Die Wahrheit muss verteidigt werden

 

Wolfgang Nestvogel

31.10.2015

Maleachi-Tag V – Bielefeld – Referat 4

ID: 28351

 

Wir hatten sowieso eine aufregende Woche bei uns in Hannover, weil einige Studenten aus unserer Gemeinde einen Arbeitskreis gegründet haben schon vor längerem, mit dem sie an der Universität öffentliche Veranstaltungen durch­führen, 'Arbeitskreis Wissenschaft und Weltanschauung', heißen die, und sie sind schon an der zentralen Uni gewesen, in der MHH, also der Medizinischen Hochschule mit Veranstaltungen, und diesmal sollte nun an der Fachhochschule für Ingenieurswissenschaften Fakultät II ein Vortrag stattfinden mit einem Sprecher des Deutschen Christlichen Technikerbundes Winfried Borlinghaus zum  Thema 'Bionik – wie intelligent ist die Natur?' Bionik ist ja das Fach, das sich mit der Frage befasst, wie man gewissermaßen Ideen aus der Natur als Vorbild nehmen kann für technische Erneuerungen. Ingenieure staunen über das innovative Potential der Natur. Und das ganze führt dann natürlich zu der Frage: Wenn in der Natur komprimiert derart geniale Modelle und Muster zu finden sind, wo, wo kommt das her? Nun, einen Tag vorher – also der Vortrag sollte Mittwoch stattfinden – am Dienstag gab es plötzlich das Verbot durch den Dekan der Fakultät mit einer sehr fragwürdigen Begründung. Und es war klar, dahinter steckten letztlich ideologische Gründe. Dann erschien am nächsten Tag früh noch über den Facebook-Kanal der Fachschaft – also die Fachschaft ist ja normaler­weise ein Gremium, das die Studenteninteressen vertreten soll – erschien dann nochmal eine zusätzliche Warnung vor dieser Veranstaltung „An alle Studierenden, die morgen den Vortrag Bionik am Campus Linden besuchen wollen. Dieser wurde vom Dekan untersagt, es wird aber leider damit gerechnet, dass der Veranstalter trotzdem erscheinen wird. Sollte das passieren, wird er mit polizeilicher Hilfe des Campus verwiesen. Und von allen Studenten, die anwesend sind, könnten die Personalien aufgenommen werden für spätere Zeugen­aussagen. Daher noch einmal die Bitte, nicht zu dem Vortrag zu erscheinen.“ Ein paar Minuten später haben unsere Studenten über Facebook folgendes geantwortet: „ Da trotz langfristiger Zusage durch den Dekan der Fakultät II uns der Hörsaal kurzfristig verweigert wurde, sind wir gezwungen, unsere Veranstaltung räumlich zu verlegen. Der Vortrag findet definitiv statt. Wir laden dazu ein, die wissenschaftliche Debatte mit Argumenten statt Verboten zu führen, und zwar 300 m hinter der Hochschule, Clubgaststätte 1897 Linden, Stammesstraße.“ Das ist das Vereinsheim eines Rugby-Clubs. Und dort hat dann in der Tat auch der Vortrag stattgefunden. Der Wirt war sehr, sehr freundlich und entgegenkommend. Die Studenten haben sich postiert, teilweise vor dem Hörsaal oder an den Eingängen, und haben denen, die kamen, einfach Zettel mit der neuen Ortsangabe in die Hand gedrückt und auf die schon aushängenden Plakate dann rote Zettel aufgeklebt mit dem Motto: „Argumente statt Verbote“. Und so wurde das dann ein sehr bewegender Abend mit vielen Gesprächen hinterher noch mit Fernstehenden und man hat gemerkt, wie Gott diesen Tag doch dann letztlich besonders gesegnet hat.

Und ich musste natürlich sofort an den Vortrag heute denken und an meinen Auftrag und mein Thema 'Die Wahrheit muss verteidigt werden'. In diesem Falle musste überhaupt erst mal die Freiheit verteidigt werden, die Wahrheit über­haupt sagen zu dürfen. Nun, diese Haltung ist nicht selbstverständlich, auch nicht in christlichen Gemeinden. Einige raten in Konfliktsituationen dann eher, demütig abzuwarten. Die Wahrheit habe es nicht nötig, verteidigt zu werden, sie werde sich schon selbst verteidigen. Und wir – heißt es dann – sollten uns darauf beschränken, unsere positive Botschaft auszurichten, aber uns nicht auf kontroverse Debatten einzulassen, das gebe ohnehin nur Streit.

Und wir fragen: Ist das die Position der Bibel? Und die Antwort lautet klar und deutlich: Nein! Und damit sind wir schon beim ersten Punkt:

 

