Apostel am 14. Nissan, d.h. am Passah-Fest, die Auferstehung. Die römische Gemeinde dagegen hatte den Tag bereits auf eine Woche danach verschoben. Der Briefwechsel zwischen Plinius, dem Statthalter von Bithy-nien und Pontus (am Schwarzen Meer), und dem Kaiser Trajan (R. 98-117) gibt uns wertvolle Informationen über die Lage der Gläubigen zu Beginn des zweiten Jahrhunderts. Als Plinius im Jahre in sein Amt antrat, fand er den Glauben so verbreitet, dass die heidnischen Tempel praktisch leer waren. Daher untersuchte er den Charakter der Leute, die diesen «sittlich verdorbenen Aberglauben» besaßen. Zu seiner großen Überraschung stellte Plinius fest, dass die Gläubigen nach erstaunlich hohen moralischen Maßstäben für das römische Verständnis lebten. Auch an der Art ihrer Gottesdienste fand er nichts Anstößiges. Da er nur gegen die Gläubigen Vorgehen konnte, wenn sie gegen das römische Recht verstoßen hatten, erließ er entsprechende Verordnungen. Sein Freund, der römische Kaiser Trajan. nahm diese ins römische Gesetz auf, so dass sie als Rechtsgrundlage für vermehrte Verfolgung und Tötung von Christen dienen konnten. Justin, der Märtyrer, wurde von Eusebius (260-339). Bischof von Cäsarea und Verfasser der ersten Kirchengeschichte bis 324, als zweifellos größter der Apologeten bezeichnet. So wurden jene Gläubigen genannt, die den Glauben an Jesus als den Messias gegen jede Form von Angriffen verteidigten. Justin wurde um 100 in Sichern, dem heutigen Nablus, in Palästina geboren und war wohl ein Samariter. Justin besaß Kenntnisse der Philosophie und «suchte die Wahrheit». Um 130 traf er an der Küste von Ephesus einen alten Mann, der ihn auf die jüdischen Propheten und auf Christus hinwies. Die göttliche Liebe entzündete in Justin eine unauslöschliche Flamme des Glaubens an Jesus. Berühmt wurde er durch seine acht Apologien, wovon drei noch erhalten sind: eine an den Kaiser Antonius Pius (R. 138-161), eine andere an den Senat von Rom. Sein größtes Werk war jedoch die Schrift «Ein Dialog mit dem Juden Tryphon», in dem er Juden seinen Glauben erklärte. In den Apologien wurde unter anderem die Art des damaligen Gottesdienstes beschrieben: «Am Sonntag versammeln sich alle an einem Ort, wo die Erinnerungen der Apostel [die Evangelien] sowie die Schriften der Propheten gelesen werden. Danach sagt der Präsident ein paar Worte dazu. Dann wird, im Stehen, frei gebetet. Als Nächstes wird unter Gebet und Danksagung Brot und Wein ausgeteilt.» Im Jahre 165 wurde Justin zum Tode verurteilt. Als er spöttisch gefragt wurde, ob er glaube, wieder aufzuerstehen und ewig zu leben, da antwortete er: «Das ist keine Frage des Glaubens, ich weiß es!» Unter dem Kaiser Markus Aurelius (R. 161-180) setzten erneut jahrelange entsetzliche Verfolgungen der Gläubigen ein. Mit einer unbeschreiblichen Bereitschaft zum Märtyrertum legten die Christen dennoch ein beeindruckendes Zeugnis ab. Bewegungen im 2. Jahrhundert «Nazoräer» war anfangs einfach eine andere Bezeichnung für die an Jesus Gläubigen. Später nannte man nur diejenigen unter den Judenchristen so. die die pharisäische Tradition beibehielten. Sie lebten streng nach dem Sinaigesetz und den rab-binischen Ordnungen und standen deshalb nicht in der Gefahr der vollen Assimilation mit den Nichtjuden. Dennoch verschwanden sie im Laufe des 4. Jahrhunderts. Die Ebioniten waren noch extremer als die Nazoräer. Sie wollten, dass jeder Christ das ganze mosaische Gesetz in der rab-binischen Interpretation hielt und lebten streng vegetarisch. Alle Schriften von Paulus lehnten sie ab, und von den Evangelien akzeptierten sie nur das von Matthäus teilweise, da es auf Hebräisch verfasst worden war. Sie leugneten die Präexistenz Jesu. d.h. die Tatsache, dass Jesus existierte, bevor er Mensch wurde. Ebenso lehnten sie die Jungfrauengeburt des Messias ab und glaubten, Jesus sei erst nach der Taufe göttlich geworden und hätte diese Eigenschaft kurz vor seinem Tod wieder abgelegt. Das bedeutete in letzter Konsequenz, dass am Kreuz ein gewöhnlicher Mann starb, der dann natürlich auch kein stellvertretendes Sühneopfer sein konnte. Das Gesetz verbiete ja Menschenopfer, so die Argumentation. Die Gnostiker bildeten die größte Gefahr für die jungen Gemeinden der Gläubigen. Schon im Neuen Testament wird immer wieder auf Gefahren hingewiesen, etwa bei Simon, dem Zauberer (Apg. 8,9-24), oder bei den Lehren von Hymenäus und von Philetus. Direkte Hinweise auf die Gefahr der Gnosis, die fälschlicherweise Lehre der Erkenntnis genannt wurde, gibt es in i.Timotheus 6,20. Die Gnostiker verstanden sich als diejenigen, die durch besondere Offenbarungen mehr Erkenntnis bekamen, was auch Bestandteil der Lehre der Ni-kolaiten (Offb. 2,6) war, die jedoch zu einem ausschweifenden Lebensstil führte. Johannes warnte schon in seinem zweiten Brief vor ihnen, und Paulus hatte in Korinth gegen sie zu kämpfen. Zu Beginn des 3. Jahrhunderts waren viele Gemeinden im Römischen Reich auf irgendeine Art von dieser Irrlehre betroffen. Die Gnostiker vermischten ihr unklares Verständnis vom messianischen Glauben mit mythologischen und heidnisch-philosophischen Elementen aus Griechenland, Persien. Indien und Ägypten. Die so erworbene höhere «Erkenntnis», Gnosis genannt, war geheim und nur bestimmten Menschen und Gruppen zugänglich. Diese wurden von geistlichen «Supermännern» geführt, die das vermeintlich «tiefere Wissen» besaßen. So sahen sie in allem Materiellen das Böse und lehrten die Vergeistlichung aller Dinge. Sie forderten entweder die totale Askese oder die absolute Sinnlichkeit, da die Welt und das Leben für sie dualistisch in Gut und Böse eingeteilt war. Als Ganzes betrachtet waren alle gnostischen Lehren reichlich spekulativ und kompliziert. Positiv an der Irrlehre und ihren ketzerischen Kommentaren zur Bibel war, dass es christliche Gelehrte anspornte, diese Kritiken der Schriften gründlich zu studieren und exzellente Abhandlungen zur Verteidigung des wahren Glaubens zu schreiben. Der Moniamsnius wurde begründet von Montanus aus der Provinz Mysia in West-Anatolien, der 156 mit dem Anspruch auftrat, er sei der Paraklet nach Johannes 14,26, also der personifizierte Heilige Geist. Er wanderte umher und hielt seine Botschaft für äußerst dringlich, da der Herr jeden Moment wiederkommen und das Tausendjährige Reich errichten würde. Er betonte die prophetische Rede, die Zungenrede, das ekstatische Beten und hatte zusammen mit seinen Anhängern Visionen und Träume. Er ging so weit, dass er sich selbst als Gott ausgab oder den Anspruch erhob, der Heilige Geist spräche aus ihm. Diese Bewegung wuchs auch nach dem Tod des Montanus (178) noch weiter, wobei der asketische Lebensstil immer mehr betont wurde. Besonders zwei Frauen. Maximilia und Priscilla. die sich als Prophetinnen Gottes verstanden, verbreiteten diese religiöse Strömung bis weit nach Nordafrika hinein, so dass man an manchen Orten regelrecht von einer montanistischen Erweckung sprechen konnte. Je strenger die Gemeindedisziplin wurde, desto interessanter wurde sie. Innerhalb des Gemeindelebens wurden die Sünden in vergebbare und unver-gebbare Schuld eingeteilt. Die Wiederheirat von Witwen wurde verboten, das Zölibat der Ehe vorgezogen. Die Opferbereitschaft war ein zusätzliches beeindruckendes Zeugnis, das sehr viel Zulauf bewirkte. Diese Bewegung war entstanden, um den Glauben zu erneuern und zu reinigen, nachdem sich mancher Formalismus eingeschlichen hatte. Leider hatte dieser geistliche Extremismus negative Folgen für die ihn bekämpfende Kirche, die die Lehre vom zweiten Kommen des Messias daraufhin verdrängte. Die übertriebenen Prophezeiungen der Montanisten führten zur kirchlichen Gegenbewegung, dass kaum mehr über den Heiligen Geist gelehrt wurde und der dreieinige Gott als Vater, Sohn und Heiliger Geist als etwas Nebulöses, sehr Fernes verstanden wurde. Dieses Verständnis hatte wiederum verheerende Folgen für den Gottesdienst der Kirchen. Die Machtstellung der Pastoren, die den Gottesdienst leiteten, nahm enorm zu. Sie waren sozusagen Vertreter Jesu auf Erden, die durch die Sakramente sein Werk taten. Jede Art des charismatischen Predigens im Sinne der Montanisten wurde verboten, und in manchen Fällen wurde die Predigt an sich sogar ganz abgeschafft. Mit den Jahren konzentrierte sich der Gottesdienst zunehmend auf die liturgischen. mystischen Handlungen der Bischöfe und Priester am Altar. So musste die Gemeinde den Eindruck bekommen, dass nur durch den Priester eine Beziehung zu Gott möglich sei, und das bezog sich auch auf das Heil. Der Priester wurde der Brückenbauer zu Gott. Das Evangelium kam in Hände, die für lange Zeit nur noch formalistisch und traditionell vorgingen. Der Montanismus existierte bis ins 4. Jahrhundert, als der ständige Kampf der Kirche gegen diese Irrlehre schließlich zu deren Untergang führte. Nach nur knapp anderthalb Jahrhunderten seit Kreuz und Auferstehung stand der wahre Glaube an den Messias Israels in großer Gefahr, durch verschiedene Interpretationen verschüttet zu werden. Wir werden nun sehen, wie sich die wichtigsten frühen Kirchenväter zu diesen Fragen verhalten haben. Die frühen Kirchenväter (180-250 n.Chr.) Gegen Ende des 2. Jahrhunderts traten die frühen Kirchenväter auf und stellten sich den Irrlehren der Gnostiker und der Montanisten entgegen. Diese Kirchenväter waren hochbegabte und dem Glauben an Christus ergebene Männer. Im Blick auf die Bedeutung Israels setzten sie erste theologische Schwerpunkte, deren Entfaltung in späteren Zeiten leider dem christlichen Antisemitismus die Türen öffnete. Drei schwerwiegende Probleme mussten zuerst dringend gelöst werden: 1. Der Kanon des Neuen Testaments. Obwohl schon über ein Jahrhundert vergangen war, seit die Bücher und Briefe des Neuen Testaments geschrieben worden waren, war damals noch nicht festgelegt, welche Bücher zum Kanon gehörten, d.h. als von Gott inspiriert galten. Die Gnostiker hatten eigene Evangelien und Episteln, deren Anerkennung sie verlangten. Irenäus bewirkte nach vielen Diskussionen, dass die von ihm gestellte Bedingung akzeptiert wurde: Es würden nur Schriften in den Kanon aufgenommen, deren Verfasser selbst Apostel oder wenigstens eng mit ihnen verbunden gewesen waren. Nur diese Bücher wurden «Schriften» genannt. als göttlich inspiriert betrachtet und dem Alten Testament in dieser Beziehung gleichgestellt. 2. Ein allgemein anerkanntes Glaubensbekenntnis. Auch dies war wichtig, um sich von den Irrlehren abzugrenzen. Irenaus sammelte die Glaubensbekenntnisse der verschiedenen Gemeinden, die bis auf die Zeit der Apostel zurückgingen. Daraus entstand dann das «Apostolische Glaubensbekenntnis». 3. Die «apostolische Nachfolge». In den großen Gemeinden wurden Listen mit der Abfolge der Presbyter (Ältesten) geführt, die bis zu den Aposteln zurückreichten. Damit sollte die apostolische Nachfolge verdeutlicht werden. Das war sicher gut gemeint, ebnete aber gleichzeitig den Weg für die Autorität der Tradition, die im Laufe der Zeit der Heiligen Schrift gleichgestellt wurde, besonders in der römisch-katholischen Kirche. Jetzt folgt ein kurzer Blick auf die einzelnen Kirchenväter: Irenaus wurde in Asien, in der Provinz Anatolien, geboren. Er war ein Schüler von Polykarp aus Smyrna, der wiederum ein Schüler des Apostels Johannes war. Das heißt, Irenäus konnte sich bei seinen Diskussionen mit den Gnostikern und anderen Gegnern auf eine nachvollziehbare und verlässliche Autoritätslinie beziehen. Er wirkte in Smyrna, bis er im Jahre 177 in Lyon (Gallien) Nachfolger des dort grausam ermordeten Bischofs wurde. Er selbst soll 202 den Märtyrertod gestorben sein. Sein großes Verdienst für den Glauben waren seine vielen Schriften. Die wichtigste davon war «Gegen die Ketzereien», ein Werk in fünf Bänden, das entscheidend dazu beitrug, den Glauben vor den schädlichen Einflüssen und Doktrinen der Gnostiker zu schützen. Tertullian von Karthago (ca. 160-220) war der Sohn eines heidnischen Offiziers. Er kam durch das Zeugnis von Märtyrern zum Glauben. Als studierter Jurist lag ihm daran, theologische Begriffe zu definieren. So gebrauchte er als Erster den Ausdruck «Trinität». Tertullian widmete sich mit seinem ganzen Sein der Verteidigung des Glaubens. Er lehrte wie Paulus, dass durch Adam die Erbsünde entstanden war. aber im Messias, dem zweiten Adam, die Gläubigen erlöst würden. Doch im Blick auf die Gnade hatte er ein falsches Verständnis: Tertullian öffnete - zumindest teilweise - den Weg für eine Lehre der Erlösung durch «gute Taten», die unheilvolle Auswirkungen hatte. Tertullian verlangte strenge Buße, vertrat eine sehr asketische Haltung und verbot die Wiederheirat. Obwohl er sich zweifelsohne für die Verbreitung eines biblischen Glaubens einsetzte, konnte er andererseits auch sehr fanatisch sein. Und so ist es nicht verwunderlich, dass er sich im Jahre 200 den Montanisten anschloss. Im Hinblick auf die Überlieferung des Neuen Testaments leistete er unschätzbare Dienste. Cyprian wurde um 200 in Karthago in eine reiche und kultivierte heidnische Familie hineingeboren. Als er 46 Jahre alt war, führte ihn ein alter Presbyter zum Glauben an Jesus. Cyprian gehorchte dem Wort des Herrn, verkaufte seinen Besitz und gab den Erlös den Armen. Kurz nach seiner Taufe wurde er Presbyter und wenig später zum Bischof von Karthago gewählt. Er sah darin eine göttliche Offenbarung und stimmte zu, trotz seines anfänglichen Widerstands. Im Jahre 250 begann unter Kaiser Decius (R. 249-253) eine noch nie da gewesene Christenverfolgung. Die Zahl der Christen im Römischen Reich wurde dezimiert. Die vielen Namenschristen, die es inzwischen gab, verließen die Gemeinden. Nur die wahren Gläubigen blieben, um das Evangelium zu bezeu- gen. Nach dieser Zeit des Leidens brach eine Pestepidemie aus. Das veranlasste Cyprian, diakonische Aufgaben und Ämter zu organisieren, um Kranken und Hinterbliebenen Hilfe zu leisten. Im Jahre 258 wurde Cyprian unter Kaiser Valerian (R. 253-259) in der Nähe von Karthago nach einer erneuten Christenverfolgung hingerichtet. Cyprian beeinflusste die Kirchengeschichte, allerdings nicht ganz im biblischen Sinne. Erstens betrachtete er das Abendmahl als ein wahres Opfern des Messias auf dem Altar und die Pastoren als opfernde Priester. Das war eine Veränderung des biblischen Verständnisses, die schließlich zum heutigen Verständnis des Opfers in der römisch-katholischen Messe führte. Bis dahin hatten sich die Gläubigen gegenüber den Heiden gerühmt, dass sie weder Altar noch Opfer hatten, wie es in der römischen Götterwelt üblich war. Der zweite Punkt betraf die Selbständigkeit der örtlichen Bischöfe. Cyprian bestand sehr darauf und kämpfte gegen den Versuch des Bischofs Stephan von Rom, dass alle Gemeinden sich ihm zu unterwerfen hätten. Damit vertrat Cyprian dieselbe Anschauung wie Polycarp und Irenäus. Die katechetische Schule in Alexandrien brachte im 2. und 3. Jahrhundert eine Reihe von hervorragenden Führern hervor, unter ihnen Klemens und Origenes. Dort wurde nicht nur Theologie unterrichtet, sondern auch Philosophie und Wissenschaft. Alexandrien war zu der Zeit eine der größten Städte in der Welt. Sie war nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch kulturell von großer Bedeutung. Neben den griechischen Philosophien war dort durch die große jüdische Bevölkerung der Monotheismus bekannt. Schon im Jahre 200 v.Chr. wurde die Septuaginta verfasst, die griechische Übersetzung des Alten Testaments. Dies trug verstärkt zur Verbreitung des Evangeliums unter der griechischsprachigen Bevölkerung bei. Klemens (ca. 160-215) wirkte in Alexandrien. Antiochien und Jerusalem. Als Philosoph stand er im Widerspruch zu Tertul-lian, denn er glaubte, die Kirche dürfe die heidnische Philosophie nicht ignorieren. Er behauptete, sie besäße große Werte, doch zugleich war für ihn klar, dass Menschen, die ernsthaft studierten, letzten Endes durch Gott zu den Heiligen Schriften geführt und dort seine Offenbarung finden würden. Deshalb sammelte er Wissen von überall her und gebrauchte es für die Verkündigung des Messias. Da er die Bibel allegorisch auslegte, wurde durch ihn ein Grundstein für eine allegorische Auslegungspraxis gelegt, die unter anderem die Verwerfung Israels symbolisch erklärte. Zur Zeit der schweren Verfolgungen unter Kaiser Septi-mius Severus (R. 202-211) wurde Klemens im Jahre 202 aus Alexandrien vertrieben und starb dann 215 in Cäsarea. Er hinterließ viele wichtige Bücher und Schriften und schrieb das älteste bekannte christliche Lied. Origenes (185-254) war ein Schüler von Klemens und selbst einer der besten Lehrer und Autoren. Sein Vater Leonidas war ein Märtyrer gewesen. Schon mit 18 Jahren wurde Origenes der Leiter der alexandrinischen Katechetenschule und machte sie berühmt, trotz schwerer Verfolgungen. Er liebte die Schriften und besaß eine besondere Fähigkeit, diese auszulegen. Man schätzt, dass er an die 6000 Werke schrieb, inklusive Briefe und Artikel. Die bekanntesten Bücher sind die Kommentare zur Bibel, die «Hauptprinzipien» (die erste systematische Theologie), und «Gegen Celsus», eine hervorragende apologetische Abhandlung. Origenes war fest von der göttlichen Inspiration der Schriften überzeugt, betonte die Göttlichkeit des Messias und verteidigte die Lehre der Dreieinigkeit gegenüber ketzerischen Bewegungen. Er tat einen großen Dienst, indem er mit Macht den wichtigen Glaubensartikel über die Natur des Messias verteidigte. Er predigte unmissverständlich, dass Jesus Gott ist, aber doch mit einer eigenen Persönlichkeit, verschieden von der des Vaters und des Heiligen Geistes und doch eins mit ihnen. Auf anderen Gebieten, die nicht im Glaubensbekenntnis festgelegt wurden, war Origenes leider weniger zuverlässig. Nachdem er 28 Jahre lang die Schule geleitet hatte, wurde er vom Bischof von Alexandrien wohl aus Neid ins Exil nach Cäsarea geschickt. Dort eröffnete er eine eigene Schule. Zwanzig Jahre später wurde er während der schrecklichen Verfolgung des Kaisers Decius (R. 249-253) ins Gefängnis geworfen, wo er Folter erdulden musste und im Jahre 254 starb. Fazit des 4. Kapitels Hiermit beenden wir den Teil des Buches, der sich mit der Verkündigung des Messias beschäftigt. Zuerst waren es die Apostel, danach kamen Evangelisten, Missionare und Gemeindeleiter. die den Herrn nicht mehr persönlich gekannt hatten, aber mit Schülern der Apostel in Kontakt standen. In der nächsten Etappe, die sich zum größten Teil im dritten Jahrhundert abspielte, waren es die so genannten Kirchenväter. Ihre Aufgabe war eigentlich nicht so sehr die Verkündigung des Glaubens an sich, sondern das Einstehen für die unverfälschte Wahrheit des Evangeliums, indem sie sich darum bemühten, den Glauben schriftlich zu verteidigen. Diese apologetischen Bücher dienten der Verteidigung des Glaubens gegenüber Sekten mit ketzerischen Theologien und Gebräuchen. Die beiden erfolgreichsten, aber auch gefährlichsten dieser Bewegungen waren die Gnostiker und Montanisten. Hinzu kam die Formulierung eines allgemein anerkannten Glaubensbekenntnisses als gemeinsame Mitte der verschiedenen Gemeinden. Im 2. und 3. Jahrhundert wurde einerseits der Glaube an den unveränderlichen Messias von ketzerischen Bewegungen angegriffen, und andererseits waren die Gläubigen selbst im 2. und 3. Jahrhundert innerhalb des römischen Imperiums immer wie- der schwersten Verfolgungen ausgesetzt. Das führte dazu, dass diejenigen, die sich nur «Christ» nannten, es aber nicht waren, die Gemeinden verließen. Es war ganz natürlich, dass für viele Menschengruppen in der damaligen Zeit der Glaube an einen universalen Erlöser sehr attraktiv erschien. In den neuen Gemeinden wurde kein Unterschied gemacht zwischen Juden und Griechen, Herren und Sklaven, Männer und Frauen. Reichen und Armen, hohen Beamten und einfachen Bauern und Arbeitern. Aber wenn die Zugehörigkeit zu einer Gemeinde Schwierigkeiten brachte, dann wurde deutlich, wer die wahren Gläubigen waren. Nur wem die im Messias angebotene Erlösung wichtiger war als alles irdische Wohlbefinden, war bereit, auch mit seinem Leben und Sterben ein Bekenntnis abzulegen. Der Messiasglaube als Religion (4.