Wilhelm Busch – Was wir im neuen Jahr erwarten können

 

Jahreslosung (1944):

»Der Herr ist treu. Er wird euch stärken und bewahren

vor dem Argen.« (2.Thessalonicher 3, 3)

 

Ich hatte einen väterlichen Freund, der nicht nur äußerlich ein großer und starker Mann war, sondern auch stark war im Glauben an den Sohn Gottes. Der wurde schwer krank. Die Ärzte gaben keine Hoffnung. Allerdings — sagten sie — bestünde vielleicht noch eine letzte Möglichkeit, wenn er sich einer schweren Operation unterziehe, deren Ausgang jedoch ungewiss sei. Er entschloss sich also zu dieser Operation, bei der er dann auch starb. Er ging selbst zum Krankenhaus. Als er da an dem Tor stand, hinter dem die Entscheidung fallen sollte, da zögerte er einen Augen­blick. Aber dann sagte er: »Der Weg ist dunkel. Aber das Ziel ist hell!« Und damit drückte er die Türklinke her­unter.

So sagen auch wir Christen zu dieser Jahreswende: Der Weg ist dunkel, aber das Ziel ist hell. — Ja, das Ziel ist hell. Wir gehen der Wiederkunft des Herrn entgegen. Aber — der Weg ist so dunkel. Wer empfände das heute nicht? — Allerdings für Christen ist er nicht ganz dunkel. Unser Text sagt uns, was wir im neuen Jahr erwarten können.

 

1. Anfechtung

Das klingt hart. Aber es ist die Eigenart des Wortes Gottes, dass es uns alle falschen Vorstellungen und Illusionen nimmt. Und so sagt es uns hier hart und nüchtern: Das Arge wird euch anfechten!

Jetzt muss man fragen: »Was ist denn das Arge?« — Wir meinen natürlich, das wüsste doch jeder ohne weiteres: Krankheit, Bombenschäden, Leid usw. Aber ich bin mir gar nicht sicher, ob die Bibel das meint. — Ich kannte z.B. einen Bergmann, der war durch ein Unglück gelähmt worden. Das wurde ihm zum Anlass, dass er auf seinem Sündenweg umkehrte, Vergebung suchte und den Herrn Jesus fand. Als ich ihn einst besuchte, sagte er mir: »Wenn ich einmal in die Ewigkeit komme, will ich Gott danken, dass er mir die Wirbelsäule zerbrochen hat. Denn ohne das wäre ich in meinen Sünden ewig verloren gegangen.« Er sah also das Unglück als etwas Gutes an. Und nun das Gegenstück: Ich kannte einen jungen Mann. Der bekam eine Stellung, in der er sehr viel Geld verdiente. Ist das nicht was Gutes? Aber seht, das Geld wurde der Anlass, dass der junge Mann auf leichtsinnige Wege geriet und völlig Schiffbruch erlitt. Das sogenannte Glück war also für ihn etwas Arges!

Ich will nun aber wiederum nicht behaupten: alles Glück sei arg und alles Unglück gut. — Ja, was ist denn nach An­sicht der Bibel das »Arge«? Antwort: Alles, was mich von dem Herrn Jesus, von dem guten Hirten und von seinem Kreuz wegbringt.

Und da gibt's viel. Ich kenne solche, die sind durch Glück von ihm weggebracht worden. Und ich kenne andere, die hat das Leid von Jesus weggetrieben. Die einen riss die Weisheit der Welt von Jesus und die anderen die Dummheit. Die einen gingen von ihm, weil sie allein gut sein wollten und die anderen, weil sie böse sein wollten. Ja, es gibt viel Arges. Doch ich muss wohl auch das sagen, dass man nach dem griechischen Text auch übersetzen kann: der Arge! Jawohl, so ist es! Der Arge, der Teufel, will nicht, dass wir selig werden und uns hier schon unseres Heilands freuen. Und darum wird er auch im neuen Jahr nicht ablassen, uns anzufechten. »Groß Macht und viel List sein grausam Rüstzeug ist, auf Erd ist nicht seinesgleichen...«

 

