Rolf Scheffbuch

Predigt über 1. Korinther 2, 12

Großer Saal, Korntal

11.06.2000

 

Liebe Festgemeinde, normalerweise nimmt's der Mensch, vielleicht sogar wir, sehr genau, wenn es um Kleinigkeiten geht, wenn wir zehn Mark ausgeliehen haben, ob wir es auch wieder zurück kriegen, wenn wir ein Buch weggegeben haben, ob es auch wieder zurückerstattet wird, manchmal sogar die Frage, ob ich der Friseurin eigentlich zu wenig Trinkgeld gegeben habe, oder noch schlimmer, zu viel. Also, in Kleinigkeiten nehmen wir es genau, und bei die großen Fragen ist der Menschen normalerweise sehr oberflächlich, bei der Frage, was ist eigentlich bisher bei meinem ganzen Leben herausgekommen. Ich weiß auch net. Bei der Frage, wie ist das eigentlich mit dem Tod, auf den wir todsicher zu gehen? Wird das ein Absturz sein ins Bodenlose, oder wird es sein wie ein Schlaf, oder stimmt es, was in den Zeitungsanzeigen oft steht, wenn die Kraft zu Ende geht, ist der Tod Erlösung. Ach, wollen mal sehen, in den entscheidenden Fragen sind wir so oberflächlich, und dazu gehört auch die Frage nach Gott, ach, wer kann schon wissen, wer Gott ist, was er will, da haben sich schon zu Zeiten vom Apostel Paulus gesagt, in der Mittelmeerwelt, da hat jeder Mensch ein bisschen religiöse Bedürfnisse, gell, Konfirmation oder Jugendweihe, irgend sowas muss ja sein, bei der Beerdigung soll mindestens ein Redner dasein mit ein paar schönen Sprüchen, bisschen Religiosität brauchen wir, aber dazu kann man auch einen Mix machen aus den verschiedensten Religionen, denn keiner weiß genau, was Gott ist, so wird fundamentalistisch, als Dogma, behauptet, keiner weiß exaktes über Gott. Es gibt allerdings noch ein paar Menschen, das muss gesagt werden, zu allen Zeiten, die finden sich mit diesem Dogma nicht ab, die strecken sich aus, lieber Gott, lass dich finden, lassen mich erkennen. Zurzeit des Apostel Paulus waren das die Gnostiker, quer durchs Mittelalter die Mystiker, heute bei uns sind es etwa so edle Menschen wie die Anthroposophen, sie tasten sich vor, in die Sphärenharmonien, sie denken sich hinein in die Farbenwelt der Regenbogenfarben, sie denken sich hinein in ganze Hierarchien von Engeln. Alle Achtung, dass die sich nicht zufrieden geben, man weiß nichts über Gott, man muss doch noch etwas erfahren können über Gott, sie tasten sich nach Gott vor. Und hinein in dieses Suchen der Menschen hat damals der Apostel Paulus in Athen gesagt, nun hat Gott die Zeit der Unwissenheit übersehen, aber jetzt kann man von Gott etwas wissen. Gott trägt es euch nicht nach, er schreibt das nicht auf, dass ihr es nicht gewusst habt, aber jetzt kann man wissen, was Gott will. Sogar das andere große Paulus-Wort "Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und alle zur Erkenntnis der Wahrheit kommen", das ist nicht unser menschliches Sehnen, wir wollen ein Stückchen der Gottheit erfassen, sondern Gott will. Gott ist darauf aus, dass wir begreifen, was er ist, was er will, was er tun kann, dass unsere schreckliche Blindheit für Gott geheilt wird. Davon spricht der Apostel Paulus im heutigen Predigttext, ersten Korinther zwei:

 

Wir haben empfangen den Geist aus Gott, ersten Korinther zwei Vers 12, wir haben empfangen den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist.