1.   Der biblische Auftrag – Verteidigung der Wahrheit      
Das Wort Gottes fordert uns ausdrücklich auf, aktiv die Wahrheit zu verteidigen. Ich will hier nur zu Anfang ein paar Stellen nennen, die klassische Stelle ist natürlich: 1. Petrus 3, 15, die klassische Begründung der christlichen Apologetik, also der Verteidigung des Glaubens, wo Petrus schreibt:
seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist        ,
Und hier steht das griechische Wort 'apologia' und 'apologia' bedeutet soviel wie Verteidigung. Verteidige die Wahrheit gegen Anfragen, begründe sie. Genauso programmatisch sehen wir das im Judasbrief in dem 3. Vers – der Judasbrief hat ja nur ein Kapitel –, wo es heißt:      
Ihr Lieben, nachdem ich ernstlich vor hatte, euch zu schreiben von unser aller Heil, hielt ich's für nötig, euch in meinem Brief zu ermahnen, dass ihr für den Glauben kämpft, der ein für allemal den Heiligen überliefert ist.
Und glauben, das bedeutet hier die Glaubenswahrheit, der Inhalt des Glaubens, die Lehre des Glaubens, das Kompendium des Glaubens. Man könnte auch sagen: die christliche Dogmatik. Dass ihr für die christliche Dogmatik kämpft. Glaube bedeutet eben beides. Einmal die Wahrheit des Glaubens: Wer ist Jesus? Was ist Rettung? Und dann zugleich das persönliche Vertrauen in diese Wahrheit und in den, von dem diese Wahrheit berichtet. Glauben meint beides in der Bibel. Das Vertrauen auf den Inhalt: dass das richtig ist; dass das wahr ist; dass das zuverlässig ist; dass das sachlich stimmt. Und die persönliche Bereitschaft, aufgrund dessen, Gott der mir dieses offenbart, zu vertrauen. Kämpfe für die Wahrheit des Glaubens. Auch Paulus spricht in dem Zusammenhang vom Kampf des Glaubens z.B. 1. Timotheus 6, 12:      
Kämpfe den guten Kampf des Glaubens.     
Natürlich müssen wir immer deutlich machen – und in unserer Zeit besonders –, dass wenn wir als Christen vom geistlichen Kampf sprechen, dass wir damit etwas total anderes meinen als der Islam mit dem Djihad. Keine Gewalt – das ist ein, ein ganz wichtiges Prinzip. Unser Kampf darf sich nie gegen Menschen persönlich richten, sondern es geht um Inhalte. Es geht um die Auseinan­dersetzung mit Ideologien und Konzepten und letztlich mit dem – auch wenn wir den nicht direkt angreifen können –, der dahinter steht, nämlich dem Teufel. Also wir müssen besonnen sein, wenn wir Kampf reden, um nicht verwechselt zu werden. Aber Besonnenheit ist etwas anderes als Feigheit. Und deswegen dürfen wir – bei aller Differenzierung – die Notwendigkeit des Kampfes auch nicht unterschlagen und nicht verleugnen. Und wir müssen damit rechnen, dass der Einsatz für die Wahrheit auf massiven Widerstand treffen kann. Und damit wir erst gar nicht in Versuchung kommen, den Kampf zu unterschlagen, hat Paulus den Begriff und die Sache des geistlichen Kampfes an vielen Stellen seiner Schriften verankert. Ich empfehle mal eine Konkordanzstudie zum Begriff 'Kampf', vorwiegend bei Paulus, da kommt einiges zusammen. Und ein zentrales Schlachtfeld dieses Kampfes ist der Streit um die Wahrheit, was gilt. Paulus fordert uns auf in 2. Korinther 10, 4 + 5, dass wir jeden Gedanken, der sich erhebt gegen die Erkenntnis Christi, jeden Gedanken, der die in der Bibel offenbarte Wahrheit in Zweifel zieht, dass wir den gefangen nehmen im Gehorsam gegenüber Christus. D.h, dass wir den prüfen an der absolut zuverlässigen Wahrheit des Wortes Gottes. Die Wahrheit muss verteidigt werden und zwar klar in der Sache und liebevoll in der Form. Das sagt Paulus in Epheser 4, 15, wir sollen wahrhaftig sein in Liebe. Und diese Aufgabe gilt nach außen wie nach innen. Also wir müssen gegenüber Nichtchristen die Wahrheit verteidigen. 1. Petrus 3, 15 war ja schon das Beispiel, wenn einer Rechenschaft verlangt, wenn einer unsere Hoffnung in Frage stellt. Und ein gutes Beispiel für die Verteidigung der Wahrheit gegenüber der nichtchristlichen Welt ist das Gespräch, das Paulus führt mit Agrippa in Apostelgeschichte 26. Wir können das jetzt nicht im einzelnen uns anschauen, aber ich empfehle das sehr eurer Lektüre: Apostelgeschichte 26, 19–29, v.a. wo Paulus vor Agrippa steht und begründet, was er verkündigt hat, und deutlich sagt, ich lehre nichts anderes, als was die Propheten und Mose gesagt haben. Und dann kommen die Fakten: dass Christus leiden musste und auferstehe und dass es genauso geschehen sei. Und er wird unterbrochen, Festus unterbricht ihn und sagt: Paulus du bist von Sinnen, das viele Studieren bringt dich um den Verstand. Also nach dem Motto: Genie und Wahnsinn sind immer nah beieinander. Und jetzt übertreibst du's aber. Und Paulus lässt das nicht gelten. Er sagt: Hochedler Festus, ich bin nicht von Sinnen, sondern ich rede wahre und wohlüberlegte Worte. Und dann setzt er wieder an mit seiner Begründung. Und dann sagt er: Glaubst du den Propheten König Agrippa? Ich weiß, dass du glaubst. Und dann sagt Agrippa zu Paulus: Es fehlt nicht viel und du überredest mich, Christ zu werden. Man weiß nicht, ob das höhnisch gefragt ist oder nachdenklich. Und Paulus lässt sich überhaupt nicht beirren und macht weiter und sagt: Ja, ich wünschte mir vor Gott, dass über kurz oder lang nicht allein ich, sondern auch alle, die hier sind, Christen würden. Natürlich, weil das die Wahrheit ist. Die Wahrheit muss verteidigt werden gegenüber Angriffen von außen, aber auch gegenüber Verfälschungen in den eigenen Reihen und da ist eines der vielen Beispiele 2. Timotheus 4, 1–4, wo der Apostel ganz deutlich sagt, warum das dringend, dringend nötig ist. 2. Timotheus 4, 1: 
1 So ermahne ich dich Timotheus nun inständig vor Gott und Christus Jesus, der da kommen wird zu richten die Lebenden und die Toten. 2 Predige das Wort, steh dazu, es sei zur Zeit oder zur Unzeit, weise zurecht, drohe, ermahne mit aller Geduld und Lehre. 3 Denn es wird eine Zeit kommen, da sie die heilsame Lehre nicht ertragen werden, sondern nach ihren eigenen Gelüsten werden sie sich selbst Lehre aufladen, nach denen ihnen die Ohren jucken, 4 und werden die Ohren von der Wahrheit abwenden und sich den Fabeln zukehren.
Und dann kommt nicht die Aufforderung, diese Leute eben sich selbst zu überlassen, da sie's nicht besser wollen, sondern:   
5 Du aber sei nüchtern, leide willig, tue das Werk eines Predigers      
Predige das Wort, steh dazu, es sei zur Zeit oder zur Unzeit. Und ein letztes Beispiel, dass die Wahrheit verteidigt werden muss, nicht nur gegenüber außen, sondern auch nach innen hin, ist dann diese berühmte Situation, als Paulus sich mit den Ältesten von Ephesus trifft in Apostelgeschichte 20, und weiß, dass ist das letzte Mal, dass er sie sehen wird vor seinem Heimgang, und dann kündigt er ihnen an – Vers 28:  
28 So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in die euch der Heilige Geist eingesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, die er durch sein eigenes Blut erworben hat. 29 Denn das weiß ich, dass nach meinem Abschied reißende Wölfe zu euch kommen, die die Herde nicht verschonen werden. 30 Auch aus eurer Mitte werden Männer aufstehen, die Verkehrtes lehren, um die Jünger an sich zu ziehen. 31 Darum seid wachsam   
Die Wahrheit muss verteidigt werden. Das ist ein eindeutiges biblisches Gebot. Und indem der Herr uns diesen Auftrag gibt, setzt er auch voraus, dass man die Wahrheit erkennen kann. Natürlich sind wir noch irrtumsanfällig, weil wir Sünder sind. Und trotzdem gibt es in den zentralen Fragen ganz klar die Möglichkeit, geleitet durch den Heiligen Geist, der uns das Wort Gottes verstehen lässt, eindeutig die Wahrheit zu erkennen. Die Bibel hat entgegen der Postmoderne einen objektiven Wahrheitsbegriff. In der Bibel bedeutet 'wahr', dass etwas richtig ist, zuverlässig berichtet. Wahrheit ist die Übereinstimmung einer Aussage mit der Sache, die sie behauptet. Wahrheit bedeutet in der Bibel eben auch sachliche Richtigkeit und nicht nur persönliche Vertrauenswürdigkeit. Und zwei entscheidende Wahrheiten, die die Refor­mation wieder zutage gefördert hat, haben wir heute in den Vorträgen vorgestellt bekommen. Einmal die Wahrheit allein: Christus. Er ist der einzige Retter und ihn haben wir allein im Glauben aufgrund seiner Gnade. Und dann die andere Wahrheit: Dass wir eben diese Wahrheit über Jesus allein in der Bibel erfahren, wo Gott sie uns irrtumslos offenbart. Solus Christus. Sola Scriptura. Allein Christus. Allein die Heilige Schrift. Diese Wahrheiten wurden von der Reformation wiederentdeckt, wieder ausgegraben gewissermaßen und damit kommen wir zu unserem zweiten Punkt. 1. Der biblische Auftrag – Verteidigung der Wahrheit. 2. Das reformatorische Vorbild – die Wieder­entdeckung der Wahrheit   

