Wilhelm Busch

Die Suchaktion Gottes

Kurzgeschichten der Bibel

 

Ein Bild aus der Urchristenheit, das uns ein Vor-Bild ist

 

3. Johannes 3: „Ich bin aber sehr erfreut worden, da die Brüder kamen und zeugten von deiner Wahrheit, wie denn du wandelst in der Wahrheit.“

 

Vor kurzem hatte ich eine Jugendevangelisation in einer bayerischen Großstadt zu halten. Die Sache war hervorragend vorbereitet. Und so geschah es, dass schließlich weit über 5000 junge Menschen in der großen Messehalle der Verkündigung des Evangeliums zuhörten.

Als ich nach der letzten Versammlung im Nachtschnellzug saß, der mich nach Hause bringen sollte, und in der Stille mein Neues Testament las, geriet ich an unseren Text. Da packte mich der seltsame Gegensatz:

Dort in der Messehalle Tausende – hier ein paar Christen, die einander kennen.

Dort in der bayerischen Stadt alle Mittel moderner Werbung – hier im Text Christen unter den Schatten fürchterlicher Verfolgung.

Und dann begriff ich plötzlich: Wenn wir Christen von heute uns nicht verlieren wollen an den Geist dieses Massenzeitalters, dann dürfen wir solch ein Bild aus der Urchristenheit nicht nur ansehen, wie man Altes und Ehrwürdiges ansieht. Dieses Bild aus der Urchristenheit muss uns Vor-Bild bleiben, nach dem wir uns ausrichten.

 

1) Johannes

 

Wir finden unseren Text in einem kleinen Brief des Apostels Johannes. Es fällt uns auf, wie dieser Mann sich um seine Brüder sorgt.

Johannes war ein sehr alter Mann geworden. Alle seine Mitapostel waren den Märtyrertod gestorben. Aber sein Geist ist frisch geblieben. Und so ist er ein Vater im Glauben für viele geworden. Er nennt sich einfach „der Älteste“.

Eines Tages bekommt er Besuch von einigen „Brüdern“. Man erzählt sich von dem, was Jesus getan. Namen werden genannt. Und dann fragt Johannes nach einem Mann namens Gajus. Wir wissen nichts von diesem Gajus, als dass er durch das Zeugnis des Johannes zum Glauben gekommen ist. Ein unbekannter Mann, der aus der heidnischen Welt zu Jesus gefunden hat. Aber wir spüren zwischen den Zeilen, mit welcher Spannung Johannes nach ihm gefragt hat. Der Gajus konnte ja unter dem Druck der Verfolgung weich geworden sein. Oder er konnte den Verlockungen der Welt erlegen sein.

Wir spüren förmlich, wie dem Johannes ein Stein vom Herzen fällt, als die Brüder berichten, mit welchem Eifer der Gajus dem Herrn Jesus dient.

Liegt dem großen Apostel so viel an einem schlichten Bruder? Ja, so viel liegt ihm daran!

Wir sehen in der Bibel zwei Linien. Da ist zunächst die alte Welt, in der jeder nur sich selbst sucht. Als der heilige Gott den Adam zur Rede stellt nach dem Sündenfall, sucht der sich zu retten, indem er sein Weib preisgibt: „Eva verführte mich.“

Und so geht es weiter: Als der Herr Kain nach seinem Bruder fragt, entgegnet der frech: „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“

Dieser Geist ist bis in die Kirche gedrungen. Als der verzweifelte Judas zu den Hohenpriestern kommt und ihnen das Verrätergeld zurückgeben will, zucken sie die Amseln: „Da siehe du zu!“

Diese Linie beginnt mit Adam und geht bis in die Gegenwart.

Daneben sehen wir eine neue Linie. Die neue Welt beginnt mit Jesus.. Der sagt von sich: „Ich bin nicht gekommen, dass Ich mir dienen lasse, sondern dass ich diene und gebe mein Leben“ – für die Brüder. Und die Gemeinde Jesu hat das Wort gehört: „Ein jeglicher sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war.“ Darum sucht ein Ananias den Verfolger Saulus. Möchte unter uns das Wort umgehen, das Joseph einst sagte: „Ich suche meine Brüder!“

 

2) Die namenlosen Brüder

 

Jetzt wollen wir uns die Männer ansehen, die den Johannes aufsuchten. Wir kennen nicht ihre Namen. Wir wissen nur eins von ihnen, was im 7. Vers dieses Briefes steht: „Um Jesu Namen willen sind sie ausgezogen.“ Sendboten Jesu, die alles drangaben und ihr Leben zum Opfer brachten, um Jesus zu dienen.

