Prof. Dr. Werner Gitt

Ein Auszug aus dem Buch: „Fragen, die immer wieder gestellt werden“

16. Auflage

 

Was ist mit den Kindern, die zu früh gestorben sind, um je eine Entscheidung haben treffen können? Was ist mit Abgetriebenen oder Geisteskranken? Sind sie verloren?

 

Grundlegend ist hier zunächst die Frage, von welchem Zeitpunkt an ein Embryo als Mensch anzusehen ist. Glaubt man säkularen Zeitströmungen, so gewinnt man den Eindruck, dies sei in die Beliebigkeit individueller Auffassungen oder des staatlichen Gesetzgebers gestellt. Suchen wir verlässliche Maßstäbe für den Beginn des Menschseins, so finden wir sie in der Bibel. Die individuelle Menschwerdung setzt mit dem Verschmelzen der männlichen Samenzelle mit der weiblichen Eizelle ein. Bei jeder Embryonalentwicklung haben wir es mit dem direkten Eingriff des Schöpfers zu tun: „Denn du hast meine Nieren bereitet und hast mich gebildet im Mutterleibe. Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke, und das erkennt meine Seele wohl“ (Psalm 139, 13-14). Bei der Berufung des Jeremia verweist Gott darauf, dass er ihn schon längst vor seiner Geburt als Persönlichkeit ansah und ihn für die ihm zugedachte Aufgabe auserwählt hatte: „Ich kannte dich, ehe du von der Mutter geboren wurdest und stellte dich zum Propheten unter die Völker“ (Jeremia 1, 5). Halten wir fest: Der Mensch ist ein Individuum von Anfang an und nach zahlreichen biblischen Texten (z. B. Lukas 16, 19-31; Hebräer 9, 27) ein Ewigkeitsgeschöpf, dessen Existenz nie ausgelöscht wird. Wo aber bleibt der Mensch, nachdem er das Tal des Todes durchschritten hat? Eindeutig ist der Fall bei all jenen Menschen, die das Evangelium gehört haben und in der Lage waren, eine Entscheidung zu treffen. Auch der Wille Gottes ist eindeutig: „Der Herr… hat Geduld mit euch und will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass sich jedermann zur Buße kehre“ (2. Petrus 3, 9). Heil und Unheil hängen damit nur noch von unserem Willen ab. Wir haben die Freiheit, aufzubrechen zum Himmel oder zur Hölle. Beide Wege sind uns zur Entscheidung vorgelegt (5. Mose 30, 19; Jeremia 21, 8). Die obigen Personengruppen aber verfügen nicht über den Willen, eine solche weitreichende Entscheidung zu treffen. Gemäß einer mittelalterlichen Irrlehre wurde die Auffassung vertreten, dass die Seelen ungetaufter Kinder nach ihrem frühen Tod in die Verdammnis gingen. Hierbei handelt es sich um die unbiblische Lehre, dass die Taufe Unmündige errettet. Nach den zentralen biblischen Aussagen hat nicht die Taufe, sondern der Glaube an den Herrn Jesus rettende Kraft (Apostelgeschichte 16, 31). Zur Beantwortung der obigen Frage hilft uns somit nicht die Kindertaufe weiter, die ja an Abgetriebenen ohnehin nicht möglich ist. Die Lösung finden wir im Maßstab Gottes: „Gott verdammt niemand mit Unrecht“ (Hiob 34, 12), denn seine Gerichte sind absolut gerecht (Offenbarung 16, 7) und werden ohne Ansehen der Person durchgeführt (1. Petrus 1, 17; Römer 2, 11). So dürfen wir annehmen, dass die vorgenannten Personen nicht der Verdammnis verfallen. Sie selbst tragen keinerlei eigene Schuld an ihrem Schicksal. Als zu Jesus Kleinkinder (und wohl auch Säuglinge) gebracht wurden, sahen die Jünger darin eine unnütze Belästigung des Herrn Jesu, da er einen anstrengenden Tag hinter sich hatte. Jesus aber stellt bei dieser Gelegenheit die Kinder in besonderer Weise als Erben des Himmelreiches heraus: „Lasst die Kinder zu mir kommen, hindert sie nicht daran, denn solchen gehört das Reich Gottes“ (Markus 10, 14; Menge).