2.   Das reformatorische Vorbild – die Wiederentdeckung der Wahrheit      
Nun, wir wissen, die Reformatoren fingen nicht bei 'Null' an. Bereits ca. hundert Jahre vor Luthers Thesenanschlag im Jahr 1517 hatte der Rektor der Prager Universität, nämlich Johann Hus ähnliche Überzeugungen vertreten. Etwa hundert Jahre vor Luther, ja, dass die Bibel den Vorrang hat vor der kirchlichen Institution. Im Dezember 1414 wird Hus verhaftet. Er wird dann gefangen genommen, gefoltert, in Ketten gelegt. Das ist ein Beispiel für das Martyrium, das aus dem Wahrheitszeugnis folgen kann. Und am 6. Juli 1415 wird der Professor Johann Hus mit seinen Büchern auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Kurz vor seinem Tod soll Johann Hus folgende Sätze geschrieben haben: „Heute verbrennt ihr eine Gans. [Hus heißt auf Tschechisch Gans.] Heute verbrennt ihr eine Gans. Aber in hundert Jahren werdet ihr einen Schwan singen hören, den ihr nicht verbrennen könnt. Den werdet ihr anhören müssen.“ Und hundert Jahre später schreibt Martin Luther: „ Johann Hus weissagte von mir, als er aus seinem Gefängnis in Böhmen schrieb, jetzt werden sie eine Gans braten, aber nach hundert Jahren werden sie einen Schwan singen hören. Und so wird es weiter gehen, wenn es Gott gefällt.“ Also Luther sagt, ich bin der Schwan. Und dann kommt der 31. Oktober 1517, also genau heute vor 498 Jahren. Dieser Tag ist ein wichtiges Glied in einer längeren Kette von Ereignissen, die die Reformation ausgemacht haben. Und dieser Tag verkündigt die Botschaft dort in Wittenberg, wo Luther dieses Plakat mit den 95 Thesen an der Tür der Schlosskirche anbringt: Die Bibel ist der Maßstab für die kirchliche Tradition und nicht umgekehrt. Die Bibel ist der Maßstab für die kirchliche Tradition und nicht umgekehrt. Und Luthers Thesen erobern in Windeseile das Land. Der für ihn zuständige Kardinal bekommt die Thesen von ihm direkt zugeschickt und leitet sie sofort an die Zentrale in Rom weiter. Der hat also auch lieber denken lassen als selber gedacht.       
Wogegen Luther sich wendet, ist nicht nur diese populäre Maxime, die Tetzel etwa verkünden ließ: „Wenn der Groschen im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt.“ –  also die Diskussion um den Ablass, mit dem die Katholische Kirche den Bau des Petersdoms finanzieren will, sondern im Kern geht es um eine viel tiefere Frage. Es geht einmal um die Frage: „Was ist wahre Buße?“ Was ist wahre Buße? Und es geht noch grundsätzlicher um die Frage: „Wo erfahren wir das? Welche Quelle ist die Autorität, um zuverlässig Auskunft zu geben?“ Und Luther schreibt etwa in der 21. These: „Deshalb irren jene Ablassprediger, die sagen, dass durch die Ablässe des Papstes der Mensch von jeder Strafe frei und los werde.“ (Das Papsttum lehrt das bis heute in ähnlicher Weise wie damals.) Und Luther weiter in These 27: „Menschenlehre verkündigen die, die sagen, dass die Seele aus dem Fege­feuer empor fliege, sobald das Geld im Kasten klingt.“ Und immer deutlicher in dieser ganzen Diskussion stellt sich die Frage der Autorität. Und das ist der eigentliche Skandal. Luther beruft sich gegen die Tradition auf die Bibel. Allein die Schrift. Und er fügt diesen Thesen eine geschriebene Predigt hinzu, in der er sagt: „In den angeführten Punkten hielt ich keinen Zweifel. Sie sind deutlich in der Schrift bezeugt. Und darum sollt ihr auch keinen Zweifel haben und lasst Doctoris solasticus solasticus sein.“ Also lasst die vermeintlichen Wissenschaftler reden, was sie wollen, wir haben die Schrift.     
Und dieses Skandalon – dieser Anstoß – wird auch von Luthers Gegnern deutlich gesehen. Ein Sprachrohr des Papstes, Silvester Prierias, schreibt als Antwort auf Luthers Thesen: [Zitat] „Wer nicht die Lehre der Kirche von Rom und des Pontifex von Rom als unfehlbare Hüter des Glaubens anerkennt, von denen die heiligen Schriften ihre Kraft und Autorität beziehen, der ist ein Häretiker.“ Der ist ein Irrlehrer. Also, woher beziehen die heiligen Schriften ihre Kraft und Autorität? Von der Kirche von Rom und dem Papst. Und jetzt ist der Kampf voll entbrannt. Im Juni 1520 wird gegen Luther eine sogenannte Bannandrohungsbulle versandt, d.h., man fordert ihn auf zum Widerruf. Und was antwortet Luther? Luther antwortet nicht mit einem als Taschenbüchlein zusammengestellten freundlichen Brief an den Bruder in Rom, sondern Luther schickt Papst Leo seine Schrift 'Von der Freiheit eines Christenmenschen“ im Oktober 1520. Und dann kommt es zum endgültigen Bruch. Luthers Bücher werden verbrannt. Und als Antwort darauf verbrennt er in Wittenberg vor dem Elstertor diese Bulle, die ihn gewissermaßen bannt, und einige Schriften der alten Scholastiker. Also die haben sich gegenseitig ihre Bücher verbrannt. Das war auch eine interessante Art und Weise, öffentlich zu demonstrieren.    
Und schließlich verhängt der Papst den Bannzug gegen Luther. Am 3. Januar 1521 wird Luther exkommuniziert. Der Papst will am liebsten kurzen Prozess machen, der Kaiser taktiert noch, weil er die lutherfreundliche Stimmung im Lande spürt, und so wird Luther eingeladen zum Reichstag nach Worms. Also ich übergehe jetzt einige Stationen. Am 17. + 18. April steht Luther vor dem Reichstag zu Worms. Wolfgang Bühne hat von diesem historischen Ereignis schon berichtet heute. 2 Tage, zweimal muss er dort erscheinen vor, vor diesem Gremium der Mächtigen und nach 1 Tag Bedenkzeit und im Wissen, dass dies seinen Tod bedeuten könnte, lehnt Luther es ab, seine Thesen zu widerrufen, also zurückzunehmen. Und dann kommt dieses Zitat, das so wichtig ist, dass wir es ruhig noch ein zweites Mal heute hören können: „Wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde [und mit den Vernunftgründen meint Luther nicht eine Instanz neben der Schrift, sondern durch klare Argumente aus der Bibel, meint das hier]. Wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde, nehme ich nichts zurück. Denn weder dem Papst noch den Konzilien allein glaube ich, da es fest steht, dass sie öfter geirrt haben und sich selbst widersprechen. So bin ich doch durch die Stellen der Heiligen Schrift, die ich angeführt habe, überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nicht widerrufen, weil wider [also gegen] das Gewissen etwas zu tun, weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir. Amen.“ Und dann wird ja auch noch zitiert: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ Das ist nicht historisch belegt, aber von der Sache her stimmt's schon. Er stand da wirklich und er konnte wirklich nicht anders. 
Luther wird aber nicht verhaftet, weil sein Kurfürst Friedrich der Weise 21 Tage freies Geleit ausgehandelt hatte. Dieser Kurfürst war auch eine hochinteressante Figur, über den müsste an anderer Stelle nochmal geredet werden, er hat sich jedenfalls in einer gewissen Sympathie für Luther eingesetzt. Und so bleibt Luther frei, aber vogelfrei. D.h., jeder kann ihn jetzt töten, der ihn erwischt. Und wahrscheinlich haben seine Gegner – also der Papst und der Kaiser auch insgeheim auf so einen wirkungsvollen Mordan­schlag gehofft. Friedrich der Weise lässt es nicht dazu kommen. Am Abend des 4. Mai 1521 wird Luther 'entführt' von Friedrich's Soldaten, heimlich aufgegriffen und dann festgesetzt in der Eisenacher Wartburg, um ihn der Gefahr zu entziehen. Man könnte sagen, diese Entführung war freundlicher­weise vorher abgesprochen. Denn einige Tage vorher – also das fand statt am 4. Mai – einige Tage vorher am 28.4. schreibt Luther in einem Brief an seinen Freund Lucas Cranach der Ältere – also das war dieser berühmte Maler, der uns diese großartigen Porträts aus der Reformationszeit geschenkt hat – da schreibt er an Cranach: „Ich lass mich ein tun und verbergen und weiß selbst nicht, wo.“ Also am 28.4. gibt es schon einen Plan und er wird am 4. Mai dann ausgeführt. Soweit in aller Kürze. Das reformatorische Vorbild – die Wiederentdeckung der Wahrheit.     
Und wir haben heute gesehen, dass es um diese beiden Grundpfeiler der Wahrheit geht: Einmal um diese Aussage 'die Wahrheit steht in einem Buch'. Und zum anderen um diese Erkenntnis 'die Wahrheit ist eine Person'. Die Wahrheit ist eine Person. D.h.: Wie kommt ein Mensch in den Himmel? Durch Jesus allein oder muss er zusätzlich Werke vollbringen und mit der Kirche in irgendeinem Einvernehmen steh'n? Und die andere Frage: Wessen Autorität gilt? Die Bibel allein oder hat die kirchliche Tradition mit dem Papst an der Spitze dort noch ein Wörtchen mitzureden? Darum geht es bei der reforma­torischen Frage bis heute. Und jetzt machen wir einen großen Sprung. Einen Sprung 498 Jahre vom 31. Oktober 1517 zum 31. Oktober 2015. Und wir fragen jetzt in unserem dritten Teil nach der aktuellen Situation der Römisch-Katholischen Kirche. Wir haben gesehen, der biblische Auftrag ist die Vertei­digung der Wahrheit. Das reformatorische Vorbild zeigt uns die Wieder­entdeckung der Wahrheit und bei der aktuellen Römisch-Katholischen Kirche begegnen wir der Ablehnung der Wahrheit. Man könnte auch sagen der Unter­drückung der Wahrheit. Das ist politisch nicht korrekt, das so zu formulieren, aber es entspricht dem theologisch-sachlichen Befund der Wahrheit, wenn Sie so wollen.

