Licht vom Osten. Das Neue Testament und die neuentdeckten Texte der hellenistisch -römischen Welt. Von Adolf Deissmann, D. tbeol. (Marburg), D.D. (Aberdeen), ordentl. Professor an der Friedrlch-Wühelms-Unlversitlt zu Berlin. Mit 59 Abbildungen im Text. Tübingen, Verlag von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck). 1908. Published May 7, 1906 Privilege of Copyright In the United States reserved under the Act approved Maren 3, 1906 by Adolf Deissmann, Berlin-Wilmersdorf, Prinzregentenstraße 7. Alle Rechte, einschließlich des Übersetzungsrechts, vorbehalten. Druck von J. B. Hirse h fei d in Leipzig. Meiner Frau. Herbom und Heidelberg 1895-1908. Vorwort* Das Buch hat einen absonderlichen Titel. Aber ehe Ihr den Titel scheltet, schaut selbst einmal die Sonne des Ostens 1 Nehmt auf der Burg- höhe von Pergamon das wundersame Licht wahr, das den Marmor helle- nistischer Tempel in der Mittagsstunde umspielt, - schaut auf dem Hagios Elias von Thera mit feiernder Seele das goldige Geflimmer desselbigen Lichtes über den unendlichen Weiten des Mittelmeers und ahnt dann im Vino santo der gastlichen Mönche die Gluten der gleichen Sonne, - prüft, über welche Töne dieses Licht auch innerhalb steinerner Mauern gebietet, wenn in Ephesos durch das zerfallene Dach einer Moschee ein Stück tiefblauen Himmels auf eine antike mit einem Feigenbaum ver- mählte Säule herableuchtet, - ja laßt nur einen einzigen Strahl der öst- lichen Sonne durch einen Türritz in das Dunkel einer armen Panhagia- Kapelle einfallen: ein Dämmern hebt an, ein Flimmern und Weben; der eine Strahl scheint sich aus sich selbst heraus zu verdoppeln, zu verzehn- fachen; es tagt, Ihr versteht die fromme Meinung der Wandfresken und Schriftzeilen und Ihr vergeßt die traurige Ärmlichkeit, die dieses Heiligtum erbaut hat. Nehmt dann diesen einzigen Strahl mit, als Euer Eigentum, über die Alpen in Eure Arbeitsstätte: wenn Ihr antike Texte zu entziffern habt, der Strahl wird Stein und Scherbe zum Reden bringen; wenn Ihr Bild- werke der Mittelmeerwelt zu betrachten habt, der Strahl wird alles be- leben, Menschen, Rosse und Giganten; und wenn Ihr gar gewürdigt seid, die heiligen Schriften zu studieren, der Strahl wird Euch die Apostel und Evangelisten auferwecken, wird Euch leuchtender noch denn zuvor die hehre Erlösergestalt aus dem Osten zeigen,, zu deren Verehrung und Nachfolge die Gemeinde verbunden ist. Und wenn Ihr dann vom Osten redet, müßt Ihr, Ihr könnt nicht anders, vom Lichte des Ostens reden, beglückt durch seine Wunder, dankbar für seine Gaben! Es war mir, nach fünfzehn Jahren wissenschaftlicher Beschäftigung mit der griechischen Bibel und den anderen, weltlichen Dokumenten des hellenistischen Ostens, eine überaus wichtige Sache, als es mir in den VI Vorwort. Frtihlingsmonaten 1906 vergönnt war, an der von dem Großherzoglichen Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichtes subventionierten Badischen Studienreise nach Wien, Budapest, Bukarest, Konstantinopel, Kleinasien, Griechenland mit den wichtigsten Inseln und Süditalien teil- zunehmen. Friedrich von Duhn hatte die Fahrt organisiert und leitete sie meisterhaft In den großen Museen, wie auch an den Zentren der internationalen Ausgrabungen hatten wir neben seiner Belehrung die größte Förderung durch die ersten archäologischen und epigraphischen Autoritäten, Österreicher, Ungarn, Rumänen, Türken, deutsche Landsleute, Griechen, Engländer, Franzosen und Italiener; ganz besonders verpflich- teten uns Wilhelm Dörpfeld und mein alter Kamerad Theodor Wiegand. Durch ein tief schmerzliches Familienereignis, dessen jähe Kunde mich in Smyrna erreichte, erhielt die ganze Fahrt für mich persönlich noch eine eigene, unvergeßlich ernste Weihe und steht in meiner Erinnerung jetzt als ein großes Erlebnis, das mir beides gebracht hat, Bereicherung und Vertiefung. In die Heimat zurückgekehrt, schickte ich mich an, die Eindrücke der Studienreise mit früheren Beobachtungen am Studiertisch zu einem Buche zu vereinigen. Als Grundlage diente mir ein Lehrgang, den ich 1905 im Freien Deutschen Hochstift zu Frankfurt am Main hatte halten dürfen 1 und der dann englisch zuerst in einer Zeitschrift 2 und später als Buch 8 erschienen ist. Andere kleinere Arbeiten, die meist in der Christ- lichen Welt erschienen und teilweise von Ernst Lohmann in seiner Zeit- schrift "Sonnen-Aufgang. Mitteilungen aus dem Orient" 8 (1906) mit meiner Genehmigung wieder abgedruckt waren, konnte ich ebenfalls benutzen. Eine Ergänzung der in Kapitel II des vorliegenden Buches gegebenen sprachhistorischen Ausführungen sind meine inzwischen 4 auch als Buch " erschienenen Cambridger Vorlesungen, deren eine ich der Septuaginta- Philologie gewidmet habe. Von den großen durch die neuen Texte auch der Septuaginta-Forschung gestellten neuen Aufgaben habe ich im vor- liegenden Buche nur gelegentlich gesprochen; man könnte aber fast alle Beobachtungen, die ich fürs Neue Testament gesammelt habe, in ähn- licher Weise auch nach rückwärts fürs griechische Alte Testament machen. Auf Wunsch meines Verlegers Herrn Dr. Paul Siebeck, der für das ganze Forschungsgebiet ein großes Interesse und Verständnis betätigte, habe ich den oberen Text des Buches in einer Form verfaßt, der auch 1 Vgl die Skizze dieses Lehrgangs "Das Neue Testament und die Schriftdenkmäler der römischen Kaiserzeit" Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts zu Frankfurt am Main 1905 S. 79-95. 1 The Expository Times Oct. 1906 bis Apr. 1907. a New Light on the New Testament, Edinburgh 1907. 4 Vgl. unten S. 35. 5 The Philology of the Greek Bible, London 1908. Vorwort. VII dem gebildeten Nichtfachmann in der Hauptsache verständlich sein soll; aus demselben Grunde ist den fremdsprachigen Texten stets eine deutsche Übertragung beigegeben, - beiläufig übrigens auch eine gute Selbst- kontrolle für den Verfasser. Herr Dr. Siebeck ging auch bereitwilligst auf meine Anregung ein, eine größere Zahl der wichtigeren Texte im Bilde vorzuführen. Bei der Beschaffung der hierzu nötigen Vorlagen, Photographieen, Durchdrucke usw. unterstützten mich außer mehreren in- und ausländischen Gelehrten und Verlegern in besonders liberaler Weise die Generalverwaltung der Königlichen Museen, das Reichspostmuseum und die epigraphische Kommission der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, der Lord Amherst of Hackney in Didling- ton Hall, die Universitäts-Bibliothek zu Heidelberg, der Egypt Exploration Fund und das British Museum zu London, sowie das Kaiserlich König- liche Österreichische Archäologische Institut zu Wien, Für alle diese Hilfe sage ich meinen ehrerbietigen Dank. Von Anfang an begleitete mich bei der Arbeit das werktätige Inter- esse meines Freundes Ulrich Wilcken. Wie viel ich diesem Bahnbrecher der Altertumswissenschaft verdanke, ist aus den bloßen Zitaten des Buches selbst nicht ersichtlich. Wilcken unterstützte mich auch bei der Korrektur; den gleichen Freundesdienst leisteten, einander ablösend, Dr. Valentin Schwöbel und Kand. Walter Brandl. Lionel R. M. Strachan half opfer- willig beim Index. Auch der Druckerei mit ihren Setzern und Korrek- toren spreche ich meinen Dank aus. Für etwaige Druckfehler l bitte ich aber nur mich selbst verantwortlich zu machen. Veranlaßt durch einen früheren Rezensenten, der mir eine orthogra- phische Eigentümlichkeit einer von mir zuverlässig zitierten pergamenischen Inschrift als meinen eigenen Lapsus rot anstrich, wage ich an diejenigen Herren Kritiker, die hauptsächlich meine Fehler und Schwächen in die Blätter zu bringen verpflichtet sind, die bescheidene Bitte, vor der Denun- ziation von mir begangener Jota-subscriptum-, Akzent-, Kasus- und der- gleichen Sünden sich bei einem Sachverständigen zu vergewissern, wer der Schuldige ist, ich selbst oder ein antiker Soldat, Arbeiter, Bauer, Taugenichts, dessen Brief ich etwa buchstäblich zitiere. Sollte die Schuld dann nicht bei mir liegen, so kann mein Konto ja immer noch durch die schlimmere Anklage belastet werden, daß ein Theologe sich überhaupt mit solchen Leuten eingelassen habe; wer so etwas tue, sei gar kein Theologe. Diese Anklage würde mich selbst freilich weniger in Ver- legenheit bringen, als der Nachweis wirklicher Fehler in den Zitaten. Was der eigentliche Nährboden der theologischen Parteipolemik ist, das entwurzelte, isolierte, ungenaue, halbfalsche, verrenkte, verstümmelte, ent- 1 S. 38 Überschrift lies "Dasc S. 60 Anm. 11 letzte Zeile lies "Fluchtafeln". S. 215 Anm. 7 lies 164 statt 256. VIII Vorwort. seelte, mißdeutete, verkehrt betonte, ja auch das gefälschte Zitat, das wäre der Ruin der Forscherarbeit. Als ich im Oktober des letzten Jahres das Buch zu drucken anfing, konnte ich nicht ahnen, daß es, vollendet, für mich den Abschied von der Ruperto-Carola bedeuten werde. Am liebsten hätte ich es auch nach meiner Berufung in einen anderen Wirkungskreis noch als Mitglied des Heidelberger Lehrkörpers veröffentlicht; denn es ist ein Heidelberger Buch. Aber durch die Berufung hat sich die Vollendung des Druckes um einige Wochen verzögert. Kann ich mich daher auch nicht mehr auf dem Titelblatt einen Heidelberger nennen, so muß ich doch an dieser Stelle voll unauslöschlicher Dankbarkeit bekennen, wie viele Anregung und Förderung, wie treue Gemeinschaft und Freundschaft mir Heidelberg gebracht hat Ich betrachte es als eine besonders freundliche Führung, daß ich über zehn Jahre an dieser alten akademischen Stätte habe leben, arbeiten und lernen dürfen, - dasjenige Jahrzehnt, in welchem die eigenen Ziele zwar allmählich deutlicher werden, in dem man aber auch noch unabhängig und aufnahmefähig genug ist, um sich von den ver- schiedenartigsten Menschen und Einrichtungen bilden zu lassen. •Castagnola am Luganer See, den 19. März 1908. Adolf Deissmann. Inhalt Seite I Das Problem. Charakteristik der neuentdeckten Texte 1-34 1. Das Problem 1 2. Die Texte 6 a) Die Inschriften 6 b) Die Papyri 13 c) Die Ostraka 26 0. Die Bedeutung der neuentdeckten Texte für das sprachgeschichtliche Ver- ständnis des Neuen Testaments 35-96 1. Die sprachhistorische und die dogmatische Methode der neutestament- lichen Philologie. Die wichtigsten Probleme 35 2. Das Neue Testament als Denkmal der spätgriechischen Umgangssprache . 40 3. Beispiele 42 A. Laut- und Flexionslehre 43 B. Wortbildungslehre 43 C. Wortschatz ... 45 a) Die Wörter 45 b) Die Wortbedeutungen 72 c) Feste Verbindungen und formelhafte Wendungen 79 D. Syntax 82 E. Stil 86 4. Das Wesen des Neuen Testaments 95 III. Die Bedeutung der neuentdeckten Texte für das literargeschichtliche Ver- ständnis des Neuen Testaments 97-177 1. Das Problem des literarischen Werdegangs des Christentums 97 2. Das Wesen des Literarischen und des Unliterarischen 98 3. Einundzwanzig antike Originalbriefe als Repräsentanten unliterarischen Schrifttums 99 4. Das Wesen des Briefes und der Epistel 157 5. Antike Briefe und Episteln 160 6. Urchristliche Briefe 162 7. Urchristliche Episteln 170 8. Der literarische Werdegang des Urchristentums 172 9. Das Wesen des Neuen Testaments 176 IV. Die Bedeutung der neuentdeckten Texte fflr das kultur- und religions- geschichtliche Verständnis des Neuen Testaments 178-287 1. Neutestamentliche Hinweise auf unser Thema. Methodologisches ... 178 2. Der Kulturhintergrund des Urchristentums 192 3. Die religiöse Umwelt des Urchristentums 204 4. Die konkurrierenden Einzelkulte 207 5. Typen antiker Einzelseelen aus den unliterarischen Schichten 208 X Inhalt. Seite 6. Anregungen aus der Volksfrömmigkeit der Umwelt 217 7. Anregungen aus der Volksmoral der Umwelt 224 8. Anregungen aus dem Volksrecht der Umwelt 231 9. Christus und die Caesaren: die Parallelität der technischen Sprache des Christus- und des Caesarenkultes 243 10. Das Theologische und das Religiöse im Urchristentum 277 11. Die missionierenden Kräfte des Urchristentums 281 12. Das Wesen des Neuen Testaments 286 V. Rückblick. Die künftigen Aufgaben der Forschung 283-301 1. Rückblick 288 2. Das Christentum in seinen volkstümlichen Persönlichkeiten und Ausdrucks- formen 289 3. Philologische Aufgaben 291 4. Theologische Aufgaben 293 5. Das Wörterbuch zum Neuen Testament 294 Beilagen 303-338 1. Die Rachegebete von Rheneia 305 2. Zum Texte des zweiten Logia-Fragments aus Oxyrhynchos 317 3. Das angebliche Evangelien-Fragment von Kairo 322 4. Eine jüdische Inschrift im Theater zu Milet 326 5. Die sog. Planeteninschrift am Theater zu Milet ein spätchristlicher Schutz- zauber 328 6. Verkannte Bibelzitate in syrischen und mesopotamischen Inschriften . . 335 Indices 339-364 1. Orte 339 2 Antike Personen 341 3. Wörter und Wörterverbindungen 344 4. Sachen 347 5. Forscher usw 353 6. Stellen 357 I. Das Problem. Charakteristik der neuentdeckten Texte. 1. Unter dem Himmel des Ostens ist das Evangelium zuerst verkündet worden. Jesus und Paulus waren Söhne des Ostens. Das Amen unserer täglichen Gebete, das Hosianna und das Hallelujah unserer Festchoräle, aber auch die Namen Christus und Evangelium rufen uns die Anfänge unserer Glaubensgenossenschaft immer wieder ins Gedächtnis zurück. Semitisch und griechich sind diese und die anderen Kennworte unserer Religion; nicht nur auf den Boden Galiläas und Judäas werden wir ge- führt, sondern auch auf die Weltstraßen des griechischen oder doch gräzisierten Ostens: Jesus predigt in seiner aramäischen Muttersprache, Paulus in der griechischen Weltsprache der Kaiserzeit Ein Geschenk des Ostens ist denn auch das Buch, das ein Echo der Verkündigung Jesu und seiner Apostel festhält, das Neue Testament. Wir sind gewohnt, es unter dem nördlichen Himmel zu lesen, und es ist, obwohl seinem Ursprünge nach ein Buch des Ostens, doch seinem Wesen nach so sehr ein Buch der Menschheit, daß wir seinen Geist auch in den Ländern des Abends und der Mitternacht verstehen. Aber die historische Stimmung und die Einzelheit würde da und dort ein Sohn des Ostens, zumal der Zeitgenosse der Evangelisten und Apostel, besser verstehen, als wir. Dem Wanderer, der den Fußspuren des Apostels Paulus von Korinth über die Trümmer von Ephesos nach Antiochien und Jerusalem folgt, enthüllt die Sonne der Levante auch heute noch Manches, was in Heidelberg oder Cambridge nicht ohne weiteres zu sehen wäre. Im Gottesdienste geht uns die historische Stimmung des heiligen Textes zum Glück nichts an. Die großen Umrisse der in Goldschrift leuchtenden Lettern sind auch im Halbdunkel des Heiligtums deutlich, und hier haben wir es mit dem Heiligen zu tun, nicht mit dem Historischen. Aber die Theologie als historische Wissenschaft hat ein lebendiges Interesse an der Ermittelung der historischen Stimmung und des histo- rischen Hintergrundes. Der historische Hintergrund des Urchristentums ist die antike Welt im weitesten Sinne: die eine große um das Mittelmeerbecken gelagerte Dbissmann Licht vom Osten. 1 2 Das Buch aus dem Osten und sein Hintergrund. Literarische u. nichtliterarische Quellen. Kulturwelt, die im Zeitalter der Religionswende eine innere Geschlossen- heit zeigt, soweit die Hellenisierung und Romanisierung * des Orients und die Orientalisierung des Okzidents vereinheitlichend gewirkt hatten. Wer diesen großen Hintergund der Weltreligionswende rekonstruieren will, wird sich vor allem an die Literaturen dieser Zeit halten, - und an die Literaturen der Vorzeit, insofern sie als lebendige Mächte das Gemüt der Kaiserzeit beeinflußt haben. Zwei Gruppen literarischer Denkmäler kommen insbesondere in Betracht : hier die in der Mischna, den Talmuden und verwandten anderen Texten konservierten Reste der jüdischen Tra- dition, dort die griechisch-römischen Schriftsteller der Kaiserzeit. Indessen weder von der einen noch von der anderen Gruppe werde ich reden, obwohl mir die große Bedeutung dieses ganzen literarischen Quellenmaterials nicht unbekannt ist. Gewiß, es wäre eine Aufgabe, wohl wert der Lebensarbeit eines Forschers, das großartige jetzt andert- halb Jahrhunderte alte Neue Testament von Johann Jakob Wetstein mit seinen massenhaften Parallelstellen aus der jüdischen und griechisch- römischen Literatur neu herauszugeben, mit den Mitteln unserer Altertums- wissenschaft; als Student habe ich davon geträumt. Aber im ganzen sind zurzeit doch so viele christliche und jüdische Theologen mit der Durchforschung der altjüdischen Literatur beschäftigt, die christlichen mit geringeren Vorurteilen als früher und die jüdischen mit einer besseren Methode als früher, - und im ganzen wird auch die griechisch-römische Literatur der Kaiserzeit von so vielen fleißigen Arbeitern behandelt, daß wir den literarischen Hintergrund des Urchristentums auf weite Strecken schon jetzt kennen. Ja, die literarischen Denkmäler erfreuen sich einer solchen Wertschätzung, daß in manchen Kreisen die Meinung bewußt oder unbewußt vorhanden ist, aus dei Literatur der Kaiserzeit sei der historische Hintergrund des Urchristentums völlig wiederherstellbar. Man vergißt dabei, daß die Literatur, selbst wenn sie vollständig vorhanden wäre, nur ein Fragment der antiken Welt ist, wenn auch ein bedeutendes Fragment; man vergißt, daß jede Rekonstruktion der antiken Welt, die mit Verwertung bloß der literarischen Texte versucht ist, ein- seitig sein muß und daß Vergleichungen des Urchristentums mit dieser aus Fragmenten fragmentarisch kombinierten Welt leicht mißlingen können. Hat doch noch ein so geistvoller und gelehrter Forscher wie Eduard Norden 2 in seiner sprach- und literarhistorischen Beurteilung des Ur- christentums Kontraste zwischen dem Apostel Paulus und der antiken Welt behauptet, die tatsächlich bloß Kontraste sind zwischen der kunstlosen 1 Zu diesem bis jetzt wenig behandelten Problem vgl. jetzt Ludwig Hahn Rom und Romanismus im griechisch-römischen Osten, Leipzig 1907. 1 Die antike Kunstprosa vom VI. Jahr- hundert v. Chr. bis in die Zeit der Renais- sance, Leipzig 1898. Vgl. die Kritik dieses Bu- ches in der Theol. Rundschau 5 (1902) S. 66 ff. Babel und Bibel Das soziale Gefüge des Urchristentums. nichtliterarischen Prosa und der kunstmäßig literarischen Prosa, Kontraste also, die mit dem Gegensatze zwischen Urchristentum und antiker Welt nichts zu tun haben. Als einen Versuch, die Arbeit an dem historischen Hintergrund des Urchristentums zu ergänzen und zugleich der Oberschätzung der literarischen Denkmäler zu begegnen, wolle man es auffassen, wenn ich auf diesen Blättern die Bedeutung der nichtliterarischen Schriftdenkmäler der Kaiser- zeit skizzieren werde, d.h. der unzähligen durch die neueren archäologischen Entdeckungen und Forschungen uns zugänglich gemachten Texte auf Stein, Metall, Wachs, Papyrus, Holz oder Ton, soweit sie aus dem Zeitalter der Vorbereitung, Entstehung und ersten Entwicklung des Christentums stammen, sagen wir aus der Zeit von Alexander bis Diokletian oder Konstantin. Zu- gänglich gemacht hat uns diese Texte hauptsächlich das neunzehnte Jahr- hundert, das archäologisch-epigraphische Jahrhundert, wie man es wohl nennen könnte 1 ; aber es fehlt noch viel, bis auch nur die Bedeutung dieser Texte für das historische Verständnis des Urchristentums allgemein anerkannt ist, geschweige bis die Texte ausgeschöpft sind. Wie ganz anders sind die Keilinschriften des Ostens für die Er- forschung des Alten Testaments verwertet worden! Männer, die viel von der Bibel, aber nichts von den Keilen verstanden, traten in Wettbewerb mit lauten und genialen Keilverständigen, denen die Bibel ihre Geheimnisse nicht preisgegeben hatte, und was im Lärm und Staub des großen baby- lonischen Bauplatzes allmählich hinter den Gerüsten emporwuchs, davon berichtete eine unübersehbare Literatur, davon sprach man in den Offiziers- messen unserer Kriegsschiffe und in den dichtgefüllten Diskussionssälen der Gewerkschaftshäuser. Man kann nicht sagen, daß die Erforschung des Neuen Testaments seither in gleichem Maße von den neuen Entdeckungen gelernt hat. Der Wert der Funde aus den antiken Mittelmeerländern für das Verständnis des Neuen Testaments liegt ja auch nicht so auf der Oberfläche, wie etwa der Wert der Keilinschriften für die alttestamentliche Forschung, und er kann erst recht nicht jedem Laien in einigen Minuten klar gemacht werden. Die Steine, die uns die Amtsjahre der Prokuratoren Felix und Festus oder des Prokonsuls Gallio genau bestimmen lassen und dadurch ein wichtiges Problem altchristlicher Geschichte beseitigen, sind bis jetzt nicht gefunden, und christliche Inschriften und Papyri aus der allerältesten Zeit fehlen bis jetzt gänzlich. Und doch ist die Bedeutung der Ent- deckungen unserer archäologischen Schatzgräber in Griechenland, Klein- 1 Einen für den weiteren Kreis der Ge- bildeten mitberechneten Oberblick über die Arbeit dieses Jahrhunderts (allerdings mit Be- schrankung auf die Kunstarchäologie) gibt Adolf Michaelis Die archäologischen Ent- deckungen des neunzehnten Jahrhunderts, Leipzig 1906. 1* 4 Das soziale Gefüge des Urchristentums. Asien, Syrien und Ägypten für das Verständnis des ältesten Christentums eine sehr große. Es handelt sich bei der Durchforschung der neuen Texte nicht etwa bloß darum, daß sie uns die Selbstzeugnisse der Kaiserzeit einfach ver- mehren. Sondern es kommt zu den literarischen Denkmälern eine ganz neue Gruppe von ganz neuer historischer Tragweite. Die Literaturdenkmäler sind im wesentlichen die Selbstzeugnisse der oberen, der Bildungsschicht; die untere Schicht kommt in ihnen selten zu Wort, und wo sie etwa auftritt, wie in der Komödie, steht sie zumeist bloß in der Beleuchtung vor uns, die ihr von oben her zu teil geworden ist Und mag auch die altjüdische Literatur neben der Überfülle des doktrinär- gelehrten viel volkstümliches Gut erhalten haben (die rabbinischen Texte sind eine Fundgrube für folkloristische Studien), so kann doch wohl von der griechisch-römischen Literatur der Kaiserzeit gesagt werden: sie ist im großen und ganzen das Spiegelbild der herrschenden, im Besitz der Macht und der Bildung befindlichen Schicht; und mit dieser oberen Schicht hat man die antike Welt der Kaiserzeit fast immer identifiziert. Neben das mit vulkanisch eruptiver Kraft im Osten emporgekommene und vom Osten machtvoll herandrängende Urchristentum gehalten, macht diese obere Schicht den abgelebten, senilen Eindruck jeder Oberschicht, ja es fehlt ihr nicht an deutlichen hippokratischen Zügen. Diesen Ein- druck aber hat man dann ohne weiteres zur Kennzeichnung des Zeitalters der Religionswende überhaupt verwertet, und so ist jenes düstere Bild entstanden, das man noch heute gern zeichnet, wenn man überhaupt den antiken Hintergrund des Urchristentums darstellt. Aber es ist dabei der große Fehler einer fatalen Verallgemeinerung gemacht worden: man hat die obere Schicht verwechselt mit dem gesamten sozialen Körper; man hat - es ist das nur ein anderer Ausdruck für dasselbe - das Urchristentum verglichen mit einer ihm gar nicht ver- gleichbaren Größe. Die soziale Struktur des Urchristentums weist uns durchaus in die untere und in die mittlere Schicht Nur ganz spärlich sind am Anfang die Beziehungen zur oberen Schicht. Jesus von Nazareth war Zimmermann, Paulus von Tarsos ein Zelttuchweber, und das Wort des Apostels Paulus über die Herkunft seiner Gemeinden aus der Unter- schicht der Großstädte 1 gehört zu den historisch bedeutsamsten Selbst- zeugnissen des Urchristentums. Das Urchristentum lehrt eben, was jeder andere Frühling auch lehrt: der Saft steigt von unten nach oben. Zur oberen Schicht stand das Urchristentum in einem natürlichen Gegensatz, 1 1 Kor he- 31. Man vergleiche hier- mit die ärmliche Synagogeninschrift aus Ko- rinth unten Abb. 1, die möglicherweise von der Synagoge stammt, in welcher Paulus zuerst in Korinth gepredigt hat. Das Urchristentum in seiner Heimatsschicht. 5 nicht erst als Christentum, sondern schon als Bewegung der Unter- schichten. Vergleichbar mit dem Urchristentum ist daher zunächst bloß die ihm im Heidentum entsprechende Schicht. Und diese Schicht, für den Historiker seither zum größten Teil ver- schollen, ist durch die Entdeckung ihrer Selbstzeugnisse plötzlich wieder aus den Schutthügeln der antiken Großstädte, Marktflecken und Dörfer hervorgekommen und bittet so laut und eindringlich ums Wort, daß es un- umgänglich notwendig ist, sie mit Ruhe und Gerechtigkeit anzuhören. Das ist meines Erachtens die allgemeinste, die Hauptbedeutung der nicht- literarischen Schriftdenkmäler der römischen Kaiserzeit, daß sie uns das seither einseitig von oben her betrachtete Bild der antiken Welt korrigieren lassen, indem sie uns mitten in die Schicht hineinstellen, in der wir uns den Apostel Paulus, das Urchristentum werbend vorzustellen haben. Man wolle diesen Satz nicht pressen: selbstverständlich gibt es unter den In- schriften und Papyri jener Zeit auch viele, die nicht aus der unteren Schicht stammen, sondern von Cäsaren, Feldherren, Staatsmännern, Magistraten und reichen Leuten veranlaßt sind. l Aber neben diesen Texten liegen eben die zahllosen Selbstzeugnisse aus der mittleren und unteren Schicht, als solche meist ohne weiteres kenntlich an ihrem Inhalt oder an der Art ihrer Sprache: Denkmäler der Volkssprache und Denkmäler der kleinen Angelegenheiten kleiner Leute. Bauern und Handwerker, Soldaten und Sklaven und Mütter reden zu uns von ihren Sorgen und Arbeiten: die Unbekannten und Vergessenen, denen auf den Blättern der Annalen kein Herbergsraum gegönnt war, ziehen ein in die hohen Räume unserer Museen, und in den Bibliotheken reihen sich, Foliant an Foliant, die kostbaren Ausgaben der neuen Texte. Nach mehreren Seiten hin werfen diese Texte einen ansehnlichen Ertrag ab für die Erforschung des Neuen Testaments. Ich denke nicht an die Bereicherung unserer neutestamentlichen und sonstigen altchrist- lichen Handschriften durch die Entdeckung alter christlicher Papyrus- fragmente; auch dieser direkte Wert der neuen Denkmäler ist beträchtlich. Ich denke vielmehr an den indirekten Wert, den die nichtchristlichen un- literarischen Texte für die Erforschung des Urchristentums haben, in drei- facher Hinsicht. Sie lehren uns das Neue Testament und damit das Ur- christentum 1. sprachhistorisch richtig würdigen, 2. sie geben uns Fingerzeige für das richtige literarhistorische Verständnis des Neuen Testaments, 3. sie geben uns wichtige kultur- und religionshistorische 1 Aber auch diese, namentlich die städti- schen Urkunden der Kaiserzeit, sind we- nigstens in sprachhistorischer Hinsicht oft Dokumente nicht der höheren, sondern einer Durchschnittsbildung. 6 Der Wert der neuen Texte. Semitisches. Die Inschriften. Böckh. Mommsen. Aufschlüsse, indem sie uns beides verständlicher machen, den Kontakt und den Kontrast, in dem das Urchristentum zu der antiken Welt steht. Stillschweigend habe ich. dabei für diese Studie eine Gruppe von Denkmälern allerdings ausgeschieden; ich werde wesentlich von grie- chischen und lateinischen Texten handeln und lasse die anderssprachigen beiseite, einmal, weil ich sie zum guten Teil nicht fachmännisch be- handeln könnte, sodann aber auch, weil die große Fülle der grie- chischen und lateinischen Texte zur Selbstbeschränkung zwingt. Ich möchte aber ausdrücklich auf eine, besonders religionsgeschichtlich höchst bedeutsame, Gruppe wenigstens hinweisen: die vielen semitischen In- schriften der Provinz Syrien und des östlich und nördlich angrenzenden Gebietes, die es ermöglichen, fast unbekannte heidnische Kulte der engeren Heimat des Christentums wenigstens fragmentarisch zu rekonstruieren. 1 2. Bevor wir uns nun unserer dreifachen Aufgabe zuwenden, die Be- deutung der neuen Texte in sprach-, literar- und religionshistorischer Hinsichten besprechen, ist es wohl notwendig, die Texte selbst kurz zu charakterisieren. 2 Wir scheiden sie nach dem Schreibmaterial in drei Hauptgruppen. Diese Scheidung ist zwar mechanisch, empfiehlt sich aber aus dem ein- fachen Grunde, weil die Texte meist nach dem Schreibmaterial gesondert herausgegeben werden. Wir reden a) von den Inschriften auf Stein, Metall usw., b) von den Texten auf Papyrus, c) von den Texten auf Tonscherben. a) Die Hauptmasse der Inschriften 3 sind Steininschriften, dazu kommen in Erz gegossene und gegrabene oder auf Blei- oder Gold- täfelchen eingeritzte Inschriften, einige Wachstäfelchen, auch Wandkritze- leien, die sog. Graffiti, sowie die Texte auf Münzen und Medaillen. Fundort der nach hunderttausenden zählenden Inschriften ist der alte Kulturboden der griechisch-römischen Welt in seinem ganzen Umfang vom Rhein bis zum Oberlaufe des Nil und vom Euphrat bis nach Britannien. Beachtet und studiert hatte man die Inschriften schon seit den Tagen der Renais- sance 4 , und im Zeitalter der Aufklärung hat bereits Joh. Ernst Imm. 1 Einen vielversprechenden Anfang zur religionsgeschichtlichen Verwertung der In- schriften und Bildwerke gibt Ren£ Dussaud Notes de Mythologie Syrienne, Paris 1903 und 1905. Vgl. Wolf Graf Baudissin Theol. Lit-Ztg. 31 (1906) Sp. 294 ff. 2 Selbstverständlich ist hier nirgends Vollständigkeit der Angaben erstrebt. 3 Zur allerersten Einführung des Laien in. die griechische Epigraphik ist zu empfeh- len Walther Janell Ausgewählte Inschrif- ten griechisch und deutsch, Berlin 1906. Es ist nur zu bedauern, daß die Übersetzungen ihre Vorlage oft viel zu sehr moderni- sieren. 4 Eine Geschichte der älteren griechi- schen Epigraphik gibt S. Chabert Revue Ar- che"ologique quatr. sere t. 5 (1905) S. 274". Die Corpora. Archäologische Arbeit auf altchristlichem Missionsgebiet. Walch 1 griechische Inschriften für die neutestamentliche Exegese aus- gebeutet Aber das eigentliche epigraphische Zeitalter ist erst das neun- zehnte Jahrhundert geworden. In zwei Namen vor allen verkörpert sich die epigraphische Forschung: August Böckh mit dem Corpus Inscriptionum Graecarum und Theodor Mommsen mit dem Corpus Inscriptionum Latinarum. Und wenn das erstgenannte Corpus der griechischen Inschriften auch längst veraltet ist und allmählich durch neue große Sammelwerke ersetzt wird 2 , ohne jenen ersten großen Versuch der Zusammenfassung wäre die glänzende Ent- wicklung der griechischen Epigraphik nicht möglich gewesen. Bereichert wurde das Inschriftenmaterial namentlich durch systematische Ausgrabungen von Seiten der großen Institute und einzelner Archäologen; typisch sind hierfür die deutschen Arbeiten in Olympia und die französischen in Delphi. Der Erforscher des Neuen Testaments wird mit besonderem Interesse verfolgen, was in den letzten Jahrzehnten die Engländer und Österreicher auf dem Boden des alten Ephesos* ermittelt haben, britische Forscherin Kleinasien überhaupt 4 , die Deutschen in Pergamon\ Magnesia 1 Observationes in Matthaeum ex grae- cis inscriptionibus, Jena 1779. Diese Schrift ist zweifellos eine der besten Erscheinungen der bedeutsamen "Observationen" -Literatur jener Tage, aus der fast das gesamte philo- logische Material unserer neutestamentlichen Kommentare und Lexika geschöpft ist. 1 Das erste neue Corpus war das Cor- pus Inscriptionum Atticarum. Mit den spater erschienenen und noch erscheinenden Cor- pora der europäischen griechischen Inschriften zusammen ist es einer einheitlichen Beziffe- rung der Bande unterzogen worden (U. von Wilamowttz-Moellendorff in den Sitzungs- berichten der Kgl. Preuß Akademie der Wis- senschaften vom 25. Juni 1903). Der Gesamt- titel der neuen Corpora lautet Inscriptiones Graecae editae consilio et auetoritate Acade- miae Regiae Borussicae (abgekürzt IG). Vor- züglich orientiert F. Frhr. Hiller von Gaertringen Stand der griechischen In- schriftencorpora, Beitrage zur Alten Ge- schichte [Klio] 4 (1904) S. 252 ff. 3 J. T. Wood Discoveries at Ephesus, London 1877; The Collection of Ancient Greek Inscriptions in the British Museum edited by Sir C. T. Newton; Part III Priene, Iasos and Ephesos by E. L. Hicks, Oxford 1890; die vorläufigen Mitteilungen der Öster- reicher im Beiblatt der Jahreshefte des öster- reichischen Archaeologischen Instituts in Wien 1898 ff. werden jetzt zusammengefaßt und ergänzt in dem monumentalen Werke "For- schungen in Ephesos veröffentlicht vom österreichischen Archaeologischen Institute", dessen Band I Wien 1906 noch unter den Auspizien und der hervorragenden Mitarbeit von Otto Benndorf erschienen ist. 4 Ich erinnere hier, weil sie den Theologen besonders nahe angehen, bloß an die großen Verdienste von Sir William M. Ramsay und seinen Schülern, zuletzt in der zum 400 jäh- rigen Jubiläum der Universität Aberdeen be- arbeiteten Festschrift Studies in the History and Art of the Eastern Provinces of the Roman Empire, Aberdeen 1906, die nament- lich für die ältere Kirchengeschichte bedeut- sam ist. * Königliche Museen zu Berlin Alter- tümer von Pergamon herausgegeben im Auf- trage des Königlich Preußischen Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenhelten, Band VIII : Die Inschriften von Pergamon unter Mitwirkung von Ernst Fabricius und Carl Schuchhardt heraus- gegeben von Max Fränkel, 1. Bis zum Ende der Königszeit, Berlin 1890, 2. Römische Zeit. - Inschriften auf Thon, Berlin 1895. - Neuere Funde sind hauptsächlich in den Mitteilungen des Kaiserlich Deutschen Ar- chaeologischen Instituts, Athenische Abteilung (Athenische Mitteilungen) veröffentlicht. Archäologische Arbeit auf altchristlichem Missionsgebiet. am Mäander 1 , Priene 2 , Milet 3 und anderen kleinasiatischen Orten 4 , auch auf Thera 5 , Kos 6 und anderen Inseln, sowie in Syrien und Arabien 7 , die Franzosen in Didyma 8 und auf Delos 9 , die Amerikaner in Klein- asien 10 und Korinth "; dabei wetteifern zahlreiche griechische Archäologen durch treffliche Leistungen mit ihren ausländischen Gästen. 1 Königliche Museen zu Berlin Die Inschriften von Magnesia am Maeander her- ausgegeben von Otto Kern, Berlin 1900. * Königliche Museen zu Berlin Priene Ergebnisse der Ausgrabungen und Unter- suchungen in den Jahren 1895-1898 von Theodor Wieqand und Hans Schrader unter Mitwirkung von G. Kummer, W. Wil- bero, H. Winnefeld, R. Zahn, Berlin 1904. - Inschriften von Priene unter Mitwirkung von C. Fredrich, H. von Prott, H. Schra- der, Th. Wieoand und H. Winnefeld her- ausgegeben von F. FRhr. Hiller vonGaert- rinoen, Berlin 1906. 3 Von der geplanten großen Milet-Publi- kation ist bis jetzt Heft 1 erschienen (Milet Ergebnisse der Ausgrabungen und Unter- suchungen seit dem Jahre 1899, Heft 1, Karte der Milesischen Halbinsel, 1 : 50000, mit er- läuterndem Text von Paul Wilski, Berlin 1906). Im übrigen vgl. die vorläufigen Be- richte von R. Kekule von Stradonitz (I) und Theodor Wieoand (II- V) in den Sitz- ungsberichten der Kgl. Preußischen Akade- mie der Wissenschaften zu Berlin 1900, 1901, 1904, 1905, 1906, und von Theodor Wie- oand im Archäologischen Anzeiger 1901, 1902, 1904 und 1906. 4 Ich hebe hervor: Karl Buresch Aus Lydien epigraphisch -geographische Reise- früchte, herausg. von Otto Ribbeck, Leipzig 1898; Altertümer von Hierapolis herausge- geben von Carl Humann Conrad Cicho- rius Walther Judeich Franz Winter, Berlin 1898 (Jahrbuch des Kais. Deutschen Archäologischen Instituts IV. Ergänzungsheft) ; die Inschriften S. 67-180 sind von Walther Judeich bearbeitet. Reiches sonstiges epi- graphisches Material bringen die fortlaufen- den Veröffentlichungen in den Athenischen Mitteilungen und anderen Fachorganen. * Vgl. außer dem großen Thera-Werk von F. Frhr. Hiller von Gaertrinoen, Berlin 1899 ff. die von demselben Forscher bearbeiteten Inschriften von Thera in IQ Vol. XII fasc. III, Berlin 1898. * Rudolf Herzoq Koische Forschun- gen und Funde, Leipzig 1899. Grundlegend war W. R. Paton and E. L. Hicks The Inscriptions of Cos, Oxford 1891. 7 Reisen in Kleinasien und Nordsyrien ... von Karl Humann und Otto Puchstein, Textband nebst einem Atlas, Berlin 1890 Rudolf Ernst Brünnow und Alfred von Domaszewski Die Provinda Arabia . . ., bis jetzt 2 Bände, Straßburg 1904. 1905. 8 Didymes Fouilles de 1895 et 1896 par E. Pontremoli, B. Haussoullier, Paris 1904. Für die Inschriften vgl. die vorläufigen Publikationen im Bulletin de Correspondance Heltenique. Vgl. hauptsächlich die vorläufigen Publikationen im Bulletin de Correspondance Hellenique. Die Inschriften von Delos (mit Mykonos und Rheneia) werden als Vol. XI der Berliner Inscriptiones Graecae.von der Pariser Akademie herausgegeben werden (ebenso diejenigen von Delphi als Vol. VIII). Zwei für die Geschichte der Septuaginta und der jüdischen Diaspora bedeutsame Inschrif- ten von der delischen Toteninsel sind in meinem Aufsatz "Die Rachegebete von Rhe- neia" Philologus 61 (1902) S. 253-265 be- sprochen ; wieder abgedruckt in diesem Buche, Beilagen. 10 Vgl. besonders die Bände 2 und 3 der Papers of the American School of Clas- sicalStudies at Athens, Boston 1888 mit den Berichten über zwei epigraphische Reisen in Kleinasien von J. R. Sitlinoton Sterrett. 11 Vgl. vorläufig die von B. Powell im American Journal of Archaeology sec. series vol. 7 (1903) Nr. 1 veröffentlichten Inschrif- ten, unter denen sich als Nr. 40 eine wegen AGesch 184 wichtige Inschrift befindet, wohl Rest einer Türüberschrift: [nvi^ K Eß- fialmv] [Syna]goge der Hebr\äef\. Ich gebe sie hier nach einem am 12. Mai 1906 von mir im Museum zu Korinth genommenen Durchdruck (Abb. 1); Breite der Inschrift 47 cm, Buchstabenhöhe 6-9 cm. Die Schrift erinnert z. T. an die unten in den Beilagen dieses Buches publizierte jüdische Theater- inschrift aus Milet Hiller von Gaertrinoen Inschriftenwerke. Die Inschriften und die Theologen. Mit größter Spannung erwarten wir die griechischen Bände des in Wien nach bedeutsamen Entdeckungsreisen der österreichischen Archäo- logen 1 vorbereiteten neuen Corpus der kleinasiatischen Inschriften, der Tituli Asiae Minoris : ein großer Teil des Hintergrundes der paulinischen Mission und des urchristlichen Gemeindelebens wird uns hier, zugänglich gemacht werden. Eine Fundgrube für den biblischen Philologen ist auch das durch die Akribie der Textherstellung und die Gediegenheit des Kommentars ausgezeichnete Sammelwerk von Wilhelm Dittenberger : Orientis Graeci Inscriptiones Selectae 2 , das ebenso wie seine Sylloge Inscriptionum Graecarum* und die Sammlungen von E. L. Hicks 4 , E. S. Roberts [und E. A. Gardner] 5 , Charles Michel 6 , R. Caonat 7 und anderen trefflich geeignet ist, den Theologen in die Meisterwerkstätten griechischer Epigraphik einzuführen 8 . schreibt mir darüber freundlichst (Briefe Berlin, 14. Januar und 26. Februar 1907), die Schrift sei vom Steinmetzen so ein- gehauen, wie sie ihm geschrieben vorge- legt worden sei; als äußerste Grenzen der Entstehungszeit der Inschrift seien mit Vor- behalt die Jahre 100 v. Chr. bis 200 n. Chr. zu vermuten. - Danach können wir mit der Möglichkeit ernsthaft rechnen, daß es sich um die Türinschrift der AGesch 1& ge- nannten Synagoge von Korinth handelt, in der Paulus zuerst gepredigt hat! Die Ärmlichkeit dieser ganz schmucklosen Inschrift ist typisch für die soziale Lage der Menschen, die Pau- lus in dieser Synagoge vor sich hatte und von denen gewiß viele nachmals zu den 1 Kor Im- ai von ihm charakterisierten ko- rinthischen Christen zahlten. - Auch für die Beurteilung der ebenfalls inschriftlich nachge- wiesenen owayeorf Alß$io>v in Rom (SchO- rer Geschichte des jüdischen Volkes III 3 S. 46, Schiele The American Journal of Theology 1905 S. 290 ff.) ist diese korinthische Inschrift von Wichtigkeit. Ich glaube nicht, daß bei Eflpaiot an hebräisch redende Juden zu denken ist. - Weitere Berichte über die amerikanischen Ausgrabungen in Korinth stehen American Journal of Archaeology sec. series vol. 8 (1904) S. 433 ff., 9 (1905) S.44ff. f 10 (1906) S. 17 ff. ) p Abb. 1. Türinschrift von der Synagoge zu Korinth, Kaiserzeit; jetzt im Museum zu Korinth. 1 Reisen im südwestlichen Kleinasien, Band I, Reisen in Lykien und Karlen . . . von Otto Benndorf und George Niemann, Wien 1884; Band II, Reisen in Lykien Milyas und Kibyratis . . . von Euoen Petersen und Felix von Luschan, Wien 1889; Opramoas Inschriften vom Heroon zu Rhodiapolis . . . neu bearbeitet von Rudolf Heberdey, Wien 1897; Städte Pamphyliens und Pisidiens unter Mitwirkung von G. Niemann und E. Pe- tersen herausgegeben von Karl Grafen Lanckoronski I. Band Pamphylien, Wien 1890; II. Band Pisidien, Wien 1892. • 2 Bände, Leipzig 1903 und 1905. * 3 Bände, 2. Auflage. Leipzig 1901. 4 A Manual of Greek historical Inscrip- tions, Oxford 1882. 6 An Introduction to Greek Epigraphy, Cambridge 1887 und 1905. 6 Recueil d'Inscriptions Grecques, Bru- xelles 1900. 7 Inscriptiones Graecae ad res Romanas pertinentes, Paris 1901 ff. 8 Unentbehrlich ist auch Wilhelm Lar- felds groß angelegtes Handbuch der grie- 10 Die Inschriften und die Theologen. Ich nannte bereits oben die Studie von Walch, die meines Wissens zum ersten Male griechische Inschriften für die neutestamentliche Forschung verwertete. Ia der Folgezeit 1 sind zunächst hauptsächlich britische; 2 Forscher diesen Weg weitergegangen, so Bischof Liqhtfoot und Edwin Hatgh m sMfcreren ifcier Schriften, der eben genannte Mitherausgeber der rnsehaätai von Kos und der Inschriften des British Museum E. L. Hicks 3 und ganz besonders Sir William M. Ramsay, selbst um die kleinasiatische Epigrapiak hochverdient, in zahlreichen bekannten Veröffentlichungen. In Deutschland hat neuerdings hauptsächlich E. Schürer in seinem klas- sischen großen Werk und sonst die Inschriften aufs ausgiebigste und glücklichste verwertet, wie auch der Belesenheit von Theodor Zahn, Georg Heinrici 4 , Adolf Harnack und anderen ihre Bedeutung nicht entgangen ist. Paul Wilhelm Schmiedel in seiner hervorragenden Neubearbeitung der WiNERSchen Grammatik 5 hat die Inschriften für die Formenlehre aufs stärkste herangezogen. Für die Septuagintaphilologie hat sie verwertet Heinrich Anz ° (wie später Heinrich Reinho^d 7 für das Griechisch der Aposto- lischen Väter und der neutestamentlichen Apokryphen), ganz besonders aber der Verfasser der ersten Septuagintagrammatik Robert Helbino 8 . In meinen Bibelstudien * habe ich versucht, ihre Ergiebigkeit besonders für die altchristliche Lexikographie zu erweisen, ähnlich auch H. A. A. Kennedy 10 . In den Neuen Bibelstudien 11 prüfte ich besonders die Inschriften cWschen Epigraphik, von dem bis jetzt der die attischen Inschriften behandelnde Band II, Leipzig 1902 erschienen ist. Eben- so sein Abriß der griechischen Epigraphik in Iwan von Müllers Handbuch der klas- sischen Altertums- Wissenschaft I 2 , München 1892. 