-18. Jahrhundert) Die Konstantinische Wende In der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts wechselten sich Verfolgung und Duldung der Christen ab. Konstantin (ca. 280-337) wurde im Jahre 306 römischer Kaiser. Im Kampf gegen seinen Schwager Maxentius, den Herrscher der östlichen Provinzen des Römischen Reiches, ging er als Sieger hervor. Eine Legende erzählt, Konstantin und seine Soldaten hätten vor der entscheidenden Schlacht eine Vision gehabt. Am Himmel sei ein brennendes Kreuz erschienen mit der griechischen Inschrift: «In diesem Zeichen wirst du siegen!» Daraufhin habe Konstantin auf die Kampfschilde seiner Soldaten das Kreuzzeichen malen lassen. Wie weit es der Wahrheit entspricht, wissen wir nicht, doch Tatsache ist, dass danach die große Wende in der Geschichte des christlichen Glaubens begann. Später besiegte Konstantin auch seinen anderen Schwager Licinius, den Regenten des Ostreiches, verlegte seine Residenz nach Byzanz am Bosporus und nannte die Stadt Konstantinopel. Dem Kaiser war das stetige Wachstum der Glaubensanhängerschaft des Messias aus Nazareth nicht entgangen. So tat er einen entscheidenden Schritt: Er schloss einen Bund zwischen dem Staat und den bisher verfolgten Christen. Im Jahre 313 erließ er das berühmte Mailänder Edikt, das volle Religionsfreiheit gewährte. Das so Erhoffte war geschehen: Das Christentum war offiziell dem Heidentum gleichgestellt. Die Waffen der Gewalt waren nicht imstande gewesen, den Siegesmarsch der Anhänger von Jesus aufzuhalten. Von nun an unterhielt der Kaiser enge Beziehungen mit den Bischöfen und mischte sich in religiöse Streitigkeiten ein. Das war der Anfang der Herrschaft des Staates über den Glauben. Konstantins Enkel versuchte, das Heidentum wieder zu erwecken, doch ohne Erfolg. Der Glaube an Jesus hatte gesiegt. Doch es war ein Sieg, der das Fundament des christlichen Glaubens untergrub. Der Glaube an den Messias aus Nazareth war zwar zu einer offiziell anerkannten Religion geworden, doch diese Tatsache verschärfte die bestehenden theologischen Differenzen innerhalb des Christentums. Diese Meinungsverschiedenheiten arteten, besonders im 5. Jahrhundert, in mehr als nur geistliche Diskussionen und nicht selten auch in gewaltsame Auseinandersetzungen aus. Die theologischen Streitigkeiten führten zu insgesamt sieben großen Konzilen der alten Kirche, die diese Fragen klären sollten und die Basis für die heutige Lehre legten. Die Konzile Das Hauptthema war die Person Christi. Im Jahre 318 begann Arius, ein Ältester in Alexandria, eine Ansicht über die Göttlichkeit des Messias zu verbreiten, die von der üblichen Lehre abwich. Er lehrte, Christus sei das erstgeborene Wesen, das Gott geschaffen habe, dadurch sei er weniger als der Vater selbst, doch das wertvollste aller geschaffenen Dinge. Das war eine Lehre, die vielen verständlich erschien, doch widersprach sie den Worten Jesu. Alexander, der Bischof von Alexandrien, widerlegte dieses Dogma im Jahre 320, indem er erklärte, der Sohn sei «gleichwertig und genauso ewig wie der Vater». Arius widersprach und wurde abgesetzt, doch besaß er einflussreiche und anerkannte Freunde, die seine Meinung unterstützten. Es wurden Versöhnungsversuche zwischen Arius und Alexander gemacht, doch ohne Erfolg. So rief der Kaiser Konstantin im Jahr 325 das erste allgemeine Konzil in Nicäa zusammen. 318 Bischöfe nahmen daran teil. Sie kamen aus dem gesamten Römischen Reich, ein äußerst großes Gebiet, das sich von Spanien bis Persien erstreckte. Die Debatte um die Persönlichkeit Christi, ob sein Wesen Gottes Wesen gleich wäre oder nur ähnlich, endete mit der Erklärung: «Christus ist der Sohn Gottes, der einzig gezeugte. Wahrer Gott des wahren Gottes, Gott aus Gott, Licht aus Licht.» Somit ist auch Christus als Gott unwandelbar. Auch nach dem Tode von Arius 373 blieb das Glaubensbekenntnis Diskussionspunkt, so dass 381 das zweite Konzil einberufen wurde, diesmal in Konstantinopel, mit 186 Teilnehmern. Dort wurde das Glaubensbekenntnis noch einmal bestätigt. Hinzu kam die Erklärung, dass der Heilige Geist ebenso Gott ist. 431 fand das dritte Konzil statt, diesmal in Ephesus. Es war das einzige der vier Konzile, auf dem ein falscher, doch nicht endgültiger Beschluss gefasst wurde. Nestorius, Bischof von Konstantinopel, betonte die zwei Naturen Christi so stark, dass man ihn beschuldigte, er lehre, Jesus bestünde aus zwei Personen. Das stand im klaren Gegensatz zu dem Dogma der Mo-nophysiten. die lehrten, Jesus hätte nur eine Natur, die menschliche sei von der göttlichen absorbiert worden. Doch es gab noch einen anderen Punkt, in dem Nestorius revoltierte. Es war üblich geworden, das Zölibat zu verherrlichen, und die Folge davon war die Behauptung der dauernden Jungfräulichkeit der Maria. Sie wurde «Theotokos», Mutter Gottes, genannt. Doch wie bereits oben erwähnt, besteht kein Zweifel daran, dass Maria noch andere Kinder von Josef hatte (Mt. 12,46.47; 13,55.56). Nestorius widersprach diesem Titel Marias. Mit Recht erklärte er, sie sei die Mutter des «Mannes» Jesus gewesen, doch nicht seiner Göttlichkeit. Das Konzil tat Nestorius Unrecht und verbannte ihn, aber er hatte viele Anhänger in Syrien und Persien, die dort die Nestorianische Kirche gründeten. Sie besteht im Irak und in Armenien heute noch. Das vierte Konzil, 451 in Chalkedon, bestätigte dann die wahre Persönlichkeit des Messias: Er besitzt zwei unvermischte, unveränderliche Naturen, vereint in einer Person. Weitere christologische Erklärungen wurden auf dem vierten Konzil 451 in Chalkedon, dem fünften Konzil 553 in Konstantinopel, dem sechsten 680 erneut in Konstantinopel und dem siebten und letzten Konzil wiederum in Nicäa 787 abgegeben. Die letzten Kirchenväter Augustinus (354-430) war Sohn eines Heiden und einer frommen Christin. Er stand unter einem sehr gemischten Einfluss, der sich aus Cicero, Aristoteles, dem Neo-Platonismus und der Bibel zusammensetzte. Schließlich fand er in Mailand zum Glauben an Jesus, was ihn vollkommen veränderte. Er begriff, dass alles durch Gottes Gnade geschenkt war, und so wurde für ihn, wie auch für Paulus, das Wunder der göttlichen Gnade zum Hauptthema. 395 wurde Augustinus Bischof von Hippo in Nordafrika. Er war auch der Autor zahlreicher Werke, unter denen die bemerkenswertesten von Sünde und Gnade handelten. Ihm war es ein Anliegen zu unterstreichen, dass es nur durch Gottes Gnade möglich ist, Gott wirklich zu lieben und an das Heil zu glauben, eine Lehre, die viele Jahre später während der Reformation sowohl auf Luther als auch auf Calvin Einfluss haben sollte. Zweifellos war Augustinus der größte christliche Gelehrte seiner Zeit. Doch leider unterstützte er auch Lehren und Gebräuche, die später in der Kirche viel Unheil stifteten, wie seine Anschauung, es gäbe keine Erlösung außerhalb der sichtbaren römisch-katholischen Kirche. Er war auch ein Verfechter des asketischen Mönchtums, des Gebrauchs von Reliquien und der Lehre vom Fegefeuer. Johannes Chrysostomos (347-407) war Bischof von Antiochien und später von Konstantinopel. Er war ein außergewöhnlicher Gelehrter und großer Redner, der zur offenen Konfrontation mit den Juden aufrief. Seine beeindruckenden Reden über Buße und Reue gefielen der Kaiserin Eudoxia nicht, und deshalb wurde er 403 in die Verbannung geschickt, wo er als Gefangener den Tod fand. Hieronimus (340-420) wurde in Dalmatien geboren. 383 wurde er vom Bischof von Rom. Damasius, mit der Übersetzung der Bibel ins Lateinische beauftragt, da er einer der wenigen seiner Zeit war. die über hervorragende Hebräischkenntnisse verfügten. Diese Übersetzung, die so genannte Vulgata, ist bis heute von der römisch-katholischen Kirche mit höchster Autorität anerkannt. Hieronimus engagierte sich stark für das Mönchswesen und verbrachte selbst 34 Jahre als Eremit in einer Höhle in der Nähe von Bethlehem, wo viele seiner Bücher und Schriften entstanden. Leo der Große (390-461) war eine der mächtigsten Persönlichkeiten des Christentums seit apostolischer Zeit. Er unternahm große Anstrengungen, um die Anerkennung des Bischofs von Rom als universalen Bischof aller Christen weltweit zu erreichen. Seine Begründung für diesen Anspruch war das Vorrecht, das Petrus in Matthäus 16,18 zugesprochen worden war. Dies war eine neue Interpretation, die vom biblischen Kontext abwich, weshalb Hieronimus und Augustinus Widerspruch gegen sie erhoben. Leos Anspruch, als alleiniger Weltbischof anerkannt zu werden, stieß auf Ablehnung bei der östlichen Kirche. Die westliche Kirche hingegen erreichte 451 beim Konzil in Chal-kedon. dass der Titel «Papst» (griechisch-lateinisch für Vater) lediglich für Leo den Großen, also für den Bischof von Rom, und seine Nachfolger in Rom gebraucht werden dürfe. Das Verhältnis zu den Juden Im Jahr 380 wurde durch Kaiser Theodosius (R. 379-395) das Christentum zur offiziellen, einzig anerkannten Religion des Römischen Reiches erklärt. Der Glaube an den Messias wurde so zu einer Religion. Dies war nie die Absicht Jesu gewesen, doch verschiedene Umstände hatten dazu geführt. Die offizielle Ablehnung des Evangeliums durch die Juden hatte den Weg für die Heiden in die Gemeinde Jesu geöffnet. Dieser Glaube wurde nicht mit dem Schwert verbreitet, sondern trotz des Schwerts, mit dem man gegen ihn kämpfte. Dafür kann Gott nur gepriesen werden, doch leider gab es, vor allem zwei, negative Begleiterscheinungen: zum einen das Verhältnis der Heidenchristen zu den Juden, und zum anderen die Bemühungen, die Kirche so weit wie möglich von ihren eigentlichen Wurzeln und ihrem Ursprung zu entfernen. Bis zum Mailänder Edikt 355 hatten die Juden im Römischen Reich nicht nur Religionsfreiheit, sondern auch verschiedene weltliche Vorteile und Vergünstigungen genossen. Die Zeiten der Verfolgung waren lange vorbei. Doch das sollte sich jetzt ändern. Die Juden wurden zunehmend auf wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Gebiet benachteiligt. Noch mehr allerdings traf die Juden das Verhältnis der Kirche zu ihrer Religion. Konstantin bezeichnete die Juden in einem Dekret als «schändliche, gottlose Sekte». Der jüdische Gottesdienst wurde verunglimpft und oft gestört, und vielerorts wurden sogar Synagogen niedergebrannt. Die Bischöfe und Kirchenväter hatten eine ausgesprochen große Angst vor jüdischer Missionierung und verbreiteten deshalb eine weitreichende und oft völlig falsche Propaganda gegen alles Jüdische. Chrysostomos zeichnete sich in dieser Beziehung besonders aus. Die Juden wurden mehr und mehr als «Gottesmörder» verunglimpft. Nur eine Tür stand für sie offen: Durch die Taufe konnten sie zum christlichen Glauben übertreten und wurden gleichberechtigt; ein Weg, den nur wenige wählten. Jesus wurde in das jüdische Volk hinein geboren, seine Lehre war fest im Alten Testament verankert. Auch den Heidenchristen waren diese Tatsachen vollkommen bewusst gewesen, sie hatten Gott sogar für die Möglichkeit gepriesen, jetzt auch an dem von den Juden kommenden Heil teilhaben zu können. Doch nun, da das Christentum zu einer separaten Religion geworden war, hatte sich etwas Entscheidendes verändert. Das Christentum wollte nichts mehr mit dem Judentum, oder den Juden überhaupt, zu tun haben. Das Alte Testament wurde möglichst wenig benutzt, und wenn, dann galten alle Versprechen an Israel nun der Kirche, mit Ausnahme der Drohungen. Es wurden praktische Schritte unternommen, um die biblisch-jüdischen Wurzeln verschwinden zu lassen: Der Sonntag wurde zum offiziellen Ruhetag, Ostern durfte nicht mehr nach dem jüdischen Kalender, d.h. an Passah, gefeiert werden, und die Einhaltung anderer biblischer Feste wurde verboten. Auch alles andere, das noch an das Judentum erinnerte, musste verschwinden. Die von den Aposteln eingesetzten Gemeindeleitungen wurden durch Priester ersetzt. Bischöfe waren für eine Anzahl von Gemeinden verantwortlich. Selbstverständlich wurde von Juden, die konvertieren wollten, ausdrücklich verlangt, ihr jüdisches Leben völlig abzulegen. Es gab jetzt nur noch ein Entweder-Oder. Christ sein und Jude bleiben wurde nun unvereinbar. So weit war der Glaube an den Messias, der ja als Erstes zum jüdischen Volk gekommen war, verändert worden. Neben dieser Loslösung vom Judentum entstand innerhalb der offiziellen Kirche im Römischen Reich der Brauch, örtliche Kulte und Traditionen zu übernehmen. Von den nichtjüdischen Christen wurde der Bilder- und Statuenkult übernommen. Der Aberglaube an die Macht von Reliquien und Amuletten entwickelte sich zunehmend, wie auch die Anbetung von Heiligen. Maria, die Mutter Jesu, wurde allmählich zu einem Ersatz für die weiblichen Götter im Heidentum. Die Sakramente, die eine zunehmend heilvermittelnde Rolle spielten, d.h. dem Menschen Sühnung und Erlösung bringen sollten, gewannen immer mehr an Bedeutung. Dadurch wurde die Möglichkeit, Heil und Erlösung zu erlangen. langsam vom Messias weg auf die Kirche übertragen. Es waren nun die Priester, die Vergebung der Sünden gewährten und nicht mehr der gekreuzigte und auferstandene Christus. Die Bedeutung des Abendmahls verschob sich zum Messopfer, bei dem der Amtsträger der Kirche Christus erneut opferte. Es entstand die Lehre des Fegefeuers, das als Läuterungsprozess für den Gläubigen verstanden wurde. Der Gottesdienst wurde immer zeremonieller und prunkvoller. Der Graben zwischen dem mächtiger werdenden Priestertum und den Laien wurde immer größer, da der Laie zunehmend vom Priester abhängig wurde. Christentum als Staatskirche Nachdem das Christentum durch Kaiser Theodosius die alleinige offizielle Religion Roms geworden war. musste jeder Bürger ihr angehören. Der äußere Akt. der diese Zugehörigkeit bestätigte, war die Taufe. Diejenigen Einwohner des Römischen Reiches, die noch keine Christen waren, ließen sich nun in Massen taufen, um nicht als schlechte Bürger zu erscheinen oder sogar vertrieben zu werden. Jedes Kind wurde nach der Geburt getauft und in die Kirche aufgenommen. Da Säuglinge keine Glaubenserklärung abgeben konnten, wie das bei der Taufe von Erwachsenen verlangt wurde, wurde später die Konfirmation eingeführt, bei der die Kinder, meistens zwischen zwölf und sechzehn Jahren, ihren Glauben bestätigen konnten. Die Lehre, dass Kinder, die ungetauft starben, zur Hölle verdammt seien, wurde populär. Doch der eigentliche Grund für die Einführung der Kindertaufe war ein ganz anderer: Das Christentum hatte sich von einer Glaubensgemeinschaft zu einer Macht in der säkularen Welt entwickelt. Dort galten andere Maßstäbe. Die Anzahl der Getauften war, kirchenpoli- tisch gesehen, wichtiger als der wahre Glaube, der sich allein auf Christus beruft, um Einfluss in der Welt nehmen zu können. Quantität war wichtiger als Qualität, eine zahlenmäßig große Kirche besaß mehr Einfluss als eine kleine, wenn auch geistlich starke Kirche. So entstand eine Erscheinung, die uns bis heute begleitet: die Namenschristen. Menschen mit einer Bindung an die Kirche, aber ohne Bindung an Jesus Christus. Um die Entwicklung des Christentums verstehen zu können, müssen wir auch den säkularen Kontext betrachten. Zu Beginn des Mittelalters zerfiel das Römische Reich als eine Einheit, die über ein halbes Jahrtausend bestanden hatte. Junge, aggressive heidnische Völker wie Elunnen. Goten, Vandalen usw. verursachten den Fall des letzten Imperiums der Antike. Diese einschneidenden Ereignisse hatten unweigerlich Auswirkungen auf die römisch-katholische Kirche. Der Papst, Bischof von Rom und Oberhaupt der gesamten römisch-katholischen Christenheit, hatte außerhalb Italiens durch den Siegeszug der heidnischen Völker fast jeglichen Einfluss verloren, da diese entweder das Heidentum oder den Arianismus mitbrachten. Als dann 590 Gregor der Große Bischof von Rom wurde, trat eine entscheidende Wende ein. In den 14 Jahren seiner brillanten Herrschaft schuf er die Grundlage für die Christianisierung der germanischen Völker, reformierte die römisch-katholische Theologie und erneuerte das päpstliche System. Gleichzeitig war er ein hervorragender Mittler zwischen der oströmischen Kirche, die sich durch theologische Streitigkeiten über die Natur und das Wesen Christi immer mehr in Nationalkirchen spaltete, und der weströmischen Kirche. Trotzdem konnte er seinen eigenen Anspruch der Gesamtherrschaft über die Christenheit nicht durchsetzen. Gregor starb 604. Unter seiner Führung hatte die päpstliche Macht wie auch die der römisch-katholischen Kirche Stärkung erfahren. Wie sahen die gewaltigen Veränderungen innerhalb der Christenheit im Detail aus, die Papst Gregor einführte oder bestätigte? Der päpstliche Anspruch: Der Papst ist das Oberhaupt der ganzen Kirche und in vielem den weltlichen Herrschern gleichgestellt. Das Abendmahl: Früher zum Andenken an den Tod des Messias gehalten, wurde es jetzt mehr und mehr als Opfer betrachtet, obwohl die Lehre des Messopfers bezüglich der tatsächlichen Gegenwart Jesu zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz ausgereift war. Das Fegefeuer: Gregor unterstützte das Dogma einer Reinigung der sündigen Seelen durch ein schreckliches Feuer. Allerdings wurde dies erst 1439 offiziell ein Glaubensartikel der römisch-katholischen Kirche. ■ Die Verehrung von Maria, der Mutter Jesu: Nachdem das dritte Konzil in Ephesus 431 Maria zur «Mutter Gottes» erklärt hatte, verbreitete sich die Marienverehrung immer mehr. Maria wurde angebetet, und es wurden ihr immer mehr Wunder zugesprochen. Die Andachtsorte: Der Gottesdienst, der in den Häusern der Gläubigen begonnen hatte, fand jetzt in großen luxuriösen Kirchen und Gebäuden statt. Das Priestertum: Der Priester hob sich durch seine Ordination vom Stand der Laien ab. Dadurch erhielt er besondere Gnade und göttliche Autorität. Nur durch ihn konnte sich ein Christ Gott nähern. Der Altar wurde das Zentrum jeder Kirche. Denn im Rahmen der Liturgie des Messopfers wurde am Altar Brot und Wein in das wahre Fleisch und Blut des Messias verwandelt. Das Geheimnis des Glaubens vollzog sich nach der damaligen Vorstellung durch die Autorität des Priesters. Die Kleidung: Zur Zeit Konstantins wurde eine besondere Kleidung für Priester eingeführt. Durch die unterschiedliche Art der Amtstracht, die sie von den Laien abhob, war die Stellung des Einzelnen ersichtlich. Mönchtum Im Mittelalter wurde im abendländischen Mönchtum eine Form gefunden, die an die urchristliche Bruderschaft der ersten Christen erinnern sollte. Während der Völkerwanderungen waren Mönchsorden Stätten der Zuflucht, durch die eine neue Form der Kultur und Zivilisation entstand. Die drei wichtigsten Orden waren Benediktiner, Franziskaner und Dominikaner. Der Benediktinerorden wurde 529 von Benedikt von Nursia (ca. 480-543) als erster Mönchsorden gegründet. Benedikt selbst studierte in Rom und lebte in strenger Askese und völliger Abgeschiedenheit. Nachdem die teutonischen Völker viele Teile des oströmischen Imperiums verwüstet hatten, sah er es als seine Aufgabe, nicht nur denen Asyl zu geben, die durch die Verrohung und den Zerfall der Ostkirche zu Schaden gekommen waren, sondern auch die Kultur zu retten. Papst Gregor förderte diesen Orden sehr. Die Benediktiner lebten in strenger Disziplin und Askese und hatten sieben Gebetszeiten am Tag. Das Arbeiten gehörte genauso zum Tagesgeschäft wie auch das Lesen von christlichen Büchern. Ihr Leitmotto war ora et labora - bete und arbeite. Die Benediktiner waren sehr beliebt, breiteten sich schnell aus und erlangten großen Reichtum. Letzteres sollte später zu ihrem geistlichen Abstieg führen. Der Franziskanerorden wurde im Jahre 1223 von Franz von Assisi (1182-1226) gegründet, einem Sohn reicher Kaufleute, der ein hohes Ansehen unter der reichen Jugend Italiens genoss. Nach einer schweren Krankheit empfing er einen Ruf in die vollkommene Armut, um so als Mahner an Christi statt die Menschen zur Umkehr zu Gott zu bewegen. Er wurde diakonisch tätig, pflegte Aussätzige und spendete Bettlern Trost. Nachdem er selbst eine Zeit lang als Bettler gelebt hatte, entschloss er sich zu einem Leben der vollkommenen Armut in der Nachahmung des Herrn. Seine Mönchsregel lautete: Keuschheit, Gehorsam und Armut. Als wandernde Bettelmönche sahen sich die Franziskaner als die geringsten Brüder, die der Welt in dienender Liebe Trost spendeten. So wurden sie auch Erneuerer der Heidenmission. 