3.   Die Römisch-Katholische Kirche – Ablehnung der Wahrheit und Unterdrückung der Wahrheit      
Wenn das, was die Reformatoren wiederentdeckt haben über die Bibel und über die Rettung durch Jesus allein, wenn das die biblische Wahrheit ist - was Friedemann Wunderlich und Wolfgang Bühne uns heute Vormittag dargestellt haben, dann ist das Lehrsystem der Katholischen Kirche, auf das jeder Priester bis heute verpflichtet wird, die Ablehnung der Wahrheit und die Unterdrückung der Wahrheit. Und dieses Lehrsystem ist an vielen Stellen rechtsverbindlich festgehalten z.B. auch in diesem sogenannten Katechismus der Katholischen Kirche. Und die Römische Kirche versteht sich bis heute als die Hüterin der Wahrheit. D.h., sie entscheidet darüber, was wahr ist und was nicht. Und die Römische Kirche fußt auf diesem Prinzip, die Wahrheit ist immer dieselbe. Das stimmt ja auch, dass die Wahrheit immer dieselbe ist. Aber die Römisch-Katholische Kirche sagt, sie sei immer gleich und verändere sich nicht. Und dieser Anspruch der Römischen Kirche wird von vielen bis heute nicht erkannt und geradezu naiv übersehen.    
Ein Beispiel dafür liefert die in dieser Woche erschiene Ausgabe des Magazins 'proKOMPAKT'. Das wird herausgegeben von der Konferenz Evangelikaler Publizisten. Und dort wird eine Spezialausgabe zum Reformationstag ver­öffentlicht. Und diese Spezialausgabe zum Reformationstag setzt ganz auf das Thema, dass sich doch Evangelische und Katholische offensichtlich immer stärker einander annähern. Auch über diese Brücke, dass man in der Tat gemeinsame ethische Überzeugungen hat, also etwa über Ehe oder über Abtreibung. Und dann wird gesagt, ja klar, da gibt es auch noch gewisse Unterschiede – etwa beim Abendmahlsverständnis oder bei der Heilig­sprechung Verstorbener oder bei der Beichte, und das kann man auch nicht wegdiskutieren – und trotzdem heißt es, es ist schön zu sehen, dass beide Gruppen in Deutschland und weltweit mehr und mehr ihre Kräfte bündeln. Und dann lautet der letzte Satz in diesem Editoriell von 'proKOMPAKT', herausgegeben von der Konferenz Evangelikaler Publizisten: „Die pro-Redaktion wünscht allen Leserinnen und Lesern ein gesegnetes Wochenende, ob Sie den Reformationstag, Allerheiligen, beides oder nichts von beidem feiern. Ihre pro-Redaktion. Also feiern Sie den Reformations-Tag, feiern Sie möglicherweise auch genau das Gegenteil – Allerheiligen – oder feiern Sie gar nichts oder beides. Schönes Wochenende kann man da wirklich nur sagen.     Und dabei wird verdeckt – bei dieser Art der Darstellung –, dass damals wie heute der Gegensatz eben nicht in untergeordneten Einzelfragen besteht, liebe Geschwister, das können wir gar nicht oft genug klarstellen. Der Gegensatz zwischen evangelisch und katholisch besteht eben nicht in neben geordneten Einzelfragen wie dem Heiligenverständnis oder der Beichte oder ähnlichen Dingen, sondern der Gegensatz besteht im Kern des Christseins und des Evangeliums, im Kern der Kreuzesbotschaft. Das haben wir hier in einem anderen Zusammenhang auch schon einmal gezeigt.
Die Lehre der Römisch-Katholischen Kirche besteht bis heute unverändert gegen beide Vorträge von heute Morgen, wie wir gehört haben. Sie steht dagegen, dass die Rettung allein durch den Glauben an Jesus kommt. Noch immer gilt, was das Konzil von Trient im 16. Jahrhundert beschlossen hat, und das ist mit keiner Silbe zurückgenommen worden. „Wer behauptet, der rechtfertigende Glaube sei nichts anderes als das Vertrauen auf die göttliche Barmherzigkeit, die um Christi willen die Sünden nachlässt [also vergibt] oder dieses Vertrauen allein sei es, wodurch wir gerechtfertigt werden, der sei ausgeschlossen.“ Also diese These von Trient verdammt genau den Kern des Vortrags, den Friedemann Wunderlich heute Morgen gehalten hat, und damit ist Friedemann Wunderlich aus der Römisch-Katholischen Kirche ausge­schlossen. Solus Christus und allein die Gnade gilt nach wie vor als die krasse Häresie. Und das gleiche gilt für den Vortrag von Wolfgang Bühne Sola scriptura, allein die Heilige Schrift. Nein: Schrift und Tradition. Und das wird nicht nur in den ehrwürdigen Bekenntnistexten der Römischen Kirche festgehalten, sondern eben auch in diesem berühmten YOUCAT, also dem Jugendkatechismus, von dem wir heute Vormittag gehört haben und zu dem jetzt noch zusätzlich so eine spezielle Bibel gewissermaßen dazu veröffentlicht wurde. Schaut mal was in YOUCAT steht über das Verhältnis von Bibel und Tradition. Also Tradition ist das, was die kirchlichen Konzilien und Bekennt­nistexte beschlossen haben und das, worüber letztlich der Papst und seine Lehraufsichtsbehörde wacht. Da heißt es im YOUCAT unter Frage 12: „Woher wissen wir, was zum wahren Glauben gehört?“ Antwort: „Den wahren Glauben finden wir in der Heiligen Schrift und in der lebendigen Überlieferung der Kirchen gleich Tradition.“ Beides nebeneinander geordnet. Oder Frage 13: „Kann sich die Kirche, also die Kirche unter der Lehrverantwortung des Papstes in Glaubensfragen irren?“ Und die Antwort lautet: „Die Gesamtheit der Gläubigen kann im Glauben nicht irren. Wie die Jünger Jesu von ganzem Herzen geglaubt haben, so kann sich ein Christ ganz auf die Kirche verlassen, wenn er nach dem Weg zum Leben fragt.“ Und das ist nicht geschrieben im 16. Jahrhundert, sondern das ist geschrieben im 20. Jahrhundert im Jugendkatechismus, der auch in Idea eine fast jubelnde Bewertung erfuhr. Ihr Lieben, das eine ist zu sagen: Ja, auch in der Katholischen Kirche wird jetzt offiziell das Bibellesen gefördert. Damit ist noch nicht gesagt – lassen wir uns da keinen Sand in die Augen streuen –, welche Stellung der Bibel eingeräumt wird. Und alle relevanten gültigen Texte der Römischen Kirche machen klar, die kirchliche Tradition hat mindestens genau das gleiche Gewicht wie die Bibel. Und über der Auslegung wacht der Papst mit seiner Lehrbehörde. Und der Papst – und jetzt komme ich immer mehr ans Eingemachte – der Papst ist in der Römischen Kirche kein Grußaugust, wie man sagen würde. Der Papst hat nicht eine vergleichbare Funktion wie in unserer Demokratie etwa der Bundespräsident als Repräsentant, sondern der Papst ist die Schlüsselfigur, ist die – auch was die Machtfrage angeht – entscheidende Position des gesamten Römisch-Katholischen Systems. Und beim Papst geht es auch nicht um einzelne Personen in erster Linie, sondern es geht um das ganze Amt. Und Martin Luther und die gesamte Tradition wie Spurgeon oder John Wesley oder die Puritaner haben die These vertreten, dass der Papst der Antichrist sei. Das war deren eindeutige Einordnung.       