1 Bibliographische Vollständigkeit ist nicht beabsichtigt. 8 Wie Richard Adelbert Lipsius im Vorwort zu dem von ihm herausgegebenen Werk seines Vaters Karl Heinrich Adel- bert Lipsius Grammatische Untersuchungen über die biblische Gräcität, Leipzig 1863, S. VIII mitteilt, wollte dieser in einer großen Grammatik zur griechischen Bibel auch die Fortschritte der neueren Epigraphik verwer- ten. Einiges findet sich denn auch in dem genannten Werke. * On some political terms employed in the New Testament, The Classical Review, Vol. 1 (1887) S. 4 ff. und 42ff. Ich habe diese ausgezeichneten Arbeiten erst 1898 durch W. M. Ramsay kennen gelernt. 4 Der sie in seinen Arbeiten über die Organisation der korinthischen Gemeinden verwertete. 5 Göttingen 1894 ff., vgl. Theol. Rund- schau 1 (1897/98) S. 465 ff. • Subsidia ad cognoscendum Graecorum sermonem vulgarem e Pentateuchi versione Alexandrina repetita, Dissertationes Philo- logicae Halenses Vol. 12, Halis Sax. 1894, S. 259-387, vgl. Theol. Rundschau 1 (1897/98) S. 468 ff. 7 De graecitate Patrum Apostolicorum librorumque apocryphorum Novi Testamenti quaestiones grammaticae, Diss. Phil. Hai. Vol. 14. Pars 1, Halis Sax. 1898, S. 1-115, vgl. Wochenschrift für klassische Philologie 1902 Sp.89ff. • Grammatik der Septuaginta, Laut- und Wortlehre, Göttingen 1907. 9 Bibelstudien. Beiträge, zumeist aus den Papyri und Inschriften, zur Geschichte der Sprache, des Schrifttums und der Religion des hellenistischen Judentums und des Ur- christentums, Marburg 1895. Zusammen mit den "Neuen Bibelstudien 1 ' englisch von A. Grieve, Edinburgh 1901, 2. Aufl. 1903. 10 Sources of New Testament Greek, Edinburgh 1895, vgl. Gott. gel. Anzeigen 1896, S. 761 ff. 11 Neue Bibelstudien. Sprachgeschicht- Die Inschriften und die Gräzisten. 11 von Pergamon und einen Teil der Inselinschriften des Ägäischen Meeres, während Gottfried Thieme l die Inschriften von Magnesia am Mäander ver- arbeitete. Sehr bedeutsam ist der Ertrag der Epigraphik in Theodor Näoelis Sprachstudie über Paulus 2 und, mehr noch als in der Grammatik des Neu- testamentlichen Griechisch von Friedrich Blass *, in James Hope Moultons Grammar of New Testament Greek 4 . Der Gebrauch, den die neu- testamentlichen Lexikographen von den Inschriften gemacht haben, ist nur ein gelegentlicher und bei Hermann Cremer durch eine eigentümliche dogmatische Befangenheit ein oft geradezu irreführender; die hauptsächlich Adolf Schlatter zu verdankenden Nachträge zur letzten von ihm bearbei- teten Auflage seines Biblisch-theologischen Wörterbuchs der Neutestament- lichen Gräcität 6 zeigen an einigen wichtigen Punkten, welche Erkennt- nisse sich gerade dem Lexikographen in den Inschriften darbieten. Rühmend dagegen hervorzuheben ist die Verwertung der Inschriften durch Hans Lietzmann in seinem philologisch ausgezeichneten Kommentar zum Römer- brief und durch Johannes Weiss in seinen inhaltreichen Artikeln der Real-Enzyklopädie für Theologie und Kirche 7 . Auch George Milligan in seinem Kommentar zu den Thessalonicherbriefen* hat reiches Material neu herangezogen. Die wertvollsten Erkenntnisse verdanken wir aber auch den philo- logischen Sprachforschern, welche die Inschriften grammatisch und lexi- kalisch ausgebeutet oder Gesamtdarstellungen des Weltgriechisch der Diadochen- und Kaiserzeit auf der Grundlage der neuen Texte gegeben haben; so sind die Spezialarbeiten von K. Meisterhans ö , Eduard Schweizer 10 , Wilhelm Schulze 11 , Ernst Nachmanson 12 , Jakob Wacker- liche Beitrage, zumeist aus den Papyri und Inschriften, zur Erklärung des N. T., Mar- burg 1897. 1 Die Inschriften von Magnesia am Mäander und das Neue Testament Eine sprachgeschichtliche Studie iDissert Heidel- berg 1905], Göttingen 1906, vgl. Theol. Lit- Zeitung31 (1906) Sp. 231. s Der Wortschatz des Apostels Paulus. Beitrag zur sprachgeschichtlichen Erforschung des N. T., Göttingen 1905, vgl. Theol. Lit- Zeitung 31 (1906) Sp. 228 ff. * GOttingen 1896, 2. Aufl. 1902, vgl. Göttingische gelehrte Anzeigen 1898,S. 120 ff. und Berl. Philol. Wochenschrift 24 (1904) Sp. 212ff. 4 Vol. I in zwei Auflagen Edinburgh 1906 erschienen, vgl. Theol. Lit.-Zeitg. 31 (1906) Sp. 238f., 32 (1907) Sp. 33 f. Auch Moultons Antrittsvorlesung an der Universität Man- chester The Science of Language and the Study of the New Testament, Manchester 1906, ist zu beachten. " 9. Aufl., Gotha 1902, S. 11 19 f. • Handb.zum N. T. (III, I) Tübing. 1906. 7 3. Aufl.; vgl. besonders den vorzüg- lichen Artikel "Kleinasien". * Der (englische) Kommentar, dessen Druckbogen ich gesehen habe, wird bei Mac- miilan & Co. erscheinen. 9 Grammatik der attischen Inschriften, dritte verm. und verb. Aufl. von Eduard Schwyzer, Berlin 1900. 10 Grammatik der pergamenischen In- schriften, Berlin 1398, und [als Eduard Schwyzer] Die Vulgärsprache der attischen Fluchtafeln, Neue Jahrbücher für das klass. Altertum 5 (1900) S. 244 ff. 11 Graeca Latina. Einladung zurakadem. Preisverkündigung, Göttingen 1901. 18 Laute und Formen der magnetischen Inschriften, üppsala 1903. 12 Christliche Inschriften. nagel, ' ganz besonders aber die großen Werke von G. N. Hatzidakis 2 , Karl Dieterich 3 und Albert Thumb* voll von Hinweisen auf den Sprach- gebrauch der griechischen Bibel Alten und Neuen Testaments. Von den christlichen Inschriften 5 und ihrem direkten Wert für die Wissenschaft vom alten Christentum habe ich nicht zu reden; aber nicht unausgesprochen möchte ich lassen, daß sie nach einer Seite hin einen größeren Ertrag versprechen, als viele wohl erwarten : für die Geschichte des Bibeltextes und des Bibelgebrauches. Es ließe sich schon jetzt mit dem bis heute bekannten Material eine ganz stattliche Arbeit über Bibel- text und Bibelgebrauch in den altchristlichen (und altjüdischen) Inschriften machen 6 . Hoffentlich wird das in Frankreich geplante Corpus der grie- chischen christlichen Inschriften nicht bloß einer geradezu schmählichen Vernachlässigung 7 dieser Denkmäler durch die Epigraphik ein Ende machen, sondern auch jene Aufgabe lösen helfen. Durch einen Umstand sind die Inschriften, namentlich die mehr oder 1 Hellenistica. Einladung zur akadem. Preisverkündigung, Göttingen 1907. * Einleitung in die neugriechische Gram- matik {Bibliothek indogerm. Grammatiken V), Leipzig 1892. 3 Untersuchungen zur Geschichte der griechischen Sprache von der hellenistischen Zeit bis zum 10. Jahrhundert n. Chr. (By- zantinisches Archiv Heft 1), Leipzig 1898. 4 Die griechische Sprache im Zeitalter des Hellenismus, Straßburg 1901, vgl. Theol. Lit.-Ztg. 26 (1901) Sp. 684 ff. 5 Um sie haben sich in der letzten Zeit besonders Sir William M. Ramsay, Franz Cumont, Gustave Lefebvre u. a. verdient gemacht. Einzelnes ist behandelt von E. Bohl Theol. Stud. und Kritiken 1881, S. 692-713 und E. Nestle ebenda 1881, S. 692 und 1883, S. 153 f., dann in meinen Arbeiten Ein epi- graphisches Denkmal des alexandrinischen A. T. (Die Bleitafel von Hadrumetum), Bibel- studien S. 21 ff., Die Rachegebete von Rhe- neia (oben S. 8) und Verkannte Bibelzitate in syrischen und mesopotamischen Inschriften, Philologusl905, S. 475 ff., wieder abgedruckt unten in den Beilagen; von F. Frhr. Hiller von Gaertrinoen Über eine jüngst auf Rho- dos gefundene Bleirolle, enthaltend den 80. Psalm, Sitzungsberichte der Kgl. Preuß. Ak. der Wissensch. zu Berlin 1898, S. 582 ff., vgl. U. Wilcken Archiv für Papyrusforschung 1 S. 430 f.; von P. Perdrizet Bull, de corr. hellen. 20 (1896) S. 394ff., der außer der Erklärung einer kyprischen Marmorplatte mit dem 15. Psalm auch Nachweise über andere epigraphisch erhaltene Bibeltexte aus Nord- syrien, Hauran und Südrußland gibt. Vgl. auch Ludwig Blau Das altjüdische Zauber- wesen (Jahresbericht der Landes-Rabbiner- schule in Budapest 1897/1898) Budapest 1898, S. 95, ganz besonders aber Richard Wünsch Antike Fluchtafeln (Kleine Texte für theologische Vorlesungen und Übungen 20), Bonn 1907 und Alfred Rahlfs Septuaginta- Studien II, Göttingen 1907, S. 14 ff. 7 Auch Verkennung! Z. B. die Inschrift aus Tehfah (Taphis) in Nubien Corpus In- scriptionum Graecarum Nr. 8888, die am Ende des Bandes faksimiliert ist und vom Herausgeber für unverständlich gehalten wird, ist ein ziemlich großes Septuaginta- fragment aus 2 Mose 15 und 5 Mose 32. Um so anerkennenswerter ist es, daß Adolph Wil- helm in einer heidnischen Inschrift des 2. Jahrh. n. Chr. aus Euboia die Anklänge an LXX 5 Mose 28**. ** entdeckt hat {Ee rrjs nQds 'JSßpaiove l7ziyey(>auuivT}9 imoroXijs o4x i%ei rd iv iöyq> iStmrtxdv rov dnoarö- lov öuoloytfoavToe iavrdv CSküxtjv clvai tJj Xöyqt Tovjiori rjj ypdoei, älXd ianv i} ini- oroXij ovr&ioa rfje Ijfcote 'EiXrjrixwrdpa, näs ö imaräuevoe xplretv neutestamentliche" Wörter? Hat z. B. Plutarch aus der Bibel geschöpft? Das ist ganz unwahrscheinlich; viel- mehr schöpfen die Bibel und Plutarch aus der gemeinsamen Quelle des spätgriechischen Wortschatzes 3 . Daß es spezifisch "biblische" und spezifisch "neutestamentliche" (besser "altchristliche") Wörter gibt, habe ich niemals geleugnet. Man braucht gar nicht erst lange gebrauchsstatistische Untersuchungen an- zustellen, um solche Spezialitäten zu sehen : ein Blick auf das Wort selbst genügt. Aber wo nicht auf den ersten Blick ein Wort sich als jüdische oder christliche Neuschöpfung zu erkennen gibt, da ist es bis zum Erweis des Gegenteils als gemeingriechisches Wort anzusprechen 4 . Die Zahl der wirklichen Neuschöpfungen ist in der ältesten, neutestamentlichen Zeit eine geringe; viel mehr als 50 "christliche" oder "biblische" griechische Wörter wird es, so schätze ich, unter den fast 5000 Wörtern des Neuen Testaments nicht geben, eher weniger 5 . Die große Bereicherung des griechischen Lexikons durch das Christentum vollzog sich erst später, in der kirchlichen Zeit mit ihrer riesigen Entfaltung und Differenzierung des dogmatischen, liturgischen und rechtlichen Begriffsschatzes. In der religiös schöpferischen Urzeit ist die wortbildende Kraft des Christentums bei weitem nicht so groß, als seine bzgriitsumbildende Wirkung. Schon durch eine genaue Prüfung der antiken literarischen Texte 6 1 Z. B. foxaStio, SexaTeooaprti 8t%a- nhwe, $axai& $enaonr<&, *S.88ff. • Vgl. Göttingische gelehrte Anzeigen 1896, S. 766. Ich führte hier die bei Plutarch stehenden Wörter dnoxdXvyns, yvt&anje, öXo- xlvjffa, npdoxopua, aayrjvtj^ tpt&vpiopöe, *to- &ios f T*neiv6xa

an- ziehen lassen, ist nicht richtig. 7 lPe3".4l • Ed. F. G. KENYON (Vol. 1) S. 32 iftarut atnjv wird sie bekleiden. Ich verdanke diese Stelle der Papyrus-Grammatik von Mayser S. 93 und 465. • Vgl. van Herwerden Appendix S. 107. 10 Es ist zweimal die Rede von den Kin- dern einer Sklavin, die durch die Gattin des 4* 52 dnrdvo/uai. Moyico. izcgtoocia. Adoptionsurkunde aus Hermupolis vom 31. Dezember. 381 nach Christus wiederkehrt *. 7. ömävonai ich werde gesehen, ich lasse mich sehen AGesch ls steht in Thayers Liste bei den "biblischen" Wörtern, obwohl E. A. Sophocles 2 es im Hermes Trismegistos 3 nachwies. Wichtiger sind Belege aus zwei viel älteren Ptolemäerpapyri 4 , die das Wort jedenfalls als in Ägypten üblich erweisen und den Septuagintabrauch 1 Könige 8s Tob 12i9 auf das direkteste erklären: Pariser Papyri Nr. 4933 (ca. 160 vor Christus)* und The Tebtunis Papyri Nr. 24s (117 vor Christus)". 8. ikXoyio ich setze in Rechnung, rechne an Philemon i8 Rom 5i3 gehört zu den Wörtern, die so weltlich aussehen, wie möglich; Thayer aber in seiner "biblischen" Liste sondert es von der übrigen Gräzität aus, obwohl er in seinem Artikel heidnische Inschriften 7 dafür zitiert. Ein neuer 8 , älterer Beleg findet sich in einem Militärdiplom (Kaiserbrief) auf Papyrus Berliner Griechische Urkunden Nr. 14Ü31 f., Alexandrien (?), Zeit des Hadrian 9 . 9. In der Liste der "biblischen" Wörter steht bei Thayer trotz des dazu bemerkten "Inscr." jtsQiooela Überfluß, Überschuß. Aber bereits der Thesaurus Graecae Linguae hatte einen Zeitgenossen des Neuen Testaments , den Arzt Moschion 10 , und eine Inschrift der Kaiserzeit aus Sparta n zitiert, die auch von Grimm und Thayer aufgenommen ist. Neu hinzu tritt eine Inschrift aus Rakhte in Syrien 329 nach Christus 12 . Erblassers mit Kost und Kleidung versehen worden waren ixyövwv rpftpopirtav xai lftaTi£ofti[rajv\ $n % atirffe (Zeile 17). 1 Archiv für Papyrusforschung 3 S. 174is (Leipziger, von L. Mitteis publizierter Pa- pyrus) &()iya> xai l/4aTt^M eöyevä>S xai yvrj- oiwe dtt vidv yvifoiov xai tpvotxöv ich werde ihn mit Kost und Kleidung versehen, vor- nehm und echt, wie einen echten und natürlichen Sohn. Die Stelle notiert van Herwerden in denMäanges Nicole, Geneve 1905, S. 250. * Greek Lexicon of the Roman and By- zantine Periods, New York Leipzig 1888. 3 Poim. 3h5. 4 Von Mayser S. 404 nachgewiesen, vgl. auch J. H. Moulton The Expositor February 1903 S. 117. 6 Notices et extraits des manuscrits de la bibliotheque imperiale t. 18 p. 2, Paris 1865, S. 320. Der stark vulgäre Papyrus hat önrderai sie. Die Datierung 114 bei Mayser ist ein Irrtum. Der Text ist verstümmelt, aber jurj- daußs önravouivtov ist deutlich. 7 Inschrift aus Daulis 118 nach Christus Corpus Inscriptionum Graecarum Nr. 1732aa7 und das Edikt Diokletians Corpus Inscriptio- num Latinarum III S. 836. 8 Vgl. van Herwerden Lexicon S. 260. 9 So datiert jetzt Wilcken Hermes 37 (1902" S. 84 ff. Der Kaiser schreibt oty ***** rov Soxflv fia aürole hvloyelv, was THEODOR Mommsen bei Bruns Fontes iuris Romani 6 S. 381/82 tibersetzt non ut iis imputare vi- dear t wie mir Wilcken brieflich (Leipzig, 5. Mai 1907) mitteilt. Der Kaiser will nicht den Anschein erwecken, als wolle er den Soldaten ein Beneficium besonders an- rechnen. 10 De pass. mul. S. 477 vom Überfluß an Nahrung. 11 Corpus Inscriptionum Graecarum Nr. 1378 von einem Agonotheten, der n}v nc- Qioottav anoSovs näaav rjj nölet rßv äyoj- vo&ertxwv %Qrjudrmv den ganzen Über- schuß der Agonothetengelder der Stadt überwies. 12 Bulletin de Correspondance Hellenique 21 (1897) S. 65 ix Tispioeißv sie aus über- flüssigem [Geld). Die bereits früher bekannt gewesene Inschrift ist nicht christlich. draOTardeo. dfptidpyvpoe. 53 10. "Niemals bei den Profanen" findet sich nach Grimm 1 und anderen dvaaraxöa} ich bringe zum Aufstehen, mache auf ständig, wiegele auf, wieder ein Wort der Septuaginta und des Neuen Testaments, das auf den ersten Blick zweifellos nichts Biblisches oder Christliches an sich hat, sondern recht profan aussieht. Cremer 2 belegt es nach dem Thesaurus Graecae Linguae denn auch wenigstens aus Harpokration, einem Profanen des vierten nachchristlichen Jahrhunderts. Nun bietet aber, worauf schon Nägeli 3 aufmerksam machte, das ca. 100 vor Chrisus geschriebene Fragment einer Anthologie in The Tebtunis Papyri Nr. 2 wenigstens das Wort ilctvaoiajöu}. Wertvoller noch ist ein Passus aus einem ägyptischen Briefe vom 4. August 41 nach Christus in den Berliner Griechischen Papyrus- urkunden Nr. 10792" f. 4 , wo das Wort wohl dasselbe bedeutet, wie in dem Bösenbubenbriefe The Oxyrhynchus Papyri Nr. 119to, zweites oder drittes Jahrhundert nach Christus 5 . Auch der Pariser Zauberpapyrus ""f. hat das Wort, im guten Sinne 6 . Man wird es also zweifellos zu den allgemein weltlichen Wörtern rechnen dürfen. Ich füge nunmehr 22 Wörter hinzu (Nr. 11-32), die irgendwie das religiöse und ethische Gebiet näher berühren und bei denen es wenigstens nicht von vornherein ausgeschlossen war, daß sie biblisches Sondergut sein konnten. 11. Daß das "bloß neutestamentliche" Wort d*[•/•] yildootpoe, rd Sev- Tfgov dptldpyvpoG , r[d] tqItov ich trage voll, mache voll, erfülle, dessen erster bis jetzt nachgewiesener Fundort Septuaginta Pred 8n ist Die Papyri 2 zeigen jedoch, daß das im Neuen Testament öfter stehende Wort gleichzeitig und unmittelbar nachher in Ägypten jedenfalls üblich gewesen ist. Die ältesten Stellen sind ein Brief aus dem Faijüm Berliner Griechische Urkunden Nr. 665 Ih (1. Jahr- hundert nach Christus) 3 , TheAmherst Papyri Nr. 66 IU2 (124 nach Christus) 4 , Berliner Griechische Urkunden Nr. 747 h* (139 nach Christus) 5 , The Oxy- rhynchus Papyri Nr. 509io (Ende des 2. Jahrhunderts nach Christus) 6 . Wenn diese ägyptischen Belege nicht ausreichen, kann der den letzteren Stellen gleichzeitige Astrolog Vettios Valens aus Antiochien die Statistik erweitern helfen 7 . Bei der zweifellosen Seltenheit des Wortes ist auch ein später Beleg in "profanem" Zusammenhang beachtenswert: in einer Inschrift aus Nikaia in Bithynien vom achten Jahrhundert nach Christus 8 wird das Verbum von der Vollendung eines Turmes gebraucht. 13. Zuerst bei den Septuaginta tauchte auf övvavTikaußävotiai ich nehme mich (einer Sache) mit an, ich helfe mit, das auch im Neuen Testament zweimal steht Luk IO40 und Rom 820, an der letzten Stelle vom Beistand des heiligen Geistes. Obwohl bei dem noch vorchristlichen Diodoros von Sizilien und bei Josephus 9 belegt, steht es bei Thayer mit der Notiz "Inscr." in der biblischen Liste, ohne daß freilich Inschriften zitiert werden. Wir können das Wort jedoch durch den Gesamtbereich der hellenistischen Mittelmeerwelt verfolgen. Eine Inschrift auf der Stütz- mauer des Apollontempels in Delphi vom Jahre 270 vor Christus 10 kon- 1 9 S. 882. * Vgl. Theol. Lit-Zeitung 28 (1903) Sp. 593; J. H. Moulton The Expositor February 1903, S. 118 f., Deceraber 1903, S. 436; Nägeli S. 60; Lietzmann zu Rom 4" (der hier zitierte WESSELY-Papyrus ist iden- tisch mit dem nachher zitierten Londoner Pa- pyrus), der das semasiologische Problem gut andeutet. 3 inlrjQotpÖQrioa atirdv. Der Sinn ist nicht sicher, entweder ich habe ihn über- zeugt oder bezahlt 4 Xva Se xai rüv 7iXr,(>o um aber die Sache gründlich zu erledigen. Ahnlich erklärt Moulton die Stelle; die Herausgeber Grenfell und Hunt: um Dir aber volle Genugtuung zu geben. * ai[T\o^ft[i\ro[B\ 7t[l]rj[^]ofopt[l]v sie bittend, die Sache zu erledigenQ). 6 *vy[x&\va> $i 7i * n J.rjpopoprjitdvoe role öftdouivoie /tot hinsichtlich dessen, was man mir schuldete, bin ich voll befriedigt worden. 7 I S. 43n der künftigen Ausgabe von Kroll, dem ich die Stelle griechisch und deutsch verdanke (Brief, Münster 5. April 1907) Iva Sid xrjQ xaTO%fjQ tcuSttjs id rrje otroxrje oxrjua 7t).rjpoe eis ravra awavrdau ßavoftirovi die hierbei mithel- fenden. * The Hibeh Papyri Nr. 82nff. xalas riv [n]onjoeie ovvar\xi\l\a\ußav6ueros npodifutoi ntpl T&v eis raüxa avyxrp&prtov Du wirst nun wohl daran tun, Dich eifrig der hier- auf sich beziehenden Dinge mit anzu- nehmen. • Teils mit Genitiv, teils mit Daüv; vgl. die Konkordanz von Hatch and Redpath. 4 Diod. 14s. 5 Wörtlich: sich darbietend mit seiner Seele. 6 Statt napaßoXevodpevos schreiben sie napaßovXevodfteroS. 7 Inscriptiones Antiquae Orae Septen- trionalis Ponti Euxini Graecae et Latinae ed. Basilius Latyschev, I, Petropoli 1885, Nr. 2ha- 18 d).Xä xal (ui%pi) nepdrtov yrjs kuaptvpqdrj tovS ÜTtiQ tpiUas xtvätivovS fii%pi ZpßaOTätv ovuua%ia napaßoXfvadftevos. LA- TYSCHEV hält diesen Text für sehr dunkel (S. 54). Aber ich finde nicht die mindeste Schwierigkeit, wenn ui%pi (*'"*?) ntpdxa*v richtig ist: aber auch bis zu den Enden der Erde wurde ihm das Zeugnis zuteil, daß er sich im Interesse der Freundschaft als Beistand im (Rechtsstreit bis zu den Majestäten hin den Fährlichkeiten aus- setzte. Von Ttapaßolevadjuevoe hängen ab der Akkusativ roi>s xirSövovs (vgl. napaßdX- Xead-a* töv xivSww Thuk. 3u bei Pape) und der Dativ ovftfta%la (vgl. 177 ynyü in der Paulusstelle, und yvjßj xal o[(o]uaTi napaßaX- Xduevo* Inschrift von der Küste des Schwar- zen Meeres ca. 48 nach Christus Ditten- berqer Sylloge* Nr. 342""; literarische Stellen bei Thayer zu napaßolriofta* und J. H. Moulton Grammar I. S. 64): durch seinen Beistand setzte er sich den Gefahren aus. Die ganze Stelle klingt sehr "neutestament- lieh": das alte nipara rrjs yrjs ist uns ja auch aus der griechischen Bibel geläufig; zur sachlichen Hyperbel vgl. z. B. die lie- benswürdige Übertreibung Rom U und das Pathos von Rom 15io; der Gebrauch von /taprtpiouai ist ganz der neutestamentliche (Neue Bibelstudien S. 93). - Theologische Rundschau 9 (1906) S. 223 habe ich die In- 56 ad d'ev rito. Starayif. 15. Den Mann zu beherrschen, ist 1 Tim 2u dem Weib versagt worden. Hier taucht zum ersten Male im griechischen Schrifttum das Wort -"*d-"?T6o> auf, und wir finden es in der Literatur nachher bloß bei Kirchenschriftstellern. Also ein "bloß .biblisches und kirchliches" Wort'! Nun finden wir, worauf Nägeli 2 hinweist, in einem unliterarischen Texte, dem christlichen Papyrus-Briefe Berliner Griechische Urkunden Nr. 103 aus dem 6. oder 7. Jahrhundert nach Christus, das Wort zweimal ge- braucht 3 . Der oberflächliche Beurteiler wird sagen, das sei ein neuer Beweis für die Christlichkeit des Verbums. Tatsächlich ist das Vorkommen in dem Briefe viel eher ein Anzeichen für seinen volkstümlichen Charakter. Und jeder Zweifel wird durch den spätantiken Lexikographen Moeris 4 beseitigt, der attodixeiv für das attische, atidevrelv für das entsprechende hellenistische (Koine-)Wort erklärt, ebenso wie noch Thomas Magister 5 vor aiSevTslv als dem ordinären Wort warnt und statt dessen atirodixeiv empfiehlt. Es dürfte also lediglich statistischer Zufall sein, daß ati&svtio) bis jetzt zuerst im Neuen Testament aufgetaucht ist; jeder Tag kann einen alten >profanen" Beleg bringen. 16. "Rein" biblisch und kirchlich soll dcarayij Anordnung, Ver- ordnung 2 Esra 4n Rom 132 AGesch753 sein: die "Griechen" gebrauchen dafür öidra&g 6 . Indessen schon E. A. Sophocles 7 notierte das Wort bei dem Arzt Ruphos von Ephesos 8 , der um 100 nach Christus (wohl noch als Zeitgenosse des Arztes Lukas) blühte, und daß der heidnische Arzt das Wort den Christen abgelauscht habe, ist wohl unwahrscheinlicher, als daß der Apostel Paulus und der christliche Arzt Lukas es aus dem medizinischen Sprachgebrauch der Umwelt kennen, wenn es ihnen nicht schon von selbst bekannt war. Und dies dürfte der Fall sein. Das Wort ist kein bloß medizinischer Fachausdruck: der Astrolog des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts Vettios Valens von Antiochien, kennt es ebenfalls 9 . schrift bereits nach van Herwerden Lexicon S. 622 zitiert, leider mit dessen Fehler im Zitat: II (statt I). 1 Grimm, Thayer etc. unter dem Wort. * S. 49. s Der intime Sinn ist nicht völlig klar, aber die Allgemeinbedeutung Herr sein scheint mir auch hier maßgebend zu sein. 4 S. 58 Piers., zitiert von Nägeli S. 50. ¦ S. 18, 8 Ritschl, zitiert von Nägeli S.49f. Das ist nicht eigene Weisheit des mittel- alterlichen Lexikographen, sondern übernom- menes Gut. • Grimm und Thayer unter dem Wort. Der letztere notiert allerdings S. 694 dazu : "Inscr." 7 Greek Lexicon of the Roman and By- zantine Periods. 8 In des Arztes Oreibasios Collectanea Medicinalia, he raus g. von Bussemaker et DAREMBERO I S. 544ef. luörov 8k jf(>i} t// i(pel£rjQ diarayü rd oibua draxo/ui^eiv eis ttjv ifitav t"|iv man muß nur durch die nach- folgende geordnete Lebensweise den Körper wieder in Ordnung bringen. Die Franzosen übersetzen rigime "Diät. Das Wort hat hier bereits einen Bedeutungswandel erfahren. Catalogus Codicum Astrologorum Grae- COrum V 2 S. 51 ie xard rtjv roü xeXevovxos Siarayijv nach der Anordnung des Befeh- lenden. Ich verdanke den Nachweis dieser Stelle W. Kroll (Brief, Münster 5. April 1907). tiarayt}. Geschlossenheit der Koine. 57 Aber auch die Inschriften und Papyri geben ihr Licht. NAgeli " be- reits zitiert die Inschriften aus Sardes Corpus Inscriptionum Graecarum Nr. 3465 2 (römische Zeit) und aus Pergamon Nr. 358 3 (Zeit unbestimmt), sowie die Zahlungsanweisungen The Oxyrhynchus Papyri Nr.92 4 (335? nach Christus) und 93 * (362 nach Christus). Dazu kommen, um die jüngsten Belege voranzustellen, der Brief Fayüm Towns and their Papyri Nr. 133 (343/344 ? nach Christus) •, eine Inschrift aus Irbid im Hauran (238/239 nach Christus) 7 , die Inschrift aus Hierapolis Nr. 78 (zweites ? Jahrhundert nach Christus) 8 und eine Inschrift aus Oinoanda in Südwestkleinasien (Kaiser- zeit) 9 . Noch bedeutsamer aber ist, wenn richtig ergänzt, die Inschrift aus Antiphellos in Lykien Corpus Inscriptionum Graecarum Nr. 4300e (zweites ? Jahrhundert nach Christus) ,0 , wo G. Hirschfeld m. E. mit Recht töv öslwv dia[ray]üv auf kaiserliche Verordnungen deutet n . Da hätten wir die genaueste Parallele zu der berühmten Römerbriefstelle, die sich ja ebenfalls auf die römische Obrigkeit bezieht. Im Rückblick auf diese Statistik können wir eine bereits oben an- gedeutete Beobachtung wiederholen: wir sehen die Geschlossenheit und Gleichförmigkeit des Wortgebrauchs im Gesamtgebiet der Weltsprache. Ein angeblich biblisches Wort läßt sich durch die Randländer des Mittel- meers in der Kaiserzeit geradezu von Etappe zu Etappe verfolgen: von Pergamon, Sardes, Ephesos, Hierapolis über Oinoanda, Lykien und Kilikien (Paulus!) bis nach Antiochien, dem Hauran und den Landstädtchen Ägyptens. In Ägypten aber fanden wir bereits den bis jetzt ältesten Beleg, Septuaginta 2 Esra 4n. 17. Obwohl Thayer das oft in den Septuaginta und in bedeutsamen 1 S.38. * Weihinschrift ix rijs Siaray^f. * Weihinschrift [ix] diarayrje. 4 ix dtarayirje). • ix Starayrjp. Nach diesen vier Stellen wird man ix Siaray^e auf Verordnung für formelhaft halten dürfen. • Xva rr)v Starayijr rfjs Tp4yr}£ noHJoq- mt (Ich fasse dies gleich nonjoTjT*) damit Ihr die Ernteanordnung trefft. 7 American Journal of Archaeology Vol. 10 (1906) S. 290 Biarayij ri)v Zeiyt}ldoeoe*lc Sia- rayriv auf Anordnung des Seigelasis. 10 Die Lesung von S. 1128 ist zu be- nutzen: [Ü7t]&jd'vro£ iorai toU Std r&v &elatv Sta[ray]dh> äpiopivotS er Wird SüHuldig sein der durch die göttlichen Verordnun- gen festgesetzten (Strafen). 11 Näheres bei Judeich, der dieser Auf- fassung nicht zustimmt, sondern an ein Pri- vatdokument des Grabherrn denkt Wie soll aber bei dieser Deutung &tiwv erklärt wer- den? &cios göttlich bedeutet (vgl. unten Kap. IV) in zahllosen Stellen kaiserlich, wie das lateinische divinus. 58 TifycoTÖToxoe. ovyxltjporöuoe. dtxaiokpioia. religiösen Bekenntnissen des Neuen Testaments stehende jiqiotötoxos erstgeboren zweimal aus der Anthologie belegt, läßt er es in seiner Liste "biblischer" Wörter stehen. Wertvoll ist daher eine metrische Grab- inschrift aus der Trachonitis (Zeit?) für einen heidnischen Hohenpriester und Freund der Götter, die das Wort deutlich zeigt, wenn auch die Zeile verstümmelt ist K Es ist beachtenswert, daß es sich auch hier, wie in der Anthologie, um einen poetischen Text handelt; noch eine christliche metrische Grabschrift aus Rom 2 , nicht viel jünger als das zweite [?] oder dritte Jahrhundert, gebraucht das Wort von einem im Alter von zwei Jahren gestorbenen erstgeborenen "Sonnenf = Sonntags]kind". 18. "Der Profan- Gräcität fremd" ist nach Cremer 8 övyxXiiQovöpos Miterbe. Unmittelbar vorher zitiert Cremer den Juden Philon, der das Wort einmal gebraucht, den er also, weitherzig wie die alte Kirche, dem Christentum annähert. Aber auch in ganz heidnischem Bereich finden wir das Wort, dem seine Herkunft aus dem Sprachgebrauch des Rechts- lebens an der Stirn geschrieben steht. In einer Inschrift aus Ephesos (Kaiserzeit) 4 erwähnt ein gewisser K. Umphulefos Bassos eine Eatychis als Miterben; ist diese Frau, wie wahrscheinlich, seine Gattin, so wäre der Beleg besonders schön für 1 Petri 37 , wo die Gattin als die (geist- liche) Miterbin ihres Mannes geehrt ist. 19. Das Wort öixaioxQiola "findet sich nur in der kirchlichen und biblischen Gräzität, jedoch selten"; dabei ist interessant, daß Cremer 5 diesmal die Testamente der Zwölf Patriarchen, die das Wort zweimal" haben 6 , innerhalb des biblischen (oder kirchlichen?) Bereiches toleriert hat. Nun läßt sich aber ein gewisser Aurelios Demetrios Neilos, gewesener Erzpriester von ArsinoS, Analphabet (!) 7 und zweifellos Heide, am 4. Phamenoth des Jahres 303 nach Christus an den aus der diocletia- nischen Christenverfolgung bekannten Präfekten von Ägypten Clodius Culcianus eine Eingabe schreiben The Oxyrhynchus Papyri Nr. 71 h, voll Hoffnung, daß ich von Deiner Magnifizenz ein gerechtes Gericht erlangen werde*. Sachlich ist hier dixaioxQioia so viel wie das Ergebnis des ge- 1 Epigrammata Graeca ex lapidibus con- lecta ed. Georoius Kaibel, Berolini 1878, Nr. 460 ipeös ydp eifit npotToröxofv ix rcXt- d{&v1] (- TtXet[ßv\^) bin ich doch ein Priester mit den Weihen der Erstgebore- nen. Kaibel meint, in der Familie des Toten habe jedesmal der Erstgeborene das Priester- amt verwaltet. Vgl. van Herwerden Lexi- con S. 710. * Corpus Inscriptionum Graecarum Nr. 9727 - Epigrammata ed. Kaibel Nr. 730. 3 fl S. 584. 4 The Collection of Ancient Greek In- scriptions in the British Museum, III, Nr. 633 (S.249) Evtv%(8o£ . . . o[vy]xXtjpopd[fiov at)r]o& • °S. 339. 8 Test. Levi 3 und 15. 7 Vgl. Zeile u der Eingabe StA rd Ayt&ftftaTöv /ue ilvai weil ich nicht lesen und schreiben kann. 8 eöeXms &r irjs And roif ooQ /ue/ifrove SixatoxQiotae rt^rfr. Auf die Stelle macht auch Näoeli S. 48 aufmerksam, ebenso Lietz- mann zu Rom 25. Der Schreiber, der diese Eingabe verfaßt hat, kennt das Wort aus den Kanzleien und nicht aus der Bibel. xaTtjycof. Semitismus oder Vulgarismus? 59 rechten Gerichtes : gerechtes Urteil. Im Römerbrief 2s kommt man mit der Grundbedeutung gerechtes Gericht " aus, und Cremers Unterscheidung "Gericht, welches Recht schafft" vom "Gericht, welches dem Rechte ent- spricht" ist wohl zu fein. 20. Das Wort xonjyci"? Ankläger gilt wohl noch den meisten Exegeten von Offenb Joh 12io als eine auf hebräische 2 oder aramäische 3 Zustutzung des griechischen xar^yoQog zurückgehende biblische Spezialität. Die Frage, warum im Neuen Testament sonst immer xar^yoQog gebraucht werde, ist dabei nicht aufgeworfen oder stillschweigend durch den Hinweis auf den angeblich stark hebräischen Charakter der Offenbarung Johannis beantwortet worden. Wir finden das Wort aber in einer sehr vulgären Zauberformel des im vierten oder fünften nachchristlichen Jahrhundert ge- schriebenen Papyrus 124 des British Museum, und zwar nicht etwa vom Teufel, wie in der Bibelstelle, sondern von menschlichen Gegnern 4 . Der Papyrus selbst ist jung, die Formel ist aber, nach den sonstigen Analogien der magischen Rezepte zu schließen, älter, und trotz des stark synkre- tistischen Charakters des Papyrus weist nichts auf jüdischen oder christ- lichen Ursprung dieser 5 Formel hin. Das einzige, was man sicher ermitteln kann, ist der vulgäre Charakter der Formel, und vulgär ist also auch - wie in der vulgärgriechischen Offenbarung Johannis - das Wort xarfywQ. Die philologischen Erklärer, die sich in der letzten Zeit über das Wort geäußert haben 6 , sind zweifellos auf dem richtigen Weg: xarrjytoQ ist eine vulgäre Rückbildung aus dem Genitivus Pluralis xarrjyöQwv, der wie (hjröQiov empfunden wurde. Fast alle 7 führen unter zahlreichen ana- logen Vulgärbildungen auch das Wort didxiov (-öidxovog) an, und als ältesten Beleg dafür die Charta Borgiana (191/192 nach Christus). Die Erscheinung ist aber, wie sie überhaupt sehr alt ist 8 , auch in diesem 1 Vgl. 2 Thess ls rije dtxatas xflotmc, * W. Bousset zu der Stelle im Kom- mentar von Meyer XVI", Göttingen 1906 S. 342. 3 P. W. SchmiEdel in seiner Neubear- beitung der WiNERschen Grammatik, Göt- tingen 1894, § 8, 13 (S. 851). 4 Greek Papyri in the British Museum ed. F. G. Kenyon (vol I) London 1893 S. 122 \h>f ich verfluche, wörtlich ich weihe (der Unterweif) 9 . Unter den von Richard Wünsch in der Vorrede zu seiner Sammlung attischer Devotionstafeln 10 herausgegebenen und besprochenen antiken Bleitafeln finden wir aber eine aus dem 1. oder 2. Jahrhundert nach Christus stammende, jetzt im Königlichen Museum zu Berlin befindliche heidnische Devotion aus Megara, die auf die Geschichte der Wörter dvd&efia und ava9e(iciTluo ein neues Licht wirft. Am Schlüsse der ganzen Verfluchung steht in besonderer Zeile mit größeren Buchstaben 11 ANEQEMA, was offenbar Schlußformel ist: Fluch! Ferner finden wirZeile s r. dva^s^ariC[o^\€v afaotisy Zeile %t. xo^rovg dva%}-€fia[Tl\LOfi€v und Rückseite Zeile 8 r. äva- 1 Das Jota adscriptum beim Artikel und sonst oft im Brief zeigt, daß der Briefschrei- ber elegant schreiben wollte; er hat das Wort 8täx/"v wohl für gut griechisch ge- halten. 2 Grammatik des Neutestamentlichen Griechisch 2 S. 30. 3 a S. 610. * Vgl. die nächsten Nummern. 5 Joh3i 7 ! 6 Thayer in seiner Liste. 7 Den Nachweis der Stellen verdanke ich der Güte von W. Kroll (Brief, Münster 5. April 1907) : Catalogus Codicum Astrolo- gorum Graecorum V 2 S. 7334 spricht Valens liegt SeouoJv xai ovio%&v xai dnoxptSyojv nQayfidroiv xai xaraxploeots xai dri/ttae über Bande und Bedrängnisse und heimliche Nöte und Verurteilung und Unehre, und I S. 117s5 der im Druck befindlichen Ausgabe KROLLS VOn ich lebe wieder auf als spezifisch neu- testamentlich und kirchlich, und Cremer 3 weiß auch, warum das Christentum das Wort erfinden mußte: "das ävaßuovav der Profangräcität entspricht nicht dem soteriologischen Sinne des biblischen tcui}." Ohne die Frage aufzuwerfen, weshalb bei diesem Sachverhalt denn nicht auch das weltliche Substantivum cwi} ersetzt werden mußte, stellen wir zunächst bei dem Dichter des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts Nikandros 4 wenigstens das Verbum dvaCcbco fest, das die Lexika als poetisches Wort für dvatdto bezeichnen, finden unser Wort aber bei dem Wundererzähler Sotion 5 , der möglicherweise noch ins erste nachchristliche Jahrhundert gehört 6 , und im zweiten Jahrhundert nach Christus bei dem Traumdeuter Artemidoros 7 . Auf eine Inschrift von Kreta 8 , deren Zeit noch nicht näher festgestellt ist und die auch noch der Wiederherstellung bedarf, hat bereits Nägeli 9 verwiesen. Noch bei dem Christen Neilos im fünften Jahrhundert 10 steht ävatdw, wie in den obengenannten Stelien, 1 Inscriptiones Graecae III 2 Nr. 1355 "Av&Qcune . . . . ur t uov na$il&j}£ o&fta rd rsv[e]xi[m\uirov Mensch, geh nicht (achtlos) vorüber an meinem erstorbenen Leibe! Vgl. van Herwerden Lexicon S. 555. * Es gehört zu den merkwürdigen Wi- dersprüchen des sonst so exakten Thayer, daß er in der Liste der "biblischen" Wörter zu Ava^dot bemerkt "Inscr."! s °S. 464. 4 Fragment bei Athenaios Meineke I S. 240 &fQuolS Sdrtaair aber durch warme Benetzung erlangen das Leben sie wieder. 6 napado£oy?aipoi Scriptores Rerum Mi- rabilium Graeci ed. Antonius Westermann BrunSVigae 1839 S. 183 7iapd Kdixtq yaoir fiSaroe elvai ri otiorrjua, 4v ip rd nenny- uiva T&v ÖQv&mv xai x&v &l6yo)V Zfymv iu- ßQax&vxa dvatfiv in der Gegend von KM- kien soll es eine Wasserstelle geben, in der erstickte Vögel und Tiere wieder zum Leben kommen, wenn sie hineingetaudtt werden. 6 Westermann in der Praefatio S. L. 7 4e* nach der Überlieferung des Codex Laurentianus, die der Herausgeber J. G. Reiff, Leipzig 1805, bevorzugt. Auch hier ist die Rede vom Wiederaufleben eines Totgeglaub- ten. Der Herausgeber R. Hercher Leipzig 1864 setzt die Lesart dvaßto*" in den Text. 8 Corpus Inscriptionum Graecarum Nr. 2566 "= Sammlung der griechischen Dialekt- Inschriften herausg. von H. Collitz und F. Bechtel III 2, Göttingen 1905, Nr. 4959 herausg. von F. Blass: eine Frau % A?%orlxa erfüllt der Artemis ein Gelübde, das sie dva^woa im Augenbliok des Wiederauf- lebens getan hat. Der Text ist nicht ganz, klar; Blass hat, worauf mich Hiller von Gaertringen aufmerksam macht (Brief, Ber- lin MeyaXoodßßarov 1907) ei>%dv am Schluß abzudrucken vergessen. 9 S. 47. 10 Bei Photios Bibliotheca S. 513s" (zitiert nach dem Thesaurus Graecae Linguae) oi ydp xöxxoi päd rfjv ix arjxpeo/S vixQotoiv xai f&oQdv dva^oioi denn die Kerne erlangen nach Absterben und Verniditung durah Ver- faulung ihr Leben wieder. e$7tpoo"nia>. xarayytXtüe. 63 im physischen Sinn und die von Nägeli zitierten spätantiken Lexiko- graphen, zu denen das neuentdeckte Stück des Photios " hinzutritt, haben es als Synonymon von ävaßid>oxopai und dvaßiöw. Man wird hiernach sagen müssen: ävatäw ich lebe wieder auf ist ein Wort des Weltgriechisch, dessen durch viele Jahrhunderte zu ver- folgende physische Grundbedeutung vom Christentum geheiligt und ver- sittlicht worden ist. Bei Cremers Theorie wäre der Verlauf der um- gekehrte: ein "christliches" Wort wäre profanisiert worden. 26. Das von Cremer 2 als "in der Profangräcität nicht nachweisbar" bezeichnete Wort ei>jzQoöu>jz£oo<"n&uev damit wir ein gutes Aussehen haben. Schon J. H. Moul- ton The Expositor February 1903 S. 114 hat diese Stelle notiert. * Die physische Bedeutung ist natürlich die ursprüngliche. Wir werden das Wort so bei den Ärzten vermuten dürfen. Wenn freilich das Handwörterbuch von W. Pape, 2. Auflage, 4. Abdruck, Braunschweig 1866 S. 982 zu dem Wort "Galen." d. h. den Arzt Galenos des 2. nachchristlichen Jahrhunderts zitiert, so ist das ein heiteres Mißverständnis seiner Vorlage, wahrscheinlich des Passow, der richtig "ep. Gal. 6, 12" zitiert; "Gal." be- deutet freilich bei ihm auch "Galenus". So ist aus dem Galaterbrief ein Galenbrief ge- worden ! Aber das Mißverständnis zeigt we- nigstens den richtigen Instinkt, daß es sich ursprünglich wohl um einen ärztlichen Aus- druck handelt. • fl S. 32. 7 Dittenberoer Ofientis Graeci Inscrip- tiones Selectae Nr. 456to - Inscriptiones 64 dpxino/urjv. 28. In der ersten Petrusepistel 53 f. heißt es l : ... werdet Vorbilder der Herde; so werdet ihr, wenn der Erzhirte erscheinen wird, den un- verwelklichen Kranz der Herrlichkeit empfangen. Mit dem Erzhirten ist Jesus gemeint; das entsprechende, nach Cremer 2 bis jetzt bloß an dieser Stelle belegte griechische Wort heißt dQytjioitir}v. Man sieht in diesem Worte gern eine christliche Erfindung; ich vermute, daß man wohl auch einen besonders offiziellen Klang aus dem Worte herausgehört hat. Es kann aber gezeigt werden, daß der Apostel das Wort nicht erfunden, sondern übernommen hat. Ein aus dem Ägypten der römischen Kaiserzeit stammendes Holztäfelchen (Abbildung 7), Abb. 7. Mumienetikett, Holztafel aus Ägypten, Kaiserzeit. Mit Genehmigung von Ernest Leroux in Paris. Graecae XII 2 Nr. 58io xarayyeXeU rOv 7i()d>- Tftv d(%)&7]oo[//ivo>v dytAvaßi*] Herolde der ersten abzuhaltenden Kampfspiele]. 1 Vgl. hierzu -Die Christliche Welt 18 (1904) Sp. 77 f. 2 9 S. 906. Ein volkstümlicher Ehrentitel für den Heiland. n^ocHvprjnle. 65 nXrfviS aev ir&v . . welches einer Mumie zur Identifizierung der Persönlichkeit des Ver- storbenen um den Hals gehängt war, trägt folgende griechische Auf- schrift 1 : Plenis der Jün- gere, des Erzhir- ten. Leb- te . . Jahre. Auf diesem Täfelchen ist der Genitiv des Erzhirten wohl nur ein Schreibfehler, - ein Fehler, der aber für uns nicht ohne Interesse ist: das Täfelchen ist schwerlich für einen vornehmen Mann sorgfältig be- schrieben, sondern für einen Mann aus dem Volke, einen ägyptischen Bauernsohn, dem die Oberaufsicht vielleicht über drei oder auch ein halbes Dutzend Hirten anvertraut war 2 , in Eile gefertigt worden. Wenn eine Lesung von Carl Wessely 8 richtig ist, würde noch auf einem anderen Mumientäfelchen 4 derselbe Titel vorkommen. Ich glaube jedoch nach dem Faksimile, daß hier das Wort nicht steht. Aber die eine Tafel genügt: Erzhirte ist ein echt volkstümlicher Titel, den übrigens schon der Thesaurus Graecae Linguae in den Testamenten der Zwölf Patriarchen, Testamentum Judae (c. 8) nachgewiesen hatte 6 . Der Glaube, der seinen Heiland den Erzhirten nannte, setzte ihm nicht ein prunkendes Diadem aus Gold und Steinen aufs Haupt, sondern wand seiner Stirne einen schlichten, aber frischgrünen Kranz. 29. jiQoöxwr]TTiq Verehrer, Anbeter ist nach Cremer 6 "der vor- christlichen Gräcität fremd und später sehr selten , z. B. in Inschriften". Welche Inschriften gemeint sind, ist nicht angegeben. Der Plural "In- schriften" stammt zweifellos aus dem Passow oder dem Pape, wo "Inscr." bei dem Wort zwar "Inscriptiones" bedeutet, der Plural aber nicht gepreßt werden darf. Tatsächlich ist den genannten Lexikographen wohl nur eine einzige in Betracht kommende Inschrift bekannt gewesen, die nach • Chandler im Corpus Inscriptionum Graecarum Nr. 4474s i wiederabge- druckte Inschrift aus Baitokaike bei Apamea in Syrien, 3. Jahrhundert nach Christus, und Cremer würde also, wie es scheint, recht haben. 1 Vgl.E. Le Blant Revue Archeologique 28(1874) S. 249; das Faksimile (Abb.-7) steht Tafel 23, Fig. 14. Wo das Täfelchen jetzt ist, weiß ich nicht. 2 Wilcken denkt an den Obmann einer Hirtengilde; ähnliches Ostr. I 332. 3 Mittheilungen aus der Sammlung der Papyrus Erzherzog Rainer V, Wien 1892, S. 17. Wessely liest &e%inoifi{rjv). 4 Ebenfalls bei Le Blant S. 248; Faksi- mile: Tafel 21, Fig. 9. 8 Für die Frage nach der christlichen Deissmann Licht vom Osten. Herkunft dieses Stückes ist das Vorkommen des Wortes ohne Bedeutung. - Heute heißen die Tscheiingas, die erblichen Führer des Hirtenvolkes der Wlachen, bei den Griechen dpx'noturjv (K. Baedeker Griechenland 4 , Leipzig 1904, S. XLVII). Wie alt der Titel hier ist, kann ich nicht sagen. - Die Be- merkung des Lexikographen Hesychios, bei den Kretern sei ^e%dXa£ der Name für den &e%i7ioifir)v t zeigt, daß jedenfalls zur Zeit des Hesychios unser Wort im Gebrauch war. • "S. 616. 5 66 npooxaprdprjais. xaTaniraopa. In seinem Nachtrag 1 jedoch teilt er mit: "das Wort ist doch der vorchristlichen Gräcität nicht völlig fremd gewesen", und zitiert die In- schrift Waddington 3,2720 a, die aus dem eben genannten syrischen Ort stammt und einen im Interesse der hinaufziehenden Verehrer 2 gefaßten und dem Kaiser Augustus übersandten Beschluß 3 enthält Diese Inschrift ist jedoch mit der oben zitierten identisch ; sie ist neuer- dings wiederholt behandelt worden 4 . Obwohl im dritten Jahrhundert ein- gemeißelt, ist der Beleg für nQooxwrjrfg vorchristlich; die Inschrift ent- hält eben ältere Urkunden, einen Brief eines Königs Antiochos und jenen alten, dem Augustus tibersandten Beschluß. Andere Belege habe ich bis jetzt nicht zur Hand; worauf sich die Angabe van Herwerdens 5 bezieht, das Wort stehe öfter in Inschriften und Papyri, weiß ich nicht. 