2. Bewahrung

Wenn ein Kind geboren wird, dann wird es gepflegt und ge­hätschelt. Man bewahrt es vor Zugluft. Wenn aber der geistliche Mensch zum Leben erwacht, wenn ein Mensch durch die Kraft des Heiligen Geistes wiedergeboren wird, dann ist das neugeborene Glaubensleben sofort den größten Gefahren ausgesetzt. Der Teufel bietet alles auf, es zu vernichten. Die Welt bietet alles auf, es zu zerstören. Ja, das eigene Herz und die Vernunft reden gegen das Geistes­leben. Und nur das Gewissen klammert sich an Jesus und sein Heil.

Ja, wie soll denn da ein Mensch selig werden? Wie kann sich denn einer auch nur einen Tag seines Hei­lands freuen? Muss nicht unser aller schwaches Glaubens­leben im kommenden Jahr unter den Anfechtungen zu­sammenbrechen?

Nein! »Der Herr ist treu, der wird euch bewahren vor dem Argen.«

Und das werden wir im kommenden Jahr erfahren. Das heißt, nur die werden es erfahren, in denen der Herr selbst das Geistes- und Glaubensleben begonnen hat. Alles Eigene bricht zusammen. Der Herr sagt: »Eine jegliche Rebe, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, wird ausgerottet.«

Also, der Herr selbst will das Seinige bewahren. Glaubst du, dass er das kann? O gewiss kann er das! Es ist vielleicht einer hier, der ist ein unglückseliger Skeptiker. Und sein Glaube ist nur wie ein Flämmlein in der Zugluft. Glaube

nur, dass Jesus dich zu einem strahlenden Glaubenshelden machen kann. Und da ist einer, der hat von Natur die übelsten und abscheulichsten Veranlagungen. Glaube nur, dass Jesus dich herrlich vor dir selbst bewahren kann. Und da lebt einer in Verhältnissen, in denen eigentlich alles Glaubensleben ersticken muss. Glaube du nur, dass Jesus wie eine feurige Mauer um dich her sein wird. Wen er mit seinem Blut erkauft hat und durch seinen Hei­ligen Geist zum Leben gerufen hat, den lässt er nicht, und wenn die Welt darüber unterginge! Wie der Herr die Seinen bewahrt, das hat der Prophet Jesaja in einem wundervollen Bild gesagt: »Grad wie ein Löwe brüllt über seinem Raub, wenn der Hirten Menge ihn anschreit, so erschrickt er vor dem Geschrei nicht und ist ihm auch nicht leid vor der Menge; also wird der Herr her­niederfahren zu streiten.«

 

3. Sieg

Der Herr ist treu, der wird euch stärken. Die Gemeinde Jesu ist ein seltsamer Haufen. Wenn man sie so ansieht, dann kann man sich nichts Armseligeres vor­stellen. Und wenn man ihre Chancen berechnet, dann sind sie gleich Null. Und die Welt weiß noch nicht mal, wie arm die Gemeinde ist. Jeder wiedergeborene Christ ist in seinen eigenen Augen noch viel geringer, als die Welt ahnt. Er allein weiß um die Macht der Sünde in seinem Leben. Er kennt seinen Unglauben und seine Schwachheit. Und doch, diese Schar hat Jahrhunderte Verfolgungen siegreich bestanden. An ihr ist das Schwert der Verfolger und der Witz der Weisen dieser Welt stumpf geworden. Sie geht triumphierend einher, wenn die ganze Welt den Kopf hängen lässt. Sie überwindet weit. Sie verachtet den Tod, und den Satan hat sie unter den Füßen.

Wie geht das zu? Hier steht es:

»Der Herr ist treu, der wird euch stärken.«

Ein versöhntes Gewissen, das Vergebung der Sünden hat,

gibt einen Heldenmut. Und die Kraft des Heiligen Geistes

überwindet die Welt. Der treue Herr sorgt dafür, dass seine

Gemeinde beides reichlich hat.

So treten wir in das neue Jahr und sprechen im Glauben:

 

»Ich gehe einher in der Kraft des Herrn ...«