525 ging aus ihnen der Kapuzinerorden hervor. Die Franziskaner besaßen großen Einfluss innerhalb der Kirche. Nach und nach legten sie jedoch das Ideal der Armut beiseite, so dass der Orden selbst reich wurde, während die Mönche weiterhin in Armut lebten. Der Dominikanerorden wurde vom Spanier Dominicus (gestorben 1221) gegründet, dem Domherrn der Kathedrale in Or-ma. In Südfrankreich lernte er andere Glaubensrichtungen kennen. Das veranlasste ihn, als wandernder Prediger in Armut «Ketzerpredigten» gegen Andersgläubige zu halten, die nicht zur römisch-katholischen Kirche gehörten. Im Jahre 1215 dann gründete er den Orden, für den er die Regeln des Augustinus und den Lebensstil von Franz von Assisi übernahm. Dessen Ziel war es, die Mitglieder durch theologische Ausbildung für die Ketzerbekehrung vorzubereiten. So betonte er ein einfaches und strenges Leben zum Zeugnis für die Welt. Der Papst machte ihn 1216 zum Oberhofprediger des Vatikans. Dieses Amt. das den Dominikanern Vorbehalten ist, bestimmte die Theologie am päpstlichen Hof und gab ihnen das Recht der obersten Zensur. So begann das entsetzliche Unternehmen der Inquisition gegenüber allen vermeintlichen Ketzern. Als Dominicus sechs Jahre später starb, gab es schon sechzig Ordensgemeinschaften der Dominikaner. Allgemein gesehen, leisteten diese Orden viel Positives in Bezug auf landwirtschaftliche Entwicklung, Schulen, Krankenpflege und Armenversorgung. Sie waren die Wegbereiter für Kultur- und Bildungseinrichtungen für die Bevölkerung. Doch mit dem Wachstum von Reichtum und Macht wurden sie die ge- fürchteten Herren der einfachen Bevölkerung, da sie als «Religionspolizei» über den «wahren Glauben» in der Bevölkerung wachten. Islam Eine andere wichtige Entwicklung im frühen Mittelalter war die Entstehung und Ausbreitung des Islam. Schon wenige Jahrzehnte nach dem Tode seines Begründers Mohammed im Jahre 632 wirkte sich der Islam verheerend für das Christentum aus. Diese neue, vitale Religion wurde durch das Schwert verbreitet und herrschte bald von Indien bis zum Atlantik. Besonders die oströmische Kirche war schwer davon betroffen. Fast alle byzantinisch-christlichen Länder wurden in kürzester Zeit islami-siert. Von den großen Patriarchen in Antiochien, Jerusalem und Alexandrien blieben nur noch Reste des Christentums. Die blühenden Gemeinden in Nordafrika verschwanden gänzlich von der Bildfläche. Die muslimischen Armeen eroberten auch Spanien und drangen nach Frankreich ein, ganz Europa schien offen für sie zu sein. Doch dann wurden die Muslime 732 durch Karl Martell (689-741) aufgehalten und besiegt. Doch nicht nur der Islam verbreitete seinen Glauben mit dem Schwert. Dreißig Jahre später führte Martells Enkelsohn Karl der Große (742-814), fränkischer Kaiser und ab 800 Kaiser des gesamten weströmischen Reiches, mit voller Unterstützung des Papstes Leo III. (R. 795-816) einen grausamen Krieg gegen die Sachsen. Sie sollten in das germanische Reich eingegliedert werden und zum Christentum zwangsbekehrt werden. B Papsttum Im 8. Jahrhundert wurde eine Allianz zwischen dem Papsttum und den fränkischen Herrschern geschlossen, so dass Kirche und Staat zunehmend eine Einheit bildeten. Karl der Große verstand sich als Schutzherr der Christenheit. In den Schriften des Augustin (354-430), z.B. «Der Gottesstaat», sah er die Leitlinien seines Handelns. Die Kirche verkörperte für ihn das Tausendjährige Reich, das eine weltliche Herrschaft aufrichten musste. Nachdem Papst Leo III. an Weihnachten 800 Karl den Großen zum Kaiser des «heiligen weströmischen Reiches» gemacht hatte, veränderte sich die Entwicklung Europas für lahrhunderte. Das hohe Ziel dieses neuen Imperiums war die Zusammenarbeit von Kaiser und Papst, zum Wohle der Menschen und zur Verherrlichung Gottes. Bis zum Jahre 1309 sollte die Verschmelzung von Kirche und Staat bestehen bleiben. Obwohl die Methoden der Eroberung und Zwangschristianisierung keinesfalls gutzuheißen sind, hatte jene Zeit auch einen positiven Nebeneffekt. Viele europäische Völker hörten durch das Vordringen von Missionaren, besonders von Bettelmönchen, das Evangelium oder Teile davon. Oft war die Christianisierung oberflächlich, was neben vielen anderen Ländern besonders für das Gebiet des heutigen Skandinavien, für Böhmen, Mähren. Bulgarien, Polen und Russland gilt. Letztere hörten das Evangelium von griechischen Missionaren und wurden dadurch ein Teil der griechisch-orthodoxen Kirche, für die dies eine gewisse Entschädigung für die riesigen, durch die islamischen Eroberungen in Asien erlittenen Verluste im Byzantinischen Reich darstellte. Ende des 13. Jahrhunderts war das Namenschristentum über ganz Europa verbreitet, mit Ausnahme von Finnland. Nachdem das Papsttum nach Papst Leo III. im 9. und 10. Jahrhundert durch Zerwürfnisse in den eigenen Reihen viel von seiner ursprünglichen Macht verloren hatte, wurde es ab dem 11. Jahrhundert mächtiger denn je. Bis zum Jahre 1073, als Papst Gregor VII. ordiniert wurde, waren seit Papst Leo III. (R. 795-816) insgesamt 59 Päpste auf dem Thron gewesen. Doch Papst Gregor VII. ( R. 1073-1085) bewirkte eine Art Revolution der Position und des Auftrags der Kirche in der Welt. Er beanspruchte für sich das Recht, als Stellvertreter Christi und Nachfolger von Petrus «Imperien, Königreiche und andere weltliche Gebiete, sowie auch das Eigentum aller Menschen» zu vergeben oder auch zu enteignen. Dieses «göttliche» Recht hatte je- der. ob Kaiser oder kleiner Bauer, anzuerkennen. Dieses Gesetz sollte schwerwiegende Folgen haben. Kreuzzüge Die Päpste waren die Urheber der Kreuzzüge und deren geistliche Leiter, auch wenn sie nie selbst in einem militärischen Heer mitmarschierten. Im Namen des Kreuzes sollte die Herrschaft der Kirche dort wiederhergestellt werden, wo sie verloren gegangen war. In der Zeit von 1095 bis 1291 gab es insgesamt sieben Kreuzzüge. Den Auftrag zum ersten Kreuzzug erteilte Papst Urban II. (R. 1088-1099) am 18. November 1095 auf einem Konzil im französischen Clermont. Nachdem die türkischen Muslime Jerusalem, das bis dahin unter arabischer Herrschaft gestanden hatte, erobert hatten und auch Antiochien 1085 in ihre Hände gefallen war, war das Byzantinische Reich und damit die oströmische Kirche auf das Stärkste gefährdet. Aus dieser Notlage heraus bat der entrechtete byzantinische Kaiser Alexios (R. 1081-1118) den Papst um Hilfe. Des Weiteren waren nun durch die erneute Eroberung des Heiligen Landes die Pilgerfahrten nach Jerusalem in Frage gestellt. Papst Urban II. erkannte sofort die Chance, durch dieses gemeinsame Ziel eines «heiligen Krieges», die Völker des weströmischen Reiches zu vereinen. Nach seiner Aufsehen erregenden Predigt auf dem Konzil entstand eine regelrechte «Kreuzzugseuphorie» in ganz Europa. Urban schilderte die Not der östlichen Kirchen mit folgenden Worten: «Die Wiege unseres Heils, das Vaterland des Herrn, das Mutterland der Religion, befindet sich in der Hand eines gottlosen Volkes. DerTempel des Herrn ist nun zum Sitz des Teufels geworden. Bewaffnet euch mit dem Eifer Gottes, gürtet eure Schwerter. Seid Söhne des Gewaltigen. Zieht aus, und der Herr wird mit euch sein. Wendet die Waffen gegen die Feinde des christlichen Glaubens. Erkauft euch mit wohlgefälligem Gehorsam die Gnade Gottes, dass er eure Sünden um solch frommer Werke willen vergibt.» Daraufhin breitete sich eine religiöse Begeisterung für den Kreuzzug aus nach dem Motto «Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich». Tausende «Kreuzzugsprediger» waren in den folgenden zweihundert Jahren unterwegs, um zum militärischen Kampf gegen die Nichtchristen auszuziehen. Denen, die sich als Kreuzritter zur Verfügung stellten, versprach die Kirche große Belohnung: Vergebung aller Sünden, ewiges Heil für die im Kampf Gefallenen. Wunderheilungen sowie den Erlass von Schulden. Selbst Häftlinge wurden freigelassen, wenn sie bereit waren mitzuziehen. Bereits im Sommer 1096 begann der erste Kreuzzug. Rund 600000 «Soldaten Christi» machten sich auf den Weg nach Jerusalem. Zehntausende fanden dabei schon auf dem Weg, in den kalten Bergen Anatoliens, den Tod. Streitigkeiten und Neid untereinander schwächten die Expedition, die den Teilnehmern größte Anstrengungen abverlangte, zusätzlich. Von denen, die Europa verlassen hatten, erreichte nur noch etwa ein Zehntel des Heeres nach drei Jahren lebend Jerusalem. Am 15. Juli 1099 drangen die Kreuzfahrer in die heilige Stadt ein und richteten ein grauenvolles Blutbad an. das kein einziger Bewohner Jerusalems überlebte. Nachdem sie ihre Herrschaft aufgerichtet hatten, verstanden sie sich als die «Beschützer des heiligen Grabes Christi». Aber nicht nur Jerusalem, sondern auch andere Städte, wie Cäsarea, Akko, Beirut, Sidon und Tripolis, fielen nach und nach in die Hände der Kreuzritter. Die Euphorie in Europa wuchs so sehr, dass sechs weitere Kreuzzüge organisiert werden konnten. Darunter war sogar einmal ein so genannter Kinderkreuzzug. bei dem Minderjährige vom Kreuzzugsgedanken beseelt und voller Begeisterung scharenweise mitmarschierten. Millionen Menschen verloren ihr Leben auf dem Weg nach Jerusalem. 1291 fand die Zeit der Kreuzzüge ein Ende. Das Schlimmste ist. dass das ganze Unternehmen der Kreuzzüge, das ja ursprünglich der Ehre des Herrn dienen sollte, der Glaubwürdigkeit des Christentums großen Schaden zufügte. Schwerste Plünderungen, grausame Vergewaltigungen und entsetzliche Massaker geschahen auf den Wegen nach Jerusalem, ln Städten und Dörfern wie Mainz. Speyer und Worms, die von den Kreuzrittern durchzogen wurden, wurden jahrhundertealte jüdische Zentren zerstört und die Bewohner getötet. Nach ihrem Verständnis war der Erzfeind des Christentums inmitten ihrer Städte und Dörfer zu finden, es war das «Volk der Gottesmörder», die Juden, und nicht allein die Muslime im fernen Land. Die Soldaten, die ein großes Kreuz auf ihrer Rüstung trugen, stellten die Juden vor die Wahl: Tod oder Taufe. Und das geschah im Namen Jesu! Für viele Juden verunmöglichten die Kreuzzüge, den wahren Messias in Christus zu erkennen. Die Päpste Doch kehren wir zu den Päpsten zurück. Zur Zeit des Papstes Innozenz III. (R. 1198-1216) erreichte die Macht der Kirche einen weiteren Höhepunkt. Sie umfasste praktisch alle christlichen Länder. Die Macht von Innozenz III. war so groß, dass auch die Könige von England und Frankreich sich vor ihm demütigten und auf die Knie fielen. Die Machtentfaltung des Papsttums wurde bis zur Amtszeit von Bonifaz VIII. (R. 1294-1303) fortgesetzt. BonifazVIII. erklärte, der Papst verfüge über zwei Schwerter nach Lukas 22,38, ein geistliches und ein weltliches. Die Kirche verleihe das weltliche Schwert den ihr untergebenen Fürsten, das weltliche Regiment musste sich also dem geistlichen fügen. Doch nach und nach nahm die feindliche Haltung gegenüber der Kirche durch einen erwachenden nationalistischen Geist der einzelnen Staaten zu. Als der Papstthron im Jahre 1303 von Rom nach Avignon in Frankreich verlegt wurde und es zeitweise bis zu sechs Gegenpäpste gab, führte das zu einer immer deutlicheren Schwächung der römisch-katholischen Kirche. Nun stellt sich die Frage: War die Machtentfaltung des Papsttums im Sinne von Jesus, dem Messias? Das Reich, von dem Jesus sprach, ist nicht von dieser irdischen Welt (Joh. 18,36). Ein möglichst großes und starkes christliches Reich auf dieser Erde war nicht sein Ziel. Außerdem veränderte die römisch-katholische Kirche die Flauptaussage des Evangeliums. Nicht Jesus, der Messias, wurde als Fleilsspender verkündigt, sondern die Kirche, deren Religion sich auf Jesus bezieht. Dennoch ist hervorzuheben, dass gerade die weströmische Kirche, besonders durch die Ordensgemeinschaften, Bildungsund Kulturträger für das Volk wurde. Ebenso wurde die Islami-sierung Westeuropas aufgehalten und trotz der Grausamkeit der Kreuzfahrerheere wurde Westeuropa gerade durch sie nachhaltig geprägt. Durch sie drang der orientalische Einfluss in den engen Gesichtskreis des Abendlandes ein. Die Bildung vollzog einen Wandel, Aristoteles, der für die Araber schon lange zum Bildungsgut gehört hatte, wurde nun auch in Europa bekannt. Auch das tägliche Leben veränderte sich und Sofa und Matratze hielten ihren Einzug in die Häuser, wo vorher nur auf Holzbänken gesessen und auf Stroh geschlafen wurde. In der Mathematik fing man an, die arabischen Ziffern zu benutzen, was auch heute noch der Fall ist. Im Bereich der Kunst entwickelten sich Musikinstrumente wie Gitarre und Tamburin, und in der Landwirtschaft wurden viele neue Produkte wie Spinat und Pfirsiche bekannt. Andererseits stieg auch die Verrohung der Menschen gerade durch die Kreuzzüge ins Uferlose. Kirche und Juden im Mittelalter Wie war das Verhältnis der Kirche zu dem Volk, in das der Messias gesandt worden war, zum Volk Israel? Durch den Einfluss der Kirche auf die Gesellschaft hatten die Juden ihre eigene Leidensgeschichte. Am Beispiel Spaniens ist ersichtlich, wie sehr die Kirche das Schicksal der Juden nachhaltig bestimmte. Was sich dort ereignete, ist exemplarisch für ganz Europa und geschah unter der Überschrift «die Rettung des heiligen römisch-katholischen Glaubens». Gleichzeitig dokumentiert es, an welch einen verfremdeten Messias die Christen inzwischen glaubten. Wir schrieben ja bereits über die antijüdischen Gesetze im Römischen Reich, die erlassen wurden, nachdem das Christentum Staatsreligion geworden war. Sie benachteiligten die Juden in wirtschaftlicher sowie gesellschaftlicher Hinsicht und was die Ausübung ihres Glaubens betraf. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Nachdem im Jahre 587 der Westgote Rekkared (565-601) als Katholik König von Spanien geworden war, kam es dort schon sehr früh zu einer bis dahin nicht gekannten engen Zusammenarbeit von Staat und Kirche. Der Kirche genügten die bestehenden Judengesetze, die es übrigens in allen Ländern gab, nicht mehr. In Spanien sollte es nur noch eine Religion geben, die des Christus. So wurden die Juden vor die Wahl gestellt: Taufe «der Landesverweis! Viele, hauptsächlich die in der Landwirtschaft tätigen Juden, entschlossen sich, die Taufe anzunehmen. um bleiben zu können. Sie blieben aber heimlich ihren jüdischen Traditionen treu. Der Teil, der Spanien verließ, wanderte nach Frankreich oder nach Nordafrika aus. Später wurde diese drastische Verordnung abgeändert: Kein Jude wurde mehr zur Taufe gezwungen, doch diejenigen, die getauft wurden, mussten strengste Kontrollen über sich ergehen lassen, um sicherzustellen, dass die jüdischen Gebote oder Gebräuche nicht mehr gehalten bzw. ausgeübt wurden. 711 wendete sich das Blatt. Muslimische Heerscharen drangen ein und eroberten Spanien. Nachdem die Mauren ihre Herrschaft ausgebaut hatten, wurde Spanien islamisch, die Juden konnten wieder aufatmen. Bis zur Zeit der Kreuzzüge hatten sie nun in Spanien eine relativ ruhige Phase. Doch ab 1215, nach den Beschlüssen der IV. Lateransynode. die vom Papst Innozenz III. (R. 1199-1216) einberufen worden war, änderte sich die Situation dramatisch. Auf diesem Kirchenkonzil wurde die Inquisition offiziell legitimiert und der fünfte Kreuzzug vorbereitet. Gleichzeitig wurde das Abendmahl als Messopfer bestätigt und neue diskriminierende Judengesetze erlassen: Alle Juden mussten durch ein äußeres Zeichen deutlich erkennbar sein. Alle «christlichen» Berufe wurden für Juden verboten. Juden konnten sich daher nur als Händler oder Geldverleiher ihr Brot verdienen. Unsagbar schreckliches Leid brach über die Juden in ganz Europa herein, als sich die Lüge wie ein Lauffeuer ausbreitete, sie würden Ritualmorde praktizieren. Man erzählte sich, die Juden bräuchten zur Ausübung ihrer Religion bei der Herstellung von Matzen Blut, vor allem das von Kindern. Eine andere Verleumdung entstand besonders nach der bereits erwähnten Lateransynode, weil seitdem die Hostie tatsächlich als Leib des Herrn betrachtet wurde. Sie besagte, die Juden würden diese Hostien aus den Kirchen stehlen, um sie zu durchstechen und zu zerstören, womit sie gleichzeitig den Leib Jesu selbst durchbohrten. Unzählige Juden mussten wegen dieser Lügen ihr Leben lassen. Diese Anschuldigungen und Lügen, die dann später allerdings von anderen Päpsten verurteilt werden sollten, begleiteten die Juden das ganze Mittelalter hindurch. Der Hass den Juden gegenüber steigerte sich ins Maßlose, so dass z.B. schon im Jahre 1290 alle Juden England verlassen mussten und sich anschließend über 350 Jahre nicht mehr dort ansiedeln durften. Das englische Beispiel wirkte ansteckend. Fünfzehn Jahre später geschah dasselbe in Frankreich. Wie einst die Christen im Römischen Reich gehasst wurden, so wurden nun die Juden von den christlichen Völkern gehasst. Pest Um die Mitte des 14. Jahrhunderts wütete in ganz Europa die grauenvollste Epidemie der Geschichte; die aus dem Orient eingeschleppte Pest, an der ein Drittel der Bevölkerung starb. Das Rätsel dieses Massensterbens schien unlösbar. Da wurde ein fantastisches Gerücht aufgebracht: Die Juden waren die Ursache. Um die Christen auszurotten, hätten sie die Brunnen vergiftet! In ganz Europa wurde ein Großteil der Juden ermordet, obwohl der Schwarze Tod auch unter ihnen Opfer forderte. Es wurde übersehen, dass die Pest unter den Juden nur aufgrund ihrer strengen Hygienegesetze nicht so stark wütete. Selbst die Versuche von Papst und Kaiser, dem Morden Einhalt zu gebieten, halfen nichts. Die Kirche war nicht direkt, aber indirekt schuld an dieser Tragödie: Jahrhundertelang wurden die Juden in den Kirchen als Gottesmörder dargestellt. Als die Verfluchten Gottes waren sie auch die Erzfeinde der Christen. Kann es dann verwundern, wenn das Volk selbst das absurdeste Gerücht glaubte und die Reaktion der Judenmord war? Als im Jahre 1492 die letzte maurische Bastion fiel, wurde Spanien rechristianisiert. Das Königspaar Ferdinand und Isa-bella erließ noch im selben Jahr einen Befehl im Sinne der Inquisition, das «Edikt über die Ausweisung der Juden». Darin stand unter anderem, dass «der Verkehr von Juden mit Christen zur Untergrabung und Erniedrigung unseres heiligen römisch-katholischen Glaubens führen muss». Für die Juden war dies besonders schlimm, da sie durch die Zusammenarbeit mit den Muslimen Spanien zu einem Land mit einem hohen Bildungsniveau gemacht hatten. Die Muslime konnten in die muslimischen Länder Nordafrikas gehen, doch für die Juden gab es keine solche Möglichkeit. Die meisten spanischen Juden ließen sich in arabischsprachigen Ländern nieder, wo sie von nun an sephardische Juden genannt wurden. Die Marranen Wer nicht bereit war, getauft zu werden, und dennoch das Land nicht verließ, wurde ermordet. Sein Besitz wurde geplündert und die Häuser einschließlich der Synagogen verbrannt. Viele ließen sich taufen, doch Zehntausende starben für ihren Glauben. Für die meisten der Konvertiten war die Taufe nur ein äußeres Zeichen. Im Geheimen wollten sie ihr Judentum beibe-halten. Die getauften Juden erhielten den Namen Marranen. das heißt auf Spanisch Schweine. Die spanische Inquisition war ständig auf der Suche nach Juden, die solch ein Doppelleben führten. Alle Christen wurden aufgefordert, verdächtige Personen zu denunzieren. Jeder Anzeige wurde geglaubt, die Beschuldigten wurden ins Gefängnis geworfen und so lange gefoltert, bis sie ein Geständnis ablegten. Über die Marranen wurde das Todesurteil gefällt - sie wurden bei lebendigem Leibe verbrannt. Auf diese Art wurde das Marranenproblem «gelöst». Das Judentum wurde vernichtet, nachdem es dort über tausend Jahre lebendig gewesen war. Das benachbarte Portugal folgte fünf Jahre später dem spanischen Beispiel, so dass alle Nichtkatholiken unverzüglich das Land verlassen oder sich taufen lassen mussten. Diese Geschehnisse in Spanien lassen sich auf andere Länder übertragen. Wo die Kirche einen stärkeren Einfluss auf eine Gesellschaft bekam, verstärkte sich der Kampf gegen alles Nichtchristliche, besonders gegen alles Jüdische. Der Umgang mit Juden mag in manchen christlichen Ländern ganz anders gewesen sein, doch im Allgemeinen lief die Diskriminierung der Juden stets nach dem gleichen Muster ab. ganz egal, was die Beweggründe dafür waren: erst Entrechtung, dann Verfolgung und zuletzt Ermordung der Juden. Trotzdem gab es auch immer wieder reformatorische Gruppen, die eine starke religiöse Opposition gegen diese Missstände bildeten. So betrachten wir nun die Bemühungen, die offizielle Religion der Kirche zu reformieren. Verschiedene Bemühungen, die Religion zu reformieren In allen Jahrhunderten traten kleine Gruppen auf, die als Sekten bezeichnet wurden. Diese standen außerhalb der offiziellen Kirche und wurden als Ketzer oder Häretiker bekämpft, da allein schon ihre Existenz eine Kritik an der römisch-katholischen Kirche war. Die Albigenser waren im 12. und 13. Jahrhundert in Südtrankreich weit verbreitet. Sie gehen auf Mani (215-277) zurück, der die Welt dualistisch einteilte (Licht gegen Dunkelheit; Christus, das Licht, gegen Satan, die Dunkelheit) und die tatsächliche Menschwerdung Jesu ablehnte. Das Wort Ketzer kommt vom griechischen «katharos» (rein) und wurde zur Bezeichnung für diese Gruppe, die auch als Katharer in die Geschichte eingingen. Das Wort Ketzer wurde zu einem festen Begriff für jeden, der die Autorität der Kirche nicht anerkannte. Die Waldenser waren im gleichen Zeitraum in Norditalien sehr stark verbreitet. Sie gehen auf Petrus Waldes (1140-1217) aus Lyon zurück. Durch ihn entstand eine Bibelbewegung, nachdem er selbst durch das Lesen der Bibel eine innere Wende erlebt hatte. Er zog als Prediger des Evangeliums durchs Land, ohne Predigterlaubnis. Er forderte, dass die Bibel in die Landessprachen übersetzt und so für jeden Menschen zugänglich gemacht werden müsse. Das Lesen der lateinischen Bibel war allein dem in Latein bewanderten Klerus Vorbehalten, der auch die Gottesdienste in dieser Sprache gestaltete. Petrus Waldes gewann Scharen von Anhängern, die den Ablasshandel, die Seelenmesse, das Fegefeuer und die Heiligenverehrung radikal ablehnten. Im Mittelpunkt stand für die Waldenser das Lesen der Bibel, Buße. Bekehrung und ein demütiges Leben in Armut. Der Engländer John Wycliffe (1320-1384) studierte in Oxford und war während seines ganzen Lebens römisch-katholischer Priester. Trotzdem erklärte er, das einzige Oberhaupt der Kirche sei Christus selbst. Der Papst, der nicht im Geiste des Evangeliums herrschte, sei «ein Stellvertreter des Antichristen». Die machtsüchtige Hierarchie und die Mönche, die ohne jede biblische Legitimation eine besondere religiöse Heiligkeit für sich selbst beanspruchten, lehnte er auf das Schärfste ab. Ebenso lehnte er die Lehre der Transsubstantiation beim Abendmahl als Messopfer ab, mit der Begründung, sie widerspräche «so- wohl der Bibel als auch der Vernunft». Die Unfehlbarkeit der römisch-katholischen Kirche in Glaubensangelegenheiten, der Glaube an das Fegefeuer, die Anbetung der Heiligen und die Reliquienverehrung standen für ihn auch im Widerspruch zur Heiligen Schrift. John Wycliffe, als «Morgenstern der englischen Reformation» bezeichnet, organisierte Gruppen von Wanderpredigern, die einfach lebten und das Wort Gottes predigten. Zu seinem Lebenswerk gehörte die Übersetzung der Bibel ins Englische. Diese Übersetzung, unter der Bezeichnung King James Version bekannt, ist von unschätzbarem Wert. Der Tscheche Jan Hus (1360-1415) hatte als Rektor der Prager Universität ein echtes Glaubenserlebnis und wurde danach ein Prediger, der mit feurigem Eifer das Evangelium verkündete. Das Priestertum war ihm gegenüber feindlich gesinnt, nachdem er dessen Habgier und Streben nach Luxus angegriffen hatte. Zu dieser Zeit bestanden enge Beziehungen zwischen den Universitäten in Oxford und Prag, wodurch die Lehren John Wycliffes in Böhmen rasch bekannt wurden. Wir könnten noch viele weitere Beispiele nennen, in denen Menschen zu Gegnern der offiziellen Kirche wurden. Sie, wie ihre Anhänger, bezahlten meist mit ihrem Leben dafür, oft auch auf dem Scheiterhaufen. Sogar bereits Tote wurden wieder ausgegraben, verbrannt und ihre Asche verstreut, wie das bei Wycliffe der Fall war. Dennoch gärte der Geist des Widerstandes gegen die Kirche, oder man suchte die Reform innerhalb der Kirche und des Christentums. Daher wurde es notwendig, zwischen 1409 und 1431 drei Kirchenkonzile abzuhalten, ln Pisa, Konstanz und Basel beschäftigten sich die Würdenträger primär mit der Stellung und der Autorität der Kirche und des Papstes. Anders als bei den sieben Konzilen der frühen Kirche, die sich hauptsächlich mit theologischen Fragen beschäftigt hatten, musste nun die Stellung des