30. Das in den Lexika bis jetzt bloß Eph 6is belegte jtQoaxaQriQi^aiq Beharrlichkeit, Standhaftigkeit wird von Cremer 6 merkwürdigerweise nicht als biblisches, sondern als Wort der "späteren" Gräzität bezeichnet: er ist hier abhängig von Pape, der ein Sp[ätere] bei dem Wort hat, freilich auch keinen außerbiblischen Beleg wissen konnte. Thayer führt das Wort in seiner "biblischen" Liste. Es ist jetzt nachzuweisen in zwei inschriftlich erhaltenen jüdischen Sklavenbefreiungsurkunden aus Panti- kapaion am Schwarzen Meer; die eine 7 stammt vom Jahr 81 nach Christus, die andere 8 ist ungefähr ebenso alt. Ich gebe zu, daß man auf Grund dieser Inschriften bloß den "biblischen" Sondercharakter des Wortes be- seitigen kann; mit der Möglichkeit, daß 7tQooxaQt£QT]oig von den Diaspora- juden geprägt worden ist, kann vorläufig noch gerechnet werden. 31. Daß der griechische Name für den Vorhang, der das Heilige und das Allerheiligste im Tempel zu Jerusalem voneinander trennte, vMtajzirawvijoios*te d/to* IIißoü%t Uarctjaw" %s 6 . *Ani%a" na" #A aoü 6* $ ößo 1 rfjv loylav 'Iaidos neoi t&v drjpoolutv L 8 ipdrov Niptovos ro€ xvqtov Mcoooii Tä. der Phennesis 9 , dem Homologen 10 Pibudtis Pateisis' Sohn Gruss! Ich habe empfangen von Dir 4 Drachmen 1 Obolos Kollekte der Isis, (Beitrag) für die öffentlichen Leistungen. Im Jahre neun Nerons des Herrn n , am IL Mesore. Mayser Grammatik der griechischen Papyri S. 417. 1 Nummer 4317. * Wilcken Griechische Ostraka II Nr. 413. 3 Zur Sacherklärung vgl. den Kommentar von Wilcken II S. 253 ff. und Archiv 4 S. 267. 4 d. h. 6/uo(l6yq>) m 6 d. h. %{aipeiv). 6 d. h. 8oa%fi&vocouivr t v xal iftn6 näaav und den Preis habe ich ganz emp- fangen; erstes Jahrh. n. Chr. z.B. S. 116, 120. 7 The Collection of Ancient Greek In- scriptions in the British Museum Part II Nr. 158m dnix* ndvra er hat alles em- pfangen. 76 "Versammlung", txxlrjota und ecclesia. Dialekt; sie kommt zeitlich dem ältesten mir bekannten Papyrusbeleg The Hibeh Papyri Nr. 97 s (279/278 oder 282/281 vor Christus) nahe. Hiernach glaube ich sagen zu dürfen, daß in das hart klingende Wort Jesu von den Heuchlern diese technische Bedeutung von drcix**, die jedem Hellenisten bis zum letzten Tagelöhner bekannt war, gut paßt: sie haben ihren Lohn weg (d. h. sie haben, als hätten sie schon quittiert, absolut keinen Anspruch mehr auf Lohn). Durch die leise mitklingende Ironie ist das Wort lebendiger und pointierter geworden. J. de Zwaan * will übrigens auch das rätselhafte änixti Mark 14 4 j von diesem tech- nischen Gebrauch aus erklären, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß auch Paulus Phil 4i8 liebenswürdig scherzend auf ihn anspielt 2 . 3. Die ersten da und dort über das Römerreich zerstreuten griechisch redenden Christengemeinden nannten sich (einberufene) Versammlung; zuerst hieß so jede Gemeinde einzeln für sich, dann nannte man auch die Gesamtheit aller Christen an allen Orten die (einberufene) Versamm- lung. Dieser deutsche Ausdruck ist die wörtlichste Übersetzung des griechischen hier in Betracht kommenden Wortes ixxXria(a\ Zugrunde liegt dieser Selbstbezeichnung die Gewißheit, daß Gott seine Heiligen in Christus aus der "Welt" ausgesondert und berufen, einberufen habe zu einer Versammlung, die Gottes Versammlung, Gottes Aufgebot ist, eben weil Gott ihr Einberufer ist. Wie ich schon früher einmal 4 andeutete, ist der Sprachgebrauch, der z. B. bei den Versammlungsleuten des Dill- tals inbezug auf das Wort Versammlung besteht, die beste Analogie zum urchristlichen Gebrauche des griechischen Wortes ixxlrjola. Es gehört zu den wenig beachteten und doch charakteristischen Tatsachen der altchristlichen Missionsgeschichte, daß die lateinisch reden- den Abendländer, zu denen das Christentum kam, das griechische Wort ixxktjala (wie viele andere technischen Ausdrücke) nicht übersetzt, sondern als griechisches Lehnwort übernommen haben. Weshalb? An Wörtern für Versammlung fehlt es der lateinischen Sprache ja nicht, und tatsächlich ist mit kxxhqala öfter contio oder comitia wiedergegeben worden 5 . Die Einführung des griechischen Lehnwortes muß einen besonderen Grund gehabt haben, und der liegt zweifellos in der feineren Empfindung, daß kein lateinisches Wort sich ganz genau mit dem griechischen txxkrjola deckt. Dieses Sprachgefühl nun hat sich bereits im außerchristlichen 1 The Text and Exegesis of Mark XIV. 41, and the Papyri, The Expositor December 1905, S. 459 ff. Er nimmt den sogleich Vers u genannten Verräter als Subjekt. ' Dafür spricht, daß gerade in Quittun- gen Ani%co öfter mit ndvra verbunden ist, vgl. z. B. oben die Inschrift aus Orchomenos. " Zum folgenden vgl. Die Christliche Welt 18 (1904) Sp. 200f. 4 Die Christliche Welt 13 (1899) Sp. 701. 5 David Mache De Romanorum iuris publici sacrique vocabulis sollemnibus in Graecum sermonem conversis, Lipsiae 1905, S. 17 und öfter (vgl. den Index). Semitische und griechische Ursprungsmarken des Christentums, 4*ofr<"JUfc. 77 Gebrauche geltend gemacht. Schon der jüngere Plinius * gebraucht das latinisierte ecclesia. Neuerdings ist aber in Ephesos eine zweisprachige Inschrift vom Jahre 103/104 nach Christus 2 ans Licht gekommen, die einen noch interessanteren Beleg gibt. Sie stammt aus dem Theater, das jedem Leser der Apostelgeschichte aus Kapitel 19 bekannt ist und heute zu den besterhaltenen Ruinen der alten Stadt gehört, dank der Arbeit der Öster- reicher 3 . Ein vornehmer römischer Beamter C. Vibius Salutaris stiftet ein silbernes Artemisbild (wir denken dabei natürlich sofort an die silbernen Artemistempelchen des Demetrios AGesch 1924) und andere Statuen, damit dieselben in der ixxXtjola im Theater auf die Sockel gestellt würden*. Der lateinische Paralleltext lautet: ita ut [om]n[i e]cclesia supra bases ponerentur. Das griechische Wort ist also einfach transkribiert. Hier haben wir einen wahrhaft klassischen Beleg (klassisch durch sein Alter und seine Herkunft) für jenes Sprachgefühl des lateinisch redenden Abendländers, das sich nachmals auch bei den Christen des Westens geltend macht: ixxlrjölct kann nicht übersetzt, es muß übernommen werden. Das so in den Westen eindringende Wort gehört zu den unverwisch- baren Ursprungsmarken des Christentums. Wie die Wörter Amen, Abba und viele andere die semitischen Muttermale sind, so deutet das Wort ecclesia (und mit ihm viele andere) für alle Zeiten darauf hin, daß die Ur- sprünge des Christentums auch im griechischen Osten liegen. 4. Für anaQTiokös sündig, sündhaft führt Cremer & nur je eine Stelle aus Aristoteles und Plutarch an: "außer diesen Stellen, wie es scheint, nur in der biblischen und kirchlichen Gräcität". Im Nachtrag 6 aber kommt die sehr notwendige Korrektur: "das Wort findet sich nicht bloß in den beiden angeführten Stellen, sondern so oft in den Inschriften, daß es als ein wenigstens in Syrien durchaus gebräuchliches zur Bezeichnung des Sünders im religiösen Sinne bezeichnet werden muß*. Hierbei ist nur das Wort "Syrien" durch "Lykien" zu ersetzen 7 , auch nachher überall bei den von Cremer gegebenen epigraphischen Nachweisen. Die Sache ist schon früher von G. Hirschfeld 8 eingehend behandelt 1 In dem Briefe an Trajan Epist 10, 111 bule et ecclesia consentiente. Auch ßovXtj ist übernommen. 2 Jahreshefte des österreichischen Ar- chäologischen Instituts 2 (1899) Beiblatt S. 43f. 3 Unvergeßlich ist mir der sonnige Mor- gen des ersten Ostertages 15. April 1906, an dem Dr. Keil uns das Theater zeigte: in den Fugen der weißen Marmorsitzreihen blühten bis hoch hinauf im üppigen Grün des anatolischen Frühlings die blutroten Anemonen. 1 tva Tl&rjvrat xar* ixxXrjaiav (ZU dieser Formel vgl. AGesch 14u) iv T)*l iarwoav \&e&]v ndr- S. 262, vgl. auch G. Mendel Bulletin de Cor- respondance Heltenique 24 (1900) S. 392. 2 Reisen im südwestlichen Kleinasien II rotv so sollen sie als Sander gelten gegen alle Götter. > 6 Reisen im südwestlichen Kleinasien II S. 159 Nr. 187. S. 36 Nr. 58 AnapTeolde Motto &eßv ndrrmr 3 Reisen im südwestlichen Kleinasien II 1 so soll er als Sünder gelten gegen alle S. 166 Nr. 193. , Götter. 4 Auch U. Wilcken hat sich an dem ' 7 Möglicherweise hätten wir hier einmal neutestamentlichen Genitiv Mt 26gg gestoßen, mit einem südwestkleinasiatischen Provinzia- Archiv für Papyrusforschung 1 S. 170, ob- . lismus zu rechnen. Früheres über die angeb- wohl dieser Genitiv der Strafe doch wohl | liehen "Kilikismen" des Neuen Testaments nicht ohne Parallele ist. J. Wellhausen Einleitung in die drei ersten Evangelien S. 34 erklärt 1%'oyov rfrai rj} xylo et Mt 5u r. für ungriechisch Warum, weiß ich nicht * Dittenberger Orientis Graeci Jnscrip- tiones Selectae Nr. 55ai r. "= Michel Recueil bei Winer-Schmiedel § 3, 2e (S. 23). 8 Winer-Scmiedel § 3, 2e (S. 23) rech- net das Wort OKijronfjyla noch zu denen, die sicher den griechischen Juden ihren Ur- sprung verdanken. Aber es ist bei Aristo- teles belegt. Heidnische Laubhüttenfeste. Formelhaftes Gut. "Sich Mühe geben". 79 Zeitwort oxr)vonr)ysZo&ai in der Welt, in deren Sprache das heilige Buch übertragen wurde, bereits als ein religiös-technischer Begriff vorkam. Eine große, inschriftlich erhaltene Opferordnung von der Insel Kos, wohl aus dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert l , zählt die sakralen Leistungen auf, zu denen die Kultbeteiligten verpflichtet werden: sie haben zu opfern und sie haben eine Hütte zu errichten (oxavonayüo&Lov)*, nämlich bei einer größeren panegyrischen Feier, "die wol nur einmal im Jahre ab- gehaltem wurde 3 . Es ist bekannt, daß Plutarch das jüdische Laubhütten- fest für ein Dionysosfest gehalten hat 4 ; die Septuaginta hatten, von anderen Motiven aus, dieselbe Praxis befolgt: sie näherten durch die Wahl des weltlichen Wortes ihr Fest dem religiösen Brauch der Umwelt an. Das ist ein neues Moment in dem großen Anpassungsprozeß, den die Septuagintabibel religionsgeschichtlich überhaupt darstellt 5 . c) Feste Verbindungen und formelhafte Wendungen der zeitgenössi- schen Sprache treffen wir ebenfalls nicht selten im Neuen Testament 6 . 1. Das Luk 12ss stehende von allen Grammatikern als Latinismus 7 erklärte öidiom iqyaaiav ich gebe mir Mühe, bis jetzt bloß noch bei Hermogenes 8 im zweiten nachchristlichen Jahrhundert belegt, steht schon in einem inschriftlich erhaltenen Senatsbeschlusse über die Angelegen- heiten von Stratonikeia in Karien vom Jahre 81 vor Christus 9 . Liegt hier die Möglichkeit vor, daß die Wendung wirklich durch Nachahmung einer lateinischen Vorlage entstanden ist 10 , so zeigt sie der vulgäre Brief The Oxyrhynchus Papyri Nr. 742i i f. (2 vor Christus), der genau wie Lukas den Imperativ 1 * hat, ebenso wie Lukas im lebendigen Gebrauch der Volks- sprache, die den "Latinismus" längst nicht mehr als solchen empfand. Auch der unpublizierte Brief Bremer Papyri Nr. 18 (ca. 118 nach Christus) hat, wie Wilcken mir schrieb, die Wendung.", 2. Unmittelbar vor der eben genannten Wendung steht Luk 12s 7 1 Athenische Mitteilungen 16 (1891) S. 406". 2 Diese Formel kehrt sehr oft wieder. 8 So der Herausgeber Johannes Toepf- fer S. 415, der bereits an das Laubhütten- fest der Juden erinnert und zahlreiche heid- nische Belege für den Brauch, bei religiösen Festen Hütten zu errichten, beibringt. belstudien und Neuen Bibelstudien, sowie bei Moulton und Thieme. 7 - operam do. 8 De invent. 3, 5r. 9 Dittenberger Orientis Graeci Inscrip- tiones Selectae Nr. 441 109 f^ovri^a>aiv 81- b&alv re Iqyaotav sie mögen darauf bedacht sein und sich Mähe geben. Ditten- 4 Sympos. 4, 62. berger straft S. 23 diese Wendung mit harten * Vgl. am Schluß dieses Buches die Beilage über die Rachegebete von Rheneia und meine kleine Schrift "Die Hellenisierung des semitischen Monotheismus", S.-A. aus den Neuen Jahrbüchern für das klassische Altertum 1903, Leipzig 1903. 8 Zahlreiche frühere Belege in den Bi- Worten. 10 So Paulus Viereck Sermo Graecus quo senatus populusque Romanus magistra- tusque populi Romani usque ad Tiberii Cae- saris aetatem in scriptis publicis usi sunt, Gottingae 1888, S. 83. 11 Sdi i^yaolav gib Dir Mähe. 80 "Das Rechte richten". "Abrechnung halten". "Den Hals hinlegen". der bis jetzt singulare Ausdruck xqCvio rd ölxaiov, wörtlich ich richte das Rechte, den Bernhard Weiss * vom Urteilen über das, was Gott von uns fordert, erklärt. Er wird aber deutlicher durch ein Rachegebet an Demeter auf einer Bleitafel des zweiten Jahrhunderts nach Christus von Amorgos 2 : die Göttin wird gebeten, das rechte Urteil abzugeben. So rät Jesus den mit einander Prozessierenden, sie möchten nicht erst den Richter sprechen lassen, sondern von sich aus den Prozeß durch einen gerechten Spruch aus der Welt schaffen, indem sie sich nämlich vorher ver- söhnen. 3. Nicht bei den "Griechen" soll vorkommen nach Grimm und Thayer das evangelische ovvaiqo} Xöyov ich halte Abrechnung Math I823 f. 25i". Es ist aber in zwei Briefen des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts The Oxyrhynchus Papyri 1 1327 1. 8 und Berliner Griechische Urkunden Nr. 775is f. 4 von Moulton 5 nachgewiesen, wie auch ein Ostrakon aus Dakkeh in Nubien vom 6. März 214 nach Christus 6 die entsprechende substantivische Wendung zeigt. 4. Von dem getreuen Ehepaar Akylas (Aquila) und Priskilla rühmt der Apostel Paulus Rom 16*: die für meine Seele ihren Hals hingelegt haben 7 . Manche Ausleger haben diese Wendung buchstäblich verstanden: Akylas und sein Weib hätten, um den zum Tod durchs Richtbeil verurteilten Apostel zu retten, ihren eigenen Hals auf den Richtblock gelegt. Von den meisten wird der Ausdruck jedoch bildlich erklärt: "den Hals hin- legen" heißt so viel wie "das eigene Leben einsetzen". Diese Auffassung wird durch eine Stelle aus einem neu entdeckten Texte zweifellos ge- stützt. Bei der Zerstörung der Städte Herkulaneum und Pompeji im Jahre 79 nach Christus wurden mit dem übrigen Hausrat auch die Bibliotheken von Bürgern dieser Städte mitverschüttet. Reste solcher Hausbüchereien wurden bei den Ausgrabungen wiederentdeckt, und man hat auch Mittel gefunden, die stark verkohlten Buchrollen zum Teil wieder lesbar zu machen. Unter den herkulanensischen Rollen befindet sich nun als Nr. 1044 ein Text, dessen Entzifferung wir dem Scharfsinn und der Gelehrsamkeit von Wilhelm Crönert verdanken, eine Lebensbeschreibung 1 Kritisch Exegetischer Kommentar von H. A. W. Meyer I 2 7 Göttingen 1885 S. 482. * Bulletin de Correspondance Hellenique 25 (1901) S. 416 indxovoov, #"*, xai xpXvai rö dlxaiov erhöre, Göttin, und gib Du den rechten Urteilsspruch. Der Herausgeber Th. Homolle übersetzt prononce la juste sentence. 4 dxotj&te Av yivou&te lxJ*"c xai owd- Qrouev Xöyov bis ich hinkomme und wir Abrechnung halten. 6 The Expositor April 1901 S. 274 f. 6 Wilcken Griechische Ostraka Nr. 1135 d%oi Xöyov owdooitüs bis zur Abrech- nung. 7 olrtree $7iip rij€ y>v%ije ttov töv iavrßv 3 iva owdowfiai avrcSi Xöyov damit ich \ TpdxrjXov ünidyxav. Vgl. zum folgenden Abrechnung mit ihm halte. I Die Christliche Welt 17 (1903) Sp. 611 f. "Den Hals hinlegenc. "Die Namen im Buch". 81 des Epikureers Philonides, der etwa 175-150 vor Christus blühte. Wer die Biographie geschrieben hat, wissen wir nicht; aber sie muß natürlich nach 150 v. Chr. und vor dem Jahre der Zerstörung von Herkulaneum verfaßt worden sein, also entweder im Zeitalter oder jedenfalls nicht all- zulange vor dem Zeitalter des Apostels Paulus. In dieser Biographie kommt folgender, am Anfang zwar verstümmelter, für unseren Zweck aber hinreichend deutlicher Passus vor 1 : [FürQ)] den am meisten Geliebten unter den Verwandten oder den Freunden würde er wohl bereitwillig den Hals darbieten. Hier begegnet uns die Wendung des Römerbriefes, nur mit einem anderen Verbum 2 , und die Vermutung legt sich nahe, daß in der grie- chischen Welt für jemanden den Hals hinlegen oder darbieten eine ebenso geläufige Wendung 3 gewesen ist, wie etwa bei uns für jemanden die Hand ins Feuer legen. Ursprünglich jedenfalls aus dem Sprachgebrauch des Rechtslebens 4 hervorgegangen, ist die Wendung zur Zeit des Römer- briefes wohl längst nicht mehr im buchstäblichen Sinne verstanden worden. Das Verdienst der Getreuen des Apostels wird durch diese Beobachtung nicht verkleinert: ein ungemein großes persönliches Opfer muß es in jedem Falle gewesen sein, was Akylas und Priskilla für Paulus gewagt haben, etwas, was man (um mit der zwei Jahrzehnte nach der Abfassung des Römerbriefs unter der Lava des Vesuv begrabenen heidnischen Rolle zu reden) nur für den am meisten Geliebten unter den Verwandten oder den Freunden zu tun wagt. 5. Daß Paulus die Ausdrücke des Rechtslebens auch sonst liebt, ist oft beobachtet 5 worden und wird auch auf diesen Blättern gelegentlich bestätigt 6 . Auch Phil 4s haben wir einen merkwürdigen Anklang an die Urkundensprache: deren Namen im Buche des Lebens (stehen) 1 klingt formell wie der Passus deren Namen im Büchlein 8 angegeben sind Berliner Griechische Urkunden Nr. 432 IIs t vom Jahr 190 nach Christus . Ich würde dieses Zusammentreffen, das zufällig sein könnte, hier nicht notieren, wenn nicht c5v xä dvöfiara deren Namen als sicher formelhaftes Gut der Urkunden- Sitzungsberichte der Kgl.Preuß.Akade- * Die ursprüngliche Vorstellung ist ent- mie der Wissenschaften zu Berlin 1900, S. 951. [dftfy?] rot? ft&XujT* Ayantofiivov t&v dvay" xaiwv r\ T&v v napaßdloi Av kxotttcoi rdv TQdxrjlov Inhaltlich ist die Stelle übri- gens auch eine Parallele zu Römer 5n. Zu- sammen mit der Stelle vom Darbieten des Halses - welche Perspektiven für die Ab- hängigkeitskritiker! * Paulus sagt i>noTt&nm % der Text von Herkulaneum nagaßdXXa" rdv r^d%rjXov. 3 Vgl. oben S. 55 f. nafaßoXeöoyai. weder die, daß jemand sich stellvertretend für einen anderen hinrichten läßt, oder daß er doch mit seinem Halse für den anderen haftet, bürgt. • Vgl. Bibelstudien S. 103. Vgl. z. B. unten Kap. IV die Verwer- tung der antiken sakralen Sklavenbefreiung als Bildes für unsere Erlösung durch Christus. 7 &v rd dvöpara iv ß/ßXqt £(or}e. 8 Gemeint ist ein Aktenstück. 9 d>v rd dvöuara Tip ßtßXtS/tp dsSrjXmTcu. D eissmann Licht vom Osten. 5 82 Syntaktische Probleme. Präpositionen. spräche Öfter zu belegen wäre, z. B. Berliner Griechische Urkunden Nr. 181 ie (57 nach Christus) und 72c f. (191 nach Christus); 344i (zweites oder drittes Jahrhundert nach Christus) steht es sogar ohne Verbum, wie z. B. Mark 1432, zweifellos nicht hebraisierend K D. Die Syntax des Neuen Testaments ist bis jetzt noch am wenigsten im Lichte der neuen Texte betrachtet worden. Es gehört beispielsweise zu den größten Schwächen der Grammatik von Blass, daß sie in ihren syntaktischen Teilen das Neue Testament viel zu sehr isoliert und Er- scheinungen, die in heidnischen Inschriften, Papyri und Ostraka leicht 2 zu belegen sind, öfter als Hebraismen erklärt. Das ebengenannte Beispiel des ohne Zeitwort stehenden deren Namen ist schon dafür charakteristisch. Wie viel solides neues Wissen ist aber jetzt möglich I l. Auf dem Gebiet des Präpositionengebrauches, um ein Beispiel her- auszugreifen, zeigt die Umgangssprache der Mittelmeerländer im Zeitalter der Religionswende besonders interessante Veränderungen und Bereiche- rungen 3 , und wie will man die religionsgeschichtlich so überaus wichtigen Stellen, an denen Paulus und andere die Präpositionen iniq und dvrl gebrauchen, verstehen, wenn man nicht den gleichzeitigen "profanen" Gebrauch berücksichtigt? Die Wendung fiXtjtuv &st6 sich vorsehen, sich hüten vor erklärt Blass 4 für hebräisch, Wellhausen 5 für semitisch; sie wird aber in dem stark vulgären Papyrus- Briefe Berliner Griechische Urkunden Nr. 1079 vom 4. August 41 nach Christus von einem Schreiber gebraucht, der wohl kein Jude war, denn er warnt: und Du, hüte Dich vor den Juden 6 . Die Verbindung von slvai und ähnlichen Zeitwörtern mit einem eis, das nach Blass 7 hebraisierend, nach Wellhausen 8 wie Lamed* gebraucht 1 Blass Grammatik des Neutestament- lichen Griechisch 2 S. 77 nennt xal rd övopa cedrrje "noch mehr hebraisierend", als oü rd övofta, das also dann auch hebraisierend wäre. 2 Freilich schwieriger, als die lexika- lischen Dinge, da die Indices, wenn sie überhaupt vorhanden sind, sich um die Syn- tax oft gar nicht kümmern Man muß die Texte eben lesen. 3 Vgl. A. Thumb Die griechische Sprache im Zeitalter des Hellenismus S. 128 und meine Andeutungen Berliner Philologische Wochenschrift 24 (1904) Sp. 212f. Einen dankenswerten Anfang zur Erforschung der Präpositionen in den Papyri macht Gual- therus Kuhrinq De praepositionum Grae- carum in chartis Aegyptiis usu quaestiones selectae, Diss. Bonn 1906. 4 Grammatik des Neutestamentlichen Griechisch 2 S. 127. 5 Einleitung in die drei ersten Evangelien S. 32. 6 xai oi> ßline o ovo zwei und zwei, zu zweit ausgesandt. Hier ist, um ein distributives Zahlenverhältnis aus- zudrücken, die Grundzahl wiederholt. Wellhausen 15 erklärt das für un- griechisch, aber 18 bereits Aischylos hat diesen Gebrauch 17 , ebenso So- phokles 18 . Diese Beispiele würden schon genügen, um den entsprechenden Gebrauch der Septuaginta und des Neuen Testaments verständlich zu 1 Als Name eines Juden 1 Kor Im AGesch 18s vorkommend. 2 Oder N* . . a . [ . ) Wilcken. N*[xoX]do, ist sehr unwahrscheinlich. 3 d. h. ete övop(a). Die Formel ist so geläufig, daß man sie abkürzt. 4 d. h. rie Nörov A{tßs uovoyevofa napd narods nlfyrjs [Kodex D nl^r\\ xdpiroe xal dXtj&e/ae. Auch an anderen Stellen des Neuen Testaments und der Septuaginta findet sich dieses tzXijms. * Die Stelle kann ich nicht rasch finden und will meine Zeit lieber zurate halten. 6 Bericht über die Tätigkeit des Wissen- schaftlichen Predigervereins der evangeli- schen Geistlichkeit Badens im Jahre 1906, Karlsruhe 1907, S. 10. 7 Vgl. Blass Grammatik des Neutesta- mentlichen Griechisch 2 S. 84 und schon 'S. 81. 8 Vgl. J. H. Moulton Grammar* S. 50 und Mayser Grammatik der griechischen Papyri S.63. Dortselbst alle weitere Literatur. 9 Leidener Papyrus C IIu (Papyri Graeci Musei . . Lugduni-Batavi ed C. Leemans t. I [1843] S. 118). 10 Revue Archfologique 29(1875) S. 233 f. $8o)xa aATm&te rd vatila nltjptje xai rds da- Tidvae idi habe ihm das Fähr- und Zehr- geld voll gegeben. 86 Stilfragen. Semitismus oder Vulgarismus? Johannes. die Ostraka ¦ haben, wie nicht anders zu erwarten war, die Statistik be- reichert. Moulton 2 hat ganz recht, wenn er meint, ein literarisch ge- bildeter Grieche würde das erstarrte Wort nicht gebraucht haben. Aber er geht zuweit, wenn er annimmt, es sei erst durch Abschreiber in das Johannesevangelium hineingekommen. Die Abschreiber haben in der Regel ganz mechanisch gearbeitet, wiQ unsere Setzer; wo sie den Text des Neuen Testaments sprachlich veränderten, taten sie es im Auftrage ge- bildeter Theologen, die aber wohl meistens unter dem der Volkssprache feindlichen attizistischen Einfluß standen. Wo die Textzeugen variieren, haben die volkstümlichen Erscheinungen in den Evangelien und bei Paulus immer ein gutes Präjudiz für sich. Speziell unser Tck^g bei Johannes für nicht ursprünglich zu halten, liegt kein Grund vor. Die vulgäre Form mitten in dem lapidaren Prolog, eine Feldanemone zwischen Marmorblöcken, ist vielmehr ein deutliches Kennzeichen des volksmäßigen Charakters auch des Johannesevangeliums; und wen irgend das Wort Logos in der ersten Zeile philologisch in die Irre geführt hat, der wird durch die zweifellos volkstümliche Form wieder auf den Weg gebracht. E. Wir können, hieran anknüpfend, nochmals auf die Johannestexte exemplifizieren, wenn wir schließlich auch den Stil des Neuen Testaments im Lichte der profanen Texte noch kurz betrachten 3 . Es gehört zum unantastbaren Erbgut unserer exegetischen Tradition, den johanneischen Stil als besonders semitisierend hinzustellen, hauptsächlich wegen seiner Vorliebe für die parataktische Redeweise und speziell für die zahlreichen und - und. Noch der neuste Beurteiler des johanneischen Stils, E. von Dobschütz 4 , der beim ersten Johannesbrief eine Grundschrift und eine Bearbeitung unterscheidet, schreibt, übrigens selbst stark parataktisch, über den Stil der Grundschrift: "Thesis steht neben Thesis, Satz tritt gegen Satz, nichts von all den feinen, jede Abtönung des Gedankens wiedergebenden Partikelverbindungen, an denen die klassische griechische Sprache so reich ist. Wohl treten diese auch in der Umgangssprache der hellenistischen Zeit sehr zurück. Aber ein Stil, wie er hier vorliegt, ist doch ungriechisch. Es ist semitisches Denken, das sich hier zeigt. Nur bei den LXX kann man ahnliche Stücke lesen." Schon ganz abgesehen von unseren neuen Texten kann lediglich durch Hinweis auf die Tatsachen der indogermanischen Sprachwissenschaft 1 Wilcken Griechische Ostraka Nr. 1071, Theben, 16. Februar 185 nach Christus; wahr- scheinlich auch Nr. 1222, Theben, römische Zeit. 2 Grammar 2 S. 50. s Vgl. die allgemeinen Andeutungen oben S. 40ff. 4 Johanneische Studien, Zeitschrift für die neutestamentüche Wissenschaft und die Kunde des Urchristentums 8 (1907) S. 7. Wilhelm Heitmüller in der Gegenwarts- bibel (Die Schriften des N. T , herausg. von Johannes Weiss) II, Göttingen 1907, 3 S. 175 urteilt ähnlich und wagt aus Satzbau und Satzverbindung sogar einen Schluß auf den Geburtsschein des Verfassers : "Sie ver- raten zweifellos die jüdische Herkunft des Evangelisten". Die Parataxe das Volksmäßige. Johanneischer Stil. 87 die Beurteilung der Parataxe als "ungriechisch" zurückgewiesen werden. Ungriechisch erscheint die Parataxe bloß vom Standpunkt der attizistischen Orthodoxie, die den Periodenbau mit Hypotaxe als das Gute und Schöne erklärt und als "das" Griechische. Tatsächlich ist die Parataxe die Urform auch der griechischen Redeweise, hat immer fortgelebt in der Sprache des Volkes und ist auch literarisch da zur Geltung gekommen, wo man volkstümliches Sprechen nachahmte. Ausgezeichnet schildert Karl Brug- mann 1 diesen Tatbestand: >Es ist unzweifelhaft, daß die homerische Sprache im ganzen weit mehr von der ursprünglichen parataktischen Redeweise aufweist als die Sprache des Herodot und der attischen Prosaiker wie Thukydides, Plato, Demosthenes Der Grund hiervon ist nun viel weniger in dem höheren Alter der homerischen Sprache, darin, daß diese der urindogermanischen Redeform zeitlich so viel näher stand als die Sprache jener Prosaiker, zu suchen, als darin, daß die epische Sprache von dem natürlichen Boden der Sprache weniger losgelöst war als die Sprache der späteren Literaturwerke. Es ist überall in der indogermanischen Sprachenwelt, wo echte Volksmundart und höher entwickelte Schrift- sprache neben einander stehen, zu beobachten, daß die Volksmundart die parataktische Ausdrucksweise in viel weiterem Umfang übt als die Schriftsprache. Hätten wir aus späterer Zeit, sagen wir beispielsweise aus dem 3. Jahrhundert vor Christus, ein Werk, das uns die volkstümliche Satzbildung etwa in dem Maße unverfälscht vor Augen stellte wie die home- rischen Gedichte, so würde vermutlich die homerische Sprache in der in Rede stehenden Beziehung kaum erheblich altertümlicher erscheinen. Ist doch in dieser Beziehung selbst zwischen dem homerischen Griechisch und den neugriechischen Volksmundarten kein größerer Abstand zu verspüren. Wo wir bei den Autoren des Zeitalters des literarischen Schriftgebrauchs und des schulmäßigen Unterrichts parataktischen Ausdruck antreffen bei zugleich zu Gebote stehender und in der kultivierten Sprache allgemeingebräuchlicher hypo- taktischer Redeform, da haben wir es wohl in der Regel mit einem Heraufholen der Aus- drucksweise der Alltagssprache zu thun." Brugmann erweist den letzteren Gedanken durch Beispiele aus der griechischen Komödie und aus Demosthenes; in beiden Fällen liegt be- wußte Nachahmung des volkstümlichen 2 Stils vor 3 . In der Erkenntnis des z/o/fesmäßigen Charakters des johanneischen Stils, der aber nicht nachgeahmt, sondern zum guten Teil wildgewachsen ist, liegt denn auch die Lösung des Rätsels, das die Zensorenstimmung unserer attizistischen Exegeten immer wieder zu entdecken glaubt. Volkstümlich ist Johannes, ebensowohl wo er erzählt oder reflektiert, als auch wo er Christusreden gibt. Wir können für beides, für den volksmäßigen Er- zählerstil mit seinen kurzen parataktischen Sätzen und seinen und - und, wie auch für den gerade durch seine volksmäßige Schlichtheit lapidaren 1 Griechische Grammatik 3 (Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft II l 3 ) München 1900, S. 5551 2 Bei der Komödie liegt das ja auf der Hand. Wir haben übrigens hierin auch den fleißige Theaterbesucher oder Leser der Ko- mödien gewesen wären, sondern Komödie und Neues Testament schöpfen aus dem ge- meinsamen Born der volkstümlichen Um- gangssprache. Grund, weshalb der Wortschatz der Komödie i 3 Sehr beachtenswert sind auch die Nach- so stark im Neuen Testament wiederklingt. Es weise von Wilhelm Schmid Der Atticismus kommt das nicht daher, daß die Apostel I S. 422, II S. 299, III S. 326. 88 Beispiele volkstümlichen Erzählerstils aus Aegypten. Illustrationen zu Gleichnissen Jesu. IcH-Stil der zu Kultgenossen und Fremden redenden Gottheit, leicht Bei- spiele finden. Eines der schönsten Beispiele volksmäßigen Erzählerstils ist der Be- richt des Ägypters Ptolemaios vom Jahre 160 vor Christus über einen Traum, den er gehabt hat, Pariser Papyri Nr. 51. Ich würde diesen un- gewöhnlich interessanten Text nach der ersten Ausgabe * hier abdrucken, wenn es nicht ratsamer wäre, Wilckens Neuausgabe der Papyri aus der Ptolemäerzeit abzuwarten; sie wird zweifellos auch den Traum des Ptole- maios mit bedeutend verbesserten Lesungen geben. Ein gutes anderes Beispiel ist der in Oxyrhynchos gefundene Trost- brief der Ägypterin Eirene aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert 2 . In einer Strafanzeige an den Strategen aus Euhemeria (Ka§r el-Banät) im Faijüm, etwa vom Jahre 171 nach Christus 3 erzählen zwei Handelsleute: . . . Gestern (es war der 19. des laufen- den Monats Thoth), als wir in der Frühe von dem Dorfe Theadelpheia (Themistos- Bezirk) heimkehrten, überfielen uns zwi- schen Polydeukia und Theadelpheia Spitz- buben und banden uns mitsamt dem Turm- wart und mißhandelten uns mit sehr vielen . . . ix&ks jftte Ijv t& TOV [8]vT08 fiTjvdi Gabd" dvsQxop&vwv Jju&v 4 dnd xaSftrje 0ca~ 8eXfpetas Geuioxov ftefldo* t>nd rdv Öq&qov inrßd'av ^ftelv xaxovgyol riveQ dvd \u\ioov TIoXvSbvxIos xai rrjs Gea8tXv xai tü> pay8otXoa>öXaxt xai nXrjyals ij/uä£ nXioran fjxioav x[ai) rpavuarialov inoirjaav idv \Ilaatco\va xal etoavij(>a\y iju]&v %oi(>£8i[ov\ a xai 4ßdo[ra£av idv ro€ ]Jaottov]o£ xix&va .... xai .... Schlägen ufndj verwundeten den [Pasiojn und nahmein unjs 1 Schweinchfenj ab und raub/ten den] Rodt des [Pasiojn . und . . ft Noch deutlicher wird die Parallelität des Stiles, wenn wir sachlich verwandte Texte zusammenstellen, vom Blindgeborenen Joh 97. n 1 Kai ilnev atirtp' tinaye viyai eis t^*> xoXvftßq&qav roü Ziltodu (6 iQftrjveverai dneoraXuivoo). dnrjXd'ev o-öv xai Mtparo xai ijX&ev ßXincav. u d7tsxpi&r] ixeZvos' 6 dr- &q co n os 6 Xeyöfievos 'Irjaoüs nrjXdv inottjoev xai in&xQtoiv ftov rotie dtp&aXftoits xal elniv ftot, öxi €naye eis rdv JliXtod/i xai vlyat. dneXd'dbv oiv xai vtyduevos dvißXeipa. z. B. zu Sätzen aus der Geschichte 'Und er sagte ihm: "Gehe hin, wasche didh im Teich des Siloam (verdolmetscht 'Gesandter*)!" Da ging er hin und wusch sich und kam sehend. il Da antwortete jenet : "Der Mensch, der Jesus heißt, machte einen Teig und bestridi mir die Augen damit und sagte mir: 'Gehe hin in den Siloam und wasdie dich!* Da ging ich hin, wusch midi und konnte wieder sehen.* 1 Notices et extraits 18, 2 S. 323 f. 1 Vgl. den Text unten Kap. III. 3 Fayüm Towns and their Papyri Nr. 108. * Dieser "falsche" Genitivus absolutus mit folgendem Dativ steht genau so auch Joh 4m und an vielen anderen Stellen des Neuen Testaments. 5 Vgl. die sachlich parallele Schilderung der Rauberszene im Gleichnis vom barm- herzigen Samariter Luk 10so: Angabe des Weges, auf dem der Überfall stattfand {von Jerusalem nach Jericho), Schläge, Raub der Kleider. Man sieht: Jesus hat trefflich den Volkston getroffen. Ähnliche gute gleich- zeitige Illustrationen zu den Gleichnissen Jesu bieten die Papyri und Inschriften öfter, vgl. z. B. die bittende Witwe (Luk 18i ff .) Tauetis aus dem Dorf Soknopaiu Nesos, Ber- liner Griechische Urkunden Nr. 522 (Faijüm 2. Jahrh. n. Chr.) oder den verlorenen Sohn Antonis Longos mit seinem Sündenbekennt- nis an seine Mutter Neilus, Brief Faijüm 2. Jahrh. n. Chr. Berliner Griechische Urkun- den Nr. 846 (vgl. unten Kap. III). Ein Heilungsbericht aus Rom. Der sakrale ICH-Stil in Isis-Inschriften. einen der vier Heilungsberichte auf einer Marmortafel wahrscheinlich aus dem Asklepiostempel auf der Tiberinsel in Rom, aus der Zeit nach 138 nach Christus 1 : OdaXeptq* "AnQV OTpaTH&Tfl rva>X fy?*}- p&rioev* 6 &sde iX&eZp* xal Xaßelv alua 4£ dlexTpvOvos XevxoC uerd uiliroe xal xoX- Ivqio\> k owtQXyai xal inl rpeU tfpipae in$%(>elaai % ini rox>q dy&aXuode. xal dvi ftX*ynv* nal iXtjXv&tv 1 xai fföxa^tartjaev 9 dijitootq* tw &ed> ,0 . Dem Valerios Apros [Aper], einem blin- den Soldaten, gab der Gott die Weisung, hinzugehen 1 und Blut zu nehmen von einem weißen Hahn, dazu Honig, und daraus eine Salbe A zu reiben und drei Tage lang die Augen damit zu bestreichen 5 . Und er konnte wieder sehen 6 und kam 1 und dankte 9 öffentlich 9 dem Gotte". Dieser Text ist womöglich noch parataktischer (würde er im Neuen Testament stehen, so würde man sagen "semitischer"), als der entsprechende johanneische Heilungsbericht. Am frappantesten aber ist die Ähnlichkeit der feierlichen johanneischen ICH-Worte mit einem nichtchristlichen und vorchristlichen sakralen IcH-Stil, den uns eine durch Diodoros von Sizilien mitgeteilte Inschrift aus Nysa in "Arabien" zu Ehren der Isis und eine neuerdings zum Vorschein ge- kommene Isis-Inschrift von der Insel los vermittelt haben und dessen Echo wir auch in nach johanneischen Texten noch vernehmen. Es ist wieder 11 ein liebenswürdiger Zufall (der für die Mühe sprachstatistischer Arbeit alle diejenigen entschädigen mag, die dadurch gelangweilt werden), daß die auch sachlich höchst wichtige zweite Inschrift sich heute auf los in der Kirche des heiligen Johannes des Theologen befindet, geschrieben auf eine als Stütze des heiligen Tisches dienende kannelierte Säulentrommel : Johannes der Theolog hat das altehrwürdige stilverwandte Dokument ge- rettet. Ihr erster Herausgeber R. Weil 12 hat diese Isis-Inschrift seltsam genug für einen kaiserlichen Erlaß oder Brief aus der Zeit der Christen- verfolgungen gehalten; ihr wahrer Charakter ist ihm dann durch Evstra- 1 Corpus Inscriptionum Graecarum Nr. 5980i6 ff - Dittenberger Sylloge 2 Nr. 807isir. Natürlich ist auch die sachliche Parallelität von hoher Bedeutung. Ähnliches (formal und sachlich) in den drei anderen Berichten der Tafel und zahlreichen Heilungstafeln aus Epidauros. Für einen ganz einfachen, fast bloß durch Partizipialkonstruktionen und xa/-Sätze gebildeten Erzählerstil vgl. die große Inschrift Corpus Inscriptionum Graecarum Nr. 5984, die Taten des Herakles erzählt. Das Wort nfAgetQ ist hier gebraucht wie in der Über- schrift der Apostelgeschichte des Lukas und der anderen Apostelgeschichten. 2 Wie öfter in der griechischen Bibel von der göttlichen Weisung. 3 Entspricht dem johanneischen direkten Gehe hin! * Vgl. den johanneischen Teig aus Erde und Speichel. 5 Das Wort steht genau wie bei Johan- nes, der es 9s auch mit ini konstruiert. 9 Wie bei Johannes. 7 Wie Joh 97. 8 Wie oft im Neuen Testament. 9 Wie in der Apostelgeschichte öfter. 10 Vgl. den dankbaren Samariter Luk 17i*. 11 Vgl. oben S. 67 f. die ähnliche Kon- servierung der iniowaytorflnszhnil. 12 Athenische Mitteilungen 2 (1877) S. 81. Glücklicherweise war es kein Theologe: er wäre sonst unsterbliches Paradigma unserer 90 Orientalischer und ägyptischer ICH-Stil. tiadis erklärt worden 1 . Wiederholt von anderen Forschern behandelt, ist sie zuletzt von F. Freiherrn Hiller von Gaertringen 2 ediert worden, der ihre Schrift dem zweiten oder dritten Jahrhundert nach Christus zu- weist. Durch seine gütige Vermittelung darf ich das der Sorgfalt von Alfred Schiff zu verdankende Faksimile des ungewöhnlich interessanten Textes mit Genehmigung der epigraphischen Kommission der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin hier unten wieder- geben (Abbildung 13). Trotz der jungen Schrift ist der Text selbst, wie der parallele Text aus Nysa bei dem vorchristlichen Zeugen Diodoros zeigt, in der Hauptsache alt, jedenfalls viel älter als das Johannesevangelium. Ich gebe nun, um die historische Kontinuität nicht zu zerreißen, zu- nächst den Text von Nysa, dann den von los 3 , an dritter Stelle einen formal ähnlichen johanneischen Text und zuletzt einen wohl nachjohan- neischen Repräsentanten dieses sakralen ICH-Stils. I. Diodoros von Sizilien (t nach 27 vor Christus) erzählt in seiner histo- rischen Bibliothek I 27 4 , es seien ihm Schriftsteller bekannt, welche die Gräber der Isis und des Osiris in Nysa in "Arabien" 5 beschrieben. Mit "heiliger Schrift" trage die Grabstele jeder Gottheit eine Inschrift, von der er mitteilt, was auf den Stelen noch lesbar sei; den größeren Rest des Textes habe die Zeit vernichtet. um der Fakultät willen unvermeidlichen Blindheit. 1 Ebenda S. 189f. 2 Inscriptiones Graecae XII, V 1 Nr. 14 vgl. S. 217; ein unbedeutendes neues Frag- ment Bulletin de Correspondance fieltenique 28 (1904) S. 330. Nachträglich sehe ich, daß Adolf Erman Die ägyptische Religion, Berlin 1905, S. 245 die Inschrift ebenfalls (zum Teil) übersetzt und ebenso beurteilt, wie ich: sie zeige, "was einfachere Gemüter von der Isis dachten". 3 Von vorjohanneischen Texten könnte man auch das Lob der WeisheitWeish Sirach 24 nennen, in dem wenigstens viermal das feierliche Ich gebraucht ist. Der Stil läßt sich zweifellos auch weiter zurückverfolgen, vgl. das feierliche Ich bin Jahvehs im Alten Testa- ment und das Ich altorientalischer Königs- inschriften, das noch in der späten Inschrift des Silko nachklingt (Dittenberoer Orientis Graeci Inscriptiones Selectae Nr. 201). Die Parataxe dieser Inschrift, die ja im übrigen Barbarisches genug enthält, hat ihre genaue Parallele in den Isisinschriften von Nysa und los. Die besten Parallelen zu dem ICH-Stil werden wir aber in ägyptischen Sakraltexten finden. Vgl. z. B. den von Albrecht Diete- rich Eine Mithrasliturgie erläutert, Leipzig 1903, S. 194 f. mitgeteilten Text und die Nach- weise desselben Gelehrten zum Leidener Zauberpapyrus V, Jahrbücher für classische Philologie herausg von Alfred Fleckeisen 16. Supplementband, Leipzig 1888, S. 773. In diesem Papyrus steht z. B. VHs* iya> dp* "Ooifis 6 xaXoti/uevos $8a>(> % iytb elut lois 1} xaXovfiivri Spöoos Ich bin Osiris, der da heißt 'Wasser ; Ich bin Isis, die da heißt Tau. Formale und sachliche Parallelen stehen auch im Londoner Zauberpapyrus Nr. 46mg r. und 121498 r., (Kenyon I S. 72 und 100), bes. aber Apuleius Metamorphosen lh. 4 Ich zitiere nach der Ausgabe von Frid. Vooel Lipsiae 1888. 5 Diese Angabe ist wohl unsicher; wahr- scheinlich stammt der Text, wie Wilcken vermutet, aus Bubastis. Nysa ist ein sagen- hafter Ort. Isisinschriften aus Nysa und los. 91 'E/tb laie eipi 1} ßaotXiaaa ndarjs %co^as ij ncuSev&etaa 4nd ^EppoO, xai 60a iyd> ivo- fto&ixrjoa, otidele atixd iCvarat l€aou. *Eya\ rtut jj roü vetoxdxov Kqövov &*o dorpqf ral iv Tip xwi imxilXovaa. 'Euoi Bvvßaoxos •} ndJae (vxoSomij&t]. XaTpe, x a *V s AXyvTtra jj &piyaod ue. Ich bin Isis, die Königin jeglichen Lan- des, erzogen von Hermes. Und was Ich als Gesetz gegeben habe, niemand kann es aufheben. Ich bin des jüngsten Gottes Kronos älteste Tochter. Ich bin das Weib und die Schwester des Königs Osiris. Ich bin die erste, die Frucht den Menschen erfunden hat. Ich bin die Mutter des Königs Horos. Ich bin die, die im Hunds- stern aufgeht. Mir ist die Stadt Bubastos erbaut worden. Freue dich, freue dich 1 , Ägypten, daß du mich genährt hast! Auch von der Osirisinschrift teilt Diodoros das Bruchstück mit; es ist ebenfalls in kurzen Selbstzeugnissen abgefaßt, nur spielt das Ich nicht dieselbe Rolle, wie in dem Isistexte. II. Daß diese Inschrift von Nysa nicht eine Fiktion ist, sondern ein fester Bestandteil der liturgischen Texte des Isiskultes, zeigt die längere, aber sonst genau übereinstimmende jüngere Niederschrift von los (Abbil- dung 13), die ich ohne Aufrechterhaltung ihres Zeilensatzes hier abdrucke: [O Stlra dvi&yxtv El\oi[3i £cpdn]i[3]t [*A]vadßtdi xA[^noxpd)xrj. Elais iytu 1 tl/ut ij x[v(pavv\o9 ndorje %6(>a£ xai h inai8[tü\&rjv Und ^EquoG xai ypdtt/taxa etiqov ftexd *Epuo€ r& 8rju6ota, Iva pr) rote aüxoZS navxa ypd- (prjTai, Eytb vöjuovS dv&(>d>7iotS i&iprjv xai £vouo- i0 &ix7]oa, d ovSeie bvvaxai /utxadtl- vai. *Eyt& fipt Kpdvov &vyurrjp npeoßvrdxrj. 'Eytb eljut ywrj xai dSelyij Oae/ptos ßaot- lios. *Byd> elui &sov Kvvös Aoxqcd inixi- Xovoa. lt% Eyd> st/ui 1} napd ywai£i &ede xalovfi&vr\. *E\/t]ol Botißaoxie nölts olxoBo- ttrj&r}. *Eyd> &%di(>ioa yijv 4.T* ovqavoü. % Eydt 1 Oder gegrüßet seist du, gegrüßet seist du, Aegypten, das du * Ich bin nicht ganz sicher, ob diese Zusammenziehung richtig ist. Nach dem stehenden anaphorischen iycb der folgen- den Zeilen erwartet man, daß auch der erste Satz so anfängt und Elan für sich steht: Elan (seil. Uyet)' % Eyd>. Anders die metrische Isis-Inschrift aus Andros Inscrip- tiones Graecae XII, V 1 Nr. 739, Zeitalter des Augustus, die mehrere Male 7<7Kd$ Abb. 13. Isis-Inschrift aus los, Schrift 2. oder 3. Jahrh. n. Chr., Inhalt vorchristlich; jetzt in der Kirche des heiligen Johannes des Theologen auf los. Mit Genehmigung der epigraphischen Kommission der Kgl. Preuß. Akademie der Wissenschaften. Isis-Inschrift aus los. Der ICH-Stil des Joh. -Evangeliums. 