 

Merken Sie, Gott hat alles darauf angelegt, der hat sogar seinen heiligen Geist gegeben, normalerweise können wir von Gott nichts wissen, er hat uns seinen heiligen Geist gegeben, damit wir wissen können, was wir an Gott haben, was uns von Gott gegeben ist. In allen Religionen geht es ja ums rechte Tun, dass wir Gott die richtigen Opfer bringen, dass wir für Gott die richtigen Zeiten, die richtigen Bräuche einhalten, dass wir in Ehrfurcht ihm uns nahen, dass wir uns selbst beherrschen für ihn, dass wir dem Nächsten Gutes tun, alles aufs Tun bezogen, sogar die Religiosität, dass wir Gott etwas bringen, unsere Opfer, unsere guten Gedanken. Und jetzt sagt der Paulus, ihr sollt doch wissen, was uns von Gott geschenkt ist, nicht, was wir für ihn tun sollen, das war der Protest der Propheten, quer durch Israels Geschichte, kehrt doch um zu Gott, der will doch euch Gutes tun, habe ich euch je geboten von Opfern oder Schlachtopfern? Er sagt: ich will euer Gott sein, ich will an euch Gerechtigkeit üben, ich will heben tragen und erretten. Fast hätte ich gesagt, jetzt strampelt doch nicht so wie ein kleines Kind, das sich nicht helfen lassen will, ich will etwas an euch tun, aber das ganze Mahnen der Propheten war wie vergeblich, und da hat Gott in seiner großen Güte, damit wir erkennen sollen, was uns von Gott geschenkt ist, Jesus geschickt. Und er hat so verständlich, dass man es gar nicht mehr anschaulicher machen kann, in den Gleichnissen gesagt, Gott, wie ist, wie ein sorgender Vater, der es nicht abwarten kann, bis seine Töchter und Söhne, die von ihm weggelaufen sind, zu ihm zurückkehren, denn er hat für sie den Tisch gedeckt, und will sie aufnehmen, und er hat das beste Gewand für sie bereit, den Ring an den Finger, Mensch, ihr begreift doch gar nicht, was Gott euch geben kann, nicht bloß Brot, wie ein Tagelöhner, sondern, er will euch reich machen. Gott ist wie der König, der seinem Sohn eine Hochzeit machte, aber nachher spielt der Sohn gar keine Rolle mehr, sondern auch die letzten an den Hecken und Zäunen sollen an die reich gedeckten Tische kommen, so ist Gott. Gott ist, und so hat es Jesus anschaulich gemacht, wie ein großer Herr, der seinem Verwalter, der ihm alles veruntreut hat, in großer ergreifender Barmherzigkeit alle Schuld erlässt, und ihn in Freiheit setzt. Begreift doch, was wir an Gott habt, aber es ist wie wenn auch damals im Volk Israel, den Zeitgenossen Jesu, das Herz und die Ohren verschlossen gewesen wären für das, was uns Gott geschenkt hat, was wir an Gott haben, und da hat Jesus gesagt, ich will den Vater bitten, dass er euch den Geist der Wahrheit gibt, der bei euch bleibt, und jetzt sagt der Paulus, jetzt haben wir empfangen den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott gegeben ist. Ich empfinde das als das Vorrecht vor dem Altwerden, nicht bloß, dass man an Lebenserfahrung eventuell reicher wird, sondern dass Gott einem Wahrheiten erschließt, die man in sechs Jahrzehnten noch nicht begriffen hatte, Gottes Geist, also, wissen Sie, Leben mit Jesus, mit dem heiligen Geist, ist ein Abenteuer. Toller, als wenn Leute auf Abenteuerfahrt in entfernte Gegenden gehen, um die zu erforschen, der heilige Geist will uns immer neues erschließen, in den letzten Wochen ist es mir so gegangen, bei Jeremia 31, ich sollte eine Bibelarbeit halten, über den neuen Bund, Jeremia 31, ich will einen neuen Bund mit ihnen schließen, und ich habe es immer bis jetzt so verstanden, Gott will seine Leute dazu bringen, dass sie Nächstenliebend werden, geduldiger, barmherziger, in Selbstbeherrschung sich mehr üben können, mit