Und in der Tat ist es schon erstaunlich, welche Anmaßungen wir im Papstamt gebündelt finden. Das Papstamt maßt sich an, was vom Anspruch her nur dem Dreieinigen Gott zusteht: Der Papst nennt sich Heiliger Vater: Das ist allein Gott der Vater. Der Papst beansprucht den Titel Pontifex Maximus, oberster Brückenbauer zwischen Himmel und Erde. Das ist allein Jesus Christus. Der Papst erhebt für sich den Anspruch, der Stellvertreter Christi zu sein. Und das ist die Aufgabe des Heiligen Geistes. So erhebt das Papstamt alle drei Funktionen des Dreieinigen Gottes bis heute, uneingeschränkt. Und nun kann man nicht sagen, na ja, zu Luthers Zeiten war das besonders krass. Nein, seit Luthers Zeit ist dieser göttliche Selbstanspruch noch weiter ausgebaut worden. Beim 1. Vatikanischen Konzil 1869/1870 wurde das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes festgeschrieben, das für alle Päpste seitdem gilt. D.h., das Papstamt beansprucht, wenn der Papst „ex cathedra“ spricht, also in Wahrnehmung seiner Lehrvollmacht, dann ist dafür Irrtumslosigkeit zu beanspruchen. Und trotzdem denken immer noch viele Evangelikale, das heutige Papsttum sei doch eigentlich ganz in Ordnung.  
Aktuell ist der Papst ein großer Sympathieträger, obwohl er mit keinem Wort zurückgenommen hat, was der Katechismus unter Nr. 882 über das Papsttum sagt. Ich les das mal, ich les das mal vor. Da heißt es: „Der Papst ist das immerwährende und sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit. Der Römische Bischof hat Kraft seines Amtes, nämlich des Stellver­treters Christi und des Hirten der ganzen Kirche, die volle, höchste und allgemeine Vollmacht über die Kirche, die er immer frei ausüben kann.“ [Zitatende] D.h. sowohl  Johannes Paul II., als auch Benedikt, alias Ratzinger, als auch der jetzige Papst Franziskus beanspruchen für sich die volle, höchste und allgemeine Vollmacht über die Kirche, die er immer frei ausüben kann. Wer hat die Macht über die Kirche? Christus.      
Und trotzdem tritt der aktuelle Papst, der ehemalige argentinische Kardinal Jorge Mario Bergoglio, als Sympathieträger auf, seitdem er das Amt von Benedikt im März 2013 übernommen hat. Er hat sofort mit seiner Charme-Offensive große öffentliche Zustimmung gefunden. Das Magazin 'Time' erklärt ihn 2014 zum 'Men of the Year'. Dieser Papst lädt immer wieder Evangelikale zu Tagungen ein. Er hat sich sogar bei den Pfingstlern dafür entschuldigt, was die Römisch-Katholische Kirche ihnen angetan hätte. Aber hat dieser Papst irgend etwas an den Grundlagen des Papsttums geändert? Nein.    
Im September jetzt ist ein hochinteressanter Artikel erschienen von 2 Autoren, die auch in Deutschland einigen bekannt sind, einmal Bridget. Das ist der Mann, der die wichtigsten Untersuchungen über Willow Creek geschrieben hat. Und der andere Autor ist Leonardo di Chirico aus Rom. Und die beiden haben die Situation des aktuellen Papstes analysiert, Quellen über ihn gesich­tet und in einer Kurzfassung folgendes über ihn zusammengetragen. Wie präsentiert er sich? Franziskus hat das klassische Verständnis des Papsttums keinen Millimeter verändert, aber – wir haben das schon gehört – er ist ein ausgesprochen guter Kommunikator. Und er ist im Unterschied zu seinem Vorgänger Ratzinger typisch postmodern. Er geht freundlich auf die Leute zu. Er besucht Obama mit nem Fiat. Er fährt mit dem Fahrrad durch Rom. Und die ganze Presse jubelt und sagt: Was für ein demütiger Papst! Er geht freundlich auf die Evangelikalen zu. Er empfängt sie. Er lobt sie. Er lässt Selfies mit ihnen machen. Sowie Merkel mit den Flüchtlingen, lässt sich der Papst mit Thomas Schirrmacher im Selfie fotografieren. Leonardo die Chirico hat gesagt, er meidet alle theologischen Schlachtfelder. Er versucht, ein theologisches Dis­kussionsfeld nach dem anderen möglichst zu verlassen – von einigen Ausnah­men abgesehen. Er betont die persönlich-freundliche Beziehung. Er verwendet evangelikale Begriffe wie 'Bekehrung', 'Mission', 'persönliches Verhältnis zu Jesus'. Und er gibt fast jedem seiner Gesprächspartner das Gefühl, mit ihm übereinzustimmen. Und dann geht der erhobenen Hauptes aus dem Vatikan und sagt: Der Papst hat mir zugestimmt. Im katholischen System ist das auch möglich, weil das katholische System nicht im entweder – oder denkt, sondern im großen sowohl – als auch. So präsentiert sich Franziskus.   
Was sind seine theologischen Überzeugungen? Und da muss man nur die Quellen lesen. Franziskus ist auch ein glühender Marienverehrer. Eine seiner ersten Äußerungen nach Amtsübernahme war ein Dank an Maria. Für Franzis­kus gibt es kein 'Jesus allein', sondern er vertritt die Theorie, dass alle, die ihrem Gewissen folgen, letztlich von Gott angenommen werden. Nach Franziskus beten auch Muslime letztlich zum selben Gott wie die Christen.Sie  sind Brüder und Schwestern. Und in diesem weiten Herzen haben dann auch die Evangelikalen Platz und werden – wie uns ganz stolz von evangelikalen Funktionären berichtet wird – als echte Gläubige anerkannt. Was versteht der Papst unter 'Bekehrung'? Bekehrung bedeutet für diesen Papst – wie für die Römische Kirche – nicht Umkehr zu Jesus, nicht den Schritt von draußen nach drinnen, sondern die anderen sind ja in irgendeiner Form alle drin, haben ja Anteil an dieser universalen Gnade. Aber sie sollen engagierter im Glauben werden, kundiger im Glauben werden, näher an Jesus ran kommen. Und am nächsten kommen sie natürlich in der Römischen Kirche an ihn ran. Das bedeutet Bekehrung für den Papst, etwas völlig anderes, als das NT lehrt. Bekehrung bedeutet etwa für Moslems dann nicht, dass sie sich von Allah ab­wenden und auf Jesus allein vertrauen. Und Neuevangelisierung bedeutet etwas anderes als Evangelisation im Sinne des Neuen Testamentes. Es bedeutet Verkirchlichung. Es bedeutet Vertiefung des religiösen Bewusstseins. Aber es bedeutet nicht, Rettung aus der Verlorenheit und der Hölle. Und wir müssen wissen, Franziskus ist der erste Jesuit, der Papst wurde. Und er ist so schlau, dass er nicht zufällig Jesuit wurde. Sie wissen, was das Kennzeichen der Jesuiten war, was ihre 'raison d'être' ist, also der Grund, mit dem sie gegründet wurden. Von Ignatius von Loyola gegründet, um den Protestan­tismus bis aufs Messer zu bekämpfen. Das war die Gründungsidee der Jesuiten. Und Franziskus hat sich davon mit keiner Silbe distanziert, im Gegenteil. Es existiert ein Vortrag von Franziskus aus dem Jahr 1985 – eine Vorlesung über die Geschichte der Jesuiten. Und darin formuliert er eine massive Ablehnung der Reformatoren, insbesondere Luthers und Calvins. Er bezeichnet die Reformation letztlich als die Wurzel aller Übel in der westlichen Welt. Er diskreditiert die Puritaner als bigott und erbarmungslos – 1985. Diese Vorlesung wurde erneut publiziert 2013 in spanischer Sprache und er hat nichts, von dem, was er ursprünglich sagte, zurückgenommen. 2014 erschien dieser Vortrag auf Italienisch. Er steht dazu. Und so sagen die beiden Autoren Bridget und Leonardo di Chirico in ihrem Artikel zurecht: „Gewiss ist Franzis­kus ein lächelnder Jesuit, aber das Anti-Evangelische schlägt immer noch in seinem Herzen.“ Das sind einige seiner theologischen Überzeugungen.    