93 &or[Q]arr d$oi>e $fot£a. % Eyd> $liov xai oc- lajvijß nooflav cwirafa. *Ey*\ balao^oia tyya. "fya. *Eycb rd Slxcuov to%v(>dv inoi- rjacu *Eya> yivatxa xai dvdoa ovtifyaya. 'Eyeb ywaill dtxdprjror ßpiyo£ ivirala. *Byd> dnd rixvwv yovttt tpiXooroqytXod'ai ho- pofririjoa. *Eya) rote dordoyots yoretos, dia- M M£iftivoiß reift otoiav ini&rjxa. *Eyd> pera ra€ ddeXtpoÜ *Oocloeoe ras dv&po)7io dydlftaxa &e£h> rtiuäv idtda£a. *Eyd> lepivt] &sd&*> tlSpvoaprjv. *Ey [$\iaXixTove°EXXr} rd xaldv xai rd atoyßdv dtayetvdtoxeo&at [ün]d rrjs fd[a\t[a"\s dnol- [rja]a. 'Byd> dpxov a>d$or [inißaXo\v in[l . . ]p ddtxeas "r Ich ordnete der Sonne und des Mondes Gang 1 . Ich erfand **des Seemanns Ge- werbe*. Ich madite stark das Geredite*. Ich fährte Weib und Mann zusammen 1 . Ich gab den Weibern die Frucht bis zum zehnten Monat zu tragen 6 . Ich gab das Gebot daß die Eltern von den Kindern geliebt werden 6 . Ich legte den gegen die Eltern Lieb-*Hosen Strafe auf. 1 Ich mit mei- nem Bruder Osiris madite der Menschen- fresserei ein Ende*. Ich wies den Men- schen die Weihen. Ich lehrte die Bilder der Götter ehren. Ich weihte die Bezirke der Götter. Ich zerstörte die Herrschaft der Tyrannen 9 . Ich er- *>zwang, daß die Weiber von den Männern geliebt werden ,0 . Ich machte, daß das Gerechte stärker ist als Gold und Silber 11 . Ich gab das Ge- bot daß das Wahre als schön gelte. Ich erfand die ehelichen Verträge ". Ich ver- ordnete Hellenen und Barbaren ihre Mund- art I3 . M /c// madite, daß das Schöne und das Haß Hohe von der Natur unterschieden wird. Ich legteO) eines Eides LastO) . . . auf .... unrecht Man wird sich vielleicht wundern, daß ich zu diesem von Hause aus ägyptischen religiösen Texte statt der Parallelen aus anderen ägyptischen Texten 14 Septuagintaparallelen gegeben habe. Aber es hat dies einen guten Grund: ich wollte im Hinblick auf die Probleme unseres Kap. IV zeigen, wie verwandt das hellenisierte Ägyptische und das hellenisierte Alttestamentliche aussehen können. Wie leicht mußte es bei sachlicher Verwandtschaft erst sein, daß der so eigenartig einfache ICH-Stil vom hellenistischen Juden- und Christentum übernommen wurde 1 \ III. Ev Joh IO7- h: *Eya> slfti 1} &4pa rßv nooßartov' nur res da 01 IjX&ov xXinrai siaiv xai Xfjotai, dXX J ovx ijxavaar adrßv rd noößara. *Eya\ elpi 1 Vgl. LXX 1 Mose ha f. Hiob 9i fr. 38* f. * Vgl. Weish Salom 14s ir. 8 Vgl. LXX Ps 36137] 17. 39. 4 Vgl. LXX 1 Mose 1" 2". * Vgl. Weish Salom 7i.*. * Vgl. LXX 2 Mose 20it 5 Mose 5i" etc. 7 Vgl. 2 Mose 2h". 16 etc. 8 Vgl. Weish Salom 12 3 - 8 . 9 Vgl.LXXPsl34[135]io.n 135[136]i7-w. 10 Vgl. LXX 1 Mose 2" Mal 2it. ie. 11 Vgl. LXX Ps 36 [37]io 118 [119]i"7. Ich bin die Türe der Schafe. Alle, die gekommen sind, sind Diebe und Räuber, aber nicht gehört haben auf sie die Schafe. 11 Vgl. LXX Mal 2u (Tob 7u). 13 Vgl. LXX 1 Mose Ib.". 14 Solche wären leicht festzustellen. Vgl. z. B. O. Gruppe Griechische Mythologie und Religionsgeschichte II, München 1906S. 1563 ff. 16 In Ephesos, wohin die johanneischen Texte weisen, existierte übrigens vielleicht eine Isiskultstätte, vgl. die Inschrift Ancient Greek Inscriptions in the British Museum III Nr. 722. Mir erscheint die Lesung Eloeiov nicht gesichert 94 Ich-SüI eines magischen Papyrus. Hexametrische Versündigungen. jj &tipa' Si ifto€ iay ne cloiXfrfi, owdrfoerai, xai ein "Xeöa trat xai i£*XeÖ€&rai xai vofiijv BÜprjOei. 'O xUnTtje o$x ip%erat ei fti) Iva xUtfl] xal \Hoy xai dnoldafi. *Eytb IfX&ov Iva £ari)v fywoiv xai ntpiooöv Ixatotv. 'Eycb elpi 6 noi^rjv 6 xaXöe' 6 noi/u^v 6 xaXds rrjv rpv%ijv aürov rldyotv tinfy t&v npoßarmv. % [iio- &o>rds xai otix ßv noturjvj o$ otix Motiv rd npößaxa töia, &eo>pel rdv Xüxov ip%6ucvov xai atplrjoiv rd npößara xai yetiyet (xai 6 Xüxos dpna^et avrd xai oxopni&t)' Sri ju$- ad'ajTÖe ioxiv xai ob piXet aörqi fitpl rßv npoßdrarv, *Eyt& stpt 6 Tzotprjv 6 xaXöc. Ich bin die Türe. Wenn einer durch Mich eintritt, wird er gerettet werden und wird eingehen und ausgehen und Weide finden. Der Dieb kommt nur, um zu stehlen und hinzuschlachten und zu verderben. Ich bin gekommen, damit sie Leben haben und Oberfluß haben. Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte setzt seine Seele ein für die Schafe. Der Mietling, der nicht Hirte ist und dem die Sdiafe nicht zu eigen sind, sieht den Wolf kommen und verlaßt die Sdiafe und fluchtet, (und der Wolf raubt und verjagt sie,) denn er ist ein Mietling und es liegt ihm nichts an den Schafen. Ich bin der gute Hirte. IV. Auch in der Verzerrung durch den zauberischen Zweck zeigt ein Spruch des Londoner magischen Papyrus Nr. 46u5ff. 1 , der im vierten nach- christlichen Jahrhundert niedergeschrieben ist, die Züge des alten Stils; ähnliche Beispiele aus magischen Texten ließen sich unschwer beibringen 2 . Ich bin der Dämon ohne Haupt*, mit Augen an den Füßen, der Starke, das unsterbliche Feuer. Ich bin die Wahrheit, voll Absdieu gegen die Missetaten in der Welt. Ich bin es, der blitzt [Zauberworte] und der donnert. Ich bin der, dessen Schweiß als Regen auf die Erde fällt, um sie zu befruchten. Ich bin der, dessen Mund in Flammen steht ganz und gar. Ich bin es, der erzeugt und wiedererzeugt. Ich bin die Gnade des Weltalters. Die ganze Einfachheit dieses feierlich monotonen Stils wird noch deutlicher, wenn wir metrische Paraphrasen daneben halten; sowohl bei der Isisinschrift wie bei den johanneischen Texten sind wir dazu in der Lage. Eine Inschrift von der Insel Andros aus dem Zeitalter des Augustus 4 ist ein hexametrischer Isishymnos, dem offenbar die alten, durch die In- schriften von Nysa und los erhaltenen Formeln zugrunde liegen. Und für das Johannesevangelium haben wir die geschraubten Hexartieter des Nonnos. Gegenüber den Vorlagen hören sich diese Verse an wie des elpi 6 dxitpaXos datuotv, 4v rote nooiv M%t"v rrjv öpaotv, io%vpöe t rd n€p rd dfrdvarov. *Eyt& etjn "} dXrj&eta 6 ueioßv dStx^ftara yeivea&ai iv rat xdopq>, 'By<& elpi 6 doTQ&moiv [hier sind Zauberworte einge- schaltet] xai ßpovr&v. y Eytb etfit oti ionv 6 idpcbe d/ußpoe inmelnraiv ini rijv yrjv Xva dxrifl. *EyA elui oti rd ardua xalerai 8i öXov. *Ey<& tlui 6 yew&v xai dnoyew&v. 'Eyt& eiut i} %d#is xoü al&voe. 1 Greek Papyri in the British Museum ed. F. G. Kenyon (vol. I) S. 69f. * Es gehört zur Technik des antiken Zauberwesens, daß der Zaubernde sich mit starken und furchtbaren Gottheiten identi- fiziert, um dadurch den zu bezwingenden Dä- monen zu imponieren, vgl. Bibelstudien S.271. 3 Vgl. hierzu Franz Boll Sphaera Neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder, Leipzig 1903, S.22H. 433. 438. 4 Epigrammata Graeca ed. G. Kaibel Nr. 1028 und zuletzt Inscriptiones Graecae XII, V 1 Nr. 739. Nonnos und Lobwasser. Das Wesen des Neuen Testaments. 95 Professors und Hofgerichtsassessors Lobwasser gereimte Nachdichtung der Psalmen: Zu Gott wir unser Zuflucht haben, Wann uns schon Unglück thut antraben - so beginnt der Gute den Psalm, aus dessen Granitblöcken Luther die Feste Burg gebaut hatte. Größeren Wert haben die hexametrischen Ver- lobwässerungen der alten volkstümlich wuchtigen IcH-Zeilen durch den Dichter des Hymnos von Andros und durch Nonnos auch nicht. 4. Der Gräzist mag das Neue Testament von welcher Seite auch immer betrachten, - das durch die gleichzeitigen Texte der Umwelt ermöglichte sprachhistorische Urteil wird stets lauten: in ihrer überwiegenden Masse sind die Blätter unseres heiligen Buches Dokumente des Volksgriechisch in seinen verschiedenen Höhenlagen; das Neue Testament ist, als Ganzes be- trachtet, ein Volksbuch. Darum meinen wir: als Luther das Neue Testa- ment den Doktoren abnahm und dem Volke schenkte, gab er dem Volke sein Eigentum zurück. Und wenn wir heute in einer Dachstube bei den Fuchsien und Geranien des Blumenfensters ein Mütterchen über das auf- geschlagene Neue Testament gebeugt sehen, so hat das alte Buch eine Stätte gefunden, an die es seiner Natur nach gehört. Oder wenn ein Krankenpfleger vom Roten Kreuz im Tornister eines verwundeten Japaners ein japanisches Neues Testament fand, so ist auch dieser Platz dem alten Buch nicht unwillkommen gewesen. Und wir meinen weiter: das große Volksbuch kann eigentlich nicht in Prachtausgaben mit kostbaren Kupfern und teuerem Einband aufgelegt werden. Die ägyptischen Evangelien- scherben * und das Vaterunser von Megara 2 , die Biblia Pauperum und die Stuttgarter Groschenbibel 3 entsprechen äußerlich dem Wesen des Neuen Testaments mehr, als die geplante Doppelkronenbibel 4 und jene anderen Luxusbände, die von reichen Paten zur Konfirmation verschenkt werden. Je schmuckloser der Einband, je schlichter die Type, je derber das Papier und je dürerischer oder rembrandtischer die Bilder, um so echter die Gewandung des großen Volksbuches. Aus dem Volksbuch haben die Jahrhunderte das Buch der Mensch- heit gemacht. Das Neue Testament ist heute das am häufigsten und in den meisten Sprachen gedruckte Buch der Welt. Volksbuch und Mensch- heitsbuch : die sprachhistorische Betrachtung stellt beides in einen kausalen Zusammenhang. Bloß weil das Neue Testament, menschlich geredet, 1 Vgl. oben S. 30-33. 8 Vgl. oben S. 29f. 3 Vgl. den Aufsatz "Die Groschenbibel" Die Hilfe 1898 Nr. 16. 4 Vgl. die treffende Kritik dieses Planes von Johannes Ficker Monatsschrift für Got- tesdienst und kirchliche Kunst 12 (1907) S. 179ff. 96 Das Buch des Volkes und das Buch der Völker. hervorgegangen ist nicht aus der matten, resignierten Kultur einer abge- lebten Oberschicht, der das klassische Zeitalter, nicht wieder erreichbar, in der Vergangenheit lag, sondern aus der unverbrauchten und durch die Gegenwart des Göttlichen gestählten Kraft von unten (Matth lhst 1 Kor I26 - 31), bloß deshalb konnte es das Buch der Menschheit werden. So fällt von den schlichten Texten auf Stein, Papyrus und Ton, die uns mit dem Sprachcharakter des heiligen Buches ein gut Teil seiner eigensten Eigenart erschließen helfen, ein Lichtstrahl auch auf seine welt- historischen Schicksale: Buch der Völker wurde das Neue Testament, weil es Buch des Volkes war. III. Die Bedeutung der neuentdeckten Texte für das literargeschichtliche Verständnis des Neuen Testaments. 1. Zu einer ähnlichen Beurteilung des Neuen Testaments gelangen wir auch vom literarhistorischen Standpunkte aus. Wieder sind es die Schriftdenkmäler der Umwelt, die uns den rechten Maßstab zur literarischen Beurteilung in die Hand geben. Mit diesem Satze scheinen wir uns freilich von vornherein in keiner günstigen Lage zu befinden. Wir haben wiederholt scharf betont, daß jene Schriftdenkmäler zum guten Teil unliterarisch sind, und nun sollen unliterarische Texte ein Licht werfen auf literarische Verhältnisse? Das scheint ein Widerspruch in sich selbst zu sein, und ich gebe zu, es mag beim ersten Hören wohl befremdend klingen, wenn ich sage, daß ich aus armseligen Papyrusfetzen oder Tonscherben mit Brieffragmenten unbe- kannter Ägypter das Wesen der Paulusbriefe, ja letztlich den literarischen Werdegang des Urchristentums begriffen habe. Aber ich bitte doch um freundliches Gehör 1 . Wenn wir vom literarischen Werdegang des Urchristentums sprechen, so begeben wir uns allerdings auf ein Forschungsgebiet, das von noch nicht allzuvielen in seiner Bedeutung erkannt ist. So groß die Bibliothek von Werken ist, die über die Entstehung des Neuen Testaments und seiner einzelnen Teile handeln, unter wirklich literarhistorischen Gesichts- punkten und zwar unter antik literarhistorischen Gesichtspunkten ist unser heiliges Buch noch nicht oft betrachtet worden. Ja das ganze Problem einer scharf literarhistorischen Betrachtung des Urchristentums ist von den wenigsten Forschern empfunden worden. Eine rühmliche Ausnahme sei genannt: Franz Overbeck mit seiner bedeutenden Abhandlung "Über die 1 Zum folgenden vgl. die Abhandlung "Prolegomena zu den biblischen Briefen und Episteln" in den Bibelstudien, 1895, S. 187 -252 und den Artikel "Epistolary Literaturen Encyclopaedia Biblica II, London 1901, Sp. 1323 ff., auch die Skizze in den Beitragen zur Weiterentwicklung der christlichen Re- ligion, München 1905, S. 119ff. Einzelnes ist daraus hier benutzt. - K. Dziatzko Ar- tikel "Brief" in Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Neue Bearbeitung herausgegeben von G. Wissowa, III, Stuttgart 1899, Sp. 836 ff. vertritt in den Hauptfragen denselben Standpunkt. Deissmann Licht vom Osten. 7 98 Der literar. Werdegang des Urchristentums. Das Literarische u. das Unliterarische. Anfänge der patristischen Literatur" *. In der Regel wird das ganze Problem überhaupt nicht aufgerollt, weil man an das Neue Testament mit dem Vorurteil herantritt, daß die in diesem Buche gesammelten und dadurch erhaltenen Texte des Urchristentums samt und sonders "Bücher", Literaturwerke seien. Aber dieses Vorurteil ist aufzugeben. Wer das Neue Testament ohne weiteres als eine Sammlung von kleinen Literaturwerken ansieht und dem entsprechend in der Forschung behandelt, begeht den Fehler des Kunsthistorikers, welcher eine Sammlung von Raritäten, in der natürliche Versteinerungen neben antiken Skulpturen liegen, samt und sonders als eine Sammlung von Kunstwerken behandeln wollte. Nicht daß das Neue Testament in allen seinen Bestandteilen Literatur ist, darf vorausgesetzt, sondern ob das Neue Testament in allen seinen Teilen von Hause aus Literatur ist, muß gefragt werden. Und diese Frage deckt sich mit den etwas anders formulierten Fragen: Ist das Urchristentum von Hause aus literarisch gewesen? Seit wann ist das Urchristentum literarisch geworden? Welches sind die einzelnen Stadien seiner literarischen Entwicklung? 2. Zur Beantwortung dieser Fragen, von denen ich glaube, daß sie nicht bloß akademisches Interesse haben, sondern der intimsten Erkenntnis vom Wesen des Urchristentums dienen, bedürfen wir einer Verständigung über den Begriff "Literatur" und über die verschiedenen Ausdrucksformen der Literatur. Und hier leisten uns denn tatsächlich die Inschriften, Papyri und Ostraka einen unschätzbaren Dienst: einmal als unliterarische Texte, indem sie uns lehren, daß nicht alles Geschriebene und schriftlich Oberlieferte ohne weiteres als Literatur anzusehen ist, und sodann als volkstümliche Texte, indem sie uns lehren, innerhalb des Literarischen zu scheiden zwischen dem volkstümlich Literarischen und dem kunstmäßig Literarischen. Was ist Literatur? Literatur ist das für die Öffentlichkeit (oder für eine Öffentlichkeit) und in einer bestimmten Kunstform abgefaßte Schrifttum. Wer jedoch einen Mietsvertrag schreibt oder eine Quittung oder eine Eingabe an eine Behörde oder einen Brief, der beteiligt sich dadurch nicht an der Literatur. Alle diese Texte, Mietsvertrag, Quittung, Eingabe, Brief und tausend andere, sind unliterarische Blätter, geschaffen nicht von der Kunst, sondern vom Leben, bestimmt nicht für die Öffentlichkeit und die Nachwelt, sondern für den Augenblick und den Alltag. Das gerade ist der Reiz, den die Tausende von unliterarischen Texten auf Stein, Papyrus und Ton für uns haben, daß sie zum guten Teil Dokumente des Lebens, 1 Historische Zeitschrift 48, Neue Folge 12 (1882) S. 429 ff. Namentlich Gustav Krüger hat wiederholt zu dem Problem Stellung genommen. Viel zu erwarten ist von Paul Wendlands Arbeit "Die urchrist- lichen Litteraturformen" in Lietzmanns Hand- buch zum Neuen Testament Dokumente des Lebens und der Arbeit Die antiken Briefe. 99 nicht Erzeugnisse der Kunst sind, Dokumente der Arbeit, der Freude, der Trauer, nicht für uns bestimmt und doch uns in die Hand gelegt durch ein freundliches Geschick, das uns Spätergeborene in den rein mensch- lichen Kontakt mit der Vorzeit bringen wollte. Vor allem eine Gruppe solcher Dokumente menschlichen Lebens und Arbeitens ist uns durch die neuen Funde in überraschender Fülle und in köstlichster Frische wieder zugänglich gemacht worden: unliterarische antike Briefe, private, persönlich intime Blätter, nicht in späten Abschriften, sondern im Original, auf Blei, Papyrus, Ton. Was noch die siebziger und achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts nicht gekonnt hätten, das ist heute möglich : wir können wirklich eine Geschichte des antiken Briefes schreiben; sie würde sich über mehrere Jahrtausende erstrecken, wenn sie ganz umfassend gedacht wäre, über mehr als ein Jahrtausend, wenn sie sich bloß auf den antiken Brief in griechischer und lateinischer Sprache beziehen sollte. Angesichts dieser Hunderte von antiken Originalbriefen an "Literatur" zu denken oder von "Briefliteratur" zu reden, wäre ganz verkehrt 1 (oder nur möglich, wenn man das Wort "Literatur" im abgeblaßten Sinne vom nichtliterarischen Schrifttum mitgebrauchen würde). Die Brieiliteratur des Altertums ist etwas völlig anderes. Sie wird durch den Literaturbrief, den Kunstbrief, die Epistel 2 , von der wir später zu reden haben, konstituiert. Jeden Gedanken an Literatur, an bewußte Kunstprosa haben wir dagegen zu verbannen, wenn wir die auf uns gekommenen Briefe durchblättern: was unliterarisch ist und was präliterarisch ist, das ist es, was wir an diesen Texten lernen können. Und gerade dieses gilt es zu lernen, wenn man das Neue Testament historisch verstehen will. 3. Greifen wir daher aus der Fülle einige charakteristische Stücke heraus, aus dem Jahrtausend von Alexander dem Großen bis Mohammed, vom ältesten erhaltenen griechischen Briefe bis zu den Briefen altchrist- licher Ägypter der vorislamischen Zeit. Die kleine Sammlung 3 wird uns das Wesen des Briefes und seine 1 Mit vollem Recht kämpft R. Reitzen- STEIN Hellenistische Wundererzählungen, Leipzig 1906 S. 98 f. gegen die modernen un- klaren Bezeichnungen auf dem Gebiet der literarischen Gattungen. 2 Diesen technischen Ausdruck gebrau- che ich zur Unterscheidung des Kunstbriefes vom wirklichen Brief. 8 Vgl. auch die Sammlung von Briefen Bibelstudien S. 208 ff. (eine andere Auswahl Bible Studies S.21ff.); ferner Paul Viereck Aus der hinterlassenen Privatkorrespondenz der alten Ägypter, Vossische Zeitung 3. Ja- nuar 1895, Erste Beilage; Erman und Krebs Aus den Papyrus der Königlichen Museen S. 209ff. (auch 90ff. und sonst); R. Caqnat Indiscreüons archeologiques sur les Iigyptiens de l'epoque romaine, Comptes rendus der Acadlmie des Inscriptions et Belles-Lettres 1901, S. 784 ff. ; LfioN Lafoscade De epistulis (aliisque titulis) imperatorum magistratuum- que Romanorum quas ab aetate Augusti usque ad Constantinum Graece scriptas lapides pa- pyrive servaverunt, Thesis Paris. 1902; Fried- rich Preisioke Familienbriefe aus alter Zeit, Preußische Jahrbücher 108 (April bis Juni 7* 100 Eine Sammlung antiker Briefe. Brief Nr. 1 : der älteste griechische Brief. antiken Formen trefflich verdeutlichen; die Abbildungen geben einen Be- griff von der unwiederholbaren Eigenart jedes einzelnen Originals. Wir würden ein falsches Bild geben, wenn wir bloß die Kabinettstücke aus- gewählt hätten ; wir bringen deshalb absichtlich auch einige triviale Durch- schnittsbriefe. Die Sammlung hat übrigens noch einen Nebenzweck, der im vierten Kapitel deutlich werden wird : sie soll uns Typen antiker Seelen vergegen- wärtigen. 1. Brief des Atheners Mnesiergos an seine Hausgenossen, 4. Jahrhundert vor Christus, Bleitäfelchen aus Chaldari bei Athen, jetzt im Berliner Museum, entdeckt von R. Wünsch, entziffert von ihm und A. Wilhelm (Abbildungen 14 und 15). Dieser Brief ist der älteste bis jetzt bekannt gewordene griechische Brief und besonders für die Geschichte der Briefform von der größten Bedeutung. Wir verdanken das kostbare Stück der Sorgfalt von Richard Wünsch 1 ; seine endgültige Entzifferung und Erklärung ist ein Meister- stück von Adolf Wilhelm 2 ; das in der Größe des Originals hergestellte Faksimile darf ich mit Genehmigung des K. K. österreichischen Archäolo- gischen Instituts hier wiedergeben. Ursprüng- lich war das Täfelchen zusammengebogen und vielleicht durch Faden und Siegel verschlossen. Die Außenseite des Täfelchens trägt die Adresse (Abbildung 14), die auf das Blei nach seiner Zusammenbiegung geschrieben ist: Abb. 14. Abb. 15. Der älteste griechische Brief, Adresse (Abb. 14) und Text (Abb. 15); Mnesiergos von Athen an seine Hausgenossen, Bleitafel des 4. Jahrh. v. Chr. ; jetzt im Berliner Museum. Mit Genehmigung des K. K. österr. Archäol. Instituts. 1902) S. 88 ff.; E. Breccia Spigolature papi- racee, Atene e Roma 5 (1902) Sp. 575 ff. und ganz besonders Epistulae privatae Graecae quae in papyris aetatis Lagidarum servantur ed. Stanislaus Witkowski, Lipsiae 1907. 1 Inscriptiones Graecae III pars III Appen- dix inscriptionum Atticarum: defixionum ta- bellae in Attica regione repertae, 1897, S. II f. 1 Jahreshefte des österreichischen Ar- chäologischen Institutes in Wien7(1904)S.94ff. Brief Nr. I: Bleibrief des frierenden Atheners Mnesiergos. - Brief Nr. 2. 101 0iQtv x is rdr xioap- or rdy %vrQtx6v' AnoSovai 1 Sä Navotat $ QfaovxXiji 1) &* vl&i. Zu bringen nach dem Topf- markte*; zu übergeben dem Nausias oder dem Thrasykles oder dem Sohne. Im Inneren, mit anderer Zeilenanordnung, steht das Präskript 3 und der eigentliche Brieftext (Abbildung 15). Danach ist Mnesiergos auf dem Lande und wohl von plötzlichem Frostwetter überrascht worden: Afvtiafcpyos iniorele roZS olxoi %atpev xai tiyiaJrev 4 xal aörde ovrtoe i&äfas d>6 eÖTsX*OTd(Ta)e xal fiij otövftoräs xai xaröpara: iv%dr* AnoSdaa?, Mnesiergos bestellt seinen Hausgenossen Grüße und Wunsche für ihr Wohl und teilt mit, daß es ihm selbst gut [geht]. Wenn 6 Ihr vielleicht eine Decke schicken wolltet oder Schaf- oder Ziegen- felle, ganz gewöhnliche (nicht pelzbesetzte), und starke Sohlen: gelegentlich werde ich sie zurückgeben. Welterschütternd ist der Inhalt dieses ältesten Briefes nicht, zweifel- los; aber wer ihn trivial findet, muß auch die Bitte des Apostels Paulus um den bei Karpos in Troas zurückgelassenen Mantel 2 Tim 4is trivial finden. Brief des wohlhabenden Ägypters Demophon an den Polizeibeamten Ptole- maios, ca. 245 vor Christus, Papyrus aus einer Mumienhülle der Nekropole von El-Hibeh, jetzt im Besitz des Egypt Exploration Fund, entdeckt und publiziert von Grenfell und Hunt 7 (Abbildung 16). 1 Zum absoluten Infinitiv vgl. oben S. 49. * Von Athen. 3 In den Kommentaren zu den Paulus- briefen wird das den Briefkörper eröffnende Präskript meistens Adresse genannt. Das ist aber nicht richtig: die Adresse stand, wie schon dieser älteste Brief zeigt, auf der Außenseite oder auf der Umhüllung des zusammen- gefalteten Briefes und war bei Paulus zweifel- los viel kürzer als das Präskript. Sie ist bei keinem einzigen Paulusbrief erhalten. - Zu der altertümlichen Präskriptform unseres Brie- fes (und überhaupt zu den Präskripten) vgl. Gustav Adolf Gerhard Untersuchungen zur Geschichte des griechischen Briefes. Erstes Heft Die Anfangsformel, Diss. Heidel- berg, Tübingen 1903, S. 32. 4 Beide Verba auch in den Präskripten 2Makklio9i9. 8 Der Satz mit et ist wohl nicht, wie Wilhelm annimmt, Nebensatz zu dem tv%6v dnoScboot am Schluß, sondern eine durch Aposiopese zum selbständigen Satz gewor- dene Bitte, ebenso volkstümlich frisch wie die gut überlieferte Bitte Luk 22u ndreq ei ßotiiet noQtviyxat roüro r6 tzottjqiov An* ifioü Vater, wenn du diesen Kelch an mir vorübergehen lassen wolltest! 9 Das auch sonst belegte volkstümlich knappe rv%&v steht noch 1 Kor 16a in der Bedeutung womöglich. 7 The Hibeh Papyri Nr. 54. - Die Photo- graphie für das mit gütiger Erlaubnis des Egypt Exploration Fund in geringer Ver- kleinerung hergestellte Faksimile (Abb. 16) verdanke ich der Freundlichkeit Gren- FELLS. 102 Brief Nr. 2: Papyrusbrief des Ägypters Demophon. 10 15 20 25 30 Abb. 16. Brief des wohlhabenden Ägypters Demophon an den Polizeibeamten Ptolemaios, ca. 245 v. Chr., Papyrus aus Hibeh ; jetzt im Besitz des Egypt Exploration Fund und mit seiner Genehmigung faksimiliert. Brief Nr. 2: Das Familienfest Opfer, Musik, Schmaus. Der entlaufene Sklave. 103 jJrjftoipSr UroXe- palan 1 %al$etv . &nd[ö}- tmiXov Ijftlv ix nar- rte rpönov rdr crtJ- 5 lrjTT}r IleT&w M%ovr\a\ rotfff ts 0pvyiove aid- X[o]i>6 xal rode Xomote . x[al] idv r" Shj$ AvTjX&aai 8öe . nafä 8k Jjf*[&]v HOfti- 10 *V . dbiöaredor 8k $[/*]**>' xal Zrjvößiov rdr Mala- x&r* ixorra xtipnarov nal xäßtßaXa* xal xföraXa . %$ei- a yd# der* Tals ywat£lv npds 15 Ttjr ftvoiar. 4%iTto 8k xal luaTtaudv <&* da- reiÖTaTov. xdfiioat 8k nal rdr ipupov* naqä Wf"a- Tia*vo£ xal niptpov Jjptv. 20 xal tö oßpa* 8s 1 et awst- Xtjyas naf&BoQ Radn)]] • 2t tupfte! änmt oötö 8t- axoftiorji J)ftlv. anöc- Teilov 8k rjftfr xal rv- 25 poi>e Soovt Ar Sövrjt nal xipapov xa[t\vdv xal JA- %ava n\avT\o8anä xal iäv Ihpov n ixifc-] 30 lußaloO 8k aöia xal iov Mal intyivriifta) 5 0$ ipio&mod aot xkfpov sie rdv otiöqov roü x* L Hoti&iv 00t drxalß. *Eyoayev $nko K odfroO) Eüpr&loft) 'Bopa ( ) d£ia>&£le StA rd ßoadti- 10 reoa 5 tutrdv yfd(ys*v). L hs Qa/uevcbfr ß. 1 Vgl. die Beispiele oben S. 70 und 75. * Vgl. oben S. 74 ff. s Formelhaft wie im Gleichnis vom ver- lorenen Sohn Luk 15i2, vgl. Neue Bibelstu- dien S. 57. 4 Dieses für der Stellvertretung kommt in vielen ähnlichen Texten vor, nicht un- wichtig für die Beurteilung des neutestam ent- lichen tinip. * Das wird Euphemismus sein, lehrt aber die Praxis des Handwerkermissionars Paulus verstehen, der seine Briefe meistens dik- tierte, wohl deshalb, weil seiner Handwerker- hand das Schreiben nicht besonders bequem war. Mit seiner großen Handschrift Gal 611, Ober die er selbst scherzt (Bibelstudien S.264i, fügt er dann einen eigenhändigen Schluß hinzu. Nach antiker Praxis ist dieser eigen- händige Schluß zugleich das Zeichen der Echtheit, vgl. C. G. Bruns Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden, Philolo- gische und Historische Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin aus dem Jahre 1876, S. 41-138, besonders S.69f., 81,83, 90, 121, 137. Wilcken hat mich auf diese wichtige Arbeit aufmerk- sam gemacht. Dziatzko weist in seinem oben S. 97 zitierten Artikel auf die Regel des C. Julius Victor (Rhet. lat. min. p. 448 Halm): observabant veteres carissimis sua manu scribere vel plurimum subscribere die Alten pflegten die Briefe an ihre Intim- sten eigenhändig zu schreiben oder doch [AJsklepiades Charmagons Sohn an Portis Permamis' Sohn, Gruß! Ich habe von Dir empfangen * den mir zu- kommen- den* Pachtzins und Ernteüberschuß des von mir an Didi verpaditeten Grund- stückes für die Saat des Jahres 25 und mache sonst keine Ansprüche gegen Dich geltend. Es schrieb für A ihn Eumelos Herma . . . / Sohn, darum ersucht, weil jenem das Schreiben etwas langsam * von der Hand geht Im Jahre 25, Phamenoth 2. meist zu unterschreiben. Dringend not- wendig wäre eine Untersuchung der eigen- händigen Unterschrift in den massenhaften Papyrusbriefen. Man würde dann die über- aus wichtige Stelle 2 Thess 3it, die bei einigen merkwürdigerweise als Symptom der Unechtheit gilt, richtiger würdigen : der Gruß mit meiner, des Paulus, eigener Hand, was das Zeichen ist in jedem Briefe; so schreibe iah. Das Zeichen (die eigenhän- dige Schrift der letzten Zeilen) hat dieselbe Bedeutung, wie das Symbolon, das sonst wohl gelegentlich dem Briefbesteller zur Be- glaubigung mitgegeben wurde, vgl. den auf dem Papyrus Passalacqua erhaltenen vor- christlichen Brief des Timoxenos an Moschion (Bibelstudien S. 212f. und WiTKOWSKl Epi- stulae privatae Nr. 25) und dazu Letronne Notices et Extraits 18, 2 S. 407 f. In dem Piaton -Brief Nr. 13 (Epistolographi Graeci rec. Rudolphus Hercher, Parisiis 1873, S. 528) hat tvftßolov sogar dieselbe Bedeu- tung, wie orjueiov bei Paulus: ein in dem Briefe selbst vorhandenes Merkmal der Echt- heit. - Paulus hat nach dem zitierten Selbst- zeugnisse natürlich allen seinen Briefen einen eigenhändigen Schluß gegeben, auch wo er es nicht ausdrücklich sagt; die Empfänger sahen es sofort am Unterschiede der Hand- schrift. Vgl. die Bemerkung unten S. 110 Brief Nr. 5. Beim zweiten Korintherbriefe beginnt der eigenhändige Schluß mit 10i. 106 Brief Nr. 4: Der Lohnarbeiter Hilarlon an sein Weib Alis. 15 4. Brief des Ägyptischen Lohnarbeiters Hilarlon an sein Weib Alis, Alexandria 17. Juni 1 vor Christus, Papyrus aus Oxyrhynchos, jetzt im Besitz des Egypt Exploration Fund, entdeckt und publiziert von Grenfell und Hunt f (Abbildung 18). Der Schreiber schreibt sehr vulgär, obwohl er sich am Anfang be- müht, z. B. das Jota adscriptum 2 zu setzen. 'llaqtwv **"AUti rtfi ä8eX9 Mn xai v€v iv jile£av- fyia *Ofitiv. fiij dycavt&e, iäv SXatß "/ff- 5 noQeüovrai* iycb iv l4Xe£av8(>ia pivto. IgatTä 1 as xai nafaxalß ob intpeXrj- &(f]r)i r& naiBico xai iäv e$&i>e dipt&vt- ov Xdßwpev 9 dnoateXcS ob 9 ävo>. iäv noXXd noXXßv 10 rixys, iäv Ijv dpae- 10 vov dysg, iäv Ijv &rjXsa gxßaXs 11 . sfyjxas " 8k UfQodioidrt Sri p$ tte iTtiidd'qQ. n die 8$vauai os int- Xa&elv; ictard) 1 ae o$v Xva /urj dya*- vtdaqs. xd" KaioaQoe IlaQvt, xy. Auf der Rückseite die Adresse: ^IXa^latv "Alm dnöSoe. Hilarion an Alis. Gib ab. 1 The Oxyrhynchus Papyri (IV) Nr. 744. - Die Photographie für das mit freundlicher Erlaubnis des Egypt Exploration Fund in geringer Verkleinerung hergestellte Faksi- mile (Abb. 18) hat mir Grenfell gütigst besorgt. - Weitere Ausgaben des Briefes bei Lietzmann Griechische Papyri S. 8f. und Witkowski Epistulae privatae S. 97 f. 2 Witkowski setzt es überall, wo Gren- fell und Hunt das von Hilarion nicht ge- setzte subscriptum eingefügt haben. Ich gebe den Text unverändert, um den vulgären Charakter nicht abzuschwächen. 3 Das a ist Versehen des Schreibers. * Alls ist die Ehefrau des Hilarion. Schwester könnte zärtliche Anrede sein, ist aber wohl im buchstäblichen Sinne gemeint: Geschwisterehen waren in Ägypten nicht un- gewöhnlich. * Briefliche Höflichkeitsanrede wie im 2. Johannesbrief i und 5. * Wahrscheinlich sind die von Alexan- drien nach Oxyrhynchos zurückkehrenden Arbeitsgenossen des Hilarion gemeint. 1 iqondot bitte, in der griechischen Bibel gewöhnlich als Semitismus erklärt, ist in den Volkstexten häufig, Bibelstudien S. 45, Neue Bibelstudien S. 23. 8 Formelhaft wie im Neuen Testament, Neue Bibelstudien S. 94. 9 Dich steht falsch für Dir. 10 nolianollov ist bis jetzt nicht erklärt Witkowski glaubt darin einen Wunsch zu sehen quod bene vertat, also etwa viel, viel Glück! Andere Vermutungen bei Gren- fell und Hunt und Lietzmann, vgl. auch U. von Wilamowitz-Moellendorff Göttin- gische gelehrte Anzeigen 1904 S.662, A. Har- nack Theol. Lit.-Zeitung 29 <1904) Sp. 457. 11 Zum Aussetzen von Kindern in der alten Welt vergleicht Lietzmann Justinus, Apol. I 27 ff., der die Sitte scharf verurteilt. Siehe auch J. Geffcken Zwei griechische Apologeten, Leipzig und Berlin 1907 S. 283 und besonders Ludwig Mitteis Reichsrecht und Volksrecht in den östlichen Provinzen des römischen Kaiserreichs, Leipzig 1891, S.361. 18 Jedenfalls sollte Aphrodisias diesen Seufzer dem fernen Gatten ausrichten. Brief Nr. 4: Der Lohnarbeiter Hilarion an sein Weib Alis. 107 10 15 f*^ Abb. 18. Brief des ägyptischen Lohnarbeiters Hilarion an sein Weib Alis, Papyrus, geschrieben in Alexandria 17. Juni 1 v. Chr., jetzt im Besitz des Egypt Exploration Fund und mit seiner Erlaubnis faksimiliert. 108 Brief Nr. 4: Ein Nachtbild aus dem antiken Proletarierleben. - Brief Nr. 5. Die Situation des Briefes ist in der Hauptsache klar : Hilarion arbeitet gegen Lohn in der Hauptstadt Alexandria und will auch noch bleiben, obwohl seine Kameraden bereits im Begriffe sind heimzureisen. • Zu Hause in Oxyrhynchos ängstigt sich um ihn sein Weib Alis, die mit (ihrer Mutter?) Berus und (dem* einzigen Kinde?) Apollonarin zusammenlebt. Ihre Niederkunft steht bevor; düstere Gedanken steigen in ihr auf: Hila- rion hat mich vergessen, er schickt weder Brief noch Geld, und woher das Brot nehmen für die wachsende Familie? Einer nach Alexandria reisenden Freundin Aphrodisias vertraut sie ihren Kummer an, und durch sie erfährt Hilarion die Sorgen seines Weibes. Er sendet (durch die heim- kehrenden Kameraden oder durch Aphrodisias) den Brief; nur Worte, kein Geld (der Lohn ist angeblich noch nicht bezahlt), und trotz zärtlicher Zeilen für das Kind und trotz des sentimentalen Wie könnt ich Dein ver- gessen? ein roher Rat der Hauptinhalt: wenn es ein Mädchen ist, das Du zur Welt bringst, so setze es ausl Hat die Sitte den Vater abgestumpft? Hat die Not ihn gefühllos gemacht gegen sein eigenes Fleisch und Blut? Ist er, was sein Name sagt, ein Lustig, ein Taugenichts, dem alles einerlei ist, wenn er bloß in der großen Stadt sein Vergnügen findet? Oder tun wir ihm Unrecht, weil wir das rätselhafte pollapollon nicht verstehen ? Aber daß es sich um die Aussetzung eines zu erwartenden Kindes handelt, wird nicht wegzuerklären sein. Eine frappante Parallele fand ich bei Apuleius ! : ein Mann, der beim Antritt einer Reise seine Gattin in Hoffnung zurück- läßt, gebietet ihr, wenn sie ein Mädchen zur Welt bringe, es sofort zu töten. In jedem Falle also zeigt der Brief ein trübes Kulturbild aus dem Zeitalter der Geburt des großen Kinderfreundes, eine Szene, die in ihrer nackten Widerlichkeit die Schicksale einer Proletarierfamilie wieder- spiegelt, einen Kontrasthintergrund insbesondere für die Jesusworte vom Werte der Kinder: was uns selbstverständlich zu sein scheint (so sehr hat das Evangelium ethische Eroberungen gemacht), darauf warteten in den Tagen der armen Alis zahllose geängstete Mütter der unteren Schicht, denen es die Not ums tägliche Brot erschwerte mütterlich zu sein. Anderthalb Jahr- hunderte später rühmt die Epistel an Diognetos 5e, daß die Christen ihre Kinder nicht aussetzen. 5. Brief des ägyptischen ölbaumpflanzers Mystarion an den Oberpriester StotoCtis, 13. September 50 nach Christus, Papyrus aus dem Faijüm, jetzt im Reichspostmuseum zu Berlin, publiziert von Fritz Krebs * (Abbildungen 19 und 20). 1 Metamorphosen 10as Eyssenhardt. 2 Aegyptische Urkunden aus den Koe- niglichen Museen zu Berlin Griechische Ur- kunden Nr. 37 (mit Korrektur des Datums und der Lesung I S. 353), vgl. Bibelstudien S. 213 (wo die alte Lesung wiedergegeben ist). Die Photographien für die mit gütiger Erlaubnis des Reichspostmuseums herge- stellten Faksimilia (Abb. 19. 20) verdanke ich der freundlichen Vermittlung W. Schu- barts. Die Abbildungen verkleinern die Maße des Originals etwa um ein Viertel. Brief Nr. 5: Der ölbaumpflanzer Mystarion an den Oberpriester Stotottis. 109 Ss" ¦ 10 Abb. 19. Abb. 20. Brief des ägyptischen Ölbaumpflanzers Mystarion an den Oberpriester Stotoetis, Adresse (Abb. 19) und Text (Abb. 20), 13. September 50 n.Chr., Papyrus aus dem Faijum; jetzt im Reichspostmuseum zu Berlin und mit seiner Genehmigung faksimiliert. Mvaraplatv SrorörjTi T&t iStafi 1 nhlara %aipeiv. "Eneprpa ti/ueZr B)Aorov* rdv iudv %dptv 8i%iXa>v* £öXt"v eis rove 5 ilatßvds* mov. "Opa oüv u$ avxdv xardoxflS. olSas yäo n Se avroü ixdoTijs dioas %pij£a>i. (von anderer Hand:) iooeuao. L ia. Ttßeplov KlavSioi Kaioaoos HeßaoToü 10 repu[a]vsxo[€] AvTOXpdropo[e] urj(ri) Ee- ßa(ord)t) te Auf der Rückseite von der Utotötjti Icoc&rtj* sie rijv vyoov r[?]. 1 tötoe ganz im abgeblaßten biblischen Sinn sein (ohne Betonung des Eigentums- My starion an seinen 1 Stoto€- tis, viele Grüße! Ich sende Euch meinen Blastos 1 wegen gegabelter (?)* Hölzer für meine ölbaumgärten 4 . Sieh zu, daß Du ihn nicht aufhältst Denn Du weißt wie sehr ich ihn zu jeder Stunde nötig habe. (von anderer Hand:) Leb wohl. Im Jahre 11 des Tiberios Klaudios Kaisar Sebastos Germanikos des Selbstherrschers, im Monat Sebastos 15. ersten Hand die Adresse: An Stotoitis Oberpriester 1 auf der Inseid f?J. Verhältnisses), vgl. Bibelstudien S. 120f. ! * Präteritum des Briefstils. Zur ganzen HO Brief Nr. 5: Empfehlungsbrief. Eigenhändiger Briefschluß. Praxis des Paulus. Ich gebe den kleinen, aus der Zeit der paulinischen Mission stam- menden Text als Beispiel des von Paulus wiederholt genannten (2 Kor 3i 1 Kor I63) und angewandten (Rom 16) Empfehlungsbriefes; er ist es wenigstens im weiteren Sinne. Im engsten Sinne des Wortes ist Empfeh- lungsbrief der unter Nr. 12 abgedruckte lateinische Brief. Die Situation des Briefes ist überaus einfach, deshalb ist das Blatt aber doch von großem Wert für die Streitfrage, die sich an das Paulus- wort 2Thess3i7 anknüpft 1 . Man hat gesagt, Paulus habe ja gar nicht allen seinen Briefen eigenhändig den Gruß hinzugefügt, folglich könne das Wort, der eigenhändige Gruß sei das Zeichen in jedem Briefe, nicht echt sein. Der Vordersatz dieses Schlusses ist aber reine petitio principii. Man darf nicht sagen, Paulus habe nur die Briefe eigenhändig geschlossen, in denen er es ausdrücklich sagt 2 . Unser Mystarionbrief, dessen Grußzeile und sonstiger Schluß von anderer, d. h. des Mystarion eigener Hand ge- schrieben sind, ist ein nur wenige Jahre vor dem zweiten Briefe des Paulus an die Christen von Thessalonike geschriebenes Beispiel dafür, daß Jemand einen Brief eigenhändig schließt, ohne es ausdrücklich zu sagen 3 . Man darf nicht vergessen, daß man von einem Briefe ohne Kenntnis des Originals eigentlich keinen rechten Begriff erhält; die Buch- abschriften und vollends die Druckausgaben haben den Paulusbriefen mehr genommen, als man gewöhnlich ahnt 4 , und sie haben andererseits Probleme zu erörtern erleichtert, die als reine Wahngebilde in müden Studierstuben- köpfen entstanden sind. Was es mit der Urhandschrift eines Briefes auf sich hat, dafür hat der Soldat Apion, den wir in den Briefen Nr. 9 und 10 kennen lernen werden, das natürliche Gefühl des naiv gebliebenen Menschen: der bloße Anblick der väterlichen Handschrift macht ihn weich und pietätsvoll. Ähnlich so löst der Unterschied der Handschriften ja auch bei dem Apostel Paulus eine Stimmung aus, halb scherzhaft, halb ernsthaft 5 . Zeile vgl. das paulinische htcuya i>utv TV Archiv für Papyrusforschung 2 S. 122 und uö&eav ich sende Euch den Timotheos 1 Kor4i7 und ähnliche andere Stellen. 3 Doch wohl gleich Bt%^hov und mit Bedeutungsverblassung allgemein gespalten, gegabelt. A Das neutestamentliche , von Blass seltsam beseitigte Wort, vgl. Neue Bibel- studien S. 36 ff. Zur Obersetzung des sie durch für vgl. Bibelstudien S. 113ft, Neue Bibel- studien S. 23; der auch in LXX und N. T. vorkommende Gebrauch ist kein Semitismus, sondern hellenistisches Volksgriechisch. 5 Lesonis ist ein neu bekannt gewor- dener ägyptischer Priestertitel, vgl. Wilcken besonders W. Spiegelberq Der Titel Uo&v* y Recueil de travaux rel. ä la philol. £gypt. et assyr. 1902 S. 187 ff. 1 Vgl. oben S. 105. 2 2 Thess 3n 1 Kor 16" Gal 611 Kol 4is. 3 Ein hübsches Beispiel aus dem 2. Jahrh. n. Chr. ist wohl auch der Brief Berliner Grie- chische Urkunden Nr. 815, vgl. dazu Gregor Zereteli Archiv für Papyrusforschung 1 S- 336 ff. und das dazu gegebene Faksimile. 4 Höchstwahrscheinlich z. B. auch das jeweilige Datum und die Adresse. 5 Vgl. Gal 611 ff. und dazu Bibelstudien S.264. Brief Nr. 6: Eingabe des Harmlysis. Kontrast der Handschriften. 111 Brief des ägyptischen Kleinbauers Harmlysis an den Beamten Papiskos und Genossen, 24. Juli 66 nach Christus, Papyrus aus Oxyrhynchos, jetzt in der Cambridge University Library, entdeckt und publiziert von Grenfell und Hunt 1 (Abbildung 21). Ein hübsches Beispiel einer Eingabe in Briefform an eine Behörde; der Name des Adressaten ist höflich an den Anfang gesetzt, wie öfter in amtlicher Korrespondenz 2 . Uanloxmi xoouT}re4o[a{vTi)] rijs ndletos xal orpa(Tqyßi) *OEifyvyx[lTov)] xal nxoXauo\i(oi) ßaoilixd>[t ypafjtparet)] - xal rott ypdpovoi rdv vo[/tdv] napd % A$firiotoe roß J7f[ro-] otyioe ro€ Ueroo/pioe //[17-] rpde jJiStytje rrje 4$oyi[rovß] x&v And xdtfirje 0d , e&j^ioe) rrje npde dnrji*toTrp> ro[n(ap%las).] *0 Anty^aipAnip r&t 4r[eo~) rßrt iß L Ni^o?ro[e) KiavSlov Ka/oapoe ZeßaOToQ repuavtxoti Atiroxpdropoe nspl rJjv 15 adrijv v i%a> &^eftuArw\v\ dpvae Sixa &4o . xal vH[y] dnoyqdtpouai roi>s i7t[iye-) yovöras eis rffv tveor[&oav] 20 Sevripav dnoyfaarfv A[nd] yorrje x&v avr&v &pep[/id] rtov A$va£ inrd, yirov[rat] dpvrt inrd. xal duv[i)a>] Nipatva KlatfSwv KeUaa^[d\ 25 Seßaoxdv rcQftaviK&v Atiroxpdropa ptj 4neacd[JL&(ai).] fyeato&e) ] 9 Anoll<6vu>e d n(a$d) IIan\lcxov\ oxpaxijyoC oeOTjipelcopai) &pv{ae) f. 30 L iß Niqmvoe xoü *v(*(*)o[v] *Enei