mehr Ehrfurcht sich Gott nahen, und plötzlich ist mir klar geworden, der neue Bund, den Jesus in Kraft gesetzt hat, wir werden es nachher beim Abendmahl hören, das ist der neue Bund in meinem Blut, das Blut des Bundes, für euch vergossen, der durch Jesus in Kraft gesetzt ist. Sie sollen mich erkennen, beide, kleine und große, und man braucht keine Pfarrer und Lehrer mehr, die sagen, jetzt begreift doch endlich, wer Gott ist, sondern sie sollen mich alle selbst erkennen. Ich möchte Sie richtig einladen, dass Sie nicht bloß von Bibelstunde zu Bibel-Kolleg und zur nächsten Predigt sich hangeln, sondern über Ihrem privaten Bibellesen, über Ihren stillen Stunden bitten, Herr füll mich neu, gib mir Durchblicke, lass mich Zusammenhänge entdecken. Uns ist gegeben der Geist aus Gott, damit wir wissen können, was uns in Gott gegeben ist. Sie sollen Gott erkennen, beide kleine und große. Johann Albrecht Bengel, der Klosterpräzeptor von Denkendorf, hat sich ja oft übersehen, zurückgesetzt gefühlt, in seinem dunklen Winkel Denkendorf, und da hat er den Gnomon geschrieben, diesen Fingerzeig in Gottes Wort, und da hat er solche Durchblicke bekommen, in seinem Tagebuch steht, dass ich den Eindruck hatte, ich sei in meinem kleinen Denkendorf in den Mittelpunkt der Gottesgeschichte gesetzt, jetzt habe Gott bloß noch Interesse an mir. Das, was er mir zugeteilt hat jetzt, und dann hat er das schöne Lied gedichtet, Gott lebet, sein Name gibt Leben und Stärke. Wo es dann heißt, das höchste, das beste, das gibt er sogar nicht, das empfängt so gern, das gibt er so gern, er öffnet das Herz nur, so wird er es füllen, erkennet‘s, verstehet‘s und lobet den Herrn. Es heißt noch richtiger, verstehet‘s, erkennet‘s und lobet den Herrn, das größte, wenn wir Gott erkennen, nicht bloß denken, da ist irgendwo das höchste Wesen, erkennen so wie Jesus uns zu erkennen lehrte in den Gleichnissen, und Bengel sagt weiter, seid ihr noch entfernet, so sehet und lernet, was mancher an seinen durchdringenden Gaben, ja selber an ihm, dem Lebendigen haben, erkennet, was wir an Gott haben. Verstehen wir, warum der Apostel Johannes uns die Worte Jesu berichtet im hohenpriesterlichen Gebet, das ist aber das ewige Leben, das sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, wie geht es weiter, erkennen. Ich glaub, wir sind alle erst Anfänger in der Klipp-Schule, im Erkennen, was wir an Gott haben, und wir laufen viel zu schnell da weg, anstatt dass wir damit rechnen, der Geist Gottes will mich erkennen lassen, da heißt es ja nicht, der Heilige Geist hat euch beschenkt mit bibeltreuen Theologen, mit trefflichen Auslegern der Schrift, mit Kommentaren und mit Bibellexika, sondern, Nein, wir, der Apostel meint, die Korinther, die kleinen Hafenarbeiter, die Matrosen da unten am Hafen von Korinth, dass wir erkennen können. Wenn in Hülben die großen Konferenzen sind, dann ist meist der Brüder-Tisch so reich gedeckt, dass man extra Stühle holen muss, und der Konrad Eissler sagt, aber keiner länger als zweieinhalb Minuten, damit man auch nach zwei Stunden wieder rauskommt, aber im Normalfall, zwölf von dem 14, 12 uns Theologen oder Pfarrern oder Predigern sagen eigentlich das, was mir schon hundertmal gehört hätten, und dann Schuhmeister aus Gerhausen und der Fabrikarbeiter aus Metzingen, nebenbei Mondscheinlandwirt, die sagen in zweieinhalb Minuten etwas, wo man bloß als Theologe sagen kann, die haben's begriffen, die die haben es, was mir noch nie aufgegangen ist, die haben den Durchblick, verstehen Sie, das geht nicht bloß Theologen an, sondern wir alle sollen erkennen, was uns in