Papsttums gegenüber den weltlichen Herr- schern, aber auch den geistlichen Kritikern geschützt werden. Daher wurden «zur Rettung des römisch-katholischen Glaubens» die Gegner mit härtesten Maßnahmen verfolgt. Humanismus Der Geist des Widerstandes bekam einen unverhofften Verbündeten. Im Jahre 1453 eroberten die Türken Konstantinopel, und viele Gelehrte aus dem oströmischen Reich flohen in den Westen. Diese förderten das Interesse an Wissenschaft und Kunst. Eine säkulare Bewegung entstand, die eine «Wiedergeburt» (Renaissance) der alten geistigen Werte, losgelöst vom Christentum. forderte. Gleichzeitig brachte sie frischen Wind in das alte, vertrocknete Lehrsystem der kirchlichen Institutionen, denen seit Jahrhunderten das gesamte Bildungssystem unterstand. Die Vertreter dieser Renaissance, der neuen Einstellung zu Gesellschaft. Wissenschaft und Kunst, wurden Humanisten genannt. Die meisten von ihnen waren weit vom Christentum entfernt, doch nicht alle. Es gab sogar Päpste, die diese neue Bewegung der unabhängigen Forschung mit Begeisterung unterstützten. Sie sahen die darin liegende Gefahr für das autoritäre System nicht, auf dem das Papsttum beruhte. Exemplarisch sollen hier zwei Vorläufer genannt werden: Der Italiener Girolamo Savonarola (1452-1498) war Dominikanermönch im Kloster Bologna. Er studierte über vierzehn Jahre Theologie und gewann dadurch die Einsicht, dass nur die Heilige Schrift selbst den Weg der Erlösung aufzeige. Er wandte sich gegen jede Form äußeren Kultes und setzte ganz allein auf die Gnade des Herrn Jesus für das Leben und das Sterben. Das brachte ihn in Konflikt mit dem herrschenden Klerus. Nach politischen Umstürzen rief er in Florenz eine demokratische Republik aus, die unter der Herrschaft Jesu regiert werden sollte. Sein politisches Engagement entsprach seinem humanistischen Verständnis. Er erkannte in dieser Geistesbewegung auch gute und nutzbare Kräfte für die Verbreitung des Evan- geliums. Gleichzeitig sah er die Gefahr dieser geistigen Bewegung, unabhängig von Gott und der Kirche sein zu wollen. Die immer stärkere gesellschaftspolitische Wirkung des Humanismus veranlasste Savonarola, die Büßpredigt in den Mittelpunkt seines Wirkens zu stellen. Ebenso trat er für einen einfachen Lebensstil ein. Doch er fiel bei der päpstlichen Kirche in Ungnade, musste grauenhafte Folter erleiden und wurde öffentlich an einem Kreuz hängend verbrannt. Desiderius Erasmus von Rotterdam (1466-1536) war der andere große Vorläufer der humanistischen Bewegung. Als zweites Kind eines Priesters in Rotterdam geboren, erhielt er als 26-Jähriger die Priesterweihe durch ein Augustinerkloster, in dem er aber nicht lange blieb. Er entschied sich für das Studium der frühen Kirchenväter und der alten lateinischen Autoren und wurde bald einer der besten Latein- und Griechischkenner seiner Zeit. Im Jahre 1516 brachte er in Basel als Erster ein griechisches Neues Testament heraus, mit dem er weltbekannt wurde. In zahlreichen Schriften trat er für eine Erneuerung des Christentums durch den Humanismus ein. Ein positives Verständnis für diese Bewegung gewann er aus den Schriften der antiken, vorchristlichen Zeit. Erasmus kritisierte erbarmungslos die mittelalterliche Kirche, deren Zeremonien und das Priestertum. Er wollte die Kirche von innen heraus erneuern. Als im Zuge der Reformation in Deutschland und der Schweiz eine große Anzahl von Menschen der römisch-katholischen Kirche den Rücken kehrte, weigerte er sich, es ihnen gleichzutun, weil er an der Einheit der Kirche festhielt. So war es kein Wunder, dass er von beiden Seiten heftig angegriffen wurde. Für die Katholiken war er jemand. der die Autorität der Kirche und damit Gott selbst in Frage stellte, und für die Protestanten war er jemand, der Gottes Handeln durch die Protestanten nicht akzeptierte, und damit wiederum Gott selbst in Frage stellte. Später kam es mit Martin Luther, dem Reformator in Deutschland. zu einer offenen Auseinandersetzung über theologische Erkenntnisse, die dazu führte, dass der Bruch der Kirche mit den Reformatoren noch größer wurde. Die Renaissance hatte einerseits die herrlichsten Kunstwerke hervorgebracht sowie Wissenschaft und Forschung von den Fesseln der mittelalterlichen Kirche befreit. Doch andererseits verführte sie viele zu einer Rückkehr zu heidnischen Idealen, wie sie in der vorchristlichen Zeit galten. Sie brachte aber auch viele zu den Grundtexten der Bibel zurück, zu Flebräisch und Griechisch anstelle der ungenauen und tendenziösen Vulgata, der lateinischen Bibel. Dies bedeutete die Rückkehr zu der Lehre der Urgemeinde, zur Wiederentdeckung von Wahrheiten, die so lange, gewollt oder ungewollt, unbekannt geblieben waren. E Die Reformation in Deutschland Seit der offiziellen Anerkennung des Christentums als Staatsreligion im Jahr 361 waren rund 1150 Jahre vergangen. Ganz Europa galt am Vorabend der Reformation als christlich. Der Siegeszug des Islam war aufgehalten worden. Alles sah wie ein großer Erfolg für die Botschaft des Evangeliums aus. Doch leider wurde dieser Erfolg auf Kosten des Inhalts des Evangeliums erreicht. Der unwandelbare Messias, der Flerr und Erlöser aller Gläubigen, und seine gute Botschaft wurden im Laufe der Geschichte von vielen unbiblischen Dingen überschattet. Es schlichen sich fremde Lehren ein, sehr viel Menschliches bestimmte die Kirche, und vor allem wurden nichtbiblische Wahrheiten als biblisch dargestellt. Doch zu allen Zeiten gab es mutige Bekenner der tatsächlichen Wahrheit. Der Preis, den sie dafür bezahlten, war oft genug ihr eigenes Leben. Erst mit der humanistischen Bewegung trat insofern eine Wende ein, als der Mensch die Herrschaft der Kirche über sein persönliches Leben abschütteln und sich nicht mehr in einer geistlichen Abhängigkeit bewegen wollte. Mit Martin Luther und anderen Reformatoren traten Männer auf die Bühne der Geschichte, die das Bild der Kirche für alle Zeiten grundlegend verändern sollten. Die Reformation brachte Gläubige hervor, die eine tiefe, biblisch-geistliche Überzeugung besaßen und mit feurigem Eifer für das Evangelium eintraten. Sie waren wie frischer Morgentau, der nach langer Nacht neue geistliche Blüten in allen Landschaften Europas wachsen ließ. Martin Luther Martin Luther wurde am io. November 1483 in Eisleben geboren. Ab dem fünften Lebensjahr musste Martin auf die Lateinschule in Mansfeld gehen, mit zwölf Jahren schickte ihn der Vater zur Schule nach Magdeburg. Zwei Jahre später besuchte er in Eisenach die Schule, und von dort ging er 1501 als 18-Jähriger zur Universität nach Erfurt. Er begann zunächst, die damals so genannten sieben freien Künste zu studieren: Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Astronomie, Arithmetik, Geometrie und Musik. Schon 1502 bekam der Hochbegabte seinen ersten akademischen Titel. Sein Thema war die Logik des Aristoteles, dessen Weltbild er im Bereich der Politik und der Physik bis an sein Lebensende beibehielt. Nach seinem Magisterabschluss, wiederum über Werke des Aristoteles, erhielt er von der Universität ein Stipendium, so dass er ab 1505 Rechtswissenschaften studieren konnte. Der Grund für diese Studienwahl war zunächst, dass sein Vater nach einer Braut für ihn suchte und er nach dem Studium der Theologie als Priester nicht hätte heiraten können. Im gleichen Jahr, als er unterwegs zu seinen Eltern nach Mansfeld war, geriet er in ein stürmisches Gewitter. Auf freiem Feld schlug plötzlich unmittelbar neben ihm ein Blitz ein. In seiner Todesangst schwor er, ins Kloster zu gehen, falls er am Leben bleiben würde. So trat er vierzehn Tage später am 17. Juli 1505 völlig unerwartet und zum Erstaunen seiner Eltern und Freunde in das Schwarze Kloster der Augustiner-Eremiten in Erfurt ein und wurde Bettelmönch. 1507 wurde er zum Priester geweiht und erhielt zum ersten Mal eine eigene Bibel in Latein. Das Kloster schickte ihn zum Theologiestudium, so dass er am 19. Oktober 1512 an der Universität Wittenberg Professor für Bibelwissenschaften wurde. Von da an begann er ein intensives Bibelstudium, nun nicht nur allein in Latein wie üblich, sondern auch in Hebräisch (Altes Testament) und Griechisch (Neues Testament). Wo er bisher, wie alle anderen Theologen auch, meist Kommentare über die Heilige Schrift gelesen hatte, studierte er jetzt die Schrift selbst. Hier ist der eigentliche Urquell des Beginns der Reformation zu suchen. Der Durchbruch 1513 kam ihm während der Vorbereitung zu Psalmvorlesungen die Erkenntnis von Römer 1,17, dass die Gerechtigkeit Gottes keine fordernde, sondern eine schenkende Gerechtigkeit durch Jesus Christus ist. Bisher hatte er in den Jahren des Klosterlebens als Augustinermönch immer versucht, die Gerechtigkeit Gottes durch die Beichte, die Sakramente und das Halten hoher Moralprinzipien zu erfüllen, wie es der bisherigen Schriftauslegung entsprach. Nun kam ihm die grundlegende Erkenntnis der Wahrheit, dass die Gerechtigkeit Gottes, die dem Sünder vergibt, in Jesus geschenkt war. So machte er sich nach Abschluss der Psalmvorlesung daran, den Römerbrief unter dieser einen tiefen Erkenntnis auszulegen: Die Gerechtigkeit Gottes wird nicht durch den Menschen erfüllt, sondern sie ist durch Jesus erfüllt worden. Der Gerechte wird aus Glauben leben. Er erfuhr die tiefe Barmherzigkeit des Evangeliums: Der gerechte Gott ist in Jesus Christus der barmherzige Gott. Er selbst erfüllte die von ihm geforderte Gerechtigkeit durch seinen Messias. Dies wird dem Glaubenden zugerechnet, das macht ihn gerecht für Zeit und Ewigkeit. Darin liegt der eigentliche Trost des Evangeliums. So galt für Luther von nun an die Gnadenordnung Gottes und nicht mehr die Rechtsordnung der Kirche. Das war seine eigentliche Bekehrung und innere Abkehr von römisch-katholischer Werksgerechtigkeit. Parallel zu Luthers Erkenntnissen überschlugen sich 1517 die Ereignisse. Papst Leo X. (R. 1513-1521) benötigte Riesensummen für den Bau der St. Peterskirche in Rom. Daher beschloss er 1515, den Verkauf von Sündenablässen durch Bußscheine auszudehnen. Der Ablasshandel war in der Zeit der Kreuzzüge entstanden. Die Lehre vom Fegefeuer besagte, dass jeder Mensch für seine Sünden zeitliche und ewige Höllenqualen zu leiden habe. Die zeitliche Strafe werde im Fegefeuer verbüßt. Nun verfügte die Kirche aber über den Schatz der guten Werke vorangegangener «Heiliger». Diese konnten die Hinterbliebenen bei Bedarf für den Verstorbenen kaufen. Auch für sich selbst konnten sie durch gute Werke - indem sie vor dem Priester Buße taten und zur Bestätigung einen «Sündenablassschein» kauften - die Zeit des Fegefeuers verkürzen. Diese Ablassscheine wurden wie Reliquien verehrt, die der Besitzer jederzeit beim Priester zur Vergebung einlösen konnte. Daneben gab es noch einen immensen Handel mit Reliquien, wovon allein in Wittenberg fast 19000 existierten. Durch den Erwerb dieser Gegenstände war es ebenso möglich, die Qual des Fegefeuers zu verkürzen. Die 95 Thesen Als Martin Luther für den erkrankten Stadtpfarrer in Wittenberg den Vertretungsdienst übernahm, tauchte in dieser Zeit ein Ablasshändler auf, der Dominikanermönch Johann Tetzel (1465-1519), um seine «Ware», die Sündenablassbescheinigungen, öffentlich anzubieten. Er erklärte ohne Gewissensbisse: «Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!» Immer wieder hatte Luther gegen diese Praxis gepredigt. Doch am 31. Oktober 1517, dem Samstag vor Allerheiligen, dem weithin bekannten Tag des Wittenberger Ablassfestes, machte er seinen Protest in schriftlicher Weise öffentlich. Er nagelte seine 95 Thesen gegen den Ablass in lateinischer Sprache an die Schlosskirchentüre in Wittenberg. Für Luther war das seel-sorgerliche Anliegen ausschlaggebend, die Gnade durfte nicht zur Handelsware degradiert werden. Die armen Gläubigen durften nicht um die wahre Buße betrogen werden. Innerhalb von 14 Tagen wurden diese 95 Thesen in Nürnberg ins Deutsche übersetzt, und schon Ende des Jahres waren sie in fast allen deutschsprachigen Ländern bekannt. Durch diesen Thesenanschlag kam der Stein ins Rollen, wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Kritik an der Praxis Roms. Mit diesem Protest war die Reformation eingeleitet. Diese Entwicklung blieb Papst Leo X. nicht verborgen. Luther musste sich 1518 auf dem Reichstag in Augsburg für seine Meinung verteidigen. Doch mächtige Freunde wie der Kurfürst Friedrich von Sachsen konnten ihn beschützen, so dass Luther in Wittenberg weitere Schriften verfassen konnte, etwa «Von der Freiheit eines Christenmenschen». Am 3. Januar 1521 traf Luther dennoch der Kirchenbann. Nun als «vogelfrei», d.h. ohne Rechtsschutz durch Rom, zum Ketzer erklärt, wollte Kaiser Karl V. (1500-1558) die Exkommunikation durchsetzen. Zu diesem Zweck wurde der Reichstag zu Worms einberufen (16.-18. April 1521). Martin Luther wurde aufgefordert, seine Schriften und Erklärungen zu widerrufen. Darauf sagte Luther, er könne nur etwas widerrufen, das der Bibel widerspräche. «Mein Gewissen ist gefangen im Worte Gottes, und darum kann ich und will ich nichts widerrufen, weil gegen das Gewissen zu handeln, weder sicher noch lauter ist. Ich kann nicht anders, hier stehe ich. Gott helfe mir. Amen.» Luther wurde verurteilt, aber der Kurfürst von Sachsen konnte ihn nochmals retten. Luther wurde in Schutzhaft auf die Wartburg gebracht. Während seines Aufenthaltes übersetzte Luther 1522 das Neue Testament ins Deutsche. Im Jahre 1534 dann das Alte Testament, so dass nun die ganze Bibel in Deutsch erhältlich wurde. Die Bekenntnisschrift «Confessio Augustana» von 1530 legte die evangelisch-lutherische Theologie dar und bildete damit die Basis der neu entstandenen Kirche. Kernpunkt war der Glaube, der auf den Schriften des Alten und Neuen Testaments beruhte, und auf ihnen allein. Luthers Motto reduzierte seine Theologie auf das Wesentliche: Die Schrift allein. - Der Glaube allein. - Die Gnade allein. In einem Bereich ist Luthers Theologie jedoch nicht zu unterstützen, ja sogar abzulehnen und zu verwerfen: in seiner Haltung den Juden gegenüber. Sicherlich ist zu berücksichtigen, dass er als ehemaliger Augustinermönch nicht nur die Haltung von Augustinus (354-430) den Juden gegenüber teilte, sondern auch im Blick auf das Umfeld seiner Zeit keine Ausnahme in seiner antisemitischen Haltung bildete. Zunächst war seine Einstellung überraschend positiv, wie in seiner Schrift «Dass Jesus ein geborener Jude sei» von 1523 deutlich wurde. So etwas hatte man seit den Tagen der Apostel nicht mehr gehört. Luther war der festen Überzeugung, dass die bibeltreue christliche Religion jedes Hindernis für den freiwilligen Anschluss der Juden an das Christentum beseitigen würde. Doch darin hatte er sich geirrt. Auch wenn die Juden voller Euphorie über dieses Bekenntnis waren, wurden sie nicht Christen. Danach veröffentlichte er weitere Schriften, die immer mehr von heftigsten antisemitischen Ausbrüchen gekennzeichnet waren, deren Höhepunkt «Von den Juden und ihren Lügen» von 1543 darstellte. Selbst seine letzte Predigt vor seinem Tod war dem Judenhass gewidmet. Als Luther am 18. Februar 1546 nach schwerer Krankheit starb, hatte sich nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa für immer verändert. Durch seine Schriften ermutigt, stellten sich auch andere Reformatoren gegen Rom, wie etwa Huldrych Zwingli (1484-1531) in Zürich und Johannes Calvin (1509-1564) in Genf in der Schweiz. Die Gegenreformation Das Konzil von Trient Während des heftigen Kampfes der römisch-katholischen Kirche gegen die Reformatoren wurde den Kreisen, die nicht direkt zur päpstlichen Hierarchie gehörten, etwas klar: Auch die römisch-katholische Kirche musste gewisse Veränderungen vornehmen. Besonders Kaiser Karl V.(R. 1519-1556) war wegen der religiösen Unruhen in seinem Reich besorgt. Nach vielen Bemühungen gelang es ihm, die Einberufung des Konzils von Trient zu erreichen, das dann, mit Unterbrechungen, von 1545 bis 1563 dauerte. Die Absicht von Karl V. war, eine friedliche Lösung des Religionsstreites zu erreichen und gewisse Reformen auch im Katholizismus durchzusetzen. Doch es kam anders. Das Konzil war vorwiegend italienisch und vom Papst kontrolliert. So war es kein Wunder, dass die von den Protestanten gestellte Forderung, alle Beschlüsse des Konzils müssten bibeltreu sein, abgelehnt wurde. Die Beschlüsse stärkten den Katholizismus sowohl theologisch als auch praktisch. Hier die Hauptpunkte: 1. Die lateinische Vulgata (inkl. Apokryphen) ist die einzige autorisierte Version der Bibel. 2. Die Heilige Schrift nach der Vulgata und die Traditionen sind gleichberechtigte Offenbarungsquellen Gottes. 3. Alle sieben Sakramente bleiben gültig. 4. Jeder Katholik muss die von der Kirche gemachte Auslegung der Schriften akzeptieren. 5. Die Lehre der römisch-katholischen Kirche bleibt so, wie sie vor der Reformation war. 6. Die Stellung des Papstes bleibt unverändert. Jeder Priester muss folgenden Schwur leisten: «Ich glaube, dass die Heilige Katholische Apostolische Römische Kirche die Mutter und Herrin aller Kirchen ist, und ich verspreche und schwöre absoluten Gehorsam dem Bischof von Rom. Nachfolger des Apostel Petrus, somit selbst Apostel und Stellvertreter von Jesus Christus.» Die erhoffte Koexistenz der beiden Konfessionen wurde nicht erreicht. Der Katholizismus räumte zwar einige seiner zweifelhaften Bräuche aus, hielt aber an seinen Dogmen weiterhin fest. Außerdem wurden die Protestanten als Ketzer abgestempelt. Die stärkste Waffe im Kampf gegen die Protestanten nach dem Konzil wurde der Orden der Jesuiten. In ganz Europa erreichten sie eine Re-Katholisierung vieler Städte und Gebiete. Die Jesuiten 1534 gründete Ignatius von Loyola (1491-1556) die «Gemeinschaft Jesu», weil er glaubte, die römisch-katholische Kirche sei in Gefahr, und es bestehe die dringende Notwendigkeit, neue Wege im Kampf gegen die Lehren der Reformation zu finden. Die Jesuiten wurden «Glaubenswächter» im Auftrag des Papstes, nachdem dieser den neuen Orden anerkannt hatte. So wollte die römisch-katholische Kirche die durch die Reformation erlittenen Herrschaftsverluste wieder wettmachen. In Ländern wie Spanien und Italien befanden sich die Katholiken in einer großen Mehrheit, und die Inquisition konnte die Protestanten problemlos vernichten. Aber in anderen Ländern waren andere Methoden notwendig. Als Wölfe im Schafspelz infiltrierten die Jesuiten protestantische Kreise und verpflichteten einflussreiche Leute, um auf diese Art die verlorenen Schafe in die römisch-katholische Herde zurückzubringen. Die Disziplin des Ordens war absolut streng, es wurden Gehorsam und genauste Obrigkeitstreue verlangt. Die Jesuiten spezialisierten sich auf die Erziehung und Bildung und gründeten Schulen in ganz Europa, in denen junge Menschen zu eifrigen Instrumenten für die Verbreitung der päpstlichen Ideen und Pläne gemacht wurden. In späteren Jahren wurden die Methoden des Ordens so abstoßend, dass sie in fast jedem römisch-katholischen Land verboten oder mindestens eingeschränkt wurden. Das ging so weit, dass 1773 Papst Klemens XIV. (R. 1769-1774) den Orden abschaffte «wegen des Schadens, den die Jesuiten dem Namen der Heiligen Römischen Kirche zugefügt hatten». Aber vierzig Jahre später hob Papst Pius VII. (R. 1800-1823) das Verbot seines Vorgängers wieder auf. Das von der Reformation entzündete Licht war nicht mehr auszulöschen. Doch der Kampf zwischen den beiden Konfessionen veränderte das Gesicht Europas. Dies ergab nach dem «Westfälischen Frieden» von 1648 folgende Aufteilung Europas: Katholische Länder: Portugal, Spanien, Frankreich. Belgien, Italien, das heutige Österreich. Der Balkan war zu der Zeit unter ottomanischer Herrschaft, später teilte sich diese Region in römisch-katholische und orthodoxe Länder. Dasselbe geschah mit dem damaligen Polen. Alles, was später zu Russland kam, wurde orthodox. das übrige römisch-katholisch. Protestantische Länder: Dänemark. Schweden, Norwegen, Finnland. Gemischte Länder: Holland. Großbritannien. Irland, Deutschland. Schweiz, Ungarn (z.T. unter ottomanischer Besatzung). Trotz des beachtlichen geistlichen Erfolgs der Reformation waren die Protestanten zahlenmäßig in der Minderheit; sie machten etwa ein Drittel der Bevölkerung aus. Das 18. Jahrhundert - Ende einer Epoche Das 18. Jahrhundert stand in geistiger Hinsicht unter dem Motto der «Aufklärung». Mit diesem Ausdruck bezeichnet man im Allgemeinen die Emanzipation des wissenschaftlichen Denkens. Unabhängig von der Theologie, besonders von einem Gottesbezug, wurde die Wissenschaft in den Mittelpunkt gestellt. So wie im Humanismus der Mensch Mittelpunkt des Denkens wurde, so wurde nun die Wissenschaft unabhängig von Gott. Oder wie Immanuel Kant (1724-1804) es definierte: «Die Befreiung des Menschen aus dem Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.» Mit anderen Worten: «Habe Mut. dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.» Der Mensch soll sich nur auf seinen Verstand und seine Vernunft verlassen. Parallel dazu hatten schon im 17. Jahrhundert Forscher wie Francis Bacon (1561 -1626). Rene Descartes (1596-1650), Galileo Galilei (1564-1642) und Isaak Newton (1643-1727) durch Beobachtungen und Versuche herausgefunden, dass das gesamte Universum durch unveränderliche Naturgesetze gelenkt wurde. Gott wurde als der Schöpfer des Weltalls betrachtet, der alles nach feststehenden Naturgesetzen zusammengefügt hatte. Doch die Wissenschaft konnte nun alles mit der reinen Vernunft erklären und löste sich so von Gott. Diese Theorie entwickelte sich zum «Deismus»: Gott mischt sich nicht weiter in das Weltgeschehen ein, selbst wenn er die Welt geschaffen hat. Übernatürliches wie Wunder, Prophezeiungen, Menschwerdung Gottes, Jungfrauengeburt oder die göttliche Inspiration der Bibel wurden als Lehren der Theologen und nicht mehr glaubwürdig betrachtet. Von England aus verbreitete sich der Geist der Aufklärung und des Deismus über Frankreich nach Deutschland. Christian Freiherr von Wolff (1679-1754), Immanuel Kant (1724-1804). Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), Gotthold Ephraim Lessing (1729 -1781), David Hume (1711 -1776) und Frangois Voltaire (1694-1778) waren die Kämpfer für die alleinige Herrschaft der Vernunft. Diese «Vernunftrevolution» wurde zuneh- mend eine Herausforderung für beide Konfessionen. Im Gegensatz zur späteren «Gott-ist-tot-Theologie» lehnte die Aufklärung die Existenz Gottes nicht grundsätzlich ab. Der Deismus betrachtete Gott sozusagen als in den Ruhestand getretene Person. Aus dem Deismus entwickelte sich der Rationalismus, der in die «Gott-ist-tot-Theologie» mündete. Der Rationalismus selbst wurde zur Grundlage für den späteren Atheismus oder besser gesagt, für die «Vergöttlichung» des Menschen. Alle weiteren Geistesströmungen entfalteten sich aus dieser Haltung. Neben dieser neuen Lehre der Wissenschaftlichkeit, die alle Grundlagen des messianischen Glaubens als unnatürlich ablehnte und die Bibel als Wort Gottes verwarf, entstanden besonders in England und Deutschland religiöse Erweckungsbewegungen. Die Zeit der Erweckungen In Deutschland begann mit dem Pietismus eine Bewegung, die einen großen Einfluss auf die Entwicklung des Glaubens hatte und bis heute existiert. Bereits 1670, nach Ende des grauenvollen Dreißigjährigen Krieges, beeinflussten die Pietisten das kirchliche Leben in Deutschland und wurden zu einem wichtigen Pfeiler gesellschaftspolitischer Veränderungen. Sie erweckten die lutherische Kirche aus einer Zeit des Formalismus. Mit ihrem bibelbezogenen Eifer trugen sie sehr zur Entwicklung der äußeren Mission bei, besonders auch in Amerika. Die Pietisten - wie auch die Methodisten, mit denen sie vieles gemeinsam hatten - betonten die Wichtigkeit der Rettung von Menschen durch Bekehrung. Sie unterstrichen, dass wahre Religion auf einer persönlichen Beziehung zu Gott beruhen musste. Den Gemeindeschwerpunkt sahen sie im seelsorgerischen Dienst am Einzelnen und in der bibelbezogencn Auslegung des Wortes Gottes. Diese Einstellung ermöglichte es ihnen, die trennenden Barrieren zwischen den verschiedenen protestantischen Kirchen zu überwinden. Der Pietismus wurde in besonderer Weise von drei Männern geprägt. Philipp Jakob Spener (1635-1705) gründete als Pfarrer in Frankfurt am Main nach dem Vorbild schweizerischer Freunde die ersten Hausbibelkreise und gab damit den Anstoß zur ganzen Bewegung. Um nicht in den Rufeines Separatisten zu kommen, legte er in einer seiner Schriften, «Pia Desideria» (fromme Wünsche), sein geistliches Anliegen offen dar. Er sah die Grundforderung des Christentums in der totalen Verleugnung des eigenen Ichs. Nur dann könnten gottgewollte Resultate entstehen und sich wahre Frömmigkeit entwickeln. Zu diesem Zweck war es notwendig, sich in der Gemeinschaft mit anderen Gläubigen gegenseitig zu ermutigen, den Weg des Glaubens weiterzugehen und zu einem tieferen Bibelverständnis zu gelangen. Aus der Überschrift seines Werkes wurde die Bezeichnung «Pietisten» abgeleitet. August Hermann Francke (1663-1727) war ein weiterer wichtiger Wegbereiter des Pietismus. Er wurde 1684 als Professor für hebräische Sprache nach Leipzig berufen und gründete dort, angeregt durch die Pia Desideria, eine Zusammenkunft zur «Förderung des neuen Menschen, frommer Wissenschaft und exegetischer Theologie und Beispiel eines heiligen Wandels». In Lüneburg erlebte er 1687 seine persönliche Wiedergeburt und die Gewissheit der Vergebung. Nach seinem Wechsel an die Universität Halle legte er dort durch die Gründung einer Armenschule, eines Waisenhauses, eines Gymnasiums und der ersten Realschule in Deutschland Zeugnis seiner gesellschaftspolitischen Verantwortung und christlichen Nächstenliebe ab. Hinzu kam sein schriftstellerisches Schaffen, die Begründung der ostindischen Missionsarbeit und der Einsatz zur Gründung einer Bibelgesellschaft. Über seinem Leben stand der Wahlspruch: «Die auf den Herrn vertrauen, kriegen neue Kraft» (Jes. 40,31). Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760) war der dritte prägende Wegbereiter. Er stammte aus dem österreichischen Hochadel, der wegen des reformatorischen Glaubens vor der Inquisition fliehen musste. Seine Mutter gehörte zum Spener-kreis, und Nikolaus wurde von 1711 bis 1716 in die «Franck’sche Schule» nach Halle geschickt. Später ging er nach Wittenberg, um lutherische Theologie zu studieren. Je mehr er die Geistesbewegung der Aufklärung sah, desto mehr wurde ihm deutlich, wie sehr dieser «Wissenschaftsglaube» ein Angriff auf das Christentum war. 1722 erlaubte er einer Gruppe von mährischen Brüdern, einem Zweig der Kirche von Jan Hus aus Böhmen, sich auf seinem Gut in Herrnhut (Sachsen) anzusiedeln. Mit der Zeit entstand auf dem Gut Herrnhut eine Zufluchtsstätte für alle verfolgten Christen, unabhängig von deren Konfession. Daraus entstand die «Brüdergemeine», die zu den entscheidenden Pionieren der modernen Missionsarbeit weltweit wurde. Um die Missionare zu ermutigen, begann er. ihnen täglich ein Bibelwort als Losung mitzugeben, eine Gepflogenheit, aus der das noch heute weit verbreitete Losungsbuch entstand. Zinzendorf prägte das Denken vieler Christen in verschiedenen Ländern und wurde als Liederdichter zu einem großen Segen für die Gläubigen. Das Geheimnis seines Sendungsbewusstseins lag in folgender Begebenheit. Einmal stand er vor einem Kruzifix in Düsseldorf, worüber der Satz stand: «Das tat ich für dich, was tust du für mich?» So stellte er sein ganzes Leben in den Dienst zur Ehre Gottes. In England war die Erweckung eng mit drei Personen verbunden: den Brüdern John und Charles Wesley und George White-field. John Wesley (1703-1791) und Charles Wesley (1707-1788) gründeten zusammen mit anderen Studenten während ihrer Zeit am Lincoln College in Oxford 1729 den «Heiligen Klub» mit dem Zweck, sich selbst und auch andere zu besseren Chris- ten zu machen. Weil sie planmäßig und methodisch ihr tägliches Leben und ihre Gemeinschaft am Wort Gottes orientierten, wurden sie «Methodisten» genannt. George Whitefield (1714-1770) kam mit Charles in Kontakt, der ihn in den Klub einlud. Zu diesem Zeitpunkt war sich noch keiner der drei seiner Erlösung wirklich sicher. Als John Wesley 1736 dennoch als Missionar nach Nordamerika ging, war seine dortige Arbeit ein totaler Misserfolg. Doch auf der Schiffsreise traf Wesley Mitglieder der Mährischen Brüder von Herrnhut. Dieser Kontakt machte einen großen Eindruck auf ihn. Er sah. dass diese Leute einen Glauben an den Messias als ihren persönlichen Erlöser hatten, der ihm selbst fehlte. 1738 nach London zurückgekehrt, verstand Wesley die Bedeutung der erlösenden Veränderung, die nur durch die Wiedergeburt geschieht. Nach schweren geistlichen Kämpfen drang er schließlich zum wahren Licht durch. Nach seiner Bekehrung begann John Wesley seine Arbeit als Evangelist. Auch seine Freunde erlebten ihre Wiedergeburt und innere Erneuerung durch den Heiligen Geist. So wurden sie zum Ausgangspunkt einer beispiellosen Erweckung, die England vollkommen veränderte. Wesley gründete die «Methodistische Kirche», die heute weltweit über 30 Millionen Mitglieder zählt. Johns Bruder. Charles, wurde weltweit bekannt als Verfasser von vielen christlichen Liedern. George Whitefield unterstützte diese Erweckung, indem er oft unter freiem Himmel vor mehreren zehntausend Zuhörern predigte. Zahllose Menschen, die von den bestehenden Kirchen enttäuscht waren, wurden so zu wahren Jüngern des Messias. Whitefield besuchte auch des Öfteren Nordamerika und wirkte dort ebenso. Er schloss sich zwar keiner etablierten Kirche an. aber die anglikanische Kirche erlebte durch die Erweckung dennoch einen starken biblisch-evangelikalen Auftrieb. Fazit des 5. Kapitels Es war eine sehr lange Zeitspanne von rund 1500 Jahren, die wir in diesem Kapitel behandelt haben. Doch wichtiger als die Anzahl der verflossenen Jahre sind die gewaltigen Veränderungen durch den Einfluss des Christentums. Im 4. Jahrhundert standen weite Gebiete Europas unter der Herrschaft des Römischen Reiches. An der Schwelle des 19. Jahrhunderts sahen wir dasselbe Gebiet in viele Länder und Staaten aufgeteilt. Oberflächlich betrachtet waren diese anderthalb Jahrtausende ein Siegeszug des Christentums. Um 300 n.Chr. herum waren die an den Messias Gläubigen eine Minderheit, die verfolgt wurde. Bis zur Zeit, als das Christentum im Römischen Reich zur Staatsreligion wurde, war es selbstverständlich, dass jeder Christ den Messias aus einer persönlichen Glaubensentscheidung heraus angenommen hatte. Niemand konnte daraus einen weltlichen Nutzen ziehen, im Gegenteil, solch ein Schritt konnte nur Diskriminierung, Verfolgung, ja sogar den Märtyrertod nach sich ziehen. Doch dann, im 4. Jahrhundert, änderte sich das. Jeder Untertan im Römischen Reich musste dem Kaiser gegenüber loyal sein. Dazu gehörte nach 363 die Annahme der von Kaiser Theodosius proklamierten christlichen Staatsreligion. Es gab kaum jemanden im Römischen Reich, der wusste, dass dieser Glaube aus dem berüchtigten jüdischen Volk stammte. da die Trennung zwischen Juden und Christen so strikt war, dass Christen keine Verbindung mehr zu Juden haben durften. Das Konvertieren zum Christentum wurde zu einer einfachen Prozedur: Man musste ein Glaubensbekenntnis nachsprechen und wurde darauf mit ein paar Tropfen Wasser bespritzt. Danach war man ein Christ. Bei den nachfolgenden Generationen war die Lage noch einfacher: Das neugeborene Baby wurde von einem Priester mit einigen Tropfen Wasser bespritzt, dadurch erhielt es das ewige Heil und war Mitglied der Heiligen Römischen Kirche. Beim Gewinnen neuer Völker für das Christentum war die Situation nicht viel anders. Als Erstes musste der Herrscher den Glauben annehmen. Das konnte eine ehrliche Entscheidung sein, doch meistens spielten machtpolitische Gründe eine Rolle. Nachdem der Herrscher nun offiziell Christ geworden war, ließ sich jeder Untertan des Herrschers ebenfalls taufen, als Zeichen seiner Loyalität dem Staat gegenüber. So wurde Europa nicht vom Christentum erobert, weil die Völker das Evangelium als Botschaft des ewigen Heils verstanden, sondern weil die ganze Kirche einen vollkommen verfremdeten Messias ins Zentrum ihrer Religion stellte, vor dem sich jeder zu beugen hatte. Das war die Ursache für all das Schlimme, das sich im Namen des Messias ereignete. Mit dieser traurigen Tatsache vor Augen kann uns auch nicht verwundern, was in den folgenden Jahrhunderten geschah. Über tausend Jahre lang strebte die römisch-katholische Kirche als Erstes nach weltlicher Macht. Politische Herrscher konnten ohne Unterstützung des Papstes nicht existieren. Im Laufe der Jahrhunderte hatte die Kirche einen ungeheuren Reichtum angehäuft. Die Kreuzzüge hatten das Ziel, das Heilige Land für das Christentum zu gewinnen. Aber mussten deshalb Zehntausende von Muslimen und Juden ermordet werden im Namen dessen, der die Feindesliebe verlangte? Spanische Juden, die Ureinwohner Südamerikas und auch Angehörige anderer Völker wurden vor die Wahl gestellt: Kreuz oder Schwert, Taufe oder Tod! Die Inquisition war ein Widerspruch und eine Verdrehung der Lehre Jesu. Nicht nur auf diesen Gebieten entfernte sich die Kirche weit vom Evangelium. Der ganze Kern der «Frohen Botschaft» für den Sünder, der durch Jesus Vergebung empfangen kann, stand nicht mehr im Mittelpunkt. Jesus, der am Kreuz stellvertretend für den Menschen die Schuld getragen hatte, wurde von der römisch-katholischen Kirche in den Hintergrund gerückt! Für das Vergeben der Sünden wurde ein Mittler eingeschaltet, der Priester. Ihm wurde gebeichtet, nicht mehr dem Messias. Nur er konnte fortan die Sünden vergeben, meist unter der Bedingung einer «Spende» für die Kirche. Dann kam die Lehre vom Fegefeuer. Diese wurde mit zu einer Haupteinnahmequelle für die Kirche: Mit der Zahlung einer Geldsumme durch die Hinterbliebenen konnten die Qualen für die Seelen der Verstorbenen verkürzt werden. Vom 4. bis zum 16. Jahrhundert verkündete die römisch-katholische Kirche einen verfremdeten Messias. Ihr ganzes Verhalten war weil von dem entfernt, was Jesus gelehrt hatte. So kam es im 16. Jahrhundert zur Reformation, die mit Martin Luther begann. Viele Abweichungen vom biblischen Evangelium wurden korrigiert. Die Bibel selbst wurde wieder ins Zentrum gerückt, jedenfalls bei den protestantischen Kirchen. In der römisch-katholischen Kirche wurden zwar auf dem Konzil von Trient auch Veränderungen vorgenommen, diese führten aber nicht zurück zu den Quellen. Die protestantischen Kirchen unterschieden sich in ihrer lutherischen oder calvinistischen bzw. reformierten Theologie im Hinblick auf das Verhältnis von Staat und Kirche, kirchliche Leitungsstrukturen und das Verständnis von Taufe und Abendmahl. Je nach Betonung entstanden unterschiedliche Gruppen, wie Presbyterianer, Puritaner, Quäker, Mennoniten. Methodisten, Pietisten oder Mährische Brüder. Obwohl diese Gruppen außerhalb der offiziellen Kirchen organisiert waren, beeinflussten sie überaus stark die großen evangelischen Kirchen, so die lutherische Kirche in Deutschland, die reformierte Kirche in der Schweiz und die anglikanische Kirche in England. Grundsätzliche Einigkeit gab es im Protestantismus im Blick auf die persönliche Nachfolge Jesu: Das persönliche Leben eines Gläubigen in Bezug auf Frömmigkeit, Nächstenliebe, Moral, Bescheidenheit, Heilsgewissheit usw. musste im Vordergrund stehen. So wurden die erweckten Kreise zu weltweiten Segensträgern. Die verschiedenen Erweckungen, zu denen cs im 18. Jahrhundert kam, wurden durch Methodisten und Pietisten angestoßen. Nach über 1300 Jahren, in denen die römisch-katholische Kirche weit vom Wege des Evangeliums abgewichen war, gab es an der Schwelle des 19. Jahrhunderts eine Veränderung zum Guten. Die biblisch orientierten Kreise waren zwar nur eine Minderheit im Weltchristentum, aber bei Gott spielen Zahlen keine Rolle. Die Unwandelbarkeit des Messias und seiner Lehre wurde wieder anerkannt. Der Messias in der modernen Welt (19. Jahrhundert bis Gegenwart) Zwischen Aufklärung und Atombombe Die Herausforderungen des 19. Jahrhunderts Vergegenwärtigen wir uns zuerst kurz die geschichtliche Entwicklung in Europa. Die französische Revolution brachte 1789 einen wahren Umsturz. Mit der Proklamation der Volkssouveränität wurde nicht nur die Monarchie, sondern auch der kirchliche Einfluss endgültig abgeschafft. Neue Gesetze durch zumeist bürgerliche Politiker gaben Frankreich als erstem Land in Europa eine Verfassung. Menschen- und Bürgerrechte wurden durch eine Nationalversammlung, die vom Volk gewählt worden war, erlassen. Dies war das Resultat der Aufklärung, die wie eine Welle auch durch andere Staaten Europas schwappte. Die Entwicklungen blieben jedoch nicht konstant, in verschiedenen Staaten kamen später wieder Monarchen an die Macht. In Frankreich krönte Napoleon Bonaparte (1769-1821) sich am 1. Dezember 1804 selbst zum Kaiser. Wegen der Vormachtsstellung Frankreichs schlossen sich vier europäische Staaten zu einer Allianz zusammen und besiegten Napoleon 1814. Das hatte zur Folge, dass fast alle europäischen Staaten 1814/15 auf dem Wiener Kongress zusammenkamen, um ganz Europa territorial neu zu ordnen. Auf diesem Kongress wurde der Deutsche Bund gegründet, der 38 deutsche Einzelstaaten umfasste. Dieser Staatenbund trat an die Stelle des «Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation», das bereits 1806 aufgelöst worden war. Ebenso wurde die Neutralitätspflicht der Schweiz festgelegt, weil sie im Gegenzug weitere Kantone zugesprochen bekam. Die Gebiete von Frankreich, Russland, Großbritannien, Preußen. Österreich, Belgien, Italien und den Niederlanden wurden neu geregelt. Das hatte aber nicht etwa ein friedliches Zusammenleben zwischen den Völkern zur Folge, nicht einmal innerhalb der Länder. Denn plötzlich erhob sich ein stärker werdender Nationalismus, und gleichzeitig wurden die sozialen Unterschiede in Europa immer gravierender. Das waren die Ursachen neuer, wenn auch zumeist lokaler Kriege und Revolutionen. Wir nennen nur die wichtigsten Ereignisse: 1821-1830 griechischer Befreiungskampf 1830 Aufstand in Polen;Trennung von Belgien und Holland; Revolution in Paris 1848 Revolutionen in Österreich und Deutschland; Aufstände in Italien und Ungarn; deutsch-dänischer Krieg 1852 Frankreich ist keine Republik mehr, sondern wieder eine Monarchie 1856 Ende des Krimkrieges und Neuordnung des Balkans 1870 Krieg zwischen Deutschland und Frankreich 1871 Gründung des deutschen Kaiserreiches Diese Fakten geben uns einen Eindruck, wie weit die Staaten von einem friedlichen Miteinander in Europa entfernt waren, obwohl der Wiener Kongress so verheißungsvoll gewesen war. Auf dem Gebiet der Wissenschaft veränderte die Aufklärung die Welt grundlegend und innerhalb kürzester Zeit durch zahlreiche Entdeckungen und Erfindungen, wie z.B. durch die Fotografie, das Telefon, die Röntgenstrahlen, den Dieselmotor. Bei diesen gewaltigen Erfolgen des menschlichen Verstandes vergaßen allerdings viele Menschen, wer diesen Verstand geschaffen hatte. Mit der Trennung von Staat und Kirche trat zunehmend auch eine Trennung des Menschen von geistlichen Werten ein, bis dahin, dass die Existenz einer höheren Instanz abgelehnt wurde. Besonders wichtig in dieser Entwicklung ist das Aufkommen evolutionärer Theorien durch Gregor Mendel (1822-1884) und Alfred Rüssel Wallace (1823-1913). Die Theorie der Evolution fand mit dem britischen Naturforscher Charles Darwin (1809-1882) und seiner Schrift «Über die Entstehung der Arten durch natürliche Auslese oder Das Erhaltenbleiben der begünstigten Rassen im Ringen um die Existenz» von 1859 internationale Beachtung. Sein Weltbild über die Entstehung der Tiere und der Menschen veränderte die allgemeine Haltung zum Leben bis heute. Diese Theorie besagt, dass sich der Mensch durch Selektionsprozesse der Natur aus niederen Lebensformen «emporentwickelt» hat. So war es eine «sensationelle Erkenntnis» zu behaupten, der Mensch sei letztlich nur eine Mutation des Affen. Daraus entwickelte sich später der Sozialdarwinismus, der vertritt, dass eine Gesellschaft sich selbst durch Selektionsprozesse weiterentwickeln muss. Das Endresultat dieser Ideologie finden wir im Nationalsozialismus mit seiner Lehre von der Herrenrasse oder in anderen Formen des Faschismus, wo beurteilt wurde, wer lobenswert oder lebensunwert für eine Gesellschaft war. Im 19. Jahrhundert geschahen in Europa nicht nur enorme technische und politische Veränderungen, sondern letztlich wurden jahrtausendealte ethische Werte, die aus der jüdisch-christlichen Vergangenheit des Abendlandes gewachsen waren, vollkommen verändert. Die Kehrseite der industriellen Revolution war die grauenhafte Verelendung großer Teile der Bevölkerung. Die vormals in der Landwirtschaft Tätigen wurden zumeist unter extrem schlechten Lebensbedingungen Fabrikarbeiter, die für Nied-rigstlöhne höchstmögliche Leistungen erbringen mussten. Um dieser Form der Ausbeutung des Arbeiters für das Kapital der Industrie den Kampf anzusagen, schrieben im Jahre 1848 Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895) das «Kommunistische Manifest». 