JHrrWMAY^dN6p€A -TWlsf/.f (^Af CJTUr | N -(tm) Nr s? H * w s* , ' K Abb. 21. Brief des ägyptischen Kleinbauers Harmiysis an den Beamten Papiskos und Genossen, 24. Juli 66 n. Chr., Zeile 1-31 ; Papyrus aus Öxyrhynchos, jetzt in der Cambridge University Library. Mit Genehmigung des Egypt Exploration Fund. Brief Nr. 7: Nearchos an Heliodoros. Reiseerlebnisse. "Nilquelle". Soziale Frömmigkeit. 113 des Apostels Paulus eine kräftige, steife Handwerker-Unziale; der Kontrast war ebenso groß. Sachlich gehört der Text zu den bedeutsamen 1 Doku- menten des Gebrauches des Kyrios-Titels schon für den Kaiser Nero, und zwar ist es nicht der Kleinbauer Harmiysis, der ihn anwendet, sondern die Beamten gebrauchen ihn dreimal in ihrer offiziellen Unterschrift. 7ioXXßv ro€ *a[ xai uiföi rotf TtXtiv e . [ u&vcar, Iva rde %e[i\pon[oi]^\rovS t4-] 5 %vaß loroprjootot, fytb 7tapc7to\i7]a>. An Heliodoros. 1 Vgl. unten Kap. IV. 2 Greek Papyri in the British Museum (vol. III) London 1907 Nr. 854 (S.206); ein Faksimile auf Plate 28. Die Herausgeber setzen den Brief noch ins erste, Grenfell und Hunt, wie mirWiLCKEN mitteilt (Brief, Leipzig 13. Oktober 1907), ins zweite Jahr- hundert. 3 Lesung von Wilcken, bestätigt durch Grenfell und Hunt. 4 Desgl. (Auslassung von xai). • Der Papyrus hat eQxoua. Das würde allenfalls den Sinn geben : auch gutpassier- bare Gegenden (im Gegensatz zu der schwer erreichbaren Oase) habe ich besucht. 6 Lesung von Grenfell und Hunt. 7 Etwa : da viele heutzutage auf Reisen gehen und selbst zu einer Schiffsreise sich entschließe. • = Syene. 9 Zu der vermeintlichen Nilquelle "zwi- schen Syene und Elephantine", die schon in Deissmann Licht vom Osten. einer Erzählung des Tempelschreibers von Sais an Herodot 2u eine Rolle spielt, ver- weist mich Wilcken auf Dittenberoer Orientis Graeci Inscriptiones Selectae Nr. I689 I S. 243 f. und Archiv für Papyrusforschung 3 S. 326. 10 Gemeint ist das Orakel des Zeus Am- mon in der Oase Siwah. 11 Entweder bezieht sich das auf die Reiseeindrücke überhaupt oder speziell auf ein günstiges Orakel des Ammon. 12 Solche Inschriften von Wallfahrern und Reisenden der Ptolemäer- und Kaiserzeit sind noch massenhaft erhalten, vgl. die ägypti- schen Inschriften des Corpus Inscriptionum Graecarum. Meist enthalten sie das Prosky- nema t eine besondere Fürbitte am Wall- fahrtsort für die abwesenden Freunde und Familienglieder. Hoffentlich finden wir noch einige von den Proskynemata unseres Ne- archos. 8 114 Brief Nr. 8: Eirene an eine trauernde Familie. Dieses kleine Fragment eines Reisebriefes ist kulturgeschichtlich von großem Interesse. Es gibt aber auch ein gutes Bild jener sozialen Frömmigkeit, die uns durch die Versicherung der gegenseitigen Fürbitte aus den Papyrusbriefen schon bekannt war: Nearchos 1 versäumt nicht, an den Gnadenorten für seine Freunde zu beten und, als wolle er die Fürbitte zu einer immerwährenden machen, ihre Namen an den Tempel- wänden einzugraben. Der Schreiber scheint ein Mann der mittleren Schicht zu sein, sein Stil ist aber trotz leiser Anklänge an die Buchsprache im ganzen unliterarisch. 8. Brief der Ägypterin Eirene an eine trauernde Familie, zweites Jahrhundert nach Christus, Papyrus aus Oxyrhynchos, jetzt in der Library of Yale University, U. S. A. f ent- deckt und publiziert von Grenfell und Hunt*. EIqtjvt} Taovrt&YQei xai vt xai 10 oitojs iXvnfjxhjv ixXavoa* inl rßt svuotycut 4 , cos ini didvudxos ixXavoa . xai Trdvra, öoa fjv xa- xhfxovra inoirjoa xai Ttdvres ol Iftol, *Ena68etToQ xai &epuoö- &iov xai 0(1 wv xai *Ano)ld>vtos xai nXavräe. AlV Sucos oüSbv fävaral rts ngde rd roiavra. naprjyoQttre o$v iavrove*. ei nodtxexe. j4di)(> a 8 . Eirene an Taonnophris und Philon, Trostgruß! und Ebenso bin ich in Trauer weine über den Seligen*, wie ich über Didymas geweint habe. Und alles, was sich schickt tue ich, und auch alle die Meinigen : Epaphrodeitos und Thermu- thion und Philion und Apollo nios und Plantas. Aber freilich, nichts kann man gegen so etwas machen! So tröstet Euch denn gegenseitig! Gehabt Euch wohl! Athyr 7 Ö . Auf der Rückseite die Adresse: TaowtofQei xai 4>llo>vi. An Taonnophris und Philon. Das Ehepaar Philon und Taonnophris in Oxyrhynchos hat durch den Tod einen Sohn verloren, und die mit der trauernden Mutter be- freundete 7 Eirene will ihre Teilnahme ausdrücken. Sie hat volles Ver- 1 Wir wissen über die Personalien des Schreibers leider nichts Näheres. Da ferner über die Herkunft des Papyrus ebenfalls keine genauen Angaben vorliegen, kann die Frage höchstens aufgeworfen, aber nicht beantwortet werden, ob unser Fragment etwa zu der Korrespondenz des weiter unten erwähnten Heliodoros gehört. * The Oxyrhynchus Papyri (I) Nr. 115. Eine Übersetzung gibt auch Preisigke S. 109. Text und Anmerkungen bei U. von Wila- mowitz-Moellendorff Griechisches Lese- buch I 2 3 , Berlin 1906, S. 398 und II 2 2 , 1902, S.263. 3 Praeteritum des Briefstils. 4 Man faßte das Wort zuerst als Eigen- namen' Etyotowi. Aber der Artikel weist, wie E. J. Goodspeed sah, wohl darauf hin, daß das Wort Adjektivum ist, vgl. Wilcken Archiv für Papyrusforschung 4 S. 250. Bestätigt wird diese Auffassung durch das parallele rov /uaxap/ov des antiken Briefstellers, vgl. unten. 6 Steht m. E. für dtttjXove, wie öfter im N.T., z. B. Kol.3.". = 28. Oktober. 7 Darum nennt sie im Brief die Freun- din vor ihrem Gatten, Preisigke S. 109. Brief Nr. 8: Antike Trostformeln. Ein Trostbriefformular. 115 ständnis für den Schmerz der Freunde; die Tränen, die sie dereinst um ihren eigenen Seligen, den dahingeschiedenen Didymas " vergossen hatte, weint sie jetzt noch einmal: persönliches Leid hat sie teilnamsvoll ge- macht für fremden Kummer. Von ihren Tränen redet sie denn zuerst. Aber sie muß mehr schreiben, es soll doch ein Trostbrief sein: Eirene, die einen Geschäftsbrief rasch und sicher schreiben kann 2 , erlebt die Nöte derer, die trösten sollen, ohne trösten zu können. Und so sinnt sie über Sätze nach, die das Blatt voll machen: daß sie und ihre ganze Familie alle Pietäts- und Anstandspflichten , die in solchen Fällen üblich sind 1 , erfüllt haben, wird den Trauernden wohltun. Aber nach diesen langsam herausgepreßten Zeilen voller Namen bricht die wahre Empfindung doch durch, die trostlose Resignation, die von unabwendbaren Schicksalen spricht. Und dann, unlogisch und echt weiblich, zum Schluß die Bitte: Tröstet Ihr Euch gegenseitig! Wer könnte dieser hilflosen Frau, deren Mitgefühl gewiß echt gewesen ist, seine Sympathie versagen? Ich will ihr gewiß nicht Unrecht tun, der armen Eirene, wenn ich darauf hinweise, daß das Zeitalter ähnliche Trostbriefformeln hatte. Ein antiker Briefsteller gibt folgendes Formular 4 : 1} intOTolrf. Xiav Ijfiüs $ dnoßlwoit raC paxaqlov rov Selvos iXünrjoe xal ntvd'ttv xal SaxpDeiv fjv&yxaoe • rototirov iv oo rde 3u£d3ovs T(p &ardrq> xal rr}v yvtfv rfr/xa üvßi ei nap aXapßdvov n. ( Muster )brief. Gar sehr versetzt uns das Ableben des seligen N. N. in Trauer und nötigt uns zu Klagen und Weinen, sind wir doch eines so eifrigen und vor- trefflichen Freundes beraubt worden. Ehre sei denn und Preis dem Gott, der in Weis- heit und unfaßbarer Macht und Vorsehung die Bahnen des Todes regiert und die Seele, wenn es ihr frommt, zu sich nimmt Ist dieses Trostbriefformular in seiner zweiten Hälfte auch biblisch beeinflußt 5 , so ist die erste Hälfte offenbar älteres weltliches Gut: unser Eirenebrief zeigt ganz ähnliche Formeln; frappant ist namentlich die Über- einstimmung der ersten Zeilen. Aber er ist nicht bloße Nachahmung, sondern die der Schreiberin etwa vertrauten Formeln sind persönlich 1 Ihren Gatten? Oder, wahrscheinlicher, ihren Sohn? 2 Vgl. ihren Brief an dieselbe Familie The Oxyrhynchus Papyri Nr. 116. Danach ist Eirene wohl Gutsbesitzerin. 3 Totenopfer? Gebete? Man würde gern mehr wissen. 4 Proklos, De forma epistolari Nr. 21 (Epistolographi Graeci rec. Hercher S. 10). Als Verfasser dieses Briefstellers gilt neben dem Neuplatoniker Proklos gelegentlich auch Libanios, vgl. Karl Krumbacher Ge- schichte der byzantinischen Literatur", Mün- chen 1897, S. 452, der die Autorschaft beider Männer ablehnt. M. E. ist der Text eine christliche Überarbeitung antiker Vorlagen; vgl. die biblischen Einschläge unten Anm. 5 und in dem Reuebriefformular (vgl. unten S. 127 zum Brief des Antonis Longos). 6 Vgl. den ganzen Tenor und besonders LXX PS 67 l68]ao rov xvqlov al Siifrdot rov d-ardrov des Herrn sind die Bahnen des Todes und Joh 14s napa),ijjuy>o t uai -öftäs ngds iuavtöv ich werde euch zu mir nehmen. 8* 1 16 Brief Nr. 8 : Hilflose Seelen. Paulinische Trostzeilen. - Brief Nr. 9 : Apion an seinen Vater. belebt, und wir werden berechtigt sein, auch die resignierten Worte des Schlusses für den Ausdruck wirklicher Stimmung zu halten. Daß diese Stimmung eine weitverbreitete gewesen ist 1 , und daß sie ähnliche Ge- danken auch in einem anderen Trostbriefformular 2 hervorgebracht hat, spricht nicht gegen unsere Beurteilung. An solche hilflosen Seelen hat wohl der Apostel Paulus gedacht, wenn er in einem Briefe nach Thessalonike, für die um ihre Toten be- sorgten Christen Trostzeilen einfügend, schrieb 8 : . . . über die Entschlafenen, Bruder, möchte ich Euch nicht im Ungewissen lassen, damit ihr nicht trauert, wie die Anderen, die keine Hoffnung haben. Und dann entrollt er mit antiker und volkstümlicher Plastik das Zukunftsbild der christlichen Hoffnung, deren Letztes die Gewißheit ist 4 : wir werden in Gemeinschaft sein mit dem Herrn immerdar! Wenn er unmittelbar daran die Mahnung schließt 5 : so tröstet Ihr Euch untereinander mit diesen Worten ! so klingt das ganz ähnlich, wie der Schluß des Trostbriefes der Eirene 6 , aber hinter seinen Briefzeilen steht nicht die Resignation der "Anderen", sondern eine sieghafte, den Tod überwindende Gewißheit. Brief des Ägypters und römischen Soldaten Apion an seinen Vater Epimachos, Misenum, zweites Jahrhundert nach Christus, Papyrus aus dem Faijüm, jetzt im Berliner Museum, publiziert von Paul Viereck 7 (Abbildung 22). 1 Wilcken erinnert an den Spruch vieler Grabschriften: Niemand ist unsterblich. 2 Demetrios Phalereus, Typi epistolares Nr. 5 (Epistolographi rec. Hercher S. 2) irvoTj&eis 8a ort rA roiavra näaiv iartv \>noxf(ueva . . . überlegend, daß solche Schicksale allen auferlegt werden . . . 3 1 Thess 4is. 4 1 Thess 4i7. 5 1 Thess 4is. 6 Eirene: naqriyoQBlJE o$v iavrove. Paulus: Aare napaxa- XelTe dUtjlovS usw. Paulus übernimmt die Mahnung wohl aus den Briefformeln des Zeitalters (vgl. auch 1 Thess 5ii und später Hebr 3is). Auch das vorhin zitierte Trostbriefformular des Deme- trios Phalereus Nr. 5 hat am Schluß die Mah- nung: xafrdte dV.q> TtaQrjveoae , oavr

. leg, ***** "^riJflW , f ft*d* fr ¦ - jpr^wc-Kx^ Vi i J - . TT 'vxitw Abb. 22. Brief des Ägypters und römischen Soldaten Apion an seinen Vater Epimachos, Misenum 2. Jahrh. n. Chr., Papyrus aus dem Faijüm; jetzt im Berliner Museum. Mit Genehmigung der Generalverwaltung der Kgl. Museen. 1 Von Viereck in seinem Artikel der | S. 214f., von Caonat S. 796, von Preisioke Vossischen Zeitung, von Erman und Krebs I S. 101 f. 118 Brief Nr. 9: Der Soldat Apion an seinen Vater. Seenot. Rettung. 10 15 20 8 ¦¦St '§ s. 28 30 "Anlatv *EiztuA%tn rßt nar^i xai xvqlto l nXelava %a/peiv. 7tpd t ukv nAv- Tütv etyofiat 08 tiytatveiv* xal StA navxds iqmuivov etxv%tiv perä rijs ddehfijG ftov xal rij9 &vyargd£ ctöttjs xai roü dSeX & Maotoe ttifrims*. Sre florjXd'ov *U Mrj- orjvov's 1 , MXaßa* ßidrixov 9 naoA Ka/üapos XpvooOe rpsle. xai xaXdts ttoi iartv. ipwTß 10 ae ofo, xüqU 1 uov nanjp, yqAyov /tot imaröXiov tiq&tov fihv 7tc(il rijs aotnjptaQ 11 aor t Sev*- TfQov mpl Tfji tcop a8eX uov, rp[i]rov f Iva aov tzqooxwtjoo) rijv %cgav l \ Sri ue inaiSevaai xaXße xal ix rovrov i).ni£o> ra%v nooxd- oai 13 rßv &t[ß]v d'fXövrotv w . danaaas li Ka7iira>i[a tzo]XXA x * xal ro[ve] AdeXpoie lu]ov xai 2!t[$Tjrl\lXav xai ro[vi\ iptXovs //o[v.] "EneuyA oo[i el\xAvtv xl u[ov\ StA Eüxrij- ftovoe. ia[r]t [8i] ftov övoua sfvrßvis MA- £tuos l K *Eppßa&aJ ae eti^o/tat. Kevrv$i(a) 'A&nvovixrj 1 *. Auf der Rückseite die Adresse: e[le] ^[iXjaSeXfiav 90 'EntN^dx 6 * dnö*Anl(ovos vlo€. In entgegengesetzter Richtung sind zwei Zeilen beigefügt 21 : 'AtzöSoG f/fi xcoqttjv tiq Ipavyj 'Anafirjvßv *Io[vXi]a[v]ov l4v . [. .] XißXaqtto And "Aniuivoi äo"^re 'Eni(td%€o naxql aäroH. 1 Herr ist hier und Zeile 11 kindlich I ehrerbietige Anrede. 2 Häufige Briefformel in den Papyrus- briefen, vgl. Bibelstudien S. 214 und die ähnliche Formel 3 Joh a neql tzAvtmv tfyo- pal ae ivoSovo&ai xai tiyiaivftv in allem, wünsche ich, möchtest Du wohl und gesund sein. In Verkennung dieser Formel haben manche Ausleger des dritten Johannesbriefes angenommen, der Adressat Gaios sei unmittel- bar vorher krank gewesen. 3 Das ist ein ganz "paulinischer" Brief- eingang, der sich auch sonst wohl in Papy- rusbriefen findet (vgl. z.B. Bibelstudien S. 210 oben). Paulus schließt sich also einer schönen weltlichen Sitte an, wenn er an den Anfang seiner Briefe gern den Dank gegen Gott setzt 1 Thess h 2 Thess ls Kol h Philemon 4 Eph he 1 Kor U Rom h Phil 1 3 . 4 Herr heißt Serapis in zahllosen Doku- I menten auf Papyrus und Stein. 6 Vgl. die Seenot des Apostels Paulus 2 Kor Ilse xtrfovois iv d'aXdaor}. Der rö- mische Soldat schreibt vulgärer als Paulus eis &AXaaoav statt iv &aXAoaj]. 6 Vgl. Petrus in Seenot Matth 14so f. als er zu versinken begann, schrie er und sagte: Herr, rette mich! Sofort aber streckte Jesus seine Hand aus . . (dtfAjuevoe xara- 7torri£eOirat lxpa£ev Xiymv' xtipte, o&adv fte . ev&icos 8k 6 Vrjaovs ixreivae rijv %ft- pa . .). Man sieht, wie volksmäßig der Evan- gelist erzählt: er und der römische Soldat schließen sich gewiß an den Stil populärer Rettungserzählungen an. 7 Die Pluralform für den Namen des Kriegshafens Misenum bei Neapel kommt auch sonst vor. 8 Die Form gehört zu den vielen Vul- garismen, die auch im Neuen Testament vorkommen, vgl. Neue Bibelstudien S. 19. 9 Das Viaticum wird von Preisioke gut unseren Marschkompetenzen gleichgestellt. Es beträgt 3 Goldstücke (aurei) -75 Drach- men. 10 Wieder das "biblische" Wort. 11 owrriQta heißt hier Wohlergehen im äußeren (nicht religiösen) Sinn wie AGesch 27 3 " Hebrlh. 12 %t(>av "= %ti?a mit vulgär angehäng- Brief Nr. 9: Stil der Rettungserzählung. Das Viaticum vom Kaiser. Das Bildchen. 119 10 15 20 O Co Co ^ §.§¦ 28 30 OS Apion an Epimachos seinen Vater und Herrn \ viele Grüße! Vor al- lem wünsche iah, daß Du gesund bist* und es Dir stets wohl und gut geht mitsamt meiner Schwes- ter und ihrer Tochter und meinem Bru- der. Iah danke 2 dem Herrn* Serapis, daß er, als iah in Seenot* war, mich sofort errettet hat 9 . Als ich nach Miseni 1 gekommen war, erhielt iah als Viaticum 9 vom Kaiser drei Goldstücke. Und es geht mir gut. Iah bitte Dich nun, mein Herr 1 Vater, sahreibe mir ein Briefahen, erstens über Dein Wohlergehen, zwei- tens über das Ergehen meiner Geschwister, drfi/ttens, damit iah voll Verehrung Deine Hand '* sehe, weil Du midi gut erzogen hast und iah deswegen hoffen kann rasch zu avan- cieren, so die G[ö]tter wollen u . Grüße l * den Kapitofn vijelmals 1 * und meifne/ Geschwis- ftjer und Sefrenijlla und mei[ne] Fteund[e.] Iah sende DifrJ mein [Bil/dahen ll durah Eukte- mon. Es is/tj [übrigens] mein Name Antonis Ma- ximos ,8 . Möge es Dir wohl ergehen, das wünsche iah. Zenturi(e) Athenonike l9 . Auf der Rückseite die Adresse: N[aahJ Phfiljadelphia i0 an Epim^achos von Apion seinem Sohn. In entgegengesetzter Richtung sind zwei Zeilen beigefügt 21 : Gib's ab bei der ersten Kohorteyjder Apamener dem (?) Ifulijafnjos An . [ . J dem Liblarios von Apion, da^mit (er es) dem Epimachos seinem Vater (übermittele.) tem r, wie %eZfav Joh 20" Kodd. n* AB; andere Beispiele bei Blass Grammatik des Neutestamentlichen Griechisch 2 S. 27. - Unter Hand versteht Apion jedenfalls die väterliche Handschrift, die ihm den Vater vergegenwärtigen soll. Ein besonders feiner Zug dieses feinen Briefes. 13 npoxöoai ist wohl =~ 7t(>ox6\pat vor- wärts kommen wie Gal 1h. Der Soldat denkt ans Avancement. 14 Der fromme Vorbehalt so die Götter wollen ist häufig in heidnischen Texten, vgl. Neue Bibelstudien S. 80. 15 Grüße an Personen tragen die Schrei- ber der Papyrusbriefe oft auf, wie sie auch Grüße von Personen (Zeile 25) ausrichten, genau wie Paulus in den meisten seiner Briefe. 16 Vgl. dieselbe Briefformel 1 Kor I619. 17 Seither wurde o[oi rd öd-)6viv gelesen: die Leinwand und man verstand darunter etwa den leinenen Zivilanzug des Apion. Wilcken hat die Stelle am Original nachgeprüft und die reizende Entdeckung gemacht, daß Apion dem Vater sein [el\xöviv (= elxömov) Bild- chen schickt (Briefe an mich, Florenz 20. April 1907 und Leipzig 5. Mai 1907). Genau wie unsere Rekruten sich alsbald, nachdem sie auf die Straße dürfen, abkonterfeien lassen. 18 Beim Eintritt ins römische Heer erhielt Apion als Nichtrömer einen römischen Na- men. Antonis ist Kurzname statt Antonios. Die Stelle ist von Wichtigkeit für die Ge- schichte des Namenswechsels, vgl. Harnack Militia Christi Die christliche Religion und der Soldatenstand in den ersten drei Jahr- hunderten, Tübingen 1905, S. 35. 19 Das ist der Name seiner Kompagnie, zugleich wohl zur richtigen Adressierung des Antwortbriefes mitangegeben. 20 Philadelphia im Faijüm. 21 Die in diesem Leitvermerk erwähnte Kohorte stand in Ägypten (Preisioke S. 102). Also ging der Brief von der Garnison Mi- senum zunächst an die Garnison dieser Ko- horte (Wilcken : Alexandria), und Sache des liblarios ("* librarius) d. n. des Kohorten 120 Brief Nr. 9: Der neue Name. Grüße. Blicke in eine Soldatenseele. Apion, Sohn des Epimachos aus dem kleinen ägyptischen Orte Philadelphia, ist als Soldat ins römische Heer eingetreten * und hat nach dem Abschied von Vater, Geschwistern und Kameraden sich (wahrschein- lich in Alexandria) nach Misenum eingeschifft; Serenos, Turbon und noch andere Rekruten aus dem Dorfe begleiten ihn. Die Fahrt ist stürmisch und gefahrvoll. In schwerer Seenot fleht der junge Soldat zum heimischen Gott, und der Herr Serapis errettet ihn denn auch sofort. Voll Dankbar- keit erreicht Apion den Ort seiner nächsten Bestimmung, den Kriegshafen Misenum. Eine neue Welt für den Sohn des fernen ägyptischen Dorfes! Der Zenturie mit dem glänzenden Namen "Athenonike" zugeteilt, drei Goldstücke Viaticum vom Kaiser in der Tasche, und stolz auf seinen neuen Namen Antonis Maximos, läßt er sich sogleich von einem in den Kasernen sein Brot findenden Künstler malen, für seine Leute daheim, und schreibt nun an den Vater, um alles rasch zu erzählen. Die Stimmung des Briefes ist die beste; die Zukunft liegt rosig vor Apion: er wird bald avancieren, dank der trefflichen Erziehung im Elternhause, - wenn er an das alles denkt, an den Vater und den Bruder und die Schwester mit ihrem Töchterchen und an Kapiton und die anderen Freunde, dann wird er weich : wenn er doch nur ein einziges Mal die Vaterhand drücken könnte ! Aber der Vater wird ihm durch ein Briefchen antworten, und die väter- liche Handschrift wird ihm die Heimat ersetzen. Eben soll der Brief ge- schlossen werden, da tragen ihm die Landsleute noch Grüße auf, und am Rande des Papyrus ist dafür noch Platz. Die Adressierung des Briefes schließlich ist etwas umständlich: beim Militär hat alles seine Ordnung und Vorschrift, dafür wird der Soldatenbrief aber auch militärisch befördert und kommt über die Stube des Liblarios der ersten Apamener-Kohorte sicher beim Vater an. Habe ich zu viel zwischen den Zeilen dieses Briefes gelesen? Ich glaube nicht. Bei Briefen will das zwischen den Zeilen Stehende mit- gelesen sein. Daß aber dieser Soldatenbrief des zweiten Jahrhunderts mit seiner frischen Naivetät sich weit über das Durchschnittsmaß erhebt, wird niemand leugnen. Von demselben Schreiber besitzen wir übrigens noch einen zweiten, etwas späteren Originalbrief, an seine Schwester, ebenfalls im Faijüm ge- funden und jetzt im Berliner Museum 2 aufbewahrt; ich glaube einige Zeilen zu den seither gelesenen wiederherstellen zu können. Rechnungsführers sollte es sein, den Brief dann bei Gelegenheit nach dem Dorf im Faijüm zu befördern. 1 Als Flottensoldat, meint Preisigke S. 101 ff. 2 Aegyptische Urkunden aus den Koenig- lichen Museen zu Berlin (II) Nr. 632, publiziert von Fritz Krebs; teilweise übersetzt von Erman und Krebs S. 215 und von Prei- sigke S. 103. Brief Nr. 10: Derselbe Soldat an seine Schwester. Brüderliche Fürbitte. 121 10. Ein zweiter Brief desselben Soldaten, an seine Schwester Sabina. y Ar[Twvi]oe Mdgiuos Zaßtvtj rrj d[S}eXtpij l nXeZara %aioeir n QÖ uev navTtuv ifyouat 10 15 20 28 ae tiysaiveiv, xai *y]&A8e &$ole % 4xo/utod t uijv [i]r 4 im[a]TdXtov nagd AvT Und da ich sah, daß es Dir wohlergeht, freute ich mich sehr*. Audi ich versäume bei keinem An- laß, Dir zu schreiben über mein und der Meinen Wohl- ergehen. Grüße den Maximos* vielmals und Kopres 1 meinen Herr[n. Es gfrüßt Dich /meine/ Lebensge- fährtin [Ajuphidia und [MJaximos Imf ein 8 [Sohn], [dessen] Gebur/tstagJ der dreißigste [EJpeip ist nach Hel- lenischem Kaiende] r, undElpis und Fortu- 9 fnataj Grüße den Herrn Es folgen 6 verstümmelte Zeilen offenbar mit weiteren Grüßen. [IgQßo&ai ae e€%o\uat. I [Möge es Dir wohl ergehen, das wün]- I sehe ich. Auf der Rückseite die Adresse: [SaßlvTJ] d\8e]Xf[i}] dn[ö] % Avi\m\vlov j [An Sabina] die Sch[we]St[er] vofn] Ant[o]- Ma£i/u[o]v d9eXa\o€]. I nios Maximfojs dem Bru[der.J 1 Auch im ersten Brief war die Schwester genannt. Deren Tochter ist im zweiten Brief nicht erwähnt, also in der Zwischenzeit wohl gestorben. Daß Sabina eine zweite Schwester des Schreibers ist, ist unwahrscheinlich, da im ersten Brief nur eine einzige Schwester vorkommt. Auch der Vater scheint zur Zeit des zweiten Briefes nicht mehr zu leben. 2 Die Versicherung der Fürbitte für die Briefempfänger am Eingang gehört zum from- men Brauch des antiken Briefes. Genau so schreibt der Apostel Paulus an Philemon 4 ftvelav aov notov'ieerof, vgl. lThessla Eph lie Römlor. 2 Tim h und dazu Bibelstudien S. 210. - Der Partizipialsatz kann auch zu tyiatvat gezogen werden (so Wilcken). 3 Wo Antonios Maximos jetzt ist, wissen wir nicht; daß er den Göttern seines jetzigen Garnisonortes dient, wie früher dem heimat- lichen Herrn Serapis, ist nicht ohne Analo- gieen, vgl. den Kult der Landesgötter im römischen Heere, Alfred von Domaszewski Die Religion des römischen Heeres, Trier 1895, S. 54". 4 #*' steht volkstümlich als unbestimmter Artikel, wie öfter im Neuen Testament, was Blass Grammatik des Neutestamentlichen Griechisch 2 S. 145 auch auf hebräisches Vor- bild zurückführt und Wellhausen Einleitung in die drei ersten Evangelien S. 27 als Ara- maismus erklärt. Tatsächlich geht hier das Volksgriechisch, dessen Brauch das Neugrie- chische weiterentwickelt hat, mit dem semi- tischen Brauch parallel, ebenso der deutsche und der romanische. 8 Uav i%dprjv ist briefliche Formel wie iydQtjv Xtav im zweiten \*) und dritten w Johannesbrief. 6 Maximos ist wohl der Schwestersohn, der dann .nach dem Onkel so heißen würde. 7 Kopres ist wohl der Schwager. 8 Die Zeilen 18-21 sind so von mir er- gänzt Ich änderte dabei bloß in 19 netv in nein. Entm ist der Monat *Entirco[i>] rC%opai aat 2 üyetatrcir. T6 7ipoaxtirrj- ud aov [tt ot]di xar* alxdanjv rfuaioav 7ia$& t& 5 xvgiat [12sQ\djtet8ei\ rstvt&oxetv oai &ilf" A t 3- t* o$% M^hI'Cw 5 " °* Tl dvaßirie eis rrjv firjxQÖ- noliv*. %[d)gciv toüro 1 o$8* 4yd tlorjd'a* eis ti)v n6- Xtv. aiS[v)oo7io[ö]jUTiv 9 8i il&elv ris KaoartSoT 10 du. aa7tf)<5s7taiQi7iaTä>. Alyga\pd xx oot, Sri yvuvds 10 el/tct. 7tapaxa[X]ß ,2 aat, ßtiJTTjp, 8[i]aXdyt]Tl ftot l3 . Aot- növ l * ol8a ri [tiox*] ,3 aiftavrß nagio^uai. nainaiS* dcv/uai(tm) xad" St" 8i 11 rgönov. ol8a, Sri ^udprrjxa 19 . j "Hxovaa napA ro[€ IIoOT]ofytov l9 top "tyefrTa 80 oot \ 4v Tto 'siQoairociTr} 21 xai dxatgiats ndvta oot 8 t- 15 tjyijrai. oiJx ol8sG, Sri &eXtu i ' i Ttrjpds yeriarat**, tl(tm) yvovvai**, öno,s(tm) dv&gÖTtto^ [i\r[t] 6y*LXm ößoXör\ f ]o[ .". . ~ ]af nagaxaXß oai [ ]a>vov &4Xa> atyd) [ ]on oi5x e. . [ ' ] . . . . AXXmS 7toi[.] Hier bricht der Papyrus ab. Auf der Rückseite die Adresse: [ ] luriToei dn % *Arrmvtm Aövyov vdov. Antonis l Longos an Neilus fsjeine Mutter, vie[l]e Grüße! Und immer- da[r] wünsche ich, daß Du gesund bist Das Ge- bet für Dich [ver] richte ich an jeglichem Tage zum 5 Herrn [Serjapis*. Wissen lassen möchte ich Dich*, daß ich nicht gefhofjft habe, daß Du hinauf in die Metropole* gehst Dfesjwegen bin ich auch nicht in die Stadt gekom- men. Ich habe mich jedoch gefschjafejmt 9 nach Karanis 10 zu kommen, weil ich zerlumpt einhergehe. Ich schreibe 11 Dir, daß ich nackend 10 bin. Ich f[l]ehe Dich an l2 , Mutter, v[e]rsöhne Dich mit mir 13 ! Im übri- gen weiß ich, was ich mir [alles] zugezogen habe. Gezüchtigt 16 bin ich in jeder Beziehung. Ich weiß, ich habe gesündigt 19 . zungen unten von mir. Die Photographie für das mit gütiger Erlaubnis der General- verwaltung der Königlichen Museen herge- stellte Faksimile (Abbildung 23) hat mir W. Schubart besorgt. 1 Teilweise übersetzt von Preisigke S. 99, der den Briefschreiber ebenfalls einen "verlorenen Sohn" nennt. 2 Wäre dieser Brief zufällig literarisch überliefert, so würde gewiß ein mehrere Pfund schwerer Pack von Abhandlungen existieren, welche die Abhängigkeit des Gleichnisses von diesem Briefe bewiesen, und manch einer würde damit seinen Doktor machen. Brief Nr. 11: Das Elend des Zerlumpten. Reue u. Selbsterkenntnis. "Ich habe gesündigt! " 125 Gehört habe ich von [Postjumos ia , der Dich im Arsinoitischen* 1 traf und hat Dir, zur Unzeit, alles er- 15 zählt. Weißt Du nicht, daß ich lieber ein Krüppel werden möchte, als zu wissen, daß ich einem Menschen noch einen Obolos schulde? komm' Du selbst! ich habe gehört, daß . . ich flehe Dich an, 20 ich kaum ich flehe Dich an, ich will nicht . anders tu- Hier bricht der Papyrus ab. Auf der Rückseite die Adresse: [ ] der Mutter, von Antonios Longos ihrem Sohn, 1 Antonis ist wieder die Kurzform von Antonios vgl. oben Brief Nr. 9. 2 aat ¦= o/>, wie oft nachher; diese und die anderen Fälle sind nicht besonders notiert. 3 Dieser Satz, in zahllosen Papyrus- briefen vorkommend, ist die stereotype Form der Versicherung der gegenseitigen Fürbitte. 4 Briefliche Formel auch bei Paulus Phil hs (mit ßo$loftou)\ andere ähnliche For- meln oft in den Paulusbriefen. • tfXmZov - ijXn^ov mit vulgärer Aspi- ration, wie in den neutestamentlichen Fällen dtpelnl^to und iy iXnlSi (BLASS Grammatik des Neutestamentlichen Griechisch* S. 17). W. Schubart erklärt nach Prüfung des Ori- ginals diese meine Ergänzung für durchaus möglich (Brief, Berlin 14. Juni 1907). • Die Metropole ist vielleicht Arsinoe. 7 - xd?iv to4tov (so auch Schubart brieflich). In den Papyri ist das präpositio- nelle x d e iv °ft vorausgestellt; vgl. z. B. die auch sonst ähnliche Stelle des Briefes des Gemellos an Epagathos 104 n. Chr., Fayüm Towns and their Papyri Nr. 1 1 69 ir. inl [" txsi] ßovleitoftai [eis 7t\6ltv ä.ncXd'tv x&Q iV [ ro ^l f 1 ' x#o€ xal %&<>iv 4xt[rov] toG pcrvc&Qov. 8 _ iyd> eloi}Xd'a. 9 Ich vermutete zuerst 4r[e]xo7i[Tö]ur}v ich war verhindert wie Rom 15m. Nach der Photographie kamen Wilcken und ich auf die oben stehende Ergänzung - ISvaamotiftriv ich habe mich geschämt. Das ausgezeich- net passende Wort steht nicht bloß wieder- holt bei Übersetzern des Alten Testaments, sondern auch in dem Briefe des Gemellos an Epagathos 99 n. Chr. Fayüm Towns and their Papyri Nr. 112i 2 und noch in dem Briefe The Oxyrhynchus Papyri Nr. 1284, 6,7. Jahrh. n. Chr. Weiteres im Thesaurus Graecae Lin- guae. W. Schubart (Brief, Berlin 3. Oktober 1907) schlägt nach erneuter Prüfung dfes Originals xar[e]oxonov/trjv vor. Das gibt aber m. E. keinen Sinn. Immerhin mahnt Schu- barts Lesung zur Vorsicht gegen unsere. 10 Karanis (Dorf im Faijüm) ist wohl die Heimat des Briefschreibers und der Wohn- ort seiner Mutter. 11 Bezieht sich wahrscheinlich auf den vorliegenden Brief. 12 Das mehrfach wiederholte Zeitwort steht genau wie im Neuen Testament. 18 Vgl. Matth 5/4 SioXXdyri&i ry &8eXe = Sn (BLASS Grammatik des Neutestament- lichen Griechisch 2 S. 235 f., Hatzidakis Ein- teilung in die neugriechische Grammatik 1 Sonst würde der Vater wohl auch genannt sein. 2 Das Wort, wenn recht gelesen, ist außerordentlich plastisch. Ein antiker Lexiko- graph erklärt: 8voo>7iaXod*ai ävti tuü $s n}f inl tu> otpdX/tari avyyvttmrjv aJrai. tttradoQvai Si fiot ut) xaroxiijoßS dtä töv xtiptov. Blxaiov ydq ion ovyyivdurxeiv malovoi rols yllote, Sre fidXtara xai &£io€oi ovyyvdiurjs rv%slv m (Muster)brief. Ich weiß, ich fehlte, als ich Dich schlecht behandelte. Daher bitte ich voll Reue um Verzeihung wegen des Fehltritts. Mir aber zu vergeben wollest Du nicht zögern, um des Herrn willen *. Ist es doch recht, den Freunden, welche straucheln, zu verzeihen, namentlich wenn sie darum nachsuchen 3 , Verzeihung zu erlangen. Der in diesen Zeilen Ich sagt, ist eine Modellpuppe, und nicht ein- mal eine gut konstruierte; aus den Ich-Sätzen des Antonis Longos redet ein Mensch von Fleisch und Blut, und der inneren Wahrheit seiner er- schütternden Bekenntnisse würde kein Eintrag geschehen, wenn sein Ich weiß, ich habe gesündigt ebenso wie das Ich weiß, ich fehlte des Brief- stellers bereits geläufige Formeln gewesen wären: der Verlorene hatte Schicksale hinter sich, die genügten, auch Formeln zu Konfessionen zu beleben. 12. Brief des Gefreiten Aurelius Archelaus an den Oberst Julius Domitius, Oxy- rhynchos, zweites Jahrhundert nach Christus, Papyrus, jetzt in der Bodleian Library zu Oxford, entdeckt und publiziert von Grenfell und Hunt 4 (Abbildung 24". 1 Proklos De forma epistolari Nr. 12 (Epistolographi Graeci rec. Hercher S. 9)' Vgl. oben S. 115 zu Brief Nr. 8. 2 Diese Formel ist zweifellos christlich 1 Kor4io 2Kor4n Phil 3t. s. 3 Wohl ein mattes Echo von Luk 174. 4 TheOxyrhynchusPapyri(I)Nr.32. Das dort Plate VIII stehende Faksimile gebe ich mit Genehmigung des Egypt Exploration Fund hier wieder (Abbildung 24). Den Schluß des Briefes, der später entdeckt wurde, geben Grenfell und Hunt The Oxyrhynchus Papyri Part. II S. 318f. Es sind die Zeilen 128 Brief Nr. 12: Der Gefreite Aurelius Archelaus an einen Oberst. io V ¦¦¦AT/" /* ^v7f\*. i/Avy ^ /> - 20 ,K - /-/ ( 5j ^ /-. Abb. 24. Brief des Gefreiten Aurelius Archelaus an den Oberst Julius Domitius, Zeile 1-24, 2. Jahrh. n. Chr., Papyrus aus Oxyrhynchos; jetzt in der Bodleian Library Oxford. Mit Genehmigung des Egypt Exploration Fund. Brief Nr. 12: Ein vulgärlateinischer Brief aus den Tagen des Kanon Muratori. 129 Dieser Brief ist in mehrfacher Beziehung von hohem Interesse: als schönes Beispiel eines antiken Empfehlungsbriefes *, als früher lateinischer Brief, als Denkmal vulgären Lateins 2 aus dem Zeitalter des Kanon Muratori; ja angesehene Forscher haben ihn für einen christlichen Original- brief gehalten - wäre er es, sein Wert wäre bei seinem Alter ein einziger. Die merkwürdige Interpunktion durch Punkte habe ich belassen, man beachte auch die deutliche Worttrennung 3 : An J[u]lius Domitius* t Mil(itär)tribun der Legpon], von seinem Aurelf ius) Archelaus, Bene- fpziar], Gruß! Schon früher einmal habe ich Dir meinen Freund Theon empfoh- len. Und au[ch jjetzt bitte ich, Herr*, daß Du ihn vor Augen habest* wie mich selbst" 1 . Denn der | Mann ist so, daß Du ihn lieb haben I mußt Hat er doch die Sein[ejn [ujnd seine Habe und Tätigkeit verlassen und ist mir nachgefolgt 9 . Und allenthalben hat er für meine Si[ch]erheit gesorgt Und deshalb bitte ich Dich, daß er Eingang finden möge bei Dir 10 . Und er kann Dir alles be- richten über unsere Tätigkeift] 11 . Was immer er mifr sjagte, fd]as ist auch tatfsächlidi so gewesen.](tm) Ich habe den Mfa]nfn] lieb gehabt Ifujlio Domitio* tribuno mil(itum) le- g(ionis) ab' Aurel(io) Archeiao benef(iciario) suo salutem' iam tibi et p ristine commen- 5 daueram Theonem amicum meum et modfo qujoque peto domine* ut eum ant' oculos habeas* tanquam' me 1 est e- nim' tales omo* ut ametur 10 a te' reliquit enim su[o]s [e]t rem suam et actum et me secutus est 9 , et per omnia me se[c]urum fecit et ideo peto a te- ut habeat intr[o]itum m 15 at te i0 . et omnia tibi refere- re potest de actufm] nostrum n . quitquit mfe djixit [i]l- [lu]t et factfum .][ . . ] amaui h[o]min[e]m f. .] 20 m[ .:...] s'et de . [ ] a[ ] . döminfe ] l *m[ ] . . id es[t ] c[ .] hab'[.' .] H Jet f. ] 25 tor.t . . [ . . J icof ] illum. ut [ . . . Jupsef inter (?)-] cessoris u[t ißlum co[mmendarem (?)] estote felicissifmi domine mul-] iA tis annis cum [tuis omnibus (?)] 30 benfe agentes] hanc epistulam ant' ocu- los 9 habeto domine puta[t]o me tecum loqui 15 uale •f. r Her[rJ , ...].. das heiß[t ] • • • Jhabf 7 • • .]und[ 7 f. • -]eund[ 7 ihn wie [...]....[ ] mittlers dafss ich i]hn em[pfehle(?).] Das Glück sei mit [Euch, Herr, vie-J le Jahre mit [allen Deinigen(?)] im Wohlbefinden!] Hast Du diesen Brief vor Augen 9 , Herr, so kannst Du glauben, ich rede mit Dir 19 . Leb wohl! Auf der Rückseite die Adresse 10 : 35 IOVLIO DOMITIO TRIBVNO MILIWM LEG(IONIS) ab. Aurelio- b(eneficiario) 1 Vgl. oben S. 110. a Man beachte besonders die starke An- wendung der Parataxe und vgl. oben S. 86 ff. Deissmann Licht vom Osten. An IVL1VS DOMITIVS MILITÄRTRIBUN DER LEG. von Aurelius Archelaus B(enefiziar). 3 Das kleine Fragment rechts unten heißt: ]st . [ )quia[. 4 Den Namen des hohen Vorgesetzten 9 130 Brief Nr. 12: Ein christlicher Originalbrief aus dem zweiten Jahrhundert? Die Situation dieses Briefes ist ganz klar und braucht nicht erst rekonstruiert zu werden. Notwendig ist nur eine Stellungnahme zu der von N. Tamassia und G. Setti gemeinsam 1 vertretenen und von P.Viereck 2 gebilligten Vermutung, daß der Brief von einem Christen geschrieben sei. Zur Begründung verweist man auf die mehrfachen "biblischen", speziell "neutestamentlichen" Anklänge, hauptsächlich auf die frappante Parallele zu dem Worte des Petrus : Siehe, wir haben alles verlassen und sind Dir nachgefolgt In bewußter oder unbewußter Erinnerung an dieses evange- lische Wort schreibe Archelaus über Theon, er habe die Seinen und seine Habe und Tätigkeit verlassen und sei ihm nachgefolgt : also sei mindestens Archelaus als Christ anzusehen 3 . Diese Behauptung hat gewiß etwas Be- stechendes; aber ich kann mich ihr doch nicht anschließen. Wenn Archelaus Christ wäre, müßte ich es für höchst unwahrscheinlich halten, daß er das von Petrus im tiefsten Sinne evangelischer Selbstverleugnung gebrauchte Begriffspaar verlassen and nachfolgen, das sich auf die Jünger und den Meister bezieht, durch Beziehung auf ein gewöhnliches menschliches Freundschaftsverhältnis profaniert hätte. Die Wendung verlassen und nachfolgen dürfte vielmehr zum Formenschatz des antiken Empfehlungs- stiles gehören; im Evangelium ist sie durch Ethisierung veredelt. Auch die übrigen "biblischen", besonders "paulinischen" Anklänge erklären sich stellt der Gefreite höflich voran, vgl. oben S. 111. 8 Herr ist höfliche Anrede. 6 Zu dieser Wendung, die Zeile 31 f. wiederkehrt, vgl. n$6 d; Abb. 25. Brief des Ägypters Harpokras an Phthomonthes, 29. Dezember 192 n. Chr., Ostrakon aus Theben; jetzt in der Sammlung Deissmann. 1 Welche Tragweite für die Kanonsge- schichte hätten Pauluszitate im Briefe eines Unbekannten des zweiten Jahrhunderts ! Wie gerne würden wir's glauben, daß der Brief christlich ist! 9* 132 Brief Nr. 13. - Nr. 14: Theon d. J. an Theon d. Ä. Gassensprache. Kein Semitismus. l s4p7zoxpäe $9(o)utb(v)\hi %aipetv. Jde ^avfi(€ov)9iri U . . . xal Ultjvi Uaovc6oio{e) Anö f ( uav yeropyoie tt/uvtje f 2 e eis nfoJQtiHiiv f X* y(ivovrai) f ).e. 5 LXyll Tvß(i) ~y. I aal ijSrj 7toT&* dde rrj iurj* Ttattifoxt]* tAs rot* / / £ | Harpokras an Phth(o)mo(n)thes, Gruß! Gib dem Psenm(on)thes P . . . s Sohn und dem Plenis Pauosis' Sohn von l Phmau, den Seebauern, 5 (Artaben) Weizen, um vollzumachen die 35 (Artaben) Weizen. M(adit) 35 (Artaben) Weizen. 5 Im Jahre 33, Tybi 3. Und gib endlich einmal, 3 meinem* Mädchen* die J 3 /* (Artaben) Weizen. 14. Brief des ägyptischen Knaben Theon an seinen Vater Theon, zweites oder drittes Jahrhundert nach Christus, Papyrus aus Oxyrhynchos, jetzt in der Bodleian Library Oxford, entdeckt und publiziert von Grenfell und Hunt 6 . Der in einer Schülerunziale geschriebene Brief ist nach den ver- schiedensten Seiten hin von höchstem Wert: als antikes Familienbild, als Selbstporträt eines bösen Buben und als Dokument wildestgewachsener Volkssprache. Wenn Blass ~ sagt, die Grammatik werde von dem Knaben "vergewaltigt", so ist das ebenso richtig, wie wenn ich die Schlehenhecke eine Vergewaltigung des Spaliers nennen wollte. Am Anfang war bei Theon nicht die Grammatik, die dann im weiteren Verlauf seines Lebens Demütigungen und Vergewaltigungen erlebte, sondern die Gassen- und Spielplatzsprache, und diese spricht der Schlingel auch in seinem Briefe. Auch die Orthographie ist "recht schlecht", zensiert Blass, - als hätte der Junge eine Probearbeit geschrieben; aus der "schlechten" (tatsächlich im ganzen phonetischen) Orthographie lernt der Gräzist doch mehr, als aus zehn korrekten Kanzlei-Urkunden. Den Stil empfehle ich zur Prüfung allen Spezialisten für Aufspürung des semitischen Rassenstils. 1 Das ist dasselbe dnö, das Hebr 13*4 oft mißverstanden worden ist; vgl. meinen kleinen Aufsatz im Hermes 33 (1898) S.344. Wie auf dem Ostrakon die Leute in Phmau gemeint sind , so sind auch die ol And rrjs Iralias der Hebräerepistel wohl die Leute in Italien. 2 Siglum für nvQoü Weizen. 3 ij8rj nori steht wie bei Paulus Rom lio. 4 iuöe ohne Betonung wie z. B. bei Pau- lus Rom 10i. 5 Wie im Neuen Testament von der Sklavin. The Oxyrhynchus Papyri (I) Nr. 119, vgl. II S. 320. Dazu U. von Wilamowitz- Moellendorff Göttingische gelehrte An- zeigen 1898 S. 686; F. Blass Hermes 34 (1899) S. 312".; Preisigke S. HOf. Grenfell und Hunt haben, wie es scheint, nicht alle Vorschläge von Blass adoptiert; ich folge ihren Lesungen. 7 S. 312. Brief Nr. 14: Die heimliche Abreise des Vaters. Die Mutter außer sich. 133 Girov ßiotvi t<0 naroi %atoeiv, xaXdte inoitjoes 1 . oäx dnirrjxds 2 üb t uBv' i- aotf 3 eis ndliv. j} 4 trö diXts* dnevixxetv* ps- T* ioo€ * eis lA)*tiav8otav^ oi uij yod\pm ob Xvjiöv II . du uij !1 &ilrjs dnerixai l3 p[e] t ra€ra ye[i]vere lA . xai fj HtJTrjp juov eine *Aq~ 10 X*Xda>, 8n dvaararol pe' &poov % * aüxöv. xaX&e 8i inolrjOrt x . 8ßpd poi $7ieft\pe[s] ie fieydXa, dpdxia. nBnXdvrjxav rfuße n 4xe[t\ f rrj Jjftioa iß Sri 19 fTtXevoee 19 , Xvjiöv n niuxpov et[g\ PS, 7f apaxaXw ob. Au //j) 1S nijuynje, ov urj nach der Stadt" (wohl Oxyrhynchos) 1 tatsächlich die Fahrt nach der Hauptstadt Alexandria antritt. Dies geschah am 7. Januar. Ob solcher Heimtücke schlägt aber dem schwachen Vater das Gewissen, und er sendet dem Überlisteten einen kleinen Trost: Schoten zum Essen, so früh im Jahr in den Augen des Vaters vielleicht ein Leckerbissen. Aber er kommt an den Unrechten. Als ein Tag nach dem anderen vergeht und der Vater aus der "Stadt" nicht zurückkehrt, durchschaut der Hintergangene die Verschwörung; jetzt weiß er, warum er dieses Mal nicht in "die Stadt" mit durfte, jetzt sieht er, warum er das Riesengeschenk bekommen hat, Schötchen, wie sie die armen Leute essen 2 ! Wutentbrannt setzt er sich hin, am 13. Januar. Er hatte erfahren, daß der Vater unterwegs noch Station macht, und schreibt den Erpressungsbrief, den wir vor uns haben. Voll frecher Ironie und kindischen Eigensinns droht er; alles will er ein- stellen, was ein guterzogenes Kind den Eltern schuldet: die Zeit zu bieten, die Hand zu geben, Gesundheit! zu sagen, schöne Briefe zu schreiben. Ja, er droht mit dem Schlimmsten, mit dem selbstgewählten Hungertod. Das wird den Alten schon weich machen, dieses Mittel half immer. Und bei all diesem bösartigen Trotz ist Theon doch eines nicht übelen Witzes fähig: den Verzweiflungsschrei der Mutter über ihn bei (seinem Bruder?) Archelaos er macht mich verrückt, fort mit ihm! weiß er dem Vater gegenüber auszubeuten als Argument für die Reise nach Alexandria! Aus einer ähnlich grinsenden Verschmitztheit kommt es, wenn er auf die Außenseite des von Frechheit strotzenden Briefes spitzbübisch dem von mir Schötchen übersetzten Wort. Aber die Ironie ist deutlicher bei unserer Fassung. 8 Vielleicht etwas Ahnliches, wie die Schoten, die der verlorene Sohn gern ge- habt hätte Luk 15io. 9 nXavdm steht wie oft im Neuen Testament. 10 uns d. h. wohl Archelaos (Bruder?) und Theon. 11 Das erinnert an die Selbstverwünschung der jüdischen Zeloten AGesch 23u nicht zu essen und nicht zu trinken, bis sie den Paulos getötet hätten, vgl. si. Wetstein Novum Testamentum Graecum II S. 615 zi- tiert dazu ähnliche Formeln aus rabbinischen j 12 Bei raOra ist wohl (vgl. Zeile 9) ylvt- rai zu ergänzen. Vgl. das abrupte xaüra in Inschriften bei Eduard Loch Festschrift . . . Ludwig Friedlaender dargebracht von sei- nen Schülern, Leipzig 1895, S. 289 ff. und R. Heberdey und E. Kalinka Denkschriften der Kais. Akad. d. Wissensch. zu Wien Phil.- hist. Ciasse 45 (1897) 1. Abh. S. 5 f. und 53. 13 Theonas ist die Koseform des Namens Theon. 1 Ich vermute als Heimat Theons einen kleinen, südlich von Oxyrhynchos gelegenen Ort am Nil (vgl. InUvoes Zeile n), für den Oxyrhynchos "die Stadt" ist. Quellen. I * Vgl. Blass S. 314. Brief Nr. 15: Pakysis an seinen Sohn. Wohltuende väterliche Grobheit 135 als Absender Theonas schreibt, den Kosenamen, mit dem der Vater das Söhnchen verhätschelt. Hat Theon der Ältere, an den ein solcher Brief möglich war, dem bösen Buben den Willen getan? Die Striche, die der Sohn unbewußt zum Porträt des Vaters gibt, verbieten es sicherlich nicht, diese Frage zu verneinen. 15. Brief des Ägypters Pakysis an seinen Sohn, etwa drittes Jahrhundert nach Christus, Ostrakon aus Theben, jetzt in der Sammlung Deissmann, entziffert von U. Wilcken l (Abbildung 26). Abb. 26. Brief des Ägypters Pakysis an seinen Sohn, etwa 3. Jahrh. n. Chr., Ostrakon aus Theben; jetzt in der Sammlung Deissmann. UaxiJoi* IIaraißd-io{:) töJ vlß /uov %(al(>eiv). Mrj dpTtloytforjf. nexä. otqcltuütov* [coi?]xijoars (4)xrf. ,u[rj$]i naqadi- [£t] atird]vy iate tl&a" n$de ij"£fi s 5 [ 1 tppcaoo. Pakysis Patsebthis' Sohn an meinen Sohn, Q(rufi)! Widersprich niditl Mit einem Soldaten* habt Ihr dort zusammen ge[w]ohnt. Nimm [ijhn aber nicht [auf], bis ich zu Euch 3 komme. 5 [ ] Leb wohl! In ihrer kümmerlichen Ärmlichkeit ist diese stark verblaßte Scherbe ein typisches Beispiel des antiken Armleutbriefes. Aber ob wohl der 1 Wilcken hat die Scherbe zweimal ge- prüft, zuerst Herbst 1904 und dann Anfang 1907. Jetzt ist nicht mehr alles 1904 noch Sichtbare zu lesen. 1 Die Interpunktion ist zweifelhaft. Ich dachte erst zu lesen ^ dvrdo/ifarjs vstA oTQant&xov disputiere nicht mit einem Sol- daten {uerd wäre dann gebraucht wie öfter im Neuen Testament und sonst nach noU- /uito). 3 ^ t uäs steht wohl sicher für tiuäe, wie un- zählige Male in den Handschriften des Neuen Testaments; die Verwechslung entstand durch die Gleichheit der Aussprache imas. 136 Brief Nr. 16: Der älteste christliche Originalbrief, ein Geschäftsbrief aus Rom. 10 15 offenbar besser situierte Vater Theon, den wir in dem vorigen Briefe kennen lernten, des wohltuend groben Widersprich nicht! unseres Pakysis im Ver- kehr mit seinem Sohne fähig gewesen wäre? 16. Brief eines ägyptischen Christen in Rom an seine Glaubensgenossen im arsi- noitischen Gau, zwischen 264 (265) und 282 (281) nach Christus, Papyrus aus Ägypten (wahrscheinlich dem Faijüm), jetzt in der Sammlung des Lord Amherst of Hackney in Didlington Hall, Norfolk, publiziert von Grenfell und Hunt 1 (Abbildung 27). ':r*- II Hfl 'h III 10 15 20 20 Abb. 27. Der älteste christliche Originalbrief. Brief eines ägyptischen Christen an seine Glaubensgenossen im arsinoitischen Gau, Papyrus, geschrieben in Rom zwischen 264(265) und 282 (281) n. Chr., jetzt im Besitz des Lord Amherst of Hackney und mit seiner Erlaubnis faksimiliert 1 The Amherst Papyri Part I Nr. 3 a, dazu das Faksimile in Part II Plate 25, das ich mit gütiger Erlaubnis des Lord Amherst of Hackney hier reproduziere (Abb. 27, in Ver- kleinerung ungefähr auf die Hälfte der Ori- ginalgröße). 25 Brief Nr. 16: Konsensus der Paläographen u. des Historikers. Bibelzeilen auf dem Brief. 137 Dieser Papyrus ist der bis jetzt bekannte älteste Originalbrief von der Hand eines Christen und trotz seiner starken Verstümmelung von hohem Werte. Die nach dem äußeren Charakter gegebene Datierung des Blattes durch die Entzifferer und ersten Herausgeber Grenfell und Hunt auf die Zeit zwischen 250 und 285 nach Christus ist durch eine Beobachtung Haknacks * glänzend bestätigt worden : er fand, daß der im Brief genannte "Papst Maximos" der Bischof Maximos von Alexandrien ist, der von 264(265) -282(281) nach Christus im Amte war. Für die Wiederherstellung des Textes ist bis jetzt wenig geschehen. Das Interesse wurde von Anfang an durch zwei andere Texte, die das- selbe kostbare Blatt außerdem brachte, wohl etwa s von dem Briefe selbst abgelenkt: einige Zeilen vom Anfange der Hebräerepistel sind von einer zweiten, ungefähr gleichzeitigen Hand über die zweite Kolumne des Briefes geschrieben 2 , während auf der Rückseite ein zuerst durch J. Rendel Harris erkanntes Fragment 1 Mose h- 5 nach der Bibeltibersetzung des Aquila mit vorausgehender Septuagintaparallele in einer Schrift der konstantinischen Zeit steht. Eine Ergänzung des Briefes hat meines Wissens bis jetzt nur C. Wessely 3 versucht. Mein eigener Versuch, der hier folgt 4 , trifft an mehreren Stellen unabhängig mit dem seinigen zusammen. Ich möchte nicht unterlassen, auf den zum Teil sehr hypothetischen Charakter der versuchten Ergänzungen besonders hinzuweisen. Aber anders als durch Kombinationen ist eine solche Aufgabe nicht zu lösen, und ich wäre der erste, der diese Ergänzungen zugunsten besserer preisgeben würde. Spalte I enthält Reste von 10 Zeilen, die von Grenfell und Hunt nicht entziffert sind. Eine Nach- prüfung am Original wäre sehr erwünscht; bloß nach dem Faksimile wage ich nichts zu sagen. Spalte II. x[ \vovv oov rja dvv[t&rt]S] 5 ..[.... i£o]8i&oai ttjv %^t&ijv[ . . . ] ix roti [atiroti] Xöyov [xai] p*, rd a^r[d] v npde airdv d[nd] xrjs % AX*£av8(>€la8. xal 7rpo] ie r[ijv\ A[Xe)£dv8^tav i£m8tao&rjvai n . 25 [Ürove).)" Ilavvi ij dnd "Pt&urj^. Spalte III. KaXdis o$v noujaavr[ee 7 d8eAa>oi i ] ahn}odßi£vo[i] i3 rd d&dv[ta. Mneird rt-] ves i£ j/u[ö]v u rdv a[ Xaßircoa-] 15 av trbr aöroTe 4f-opp[ijoavree npds] 5 Md£ijuov rdv ndna\y 16 xal ] n rdv dvayv[do]rtjv. xal [4v rrj *AXe£av8^ta] 7ioß?.rjcavj[es] rd 6&ö[via ixtlva rf|ö-] dtaorjre rd dpydpiov [Uftt/uurei-] vat ij Ma£tfta> rd" ndn[a dnoyftv dno-] 10 Xafiß6vovr[e]e 7iap* avr[ov. aörd£ 8k rijv) 47tidtfx[tjv 9 rijv ri/iijv roQ tJy' iudW] 7tmXo\yui]vov dp[rov xal r&v d&ovl-] 3 ¦- nupQovTjxivau 5 - dprove? 1 - dvaSöasie. 1 - aßreos. 4 - av/ußeßrjxvZa. • - ndXtv wie in dem Briefe des Theon an seinen Vater Theon oben Nr. 14. 7 = 7ie7tpd(xa)oiv7 * - xaraydyere. 9 b dvtjod/uevot? 10 dt&v ist von Grenfell und Hunt aus Epicharmos als Name eines Fisches belegt, aber hier als unwahrscheinlich bezeichnet worden. Mit Recht. Man wird mit Wessely dd-dvas als das beabsichtigte Wort vermuten dürfen (vgl/Spalte III). " - i£o8tao^vat. 12 Diese Zeile ist ebenso wie die ihr ent- sprechende in Spalte III in einer anderen Schrift geschrieben, als der Briefkörper, vgl. dazu oben S. 105 und 110. 13 Nach xaXßg nouiv steht hier wie im Briefe Theons an seinen Vater Theon (oben Nr. 14) nicht der Infinitiv, sondern ein para- taktisches Partizip; ähnlich konstruieren die Briefe The Oxyrhynchus Papyri Nr. 113er. und 116ar. ". m (beide 2. Jahrh. n. Chr.). Daß dieser Gebrauch aber viel älter ist, zeigt der Brief The Hibeh Papyri Nr. 82nr. ca. 238 v. Chr., der oben S. 55s zitiert ist. 14 mm <)fl6h>. 16 Diese Ergänzung ist nicht unbedenk- lich, da der Briefschreiber die Wörter sonst anders bricht. 16 Zum Titel ndn ae Papst vgl. Harnacks Ausführungen zu dem Briefe S. 989 ff. und unten den Brief des Kaor (Nr. 19). 17 Wessely vermutet hier den Namen Primitinus. Aber dieser ist in der Ortho- graphie des Schreibers zu lang. Brief Nr. 16: Die Händler und der Reeder Primitinos. Geschäftliche Abmachungen. 139 tov rd df/tiptov, napaxa l [ra&ia&o) 7tapa-] 3oi>: aärd Gsovd 2 , Iva abv [Beß 3 n apa-] 15 yevducvoe le rr)v *j4Xe£[dv3peiav] *$qo a aärd U rd d*>aXct>jua[rd /uov. prj] o$v d/ueiijoTjTe, d9eX. iQp]aJad'ai \>[uds eü%oitat.'\ ]aitaXa.[ 10 Spalte II. der Annfona] abliefern die Gerste 9 [ aus derselben] Berechnung [und] sie nicht dasselbfe] bedäfchtejn, was ja gesagt worden war als die Einlagfen abjgesandt wurden an ihn 10 v[on] Alexandreia. Und obwohl ich midi auf VorwändfeJ und Verzögerungen und Aufsahiebungen verl[eg]t habe, glaube ich nicht, daß [e]r il dies 12 [ohne] Grund so gewünscht hat. Wenn aber auch diese Über- fülle(tm), die eingetreten ist, eine Rechnungsablage jetzt vielleicht nicht ermöglichen sollte, so will ich doch, um meines Wohlbefindens willen 14 , 1 Grenfell und Hunt lasen naoaxo, aber nach dem Faksimile wäre auch napaxa möglich. s = Gsmvq. 3 Zu dieser Ergänzung vgl. Zeile is des Psenosirisbriefs (Nr. 17) 3rav iX&rj oi>v &ew. Die Formel ai>v &e