Und jetzt fragen wir zum Schluss: Was ist sein Ziel? Sein Ziel ist zum einen die Abwanderung der Katholiken von der Römischen Kirche in Lateinamerika zu stoppen. Das war auch einer der Gründe, warum die Synode jetzt einen Papst aus dieser Region gewählt hat. Und das sieht man auch an dem Schwerpunkt seiner ersten Reisen: erst nach Brasilien, nach Ecuador, nach Bolivien, nach Paraguay gereist. Und an einigen Stationen hätte er ja Wolfgang Bühne auch begegnen können. Aber jedenfalls vertritt dieser Papst eine klassische römisch-katholische Strategie. Und die kann man mit zwei Begriffen benennen. Es geht darum, Bewegungen aufzusaugen – zu absor­bieren – und 'Könige' zu bekehren. Also Bewegungen zu vereinnahmen, zu gewinnen und in den großen Strom der universalen Kirche irgendwann hinein­zuziehen und führende Funktionäre zu bekehren und zu gewinnen. Und in diesem Kalkül sind die Evangelikalen und die Pfingstler besonders wichtig, da viele Katholiken z.B. in Lateinamerika gerade zu denen abwandern. Und das erklärt und begründet die Umarmungsstrategie. Er ist doch ja sehr erfolgreich – muss man sagen – in den letzten Wochen gewesen und er baut an einem wirksamen Netzwerk. Einer seiner Helfer ist der im letzten Jahr verstorbene Anglikanische Bischof Tony Palmer.
Tony Palmer hat vom Papst – er kannte ihn noch aus Buenos Aires – eine Videobotschaft mitbekommen für eine Konferenz im Januar 2014. Übrigens wurde diese Konferenz zusammen mit Tony Palmer von Kenneth Copeland organisiert. Kenneth Copeland ist einer der Extrem-Charismatiker, der die-Wort-des-Glaubens-Theorie vertritt, nachdem der Mensch Gott in bestimmten Fällen befehlen kann durch seine Gebete. Also ein Extrem-Charismatiker – Kenneth Copeland. Viele von euch werden ihn kennen. Und nachdem diese Botschaft des Papstes – diese Videobotschaft – von Palmer gezeigt worden war, hat Palmer den anwesenden Pastoren gesagt [Zitat]: „Wir protestieren nicht mehr gegen die Heilslehre der Katholischen Kirche. Wir verkünden jetzt dasselbe Evangelium. Luthers Protest ist vorbei.“ Und er hat die Frage angefügt: „Deiner auch?“ Und dann folgte dieser Konferenz im Januar 2014 im Juni 2014 ein Meeting im Vatikan. Und bei diesem Meeting war eben nicht nur Tony Palmer anwesend und nicht nur Kenneth Copeland und nicht nur John und Carol Arnott, die Gründer der umstrittenen Toronto Airport Church – also Toronto-Segen –, sondern bei diesem Treffen im Juni 2014 war auch Geoff Tunnicliffe, der Präsident der Weltweiten Evangelischen Allianz, und Thomas Schirrmacher, der Vorsitzenden der Theologischen Kommission der Weltweiten Evangelischen Allianz. Bei diesem Treffen im Juni 2014 wurde dem Papst ein Dokument gegeben, von dem man hofft, dass es im Jahr 2017 – also heute in 2 Jahren – unterzeichnet werden kann. Ein Dokument, in dem es darum geht, dass man sich darauf einigt, sich in der Mission nicht mehr als Konkurrenten zu betrachten, da man ja das eine Evangelium vertrete.
Und im Juni diesen Jahres – am 24. Juni 2015 – erschien in der katholischen Zeitung 'Catholic Herald' folgender brisanter Artikel unter der Überschrift: 'The Pope's great Evangelical Gamble', also das große evangelikale Spiel des Papstes. Und in diesem Artikel vom Juni diesen Jahres heißt es wörtlich: „Irgendwo in Papst Franziskus' Büro gibt es ein Dokument, das den Gang der Kirchengeschichte ändern könnte. Es erklärt ein Ende der Gegnerschaft zwischen Katholiken und Evangelikalen und sagt, dass die beiden Traditionen jetzt vereint sind in ihrer Mission, weil sie dasselbe Evangelium verkünden. Der Heilige Vater überlegt, diesen Text im Jahr 2017 zu unterzeichnen, dem 500. Geburtstag der Reformation, und zwar dann zusammen mit evangeli­kalen Leitern.“ Und als ich das las, was der Herald am 24. Juni veröffentlichte, wurde ich erinnert an eine Meldung, die Idea Spektrum etwas 1 Jahr zuvor veröffentlicht hatte, nämlich der Idea Informationsdienst, am 29. Aug. 2014. Da wurde etwas Ähnliches gesagt, nur etwa 1 Jahr früher schon: „Zum 500jährigen Reformationsjubiläum 2017 könnte es ein gemeinsames Missions-Papier zwischen Evangelikalen und dem Vatikan geben. Das bestätigte der Vorsitzende der Theologischen Kommission der Weltweiten Evangelischen Allianz, Prof. Thomas Schirrmacher, auf Anfrage der evangelischen Nachrich­tenagentur Idea. Wie Schirrmacher sagte, ging die Initiative dafür von Papst Franziskus aus. Er hatte mehrere Repräsentanten der evangelikalen Bewegung gebeten, einen ersten Entwurf zu erstellen.“ Und das waren dann die eben genannten Repräsentanten, die sich im Juni im Vatikan getroffen haben. Und in der Vorfassung dieser Erklärung soll es einen Passus geben – auch das steht in dieser Meldung –, der folgendes besagt. Hören Sie genau hin: „Eine Erklärung, dass Katholiken und Evangelikale in der Mission mit­einander verbunden sind, weil sie das Evangelium von Jesus Christus verkün­digen. Darüber hinaus wird die Bedeutung der Gewissensfreiheit hervorgehoben sowie die Notwendigkeit, dass Katholiken und Evangelikale das Missionsgebiet des jeweils anderen respektieren und sich nicht als Rivalen begegnen.“ Was heißt das? Heißt das, dass die Evangelikalen darauf ver­zichten, zu missionieren in römisch-katholischen Gebieten? Was heißt das? Und nun lautet die spannende Frage, nachdem wir diese auch völlig normale römisch-katholische Strategie des Papstes etwas genauer betrachtet haben – sofern das in der Kürze unserer Zeit hier möglich ist –, nun lautet die große Frage: Geht diese Strategie auf? Also lassen sich die Evangelikalen von der Umarmungsstrategie des Franziskus, die ja eigentlich sehr durchsichtig ist, beeindrucken oder nicht? Und damit kommen wir zu unserem letzten Punkt heute. Der biblische Auftrage – Verteidigung der Wahrheit. Das reforma­torische Vorbild – die Wiederentdeckung der Wahrheit. Die aktuelle Römisch-Katholische Kirche – die Ablehnung der Wahrheit. Und jetzt stellen wir die Frage:     