1867 erschien der erste der drei Bände des Hauptwerkes von Karl Marx, «Das Kapital», in dem er für eine Veränderung der kapitalistischen Gesellschaftsstrukturen eintrat, um der «Verelendung des Proletariats» durch eine «klassenlose Gesellschaft» zu begegnen. Ferdinand Lasalle (1825-1864) gründete den ersten «allgemeinen deutschen Arbeiterverein» als eine politische Instanz zum Schutz der sozialen Rechte von Arbeitern. Aus diesen beiden sozial-politischen Engagements entstanden später die kommunistische und die sozialistische Bewegung. So wichtig es war. etwas gegen die Verelendung der Bevölkerung zu tun, so falsch war es zu glauben, dass sich eine Gesellschaft zum Höheren entwickeln könne. Bemerkenswert ist, dass die meisten politischen Denker erklärten, die Kirche (egal welcher Konfession) als Institution sei für eine moderne Gesellschaft überholt. Die Religion an sich wurde zunehmend abgelehnt bis dahin, dass Religion, der Glaube an einen Gott oder sonst eine höhere Macht, als Opium für das Volk bezeichnet wurde. Parallel dazu entstanden in fast allen europäischen Ländern römisch-katholische und protestantische Gruppen, die sich als «Christliche Sozialisten» bezeichneten. Diese waren der Überzeugung, dass Arbeiter ein Recht auf wirtschaftliche und soziale Verbesserungen hätten. Der christliche Glaube führte sie zur Unterstützung dieser Arbeiterkreise. Viele verstanden ihren Einsatz als Gehorsam gegenüber dem Liebes-gebot Jesu. Andere wandelten die Bedeutung des Evangeliums um in eine Lehre der «sozialen Gerechtigkeit», die es auf Erden zu verwirklichen galt. Doch die größte Herausforderung für den christlichen Glauben im 19. Jahrhundert war das Aufkommen der Bibelkritik. Die Kritik an der Bibel als dem offenbarten Wort Gottes trat als Erstes an deutschen Universitäten auf. Da diese staatliche und keine kirchlichen Institutionen waren, wurde die Bibelkritik positiv aufgenommen. Es geschah das schwer Verständliche: Etwa dreihundert Jahre nachdem Luther die Schrift als Wort Gottes zur wichtigsten Grundlage des christlichen Glaubens gemacht hatte, begann gerade im Land der Reformation dieses Verständnis zu schwinden. Überraschend ist, dass diese «wissenschaftliche historisch-kritische Bibelforschung» zu keiner allgemeinen nennenswerten Reaktion der offiziellen Kirchen führte. Erweckungsbewegungen In England, wie auch in Schottland, wuchs das evangelische Verständnis des Glaubens äußerst stark. Das war nicht nur bei den «Nonkonformistischen» Kirchen, den Protestanten, die die Staatskirche ablehnten, der Fall. Auch in der anglikanischen Staatskirche gewann der evangelische Glaube viele Anhänger. Diese Entwicklung führte zu einem sehr positiven Resultat: Beide protestantischen Strömungen sahen die Notwendigkeit einer Schulbildung auf biblischer Basis, die Schulen sollten nicht unter Staatskontrolle stehen, sondern von den Gläubigen beeinflusst und geleitet werden. Die große Erweckung in den USA begann 1857 durch den Juristen Charles Finney (1792-1878) und brachte nicht weniger als eine Million Menschen zum Glauben. Von Amerika sprang der Funke zu den britischen Inseln über, zuerst nach Nordirland, dann nach England und Schottland. Auch in diesen Ländern fanden eine Million Menschen den Messias. In England führte die Erweckung 1865 zur Gründung der Heilsarmee im Jahr 1878 durch den Methodistenprediger William Booth (1829-1912). Das Wirken der Heilsarmee breitete sich über viele Länder aus und wurde ein wichtiger Faktor der evange-lisch-diakonischen Arbeit. Im Blick auf die Erweckung in den USA und in Großbritannien dürfen wir auch nicht den Dienst von Dwight Lyman Moody (1837-1899) unterschätzen. Ohne jede formelle theologische Vorbildung begann er 1857 als Zwanzigjähriger unter den wildesten und gottlosesten Jugendlichen in Chicago zu evangelisie-ren. Über vierzig Jahre, bis zu seinem Tod 1899, wirkte Moody als Evangelist in den USA und auch bei vielen Besuchen in Großbritannien. Er brachte das Evangelium auf einfache, volksnahe und überzeugende Art zu den Menschen und veränderte das ganze Land durch seine Verkündigung. Leider fanden diese gewaltigen Erweckungen im englischsprachigen Raum nicht ohne negative Erscheinungen statt. So sind die meisten Sekten, die wir heute haben, in dieser Zeit entstanden. Auf dem europäischen Kontinent gab es nur wenige Beispiele für eine Erweckung innerhalb der evangelischen Kirche, wie wir es in den angelsächsischen Ländern sahen. Eine Ausnahme bildet Schweden. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wirkte dort Carl Olof Rosenius (1816-1868) als «Vater» der Erweckungsbewegung. Als Schriftleiter der Zeitschrift «Der Pietist» übte er einen über die Landesgrenzen hinausgehenden Einfluss aus. Seine Schriften wurden in 14 Sprachen übersetzt, und seine Bücher erreichten Auflagen von mehreren Millionen. Durch Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760) und die pietistische Erweckung in Deutschland beeinflusst, erreichte die schwedische Erweckung später auch Dänemark und Norwegen. Dadurch sind bis zum heutigen Tag die lutherischen Kirchen in Skandinavien meist Erweckungsgemeinden aus dieser Epoche. Sogar die «Lutherische-Kirche-Missouri-Synode» in den USA wurde von Rosenius positiv beeinflusst. Theologie, Philosophie und Humanismus Gerade in der Zeit des 19. Jahrhunderts, in der Zeit der Industrialisierung, des wachsenden Rationalismus und Kommunismus sowie der Bibelkritik, wäre ein vermehrter Aufbruch des lebendigen Glaubens an den unveränderbaren Messias so wichtig gewesen. Im Geiste der Aufklärung kam es aber zu einer immer stärkeren gegenseitigen Annäherung zwischen Theologie. Philosophie und Humanismus. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang folgende Personen: Johann Gottfried Herder (1744-1803): Philosoph, Schriftsteller und evangelischer Theologe. Das Wichtigste im Christentum sah er in der von Jesus geforderten Humanität. Er trat für eine umfassende Geschichtsbildung ein und ging ganz neue Wege in der Erziehung neuer Theologengenerationen. Immanuel Kant (1724-1804): Mathematiker, Physiker. Philosoph und Schriftsteller. Sein Hauptwerk war 1781 «Die Kritik der reinen Vernunft». Seine Werke waren der entscheidende Vorstoß, das Sittliche als das Maß göttlichen Willens zu betrachten. «Moralisch ist jede Handlung, die aus Achtung vor dem Sittengesetz und aus purer Pflichterfüllung geschieht.» Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768 -1834): Als Theologieprofessor hatte er im damaligen Preußen eine herausragende Bedeutung. Er widersetzte sich den Aussagen von Kant, der alles auf die Norm der Moral, die mit der Vernunft zu erfassen sei, reduzierte. Er betonte vermehrt, dass der Glaube nicht allein im Maß der Vernunft, sondern im Maß der Erfahrung begründet sein müsse. Religion ist nicht Sache der Moral, sondern Sache des Gefühls. Im religiösen Erlebnis wird das Gefühl geweckt, und so wird Religion erfahrbar. In allen Religionen sind Wahrheiten erfahrbar, doch im Christentum tritt uns die reinste und höchste Form der Wahrheit entgegen. Die religiöse Erfahrung wird zur göttlichen Offenbarung - gerade im Christentum. Diese Form der religiösen Inspiration wurde Kennzeichen weiter Kreise der Christenheit. Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831): Der Theologe Hegel gab zusammen mit dem Theologen Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling (1775-1854) die Zeitschrift «Kritisches Journal der Philosophie» heraus. Beide zusammen begründeten die «idealistische Philosophie», die besagt, die Vernunft sei der eigentliche Geist, der die Welt beherrsche. «Was vernünftig ist, das ist wirklich, was wirklich ist, das ist vernünftig», so die These. Insofern behauptete er, das Christentum sollte neu formuliert werden, im Sinne der idealistischen Philosophie. Die Überbetonung des Menschen und seiner Vernunft sowie die gesteigerte Wahrnehmung seines Ichs machten die Erlösung durch den Messias zunehmend überflüssig. Die gleiche Wirkung hatte die Vorstellung einer «ethischen Evolution», einer Höherentwicklung der Moral und Sitte im Miteinander. Der Mensch musste nur entdecken, dass er an sich und in sich göttlich war. Daher war der biblische Glaube an einen tatsächlich existierenden Gott für diese theologischen Philosophen oft nicht annehmbar. Durch die philosophischen Geistesströmungen in der Theologie wurden die biblischen Heilswahrheiten entstellt oder sogar ganz entwertet. Dadurch verblasste die Klarheit der messianischen Botschaft wieder, trotz aller errungenen bürgerlichen Freiheiten im 19. Jahrhundert wie in der Vergangenheit. Nur wenige waren in der Lage, die biblischen Wahrheiten laut zu verkünden und dafür einzutreten, und ihre Stimmen wurden nur von wenigen gehört. Missionarische Aktivitäten Das 19. Jahrhundert kann man wohl als die Blütezeit der Weltmission bezeichnen, auch wenn leider vieles geschah, was dem Evangelium widersprach. Da die Verfolgung der Protestanten durch die Katholiken weitestgehend vorbei war, entfalteten sich beide Konfessionen unabhängig voneinander in der ganzen Welt. Die Jesuiten und andere römisch-katholische Orden hatten schon im 16. Jahrhundert begonnen, in Indien, Japan und China zu missionieren, später kamen die Eroberungen der römisch-katholischen Staaten in Amerika hinzu. Frankreich besetzte große Gebiete in Nordamerika. Spanien und Portugal eroberten ganz Mittel- und Südamerika. Die ersten englischen Missionen sahen ihr Ziel darin, den Indianern das Evangelium zu bringen. Im 16. und 17. Jahrhundert dehnten die Holländer ihre Kolonien nach Ceylon. Malaysia und Indonesien aus. So begann die Mission dort durch Missionare, die von deutschen Pietisten beeinflusst waren. Die 1732 gegründete «Mährische Missionskirche» sandte im Laufe ihrer 150-jährigen Tätigkeit über 2000 Missionare in alle Teile der Welt. Es war eine ganz andere Art der Mission als jene der Jesuiten. 1795 wurde die «Londoner Missionsgesellschaft» gegründet. Diese und andere Missionen waren die Früchte der großen Erweckung davor. Die Missionare wirkten in Indien, China, Afrika. Westindien und im Südpazifik. Zum Ende des 19. Jahrhunderts entstanden viele amerikanische missionarische Organisationen, deren Anteil an der Weltmission im folgenden Jahrhundert noch stark anstieg. Das Ende der Illusion des ständigen Friedens (1900-1945) So kommen wir nun zum 20. Jahrhundert, das so reich an weltumspannenden Ereignissen und Entwicklungen war wie kein anderes. Die Herrscher und Völker der europäischen Staaten begrüßten das 20. Jahrhundert mit dem sicheren Gefühl, in einem neuen Zeitalter zu leben. Der wissenschaftliche und technologische Fortschritt des 19. Jahrhunderts hatte den meisten Völkern Wohlstand gebracht, und seit 1871 hatte es keine Kriege mehr gegeben. Es sah so aus, als hätte sich der Mensch in Europa tatsächlich zum Guten verändert. Bis 1914 schien dieser europäische Optimismus berechtigt. In Westeuropa herrschte über vierzig Jahre Frieden. In der Wissenschaft wurden weitere wichtige Entdeckungen gemacht: 1915 veröffentlichte der Physiker Albert Einstein (1879-1955) seine allgemeine Relativitätstheorie und veränderte das Weltbild der Physik. 1910 erfand der Mediziner Paul Ehrlich (1854-1915) «Salvarsan» gegen die Geschlechtskrankheit Syphi- lis und bahnte den Weg für Chemotherapie und Krebsforschung. Beide erlebten als Juden trotz Nobelpreisauszeichnung schwerste antisemitische Angriffe. So wie ihnen erging es unzähligen anderen auch. Nils Bohr (1885 -1962) brachte 1913 seine Atomkerntheorie hervor, die die Kriegswaffentechnik für immer veränderte. Erster Weltkrieg Doch am 1. August 1914 war der Traum vom friedlichen Europa zu Ende, der Erste Weltkrieg brach aus. Ausgelöst durch das Attentat auf das österreichische Thronfolgerpaar Erzherzog Franz Ferdinand und Herzogin Sophie am 28. Juni 1914 in Sarajewo, ließen sich die darauf folgenden Unruhen in ganz Europa nicht mehr unter Kontrolle bringen. Das Pflicht- und Ehrgefühl, das Vaterland verteidigen zu wollen, erfasste alle Nationen. Deutschland erklärte als erstes Land Russland den Krieg, in der Folge wurden alle anderen Länder mitgerissen, bis dahin, dass Japan in den Krieg eintrat, indem es wiederum Deutschland den Krieg erklärte. Der Erste Weltkrieg dauerte vier Jahre und endete mit den endgültigen Waffenstillstandsverträgen am 11. November 1918. Das Kräfteverhältnis war zu ungleich: Deutschland, zwar militärisch stark, hatte als Verbündete Österreich-Ungarn, das Osmanische Reich und Bulgarien, doch Letztere waren militärisch mehr Belastung als Hilfe. Ihnen gegenüber standen England. Frankreich. Russland, Italien und die USA als alliierte Mächte. Am 28. April 1919 wurden in Paris die Friedensverträge unterzeichnet. Danach entstand wiederum ein völlig neues Europa und ein vollkommen neuer Naher Osten. Das Österreich-Ungarische Reich wurde in die Länder Österreich, Ungarn, Tschechoslowakei und Jugoslawien aufgeteilt. Dasselbe geschah mit dem Osmanischen Reich, das komplett unterging. Doch es gab noch andere entscheidende Veränderungen: Deutschland. Österreich, Ungarn und die Türkei wurden Republiken. Aus dem zaristischen Russland entstand am 30. Dezember 1922 die Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken (UdSSR, heute zwölf Staaten der GUS) als Folge der russischen Oktober-Revolution von 1917. Deutschland war durch den Krieg wirtschaftlich ruiniert. Dazu kamen noch die gewaltigen Wiedergutmachungsforderungen der Alliierten, weil das Land im Versailler Vertrag vom 28. Juni 1919 die Alleinverantwortung für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges übernommen hatte. Außerdem verlor der Staat durch den Krieg seine Kolonien sowie große Gebiete an Frankreich und Polen. So kam es in Deutschland durch den Krieg zum völligen Zusammenbruch der Wirtschaft. Die Inflation stieg ins Unermessliche, die Mark verlor jeden Wert. Die Lebensmittel wurden unglaublich teuer. Die Arbeitslosigkeit betraf über sechs Millionen Menschen. Diese Situation erreichte zum Ende der zwanziger Jahre ihren Höhepunkt. Daraus entstand die größte je von Menschen verursachte Katastrophe, der Zweite Weltkrieg. Bedingt durch die Wirtschaftskrise und die hohen Arbeitslosenzahlen sahen viele in den auftretenden radikalen Parteien, besonders im Kommunismus und Sozialismus oder in der nationalsozialistischen Partei, ihre einzige Hoffnung. Adolf Hitler (1889-1945) trat am 12. September 1919 der neu gegründeten «Deutschen Arbeiterpartei» (DAP) bei, die am 24. Februar 1920 in «Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei» (NSDAP) umbenannt wurde. Er war zunächst ihr Propagandachef, bevor er sich am 29. Juli 1921 zum Parteivorsitzenden mit umfangreichen Vollmachten wählen ließ. Zu Beginn blieb die Partei klein und unbedeutend. Nach und nach wurde sie stärker, trotz zwischenzeitlichen Verbots. Nach der Neugründung am 27. Februar 1925 im Münchner Bürgerbräukeller verzeichnete sie Ende 1925 schon etwa 27000 Mitglieder. 1928 ca. 100000 Mitglieder und 2,8 Prozent der Wählerstimmen. 1930 hatte sie schon mehr als 400000 Parteizugehörige und erreichte 18,3 Prozent bei den Wahlen. Nur ein Jahr später folgte der Wahlerfolg mit 37,9 Prozent Stimmenanteil! Aufstieg der NSDAP Was konnte der Grund für diesen unglaublichen Aufstieg einer Partei sein, die zwar demokratisch gewählt wurde, aber die Abschaffung der Demokratie auf dem Plan hatte? Es war keine Hexerei, sondern eine Verkettung verschiedenster Ereignisse. die sich die NSDAP nutzbar machte. Die Kommunistische Partei wurde in diesen Jahren immer stärker. Das Schreckgespenst einer baldigen Übernahme der Herrschaft durch Russland wurde zur realen Bedrohung. Solch eine Situation jagte den finanzstarken Kapitalisten, den Fabrik-und Hausbesitzern, den Bauern und Geschäftsinhabern, ja selbst den Freiberuflichen, eine panische Angst ein. Sie fürchteten Enteignungen durch die Kommunisten. Was im russischen Reich geschah, durfte nicht auch Deutschlands Schicksal werden. Aber wie konnte das verhindert werden? Die meisten Bürger sahen nur eine Möglichkeit: Die NSDAP war ja auch eine sozialistische Arbeiterpartei. Sie musste für die Arbeitslosen attraktiver gemacht werden als die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Dafür sorgte die Deutschnationale Partei, der unwahrscheinlich viele Wirtschaftsleute mit viel Kapital angehörten, die ihre Partei mit sehr viel Geld versorgten. Das ermöglichte dieser Partei, die paramilitärischen Organisationen aufzubauen, um die Gegner der NSDAP physisch und psychisch zu vernichten. Die Euphorie in der Bevölkerung wuchs, als Adolf Hitler schließlich am 30. Januar 1933 vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847-1934) als Reichskanzler ernannt wurde. Die Zahl der Mitglieder in den braun uniformierten Sturmabteilungen (SA) und den schwarz gekleideten Schutzstaffeln (SS) schwoll an und erreichte auf dem Höhepunkt der Macht fast vier Millionen Angehörige. Diese politischen Privatarmeen dienten einem doppelten Zweck: zum einen dem fast täglich stattfindenden Straßenkampf gegen die Kommunisten, der oft mit Feuerwaffen ausgeübt wurde. Zum anderen diente der gewaltige Aufbau der SA und der SS einem noch wichtigeren Grund: Er versorgte die Arbeitslosen mit Geld, mit einer Uniform, dem Gefühl der Beschäftigung und - vielleicht als wichtigster Punkt - durch die Zugehörigkeit zur Privatarmee der NSDAP mit Selbstbewusstsein. Sie wurden plötzlich gebraucht, waren Teilhaber am Kampf für ein neues, besseres, gerechteres und starkes Deutschland. Das Ziel war, die Gegner zunächst einzuschüchtern und später zu vernichten. Gleichzeitig demonstrierte die NSDAP mit den Mitteln der Gewalt ihre Überlegenheit gegenüber jedem, der nicht für sie war. Dadurch erzwangen sie viele Parteieintritte, und auch viele Kommunisten sahen in der NSDAP schließlich den besseren und aussichtsreicheren Kämpfer für die Sache der Arbeitslosen. Der Zweite Weltkrieg Als am 27. Februar 1933 durch ein Attentat der Reichstag in Flammen aufging, nutzte dies der zuvor als Reichskanzler ernannte Adolf Hitler dazu, alle Formen politischer Opposition zu verbieten. Nicht nur die Kommunistische Partei wurde verboten. sondern sämtliche politischen Gegner wurden rücksichtslos ausgeschaltet. Ab diesem Zeitpunkt gab es keine legale Opposition mehr. Das angekündigte Tausendjährige Reich der Nationalsozialisten (Nazis) hatte begonnen. Es bestand zwölf Jahre, bis 1945, doch die begangenen Verbrechen wären selbst für tausend Jahre zu viel gewesen. Im Laufe von sechs Jahren bereitete die NSDAP Deutschland militärisch, wirtschaftlich und psychologisch auf den Krieg vor. Zu diesen Vorbereitungen gehörte auch das «friedliche» Annektieren von Österreich und des Sudetenlandes 1938. Ebenso die Besetzung und Aufteilung der Tschechoslowakei in die Protektorate Böhmen, Mähren und Slowakei. Am 1. September 1939 griff die deutsche Armee Polen an und löste dadurch den Zweiten Weltkrieg aus. Daraufhin erklärten England und Frankreich Deutschland den Krieg. In der ersten Phase des Krieges wurde 1940/41 Frankreich besiegt. Holland, Belgien. Dänemark, Norwegen und später der Balkan wurden besetzt. Trotz des Nichtangriffsvertrages mit Russland vom 23. August 1939 beschloss Hitler, am 22. Juni 1941 in Russland einzumarschieren. Erst 1942 kam die große Wende und der Beginn des deutschen Rückzuges. Die Niederlagen von Stalingrad in Russland und El Alamein in Nordafrika sind symbolisch für diese Wende. Der japanische Überfall auf Pearl Harbour am 7. Dezember 1941 brachte auch die USA in den Krieg gegen Deutschland und Italien. Am 9. Mai 1945 war diese größte Katastrophe in Europa zu Ende und die faschistischen Aggressoren besiegt. Der Zweite Weltkrieg hatte das Leben von über 56 Millionen Europäern gekostet. Große Teile von Russland waren verwüstet, die Städte in Deutschland und England Trümmerhaufen. Mehr als 35 Millionen Menschen, Zivil- wie Militärpersonen, wurden auf beiden Seiten verwundet oder zu Kriegsinvaliden. Über zwei Millionen Menschen blieben verschollen. Dieser Krieg verursachte Kosten in der unglaublichen Höhe von 1154 Milliarden US-Dollar. Niemand hatte aus diesem irrsinnigen, fast schon apokalyptische Züge tragenden Krieg auch nur den geringsten Nutzen gezogen. Die Haltung der Kirchen Anfang des 20. Jahrhunderts Die römisch-katholische Kirche war nicht wie die protestantische Kirche mit den Fragen der Bibelkritik beschäftigt. Bis zum 19. Jahrhundert hatte der politische Machterhait zu den wichtigen Aufgaben der Päpste gehört. Nun wandte sich die Kirche stärker der Neuorganisation in den eigenen Angelegenheiten und den «inneren» Aufgaben zu. Papst Pius X. (R. 1903-1914) begann 1904 mit einer totalen Reorganisation der gesamten Kirche, die zwölf Jahre andauerte. Die gesamte Verwaltung, die Gliederung der Weltkirche, die Missionsstationen, all das wurde neu geregelt. Außerdem ver- fasste der Papst eine neue Ausgabe des kirchlichen Rechtes. Es trat erst 1918 in Kraft und galt für die ganze römisch-katholische Kirche. Diese Neuregelungen schafften eine klarere, gemeinsame Grundlage. Dies stärkte die Position des Papstes so weit, dass alle Kirchen noch mehr durch Rom regiert und geführt wurden. Es entstand nun praktisch eine «zentrale Regierung» der Weltkirche. Die Päpste traten nun auch vermehrt als Lehrer der Gesamtkirche auf. Jährliche Botschaften und Glaubensunterweisungen über alle Themen, die mit der Religion verbunden waren, wurden veröffentlicht. Viele Lehren und Entscheidungen besaßen zum großen Teil keine biblische Grundlage. Dennoch gaben sie den Menschen eine Anleitung für ein Leben, das stärker moralisch und geistlich ausgerichtet war als bei Menschen ohne religiöse Bindung in der säkularen Welt. Die evangelische Kirche und die Ökumene Nie zuvor wurde der ökumenische Gedanke in früheren Jahrhunderten so zielstrebig verfolgt wie im 20. Jahrhundert. Es gab zwar im 19. Jahrhundert verschiedene Bestrebungen, überkonfessionell zusammenzuarbeiten, so durch die Bibelgesellschaften in Europa und Amerika oder durch die Gründung der Evangelischen Allianz 1848, den christlichen Studentenweltbund 1895 und den CVJM. Doch der eigentliche Motor der überkonfessionellen Bewegung war John R. Mott (1865-1955), der für seine Verdienste 1946 den Nobelpreis erhielt. Er organisierte 1910 die erste Weltmissionskonferenz in Edinburgh/ Schottland. Über tausend Delegierte kamen unter dem Generalthema «Die Evangelisierung der Welt in dieser Generation» zusammen. Aus dieser Konferenz ging der «Internationale Missionsrat» hervor, der 1921 in den USA tagte. Die Dynamik setzte sich weiter fort, so dass 1928 die dritte Konferenz des «Internationalen Missionsrates» stattfand, diesmal in Jerusalem. Es folgten weitere Weltmissionskonferenzen, unter anderem in Neu-Delhi, Mexiko-Stadt und Bangkok. Als Folge der ersten Weltmissionskonferenz 1910 fand im Jahre 1927 in Lausanne/Schweiz die «Weltkonferenz christlicher Kirchen für Glaube und Ordnung (Kirchenverfassung)» statt, an der auch die orthodoxen Kirchen teilnahmen. Die Schwerpunktthemen lagen in der Überlegung, dass echte Einheit der Kirchen nur durch die Einheit in den Glaubens- und Lehrfragen erzielt werden konnte. 