sind auch sonst öfter von dem Briefschreiber verwechselt. 5 7tapdTev£i£ ist ein neues Wort: Ver- kehr, persönliche Beziehung, vielleicht auch Fürsprache (vgl. tvrcvbs Bibelstudien S. 117 f. und 143 f.) Zu dyu&raroe vgl. schon Judasepistel so. Das Wort im Superlativ ist häufig im welt- lichen und kirchlichen Gebrauch. 7 Zu npot ortos Vorsteher im altkirch- lichen Sprachgebrauch vgl. Joh. Caspar Suicerus Thesaurus EcclesiasticusMI Trajecti ad Rhenum 1746, Sp. 840; zum späteren ägyptischen Gebrauch die Belege bei W. E. Crum Coptic Ostraca S. 113 des autogra- phierten Teils. 8 " rd£o> vgl. Zeile 16 ifyo. otifiytovoe steht in den Papyri häufig in ähnlichem Zu- sammenhang. Die Redensart ai>fnpmva dia- rdrtm belegt der Thesaurus Graecae Lin- guae aus Piaton Legg. 5 S. 746 E. 9 Hieraus darf wohl geschlossen werden, daß Getreidegeschäfte im Hintergrund des Briefes stehen. 10 Nämlich an Primitinos, der damals ebenfalls in Rom war. 11 Primitinos. 19 Die Zahlung des Geldes in Alexandria statt in Rom. 13 Der Brief ist vom Anfang Juni datiert oder signiert; man denkt daher zunächst an eine ungewöhnlich gute Ernte und einen da- durch stark gesteigerten Geschäftsverkehr. 14 Vgl. die letzten Zeilen der Spalte III. Der Brief Schreiber will ein gutes Gewissen dem Primitinos gegenüber haben. 140 Brief Nr. 16: Geistliche Vertrauensleute: der Papst Maximos u. sein Schaffner Theonas. 15 20 25 10 15 das Befzahljen gern riskieren K Wenn aber Brote wie- der verkauft haben, in kfujrzem kom- men zu der Nilos* und dem Vater Apollonis* nach A . . t a. Und sie haben geschrieben, daß das Geld sofforft an Euch aus- bezahlt werden solle. Bringt Ihr es denn hinab nach Alexandria, nachdem Ihr Linnen bei Euch im Arsinofe/itisdien gekauft habt. Denn das habe ich mit Preimeiteinos aus- gemfajdit, daß das Geld ihfmj ifnj Aflejxandria ausbezahlt werde. [(Jahresdatum).]'/ Pauni 8*. Von Rom. Spalte III. Ihr werdet also gut tufn 5 , Brüder J das Lein[en] zu kaufe [n. Dann sollen eini-J ge von E[u]ch den . [ neh-] men und mit dem Leinen* abreißen zu] Maximos dem Papsft und J dem Lektfojr. Und [in Alexandria] verkauf ft] jenes Leifnen und be-] zahlt das Geld [dem Preimeitei-J nos oder 1 Maximos dem Papfste aus, worüber Ihr eine Quittung] von ih[m] in Empfang neh[m]t. [Er aber soll den] Mehrbetrag, den Preis des von Euch] verka[uf]ten Broftes und das Lei-] nengeld, in Verwahrung nehmen zu Hän-] den des Theonas 9 , damit, wenn idi mit [Gott nach] Alex[andria] gekommen sein werde 9 , iah es für [meine] Ausgab[en] vorfinde. [Ver-] säumt es also [nicht], Brüde[r, in Bälde] dies zu erledigen, damit nicht [Preimei-J teinos, um meines Ter[mines n willen in] 1 Das Wort ist wohl scherzhaft gemeint. Wilcken schlägt vor: so will ich. doch im Interesse des Anstandes gern das Opfer bringen. * Wenn Nilos nicht sichere Lesung ist, würde ich einen weiblichen Namen erwarten, etwa Nilüs (vgl. oben den Brief Nr. 11). Das Wort vorher würde dann Schwester sein 3 Apollonis ist Kurzform für Apollonios. Harnack hat angenommen, daß Vater der Titel für den Provinzialbischof ist, und in Apollonios den Bischof der betreffenden Ge- meinde im arsinoitischen Gau gesehen (S. 991 vgl. auch Geschichte der altchristlichen Lite- ratur II 2 S. 180). Ich halte das nicht für wahr- scheinlich, sondern glaube eher, daß der Brief- schreiber von seinem wirklichen Vater (und vorher eventuell von seiner Schwester) spricht. * - 2. Juni. 5 Im griechischen Text steht das Zeit- wort im Partizipium, eine Nachlässigkeit des eiligen Briefschreibers. 6 Oder: Dann sollen einige von Euch den mit sich {atirois) nehmen und abreisen zu . . 7 Wenn nämlich Primitinos noch nicht in Alexandria angekommen ist. 8 Theonas ist also wohl der derzeitige Finanzbeamte des Papstes. Harnack ver- mutet in ihm sehr ansprechend des Maximos späteren Nachfolger Theonas, der 282 (281)- 300 n. Chr. Papst von Alexandria war. 9 Also der Briefschreiber hat die Ab- sicht, demnächst von Rom nach Alexandria zu kommen. 10 Der mit Primitinos verabredete Termin der Zahlung des Geldes. . Brief Nr. 16: Die Christen in der Welt. Ein anderer Geschäftsbrief aus Rom. 141 20 Alexandreia verweilen muß, [im Begriff sich einzuschiffen/ nach Rom \ sondern damit iah, wie er uns [genützt hat durch die Be-J Ziehungen zu dem Papste und den in se[iner Umgebung befindlidien hoch-] würdigsten Vorstehern], [ihm Dank] abstatte und alles harmonisch erledige [für Euch und A-J 25 gathobuflos*. Möge es] Efuch wohl er] gehen [, das wünsdie ich.] I P Versuchen wir nunmehr die Situation des ehrwürdigen Dokuments zu enträtseln; daß unser Versuch überall da problematisch ist, wo es die Ergänzungen sind, braucht wohl nur angedeutet zu werden. Wir können über den Text dieses ältesten christlichen Original- briefes die zwei Menschenalter vor ihm geschriebenen Worte Tertullians 4 setzen: Wir treiben Schiffahrt . . und sind im Ackerbau und Handel beschäftigt. Die Christen, deren Tun und Treiben in der Generation vor dem großen Sturm der diokletianischen Verfolgung wir hier aus dem Versteck beobachten können, stehen mitten in der Welt, ums tägliche Brot nicht bloß betend, sondern auch damit Handel treibend; sie kauften, sie verkauften! Christen 5 einer Ortschaft in dem fruchtbaren arsinoitischen Gau 8 Ägyptens haben im fernen Rom 7 einen Vertrauensmann, dessen Namen wir nicht kennen, dessen Brief und Griechisch wir aber wohl im Original vor uns haben: rauhe schwerfällige Schriftzüge im Haupttext des Briefes, eine etwas flüssigere Schrift in den vielleicht eigenhändigen Schlußzeilen, volkstümlich wilde Orthographie und die Syntax der Ungelehrten. Ihm zur Seite als zweiter Vertrauensmann steht vielleicht Agathobulos 8 . Die Abwickelung von Getreidegeschäften 9 ist ihre Aufgabe. Ein ungefähr gleichzeitiger Brief eines gewissen Eirenaios in Rom an seinen Bruder Apolinarios ebenfalls im arsinoitischen Gau 10 gibt uns ein anschauliches Bild solcher Geschäfte: der Mann ist am 6. Epiph in Italien gelandet, war am 18. Epiph mit dem Ausladen des Getreideschiffes fertig und ging am 25. Epiph nach Rom, und der Ort nahm uns auf, wie Gott es wollte n ; dann mußte Eirenaios allerdings auf die Erledigung 1 Primitinos ist also zur Zeit in Alexan- lieh ist, vgl. meine Notiz Veröffentlichungen drien, will aber nach Rom zurück, wo er ja aus der Heidelberger Papyrus -Sammlung I auch nach Spalte II vorher gewesen war. S. 101 und die unten folgenden Briefe des 2 Wenn unsere Ergänzung im Prinzip Psenosiris, des Justinos und des Kaor. richtig ist , würde Agathobulos an der Er- 4 Apol. 42 Navigamus . . . et rustica- ledigung der im Briefe behandelten Geld- mur et mercatus proinde miscemus. sache hervorragend mit interessiert sein; ft Spalte IIIit (Uli). Q Hur. MI", vielleicht ist er neben dem Brief seh reiber 8 HI". e II". der Vertrauensmann der arsinoitischen Chris- l0 Berliner Griechische Urkunden Nr. 27. ten in Rom. 1! Um dieser Notiz willen hat man auch 3 Die Buchstaben anala spotten jeder diesen Brief für christlich gehalten ; die Frage sicheren Ergänzung. Ob der Papas noch ist trotz Wilckens ablehnender Antwort einmal genannt ist? Der Briefschluß mit (Archiv für Papyrusforschung 4 S. 208 f.) noch dem Votum scheint übrigens nach rechts offen ; die anderen Briefe desselben Personen- eingerückt zu sein, was später ganz gewöhn- kreises beweisen nicht, daß Eirenaios ein 142 Brief Nr. 16: Die Situation des ältesten christl. Briefes. des Handels von Tag zu Tag warten: bis heute ist noch keiner {von uns) mit den Getreidegeschäften fertig geworden. Solche Arbeit hat wohl auch unser Brief Schreiber, und der Mann, mit dem er es gerade jetzt zu tun hat, heißt Primitinos 1 : ihm hat er Geld zu bezahlen 2 . Geld für Getreide kann das nicht wohl sein, denn es ist anzunehmen, daß die Leute von Ägyptenland Getreide verkauften, nicht daß sie kauften. Also wird Primitinos wohl die Fracht für den Transport zu beanspruchen haben und Reeder sein. Dazu würde gut stimmen, daß er bald in Rom, bald in Alexandria ist 3 . Gerade jetzt wird er in Alexandria erwartet oder ist schon dort 4 , um aber bald wieder nach Rom zurückzufahren 5 . In Alexandria will er vorher sein Geld in Empfang nehmen: so hat er es in Rom mit dem Briefschreiber ausgemacht". Diesem wäre zwar ein anderer Zahlungsmodus lieber gewesen, und er hatte deshalb zuerst alle möglichen Ausflüchte versucht 7 , aber er war dann doch zur Überzeugung gekommen, daß Primitinos seine guten Gründe habe 8 , und es liegt dem Briefschreiber jetzt selbst viel daran, dem Mann das Übereinkommen zu halten. Denn ihm, dem alexandrinischen Reeder, verdanken die Christen des arsinoitischen Gaus nahe Beziehungen zu dem Papste von Alexandrien, Maximos, dem Lektor N. N. und anderen kirchlichen Respektspersonen der Weltstadt 9 . Und obwohl die gute Ernte das Getreidegeschäft stark belebt hat und die Rechnungsablage sich jetzt vielleicht doch noch auf eine spätere ruhigere Zeit verschieben ließe 10 , drängt er auf baldigste Erledigung: er will ein gutes Gewissen haben 11 , vertragstreu handeln 12 und nicht undankbar erscheinen 13 . Wenn aber die Arsinoiten einmal Leute 14 auf die Reise nach Alexandria schicken, um Primitinos zu bezahlen, so sollen sie dabei als gute Geschäftsleute zugleich etwas verdienen: heimisches Linnen sollen sie mitnehmen 15 und in der Hauptstadt verkaufen 18 , dann bleibt nach Be- zahlung des Primitinos 17 noch ein hübscher Überschuß 18 , den sie mit dem Erlös aus anderen Geschäften 19 dem Papste Maximos 20 , d. h. in Wirklich- keit dessen Schaffner Theonas 21 einhändigen sollen als Depot zur Ver- fügung des nach Alexandria demnächst, so Gott will, zurückkehrenden Brief Schreibers 22 . Schon früher haben sie vielleicht solche "Einlagen" 23 in Alexandrien gemacht. Heide war. Es ist nicht völlig ausgeschlossen, daß auch Eirenaios ein Beauftragter der christlichen Getreidehändler des arsinoitischen Gaus war: er spricht von einer Mehrzahl von Kollegen. Der Brief ist vom 9. Mesore (2. August) datiert. 1 II" r. 3 Ib. 8. IIb r. 18 f. III-JO. 11 . 2 IIu ff 4 IIb r so. IIb 8 Hrn.- 10 UtOfl. 13 IIb. 16 Ilbr. 7 Ib ff . 11 IIu. 14 Hbf. 17 Ilbfr. Ib Ilbi, 18 II" ff. IIIl4. 18 Ibi(?). Ilbr. 18 Hin. 19 Vgl. die Ilisrr. stehenden, jetzt leider sehr dunkelen Andeutungen über den Brot- verkauf. 22 IHuff. IIW. 23 Ib r. 21 III 13 f. Brief Nr. 16: Der soziale Zusammenhalt des vorkonstantin. Christentums. - Brief Nr. 17. 143 Dies ist der kirchengeschichtlich interessanteste Teil des Briefes: ägyptische Christen in der Provinz bedienen sich in ihren Geldangelegen- heiten des ersten Klerikers ihres Landes als ihres Vertrauensmanns! Das Zwischenglied zwischen christlichen Getreideverkäufern im Faijüm und ihren Agenten in Rom ist nicht irgend ein Trapezite, der mitverdienen will, sondern der Papas von Alexandrien ! Gewiß kein schlechtes Zeichen für den sozialen Zusammenhalt der zerstreuten Gemeinden und für die Hülfsbereitschaft der kirchlichen Führer auch in den weltlichen Angelegen- heiten ihrer Glaubensgenossen. Darum ist dieser älteste christliche Originalbrief, obwohl er - Gott sei Dank - gar nichts Dogmatisches enthält, doch ein ungewöhnlich bedeutsames Dokument des vorkonstantinischen Christentums, ganz ab- gesehen von seinem äußeren historischen Werte, den Harnack bereits genügend ins Licht gestellt hat. Jedenfalls war das Blatt nicht unwürdig der wuchtigen Zeilen aus dem griechischen Alten und Neuen Testament, mit denen es später beschrieben wurde und auf uns gekommen ist. 17. Brief des christlichen Presbyters Psenoslris an den christlichen Presbyter Apollon in Kysis in der OroSen Oase, Anfang des 4. Jahrhunderts nach Christus, Papyrus aus der Großen Oase, jetzt im British Museum , publiziert von Grenfell und Hunt ! (Abbildung 28)*. Dieses "Originaldokument aus der diocletianischen Christenverfol- gung" habe ich 1902 zum Gegenstand einer besonderen Untersuchung gemacht. 3 Die umfangreiche Literatur, die das kostbare Blatt seitdem hervorgerufen hat, habe ich bereits notiert 4 und bemerke hier nur, daß ich in meiner Auffassung des Briefes inzwischen durch die wesentliche Zu- stimmung fast aller Autoren bestärkt worden bin. Ich drucke den Text hier mit einigen für meine Erklärung des Briefes irrelevanten Verbesse- rungen 5 ab, füge die entsprechend abgeänderte Übersetzung hinzu und verweise im übrigen auf meine Schrift sowie auf die sonstige Literatur. 1 Greek Papyri, Series II, Oxford 1897, Nr. 73. * Diese Abbildung gibt fast die origi- nale Größe des Blattes wieder. 3 Ein Original -Dokument aus der dio- cletianischen Christenverfolgung, Tübingen und Leipzig 1902 (englisch u. d. T. "The Epistle of Psenosiris" London 1902, cheap edition 1907). 4 Oben S. 23. 6 Am 4. Oktober 1906 prüfte ich den Papyrus am Original im British Museum und überzeugte mich, daß Grenfell und Hunt in Zeile 13 richtig *( avrtov gelesen hatten, ebenso in Zeile 1 Vevooipi, und daß in Zeile 9 nicht eis ro *om steht, sondern wie Wilcken inzwischen gesehen hatte, "ff ro eyco. Das könnte ein Ortsname sein: eis Toeyd>, aber es ist wahrscheinlicher ein Schreibfehler für eis td ioa>. 144 Brief Nr. 17: Psenosiris an Apollon. Eine in die Oase verbannte Christin. frrtCfaVr^- io H*iw\.tf7?*< >rfc* 15 20 p i Abb. 28. Brief des christl. Presbyters Psenosiris an den christl. Presbyter Apollon in Kysis (Große Oase), Papyrus, Anfang des 4. Jahrh. n. Chr. (Dioclet. Christenverfolgung), jetzt im British Museum. Brief Nr. 17: Politike und die Totengräber. Der Sohn Neilos. - Brief Nr. 18. 145 10 15 *Fevoo(f>i npsoß[vr£\paj 'AnöXXtvvi npeoßvripat dya7irjT& d3el(pc5 iv K{ypl)ot %alpsiv. itQÖ rd>y 6Xa>v noXXd ae dona- tio uas xoä *oi>s napd aol ndvrae ddskpoüe 4r B(t)&. ytrc&axctv ae &ilt", ddeXtpi, Sri ol vexpo- tdtfoi irrjvö%] nepl &v öiXstS Ivzav- 20 &a tfdiate noioüvTu ippßa&al os sü%ouai l* K(vpi)a> S(e)ö. Psenosiris dem *fc Presbyter an Apollon den Presbyter, seinen geliebten Bruder im Herrn, Gruß! Vor allem grüße ich Dich viel- mals und alle bei Dir befindlichen Brüder in Gott Wissen lassen möchte idi Didi, Bruder, daß die Toten* gröber hierher in das Innere l die Politike gebracht haben, die in die Oase gesandt ist von der Regierung. Und ich habe sie den Trefflidien und Gläu- bigen unter diesen Totengräbern in Obhut übergeben bis zur An- kunft ihres Sohnes Neilos. Und wenn er mit Gott gekommen ist, wird er Dir von allem Zeugnis geben, was sie an ihr ge- tan haben. Tue mir aber auch Deinerseits kund, was Du hier getan haben möditest; ich tue es gern. Ich wünsche Dir Wohlergehen im Herrn Gott. Auf der Rückseite die Adresse: IdnöXiwn X Ttapd *Psvoofp*o[e] nptaßvriptü X npeaßvxipov iv K{vpf)w. An Apollon X von Psenosiris den Presbyter X dem Presbyter im Herrn. 18. Brief des Ägyptischen Christen Justinos an den Christen Papnuthios, Mitte des 4. Jahrhunderts nach Christus, Papyrus aus Ägypten, jetzt in der Universitätsbibliothek zu Heidelberg, publiziert von Deissmann 2 (Abbildung 29 3 ) . Ich gebe hier nur Text und Übersetzung des für die christliche Volksreligion Ägyptens im Zeitalter des Athanasios und des Pachomios typischen Briefes und verweise für das übrige auf meine Ausgabe, die einen ausführlichen Kommentar gibt. 1 Oder (unwahrscheinlich) hierher nach Toßgo. 1 Veröffentlichungen aus der Heidel- berger Papyrus -Sammlung, I (Die Septua- ginta-Papyri und andere altchristliche Texte) Heidelberg 1905, Nr. 6 (S. 94-104). Deissmann Licht vom Osten. 3 Diese Abbildung verkleinert die Ori- ginalgröße um ein Drittel. Sie zeigt links den Brieftext, rechts einen Teil der Rückseite mit der Adresse. 10 146 Brief Nr. 18: Justinos an den frommen Papnuthios. Ein gesalbter Brief. 10 15 20 25 Jrt n~i n # t-> a* <$j a^t **?" : " ; - f *f '"^W'^f •/t Abb. 29. Brief (mit Adresse) des ägyptischen Christen Justinos an den Christen Papnuthios, Papyrus, Mitte des 4. Jahrh. n. Chr.; jetzt in der Univ.-Bibliothek Heidelberg. [Tai xv q ico fiov xai dya7irjTß] [Adeltpcö üanvov&iio Xptjoro-] [(fÖQov *fovoTlvos %alqetv^ ¦ \ i 5 r\\y iSet ypa]y>ijv[a]i n[QÖs rijv] or]v %?[i]OT6T]T]Tar, xtiqie uov dyamzi. maxtvouev ydf ttjv noXiT(a[v a]ov %vv ovQavw. iyld'ev &eo(>ovuiv ae töv [Meinen Herrn und geliebten] [Bruder Papnuthios, Chresto-] fphoros' Sohn, grüßt Justinos.] .[ ] d[en ich schreiben sfollte] afn] Deine Gü[tig]keit, mein geliebter Herr. Glauben wir doch an Deinen Wandel als Bürger im Himmel. Daher betrachten wir Dich als den Brief Nr. 18: Der bibelfeste Sünder Justinos. Das Bischen öl. - Brief Nr. 19. 147 10 Seanörrjv xai xerdv (7t)a[r]^(o[va]. tva oiv ftl) noXXd ypd xai C. eis ydp lpt1 rcv d/uapTovAov*. naqaxa- 20 Xd> xnraiimaov diieo&ai tö fiixQÖv kXiov Std ro€ dSeX- ) ndvrss roi>s d- 8eX. ippoj- 25 fiivov os ij &i- a npdroia X.O), xr&Qie dya7trjr[f\. Gebieter und neuen (P)aftJrofnJ. Um nun nicht durch vieles Schreiben zum Schwätzer zu werden (denn "mit vielem Gerede verfallt man sicher der Sünde*) 1 , ersuche ich also, Gebieter, daß Du meiner gedenkest in Deinen heiligen Gebeten, da- mit wir Anteil erhalten können an der Läuterung von den Sünden. Denn einer der Sünder bin ich*. Ich ersu- che: geruhe anzunehmen das Bischen öl durch unsern Bru- der Magarios. Vielmals grüße (ich) alle unsere Brü- der im Herrn. Ge- sund möge Dich die gött- liche Vorsehung bewahren auf sehr lange Zeit im Herrn Christus, geliebter Herr. Auf der Rückseite die Adresse: 30 [tot xvqIco] fiov xai dyanrjrß dSeXtpcü üanvovdlm Xpt]OToa>dp[ov] nag I Vovortvov' Meinem [Herrn] und geliebten Bruder Papnuthios, Chrestophoros' [Sohn] t von Justinos. 19. Brief des Papas Kaor von Hermupolis an den Offizier Flavios Abinnaios zu Dionysias im Faijüm, ca. 346 nach Christus, Papyrus aus Ägypten, jetzt im British Mu- seum, publiziert von Kenyon 3 (Abbildung 30). Dieser kleine Text gehört zu den schönsten Papyrusbriefen. Wie die Situation derjenigen des Paulusbriefes an Philemon ähnelt, so kann der Brief des Papas an den Offizier auch sachlich jenem anmutigen kleinen Apostelbriefe an die Seite gestellt werden, obwohl der Papst dem Apostel nicht das Wasser reicht. 1 Justinos zitiert hier die Septuaginta Sprüche 10i" in einer sehr interessanten Textform. 2 Dieses Sündenbekenntnis ist wohl schwerlich so echt empfunden, wie das pec- cavi des verlorenen Sohnes Antonis Longos (oben Brief Nr. 11). 3 Greek Papyri in the British Museum Catalogue, with Texts, vol. II, London 1898, S. 299f. Nr. 417. Das Faksimile steht auf Plate 103 und ist von mir hier mit gütiger Erlaubnis des British Museum reproduziert (Abb. 30). 10* 148 Brief Nr. 19 : Der Dorfpriester Kaor an den Kavallerieoffizier Abinnaios. "- ~\r ¦ -^ 15 ; \ \ . . .. '.*¦ Brief des Papas Kaor von r nnaios zu Dionysias im Faijüm, vi British Museum und mit Erlaubnis Abb. 30. Brief des Papas Kaor von Hermupolis an den Offizier Flavios Abinnaios zu Dionysias im Faijüm, Papyrus, ca. 346 n. Chr. ; jetzt im British Museum und mit Erlaubnis des Museums reproduziert. Brief Nr. 19: Der Dorfpriester und die Offizierskinder. Der Deserteur Paulos. TM9 10 15 T(o deonÖTr] po v xal dyanrjxß ASelf& Jtflsivia" npai 1 Kdop* n&nai 'EpuovTiöXecoe %a£eiv*. dondgapat* rd nedla* aov noXXd. yivöontv* os &iXa> f xtiote, n[fpi] HaüXca ro€ oxoaxiöxrj 1 ntol trje ¥vyv*t owxwQtjoe* tvörov xo€xto xd &ßa(* t *T"" [S]amuel und Jakob und Aron, wir schreiben] unserm heiligen Vater Apa Abraham, dem Bischof 1 . Nachdem 3 wir Deine Vaterschaft 5 aufgefordert haben*, uns zu Diakonen 6 zu weihen 1 ', sind wir bereit 1 , die Gebote* und die Kanones* zu halten und auf unsere Oberen zu hören und den Oberen untertänig zu sein 10 und zu wachen 10 auf unserm Lager an den Tagen der Kommunion " und zu . . . das Evan- gelium 12 nach 1S Johannes und es auswendig zu lernen u Rückseite. bis zur Vollendung von Pfingsten. Wenn wir es nidit auswendig lernen und ablassen es einzuüben 1 *, soll keine Mand(auflegung) auf uns kommen. Und nicht sollen wir 5 Handel treiben und Zins nehmen und in die Fremde gehen ohne Ansuchen. Ich, Himai und Apa Jakob Sohn des Hiob, wir sind Burgen für Samuel. Ich, Simeon und Atre, wir sind Bürgen für Jakob. Ich, Pather(mute) [der] Presbyter xt und Moses und Lassa, wir sind Bürgen 10 für Aron. Patermute, dieser geringste 11 Presbyter x% , ich bin gebeten 1B und habe diese Tafel** geschrieben und bin ZfeugeJ. Man würde gern wissen, wie wohl das bischöfliche Archiv des heiligen Vaters Apa Abraham ausgesehen hat, das solche Eingaben auf Scherben- 1 aufzubewahren hatte. Wahrscheinlich ebenso primitiv wie die Scherbe selbst ist, und ebenso primitiv, wie die geistige Ausrüstung der drei angehenden Kleriker Samuel, Jakob und Aron, die ja ihr ganzes Wissen, Können und Wollen auf dieser Scherbe ausbreiten. Oder viel- mehr durch den geringsten Presbyter Patermute ausbreiten lassen, da sie selbst, es kann nicht länger verschwiegen werden, vielleicht nur lesen, aber nicht schreiben können. Die drei Trefflichen stehen vor der Ordination zum Diakonat; aber bevor die Hand des Bischofs auf sie kommt, müssen sie die Bedingungen erfüllen, die durch die heiligen Ordnungen 22 verlangt werden. Sie müssen 1 Mit dem Christusmonogramm beginnen die koptischen Briefe meistens. * inloxonoe. 3 tocidtj. A Ttapaxa- hXv. * Sidxovoe. • %ei(>oTovelv. 7 trotftos. 8 ärrolai. 9 xavdve*. 10 inordoaead'at. il awdyeiv. 12 röayyiliov. 13 xard. u Anoarrj- &t£eir. 1B fielerav. ie 7iQeoß(örepo6). 17 ild%taroe. 18 7tqt(o ßvrcqos). 19 atxflv. 20 nlAt 21 Crum hat S. 9 f. noch eine ganze An- zahl ähnlicher Eingaben von Kandidaten publiziert. 22 Vgl. die ausgezeichneten Nachweise von Crum S. 9 aus den ägyptischen kirch- lichen Rechtsquellen, die ich im folgenden benutze. 154 Brief Nr. 20: Evangelientexte auf Scherben. Der Bildungsgrad der Scherbenkleriker. bereit sein, erstens die Gebote J und Regeln 2 zu halten, zweitens den Vor- gesetzten gehorsam zu sein, drittens ihre Lagerstatt zu bewachen 3 an den Tagen der Kommunion, viertens keinen Handel zu treiben und Zins zu nehmen, fünftens die Residenzpflicht zu erfüllen. Aber dies alles macht ihnen wohl nicht soviel Mühe, wie eine Sonderbedingung, die der Bischof ihnen auferlegt hat. Wie Apa Abraham anderen Kandidaten aufgegeben hat, das Evangelium nach Matthäus 4 oder nach Markus 5 oder ein Evan- gelium 6 oder ein ganzes Evangelium 7 auswendig zu lernen, oder das Evan- gelium nach Johannes zu schreiben 8 , und wie Bischof Aphu von Oxyrhynchos von einem Diakonatskandidaten bei der Ordination fünfundzwanzig Psalmen, zwei Paulusbriefe und einen Teil eines Evangeliums auswendig verlangte 9 , so lautet das Pensum unserer drei Freunde, daß sie das Evangelium nach Johannes bis nach Pfingsten auswendig zu lernen und seine Re- zitation einzuüben haben 10 . Widrigenfalls sie nicht ordiniert werden können. Diese Bestimmung setzt eine Art von Examen durch den Bischof vor der Ordination voraus. Daß die Kandidaten Bürgen stellen, der eine drei, die beiden anderen je zwei, entspricht ebenfalls den kirchlichen Bestimmungen n . Merkwürdig kümmerliche Zustände enthüllt dieser Scherbenbrief allen denen, die sich junge ägyptische Kleriker dreihundert Jahre nach dem Sieg des Christentums nur als Theologen mit origeneischem Wissen vor- stellen können. Von einem Rückgang der Bildung wird man aber des- halb in diesem Falle doch nicht reden dürfen: die durchschnittliche Bildung des Klerus wird in dieser ländlichen Abgeschiedenheit niemals größer ge- wesen sein. Und der Bischof Abraham von Hermonthis mit seiner Sym- pathie für das Anachoretentum war wohl nicht berufen, die Bildung seiner Leute zu heben. Die zahlreichen auf das Schreibmaterial der Ärmsten geschriebenen Dokumente von seiner Hand oder doch aus seiner Kanzlei, 1 Gottes und des Bischofs; das ergibt sich aus den verwandten Scherben. a Der Kirche. 3 Crum denkt hierbei an sexuelle Ent- haltsamkeit der Verheirateten (Postkarte Alde- burgh, 13. September 1907). Man könnte den Ausdruck m. E. aber auch vom Durch- wachen der Nächte vor der Kommunion er- klären. 4 Ostrakon Nr. 31 (S. 9) bei Crum. 5 Ostrakon Nr. Ad. 7 (S. 10) bei Crum. Ostrakon Nr. 34 (S. 10) bei Crum. 7 Ostrakon Nr. 39 (S. 11) bei Crum. " Ostrakon Nr. 37 (S. 10) bei Crum. Dieses Ostrakon wirft wohl einen Lichtstrahl auf die Entstehung unserer auf Scherben ge- schriebenen Evangelientexte (oben S. 30 ff.). Wir könnten vermuten, daß sie von angehen- den Klerikern auf Geheiß des Bischofs ge- schrieben wären. Unsere allgemeine Beur- teilung würde dadurch nicht verändert wer- den ; diese Scherben-Kleriker sind keinesfalls der Bildungsschicht zuzurechnen, sondern gehören zum unliterarischen Volk. 9 Nachweise bei Crum S. 9, daselbst noch andere Belege. 10 Wer die Geschichte des Auswendig- lernens schreibt, wird die ähnlichen Erschei- nungen im Judentum und Islam nicht igno- rieren dürfen. Altchristliches Material gibt E. PREUSCHEN Byzantinische Zeitschrift 15 (1906" S. 644. 11 Vgl. Crum S. 9. Brief Nr. 21 : Bannbrief des Bischofs Abraham von Hermonthis (?). 155 die Crum publiziert hat, zeigen ihn als Mann der Praxis und insbesondere als Mann der Disziplin. 21. Brief wahrscheinlich des ägyptischen Bischofs Abraham von Hermonthis (?) an seine Diözesanen, ca. 600 nach Christus, koptisches Ostrakon aus Aegypten, jetzt im Besitz des Egypt Exploration Fund, publiziert von Crum " (Abbildung 32). Über die Adressaten dieses bischöflichen Briefes kann man im Zweifel sein. Es handelt sich um die Exkommunikation eines gewissen Psate, der sich gegen die Armen vergangen hat. Adressatin des Briefes könnte also die Gemeinde des Psate sein, aber es ist ebensogut möglich, daß der Bannbrief an alle Gemeinden der Diözese in Abschriften geschickt worden ist 2 . $ ifi'U *. Bannformeln. ob es daselbst aber nicht einen weiteren Sinn hat, darf doch gefragt werden, etwa ins Elend bringen x . In einem alten griechischen Pönitential- buche 2 steht das Wort in der Frage des Beichtvaters an den Beichtenden wahrscheinlich in der Bedeutung zur Unzucht verführen. Weitere Stellen sind mir nicht bekannt. In unserer Scherbe passen die Bedeutungen ver- kuppeln oder zur Unzucht verführen, wie schon Crum und Carl Schmidt bemerkt haben, nicht besonders gut, obwohl sie nicht völlig auszuschließen sind; ich vermute eine weitere Bedeutung bedrücken, ins Elend bringen, die ich auch in Carl Schmidts Übersetzung stehen gelassen habe. Vorderseite. Da (toteiSij) mir berichtet ist, daß Psate die Armen bedrückt 1 and mir gesagt ist*: *Er bedrückt * uns [und] macht uns arm und elend* - : wer bedrückt* seinen Nächsten, ist ganz und gar verworfen 1 und gleicht Jud- 5 as, der sich erhob 9 bei[m] Mahle 9 mit seinem Herrn und ihn verriet* , wie 11 geschrieben steht: "Der da isset mein Brot, hat seine Ferse wider mich erhoben* 1 *. [Wer] bedrückt l3 seinen Nächsten, ist ganz und gar verworfen und gleich[t] dem Menschen, zu dem Jesus gesagt hat: "Besser wäre es ihm, 10 wenn er nicht geboren wäre* lA , d. h. Judas. Wer bedrückt f * seinen [NJächsten, ist ganz und gar verworfen und gleicht denen, die in sein Antlitz spuckten(tm) und ihn auf den Kopf schlugen 11 . Wer bedrückt 1 * seinen Nächsten, ist ganz und gar verworfen und gleicht dem Giezei, dem 15 der Aussatz des Naiman anhing und seinem Samen 19 . Der Mensch, der bedrückt* [seinen] Nächsten, ist ganz und [gar] verworfen und gleicht dem Kain, [dem] Brudermörder. 20 [Der] Mensch, der [be]drückt il Rückseite. seinen Nächsten, ist ganz und gar verworfen und gleicht dem Zambrei, [dem] 1 Der pavti£a>v steht neben dem, der falsche Furchen zieht, falsch mißt, falsch wiegt und auf seines Nachbarn Acker sät (?). 2 Herausgegeben von Jo. Morinus in seinem Commentarius Historicus de Disciplina in Administratione Sacramenti Poenitentiae, den ich in der Ausgabe Venetiis 1702 be- nutze, S. 466 ifiwöho&e rtva; hast Du einen Menschen zur Unzucht verführt? 3 uavXi^eiv. 4 Carl Schmidt vermutet hier einen Schreibfehler. 6 uavXi&ir. 7 Crum übersetzt is excluded from the feast. 8 Carl Schmidt zieht vor der ge- sessen hat. 9 StTnvor. 10 napaSiSövai. ll xard. 12 Psalm 40 [41]io in der Fassung von Joh 13ib. l3 ftavU&w. 14 Matth26i4=* Mark 14". 10 Matth 26*7 1 Mark 14". 17 Ebenda. Auf den Kopf ist ungenau. 18 pavXt&iv. 19 oniQua. Angespielt ist auf 2 Könige 5s?. 20 pavli&tr. 21 uavll^eii . Brief Nr. 21 : Altkirchl. Bannformeln. Urchristl. Stimmungen. - Brief und Epistel. 157 10 15 Herrnmörder l . Wer bedrückt 1 seinen Nächsten, ist ganz und gar verworfen und gleicht dem Jeroboam, der [bedrückte ?] Israel, sündigend (?) \ Wer bedrückt* seinen Nächsten, ist ganz und gar verworfen und gleicht denen, die anklagten DanieflJ den Propheten*. Wer bedrückt 9 seinen Nächsten, ist ganz und gar verworfen und gleicht denen, die anklagten Su- sanna 1 . Wer aber* seinen Nächsten bedrückt 9 , ist ganz und gar verworfen und gleicht den Menschen, die schrieen: "Sein Blut über uns und unsere Kinder!* 10 . Der Mensch, der bedrüdtt n seinen Nächsten, ist ganz und gar [verfworfen und gleicht den Soldaten 12 , die gesagt habefnj: "Saget aus, daß seine Jünger 13 gekommen sind bei Nacht und ihn stahlen, während wir schliefen" u . Besonders originell ist dieser bischöfliche Brief, den wir als eine Art von Bannbrief betrachten dürfen, nicht; es ist zweifellos, daß fast alles altes Gut und daß auch die Monotonie der Exkommunikationsformeln über- nommen ist 1 *. Aber volkstümlich verständlich und wirkungsvoll ist dieses Aktenstück der bischöflichen Disziplin zweifellos gewesen, und in der Strenge gegen Psate, der sich an den ^Armen" vergangen hatte, wirkten echt urchristliche Stimmungen nach. 4. Einundzwanzig Briefe aus alter Zeit haben wir in unserem Buche zusammengestellt. Würden wir bloß ihren Text abgedruckt haben, Seite für Seite, so könnte jemand bei raschem Durchblättern glauben, kleine Reste antiker Literatur vor sich zu haben, so wie Witkowskis prächtige Sammlung von Briefen der Ptolemäerzeit, die zufällig in die Bibliotheca 1 2 Könige 9ji ZaußQil 6 fowvrje roü HvQiov atixoV Simri der Mörder seines Herrn. I ftavUb*. " 1 Könige 12so. 4 /tavli&tr. B npofpijrrj*. Daniel 613.14. 6 uavU&iv. 7 Susanna w ff . 8 Bd. 9 uavlfC.eiv. 10 Matth 27". " fiavtibiv. 12 Das ist ein kleiner Irrtum des Bischofs; das Wort ist zu, nicht von den Soldaten ge- sprochen. 13 fia"rirai. u Matth 28i3. II Vgl. zur Judas -Stelle und zur Form überhaupt den oben zitierten Nomokanon bei COTELERIUS I S. 155 C Btvripa d/taprta iarlv Sorte . . . fitoii aal xaralahl rdv 7t)^atov aörov. Spoios y&Q loxtv %oQ napaBt&aavroQ rdv xüpior. Bio xai uer aärov l%o>oiv ftlQos die zweite Sünde ist, wer . . . seinen Näch- sten haßt oder verlästert; denn er gleicht dem, der den Herrn verriet. Darum wer- den sie ihr Teil auch mit ihm zusammen haben. Judas ist auch sonst oft der Typus des Verworfenen, mit dem keine Gemein- schaft möglich ist: [fyoi r]r}v ptqiBa rov EtovSä ro€ [npoBörov] roü Beonörov tffjtßv '/[tjooe Xpior]o0 [er habe djas Teil des Judas, des [Verräters] unseres Herrn Jfesus Christjus droht die Grabinschrift einer christlichen Diakonisse in Delphi (nicht spater als 6. Jahrh. n. Chr.) demjenigen, der das Grab öffnet, Bulletin de Correspondance Heltenique 23 (1899) S. 274, und dieser Fluch steht in vielen anderen Grabschriften [Victor Schultze Die Katakomben, Leipzig 1882, S. 15 f.; Münz Anatheme und Verwünsch- ungen auf christlichen Monumenten, Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung 14 (1877) S. 169ff.], aber auch im offiziellen Anathema des Kon- zils von Toledo 633 n. Chr. und anderer Konzilien (Kober Der Kirchenbann S. 41. 37). Zweifellos sind die kirchlichen Formeln von jüdischen Bannsprüchen abhängig; vgl. den Aussatz des Gehazi in unserer Scherbe und in dem bei Kober S. 5 f. zitierten jüdischen Formular. 158 Brief und Epistel. Das Wesen des Briefes. Das Unliterarische. Scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana geraten ist, von manchem Käufer vielleicht ohne Überlegung zu den anderen Scriptores gelegt wird. Aber ein Blick auf die Faksimilia der Briefhandschriften wird fast in allen Fällen den Gedanken an Literatur sofort verbannen: so wie der Brief des Antonis Longos an seine Mutter Neilus oder wie die Scherbe der drei Kandidaten an Bischof Abraham hat niemals eine antike Buchseite ausgesehen. Wer dann in den Inhalt der Texte eindringt, wird erst recht sehen, daß er nicht Erzeugnisse literarischer Kunst vor sich hat, sondern Dokumente des Lebens, und daß Mnesiergos, Hilarion und Apion wirklich keine Scriptores sind, auch Psenosiris nicht, trotzdem sein dem Staub der Großen Oase entrissenes Briefchen jetzt schon in zwei Literatur- geschichten prangt Obwohl von uns in einem Buche gedruckt, haben diese alten Texte mit Büchern und Buchwesen gar nichts zu schaffen; sie sind unliterarisch, fast alle volkstümlich unliterarisch, und können uns mit dem Wesen des Unliterarischen und des volkstümlich Unliterarischen trefflich das Wesen des unliterarischen Briefes klarmachen. Was ist ein Brief? Der Brief ist etwas Unliterarisches; er dient dem Verkehr der Getrennten. Seinem innersten Wesen nach intim und persönlich, ist er nur für den Adressaten oder die Adressaten, nicht aber für die Öffentlichkeit oder eine Öffentlichkeit bestimmt. Der Brief ist unliterarisch, sogut wie ein Mietsvertrag oder ein Testament. Er unter- scheidet sich in keiner wesentlichen Weise von der mündlichen Zwie- sprache; man könnte ihn als eine Weissagung auf das mündliche Fern- gespräch bezeichnen, und nicht mit Unrecht ist er die halbierte Zwiesprache genannt worden 1 . Er geht niemanden etwas an, als den, der ihn ge- schrieben hat, und den, der ihn öffnen soll. Für alle andern soll er ein Geheimnis sein. Sein Inhalt ist so mannigfaltig, wie das Leben selbst; darum sind die erhaltenen Briefe aus alten Tagen eine köstliche Sammlung frischester Augenblicksbilder des Lebens der Vorzeit. Auch die Form des Briefes ist sehr verschieden; immerhin haben sich manche formelle Eigen- tümlichkeiten im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet und wir finden nicht selten auch in scheinbar von einander unabhängigen Kulturgebieten dieselben zu Formeln gewordenen Formen. Für die Bestimmung des Wesens des Briefes sind aber der Inhalt, die Form und die Formel jeden- falls nicht maßgebend. Ob der Brief auf Blei oder Ton, auf Papyrus oder Pergament, ob er in Wachs oder auf ein Palmblatt, auf rosa Papier oder 1 Der Ausdruck ist schon antik: Deme- i lius Archelaus, dessen Brief wir oben Nr. 12 trios De elocutione (Epistolographi Graeci ' kennen lernten, kennt die Vergleichung des rec. Hercher S. 13" führt das Wort, der Brief sei der andere Teil der Zwiesprache, auf Artemon, den Herausgeber der Briefe des Aristoteles, zurück. Weiteres Bibelstu- dien S. 190. Aber auch der Gefreite Aure- Briefes mit der Zwiesprache: harte epistu- lam anf oculos habeto, domine, putaftjo me tecum loqui. Der schöne Vergleich ist also ganz volkstümlich gewesen. Brief und Epistel. Das Wesen der Epistel. Das Literarische. 159 eine Weltpostkarte geschrieben ist, ist ebenso unwesentlich, als ob er sich in die Formeln des Zeitalters kleidet. Ob er gewandt oder ungewandt, lang oder kurz ist, ob er von einem Soldaten oder einem Bischof stammt, das ändert an seiner charakteristischen Eigenart gar nichts 1 . Ebenso wenig der spezielle Inhalt: der kühle Geschäftsbrief des Harpokras, der freche Wisch des Knaben Theon und der gesalbte Bittbrief des Justinos unterscheiden sich von dem rohen Briefe des Hilarion und dem ver- zweifelten Briefe des Antonis Longos nur durch den Ton und die Stimmung. Daß man das unliterarische Wesen des Briefes, insbesondere des antiken Briefes, nicht immer klar erfaßt hat, findet in der Tatsache seine Erklärung und Entschuldigung, daß bereits im Altertum die Form des unliterarischen Briefes gelegentlich literarischen Zwecken gedient hat. Namentlich in der Entstehungszeit des Christentums war der Literaturbrief, die Epistel, wie wir ihn nennen 2 , bei Griechen, Römern und Juden längst eine beliebte Gattung der literarischen Produktion geworden. Was ist eine Epistel? Die Epistel ist eine literarische Kunstform, eine Gattung der Literatur, wie zum Beispiel Dialog, Rede, Drama. Sie teilt mit dem Briefe nur die briefliche Form, hat aber im übrigen so wenig mit dem Briefe gemein, daß man den paradoxen Satz wagen könnte, die Epistel sei das Gegenteil des wirklichen Briefes. Der Inhalt der Epistel ist auf die Öffentlichkeit berechnet, will das "Publikum" interessieren. Ist der Brief ein Geheimnis, so ist die Epistel Marktware ; jeder soll und darf sie lesen: je mehr Leser sie findet, um so besser erfüllt sie ihren Zweck. Was bei dem Briefe die Hauptsache ist, die Adresse und die eigentümlich briefliche Einzelheit, das ist bei der Epistel nur äußeres Ornament, durch das die Illusion der "brieflichen" Form gewahrt werden soll. Die meisten Briefe sind uns so lange nicht ganz verständlich, als wir die Empfänger und die Situation des Absenders nicht kennen. Die meisten Episteln sind uns verständlich, auch ohne daß wir den angeblichen Adressaten und den Autor kennen. In die Seele eines Briefschreibers einzudringen, ist immer- hin ein Wagnis; das Papier des Epistolographen zu verstehen, ist Lehr- lingsarbeit. Die Epistel unterscheidet sich von dem Brief wie der Dialog von der Zwiesprache, wie das historische Drama von einem Stück Ge- schichte, wie die sorgfältig stilisierte Leichenrede von den stockenden Trostworten eines Vaters an sein mutterloses Kind - wie die Kunst von der Natur. Der Brief ist ein Stück Leben, die Epistel ist ein Erzeugnis literarischer Kunst. 