Das Land ist still                                                            im September 2004

Gegen ein immer seichteres Christentum in Deutschland

 

Noch nie gab es - welt­weit betrachtet - so viele christliche Märtyrer wie heute. Noch nie haben so viele Christen für ihren Glau­ben mit ihrem Leben bezahlt. Noch nie gab es so eine welt­weite, zunehmende Christen­verfolgung. In dieser Hinsicht leben wir in Deutschland wie auf einer Insel der Seligen.

 

Noch wird bei uns keiner, der sich als Christ bekennt, an die Wand gestellt. Noch prak­tizieren wir ungestört unsere christliche Aufkleberkultur. Noch ist der Fisch am Auto­heck unser geheimes Erken­nungszeichen und nicht der staatlich verordnete Aufnäher zur Kennzeichnung ausge­grenzter Christen wie seiner­zeit der gelbe Davidsstern für die Juden. Noch ist alles still.

 

Die Situation kommt mir bekannt vor. Zur DDR-Zeit, als es unterirdisch überall brodelte, sang Wolf Biermann ein Lied, in dem er den äußeren Anblick der DDR beschrieb. Und dann, plötzlich, schrie er unter Aufbietung aller stimmlichen Kräfte mit ohrenbetäubender, schril­ler Lautstärke den Satz: „Das Land ist STILL!"

 

Ja Freunde, noch tanzen wir auf unseren christlichen House-Parties, während der Leib von Christus in anderen Ländern aus tausend Wun­den blutet. Noch verkaufen wir das Christentum unter dem billigen Slogan „Christsein ist cool". Aber was machen wir, wenn eines Tages Christsein nicht mehr cool ist, sondern eine heiße Angelegenheit wird? Ich frage mich, wie lange wir uns dieses läppische Jesus-Getändel und dieses traumtänzerische Christentum noch leisten können, leisten wollen.

 

Während in anderen Län­dern christliche Frauen ver­sklavt und vergewaltigt wer­den, spreizen bei uns die Mä­dels auf der Bühne (der Gemeinde, Anmerkung der Redaktion) ihre Beine und präsentieren uns ihren gepiercten Bauchnabel, alles „für den Herrn", ich weiß schon. Ich weiß aber auch, was die Herren in den ersten Reihen von diesem Anblick halten. Während woanders Christen unter der Folter schreien, leiern wir im Drei­vierteltakt bis zum Umfallen (im wahrsten Sinne des Wor­tes) diese nichts sagenden Chorusse, in denen wir uns, sicher im Gemeindesaal sit­zend, auffordern, auf den Straßen zu tanzen. Wer kann von dieser seichten Kost leben, wenn er nicht mehr im Gemeindesaal, sondern in einer gemeinen Gefängniszelle sitzt? Wenn nicht mehr fröh­lich getanzt, sondern fies ge­foltert wird? Wie sollen die jungen Christen, die wir mit coolen Kurzpredigten unterfordern und unterernähren, sich einmal bewähren, wenn es hart auf hart kommt?

 

Oder denken wir etwa, die weltweite Christenverfol­gungswelle wird ausgerechnet um das liebe „old Germany", die Insel der Seligen, einen Bogen machen? Wir haben wohl vergessen, was Paulus (aus dem Gefängnis!) ge­schrieben hat: „Alle, die got­tesfürchtig leben wollen in Jesus Christus, müssen Verfolgung leiden" (2. Timotheus 3,12). Ich genieße es voll Dankbarkeit, dass ich nach den DDR-Jahren in einem freien, demokratischen Land leben darf, in dem ich wegen meines Glaubens an Jesus we­der diskriminiert noch verfolgt werde. Aber ich sehe das als eine Atempause an, die Gott uns gönnt, zum Luftholen. Denn dass das alles im­mer so friedlich bleiben wird, wird mir angesichts der Entwicklung in der Welt immer unwahrscheinlicher. Wir soll­ten die Atempause benutzen, um uns auf die Zeiten vorzubereiten, in denen Christsein nicht mehr „geil", sondern gefährlich ist. Was wir brauchen, sind bibelfeste, feuerfeste, KZ-fähige Christen.

Theo Lehmann