1937 folgte die zweite Konferenz in Edinburgh/Schottland. Auf die Initiative von Nathan Söderblom (1866-1931) wurde 1925 in Stockholm/Schweden die «Weltkonferenz für praktisches Christentum» einberufen. Das Generalthema «Leben und Arbeit» beinhaltete die internationale Zusammenarbeit auf praktischen Gebieten, sowie die Stellungnahme zu wirtschaftlichen und sozialen Fragen. Das Motto von Stockholm wies schon auf das Ziel der Konferenz hin - nämlich «Einheit»: «Die Lehre trennt, doch der Dienst eint!» Nach der zweiten Konferenz 1937 in Oxford/England wurde die Bewegung der «Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung» mit der gegründeten «Weltkonferenz für praktisches Christentum» 1938 in Utrecht/Nieder-lande zu einem «Gemeinschaftskomitee» vereinigt. Nach dem grausamen Zweiten Weltkrieg sahen die kirchlichen Bewegungen in Europa und Amerika ihre Aufgabe vorrangig darin, alles zu tun. damit sich solch eine Katastrophe nicht wiederholte. Daher tagte am 23. August 1948 in Amster-dam/Niederlande das Gemeinschaftskomitee unter dem Leitmotiv «Menschliche Unordnung und Gottes Plan», in dessen Rahmen der «Ökumenische Rat der Kirchen», der erste tatsächliche «Weltkirchenrat», gegründet wurde. Sie verstanden sich als «eine Gemeinschaft von Kirchen, die unseren Jesus Christus als Gott und Heiland anerkennen». Es beteiligten sich 147 Kirchen aus 44 Ländern (ohne die römisch-katholische und die russisch-orthodoxe Kirche). Der «Internationale Missionsrat» trat dann 1961 dem Weltkirchenrat bei, der in Neu-Delhi/Indien unter dem Thema «Jesus Christus, das Licht der Welt» tagte. Weitere Vollversammlungen aller Mitglieder folgten bis heute, so dass gegenwärtig die internationale Christenheit unter dem Dach des «Ökumenischen Rates der Kirchen» weltweit vernetzt ist, gleichzeitig aber nationale Arbeitszweige und Komitees hat, wie zum Beispiel die «Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland», die 1948 ins Leben gerufen wurde. Oft wurde die wahre Botschaft des Evangeliums von anderen, säkularen Themen überschattet. Der Kampf für die «Befreiung» von wirtschaftlicher und sozialer Ungerechtigkeit wurde oft der dominierende Teil der Botschaft. Diese Tendenz ging so weit, dass sogar ein Beschluss gefasst wurde, säkulare Programme finanziell durch den Weltkirchenrat zu unterstützen. Die Kirchen und die Diktaturen In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen entstanden im «aufgeklärten» Europa drei totalitäre Regierungsarten. Der Kommunismus, der ab 1917 in Russland herrschte, hatte eine klare atheistische, antireligiöse Einstellung. Die russisch-orthodoxe Kirche hatte keinen gesellschaftlichen Einfluss mehr. ln Italien wurde am 30. Oktober 1922 Benito Mussolini (1883-1945) Ministerpräsident. Mit Hilfe seiner bürgerlichen Massenpartei bildete er einen faschistischen Staat. Durch Lateranverträge zwischen Italien und der römisch-katholischen Kirche unter der Führung von Papst Pius XL (R. 1922-1939) wurde am 11. Februar 1929 die Beziehung zwischen Staat und Kirche geregelt. Der Sitz des Papstes wurde als «Staat der Vatikanstadt» als selbständiger Staat anerkannt. In Deutschland war die Entwicklung ganz anders. Als Hitler 1933 Reichskanzler wurde, begrüßten nicht wenige Christen diesen Regierungswechsel. Als Erstes sahen sie im Naziregime ein Bollwerk gegen den atheistischen Kommunismus, doch war das leider nicht der einzige Grund. Die vorwiegend liberale Theologie war auch nationalistisch und sogar rassistisch ge- färbt. Das Deutsche Reich unter der Führung der NSDAP versuchte. das Alte Testament, den jüdischen Hintergrund des Neuen Testaments, die jüdischen Wurzeln Jesu und andere jüdische Spuren aus dem Christentum zu entfernen, um die Verkündigung des Evangeliums im Sinne arisch-nationaler Lehre des Deutschen Reiches auszurichten. Zunächst wollte Adolf Hitler jedoch das Vertrauen der römisch-katholischen Kirche gewinnen. So wurde schon ein halbes Jahr nach der Machtübernahme im Juli 1933 ein Konkordat mit dem späteren Papst Pius XII. (R. 1939-1958) unterzeichnet. Die nationalsozialistische Regierung sicherte darin der römisch-katholischen Kirche freie Religionsausübung und selbständige Regelung aller kirchlichen Angelegenheiten zu und erlaubte das Weiterbestehen ihrer Organisationen. Im Gegenzug bestätigte die römisch-katholische Kirche die Auflösung der «demokratischen katholischen Zentrumspartei», der Vorläuferin der Christlich Demokratischen Union, was einen Triumph für die Nationalsozialisten bedeutete, denn dadurch wurde die Machtfülle Adolf Hitlers von der Kirche legitimiert und bekam internationales Ansehen. Später warf man der Kirche vor, sie hätte durch das Konkordat die Naziregierung in der Welt «salonfähig» und eine römisch-katholische Opposition in Deutschland unmöglich gemacht. Doch kaum war das Konkordat unterzeichnet, wurde es schon verletzt. Die römisch-katholischen Jugendverbände wurden verboten, wenn sie sich nicht der Hitlerjugend anschlossen. Priester, die das Regime nicht unterstützten, bekamen Predigtverbot. Gewaltakte, ja sogar Morde, sollten jeden Widerstand im Keim ersticken. Ab 1934 gab es in Deutschland keine oppositionellen Gruppen mehr, egal ob sie politischen, sozialen oder religiösen Zwecken dienen wollten. Der Papst wandte sich in mehr als siebzig Schreiben an die deutsche Regierung und beklagte sich über die Angriffe und Maßnahmen gegenüber römisch-katholischen Einrichtungen, doch ohne Erfolg. Im Jahre 1937 verlas der Papst eine Botschaft an die deutschen Katholiken, in der er den Nationalsozialismus eine Irrlehre nannte, «die den Wahnversuch macht, den Schöpfer der Welt zu einem Nationalgott herabzusetzen und in eine nationale Religion hineinzuquetschen». Doch das war zu spät, so dass weder ein Aufstand noch ein Abfall der Katholiken vom Nationalsozialismus stattfand. Die mächtige Propaganda, die Erfolge Hitlers oder die Angst vor der allmächtigen Gestapo (Geheime Staatspolizei) mit ihren Konzentrationslagern waren mögliche Gründe für die Passivität der Katholiken, doch nicht die einzigen. Wesentlicher war. dass für die meisten Glieder der römisch-katholischen Kirche die Ziele des Regimes attraktiv erschienen und sie diese oft aktiv unterstützten. Die Deutsche Evangelische Reichskirche Nun zu der größeren Kirche, der evangelischen, protestantischen Kirche. Um das Jahr 1929 gründete eine kleine lokale Gruppe nationalsozialistisch gesinnter Pfarrer in Thüringen einen Bund, den sie «Deutsche Christen» nannten. Aus ihm ging im Jahr 1932 die «Glaubensbewegung Deutscher Christen» hervor. Diese Bewegung organisierte sich streng nach dem Willen der NSDAP und nannte sich selbst die «SA [Sturmabteilung] Jesu Christi». Die Deutschen Christen bekannten sich ausschließlich zu einem «positiven Christentum», wie es im Parteiprogramm der NSDAP verlangt wurde. Sie forderten für sich selbst die «Rassenreinheit» als Voraussetzung für die Kirchenmitgliedschaft. Ebenso sollte die evangelische Kirche von allen jüdischen Wurzeln «gesäubert» werden. Im April 1933 erklärte der Oberkirchenrat von Berlin, die Kirche müsse «an der nationalen, religiösen und sittlichen Erneuerung unseres Volkes mitarbeiten». Hitler gefiel der Gedanke, die Kirche mit der Partei gleichzuschalten, was durch eine «Deutsche Evangelische Reichskirche» erreicht wurde. So ernannte er den Pfarrer Ludwig Müller (1883-1945) von den Deutschen Christen 1933 zum Reichsbischof. Danach wurden alle Landeskirchen in die Deutsche Evangelische Reichskirche integriert, und bei den folgenden Kirchenwahlen erhielten die Deutschen Christen achtzig Prozent der Stimmen. Die offene Spaltung der Deutschen Evangelischen Reichskirche erfolgte, als die Deutschen Christen auf einer Synode am 6. September 1933 den für Beamte geltenden Arierparagraphen auch für die Kirchenämter einführten. Pfarrer Martin Nicmöller (1892-1984) gründete daraufhin den «Pfarrernotbund», weil er in diesem Vorgehen einen Verstoß gegen die Bibel und das Bekenntnis der evangelischen Kirche sah. Dem Pfarrernotbund gehörten sehr bald über 7000 Pfarrer an. Wenig später ging aus ihm die «Bekennende Kirche» hervor. Die Bekennende Kirche Die theologische Grundlage der Bekennenden Kirche wurde in Wuppertal-Barmen durch die «Barmer Theologische Erklärung» im Mai 1934 gelegt, die hauptsächlich durch den Pfarrer Karl Barth (1886-1968) formuliert wurde. Die Bekennende Kirche wurde in der Zeit der Naziherrschaft stark verfolgt. Karl Barth musste im Jahr 1935 Deutschland verlassen. Martin Niemöller kam von 1937 bis 1945 als persönlicher Gefangener Hitlers in verschiedene Konzentrationslager. Er war einer der bedeutendsten Kirchenführer im Kirchenkampf der Bekennenden Kirche gegen den Nationalsozialismus. Der Theologe Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) leitete ein Ausbildungsseminar für Pfarrer der Bekennenden Kirche. Als die Nazis das herausfanden, ging er ins Ausland. Dort alarmierte er die Christen durch seine Berichte über das wahre Wesen des Nationalsozialismus. 1939 kehrte Bonhoeffer nach Deutschland zurück. Später beteiligte er sich auch an der Widerstandsbewegung und wurde 1943 ins Gefängnis und dann ins Konzentrationslager gesteckt. Am 9. April 1945, nur vier Wochen vor der Kapitulation Deutschlands, wurde Dietrich Bonhoeffer auf persönlichen Befehl Hitlers hingerichtet. Die Erklärung der Barmer Synode war einer der wenigen Lichtblicke im düsteren Verhalten der evangelischen Christen, doch leider fanden sie keine Worte gegen den Antisemitismus. Selbst als in den eigenen Reihen der Bekennenden Kirche Mitarbeiter verhaftet wurden, weil sie jüdischer Abstammung waren, gab es weder Proteste noch Hilfe. Verfolgung der Juden Die Nazis verursachten den größten Genozid der Menschheitsgeschichte, allein in den Vernichtungslagern wurden an die zwanzig Millionen Menschen umgebracht. Ein großer Teil kam aus den Völkern, mit denen sich Deutschland im Krieg befand: Polen. Russen, Ukrainer, Jugoslawen, Griechen. Franzosen. Eine andere Gruppe waren Deutsche, die sich dem Regime widersetzten oder dessen verdächtigt wurden. Dann gab es die Sinti und Roma, die Zigeuner und die Juden. Allein von der jüdischen Bevölkerung wurde insgesamt ein Drittel des Gesamtvolkes, ca. sechs Millionen, umgebracht. Warum wurden sie erschlagen, vergast, verbrannt, erschossen und warum verhungerten sie? Alte und junge Männer, Frauen und über 1,5 Millionen Kinder? Die Täter waren in der Regel getaufte Menschen und Glieder einer der großen Kirchen. Selbst Väter oder Mütter waren oftmals bereit, im Namen der nationalsozialistischen Ideologie der Herrenrasse andere auf das Grausamste zu quälen und zu töten. Es gibt keine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem Warum. Wir können jedoch Tendenzen feststellen, die solch ein Handeln begünstigten. Es war die Frucht eines krankhaften Hasses der Christen durch eine jahrhundertelange einseitige Verkündigung, die den christlichen Antisemitismus immer wieder neu nährte: Im Juden dokumentiere sich das Gerichtshandeln Gottes, die Synagoge sei verworfen, die Kirche dürfe über sie triumphieren, denn das neue Gottesvolk seien die Christen. Daher dürfe auch der Christ am Juden das Gericht vollziehen, so der Schwerpunkt der Verkündigung. Des Weiteren wurde der Vernichtungswahn durch das Ideal einer mystischen Rassentheorie begünstigt. Diese besagte, dass sich in der nordisch-germanischen Rasse des Menschen das vollkommene Ideal der Evolution verkörpere. Daher musste alles andere, das als lebensunwertes Leben galt und den Volkskörper schädigte, unbarmherzig vernichtet werden, als Schöpfungsakt für eine neue, bessere Menschheit in einer höher stehenden Welt. Diese Rassen- und Volksmystik begeisterte Millionen, und das System gab dem Menschen eine neue Identität. Christlicher Antisemitismus Die wichtigste Komponente in dieser ganzen Entwicklung ist der christliche Antisemitismus und der 1700 Jahre alte Hass auf alle Juden, seit den Tagen des römischen Kaisers Konstantin. Und worauf beruht dieser Hass auf die Angehörigen eines Volkes? Dafür gibt es wohl drei Gründe: 1. Fast 2000 Jahre mussten die Juden zerstreut unter den Völkern leben. Immer wieder vertrieben, zogen sie heimatlos umher. Aufgrund des Festhaltens an den überlieferten Traditionen wurde das Judentum immer als ein Fremdkörper im anderen Volk empfunden. In der Regel assimilierten sich Juden nicht, bis auf einzelne Epochen in der Diaspora. 2. Der Glaube an den Messias wurde in den Kirchen so erklärt. dass das Kreuz nur die Folge und das Resultat des Hasses der Juden auf Jesus gewesen sei. Für das Ereignis von Golgatha trügen die Juden bis in alle Zeit die Verantwortung. So wurden die Juden als Gottesmörder dargestellt. Nur ihnen allein wäre diese Tat als Ausdruck des Unglaubens anzulasten. Von daher trügen sie durch die Zerstörung Jerusalems und die Zerstreuung in die Welt das Gericht Gottes. Ein unsinniges Ergebnis antijüdischer Theologie. Und selbst der Ausdruck «Gottesmörder» ist falsch. Wie können Menschen Gott ermorden? 3. Die Erwählung Israels wurde als Grund für jüdische Überheblichkeit gedeutet. Die einzige wahre Erwählung im Alten Testament war die prophetische Deutung der Verheißungen für die Kirche, die den neuen Menschen hervorgebracht hatte und so das Reich Gottes verwirklichte. Das Resultat dieser drei Linien war, dass Juden in der Zeit von 1933 bis 1945 systematisch verfolgt und ermordet wurden wie noch nie zuvor in Europa. Bis in das kleinste Detail wurden Pläne ausgearbeitet, die sicherstellen sollten, dass alle Juden bis in das dritte Glied ihrer Abstammung vernichtet wurden. Der endgültige Beschluss zur fabrikmäßigen Vernichtung der Juden durch Gasanlagen und Krematorien in den Konzentrationslagern wurde am 20. Januar 1942 auf der Wannsee-Konferenz in Berlin gefasst. Die «Endlösung der Judenfrage» sollte darüber hinaus noch mit speziellen «Einsatzgruppen», die überall Juden aufspüren und töten sollten, in allen faschistischen und vom Deutschen Reich besetzten Ländern durchgeführt werden. Wie verhielten sich die Kirchen und die einzelnen Christen zur Judenverfolgung? Wir erwähnten ja schon, dass selbst die Barmer Synode der Bekennenden Kirche nichts gegen den Antisemitismus sagte. Ebenso war von der Deutschen Evangelischen Reichskirche nichts zu erwarten, da sie völkisch-national ausgerichtet war. Der volle Gehorsam der deutschen Kirche dem Naziregime gegenüber wurde in der Regel theologisch so begründet, dass man der Regierung gehorchen müsse, da sie von Gott eingesetzt sei. Bei der römisch-katholischen Kirche war es nicht anders, nur dass die Schuld dort aufgrund der zentralistischen Autorität eigentlich den Papst traf. Papst Pius XII. verurteilte die Vernichtung der Juden bis zu seinem Tod niemals öffentlich. Doch gab es in beiden Konfessionen einzelne Christen, die Juden halfen und retteten. Oft war die Hilfe mit großem persönlichen Risiko verbunden. Wir müssen bedenken, dass jede Form der Hilfe für einen Juden, egal ob für ein Kind oder einen Erwachsenen, gleichzeitig den eigenen Tod bedeuten konnte. In dieser dunkelsten Stunde der Menschheit leuchtete das Licht der wahren Helden am stärksten. C Das «Heute» (ab 1945) Nach der Kapitulation Deutschlands und aller seiner Verbündeten am 9. Mai 1945 kehrte im komplett zerstörten Europa wieder Frieden ein. Das alte Europa verlor seine Vormachtsstellung an die Siegerstaaten, besonders an die USA und die UdSSR. Durch die Entwicklung der Atom- und Wasserstoffbomben bauten die Siegermächte ihre Vormachtstellung im geteilten Europa aus. Dadurch begann unmittelbar nach Kriegsende der «Kalte Krieg» zwischen den beiden Blöcken, da ein unterschiedliches Verständnis über die Herrschaft in den jeweils eroberten Gebieten herrschte (Ostblockstaaten wurden primär von der Sowjetunion verwaltet, Westdeutschland von den USA, Großbritannien und Frankreich). Zum Schutz vor einem möglichen erneuten Krieg wurde am 26. Juni 1945 die UNO (Vereinte Nationen) gegründet mit dem Ziel, den Frieden zu sichern. Entwicklung in Deutschland Am 24. Mai 1949 wurde in den drei westlichen Besatzungszonen die Bundesrepublik Deutschland (BRD) gegründet, wie sie bis 1989 existierte, und in der sowjetischen Besatzungszone am 7. Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik (DDR). Diese beiden deutschen Staaten waren bis zum 9.November 1989 getrennt. Aufgrund dieser Teilung, die noch durch den Mauerbau entlang der Grenze beider Staaten am 13. August 1964 verstärkt wurde, verlief die Entwicklung im gesellschaftspolitischen wie auch im kirchlichen Bereich komplett unterschiedlich. Eine kirchliche Mitgliedschaft brachte in der sozialistischatheistisch geführten DDR viele gesellschaftliche Nachteile für den Gläubigen mit sich, so dass bis 1989 die Zahl der Atheisten bzw. der Konfessionslosen mit am höchsten in Europa war. In der Bundesrepublik Deutschland dagegen konnten sich die beiden großen Konfessionen neu organisieren und ihre Arbeit aufnehmen. Dort zeigten sich allerdings die Folgen der historisch-kritischen Theologie: Die evangelische Kirche wurde immer liberaler. Als Reaktion darauf entstand die evangelikale Bewegung, die sich darum bemühte, die Bibel als das Wort Gottes herauszustellen, damit der Glaube wieder gefördert wurde. Männer wie der Tübinger Professor und Pietist Karl Heim (1874-1958) und Otto Michel (1903-1993), der das Erbe des großen pietistischen Theologieprofessors Adolf Schiatter (1852-1938) weiterführte, wurden Mitbegründer des ersten pietistischen evangelikalen Studienhauses auf Universitätsniveau, des Albrecht-Bengel-Hauses in Tübingen. Weil das Evangelium immer mehr ideologisch verfremdet wurde, wie es der Erlanger Professor Walter Künneth (1901-1997) einmal formulierte, wurde ein «theologischer Konvent bekennender Gemeinschaften» gegründet, aus dem zahlreiche Strömungen in das Land flössen, unter anderem die 1966 gegründete Bekenntnisbewegung «Kein anderes Evangelium». Sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland wurden Institutionen für eine bibeltreue wissenschaftliche Ausbildung im Sinne der evangelikalen Bewegung gegründet: 1970 die Freie Evangelische Theologische Akademie (FETA. heute STH) in Basel. 1978 die Freie Theologische Akademie (FTA) in Gießen. In diesen Jahren entstanden zahlreiche andere Werke als Ausdruck des Kirchenkampfes gegen jede Form der Liberalisierung. Insofern nahm die Bewegung der Gläubigen im Westen Deutschlands nach dem Krieg im Gegensatz zum Osten zu, wo die Gläubigen einem zunehmenden staatlichen Druck ausgesetzt waren. Besonders stark im Sinne der Bekenntnisbewegung arbeitende Evangelisten wie Gerhard Bergmann (1914-1981), Heinrich Kemner (1903-1990) und vor allem Wilhelm Busch (1887-1966) wirkten unter Hunderttausenden von Menschen. Durch ihre Verkündigung oder durch ihre Bücher sind überaus zahlreiche Menschen zum Glauben an Jesus als den Christus gekommen und in pietistische Gemeinden integriert worden. Besonders die Evangelische Allianz, die ja schon 1846 in England gegründet worden war, organisierte in Europa nach dem Weltkrieg Großevangelisationen mit dem Prediger Billy Graham, um Menschen zur Umkehr zu Gott und zurück zum Evangelium der Gnade Gottes zu rufen. Unter Grahams Ehrenvorsitz wurde 1974 in Lausanne/ Schweiz eine Weltkonferenz für Evangelisation mit über 3000 Teilnehmern aus 150 Ländern durchgeführt. Es entwickelte sich ein gesamtcvangelikales Verständnis für die ganzheitliche Aufgabe der Mission und Evangelisation in Verbindung mit der sozialen Verantwortung gegenüber allen Menschen. Doch nicht nur die Evangelisation stand im Vordergrund, sondern auch die Betonung der Loyalität gegenüber der Heiligen Schrift als dem Wort Gottes. Auf dem Folgekongress in Manila 1989 ging die Dringlichkeit der Weltmission mit folgender Formel in die Geschichte ein: «Das ganze Evangelium durch die ganze Gemeinde an die ganze Welt». Politisch schlossen sich West- und Mitteleuropa zu einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zusammen. Die technologischen und wissenschaftlichen Errungenschaften in allen Bereichen der Forschung konnten in Europa nicht mehr das leisten, was vor dem Krieg möglich gewesen war, weil die meisten Wissenschaftler entweder tot oder emigriert waren. Dennoch konnte der Lebensstandard in der westlichen Welt mit den Jahren wieder steigen. So liegt die Lebenserwartung zu Beginn des 21. Jahrhunderts um zwanzig Jahre höher als ein Jahrhundert zuvor. Bis auf den Jugoslawienkrieg, der 1991 ausgebrochen war, erlebte Europa seit dem Zweiten Weltkrieg keine Kriege mehr. Der Bürger genießt eine höhere Gesundheitsvorsorge, einen höheren Lebensstandard, ja sogar ein längeres Leben. All das ähnelt doch schon sehr dem Paradies, so könnte man den Eindruck haben. Doch es ist nicht so, und wir können erahnen, weshalb. Entwicklung des Christentums weltweit Der Schwerpunkt der christlichen Religion verlagerte sich nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende des Kolonialismus mehr und mehr von Europa und Nordamerika in die Dritte Welt. Große Auswirkungen hatte auch der Zusammenbruch der kommunistischen Regimes 1989/1990 in den osteuropäischen Ländern. Die Regierungen öffneten die Tore für die christliche und andere Religionen. Die Missionsarbeit in Osteuropa wurde zum Teil jedoch nicht von europäischen, sondern von amerikanischen Organisationen geleistet. Die römisch-katholische Kirche seit 1945 Das 2. Vatikanische Konzil, von Johannes XXIII. (R. 1958-1963) einberufen, brachte gewisse Veränderungen. Als Erstes wurde den nicht römisch-katholischen Kirchen eine Existenzberechtigung eingeräumt. Sie gehörten zwar nicht zu der «einzig wahren Kirche», aber sie wurden respektiert und nicht mehr bekämpft. Auf theologischem Gebiet wurde viel diskutiert, doch wenig verändert. Zum Beispiel blieb das römisch-katholische Verständnis von der göttlichen Offenbarung unverändert: Es existieren zwei Quellen, die Heilige Schrift und die Traditionen. Einen gewissen Fortschritt gab es in Bezug auf die Bibelübersetzungen. Bei ihnen sollte von nun an eine Zusammenarbeit mit einzelnen nicht römisch-katholischen Gelehrten möglich sein. Der Papst behielt weiterhin die oberste Autorität über die Bischöfe. Dagegen waren im Gottesdienst Neuerungen offensichtlich: Es gab Veränderungen in der Liturgie, die Messe wurde mehr gemeinschaftlich gehalten, Latein wurde durch die Landessprache ersetzt, das Lesen der Bibel wurde empfohlen. Radikalere theologische Ansichten, die in der innerkirchlichen Reform noch weiter gehen wollten, wmrden nach dem Konzil veröffentlicht, doch vom Papst abgelehnt. Ab 1966 begann die charismatische Bewegung, den modernen Katholizismus zu beeinflussen. Diese Bewegung war von den Protestanten nach Rom gebracht worden und unterschied sich im Katholizismus wenig von dem, was bei den Protestanten geschah: Eine Betonung des persönlichen Gebets, intensives Bibelstudium und der Gebrauch von Geistesgaben kennzeichneten diese Geistesströmung. Dazu kam im römisch-katholischen Bereich speziell die verstärkte Anbetung der Maria. Doch die grundlegenden Lehren des Katholizismus blieben unverändert, besonders das Verständnis des göttlichen Charakters von Traditionsoffenbarung, aber auch die Lehre der sieben Sakramente zur Erlösung, die Anbetung Marias, die Mittlerstellung des Papstes usw. Gleichzeitig existierten dabei in der römisch-katholischen Kirche immer mehr Kräfte, die eine engere Beziehung zu den nichtkatholischen Christen suchten. Selbst wenn in äußeren Dingen Verschiedenheiten übersehen werden konnten, blieb es jedoch dabei: Wirkliche Einheit kann es nur im gemeinsamen Verständnis des Evangeliums geben, in dem deutlich wird, dass die Botschaft des Messias unveränderlich ist. Neue judenchristliche Bewegung In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden durch den Einfluss des Pietismus Gesellschaften gegründet, deren Ziel es war. das Evangelium zu den Juden zu bringen. Der Unterschied zu früher bestand darin, dass keine Absicht bestand, die Juden durch die Annahme Jesu als Messias von ihrem Volk zu entfernen oder ihre Identität zu verändern. Diesen Verkündigern war klar, dass der Glaube an Jesus zunächst biblisch ist und auf jüdischen Wurzeln beruht. So taten während der folgenden Jahrzehnte viele Juden in Europa und später auch in Amerika diesen Schritt auf Jesus zu. Etwas Außergewöhnliches geschah: Nach einer Unterbrechung von rund 1500 Jahren gab es im Leib Christi, der Gemeinde Jesu, wieder Juden, die an Jesus als den Messias glaubten. Sie hatten diesen Schritt aus Glauben getan, nicht durch Zwangstaufen oder aus Opportunismus für ein besseres Leben. Dank des tiefen Glaubens dieser Leute und ihrer engen Verbun- denheit mit dem Alten Testament dienten viele dieser Judenchristen als Pastoren, Missionare, Lehrer und Bibelforscher. Sie schlossen sich in der Regel bestehenden Gemeinden und Kirchen an und bildeten dort kleine Minderheiten. Damit sie aber ihre jüdische Identität bewahren konnten, wurde 1865 in England die «Judenchristliche Allianz» ins Leben gerufen. Später kam dann die «Internationale Allianz der Hebräischen Christen» hinzu, mit Zweigstellen in allen Ländern, wo es eine nennenswerte Zahl jüdischer Gläubiger gab. Zusammen mit amerikanischen Judenchristen wurde die erste internationale Konferenz aller Judenchristen weltweit vom 5. bis 12. September 1925 in London durchgeführt. Diese internationale Organisation der Judenchristen umfasste bei ihrer Gründung zwölf nationale Allianzen, vor dem Zweiten Weltkrieg waren es schon zwanzig. Das wichtigste Mitteilungsblatt der Allianz war «The Heb-rew Christian», das zu Zehntausenden gedruckt wurde und noch heute existiert. 