1 Vgl. Bibelstudien S. 190. 2 Vgl. auch Adolph Wagner an Fried- rich Naumann Die Hilfe2(1896j S.2: "Doch, verehrter Herr Pastor, aus einem beabsich- tigten einfachen Briefe ist eine lange Epistel, ein förmlicher, freilich rasch hingeworfener Aufsatz geworden". 160 Antike Briefe und Episteln. Antike Briefsammlungen. Freilich, es gibt auch Mittelgattungen zwischen Brief und Epistel, z. B. die angeblichen Briefe, deren Schreiber nicht naiv geblieben ist, bei jedem Worte, vielleicht weil er sich für einen berühmten Mann hält, nach der Öffentlichkeit schielend oder mit der Öffentlichkeit kokettierend, in die seine Zeilen vielleicht kommen könnten. Solche halb und halb auf die Öffentlichkeit berechneten "Briefe", solche epistolischen Briefe, sind schlechte Briefe und können uns mit ihrer Frostigkeit, Geziertheit oder eitelen Un- wahrhaftigkeit * lehren, wie ein wirklicher Brief nicht sein soll. 5. Von beiden Gruppen, Briefen und Episteln, ist uns aus dem Altertum eine große Zahl erhalten. Daß ein Brief in die Öffentlichkeit und auf die Nachwelt kommt, ist zwar streng genommen unnormal. Der Brief ist seiner Natur nach etwas Ephemeres; er ist vergänglich wie die Hand, die ihn geschrieben hat, und wie die Augen, die ihn lesen sollten 2 . Der Pietät, der Wissenschaft, dem Zufall oder der Bosheit verdanken wir es, daß wir trotzdem Briefe besitzen und lesen können, die nicht an uns gerichtet sind. Schon frühe hat man nach dem Tode bedeutender Menschen begonnen, ihre schrift- lichen Reliquien zu sammeln. Für den ersten Fall der Publikation einer solchen Sammlung von wirklichen Briefen bei den Griechen hält man die Veröffentlichung von Briefen des Aristoteles (f 322 vor Christus), die bald nach seinem Tode veranstaltet ist. Ob unter den auf uns gekommenen "Aristoteles-Briefen" 3 Stücke aus jener echten Sammlung sich erhalten haben, ist allerdings fraglich. Echt dagegen sind wahrscheinlich teilweise die überlieferten Briefe des Isokrates 4 (f 338 vor Christus), wie auch die Platon-Briefe neuerdings wieder, wenigstens teilweise, von hervorragenden Forschern für echt gehalten werden. Von Epikuros (f 270 vor Christus) sind ebenfalls echte Briefe auf uns gekommen, darunter das Bruchstück eines entzückend naiven Briefchens an ein Kind 5 , vergleichbar dem be- rühmten Briefe Luthers an seinen Sohn Hänsichen. Auch aus den 1 Durch solche Briefe ist wohl Grill- parzer zu der von August Sauer, vgl. Deutsche Literaturzeitung 27 (1906) Sp. 1315, mitgeteilten Paradoxie veranlaßt worden, je- der Brief sei eine Lüge. a Adolf Schmitthenner Die Christ- liche Welt 15(1901) Sp.731 : "Gedruckte Briefe sind eigentlich ein Widerspruch in sich selbst. Denn zum Briefe gehört Feder und Tinte, der Eine, der ihn schreibt, und der Andere, an den er geschrieben ist, sonst Nichts. Er ist ein Ersatz für den mündlichen Verkehr. Dieser verweht im Wort und hinterläßt keine Spur, als im inwendigen Menschen. Sollte es nicht auch mit seinem Stellvertreter so sein? Sollte man nicht von Zeit zu Zeit alle Briefschaften verbrennen? - Wir thun es nicht". 3 Herausgegeben von R. Hercher in den Epistolographi Graeci S. 172-174. 4 Bei Hercher S. 319-336. 5 Bei Hermann Usener Epicurea, Lip- siae 1887, S. 154; auch Bibelstudien S. 219f. und U. VON WlLAMOWITZ - MOELLENDORFF Griechisches Lesebuch I 2 3 S. 396 und II 2* S. 260. Ob das Kind Epikuros* eigenes Kind war, ist nicht sicher. Antike Brief- und Epistelsammlungen. 161 Lateinern * sei ein Beispiel genannt. Cicero (f 43 vor Christus) hat eine Un- zahl von Briefen geschrieben, von denen vier Sammlungen auf uns ge- kommen sind. In mancher Beziehung noch wertvoller als diese Briefe der Berühmten sind für uns die durch die neuen Funde zum Vorschein ge- kommenen zahlreichen Briefe der Unbekannten, von denen wir oben eine Auswahl dem Buche preisgaben. Sie haben die unersetzlichen Vorzüge, daß sie in der Urschrift auf uns gekommen sind, daß ihren Schreibern jeder Gedanke einer späteren Veröffentlichung fern lag, daß sie also völlig unbefangene Selbstzeugnisse jener Vergessenen darstellen. Wie sie uns wichtige Aufschlüsse über das Wesen und die Form des antiken Briefes geben 2 , so sind sie auch für die Erforschung des Wesens und der Form der biblischen und altchristlichen Briefe lehrreich 3 . Daß antike Episteln in großer Zahl uns überliefert sind, ist nicht auf- fallend. Die Epistel als Kunstform der Literatur will nichts Vergängliches sein. Von vornherein in einer größeren Anzahl von Exemplaren ver- öffentlicht, kann sie nicht so leicht untergehen, wie der nur in einem einzigen Exemplare oder höchstens in Urschrift und Kopie geschriebene Brief. Dazu kommt, daß sie eine sehr leicht zu handhabende Form der Literatur ist. Sie kennt keine strengen Stilgesetze; nur die wenigen brief- lichen Floskeln müssen angewandt werden und dem Ganzen wird dann noch eine Adresse aufgeklebt. So kommt es, daß jeder Literat, auch der 1 Hermann Peter Der Brief in der rö- mischen Litteratur. Litterargeschichtliche Un- tersuchungen und Zusammenfassungen (Ab- handlungen der philologisch - historischen Classe der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften Bd. XX Nr. III), Leipzig 1901 gibt viel Material, krankt aber an dem Mangel einer Unterscheidung zwischen Brief und Epistel, isoliert die "römische" Literatur zu stark, bezeichnet die Niederhaltung der Individualität als einen charakteristischen Zug des klassischen Altertums und beurteilt die antiken Menschen viel zu sehr nach den zu- fälligen Resten der antiken Literatur. Vgl. meine Anzeige Theologische Literaturzeitung 27 (1902) Sp. 41 ff. - Nicht gesehen habe ich Lomans Nalatenschap I, Groningen 1899 S. 14-42, vgl. G. A. van den Bergh van EYsrNOA Protestantische Monatshefte 11 (1907) S.260. * Es war deshalb ein höchst fruchtbares Thema, das die Heidelberger Philosophische Fakultät als Preisaufgabe für 1898/99 ausge- schrieben hatte: >Auf Grund einer chrono- logisch geordneten Übersicht über die grie- chischen Privatbriefe, die in den neueren D eissmann Licht vom Osten. Papyrusfunden zu Tage getreten sind, soll der Versuch gemacht werden, die Formen des griechischen Briefstils zu charakterisieren und geschichtlich darzustellen". Die Auf- gabe wurde von G. A. Gerhard bearbeitet, bis jetzt ist aber nur ein Teil publiziert (vgl. oben S. 101). 3 Wenn wir dereinst eine genaue chrono- logische Statistik der Briefformeln der antiken Welt besitzen, werden wir eine ganze Reihe von bis jetzt ungelösten Problemen des bib- lischen und altkirchlichen Schrifttums besser beantworten können, von der ungefähren Chronologie des 2. u. 3. Johannesbriefes (d. h. indirekt auch der 1. Johannesepistel und des Johannesevangeliums) bis zur Frage nach der Echtheit des Theonasbriefes an Lucianus (vgl. Harnack Theologische Literaturzeitung 11 (1886) Sp. 319 ff. und Geschichte der altchrist- lichen Literatur I S. 790; Bardenhewer Ge- schichte der altkirchlichen Literatur II S. 216ff.) usw. Umgekehrt gestatten manche der sicher datierbaren altchristlichen Briefe, die auf literarischem Wege zu uns gekommen sind, Rückschlüsse auf das Alter einiger noch nicht datierter Papyri. 11 162 Heteronyme Episteln. Urchristliche Briefe. Die Paulusbriefe. unberufenste, Episteln schreiben konnte und daß die Epistel eine der beliebtesten Literaturgattungen geworden ist. Bis auf den heutigen Tag ist sie in allen Literaturen beliebt geblieben. Antike Epistolographen sind z. B. Dionysios von Halikarnassos und Plutarchos bei den Griechen, L. Annaeus Seneca und der jüngere Plinius bei den Römern, von den poetischen Episteln eines Lucilius, Horatius und Ovidius zu schweigen. Besonders häufig ist die Epistel in der magischen und der religiösen Literatur gewesen. Dabei muß ein'er literarhistorischen Tatsache besonders gedacht werden: der Pseudonymen (besser "heteronymen") Epistolographie. Beson- ders in der Diadochen- und frühen Kaiserzeit sind zahlreiche Episteln unter fremdem Namen verfaßt worden, nicht von Betrügern, sondern von unbe- kannten Literaten, die aus irgend einem Grunde ihren eigenen Namen nicht nennen wollten. Sie schrieben "Briefe" des Demosthenes, des Aristoteles und Alexandras, des Cicero und Brutus. Es wäre verkehrt, wenn man diese Produkte eines freilich nicht sehr wurzelechten und kraftvollen literarischen Triebes ohne weiteres als Fälschungen beurteilen wollte. So sicher es gefälschte Briefe gab, so sicher sind die meisten "Pseudonymen" Episteln Dokumente einer weit verbreiteten und unanstößigen literarischen Sitte J . 6. Wozu dient uns diese Unterscheidung von Brief und Epistel, zu der uns die antiken Briefe auf Blei, Papyrus und Ton anregten? Im Neuen Testament steht eine beträchtliche Zahl von größeren oder kleineren Texten, die sich als "Briefe" geben, "Briefe" des Paulus, des Jakobus, des Petrus usw. Von unserer Betrachtung der antiken Briefe und Episteln kommend, empfinden wir jetzt sofort das Problem: sind die "Briefe" des Neuen Testaments (und weiterhin der alten Christenheit überhaupt) un- literarische Briefe oder literarische Episteln? Der Umstand, daß alle diese "Briefe" literarisch tiberliefert und von uns allen zuerst in einem Buche gesehen worden sind, eben im Neuen Testament, konnte lange darüber hinwegtäuschen, daß jenes Problem vorliegt; von den meisten Forschern sind ohne weitere Überlegung alle diese Texte für Literaturwerke gehalten worden. Aber nachdem die neuen Brieffunde die Notwendigkeit der Differenzierung dargetan und uns auch die Maßstäbe vermittelt haben, mit denen man einen antiken Text auf seine Brieflichkeit hin zu beurteilen hat, kann das Problem nicht länger unterdrückt werden. Und vom Studium jener neuentdeckten antiken Briefe beeinflußt, wird man m. E. mit aller Entschiedenheit die These aufstellen müssen: im Neuen Testament gibt es unliterarische Briefe und literarische Episteln. Die Paulusbriefe sind nicht literarisch; sie sind wirkliche Briefe, keine Episteln; sie sind von Paulus nicht für die Öffentlichkeit und die 1 Vgl. Bibelstudien S. 199 ff. Philemonbrief. Die Probleme von Rom 16. Der Massengruß u. d. Anfang. Ant. Analogien. 163 Nachwelt geschrieben, sondern für die Adressaten. Fast alle Mißgriffe der Paulusforschung überhaupt erklären sich aus der Nichtbeachtung des unliterarisch - brieflichen Charakters der von Paulus stammenden Texte. Der aus bestimmten brieflichen Gründen am wenigsten briefliche Römer- brief ist maßgebend gewesen für die Beurteilung aller übrigen Paulus- briefe. Aber wir dürfen die Frage nach der Brieflichkeit der Paulusbriefe nicht beim Römerbriefe aufrollen, sondern bei den anderen Briefen, deren Eigenart auf den ersten Blick deutlich ist. Je mehr man durch Lektüre anderer antiker Briefe den Sinn für das Briefliche geschärft hat, um so leichter wird die Gattungsverwandtschaft der Paulusbriefe mit den anderen unliterarischen Texten ihres Zeitalters erkannt werden. Am deutlichsten legitimiert sich wohl der Brief des Paulus an Phi- lemon als Brief. Nur der farbenblinde Pedant könnte dieses entzückende Briefchen für einen Traktat "über die Stellung des Christentums zur Skla- verei" halten. Als Fürsprache für einen Entlaufenen hat das Blatt seine genaue Parallele in dem oben mitgeteilten Briefe des Papas von Hermu- polis an den Offizier Abinnaios, und als Brief gelesen und erklärt, ist die unscheinbare Reliquie aus der Zeit der ersten Zeugen eines der wert- vollsten Selbstzeugnisse des großen Weltapostels: brüderliche Gesinnung, verschwiegene Anmut, weltmännischer Takt, dies alles ist in diesen Zeilen zu finden *. Wenn, was ich aus sachlichen Gründen für sehr wahrscheinlich halte, das 16. Kapitel des Römerbriefes ein besonderes Schreiben des Paulus nach Ephesos ist, so haben wir auch hier einen Text, über dessen Brief- charakter ein Zweifel nicht bestehen kann. Es ist leicht, namentlich die eine auffallende Eigenart dieses Briefes, die scheinbar monotone Häufung der Grüße, durch Parallelen aus den Papyrusbriefen zu belegen: ich nenne den Brief der Tasucharion an ihren Bruder Neilos 2 (Faijüm, zweites Jahrhundert nach Christus) und den Brief des Ammonios an seine Schwester Tachnumi 3 (Ägypten, Kaiserzeit), deren Ähnlichkeit mit Römer 16 geradezu frappant ist, nur daß Paulus die Monotonie des Massengrußes durch feine individuelle Noten belebt. Ebenso fehlt es nicht an Analogien dafür, daß ein Empfehlungsbrief gleich in medias res gehend mit dem Worte Ich empfehle anfängt 4 . Auch die Frage, die man gern gegen die ephesinische Hypothese aufwirft, wie denn dieser kleine Epheserbrief und der große Römerbrief 1 Vgl. Wilhelm Baur Der Umgang des 1 periale t. XVIII 2 S. 232 f.), auch Bibelstudien Christen mit den Menschen, Neue Christo- S. 215 f. terpe, Bremen und Leipzig 1895 S. 151. 4 Die Briefe Epistolographi Graeci rec. 2 Berliner Griechische Urkunden Nr. 601. Hercher S. 259 (Dion an Rufos) und S. 699 3 Pariser Papyrus Nr. 18 (Notices et ex- | (Synesios an Pylaimenes) beginnen, wie traits des manuscrits de la bibliotheque im- | Rom 16, mit ovriorrjui. 11* 164 Rom 16. Antike Kopialbücher. Brieftechnisches. in der Oberlieferung zusammengeflossen seien, kann durch die Briefsitten der antiken Welt mit einiger Wahrscheinlichkeit beantwortet werden. Man wußte bereits früher, daß es im Briefverkehr des Altertums Briefbücher gegeben hat, entweder Kopialbücher der abgesandten Briefe ", oder Samm- lungen der empfangenen Briefe 2 . Von den ersteren, den Kopialbüchern, haben wir jetzt drei interessante Originalbruchstücke auf Papyrus: ein Blatt aus der Ptolemäerzeit, jetzt im Ashmolean Museum zu Oxford, mit Kopien von Briefen eines Beamten 3 , ein Blatt vom Jahre 104 nach Christus, ebenfalls mit amtlichen Schreiben (zwei Briefen und einem Reskript), jetzt im British Museum 4 und ein Blatt aus Hermupolis Magna vom Anfang des zweiten Jahrhunderts nach Christus, jetzt in der Heidel- berger Universitätsbibliothek 5 , mit Kopien von drei Briefen eines Privat- manns Heliodoros 6 an Eutychides, an Anubas und an Phibas: jeden dieser Adressaten nennt er Bruder. Diese drei Briefe sind von derselben Hand in drei Spalten nebeneinander geschrieben: am oberen Rand steht immer das Präskript Heliodoros an N. N. seinen Bruder, Gruß! Von Paulus wissen wir nun, daß er seine Briefe nicht selbst geschrieben, sondern diktiert hat \ Die Schrift der Originale und auch der eventuellen Briefkopialbücher wird also nach den verschiedenen Schreibern verschieden gewesen sein. Der kleine Epheserbrief ist geschrieben von einem ge- wissen Tertios 8 , und da er gleichzeitig mit dem Römerbriefe ist, wird dieser von derselben Tertios-Hand geschrieben sein und schon im Ko- pialbuch mit dem Epheserbrief zusammen gestanden haben. Bei einer Abschrift aus dem Kopialbuche konnten beide mit gleicher Schrift ge- schriebenen Briefe um so leichter zusammenfließen, als die Präskripte in der Kopie gekürzt zu werden pflegten 9 . Und wie leicht konnte das am oberen Rande stehende Präskript abbrechen 1 Fehlte aber das Präskript, so mußten beide Briefe zu einem einzigen werden 10 . 1 Libri litterarum missarum. Nachweise bei Wilcken Archiv für Papyrusforschung 1 S. 372 und bei Otto Seeck Die Briefe des Libanius zeitlich geordnet, Texte und Unter- suchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur N. F. 15, 1 Leipzig 1906, S. 19 ff. 2 Libri litterarum adlatarum. Nachweise bei Wilcken Archiv 1 S. 372. Besonders interessant ist eine in Wien befindliche Papyrusrolle, die aus lauter verschiedenen aneinandergeklebten Briefen an denselben Der Mann gehört zu einer Familie, von der andere Briefe in The Amtierst Pa- pyri Nr. 131-135 erhalten sind. Heliodoros selbst ist dort wiederholt erwähnt. Wir haben von ihm noch andere Briefe in Heidelberg. 7 Vgl. oben S. 105 und S. 110 ff. • Rom 16". 9 Wilcken Archiv 1 S. 168. 10 Dieser Fall liegt vielleicht vor in dem unpublizierten Heidelberger Papyrus Nr. 87. Das Blatt gehört ebenfalls zur Korrespondenz Adressaten besteht. | des Heliodoros und enthält einen Brief von 3 Herausgegeben von John P. Mahaffy i ihm an seinen Vater Sarapion in einer breiten vgl. Wilcken Archiv 1 S. 168. I Kolumne. Rechts sehen wir Reste einer zwei- 4 Greek Papyri vol. III Nr. 904 S. 124 ff., ! ten Kolumne, das Blatt ist am rechten Rand mit Faksimile auf Plate 30. 5 Vorläufige Nummer 22, noch nicht publiziert. abgerissen. Stand über der zweiten Kolumne vielleicht ein anderes Präskript? Dann würde der Papyrus aus einem zweiten Kopialbuche Andere Paulusbriefe. Die Probleme der Gefangenschaftsbriefe. 165 Die uns erhaltenen beiden Korintherbriefe gehören ebenfalls in die Reihe der wirklichen Briefe. Weshalb ist eigentlich der zweite Korintherbrief vielen so überaus schwer verständlich? Weil er durch und durch brieflich ist, voll von Anspielungen, die wir zum großen Teil nicht mehr ganz verstehen. Mit seiner ganzen Persönlichkeit hat Paulus diesen Brief geschaffen, die mannigfach sich ablösenden und durchkreuzenden Stimmungen seiner impulsiven Seele in ihn hineinlegend, tiefe Ergriffenheit und Dankbarkeit gegen Gott, Reformatorenzorn, Ironie und strafende Offenheit gegen die Lästerer. Der erste Korintherbrief ist ruhiger gehalten, weil die briefliche Situation eine andere ist, aber auch er ist keine Flugschrift an die christ- liche Öffentlichkeit, sondern ein wirklicher Brief nach Korinth, zum Teil die Antwort auf einen Brief der dortigen Gemeinde. Auch die zwei Thessalonicherbriefe sind echt brieflich, der erste noch mehr als der zweite. Sie repräsentieren etwa den Durchschnittstypus des paulinischen Briefes, womit ich sagen will, daß sie mit einer verhältnis- mäßigen Ruhe des Gemütes verfaßt sind. Ganz aus der Leidenschaft ist dagegen der Galaterbrief geboren, ein flammendes Straf- und Verteidigungswort, wirklich keine Abhandlung "De lege et evangelio". Die Gefangenschaftsbriefe, von denen der Philemonbrief schon genannt ist, werden vielleicht am meisten gewinnen, wenn man mit ihrer Brieflichkeit Ernst macht. Die Probleme ihrer Entstehungsgeschichte wird man, die brieflichen Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten abwägend, mehr und mehr von dem toten Geleise der Alternative "Rom oder Cä- sarea" abschieben und mit der Vermutung zu lösen suchen, daß min- destens der Kolosser- mit dem Philemonbrief und der "Epheser"(Laodizener)- Brief aus einer ephesinischen Gefangenschaft 1 stammen. Der inhaltliche und formale Kontrast, den man zwischen Kolosser- nebst "Epheser"-Brief und anderen Paulusbriefen gesehen hat, erklärt sich ebenfalls aus der brieflichen Situation: Paulus schreibt an Gemeinden, die ihm persönlich, noch nicht bekannt sind, und was in den beiden Briefen epistolisch klingt, sollte man tatsächlich als ihren reserviert unpersönlichen Ton bezeichnen. Der größte Stein des Anstoßes ist immer die inhaltliche Verwandtschaft beider Texte gewesen. Ich begreife nun zwar nicht, weshalb Paulus nicht auch in einer Epistel wiederholen könnte, was er in einer anderen auch schon ge- sagt hatte; aber jedes Befremden hört auf, wenn man sieht, daß hier ein Missionar in derselben Situation gleichzeitig an zwei verschiedene Ge- meinden, um die er wirbt, Briefe schickt, wesentlich dieselben Fragen beiden gegenüber in ähnlicher Weise behandelnd. Die Verschiedenheit des Heliodoros stammen. Vgl. auch oben S. 137 Anm. 1. 1 Der aufmerksame Leser der Paulus- briefe wird leicht Belege für eine ephesi- nische Gefangenschaft finden. 166 Philipperbrief. Pastoralbriefe. Ist der Römerbrief eine Epistel? Lange Briefe. ist schließlich doch noch so groß, daß er um einen Austausch der beiden Briefe in beiden Gemeinden bittet K Das Merkwürdigste ist mir das eigen- artige liturgische Pathos der beiden Briefe, aber es klingen hier Töne weiter, die gelegentlich doch auch in anderen Paulusbriefen angeschlagen sind und die ihre Analogien in feierlichen Texten der Umwelt haben. Die Brieflichkeit des Philipperbriefes, des liebenswürdigsten Ge- meindebriefes, den wir von Paulus haben, liegt auf der Hand; sein Ab- fassungsort bedarf übrigens auch dringend der Nachprüfung: eine genaue Statistik der bis jetzt stets für Rom geltend gemachten Begriffe Praitorion 2 und Kaiserhaus 3 aufgrund der Inschriften und Papyri würde ergeben, daß die beiden keine Kennworte für Rom sein müssen. Mit der durch die Erwägung der spezifisch brieflichen Wahrschein- lichkeiten nahegelegten Hypothese einer ephesinischen Herkunft der Ge- fangenschaftsbriefe oder eines Teiles würden auch neue Möglichkeiten eröffnet, die Entstehung der Pastoralbriefe oder wenigstens eines Teiles zu erklären. Ihr Hauptproblem liegt nicht in der Sprache und dem Lehr- gehalt, sondern in der brieflichen Situation mit den vorauszusetzenden Reisen und sonstigen äußeren Erlebnissen des Apostels und seiner Ge- nossen. Beim Römerbriefe könnte man am ersten zweifelhaft sein, ob er ein Brief oder eine Epistel ist. Jedenfalls ist die Brieflichkeit hier nicht so mit Händen zu greifen, wie beim zweiten Korintherbrief. Dennoch ist das Schreiben keine für die Öffentlichkeit oder auch nur für die Christen- heit bestimmte Epistel, in der Paulus etwa ein Kompendium seiner Dog- matik und Ethik gegeben hätte. Die Länge des Textes darf man nicht gegen die Brieflichkeit geltend machen 4 : es gibt lange Briefe 5 und es gibt kurze Episteln. Der Römerbrief ist ein langer Brief. Paulus will seinen Besuch bei den römischen Christen vorbereiten ; das ist der briefliche Zweck. Der Missionar aus Asien kennt die westliche Gemeinde noch nicht, und sie kennt ihn nur durch Hörensagen. Infolgedessen kann der Brief nicht so voll von persönlichen Einzelheiten sein, wie die Briefe an die dem Apostel längst bekannten Gemeinden. Der erste Eindruck, den der 1 Kolosser 4io. 2 Philipper h 3 . Anfänge einer Statistik gibt Theodor Mommsen Hermes 35 (1900) S. 437-442. 3 Philipper 4"2. Es handelt sich nicht um den Palast (Paläste des Kaisers hat es übrigens auch anderswo als nur in Rom ge- geben), sondern um die kaiserliche Sklaven- schaft, die über die ganze Welt zerstreut war. Wir haben Dokumente für kaiserliche [ zelnen Kolumnenblättern hergestellt. Sklaven auch in Ephesos. 4 Vgl. Bibelstudien S. 237. 6 Z. B. die Petition der Dionysia an den Präfekten The Oxyrhynchus Papyri Nr. 237 (186 n. Chr.) ist nicht viel kürzer als der Römerbrief. Man kann sich an diesem 2 bis 3 Meter langen Riesenbrief gut vor- stellen, wie die "langen" Paulusbriefe im Original äußerlich etwa ausgesehen haben: große Rollen, aus aneinandergeklebten ein- Der Römerbrief keine Epistel. Der Römerbrief im Bauernkittel. Paulus kein Literat. 167 Römerbrief vielleicht auf viele macht, mag ein epistolischer sein; aber bei einer genaueren Prüfung erklärt sich das Epistolische aus der brieflichen Situation. Auch beim Römerbrief haben wir daher, wenn wir sein eigenstes Wesen verstehen wollen, alle Gedanken an literarische Dinge zurückzu- weisen 1 , und wir gewinnen selbst aus den ältesten Kodizes des Neuen Testaments kein völlig richtiges Bild vom Geiste dieses Textes, geschweige aus unseren Druckausgaben: hier ist etwas ursprünglich Unliterarisches nachträglich literarisch gemacht. Die bäurisch grobe, unliterarische Unzial- schrift, mit der in Oxyrhynchos ein Christ des beginnenden vierten Jahr- hunderts - sein Name war wahrscheinlich Aurelios Paulos - den Anfang des Römerbriefes zu privaten, wohl Amulett -Zwecken auf ein jetzt im Semitic Museum of Harvard University, Mass., U. S. A. befindliches Pa- pyrusblatt 2 (Abbildung 33) geschrieben hat oder sich schreiben ließ, ist dem Römerbrief kongenialer, als die Buchschrift der bischöflichen ge- lernten Schreiber: noch einmal haben diese wuchtigen Zeilen ein ähnlich schlichtes Gewand angezogen, wie es beim Diktat des Paulus in Korinth das Autographon des Tertios vermutlich darstellte. Nach alledem halte ich die These entschieden aufrecht, daß sämtliche Paulusbriefe wirkliche, unliterarische Briefe sind 3 . Der Apostel Paulus ist nicht Epistolograph , sondern Briefschreiber. Er ist noch kein Mann der Literatur. Zur Literatur sind die Paulusbriefe erst später gemacht worden, als die Pietät der Gemeinden sie sammelte, durch Abschriften vervielfältigte und so der gesamten Christenheit zugänglich machte. Noch später wurden sie zur heiligen Literatur gemacht, als sie in die Zahl der Schriften des sich bildenden "Neuen" Testaments aufgenommen wurden. Und als Bestandteil des Neuen Testaments haben sie eine unermeßliche literarische Wirkung ausgeübt. Aber durch alle diese nachträglichen Er- lebnisse kann der ursprünglichste Charakter der Paulusbriefe nicht ver- ändert werden. Paulus, dessen Sehnsucht und glühendes Hoffen den 1 Treffend sagt Wilhelm Bousset Theo- logische Literaturzeitung 22 (1897) Sp. 358: "Paulus Briefe - auch der Römerbrief - wollen gelesen werden als Herzensergüsse einer impulsiven prophetischen Persönlich- keit und nicht als diabetische Lehrschriften". Ebenso Adolf Jülicher in der Gegenwarts- bibel (Die Schriften des Neuen Testaments neu übersetzt und für die Gegenwart erklärt, herausgegeben von Johannes Weiss, 112, Göttingen 1905, S. 2): "Der Römerbrief, trotz- dem es ein Brief, nicht bloß der Form nach, sondern auch im Wesen bleibt, . . ." 2 The Oxyrhynchus Papyri Nr. 209. Das Faksimile reproduziere ich mit gütiger Er- laubnis des Egypt Exploration Fund (Abb. 33). Vgl. meine Besprechung des Blattes Theo- logische Literaturzeitung 26 (1901) Sp. 71 f. Ich gebe jetzt, nach längerer Beschäftigung mit altchristlichen Amuletten, der Deutung den Vorzug, daß das Blatt dem unter dem Römertexte in Kursivschrift sich nennenden Aurelios Paulos als Amulett gedient hat. Die Faltungen sprechen wohl auch dafür. 8 Vgl. jetzt auch die feinen Bemerkungen von Ulrich von Wilamowitz-Moellen- dorff Die griechische Literatur des Alter- tums, Die Kultur der Gegenwart Teil I Ab- teilung^ 2. Auflage, Berlin und Leipzig 1907 S. 159 f. und von Johannes Weiss in der Gegenwartsbibel II 1 S. 1 ff. 168 Der Römerbrief im Bauernkittel. & M 3 a 3i iöt Der Wert der Paulusbriefe. Paulinismus und Paulus. Zwei Johannesbriefe. 169 Herrn erwartete und mit dem Herrn das Gericht und die künftige Welt, - Paulus, der die Zukunft "dieser" Welt nicht nach Jahrhunderten und Jahrtausenden, sondern nach Jahren berechnete, hat das providentielle weltgeschichtliche Schicksal seiner Briefe nicht geahnt. Er hat ganz un- befangen geschrieben, unbefangener, als Augustinus in seinen Konfessionen und als die anderen großen Lehrer * in ihren nicht selten auf die Öffent- lichkeit mitberechneten Briefen. Gerade in dieser Unbefangenheit liegt aber der größte Wert der Paulusbriefe. Die unliterarische Brieflichkeit garantiert uns ihre volle Zuverlässigkeit, ja ihren geradezu urkundlichen Charakter für die Ge- schichte des apostolischen Zeitalters unserer Religion, insbesondere für die Geschichte des Apostels Paulus selbst und seiner großen Mission. Die Paulusbriefe sind die (leider nur spärlichen) Reste des Aktenbestandes dieser Mission. Ihre Exegese wird von selbst zur psychologischen Reproduk- tion: das Hin und Her der Augenblicksstimmungen kommt zu seinem Recht, und man wird nicht länger den sonderbaren Versuch machen, die unter hundert verschiedenen Eindrücken hingeworfenen, niemals auf eine syste- matische Zusammenfassung berechneten brieflichen Einzelbekenntnisse einer so impulsiven Natur, wie sie der Apostel Paulus war, in der Mei- nung mechanisch aneinander zu kleben, man könne so den Paulinismus wiederherstellen. Der Paulinismus wird also rätselhafter, aber Paulus wird deutlicher: ein unliterarischer Mensch in der unliterarischen Schicht der Kaiserzeit, aber als prophetische Persönlichkeit über diese Schicht hinaus- ragend und die Umwelt der zeitgenössischen Bildung mit überlegenem Kraftbewußtsein betrachtend. Alles Systematische, das sich in Ansätzen da und dort bei ihm findet, zeigt die Grenzen seiner Begabung; im systemlos Religiösen liegt das Geheimnis seiner Größe. Noch zwei wirkliche Briefe stehen im Neuen Testament, der zweite und dritte Johannesbrief. Von dem dritten möchte ich mit Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff 2 sagen: "Es war ein durchaus privates Billet . . . . ; aus dem Nachlasse des Gaius muß es als Reliquie des großen Presbyters erhalten worden sein" 3 . Der zweite Johannesbrief ist nicht so voll von brieflichem Detail, als der dritte, aber auch er hat einen ganz bestimmten brieflichen Zweck, wenn wir auch nicht mit völliger Sicher- heit sagen können, wer die Adressatin ist. Daß er an die ganze Kirche 1 Es ist mir wiederholt begegnet, daß mir im Gespräch der epistolische Charakter so vieler "Briefe" der Kirchenväter entgegen- gehalten und ein entsprechender Epistel- charakter der Paulusbriefe behauptet wurde. Aber es ist ganz falsch, nach den späteren Entartungen des Briefes die Paulusbriefe be- urteilen zu wollen. Sie sind in einer nicht wiederholbaren, die Koketterie mit der Öffent- lichkeit und Nachwelt völlig ausschließenden Situation geschrieben : in der Erwartung des Weltendes. 2 Lesefrüchte, Hermes 33(1898) S. 529 ff. Dieser Aufsatz ist besonders für das For- melle lehrreich. 8 *S. 531. 170 Urchristliche Episteln. Katholische Episteln. Heteronymität. gerichtet sei, halte ich für völlig ausgeschlossen. Die beiden Briefe sind formell besonders deshalb von Interesse, weil sie in mehreren Fällen deutlich den Briefstil ihres Zeitalters verraten, und es ist zu hoffen, daß wir mit Hülfe der Papyri die Zeit dieses Stils dereinst noch näher be- stimmen können. 7. Mit derselben Sicherheit, mit der wir die Paulusbriefe und zwei Johannesbriefe als wirkliche unliterarische Briefe bezeichnen, erkennen wir in anderen neutestamentlichen Texten literarische Episteln, am deut- lichsten in den von alters her katholisch 1 genannten "Briefen* des Jakobus, Petrus und Judas 2 . Daß wir hier nicht wirkliche Briefe vor uns haben, zeigt schon ein Blick auf die "Adressaten". Unmögliches ist von dem etwaigen "Besteller" verlangt; ein "Brief", der z. B. die Aufschrift trägt "an die zwölf Stämme in der Diaspora", kann von niemandem an die Adressaten befördert werden. Jakobus, in dessen Präskript wir diese "Adresse" finden, schreibt so, wie der Verfasser der Baruch-Epistel "an die neuneinhalb Stämme in der Gefangenschaft". In diesen Fällen handelt es sich nicht um gestimmte Adressaten, sondern um einen großen "katho- lischen" Leserkreis; nicht in einem einzigen Exemplar haben die Verfasser ihren Brieftext abgesandt, etwa wie Paulus den Philipperbrief, sondern in vielen Exemplaren haben sie eine Flugschrift publiziert. Die Jakobus-Epistel ist von Hause aus ein kleines Literaturwerk, eine Flugschrift an die ganze Christenheit, eine Epistel. Dazu stimmt ihr gesamter Inhalt: nichts von dem unwiederholbaren Detail der brieflichen Situation, in die uns die Paulusbriefe stellen, sondern lauter ganz all- gemeine Fragen, die zum größten Teil auch in unseren kirchlichen Ver- hältnissen noch denkbar wären. Dabei ist die Jakobus-Epistel noch ganz ein Erzeugnis der Volksliteratur. Auch die Episteln des Petrus und des Judas tragen ganz ideale Adressen ; das Briefliche ist rein dekorativ. Wir stehen vor den Anfängen einer christlichen Literatur, und zwar streben die Judas- und die Petrusepisteln, trotzdem sie im ganzen noch viel Volksmäßiges haben, da und dort schon nach einer gewissen Kunst des Ausdrucks. Die Frage nach der "Echtheit" aller dieser Episteln ist bei unserer Betrachtungsweise bei weitem nicht so wichtig, wie sie es zweifellos wäre, wenn die Texte Briefe wären. Die Persönlichkeiten der Verfasser treten in ihnen fast ganz in den Hintergrund. Eine große Sache redet zu uns, nicht eine deutlich charakterisierbare Persönlichkeit, wie in den Paulus- briefen, und für das Verständnis der Texte macht es wenig aus, ob wir den Namen der Verfasser sicher kennen oder nicht. Von den literarischen 1 Diese alte Bezeichnung enthält bereits das Wesentliche unserer Charakteristik. 2 Vgl. jetzt auch die guten Bemerkungen von Georg Hollmann und Hermann Gun- KEl in der Gegenwartsbibel II 3 S. 1 und 25. Hebräerepistel. "Erste Johannes-"Epistel". Johannesapokalypse. Himmelsbriefe. 171 Gewohnheiten des Altertums ausgehend und aus allgemein historischen Gründen werden wir die katholischen Episteln am ersten als Episteln mit einem Schutznamen zu beurteilen haben, dürfen also von Heteronymität im guten Sinne des Wortes reden. Es ist in diesem Zusammenhang sehr beachtenswert, daß die längste "Epistel" des Neuen Testaments, die sogenannte Hebräerepistel , uns völlig anonym überliefert ist. Ja sogar die "Adresse" ist verschwunden. Wenn nicht 132* - 24 einiges brieflich klingende Detail vorläge, würde man gar nicht auf den Gedanken kommen, daß das Schriftstück eine Epistel, geschweige ein Brief sein solle. Es könnte ebenso gut eine Rede oder eine Diatribe sein; es bezeichnet sich selbst als ein Trostwort 13*2. Man sieht an diesem Texte deutlich, wie in den Episteln das brieflich Aussehende nur Ornament ist; wo etwas von diesem Ornament abbröckelt, wird der Charakter des Ganzen nicht wesentlich verändert. Die Ver- kennung des literarischen Charakters der Hebräerepistel hat eine Unzahl von überflüssigen Hypothesen über die "Adressaten" usw. im Gefolge ge- habt 1 , und man hat übersehen, daß bei einer wirklich literarischen Be- trachtungsweise die Bedeutung der Hebräerepistel außerordentlich steigt: sie ist das erste historisch ermittelbare Dokument christlicher Kunstliteratur. Was in einigen anderen Episteln schüchtern versucht worden war, das ist in ihr zur volleren Ausführung gekommen. Inhaltlich und formell strebt sie aus der Schicht, in der die Anfänge des Christentums liegen, der Bildungsschicht entgegen. Nichts spezifisch Epistolisches hat die sogenannte erste Johannes- epistel, die natürlich noch viel weniger ein Brief ist. Man wird dieses bei den Episteln stehende Schriftchen am besten als eine religiöse Diatribe bezeichnen, in der christliche Meditationen für die Allgemeinheit der Glaubensgenossen lose aneinandergereiht sind. Strenggenommen ist dagegen die Apokalypse des Johannes eine Epistel: sie hat h deutlich ein epistolisches Präskript mit religiösem Votum und 222 1 auch einen Schluß, der zu einer Epistel paßt. Die Epistel gliedert sich am Anfang wieder in sieben kleine Schreiben an die asiatischen Gemeinden vonEphesos, Smyrna, Pergamon, Thyateira, Sardes, Philadelphia, Laodikeia. Auch diese sind keine wirklichen Briefe, die einzeln an die betreffende Gemeinde gesandt und erst später gesammelt worden wären. Sie sind vielmehr alle sieben mit dem Blick aufs Ganze geschaffen und sollen von allen Gemeinden, nicht nur von der einen in der Adresse ge- 1 Vgl. William Wrede Das literarische | kel), Göttingen 1906. Wrede stimmt meiner Rätsel des Hebräerbriefs. Mit einem An- : Auffassung zu. Sehr richtig sagt er S. 73: hang über den literarischen Charakter des Barnabasbriefes (Heft 8 der "Forschungen" herausgegeben von W. Bousset und H. Gun- "es kommt schließlich nur darauf an, daß das Ganze als eine literarische Arbeit er- kannt wird". 172 Der literar. Werdegang des Urchristentums. Die schöpferische Zeit unliterarisch. nannten, gelesen und beherzigt werden. Sie stellen aber meines Erach- tens eine mehr briefliche Gattung von Episteln dar, als die seither be- trachteten. Ihr Verfasser will bestimmte Zwecke bei den einzelnen Gemeinden erreichen, aber zugleich auf die Gesamtchristenheit oder doch auf die asiatische Christenheit wirken. Trotz der intimen Form haben seine Sendschreiben also einen öffentlichen, einen literarischen Zweck und sind deshalb richtiger zu den altchristlichen Episteln zu stellen, als zu den Briefen. Sie gehören übrigens in eine größere Gattung der religiösen Epistolographie, die bis auf den heutigen Tag 1 in der Volksreligion be- deutsam ist, ich meine die Himmelsbriefe*. 8. Die klare Herausarbeitung des Unterschieds zwischen dem nicht- literarischen Briefe und der literarischen Epistel ermöglicht es, nunmehr eine Skizze der literarischen Entwicklung des Urchristentums zu versuchen. Wenn wir dabei von Zeiten oder Zeitaltern reden, so geschieht dies nicht in dem Sinne, als könnten wir scharfe chronologische Abgrenzungen vor- nehmen. Das Christentum beginnt nicht als literarische Bewegung. Sein schöpferisches Zeitalter ist .unliterarisch. Jesus von Nazareth ist ganz unliterarisch. Keine Zeile hat er ge- schrieben oder schreiben lassen. Er hat alles auf das lebendige Wort gestellt, großen Vertrauens voll, daß der ausgestreute Same aufgehen werde. Immer von Auge zu Auge mit den Seinen redend, niemals durch das Meer von ihnen getrennt, bedurfte er nicht einmal des brieflichen Verkehrs, und in seiner weltfernen ländlichen Heimat von Dorf zu Dorf und von Kleinstadt zu Kleinstadt wandernd, im Kahne predigend oder in den Synagogen oder auf dem sonnenbeglänzten Berg, wird er niemals im Schatten der Schreibstube gefunden. Den alten Schriften als schreibender Prophet neue hinzuzufügen, hätte der den Alten auch an Pietät Überlegene nicht gewagt: das Neue, das er erwartete, kam nicht in Buch, Formel und grübelnder Doktrin, sondern in Geist und in Feuer. Neben Jesus steht, ebenso unliterarisch, sein Apostel. Wir würden auch von der Hand des Paulus wahrscheinlich keine Zeile besitzen, wenn er wie sein Meister in der Stille geblieben wäre. Aber den Kosmopoliten trieb der Geist in die Diaspora zurück. Die großen Weltplätze an den Straßen und Küsten werden Heimstätten des Evangeliums, und wenn der Handwerkermissionar von Ephesos aus mit den unverständigen Galatern 1 Noch im Mai 1906 kaufte ich in Athen für 5 Lepta den Neudruck eines Christus- briefes, der auf den Straßen zusammen mit Heiligenleben feilgeboten wurde: 'EmoroXr} rov xvpiov iift&v *Iijao$ Xowtov tv'oe&tZoa inl rov rdfov rrjfe dsoröxov Brief unseres Herrn Jesu Christi gefunden auf dem Grabe der Gottesgebärerin. 2 Vgl. hierüber Albrecht Dieterich Blätter für hessische Volkskunde 3 (1901) Nr. 3 und Hessische Blätter für Volkskunde 1 (1902) S. 19 ff. Die Volkstümlichkeit der schöpferischen Persönlichkeiten. Ländliches u. Weltstädtisches. 173 reden will oder den armen Genossen in Korinth, so diktiert er in der Hetze und Hast des täglichen Andrangs einen Brief, ein paar derbe Schlußzeilen mit seiner eigenen am Webstuhl hart und müde gewordenen Hand hinzufügend. Bücher oder Büchlein für die Welt oder auch nur für die Christenheit sind das keine gewesen, sondern vertrauliche Kund- gebungen, von deren Existenz und Inhalt oft die nächsten Gefährten des Missionars nichts wußten: noch Lukas schreibt seine Apostelgeschichte, ohne die (erst später publizierten) Paulusbriefe zu kennen. Aber gerade der Mangel an publizistischer Absichtlichkeit, die völlige Abwesenheit der Pose des Literaten, die Verachtung der klingenden Phrase des Stilisten, das alles hat die anspruchslosen und doch von urwüchsiger Kraft ge- schaffenen unliterarischen Zeilen zu wahrhaft welthistorischen literarischen Schicksalen prädestiniert: eine Kraftzentrale sollten sie für die Zukunft werden, führende Menschen, Bücher, Kulturen beeinflussend bis auf den heutigen Tag. Was von den Worten des unliterarischen Jesus durch andere auf uns gekommen ist und was wir von den unliterarischen Briefen des Paulus noch besitzen, zeigt uns das Christentum der schöpferischen Urzeit aufs engste verwachsen mit den unteren Schichten J , noch ohne wirksame Verbindung mit der kleinen Oberschicht der Macht und der Bildung. Und zwar steht Jesus mehr bei den kleinen Leuten einer ländlichen und land- städtischen Kultur, die Leute der großen Stadt haben ihn verworfen; Paulus steht mehr bei den Bürgern und Proletariern der internationalen Weltstädte 2 , beide gleichermaßen erfüllt von prachtvoller Ironie und über- legenem Mißtrauen gegen die Oberschicht. Weil aber die Formensprache ländlicher Kulturen immer die einfachere ist, tritt das Volksmäßige und Volkstümliche bei Jesus für uns viel deutlicher hervor, als bei Paulus. Aber volkstümlich sind die Paulusbriefe doch, am meisten im Wortschatz, aber auch mit ihrem Inhalt auf die Probleme, Nöte und Schwächen der kleinen Leute berechnet, - nur daß der gewaltige Mensch Paulus mehr kennt, als das Tausendwörterlexikon und die Dämonen des nur vegetie- renden Hafenproletariers: er verfügt über die Sprachgewalt des Dichters, erlebt die feinsten und zartesten Stimmungen der religiösen und sitt- lichen Welt mit ungehemmter Kraft in den Tiefen seiner Prophetenseele und offenbart sie in den Bekenntnissen seiner Briefe. Auf das schöpferische unliterarische Zeitalter folgt das erhaltende literarische; aber es empfängt seine nächste Signatur noch von den treibenden 1 Es gehört zu den stärksten Mißgriffen der Kritik, daß sie die besonders deutlichen Merkmale dieses Zusammenhangs für spätere ebionitische Einschöbe erklärt hat. Aber selbst wenn man der Kritik alle Mammon- worte preisgeben würde, würde aus sprach- kritischen und anderen Gründen unsere These aufrecht erhalten werden müssen. 2 Man könnte die ganze Urgeschichte des Christentums und die Entstehung des Neuen Testaments von diesem Gesichtspunkte aus entwerfen. 