Was opfern wir für Jesus?

Damit keine Verwechslungen entstehen, müssen wir es ganz klar aussprechen: Alle Opfer, auch die größten, können niemals den Sinn haben, uns vor Gott etwas zu verdienen. Frieden mit Gott bekommen wir nur durch das Opfer, das Jesus am Kreuz von Golgatha für uns gebracht hat. Der Glaube rühmt sich nicht der eigenen Opfer. Er rühmt nur das Opfer Jesu. Am Ende wird ein Christ immer sagen: „Nichts hab ich zu bringen, / alles, Herr, bist du.“

Aber nun ist es doch so: Wo man von Herzen gläubig geworden ist, da entbrennt das Herz für den Herrn, und man wird willig, ihm Opfer zu bringen. Die große Wendung im Leben des Grafen Zinzendorf erfolgte in der Stunde, als er vor einem Gemälde des gekreuzigten Heilandes stand und die Schrift las, die der Maler dazugesetzt hatte: „Das tat ich für dich. Was tust du für mich?“ Da war es dem Grafen, als stünde er auf dem Hügel Golgatha. Und der erbleichende Mund sagte ihm: „Alles habe ich für dich getan. Und du?“ Und Zinzendorf musste antworten: „O Herr! Nichts hab' im für dich getan. Nicht einmal ernst genommen habe ich dich.“ Von dieser Stunde an wurde sein Leben ein Opfer für Jesus.

Als Ludwig XIV. die Hugenotten grausam verfolgte, entstand in der Schweiz ein evangelisches Predigerseminar, das junge Leute zum Zeugnis und zum Sterben ausbildete. Obwohl alle die jungen Prediger, die über die französische Grenze geschleust wurden, nach kurzer Zeit getötet wurden oder auf den Galeeren verkamen, drängten sich junge Christen zur Anmeldung in diesem Todes-Seminar.

So ähnlich war es mit den Brüdern, von denen unser Text spricht. Und nun steht Jesus auch vor uns heute. Vielleicht erwartet er, dass wir ihm eine ganz bestimmte Sünde opfern. Oder Zeit. Oder Geld. Oder vielleicht erwartet er einen bestimmten Dienst von uns. Er fragt auch uns: „Ich tat viel für dich. Was tust du für mich?“

 

3) Gajus

 

Als Johannes die erfreuliche Nachricht über Gajus bekommen hat, schreibt er an ihn diesen kurzen Brief, in dem es heißt: „Ich bin sehr erfreut worden, dass die Brüder zeugten von deiner Wahrheit, wie du denn wandelst in der Wahrheit.“

Das ist eine seltsame Ausdrucksweise. Wir würden doch sagen: „Ich freue mich, dass du im Glauben stehst.“ Oder: „… dass du dich als Christ bewährst.“ Was soll das heißen: Gajus wandelt in der Wahrheit?

Da Jesus von sich selbst gesagt hat: „Ich bin die Wahrheit“ , könnte die Aussage über Gajus so lauten: „Gajus erweist sich als ein lebendiges Glied an dem Leibe Jesu Christi.“ Am besten machen wir es uns am Gegensatz klar, was gemeint ist.

Es gibt Weinflaschen, die tragen ein wundervolles Etikett. Aber in der Flasche selbst ist gepantschter Wein. So gibt es auch ein Etikett-Christentum. Das Etikett sagt „christlich“. Aber dahinter ist nichts zu spüren von einem neuen Leben, von Buße und Glauben an den Herrn Jesus, von Wiedergeburt und Kraft des Heiligen Geistes.

Es gibt ein Wort-Christentum. Da beherrscht man den ganzen christlichen Wortschatz und kann sogar öffentliche christliche Reden führen. Aber es sind leere Worte, da die Wirklichkeit des Lebens ihnen nicht entspricht.

Gajus wandelte in der Wahrheit. Das heißt: Sein Christenstand ist ein Christenstand der Wirklichkeit. Da ist wirkliche Furcht vor Gott. Da ist wirkliche Sündenerkenntnis. Da ist wirklicher Heilsglaube. Gott schenke uns auch dies!