4.   Was sagt nun der evangelikale Mainstream dazu, also die größeren evangelikalen Institutionen?
Und ich konnte mich eigentlich beim Umgang mit dieser Frage auf Veröffentlichungen beschränken, die in den letzten Tagen erschienen sind. Also man musste gar nicht so weit zurück blicken. Ich musste nur diese Ausgabe des Magazins 'Pro' anschauen, das ja anlässlich der Reforma­tionswoche erschienen war und auf diesen Eingangs-Artikel, auf dieses Editorial bin ich ja schon eingegangen, wo gesagt wird: Egal ob Sie Reformations-Tag oder was immer Sie auch feiern, Reformations-Tag oder Allerheiligen, und natürlich gibt es da noch Unterschiede, die man nicht übergehen darf. Aber dann wurden nur im Grunde genommen letztlich nicht entscheidende Punkte genannt. Und dann findet sich in dieser Ausgabe von 'Pro' der Hinweis auf eine Diskussion zwischen einem bekannten liberalen Protestanten, dem Komiker Eckart von Hirschhausen, und einer katholischen Politikerin, Julia Klöckner. Man fragt sich: Was hat das mit dem evangelikalen Magazin zu tun? Aber das Interessante und Passende war eben, dass die beiden aus evangelischer und katholischer Perspektive eben sagen: Es gibt so vieles, was uns verbindet. Und der Höhepunkt war dann der Bericht über die Familiensynode, die zuletzt im Vatikan in Rom stattgefunden hat, und der ausführliche Bericht darüber, dass eben auch der Sprecher der Theologischen Kommission der Weltallianz, Thomas Schirrmacher, dabei gewesen ist. Und er beschreibt nun, dass er dabei war. Also, nur zur Erklärung: Der Mann mit dem weißen Gewand, das ist der Papst. Die haben ja, die haben ja beide so en schönes Kreuz um und sind entsprechend gekleidet, also der weiße ist der Papst. Und Schirrmacher berichtet dann darüber, dass sie als brüderliche Delegierte dort sehr willkommen gewesen seien und der Papst habe die Evangelikalen gelobt – das, das kennen wir ja jetzt – und natürlich hat der Papst an den Evangelikalen nicht ihr Gnadenverständnis gelobt, sondern was sie über Heiligung sagen und über das Engagement ihrer Leute. Das fällt dem Papst doch nicht schwer, so etwas zu loben, dafür muss er kein einziges Jota der Römisch-Katholischen Lehre irgendwie aufgeben oder relativieren, und dann fügt Schirrmacher noch hinzu in seinem Text: „Dass ich noch täglich ein kurzes Gespräch mit dem Papst hatte, gilt nicht für alle.“ Also das ist nochmal eine gewisse Sonderbehandlung, die der Herr dann bekommen hat dort. Und der Tenor dieses Artikels lautet: Es gibt eine wunderbare Gemeinsamkeit im Bereich unserer ethischen Überzeugungen. Und der Papst lobt die Evangelikalen und gibt freundliches Rederecht im Rahmen dieser Synoden. Und dann erschien gewissermaßen zusätzlich in Idea Spektrum ein Artikel über dieses Ereignis. Da sieht man dann – hab nochmal einen Ausschnitt genommen – da sieht man dann Thomas Schirrmacher noch gemeinsam mit Kardinal Reinhard Marx, einem der profiliertesten Kardinäle Deutschlands, wieder unter der großen Überschrift: „Was Rom und Evangelikale verbindet“. Und hier folgt dann der Hinweis, dass Franziskus Protestanten als vollwertige Gläubige ansehe, was den Papst auch theologisch nichts kostet, da der Begriff 'vollwertige Gläubige' theologisch völlig wage bleibt. Idea unterstreicht das ja. Und dann folgt noch dieser andere Artikel, auf den Wolfgang Bühne schon hingewiesen hat, eine Woche davor, wo der Papst die Gelegenheit bekommt, als Idea Spektrum Autor aufzutreten und einfach sein Vorwort zu dieser YOUCAT-Bibel veröffentlicht wird – eine Liebeserklärung des Papstes an seine alte Bibel. Aber auch diese Liebeserklärung an seine Bibel sagt überhaupt nicht mit einer Silbe irgendetwas aus über das Verhältnis von Bibel und Tradition. Der Papst kann diese freundlich und fromm und sehr persönlich klingenden Sätze so schreiben, ohne dass er damit eine einzige Römisch-Katholische Lehre, die gegen die Bibel spricht, in Frage stellen müsste. Und die Evangelikalen jubeln und sagen: Jetzt seht ihr's doch, der Papst liebt seine alte Bibel. Ist doch wunderbar. Und Wolfgang Bühne hat gesagt, was dazu zu sagen ist heute Morgen und wie diese sogenannte Bibel sich dann im Letzten wirklich darstellt. Und die Leute lesen das. Die lesen das im 'Pro' Magazin, die lesen das in Idea, die hören das an vielen anderen Stellen und dann sagen sie: Ja eigentlich denkt der doch wie wir. Eigentlich sind wir doch gar nicht so weit voneinander entfernt. Also ich musste so denken: Besser hätte es der Presse-Chef des Vatikan in den letzten beiden Wochen nicht planen können. Der konnte Urlaub nehmen, weil seine Arbeit von andern gemacht wurde. Und die evangelikalen Institutionen und Publikationen machen jetzt fröhlich mit bei der Charme-Offensive von Franziskus und überbieten sich darin, ihm theolo­gische Superzeugnisse auszustellen.
Was ist da passiert? Was sagt das über unsere eigenen Institutionen? Ihr Lieben, hier zeigt sich ein erschreckendes Desinteresse an der Wahrheitsfrage. Das ist sicherlich kein beabsichtigtes Desinteresse, aber es ist ein faktisches Desinteresse. Obwohl auf der Hand liegt für jeden, der seine Bibel kennt, dass die Römische Kirche ein anderes Evangelium lehrt. Und wir müssen sehen, diese Haltung ist nicht über Nacht gekommen. Sie ist seit gut 20 Jahren zunächst schleichend in die evangelikalen Reihen von Deutschland einge­drungen. Ein Meilenstein war sicher die Öffnung von 'Pro Christ' für die offizielle Zusammenarbeit in der Evangelisation mit der Römisch-Katholischen Kirche. Und viele evangelikale Führer, Wolfgang Bühne hat es heute Morgen bereits angedeutet, haben sich an dieser Verharmlosungsstrategie der Römisch-Katholischen Lehre beteiligt. Und ein weiteres wichtiges Symptom – das sind ja immer nur so einzelne Bausteine – war dann sicherlich der Brief 'An den Bruder in Rom' aus dem Jahr 2011. Als damals noch Papst Benedikt seinen Deutschland-Besuch machte, wurde er so begrüßt. Zu den Brief-Schreibern gehörte der Generalsekretär des CVJM, Roland Werner, die Leiterin des Islaminstituts der Evangelischen Allianz, Christine Schirrmacher, der Journalist Markus Spieker und der Evangelist Ulrich Parzany. Und sie alle sprachen den höchsten Vertreter der Römisch-Katholischen Lehre als 'Bruder in Rom' an und setzten damit voraus, dass man gemeinsam dem einen Evangelium glaube. Ein Mitarbeiter des Maleachi-Kreises, unser Freund Johannes Pflaum, hat daraufhin einen offenen Brief an Ulrich Parzany geschrieben, indem es u.a. heißt, ich zitiere Johannes Pflaum: „Sehr geehrter lieber Bruder Parzany, nachdem Sie Ihre Wünsche dem Papst geschrieben haben, möchte ich Ihnen mitteilen, was mich beim Lesen Ihrer Zeilen bewegte. Wie Sie wissen, ist der wichtigste Lehrunterschied des Katholizismus zur Bibel nicht die Irrlehre der Marien-Verehrung oder des Papsttums, sondern die Rechtfertigungsfrage. Die Katholische Kirche hat nicht nur die reformatorische Lehre der Rechtfertigung durch das Konzil von Trient unter den Fluch getan, was bis heute gilt, sie füllt auch die Begriffe von 'Glauben', 'Gnade', 'Jesus aufnehmen' mit einem anderen Inhalt als die Heilige Schrift. Wie können Sie angesichts dieser Gegensätze einfach Ihre Abgrenzung fallen lassen? Es verwundert mich außerdem, dass Sie den Papst mit 'lieber Bruder Benedikt' anreden können. Was bedeutet für Sie der Bruderbegriff? Kardinal Josef Ratzinger war vor seiner Ernennung zum Papst die Katholische Glaubenskongregation unterstellt, also jene Institution, welche bis heute über den Lehrgrundsätzen und damit auch über der Ablehnung der biblischen Rechtfertigungslehre wacht.“ Und dann schließt Johannes Pflaum mit folgenden Worten: „An Ihrem Motiv, das Evangelium zu fördern, möchte ich nicht zweifeln. Trotzdem sind Ihre Zeilen an den Papst, wenn Sie das auch nicht beabsichtigen, im letzten Grund ein Verrat der Reformation und was noch gravierender ist, ein Verrat am Evangelium. Ich bitte Sie inständig, dies zu überdenken.“ Das ist sehr besonnen und auch, auch brüderlich formuliert. Es gab darauf jedoch keine, keine substantielle Antwort oder Veränderung dieser Position – 2011. 
Dann 2013 ein nächstes Schlaglicht. Papstwahl im März 2013. Bei dieser Papstwahl erklärt der Allianzvorsitzende Präses Michael Diener, man danke Benedikt für die Klarheit [Zitat] „mit der er die geistliche Dimension aller christlichen Einigungsbemühungen deutlich gemacht hat.“ Also, Benedikt habe bei seinen Einigungsbemühungen eine klare geistliche Dimension gehabt. Und dann heißt es weiter und dieser Satz ist besonders bedenkenswert: „Die Evangelische Allianz werde den Prozess der Neuwahl eines Papstes [also die Evangelische Allianz] werde den Prozess der Neuwahl eines Papstes im Gebet begleiten.“ Zugleich wünsche man sich [Zitat] „dass die Katholische Kirche sich in ihren Lehren und Traditionen immer mehr vom lebendigen Wort des lebendigen Gottes formen und prägen lässt.“ Das müssen Sie wirklich mal sich auf der Zunge zergehen lassen. D.h., man wünscht sich, dass diese Tradition, die ich jetzt hier in Ansätzen nur darstellen konnte, immer mehr vom Wort des lebendigen Gottes geformt und geprägt werden. Was setzt denn das voraus? Dass da eine gewisse Harmonie schon besteht, dass es schon eine Offenheit dieser Traditionen für die Prägung durch das lebendige Wort Gottes gibt, denn sonst könnte man ja nicht dafür beten, dass es immer mehr davon geformt werden möge. Und kann man für die Wahl eines solchen Amtes, dass sich letztlich in eine göttliche Position erhebt, kann man für die Wahl eines solchen Amtes beten? Kann man das im Gebet begleiten? Ich will das mal ganz humorvoll formulieren. Es gibt ja viele Ämter. Können wir als Christen wirklich für die Wahl aller Ämter beten? Können wir für die Wahl – sagen wir mal – eines neuen Mafia-Bosses beten? Herr, lass doch den richtigen Gangster Mafia-Boss werden. Können wir für die Ernennung eines neuen Diktators beten? Herr, lass doch den richtigen Diktator an diese Stelle kommen. Was geschieht hier eigentlich? Der nächste Meilenstein könnte heute in 2 Jahren gesetzt werden. Merken Sie sich den Termin: 31.10.2017. Wird dann dieses Papier unterzeichnet werden?       
Kürzlich hatte ich einen Austausch mit einem der führenden bibeltreuen Theologen der Evangelischen Allianz in Italien. Dieser Bruder lebt in Rom und er gehört sicherlich zu den gründlichsten und bestinformierten Kennern der aktuellen Römisch-Katholischen Theologie. Er kennt aber auch das Innenleben der internationalen evangelikalen Institutionen. Und dieser Bruder hat sich darüber beklagt, dass seitens der internationalen Allianz Druck auf die italienischen Brüder ausgeübt werde. Und er sagte, die völlige Neube­stimmung des Verhältnisses der Evangelikalen zur Römischen Kirche hat keinerlei biblische Begründung oder Berechtigung. Die Gemeinden seien auch nicht gefragt worden, sondern hier würden einzelne Funktionäre ohne Mandat, ohne Legitimation – und ich darf nochmal sagen, dadurch, dass jemand ein Kreuz um den Hals gehängt hat, hat er noch keine gemeindliche Legitimation – hier würden einzelne Funktionäre Überzeugungen umstürzen, die unter den Geschwistern der Allianz 150 Jahre lang selbstverständlich gegolten hätten. Und das würde von oben nach unten durchgedrückt. Liebe Geschwister, es mag uns erstaunen, dass es auch solche Bewegungen in der Kirchen­geschichte immer wieder gegeben hat. Aber – wir hörten es bereits – Charles Haddon Spurgeon hat im 19. Jahrhundert über die damaligen Baptisten in England geklagt, dass die sich bereits vom Katholizismus vereinnahmen ließen. Und Spurgeon schrieb [Zitat]: „ Ihr Protestanten, die ihr heute eure Freiheiten wie Billigware verschleudert, ihr werdet einmal den Tag verfluchen, an dem ihr euch die alten Ketten wieder an die Knöchel passen ließet. Das Papsttum fesselte und tötete unsere Väter und wir machen es zu unserer Nationalreligion.“ [Zitatende]     