Gott gegeben ist, deshalb möchte ich Sie einladen, versuchet's, erkennet und lobet den Herrn. Auch Theologen können es erkennen, im Frühjahr ist Professor Peter Stuhlmacher, Professor für Neues Testament in Tübingen, in Ruhestand getreten. Jesus näher gekommen, nein, Gott ist mir in Jesus näher gekommen, je mehr ich die Bibel gelesen habe. Halleluja kann man bloß sagen, gell, ein Theologieprofessor. Wir haben empfangen den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was wichtig ist, dass wir plötzlich Durchblicke bekommen. Theologieprofessoren und Laien, auch für das, was Gott, vor Gott nicht bestehen kann, wir haben ja vor wenigen Tagen des 300. Geburtstages von Nikolaus Ludwig Graf von Zinsendorf gedacht, dem ist es immer darum gegangen, dass Gottesdienste auch lebendiger, spontaner, persönlicher, engagierter werden, und da hat er viel Musik im Gottesdienst gebracht, Bewegung, sogar Tanzgruppen, er hat die Säle, wir haben ja in Korntal den Zinzendorfschen Sälen unseren großen Saal nachempfunden, er wollte die fürstlichen Säle der Schlösser als Vorbild haben für den Versammlungsraum der Gemeinde Jesu, wenn sie den König Jesus empfängt. Kerzenbeleuchtung, und da haben viele Christen gesagt, das wäre doch jetzt auch nit nötig gewesen, des is a bissle zu viel, gell, ist doch a bissle unnüchtern, und wie es bei einem rechten Menschen ist, war's beim Zinsendorf auch, je mehr er Kritik bekommen hat, desto fester hat er gesagt, jetzt mach ich es erst recht, noch mehr Fahnen aufhängen, noch um mehr Farben, noch mehr Lichter, noch mehr Prozessionen, und dann ist ihm mit einem Schlag aufgegangen, das ist doch alles Nonsens, er schreibt es französisch "Nonsense", die Hauptsache ist der Erlösungstod Jesu am Kreuz, der kann's auch nicht sagen, wie war das, ist das über einem Bibelwort aufgegangen? Nein, wir können wissen, was uns von Gott geschenkt ist, und was wichtig ist, und was zweitrangig ist. Genug der Beispiele, wir sollen offen sein für Gottes Durchblicke, für neue Entdeckungen, für Gottes Nähe, es soll eine ganz neue Unmittelbarkeit hineinkommen, eine Gottes-Unmittelbarkeit, dazu ist uns Gottes Geist geschenkt. Jetzt würde ich nach unserer Dogmatik am liebsten sagen, wenn wir Jesus recht anrufen, wenn wir unsere Sünden bekennen, wenn wir den heiligen Geist recht bitten, dann wird er auch zu uns kommen, aber der Apostel Paulus sagt, wir haben empfangen, er sagt es den Korinthern, bei denen er auch noch viel auszusetzen hat, bei denen grobe Sünden vorgekommen sind, wir haben empfangen den Geist, der aus Gott ist, so ähnlich wie meine Frau sagt, du, vorhin hat der Paketdienst ein großes Paket für dich abgegeben, mach es doch mal auf. Schon da, muss bloß ausgepackt werden, wir sollten viel mehr damit rechnen, dass Gott uns die Fülle seines guten Geistes zugedacht hat, und jetzt sag ich, Herr, füll mich neu mit deinem Geist, lass mich doch erkennen, was wir an wir haben, ich garantiere Ihnen, wir werden aus dem Staunen nicht mehr herauskommen, bereichert sein bis an den letzten Tag, da Gott uns zuteilt das Erkennen, was wir an ihm haben, denn das ist das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen. Was denken Sie, unsere Freizeitgruppe, wenn sie jetzt in Israel sind, den See Genezareth sehen, vom Ölberg aus Jerusalem sehen, und manche aus unserer Gemeinde jetzt am Bodensee sind, am frühen Morgen plötzlich das Sentis-Massiv sehen, schneebedeckt, aus dem Staunen nicht heraus kommen, das ist alles harmlos, verglichen mit dem, dass wir Gott erkennen können, und jetzt wollen wir gespannt sein auf das, was er uns erschließt. Amen.