1928 wurde die zweite «Internationale judenchristliche Konferenz» in Hamburg unter der Leitung von Pastor Arnold Frank abgehalten. Diese ganze Bewegung wurde am 15. September 1935 durch die ersten Nürnberger Gesetze abrupt gestoppt, wonach Juden nicht mehr länger deutsche Bürger sein durften. Das betraf auch die Judenchristen. Am 20. Januar 1942 wurde im Rahmen der «Wannsee-Konferenz» die «Endlösung der Judenfrage» für das Deutsche Reich verabschiedet. Diese «Endlösung» vernichtete das Judenchristentum in Deutschland radikal. Erst die messianische Bewegung der letzten Jahre konnte wieder beginnen, an manch Vergangenem anzuknüpfen. Zionismus Parallel dazu wurde durch den Journalisten Theodor Herzl (1860-1904) und durch den ersten Zionistischen Kongress 1897 in Basel der Zionismus zu einer politischen Kraft. An dieser Konferenz nahmen auch zahlreiche Judenchristen teil. Denn die 2000 Jahre alte Sehnsucht der Rückkehr in die alte Heimat sollte verwirklicht werden. Juden wunderten in das damals als Palästina bezeichnete Land ein, doch diesmal nicht, um dort zu sterben, sondern um zu leben und um das damals unter türkischer Herrschaft stehende Land aufzubauen. Im Ersten Weltkrieg (1914-1918) eroberten die Engländer das Land und gaben die bekannte Balfour-Erklärung ab. Der Außenminister Lord Arthur James Balfour (1848-1930) sprach den Juden das Recht zu, in Palästina eine Heimstätte zu errichten. Nach 1900 Jahren wurde den Juden wieder ein Recht auf die alte Heimat zugesprochen; es sollte eine nationale Heimstätte für das jüdische Volk sein. In den folgenden dreißig Jahren wanderten ca. eine halbe Million Juden ein. Der jüdische Staat entstand dann am 14. Mai 1948. Judenchristliche Gemeinden Doch nun trat immer kraftvoller eine ganz neue Erscheinung in Israel und in der Diaspora, besonders in den USA. auf. Immer mehr Juden nahmen Jesus als ihren persönlichen Erlöser an, mit dem klaren Verständnis, dass er Israels Messias sei. Er. der vor 2000 Jahren zu den «Seinen» kam, dem Volk Israel, um sie zu erlösen. Sie taten dasselbe, was damals ihre jüdischen Glaubensgeschwister getan hatten: Sie gründeten Gemeinden von messiasgläubigen Juden. Die Mehrzahl von ihnen trat keiner der bestehenden Kirchen bei, auch wurden biblische und nationale Traditionen gehalten. Heute sind die messianischen Gemeinden ein Teil des Leibes Christi, der universalen Gemeinde, aber auch ein Teil des Volkes Israel. Weltweit wird die Anzahl der messiasgläubigen Juden auf 80000 geschätzt. Allein in Israel bestehen heute über hundert solcher Gemeinden und Hauskreise, in den USA sind es ca. dreihundert Gemeinden. Aber auch weltweit wachsen die judenchristlichen Gemeinden. Inzwischen engagieren sich messiani-sche Juden dafür, ihren Volksgenossen die Gute Nachricht zu verkündigen. Das Christentum weltweit in Zahlen Wir haben allen Grund zum Danken, dass sich das Evangelium in alle Welt ausbreitet. Trotz all der Nöte auf unserem Globus ist es dennoch so, dass Gott in allen Ländern der Erde am Wirken ist. Manches Mal mussten Regierungen gestürzt, politische Systeme verändert oder neue nationale Grenzen für Völker geschaffen werden, damit dem Evangelium die Türen geöffnet wurden. So wächst die Zahl derer, die erkannt haben, dass Jesus der Messias ist. Das Ende des Kolonialismus und die Gründung von neuen, selbständigen Staaten hatte, besonders in der Dritten Welt, die Kirchen und Gemeinden stark wachsen lassen. Da zum Beispiel in Afrika oder im Nahen Osten ein so starkes Bevölkerungswachstum besteht, sind alle Zahlenangaben innerhalb von kürzester Zeit überholt. Im Nahen Osten wird die Bevölkerung nach Berichten der UNO von rund 280 Millionen Menschen (2005) bis in fünfzehn Jahren auf über 400 Millionen Menschen ansteigen. In anderen, vor allem islamischen Ländern, wie Pakistan, Bangladesch, Iran, Türkei, Afghanistan, in den arabischen Ländern Asiens sowie in den islamischen Republiken der ehemaligen UdSSR, dürfen Christen nicht aktiv werden, oft werden sie nicht einmal geduldet. Folgende neuere Statistik des Wissenschaftlers David B. Barret über die Religionssituation weltweit hilft uns, die Entwicklung des Evangeliums zu verstehen. Islam Römisch-katholische Kirche Hinduismus Nichtreligiös Unabhängige christliche Kirchen Traditionelle chinesische Religionen Buddhismus Protestantische Kirchen Ethnoreligionen Orthodoxe Kirchen Atheismus Neue Religionen Anglikaner Sikhismus Judentum 1313 Millionen ii 19 Millionen 870 Millionen 769 Millionen 427 Millionen 405 Millionen 379 Millionen 376 Millionen 256 Millionen 220 Millionen 152 Millionen 108 Millionen 80 Millionen 25 Millionen 15 Millionen Demzufolge ist das Judentum die kleinste Religionsgemeinschaft. Das Christentum ist die größte Religion der Welt, nominelle Christen mitgerechnet. Fazit des 6. Kapitels Die letzten Jahrzehnte des zweiten Jahrtausends seit der Geburt des Messias brachten mit den Nachwehen des Zweiten Weltkrieges wichtige Veränderungen. Das Ende des Kolonialismus ließ viele neue Staaten entstehen. Wissenschaft, Technologie und Medizin machten unglaubliche Fortschritte. Dennoch herrschte kein Frieden auf Erden. Der Schrecken nach den Atombomben auf Füroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 in Japan saß tief, wiederholte sich aber, Gott sei Dank, nicht. Das große Wunder kam 1989: Der russische Kommunismus fiel in sich zusammen. Einerseits erfreulich, doch ist noch nicht überall klar, wie die Entwicklung der ehemaligen Sowjetstaaten und jetzt selbständigen Republiken verlaufen wird. Die Evangelisation in den ehemaligen Kolonien wurde zwar vom imperialistischen Stigma befreit, doch konkurrieren der Islam und östliche Religionen mit dem Christentum. Eine neue Erscheinung war die Ökumene, eine lockere Verbindung der nichtkatholischen Kirchen. In der römisch-katholischen Kirche gab es keine theologischen Veränderungen, nur formelle. In den USA ist der bibeltreue Teil der Evangelikalen stark im gesellschaftspolitischen Bereich vertreten. In Europa hingegen ist die Kirche eher schlummernd, und das zeigt sich auch an den Austrittsraten der Staatskirchen. Einige Evangelisationskampagnen versuchten, dagegen anzukämpfen. Es kann heute kein Zweifel mehr daran bestehen: Der Schwerpunkt des Christentums liegt zahlenmäßig nicht mehr in der westlichen, sondern in der Dritten Welt. 680 Millionen Christen in Europa und Amerika stehen 790 Millionen in der Dritten Welt gegenüber. Dennoch müssen wir festhalten. dass es sich um ein nominelles Christentum handelt. Eine völlig neue Erscheinung sind die messianischen Juden, d.h. Juden, die an Jesus, den Messias, glauben. Sie betrachten sich als den Rest Israels, der den Messias als Herrn und Erlöser angenommen hat. Sie haben ihre eigenen Gemeinden, doch betonen die messianischen Juden, zur Gesamtgemeinde des Messias zu gehören. Damit sind die natürlichen Zweige nach 1500 Jahren Abwesenheit wieder in den Ölbaum des Glaubens eingepfropft worden (Röm. 11,23-24). Der Ausspruch des Rabbi Gamaliel in Apostelgeschichte 5,39 wurde erfüllt. Es ist Gottes Wille, dass die Juden Jesus als Messias anerkennen, und wer dagegen ankänipft, der streitet wider Gott! Wir sind auf unserer Reise durch die Geschichte vom Paradies, dem Garten Eden, über den Sinai und Golgatha am Ende des zweiten Jahrtausends seit der Geburt des Messias angekommen. Nun wollen wir in die Zukunft schauen. Epilog: Auf dem Weg zum neuen Jerusalem Licht und Schatten in der Welt des neuen Menschen Wir sollten nie aus den Augen verlieren, was in Eden geschah! Gott gab dem Menschen alles Nötige für ein sorgloses, ewiges Leben in seiner Gemeinschaft. Doch dann kam die Sünde durch das Übertreten von Gottes Gebot, durch den Ungehorsam gegenüber Gott, in die Welt. Der Mensch bekam zwar ein Gewissen, das ihm sagen konnte, ob etwas gut oder böse war. Aber die Fähigkeit, nur den rechten, gottgefälligen Weg zu gehen, die fehlte ihm. Nun haben wir das dritte Jahrtausend seit Christi Geburt begonnen. Mag sein, dass die Rückkehr des Messias nahe ist, aber es besteht auch die Möglichkeit eines noch jahrhundertelangen Wartens. Wir können Gottes Zeitbegriff nicht verstehen -und sollen es auch nicht. Dieses letzte Kapitel soll daran erinnern, dass wir auf dem Wege zum neuen Jerusalem sind (Hes.4off.: Sach. i-pOffb. 21). Seit der Rückkehr des Messias zu Gott befindet sich die Welt in der Phase der Endzeit. Es ist die Zeit zwischen der Aufnahme des Messias bei seinem himmlischen Vater und unserer ewigen Gemeinschaft mit ihm am Ende des irdischen Zeitalters. Die Länge dieser Zeitspanne ist dem Menschen unbekannt. Betrachten wir nun unsere Welt am Anfang des dritten Jahrtausends: Wir zeigten ja bereits auf, wie seit dem 19. Jahrhundert Wissenschaft und Technologie eine große Entwicklung durchmachten, die im 20. Jahrhundert in erhöhtem Tempo fortgesetzt wurde. Was gestern noch neu war, landet morgen schon auf dem Müll! Diese Entwicklung ist so gewaltig, dass es aussieht. als wenn dem menschlichen Genie keine Grenzen mehr gesetzt wären. Atheisten bemerken oft spöttisch: Die von der Schlange in Eden angebotene Frucht habe den Menschen wirklich wie Gott gemacht,nichts sei dem Menschen unmöglich! Dennoch blieben die Hauptprobleme der Menschheit ungelöst. Doch nicht nur das. Der sich blind auf seine eigene Macht verlassende Mensch sieht nicht, wie er selbst unüberwindbare Schwierigkeiten auf dieser Erde schafft. Ebenso steht der Mensch den grundlegenden Fragen machtlos gegenüber. Welche Antworten haben wir auf Leid. Einsamkeit, Krankheit. Alter. Tod und das Fehlen eines geistlichen Friedens? Wie wenig der Mensch die wahren Probleme in seinem Leben alleine lösen kann, zeigt das hebräische Wort «Schalom». Es wird mit «Friede» übersetzt und bedeutet eigentlich «vollkommen sein». Das bedeutet, Friede ist eine Situation der Vollkommenheit. Für den im Abbild Gottes geschaffenen Menschen kann wahre Vollkommenheit nur durch Gemeinschaft mit Gott erreicht werden. So können wir wohl sagen, dass alle wunderbaren Erfindungen, alle Erleichterungen, Verschönerungen und körperlich befriedigenden Errungenschaften den heutigen Menschen auch nicht einen Millimeter weiter bringen als die Menschen, denen Jesus vor 2000 Jahren sagte: «Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben! Es gibt keinen anderen Weg zu Gott als durch mich!» (Joh. 14,6). Selbst der fantastischste Fortschritt, den Menschen zu leisten wagen, dient nicht zur Lösung der Grundprobleme der Menschheit. Doch wie sieht die geistliche Welt des westlichen Menschen aus? - Die politischen Weltanschauungen haben enttäuscht: Faschismus, Kommunismus, Sozialismus gehören der Geschichte an. Die Kriege auf dem Balkan zeigten, wie sich Menschen, die jahrzehntelang friedlich zusammengelebt haben, plötzlich wie wilde Tiere bekämpfen können. An der Spitze steht der Mensch selbst. Der Konsum von Gütern jeglicher Art hat einen göttlichen Status erhalten. Ein großer Teil der Bevölkerung Europas stellt am Anfang des dritten Jahrtausends nach Christi Geburt Egoismus und Materialismus in den Vordergrund. Von Liebe für den Nächsten ist wenig festzustellen. Das Gedankengut der Esoterik ist weit verbreitet. Es gleicht der Gnosis der ersten Jahrhunderte. In der Esoterik haben wir dieselbe Kombination von Mystik und philosophischen Elementen wie damals. Und genauso wird der christliche Glaube einerseits abgelehnt, doch andererseits werden einzelne Elemente übernommen. Der Slogan der Esoterik ist: Gott ist tot. es lebe der Gott in uns! Welcher Weg führt zum neuen Jerusalem? Die christliche (messianische) Religion, als Fortsetzung der biblisch-jüdischen, beruht auf der allumfassenden Offenbarung Gottes in der Bibel. In allen Kirchen gibt es Mitglieder, für die das Christsein etwas Formelles, nichts Verpflichtendes ist. In der Regel sind diese Menschen nicht im biblischen Sinne wiedergeboren (i. Petr. 1,3.23; Tit. 3,5). Daher ist anzunehmen, dass beim Jüngsten Gericht der Herr zu ihnen sagen wird: «Ich kenne euch nicht, ihr gehört nicht zu meiner Herde!» (vgl. Joh. 10,9-18). Es ist klar, für diese Menschen ist die Bibel uninteressant oder als Offenbarung Gottes bedeutungslos. Doch es gibt auch andere Christen, die im Gottesdienst mehr als eine gesellschaftliche Verpflichtung sehen oder etwas, das die Tradition gebietet. Sie suchen in der Religion auch Glauben, eine persönliche Entscheidung für den dreieinigen Gott. Sie warten sehnsüchtig darauf, dass dieser Gott sich offenbart. Außerhalb der biblischen Offenbarung gibt es keine Erkenntnis des Heilsweges (Joh. 20,31; 2. Tim. 3,16). Der Messias ist der einzige Weg zur Wahrheit Gottes und zum ewigen Leben (Joh. 14,6). Wer durch eine persönliche Entscheidung sein Leben Jesus, dem jüdischen Messias, anvertraut und sich zu ihm bekennt, wird von ihm erkannt (Mt. 10,32). Dies sind die Menschen, deren Namen im neuen himmlischen Jerusalem geschrieben stehen (Lk. 10,20). Gegenwärtig ist mit dem Wachstum der messianisch-jüdi-schen Bewegung die Zwei-Wege-Theologie populär geworden: «Die Juden brauchen den Messias nicht, sie haben die Tora, die fünf Bücher Mose.» Das bedeutet in letzter Konsequenz ganz praktisch, die vier Evangelien der Bibel sind als Fälschungen zu bezeichnen, denn sie dokumentieren den messianischen Anspruch Jesu gegenüber seinem Volk Israel. Wir sahen auf unserem Gang durch die Geschichte so viele Fälle, in denen ein «veränderter» Messias verkündet wurde. Dasselbe geschieht auch in unserer Zeit. Was sollen nun die wahren Nachfolger des Messias im angebrochenen Jahrtausend tun? Der letzte Auftrag Jesu an seine Jünger war, die Welt all das zu lehren, was sie selbst gelehrt wurden (Mt. 28,18-20). Dem Messias nachzufolgen ist unpopulär. Doch wer sich vom Heiligen Geist leiten lässt, erkennt Gottes Willen und wird nicht süchtig nach der Akzeptanz dieser Welt, sondern ist in der Lage, in Verantwortung vor Gott seinen Weg in dieser Welt zu gehen. Nicht nur das Neue Testament lehrt uns, wer Jesus ist. was er tat und noch tun wird. Die Prophezeiungen des Alten Testaments passen genau zu der Heilsgeschichte des Neuen Testaments. Auch das Bestehen des jüdischen Volkes ist ein Gottesbeweis, der die Glaubwürdigkeit der Bibel bestätigt. Ob der Weg zum neuen Jerusalem noch Jahrhunderte dauern wird oder vielleicht nur einige Monate, das kann niemand wissen. Aber die Bibel, die ewige Wahrheit Gottes, sagt es klar: Der Messias wird wiederkommen, zuerst, um die Seinen zu sich zu nehmen, und dann, um die Welt zu richten. Bis dahin werden noch viele Katastrophen die Welt befallen. Die Gemeinde Jesu wird noch viel Leid und Schmerz, viel Versagen und Enttäuschung erleben, kein Christ wird davon ausgenommen sein. Aber wie am Anfang haben auch heute die Jünger Jesu das Versprechen: «Und siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an das Ende der Welt!» (Mt. 28,20). Bedenken wir auch die Worte aus 2. Petrus 3,13-15: «Seiner Verheißung nach erwarten wir einen neuen Himmel und eine neue Erde, auf denen Gerechtigkeit wohnt. Darum, meine Lieben, weil ihr das erwartet, bemüht euch unbefleckt und ohne Tadel, vor ihm in Frieden gefunden zu werden. Und haltet die Langmut unseres Herrn für euer Heil!» Bibliografie Bainton. Roland H. Church of our Fathers. Chicago, 1950. Banach, Klaus und Rommel. Kurt. Religiöse Strömungen unserer Zeit. Stuttgart: Quell Verlag, 1991. Beck, William F. Christ of the Gospels. St. Louis: Concordia, 1959- Beiz. Hans Dieter u.a.(Hrsg.). Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage. 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In der gleichen Serie sind erschienen: Tuvya Zaretsky (Herausgeber) Das Evangelium - auch für Juden Gedankenanstoß aus der messianischen Bewegung ■ Basiswissen zur Evangeliumsverkündigung unter Juden ■ Stellungnahme zu einer umstrittenen theologischen Frage ■ Kompetente Darstellung der heutigen Situation Hanspeter Obrist (Herausgeber) Feste Israels Die Feste erzählen Gottes Heilsgedanken Eine prägnante Darstellung von Israels Festen ■ Eine Bereicherung lur jeden Bibelleser Mit messianischer Passah-Haggada Die Arbeitsgemeinschaft für das messianische Zeugnis an Israel ..amzi org ► unterstützt jüdisch-messianische und arabisch-christliche Gemeinden und Institutionen in Israel ► fördert das messianische Zeugnis in europäischen Ländern ► informiert über die messianische Bewegung und über die Situation im Nahen Osten (Zeitschrift «Messianisches Zeugnis»;Gebets- und Informationsmail) www.amzi.org info@amzi.org amzi Postfach amzi CH-4153 Reinach BL Tel. +41 (0)61 712 ii 38 Fax +41 (0)61 712 ii 34 amzi Hauingerstraße 6 D-79541 Lörrach Tel. +49 (0)7621 18 105 Fax +41 (0)61 712 11 34 amzi Postfach 550 110 D-22561 Hamburg Tel. +49 (0)40 866 28 660 Fax +49 (0)40 866 28 661 Die messianischen Juden Shlomo Drori und Jurek Schulz verfolgen die Geschichte der Menschheit von den Anfängen bis in unsere Zeit und darüber hinaus. Wie ging Gott zur Zeit des Ersten Bundes mit seinem auserwählten Volk um? Was veränderte sich seit dem Neuen Bund? Kurz und prägnant werden hier Gottes Heilsabsichten dargestellt. Daneben werden auch die schwierigen Kapitel in der Geschichte zwischen Juden und Christen nicht ausgelassen. - Sie erfahren Seite für Seite viel Wissenswertes und Faszinierendes über die messianische Bewegung der Gegenwart. Einmalige Darstellung der Heilsgeschichte Gottes. Neuer Blick für Gottes Handeln durch alle Zeiten. Geschrieben von zwei messianischen Juden. Shlomo Drori wurde als Kind jüdischer Eltern in Berlin geboren. Noch rechtzeitig konnte die Familie 1936 nach Israel fliehen. In der Mitte seines Lebens fand Drori zu Jeschua (Jesus), dem Messias, was sein Leben von Grund auf umkrempelte. Heute wohnt er mit seiner Frau in Haifa, Israel. Drori ist bekannt durch andere Bücher, u.a. «Unter dem Davidstern - Schicksal und Führung eines messianischen Juden» und «Wo Milch und Honig fließen». Jurek Schulz ist theologischer Referent der Arbeitsgemeinschaft für das messianische Zeugnis an Israel (amzi). Er studierte Theologie und Pädagogik und arbeitete dann als Gemeindepastor und Leiter einer Drogenreha in Hamburg. Er hatte in der Frankfurter Synagoge seine geistliche Heimat. Nach dem Studium des Neuen Testamentes erkannte er, dass Jesus Christus auch der verheißene Messias für das jüdische Volk ist. Heute lebt er mit seiner Familie in Hamburg. Brunnen Verlag • Basel und Gießen Bestellnummer 111.371 ISBN 3-7655-1371 -7 9 783765 513718 > amzL BRUNNEN 9783765513718