 

Wir sind einen weiten Weg miteinander gegangen, liebe Geschwister. Wir haben gesehen, dass die Heilige Schrift uns ganz klar den Auftrag gibt, die Wahrheit zu verteidigen. Wir haben das Vorbild der Reformation gesehen, die die Wiederentdeckung der Wahrheit vom Herrn geschenkt bekam. Wir haben uns die aktuelle Situation der Römisch-Katholischen Kirche angeguckt in ihrer unver­änderten Ablehnung der biblischen Wahrheit. Es hat sich in der Substanz, es hat sich in der Substanz nichts verändert gegenüber der Zeit Martin Luthers. Und wir haben gefragt, wie reagiert nun der evangelikale Mainstream – die großen evangelikalen Organisationen soweit sie durch die genannten hier vertreten waren. Und wir haben gesehen: Er reagiert mit einem offensichtlichen Desinteresse an der Wahrheit. Es wird diplomatisch auf diese Situation reagiert, aber es wird von diesen Institutionen keine grundlegende Auseinandersetzung geführt. Und Wolfgang Bühne hat zurecht gesagt, dass wir um die Brüder, die sich auf diesem Weg haben abbringen lassen, dass wir um diese Brüder trauern sollten und natürlich dafür beten, dass sie, dass sie dieses erkennen, und um sie auch ringen. Aber es geht nicht nur um diese Brüder. Es geht auch um die vielen anderen Christen, die durch sie verführt worden sind und beständig durch Veröffentlichungen wie die gezeigten, verführt werden und verändert werden in ihrem Denken und in ihren Bewertungen. Und deswegen, liebe Geschwister, können wir uns nicht einfach zurücklehnen und mit leicht geneigtem Kopf dabei zuschauen, wie um uns herum eine ganze Generation von ökumenischen Schalmeienklängen eingelullt oder eingeschüchtert wird, nämlich eingeschüch­tert, weil sich kaum noch einer traut, gegen dieses Harmoniegebot zu verstoßen. Lasst uns das festhalten: Die Wahrheit muss verteidigt werden. Die Reformation war kein Unfall, sondern ein Gnadengeschenk des lebendigen Gottes.     
Ich hatte kürzlich eine erschütternde Begegnung mit dem Leiter einer großen Gemeinde in Hannover, die viel Zulauf von frommen Leuten hat. Und er sagte mir ganz frank und frei: „Ach, wissen Sie, von der katholischen Kirche habe ich eigentlich überhaupt keine Ahnung.“, sagte der Leiter einer großen Gemeinde. Wie soll diese Gemeinde vorbereitet werden auf eine solche Situation. Nein, die Wahrheit muss verteidigt werden, liebe Geschwister. Nicht, weil wir so stur sind oder weil wir klüger wären als andere. Die Wahrheit muss verteidigt werden, weil es um die Ehre unseres Herrn geht, weil es um die Wahrheit des Evangeliums geht, weil es um die Herzen unserer Kinder geht und weil es – wie auch Bruder Hamm gezeigt hat – um das ewige Heil vieler vieler Zeitgenossen geht. Und deshalb dürfen wir nicht schweigen. Wir dürfen auch nicht einfach uns diese Mel­dungen anschauen, uns mal kurz darüber empören und die Sache dann zu den Akten legen. Wir dürfen nicht schweigen, wenn jetzt an vielen Stellen öffentlich versucht wird, die Grenzen zwischen Reformation und Römischer Kirche zu verwischen, sondern wir müssen dem mit den gebotenen geistlichen Mitteln auch öffentlich entgegentreten. Liebe Geschwister, wir müssen predigen, wir müssen publizieren, wir müssen CDs verbreiten, wir müssen viele, viele Gespräche führen. Und das beginnt bereits bei uns zu Hause am Mittagstisch in den Familien. Das gehört hinein in die Jugendarbeit unserer Gemeinden. Das muss in den Bibelstunden Thema sein: Was ist das Evangelium? Und wo ist die Quelle, aus der wir das wahre Evangelium erfahren? Ihr Lieben, es geht nicht darum, alte konfessionelle Schlachten neu zu schlagen, es geht nicht um etwas Altes, sondern um etwas Ewiges. Es geht um die ewige Wahrheit, die uns unser Herr in seinem Wort offenbart hat und die er uns anvertraut hat als ein kostbares Gut, mit dem wir als treue Haushälter sorgsam umzugehen haben.
Und so schließe ich mit einer dringenden Aufforderung, die Charles Haddon Spurgeon formuliert hat und die aber nichts, aber auch gar nichts von ihrer Aktualität heute am Reformationstag 2015 eingebüßt hat:   
„Wir“, sagt Spurgeon, „Wir, denen das Evangelium durch Märtyrerhände über­reicht wurde, dürfen nicht damit tändeln, noch dabei sitzen und zuhören, wenn Verräter es als unwahr hinstellen. Verräter, die vorgeben, es zu lieben, aber innerlich jede Zeile davon verabscheuen. Wenn der Herr nicht in Kürze erscheint, wird die nächste Generation kommen und die nächste. Und all diese Genera­tionen werden vergiftet und geschwächt werden, wenn wir Gott und seiner Wahrheit nicht treu sind. Wir stehen an einem Scheideweg. Gehen wir nach rechts, werden uns vielleicht unsere Kinder und Kindeskinder dorthin folgen. Gehen wir aber nach links, dann werden Generationen noch Ungeborener unsere Namen einst verfluchen, weil wir Gott und seinem Wort untreu gewesen sind.“ Charles Haddon Spurgeon.

Möge der Herr es uns schenken, dass wir treu sind, dass wir die dramatische Situation, in der die evangelikale Diskussion zu dieser Frage sich zu dieser Zeit befindet, dass wir die erkennen und dass wir aus Liebe zu unserem Herrn und aus Liebe zu unseren Glaubensgeschwistern und aus Liebe zu den Verlorenen seinem Evangelium treu bleiben, was immer es kosten mag.