174 Das literarische Zeitalter. Volksliteratur. Ländliches und Weltstädtisches. Kräften der Urzeit: die älteste christliche Literatur ist Volksliteratur, nicht Kunstliteratur l für die Gebildeten 2 . Sie schafft sich ihre einfachen Formen selbst (das Evangeliumsbuch), oder sie bedient sich der schlichtesten litera- rischen Prosaformen des Juden- und Heidentums (der Chronik, der Apokalypse, der Epistel und der Diatribe). Was die Art ihrer Volks- mäßigkeit betrifft, so können wir auch hier noch jenen charakteristischen Stimmungsunterschied beobachten, der uns bei einem Vergleiche zwischen Jesus und Paulus auffiel : die urchristlichen Volksbücher haben zunächst entweder einen mehr ländlich-kleinstädtischen oder einen mehr groß- städtischen Zug 3 . Die aufgrund älterer Büchlein entstandenen synoptischen Evangelien haben ländliches galiläisch- palästinisches Kolorit; die große Stadt, in der die Katastrophe kommt, steht zu allem anderen in einem furchtbaren Kontrast. Auch die Jakobus-Epistel wird am besten unter freiem Himmel bei den aufgeschichteten Garben eines Erntefeldes verstanden; sie ist das erste kraftvolle Echo der jungen synoptischen Evangelienbücher. Lukas widmet seine Bücher einem vornehmen Mann, aber deshalb sind es keine vornehmen Bücher. Da und dort schon durch die Sprache seines Evangeliums, besonders aber durch Form und Inhalt seines Apostel- geschichtenbuches, stellt er den Übergang her zu den mehr weltstädtischen Volksbüchern. Als solche erscheinen uns die Judas -Epistel, die Petrus- Episteln und das ganz besonders volkstümliche Siebenstädtebuch der Jo- hannesapokalypse, gedichtet von dem Ernste und der Leidenschaft eines Propheten, der die Volkssprache seiner Zeit ebenso spricht, wie er mit den Gebilden der schaffenden Volksphantasie des Ostens vertraut ist 4 . Ganz volkstümlich, trotz des Logos der ersten Zeilen 5 , ist das Johannesevangelium nebst der unter dem Namen des ersten Briefes gehenden Johannesdiatribe. Diese Johannestexte sind noch ausgesprochene Volks- Heute kann Volksliteratur Kunstlite- | 4 Daß das an Dürer und Rembrandt ratur sein, wenn sie nämlich aus bewußter geschärfte Auge den stark volksmäßigen Nachahmung der wildgewachsenen Formen des Volksbuches entsteht. Die urchristlichen Volksbücher sind aber auch nicht in diesem Sinne kunstmäßig. 2 Vgl. Georg Heinrici in "Theologische Abhandlungen Carl von Weizsäcker . . . gewidmet", Freiburg i. B. 1892, S. 329: *Es kennzeichnet die neutestamentlichen Schrif- ten eine weitgehende Unbekümmertheit um die in der klassischen Welt durchgehends anerkannten Gesetze kunstmäßiger Dar- stellung." 3 Hoffentlich kommt niemand auf den Gedanken, ich wolle damit zugleich einen Wertunterschied andeuten. Charakter dieses Bilderbuches deutlich er- kennt, zeigte mir eine Bemerkung in einem Briefe Carl Neumanns, Göttingen, 6. März 1905: "Ich habe einmal in einem Göttinger Semester die Apocalypse tradiert mit Al- brecht Dürer und damals den -'sehen Com- mentar gelesen. Läßt man die tausend Über- legungen und Quellenfragen bei Seite und besieht sich, wozu der Commentator nicht mehr naiv genug ist, die Wirkung des Gan- zen : ich habe nie ein Werk von so coloristi- scher Kraft in den Kontrasten, man kann auch sagen von so gewaltiger Instrumenta- tion kennen gelernt. Alles hat etwas Bar- barisch-Schrankenloses." s Vgl. oben S. 40. Erdrückung der Volksliteratur. Kunstliteratur. Weltliteratur. Kanonische Literatur. 175 bücher, aber sie sind weder ausgesprochen ländlich, noch ausgesprochen städtisch: das Ländlich-Synoptische und das Städtisch-Paulinische ist in ihnen zusammengeschlossen zum Interkulturell-Christlichen. Die Produktion von Volksliteratur hat dann im Christentum niemals wieder aufgehört Sie geht, oft als eine Art unterirdischen Schrifttums oder Winkel-, und Konventikelschrifttums, durch die Jahrhunderte, von dem ersten uns bekannten lateinischen Vulgärtexte, dem Kanon Muratori, und den zahlreichen als apokryph gebrandmarkten Evangelien, Apostelgeschichten und Offenbarungen der Epigonen zu den Märtyrerbüchlein, Heiligen- legenden und Pilgei fahrten, und von den gedruckten Postillen, Tröstern und Traktaten bis zu der unübersehbaren Vielsprachigkeit der modernen Erbauungs- und Missionsliteratur. Der größte Teil der volkstümlichen Literatur geht noch heute unter, nachdem er seinem Zwecke gedient hat. Wir stellen wohl das langweiligste, von keinem Menschen gelesene Hy- pothesenbuch eines Kathedertheologen in unsere Bibliotheken, aber Gebet- bücher, an denen sich ganze Generationen erbaut haben, sind nach hundert Jahren literarische Seltenheiten. So ist von dem ganzen ungeheueren Bestände christlicher Volksliteratur aller Zeiten nur ein geringer Rest auf uns gekommen, und auch dieser wird fast erdrückt durch die theologische Fachliteratur, die sich massig und laut in den Vordergrund geschoben hat. Verfolgen wir diese theologische Kunstliteratur zu ihren Anfängen zurück, so gelangen wir zu der jetzt im Neuen Testament bei lauter Volksbüchern wie ein Fremdling recht im Hintergrunde stehenden He- bräerepistel. Sie macht in der literarischen Entwicklung des Christentums insofern Epoche, als sie das erste deutlichere Beispiel einer Literatur ist, die sich zwar auch noch wie die älteren Volksschriften an die Christen- heit, nicht an die Öffentlichkeit überhaupt wendet, die aber von bewußt theologischen Interessen diktiert und von theologischen Methoden und dem Streben nach schöner Form ganz anders als die Paulusbriefe beherrscht ist : das Christentum tritt aus seiner Heimatsschicht heraus und sucht sich der Bildung zu bemächtigen. Von solcher Kunstliteratur für Christen zur Kunstliteratur für die Welt, wie sie die Apologeten des zweiten Jahrhunderts produzierten, war nur ein Schritt; die weiteren Linien dieser Entwicklung sind bekannt. Doch ehe die christliche Literatur diesen großen Schritt in die Welt wagte, geschah es, daß der Nachlaß der Urzeit von den Büchern der Nachgeborenen durch die unübersteigbare Schranke eines Neuen Kanons getrennt wurde. Was bedeutet die Zusammenstellung des Neuen Testa- mentes, dieses wichtigste Ereignis in der Literaturgeschichte der Menschheit, rein literarisch? Vor allem die Rettung der Reliquien der Vorzeit. Dann aber die Literarisierung des nichtliterarischen Teils dieser Reliquien und den Antrieb zur allmählichen Verschmelzung aller Teile zu einem einzigen 176 Das Wesen des Neuen Testaments. Am Anfang war das Wort. Buch. Endlich die Erhebung vorkirchlicher Texte zu kirchlichen Normen und volkstümlicher Texte zu einem Weltbuche K Daß in das sich bildende Neue Testament fast nur volkstümliches und fast nur ganz altes vor- kirchliches Gut hineingekommen ist, ist ein glänzender Beweis für den sicheren Takt der kanonbildenden Kirche. 9. Wenn jetzt am Schlüsse dieses Kapitels jemand sagen würde, das alles habe man auch wissen können ohne Kenntnis der Inschriften und Papyri und Ostraka, so würde ich keinen entrüsteten Widerspruch er- heben. Ich kann aber jedenfalls von mir nur sagen, daß ich die ange- deuteten Grundlinien der literarischen Geschichte des Christentums erst gesehen habe, als sich mir durch die Beschäftigung mit jenen Schrift- denkmälern der große Unterschied des Unliterarischen und des Literarischen aufgedrängt hatte, und als mir namentlich das Wesen des unliterarischen Briefes an den Papyrusbriefen deutlich geworden war. Seitdem ist mir auch die ganze Großartigkeit der literarischen Ge- schichte des Urchristentums erst aufgegangen. Am Anfang war nicht das geschriebene Buch, sondern das lebendige Wort, waren nicht die Evangelien, sondern das Evangelium, war nicht der Buchstabe, sondern der Geist: am Anfang war Jesus. Und in diesem Zeitalter des Geistes arbeitet auch Paulus, der Christ und Apostel, mit seinen Briefen nicht zu den Literaten tretend, sondern vertrauten Verkehr pflegend. Dann sehen wir, wie für die ungelehrten kleinen Leute der Christen- bruderschaften schlichte Volksbücher entstehen, die Anfänge christlicher Literatur, durch Evangelisten, Propheten und Apostel, die, aus dem Volke stammend, die Sprache des Volkes redeten und schrieben. Wir sehen weiter in der Hebräerepistel das Christentum die Schwingen recken zum Flug aus der Heimat in die Welt der Bildung, und wir ahnen die Anfänge einer christlichen Weltliteratur. Zuvor aber besinnt sich die neue Religion auf ihre Ursprünge und beginnt die Reliquien der Urzeit zu sammeln als Norm für die Zukunft. Diese ganze literarische Entwicklung spiegelt den großen historischen Prozeß wieder, den wir die Urgeschichte des Christentums nennen. Deutlich sehen wir den Werdegang unserer Religion von den Bruder- schaften zur Kirche, von den Ungelehrten zu den Theologen, von der unteren und mittleren Schicht zur oberen Welt. Ein großer Abkühlungs- und Erstarrungsprozeß ist dieser Werdegang gewesen. Wenn wir über die Jahrhunderte hinweg immer wieder auf das Neue Testament zurück- greifen, so wollen wir damit das erstarrte Metall wieder in Fluß bringen. 1 Ebenso wie sie sprachhistorisch die Erhebung der Vulgärsprache in den Bereich des Literarischen bedeutete. Die Bibel für die Vielen. 177 Denn das Neue Testament ist zwar von der Kirche redigiert und über- liefert, aber es hat nichts Starres und Gesetzliches an sich, weil seine Texte die Dokumente des vorkirchlichen, von Inspiration getragenen Zeit- alters unserer Religion sind. Und das Neue Testament ist zwar ein Buch, aber es ist nicht von papierener Art; denn seine Texte sind die trotz allen literarkritischen Martyriums bis heute lebendigen Bekenntnisse christlicher Innerlichkeit. Und ist das Neue Testament um seiner griechischen Zunge willen auch auf die gelehrten Dolmetscher angewiesen, so ist es doch kein exklusives Buch für die Wenigen: weil seine Texte den Seelen der Heiligen aus dem Volke entströmen, ist das Neue Testament die Bibel für die Vielen. D eissmann Licht vom Osten. 12 178 IV. Die Bedeutung der neuentdeckten Texte für das kultur- und religionsgeschichtliche Verständnis des Neuen Testaments. 1. In den Tagen, als die Inschriftensteine der antiken Welt noch nicht in die Erde gesunken waren, die Menschen noch auf Papyrus und Tonscherben schrieben und die Münzen der römischen Cäsaren im täg- lichen Verkehr umliefen, hat in Jerusalem Jesus aus Galiläa im Gespräch mit seinen Gegnern einen römischen Silberdenar in die Hand genommen und unter Hinweis auf Bild und Schrift der Münze den Satz * ausgesprochen : Gebet dem Cäsar, was des Cäsars ist, und Gott, was Gottes ist! In einem Zeitalter, in welchem dem Cäsar göttliche Verehrung gezollt wurde, zieht Jesus, ohne respektlos gegen den Cäsar zu sein, doch in stillem Protest gegen den Cäsarenkult deutlich eine scharfe Grenze zwischen dem Cäsar und Gott; nicht gleichwertig sind in seinem lapidaren Worte die beiden Größen, sondern die zweite ist der ersten übergeordnet: Gebet dem Cäsar, was des Cäsars ist, und erst recht Gott, was Gottes ist! - das ist der Sinn 2 . Bild und Schrift der Münze sind der augenschein- liche Beweis für das Recht des Münzherrn auf die Steuerleistung der Provinzialen. Die Rechte Gottes werden dadurch nicht berührt, denn sie hangen himmelhoch über den Rechten dieser Welt. So ist Bild und Schrift einer römischen Münze für Jesus das Veranschaulichungsmittel gewesen, um ein religiös -politisches Problem seines Zeitalters zu beant- worten. Nicht lange nachher, am Abend vor seinem Martyrium, hat Jesus im vertrauten Kreise seiner nächsten Jünger auf einen weltlichen Brauch angespielt, den wir literarisch 3 und durch massenhafte Inschriften und 1 Matth 22u mit den Parallelen. 2 Vgl. zu dieser Erklärung die Aus- führungen über den Cäsarenkult unten Ab- satz 9. Es ist genau dieselbe Auffassung der Stelle, die in den Akten der Scilitani- schen Märtyrer die Christin Donata vertritt: honorem Caesari quasi Caesari; timorem autem Deo: Ehre dem Cäsar als Cäsar, Furcht aber Gott! (Ausgewählte Märtyrer- acten herausg. von R. Knopf, Tübingen 1901, S. 35). * Vgl. z. B. schon die alttestamentlichen Apokryphen. Der römische Denar in der Hand Jesu. Der Titel "Euergetes". 179 Münzen aus der griechischen Welt belegen können: die Sitte, Fürsten und andere hervorragende Männer mit dem Ehrentitel Euergetes Wohl- täter zu schmücken 1 . Es wäre nicht schwierig, mehr als hundert in- schriftliche Belege für diesen Brauch rasch zusammenzusuchen, so ver- breitet ist er. Statt vieler Zeugnisse sei nur eines notiert, aus dem Zeit- alter der Evangelisten; der kaiserliche Leibarzt und spätere Kaisermörder Gaios Stertinios Xenpphon, noch ein Zeitgenosse Jesu, erhielt zum Dank für wichtige seiner Heimatsinsel Kos geleistete Dienste von den Koern wohl um 53 nach Christus den Ehrentitel Wohltäter und führt ihn bei- spielsweise auf einem Inschriftfragment aus Kos 2 (Abbildung 34), das wahrscheinlich zu einer Ehrung für seine Gattin gehört 3 : Abb. 34. Marmorinschrift von Kos mit dem Titel Euergetes, ca. 53 n. Chr., jetzt in der Garten- mauer des Sarrara Jussuf in der Stadt Kos. Mit Genehmigung Rudolf Herzoos und der DiETERiCH'schen Verlagsbuchhandlung Theodor Weicher. Töt7 tvepyiT[a r. 2xt(>-] &vuQ("d'eloav r[ät] des Wohltäterfs G. Ster-J tinios Xenopho[nJ geweiht dferj Stadt. Jesus kennt diese Sitte der "Völker" höchstwahrscheinlich von syrischen und phoinikischen Münzen 4 , die in Palästina zirkulierten, und es ist wohl 1 Luk 22*5 r 2 Entdeckt und veröffentlicht von Ru- dolf Herzoo Koische Forschungen und Funde, Leipzig 1899, S. 65 ff. Nr. 24. 25. Das stark verkleinerte Faksimile auf Tafel IV 2. 3 gebe ich mit gütiger Erlaubnis des Entdeckers und seines Verlegers hier wieder (Abb. 34). 8 Das obere Fragment ITHIOYA ge- hört vielleicht zu einer anderen Inschrift. I 4 Vgl. z. B. Münzen der Städte Ptole- mals-Akko und Arados mit Alexandras I. Bala, 150-145 v. Chr., Journal international d'arche^ologie numismatique 4 (1901) S. 203 und 3 (1900) S. 148 und Münzen der Städte Tyros und Arados mit Antiochos VII. Euer- getes 141-129 v. Chr. ebenda 6 (1903) S. 291 und 3 (1900) S. 148. 12* 180 Ein epigraphisches und ein Papyrus-Erlebnis des Paulus. berechtigt, den häufigen griechischen Titel als Lehnwort auch im Ara- mäischen zu vermuten. Dieser griechische Titel im Munde Jesu ist übrigens neben dem Denarworte einer der Fälle , in denen wir die Bran- dung der großen Welt von ferne in den Worten des Meisters vernehmen. Nicht ohne Ironie hat er von dem Titel gesprochen und seinen Jüngern verboten, sich so nennen zu lassen; das wäre unvereinbar mit der dienenden Brüderlichkeit. Etwa zwei Jahrzehnte später sehen wir den Weltwanderer Paulus durch die Straßen von Athen ziehen und sinnend vor einem Altar Halt machen. Die Inschrift 1 interessiert ihn aufs stärkste: Dem unbekannten Gott, und in dieser steinernen Zeile verkörpert sich ihm das ganze Suchen der heidnischen Menschheit nach dem lebendigen Gott, den er in Christus besitzt. Als Paulus bald darauf nach Ephesos reiste, kam zu dem großen epigraphischen Erlebnis von Athen ein merkwürdiges Erlebnis mit Pa- pyrusbtichern. Durch seine geistesmächtige Predigt gewann er zahlreiche Juden und Heiden, und viele von denen, die sich bis dahin mit der Magie abgegeben hatten, brachten ihre Zauberbücher herbei und verbrannten sie öffentlich, in solchen Massen, daß Lukas - wenn auch wohl mit frommer Übertreibung - ihren Wert auf 50000 Silber- drachmen angibt 2 . Die neuen Funde ermöglichen uns eine besonders plastische Vorstellung von Form und Inhalt dieser Zauberbücher: in unseren Museen liegen zahlreiche, z. T. sehr beträchtliche Fragmente von antiken Zauberbüchern auf Papyrus, um deren Publikation und Erklärung sich besonders Carl Wessely, Albrecht Dieterich und Frederic Kenyon verdient gemacht haben. Das größte Fragment ist wohl der um 300 nach Christus geschriebene "Große" Zauberpapyrus der Bibliothfeque nationale in Paris 3 , den Wessely 4 herausgegeben hat. Ist er auch erst einige Jahrhunderte nach dem Erlebnis des Paulus geschrieben, ist seine äußere Form auch die des Kodex (nicht der zur Zeit des Paulus wohl noch üb- lichen Rolle), und ist sein Inhalt z. B. durch den usurpierten Jesus-Namen auch nicht mehr rein heidnisch -jüdisch, so wird er in der Hauptsache doch Zaubertexte bieten, die beträchtlich älter sind als die Zeit seiner Niederschrift, und wir sind in der Lage, uns an ihm ein anschauliches Bild von antiker magischer Literatur zur Zeit des Paulus zu machen. Daß ein starker Einschlag jüdischen Gutes darin schon damals voraus- zusetzen ist, halte ich für zweifellos. Ich wähle als Probe das Blatt 33 * 1 % Ayvc&arq> fotp AGesch 17m. 2 AGesch 19i9. 3 Nr. 574 des Supplement grec. 4 Denkschriften der philosophisch-histo- rischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu Wien, Bd. 36, Wien 1888, S. 27-208. • Dasselbe Blatt hat Wessely Patrologia Orientalis t. IV 2 S. 187-190 zum größten Teil nochmals herausgegeben mit Über- Der Große Pariser Zauberpapyrus. 181 des Pariser Buches, das den Schluß eines heidnischen Rezeptes und ein großes, ursprünglich jüdisches, aber von einem Heiden geschriebenes Rezept enthält i (Abbildungen 35 und 36). Vorderseite, heidnischer Text. ro€ ßv&oü, al 8k 8wdpett aov h> rrj xap8/a roü '/fy- ftoü eiotv. rd fr&la aov rd öarea roü Mveöetos. xai aov rd äv&rj iariv 6 dp&aX/ude roQ "Qqov. rd adv oniopa roü Uavöe iari oniopa. dyähn £&oe % fyretvt] <&£ xai rove &eoös. xai ini üyeia ipavroQ xai awonXia&tj" r$ ht* röxfj. xai 8de 4}ftZv 8vva#tv de 6 "Aotje xai 4 'A&rjvd. iyd> st/tu 'Eo/tijf. Xapßdvat o$ avv ayadij p Ti%rj xai dya&ß daiuovi xai hv xaXrj (1) s **i iv xaXrj j} ffl 4 *"i imrevxrixij node ndvra. raür elncbv rtjv ukv ravytj&eioav nöav eis xa&aodv SXiaae ddöviov. rrjs 8k {T/gtyfi röv rönov inrd ukv nvooü xöxxov£-rov£ 8k toovs xoi&rjQ piliri 8ev , oavree MßaXov xai rijv dvaaxaa>etaav yijv h>%d>oas dnaXldooeratl 2995 3000 3005 3010 3015 Vorderseite, jüdischer Text. / npde 8aiftovia£oukvov£* UißiJxewG Söxipov. XaßdDv iXatov öucpaxltovxa uerd ßordvrjQ ftaoriylas xai Xcuxo/urjxpae iyei /uerd oapipotixav d%pa>riorov Xdyotv' IonjX' Qooaqd'KOfii' Eucdqi' Oeco^ixpoid" JSi&s/uecox' JZotthj' lotrj' MiuirfHo&tcoaMp' x' larjeo' JSiaoaox' xai Tteo/anra %6v ndaxovra navxds Saiuovos (pgtxrdv d oai. 3 = äoa. Dieses [vgl. auch unten das Ostrakon mit dem Bindezauber] und das fol- gende Monogramm sind Beispiele der massen- haften in den Papyri vorkommenden ("-Mono- gramme, zu denen auch das in vorchrist- licher Zeit längst übliche sog. Monogramm Christi gehört, vgl. meine Schrift Ein Ori- ginaldokument S. 23. 4 "a" rfuioq. 5 Das m. W. bis jetzt nicht belegte Wort 8aipovid£a3 ist wohl eine Analogiebildung nach oeXfivtd£t". • - 8elva, 7 -. xoivd d. h. und weitere übliche Formeln. Diese Notiz steht öfter in den magischen Papyri. 182 Ein Blatt (Vorderseite) des Pariser Zauberbuchs. ^>f}4 ^ 3005 ~v j W^ ?>"-" ^t^ j rlMts*** +**>*** \+#** ' v> T riJr ****** R* ü 5 3030 3035 3040 Abb. 35. Blatt 33 Vorderseite des Großen Zauberpapyrus, geschrieben in Ägypten ca. 300 n. Chr., jetzt in der Bibliotheque nationale zu Paris. Durch Vermittlung von Albrecht Dieterich. Ein Blatt (Rückseite) des Pariser Zauberbuchs. 183 if?++mr*}*tf rjTWTT*/*?** *rK/r****>"-- 3045 3050 3055 3060 3065 3070 3075 3080 3085 ^>JV*^?A "w^MA/fc** "*yv^*rrr*^ p " ^*v^ iE &^J>*4 cv*.^> VvfAS! Abb. 36. Blatt 33 Rückseite des Großen Zauberpapyrus, geschrieben in Ägypten ca. 300 n. Chr., jetzt in der Bibliotheque nationale zu Paris. Durch Vermittlung von Albrecht Dieterich. 184 Ein Blatt aus dem Pariser Zauberbuch. ßelxat ortjoae dvrtxove öpxi&. tortv dh 6 dpxtovde otiroe' ÖQxi&o ob xard ro€ &v r&v 'Eßgattov 3020 'ItjooO' laßa' lay' Aßoaa>&' Ata' Botd" EXe' EXto' Arjor Eov lußaex* Aßap/uas' Iaßa- paov' AßeXßeX' Aeova' Aßga' Mapota' ßpaxt- top 1 ' nvpupavij' 6 iv piorj dpoüptje xai %tdvos xai öul%Xr\t, Tarvrjne, xaraßdro" cov d dy- 3025 yeloe d dnapair^roi xai etoxptvirco* rdv neptnrdpevov Baipova ro€ nXdoparoe rotiro v , 3 inXaoev d &s iv rß dyico iavroü napadet- am. ort kne$%oftat dytov &v ini Aßtftotv- tyevrav%o*. o. dpxt^to ae Xaßpia' laxovd" X* 3030 AßXava&avalßa' Axpajuu. o. Atod" la&a- ßa&pa' Xa%&aßpad , a* Xaftw%BX A% Aßpoh- cod". oi) AßpaotXtod" AXXrjXov' IeXmoat* larjX' dpxi^m ob rdv dnrav&ivra* rß 'OoparjX* iv otöXco (pmrtvÜ xai vefiXrj Ijua- 3035 ptvij xai (vodftevov aöroÜ rdv Xdyov 1 tpyov rijv SsxdnXrjyov dtd rd napaxoüetv aüxdv. dpxi' f"w ffe, ndv nveOua datudvtov } XaXrjoai önol- ov xai äv ifff, ort 6pxl£ XdXtjoov önolov idv § fjs iTteovpdvtov* fj ddp top Rückseite, jüdischer Text. elre intyetov elre indyetov {) xara%d"dvtov fj 'Eßovoalov fj XepoaZov 1) 6 xagnoöe avTrje, öv ev- Xoytl näoa inovpdvtos dwdßttos 11 dyyiXmv dpxayy&Xcov. dpxi£to ob ftiyav &v Eaßa- tb& t dt* öv d */opSdrijs nora/ude dve%tb- Qr^oev eis rd dnloco xai 'Eov&pd &dXaooa i ss ßpa%La>v. 2 Das muß ein technischer Ausdruck sein: der durch den Exorzismus frei ge- wordene, umherflatternde Dämon soll in Haft genommen werden, damit er nicht wieder in den Menschen fährt (vgl. Mark 9ss). 3 ss Xöyoe. 4 Diese Lesung ist unsicher; der Text ist korrigiert. 5 Vgl. zu diesem angeblich "biblischen" Wort oben S. 52. 6 - *IapmH\ 7 Ursprünglich stand in der Formel na- türlich Xadv und vielleicht dnd roü ipyov. 8 Zu diesem anstelle des dv getretenen, nachher wiederkehrenden vulgären idv vgl. Neue Bibelstudien S. 29 ff. 9 = inovpdvtov. 10 %ovo7tXdorr}S {%oo7iXdorrjs) ist ein bis jetzt sonst nicht belegtes Wort jüdischer Herkunft. 11 Soll heißen Stivapis. Ein Blatt aus dem Pariser Zauberbuch. 185 3055 f\v Adevaev EtopajjX xai iarat 1 dvddevroe' Sri 6px/£o> o§ rdv xaradel\av xa ras ixardv reoeepdxovra yXdoeas xai 8uute(>loavra t<0 i8t(o npooraypan. dqxi&o oe rdv rßv ad- %ivtotv ytydvrtov* rote n^Tjarrjpoi xara- 3060 yXi£avra, öv dftvl de* odfavde rßv odpavdiv, dv d t uvo€oi rä nreovytbuara roü Xepovßtv. dpx££a> oe rdv neqtdivra day rij d'aXdooij ret%oe A i£ ä/tpov xai imrdiavra adrff pr) tinep- ßrjvai xai tnijxavoev jj dßvoooq. xai oi> ind- 3065 xo\rttov % ndv nveüfta Satpdviov, Sri öpxt£°> oe rdv owolovra* robe riooapas dvipove dnd r&v leoßv alAvtov odoavoiSrj &aXaooo~ eiBrj ve dtd navrds al&vos nqoonaqa- xeirai r& dvdfi an aöro€ rß dylm Iaeo>- ßaevefiovv t o } Sv rpiftei Tiwa nvpde xai oe, ndv nveGfta Soi/udvtov, rdv iipo- ptorra ini yrj* xai noioüvra txrqofia rd frepiXta 1 adrijs xai noufoavra rd ndvra i\ &v* odx dvrtov t/ff rd elvat. ÖQxl^to 8i ae rdv n apaXapßdvovTa rdv d^xio/idv roHrov %q*qIov 3080 pij (paytlv xai dnorayijoera/ aot ndv nveäpa xai datfiöviov dnolov idv %v*. d$xt£<"v dl tpdaa a 10 dnd r&v Axoatv xai rßv nod&v dv gibt als dyaifßv wohl keinen Sinn. Ausgezeichnet aber paßt dnaiomv, das wie LXX Ps 77 [78]" im Sinne von ausgehen lassen gebraucht ist und wohl ursprünglich im Texte stand. 12 Vgl. oben S. 86 ff. 13 Der ägyptische Sonnenstier. 186 Zauberworte. Jesus, der Gott der Hebräer. ist des Pan Same. Zum Kampfe gurte Dich mit Harz wie auch 1 die Götter. Und zu meinem Wohlergehen 11 {und) sei mein Waffengefäht- te auf mein Gebet hin 3 . Und gib uns Kraft wie Ares und Athena. Ich bin Hermes*. Ich fasse Dich in der Gemeinschaft mit* der gütigen 3000 Tydie und dem gutigen Daimon und zur guten Stunde und am guten und alles gelingenlassenden Tage.* Nachdem Du solches gesprochen, wickele* das erbeutete Kraut in reines Linnen. Die Stätte der Wurzel aber - sieben Weizen- körner und ebensoviel von Gerste bestreicht man* mit Honig 3005 und wirft sie hinein. Und nachdem er* die aufgegrabene Erde zugeschüttet hat entfernt er 1 sidi. Vorderseite, jüdischer Text Gegen dämonische Besessenheit. Erprobtes Rezept des Pibediis*. Nimm öl von unreifen Früchten nebst der Pflanze Mastigia ö und Lotosmark ,0 und koche es mit Majoran 3010 (dem nichtfarbigen) und spridt: m Joel xi , Ossarthiomi, Emori, Theochipsoith, Sithemeodt, Sothe, __ Joe, Mimipsothiooph, Phersothi AEE10YO Joe, Eodiariphtha: Fahre aus von 12 N. N. (andere übliche Formeln)." Die Sdiufzformel aber schreibe auf ein zinnernes 3015 Täfeldien: m Jaeo t Abraothioch, Phtha, Niesen- tiniao, Pheodi, Jaeo, Charsok" und hänge es dem Leidenden um : es ist für jeden Dämon ein Schauder l3 , den er fürchtet. Stelle Dich dann gegenüber und beschwöre ihn. Es lautet aber die Be- sdiwörung also: "Ich beschwöre Dich bei dem Gott der Hebräer 3020 Jesu ,4 , Jaba, Jae, Abraoth, Aia, Thoth, Ele, Elo, Aeo t Eu, Jiibaedh, Abarmas, Jaba- 1 Hier ist m. E. eine Zeile oder mehr ausgefallen; selbst wenn man äs als Prä- position faßt, stellt sich kein guter # Sinn ein. 2 Diese Worte könnten auch zum Vor- hergehenden gehören. 3 Oder nach meinem Wunsche. * Vgl. hierzu oben S. 90. 94. 5 Das avv ist technischer Ausdruck des magischen und des Devotions -Rituals. 6 Man beachte den Subjekts Wechsel. 7 Nämlich der Wurzelgräber. 8 Ein Zaubermeister, vgl. Albrecht Dieterich Jahrbücher für classische Philo- logie 16. Supplementband (1888) S. 756. 9 ? ? Vgl. Albr. Dieterich Abraxas S. 138. 10 Vielleicht ist Lotometra aber auch ein Pflanzenname, vgl. den Thesaurus Graecae Linguae V Sp. 473. 11 In diesen Zauberwörtern ist zu unter- scheiden zwischen sinnlosem Hokuspokus und semitischen (vgl. Bibelstudien S. 1 ff.), ägyptischen u. a. Wörtern, die einen Sinn hatten und vielleicht noch haben. Man muß nur diesen Sinn nicht bloß durch moderne Philologie zu ermitteln suchen, sondern auch die antiken Volks- und Dilettantenetymolo- gieen zurate ziehen, von denen wir für das Semitische in den Onomastica Sacra eine gute Anzahl haben. Mehrere Zauberwörter un- seres Textes sind biblisch und in den Ono- mastica Sacra erklärt. Daß die Deutungen der Onomastica Sacra zum Teil im Volke kursierten, zeigt das Heidelberger Papyrus- amulett, auf dem semitische Namen und griechische Deutungen zusammenstehen (vgl. die Abbildung unten Kapitel V). 12 Genau dieselbe Formel Luk 4ss; mit ix Mark 1*5 5s 925. 13 Vgl. Jak 2.9 und Bibelstudien S. 42 f. 14 Der Name Jesu ist in der Formel schwerlich alt. Er dürfte von einem Heiden eingesetzt sein: weder ein Christ noch erst recht ein Jude würde Jesus den Gott der Hebräer genannt haben. Septuagintaworte in den Zaubertexten. 187 rau, Abelbel, Lona, Abra, Maroia, Arm, im ßeuer ! erscheinenden der Du inmitten von Flur und Schnee und Nebel' 2 bist, Tanne tis 3 : herabfahren soll Dein unerbitt- 3025 licher Engel und einweisen in Haft den umherflatternden Dämon dieses Geschöpfes, das Gott gesdiaffen hat in seinem heiligen Paradie- se*. Denn ich bete zum heiligen Gott, mich gründend auf* Ammon- ipsentandto." Spruch. .Ich beschwöre Dich mit keckem Schwall: Jafouth, 3030 Ablanathanalba, Akramm." Spruch. m Aoth, Jatha- bathra, Chachthabratha, Chamynchel, Abro- oth. Du bist Abrasjloth, Allelu, Jelosai, Jael: ich beschwöre Dich bei dem, der sich geoffenbart hat an Osrael* in der Liditsäule und in der Wolke bei 3035 Tag 1 , und der gerettet hat* sein Wort 9 vom Frondienst 10 des Pharao und der gebracht hat über Pharao die Zehnzahl der Plagen", dieweil er nicht hörte n . Ich beschwö- re Didi, jedweden dämonischen Geist, daß Du sagest, wer im- mer Du auch bist**. Denn ich beschwöre Dich bei dem Sie- 3040 gel, das Solomon u gelegt hat auf die Zunge des Jeremias l5 also, daß er redete. Audi Du sage, wer immer Du bist, ein himmlisches "• oder ein Luftwesen Rückseite, jüdischer Text. oder ein irdisches M oder ein unterirdisches oder ein Wesen unter der Erde ,8 , oder ein ebusäisches oder ein diersdisches (ein Landwesen) oder ein phari _ säisches 11 . Sage, 1 Der Arm Gottes zusammen mit dem Feuer ist wohl Reminiszenz an Stellen wie LXX Jes 26n und Weish Sal 16ie. 2 Schnee und Nebel von Gott kommend LXX Ps 1475[i6|, vgl. auch LXX Hiob 38". 9.. 8 ? Dieterich Abraxas S. 138 ändert in rawa freie. * Vgl. Tanchuma, Pikkude 3: Rabbi Jochanan sprach: Wisse, daß alle Seelen, welche vom ersten Adam an ge- wesen sind und welche sein werden bis ans Ende der ganzen Welt, in den sechs Schöpfungstagen geschaffen worden sind. Sie sind alle im Garten Eden* (Ferdinand Weber Jüdische Theologie auf Grund des Talmud und verwandter Schriften 2 , Leipzig 1897, S. 225). 6 Das inl scheint dem technischen otv (oben S. 186) verwandt zu sein. 6 Diese Form spricht auch für die heid- nische Herkunft des Redaktors des jüdischen Textes. 7 Vgl. zur Sache LXX 2 Mose 13". Den Ausdruck Lichtsäule gebrauchen die LXX nicht, sondern Feuersäule. • Häufiger LXX-Ausdruck. 9 Schreibfehler für Volk. 10 LXX 2 Mose In. I " LXX 2 Mose 7 ff . 1 " LXX 2 Mose 7". . iS Zur vollen Gewalt über den Dämon I ist die Kenntnis seines Namens notwendig; | so erklärt sich auch die Frage an den Dä- | mon Mark 5" - Luk 830. I ,4 Das Siegel Salomos ist in der Magie sehr bekannt, vgl. z. B. Dieterich* Abraxas l S. 141 f., Schürer Geschichte des jüdischen ] Volkes HP S. 303. ! 16 Worauf sich das bezieht, ist mir nicht i bekannt. Die Tradition wird mit LXX Jer ! 1"- 10 zusammenhängen. 16 Trotz der Ähnlichkeit mit Phil 2to Eph 22 3io 619 liegt hier kein Zitat aus Paulus vor; sondern Paulus und der Papyrus bedienen sich geläufiger jüdischer Kate- gorieen. 17 Diese merkwürdige Trias von Dämonen stammt offenbar aus LXX 1 Mose 15*> 2 Mose , 3s. 17 u.a., wo die Xerraiot (daraus ist Xep- oaioi = Landdämonen geworden), die 0*- \ ps^azoi (daraus wurden die volkstümlicheren j Pharisäer) und die % leßovoaun zusammen- 1 stehen. Xepaaioe, das auch sonst als Dä- I monenbezeichnung vorkommt (siehe den 188 Septuagintaworte in den Zaubertexten. 3045 wer immer Du bist, denn ich beschwöre Dich bei Gott dem Lichtträ- ger 1 , dem Unbezwinglidien*, dem, der im Herzen jeglichen Lebens ein Wissender ist *, der aus Staub schuf* das Geschlecht der Menschen, der herausfährte aus dem Verborgenen und dicht macht die Wolken • und regnen läßt auf die Erde e 3050 und ihre Früchte segnet 1 , den da seg- net jegliche himmlische Macht der Engel*, der Erzengel. Ich beschwöre Dich bei dem großen Gott Saba- oth, um dessentwillen der Jordanfluß zu- rückwich* und das Rote Meer 10 : 3055 Israel zog hindurch und dann stand es 11 unwegsam. Denn ich beschwöre Dich bei dem, der geoffenbart hat die hundert- vierzig Zungen und sie verteilt hat durch sein Befehlswort ". Iah beschwöre Dich bei dem, welcher der steif- nackigen ,3 Giganten [Sippe?] mit seinen Feuerstrahlen ver- 3060 brannt hat u , den besingt der Himmel Himmel 1 *, den besingen die Fittige des Cherubin lfl . Ich beschwöre Didi bei dem, der Berge " gesetzt hat ums Meer, eine Mauer aus Sand x% , und ihm geboten hat, sie nidit zu über- schreiten l9 , und es gehorchte die (Meeres-)Tiefe. So gehor- 3065 die auch Du, jedweder dämonischer Geist, denn ich beschwöre Dich bei dem, der die Vier Winde bewegt(tm) von den heiligen Äonen her, beim Himmelsgleichen, Meeres- gleichen, Wolkengleichen, Lichtträger, Unbe zwinglichen. Ich beschwöre Dich bei dem, der indem reinen Jerusolymon ist* 1 , dem das 3070 unauslöschliche Feuer** durch alle Äonen hindurch dargeboten wird, durch seinen heiligen Namen laeo- baphrenemun (Spruch), vor dem die Feuerhölle** erzittert* 4 " LXX Ps 18[19J". 16 Der Singular dürfte wieder ein Beweis sein, daß die jüdische Formel von einem Heiden niedergeschrieben ist. Vgl. den Plural Tersteeoens die Seraphinen, der durch das ebenfalls als Singular empfundene Sera- phin entstanden ist 17 Berge Sprj ist aus Grenzen 6p*a ent- standen, vgl. LXX Hiob 38io und besonders LXX Jer 5*i. ¦" LXX Jer 5". l " LXX Hiob 38n Jer 5". 10 LXX Ps 134[135]7. Sl Vgl. LXX Ps 134 [135]*i. Die Form des Namens der Stadt weist wieder auf einen heidnischen Schreiber. 81 LXX 3 Mose 69. 11. 13. Gemeint ist das Feuer des Brandopferaltars in Jerusalem. Da dieses Feuer im Jahre 70 n. Chr. für immer erlosch, ist jedenfalls dieser Teil des Papyrus vor der Zerstörung Jerusalems entstanden. " Zu den jüdischen Vorstellungen von der Feuerhölle .vgl. Weber 2 S. 393 ff. Das Wort Tauina, aus dem über reewa unser rcwa entstanden ist, steht als Transskription schon LXX Jos 18ie. M LXX Jes 14o. Index bei Wessely), hat hier wohl als Eigen- name zu gelten. Etwas anders erklärt die Stelle Dieterich Abraxas S. 139. 1 Vgl. LXX 1 Mose U und viele ähn- liche Stellen. * Vgl. 3 Makk 613. 3 LXX Hiob 7io Ps 138 [139]m. * LXX 1 Mose 2i. * LXX Ps 134 [135Jt. 6 LXX Hiob 38"o. 7 LXX 5 Mose 7is. 8 LXX Jes 63. * LXX Jos 3isrr. Ps 113[114]s. 10 LXX 2 Mose 14. 11 LXX 2 Mose 14". 11 Die Völkertafel 1 Mose 10 hat 70 Völ- ker, darum nahmen die Juden 70 verschie- dene Sprachen an (Weber 2 S. 66). Unser Papyrus hat 2x70 Sprachen; diese Zahl ist m. W. sonst nicht belegt. " Vgl. LXX Ps 128[129]4. 14 Das ist eine Kombination aus LXX 1 Mose 64 (r. und 19*4 ir. Die Giganten und die Sodomiten stehen als typische Frevler zu- sammen auch Weish Sir I67 3 Makk 24 und Buch der Jubiläen 2G>. Anders erklärt die Stelle Dieterich Abraxas S. 143. Neutestamentliche Hinweise auf unser Problem. 189 und Flammen lodern ringsum ! und Eisen zerkracht 2 und ein jeglicher Berg furchtet sich in seinen Grundfesten*. 3075 Ich beschwöre Dich, jedweden dämonischen Geist bei dem, der hinblickt über die Erde und erzittern läßt ihre Grundfesten 4 und geschaffen hat das All aus dem Nichts ins Dasein*.' Ich beschwöre aber Dich, der Du diese Beschwörung anwendest, Schweinernes 3080 nicht zu essen, und es wird Dir Untertan sein jedweder Geist und Dämon •, wer immer er auch sei. Während der Beschwörung aber blase 1 , den Hauch von oben (zu den Füßen) sendend und von den Füßen zum Antlitz 1 , und er (der Dämon) wird in Haft eingewiesen werden. Hüte es als ein Reiner. Denn der Spruch 3085 ist ein hebräischer und wird gehütet von rei- nen Männern 9 . Wer dieses eine Textblatt (zu dessen jüdischem Bestandteil neben anderen Texten die Bleitafel von Hadrumetum 9 und ein Zaubergeräte aus Pergamon 10 sowohl im ganzen wie im einzelnen gute Parallelen bieten) zu lesen versteht, ohne sich von dem Hokuspokus der eingestreuten Zauberworte verwirren zu lassen, wird zugeben, daß auf dem wunder- lichen Wege dieser magischen Literatur ein guter Teil der religiösen Ge- danken des griechischen Alten Testaments in die Welt hineindrang und zur Zeit des Apostels Paulus gewiß schon eingedrungen war. Die Menschen der kleinasiatischen Weltstadt, in deren Händen Paulus solche Texte fand, waren, auch wenn sie Heiden waren, nicht ganz unvorbereitet für die biblischen Dinge, und aus den Flammen der verbrennenden Pa- pyrusbücher retteten sie Erinnerungen an heilige Formeln, die auch im neuen Glauben ein Heimatrecht behielten. Aber auch hiervon abgesehen, eröffnen uns die Zauberbücher mit ihrem grotesken Nebeneinander und Durcheinander religiöser Formeln des Ostens und des Westens einen tiefen Einblick in das Geschiebe der Religionen in der großen Wende- zeit; sie sind vielleicht die lehrreichsten Dokumente des Synkretismus der mittleren und unteren Schicht. Die Münzen in der Hand Jesu, Paulus vor der athenischen Altar- inschrift und den ephesinischen Zauberbüchern, - sind diese Einzelbilder nicht typisch? Sind sie nicht neutestamentliche Hinweise auf unser Thema? 1 LXX Jes 6615 ff. u. a. 2 Diese Übersetzung ist nicht sicher; ich nehme ein aus il&xrjoa zurückgebildetes Xaxda" - Xdoxo> an. Zur Sache vgl. LXX Jer 6i8 Ps 106[107]ie 45[46]io. 8 LXX Ps 17[18> u.a., vgl. auch Bibel- studien S. 45 f. 4 LXX Ps 103 [104]m vgl. 17 [18]s und Bibelstudien S. 44. * 2 Makk 7m. 6 Zu dieser Formel vgl. Luk IO17. so 1 Kor 1432. 7 Vgl. LXX 1 Mose 2i (Joh 20m). 8 Diese Schlußzeilen zeigen nochmals, daß die Formel von einem heidnischen Ma- gier niedergeschrieben ist. 9 Bibelstudien S. 21-54. 10 Antikes Zaubergerät aus Pergamon, herausgegeben von Richard Wünsch. Jahr- buch des Kaiserl. Deutschen Archäolog. Instituts, Ergänzungsheft 6, Berlin 1905, S. 35 f. 190 Die analogische und die genealogische Methode. Fordern sie uns nicht auf, die Texte aus der Umwelt des Urchristentums, die im Original auf uns gekommen sftid, mit den Augen des religiösen Menschen zu lesen und mit den Gläsern der religionsgeschichtlichen Forschung zu studieren? Wir werfen damit unsere dritte Frage auf: von der kultur- " und religionshistorischen 2 Bedeutung der neuen Texte wollen wir handeln. Unsere erste Frage befaßte sich mit der sprachhistorischen, die zweite mit der literarhistorischen Bedeutung der Denkmäler; beide Fragen bezogen sich zwar nicht ausschließlich, aber doch vorwiegend auf das formale Verständnis des Neuen Testaments. Unsere dritte Frage be- trifft aufs stärkste das inhaltliche Verständnis des Neuen Testaments und damit des Urchristentums, und ich glaube, daß auch hier die neuen Texte uns nicht im Stiche lassen. Notwendig wäre allerdings zuerst eine Verständigung über die Me- thode der Arbeit; aber ich widerstehe der Versuchung, das methodolo- gische Problem, das mich seit dem Beginn meiner Studien auf das leb- hafteste beschäftigt hat, hier in seiner ganzen Breite aufzurollen. Nur soviel sei bemerkt, daß sich mir bei jeder Einzelbeobachtung alles auf die Alternative 3 zuspitzt: Analogie oder Genealogie? Das heißt, wir haben zu fragen: sind ermittelte Ähnlichkeiten oder Übereinstimmungen zwischen zwei verschiedenen Religionen Parallelitäten des bei gleicher Gestimmtheit der Psyche und gleicher äußerer Situation mehr oder weniger gleichen religiösen Erlebnisses, oder sind sie Abhängigkeiten, nachweisbare Entlehnungen der einen Religion von der anderen? Wo es sich um innerreligiöse Stimmungen und Erlebnisse handelt, und um den naiven Ausdruck dieser Stimmungen und Erlebnisse durch Wort, Zeichen und Tat, da würde ich zuerst immer versuchen, die er- mittelte Einzelheit als Analogie 4 zu begreifen. 1 Die (im folgenden versuchte) kultur- historische Betrachtungsweise scheint mir be- sonders notwendig und fruchtbar zu sein. * In religionsgeschichtlicher Hinsicht sind in der letzten Zeit die sogenannten orien- talischen "Einflüsse" (Hermann Gunkel Zum religionsgeschichtlichen Verständnis des Neuen Testaments, Göttingen 1903) m. E. überschätzt worden. Das Material muß noch schärfer in analogisches und genealogisches geschieden werden, und das als genealogisch Anzusprechende kommt hauptsächlich in- direkt in Betracht (das ist auch die Meinung j Gunkels, der eine Vermittlung durch das '> Judentum annimmt). Gunkel betont aber I S. 6 mit Recht, daß das Neue Testament ein ' griechisches Buch ist. Dieser Seite gilt mein Hauptinteresse, und ich möchte die neuerdings von Georg Heinrici, Adolf Harnack, H. J. Holtzmann, Otto Pfleiderer und anderen Theologen, sowie von Hermann Usener, Albrecht Dieterich, Richard Reitzen- stein, Paul Wendland und anderen Philo- logen begonnene Arbeit weiterführen, indem ich zu den seither hauptsächlich betrachte- ten literarischen Quellen des Hellenismus die unliterarischen, die dem Neuen Testa- ment meistens kongenialer sind, hinzunehme. 8 Vgl. Die Christliche Welt 14 (1900) Sp. 270. 4 Georg Heinrici hat zweifellos das Verdienst, der analogischen Methode den Weg bei uns gebahnt zu haben, und zwar in einer Zeit, die für diese Forschungen noch wenig Verständnis hatte. Apologeten und Dilettanten. Weiterschieber und Namentilger. 191 Wo es sich um die kultische Formel, den kunstgerechten liturgischen Brauch und die doktrinäre Formulierung handelt, da würde ich zuerst immer versuchen, die ermittelte Einzelheit als Genealogie zu begreifen. Der Apologet, wenn er überhaupt etwas anerkennt, erkennt in der Regel bloß die Analogie an und errichtet am liebsten Mauern und Gitter um seinen eigenen kleinen Bezirk. Der Dilettant kennt in der Regel bloß die Genealogie, sein bestes Handwerkszeug ist das hölzerne Lineal, mit dem er in steigender Selbst- bewunderung seine geraden beliebig zu verlängernden Striche zieht. Wenn ihm bei den Beduinen ein Wüstengespenst begegnet ist und in den Gassen von Smyrna ein vom Dämon besessener Sklave, prokla- miert er das Gespenst triumphierend als die Stammmutter des Dämons, und alle Schleier sind ihm gefallen, wenn er bei einem Heiligtum der Vorzeit ermittelt zu haben wähnt, daß das Gold aus Saba stammt, der Marmor aus Paros und das Zedernholz vom Libanon. Die Dürftigsten aber sind die Nichtsalsweiterschieber und Namen- tilger. Das Triviale ist ihnen echt; wo ein großer Name steht, muß radiert werden: die Bergpredigt stammt nicht von Jesus, der zweite Ko- rintherbrief nicht von Paulus! Von wem denn? Die Bergpredigt von X. oder Y. oder vielleicht von siebzehn Anonymen, und der zweite Korinther- brief, wenn er überhaupt von jemandem stammt, stammt von Z., jawohl von ZA Mit solcher Anonymisierung glaubt man dann nicht bloß eine wissenschaftliche Tat getan, sondern auch die Texte selbst endgültig er- ledigt zu haben. Nun wohl, angenommen es gäbe triftige Gründe, die Bekenntnisse des zweiten Korintherbriefes dem Paulus abzusprechen, so würde ich diese Gründe anerkennen. Aber würde dann der Text selbst erledigt sein? Der Text selbst, mit seinen Gedanken, bleibt, und er bleibt klassisch : der Wegfall des einen Wortes Paulos in der ersten Zeile nimmt ihm seinen innern Wert nicht. Wirft der Numismatiker, der ein bei den persischen Münzen liegendes Goldstück als lykisch erkennt oder zunächst überhaupt nicht bestimmen kann, das falsch signierte oder nicht signier- bare Stück auf den Kehrichthaufen? Was ist mit der Anonymisierung der synoptischen Jesusworte eigent- lich geleistet? Bloß das Nomen proprium Jesus ist weggekratzt: die Kraftzentrale, die IcH-Persönlichkeit, die hinter den Worten steht, ist ge- blieben. Daß es eifernden Weiterschiebern und Radierern passieren kann, daß sie ihr Tintenfaß über die Karte der antiken Mittelmeerwelt ausgießen, sei unbestritten; in der Studierstube ist vieles möglich. Aber wenn diese Ärmsten dann mehr von uns verlangen, als unser gewiß gern gewährtes Mitgefühl mit ihrem Mißgeschick, wenn sie fordern, daß wir glauben 192 Schwarze Provinzen. Der Kulturhintergrund des Urchristentums. sollen, in den schwarzen Provinzen ihrer besudelten Karte verschwänden alle seither als Werte geltenden Dokumente der antiken Mittelmeerkultur, so verlangen sie das Opfer des Intellekts. Man muß sie human behan- deln und im übrigen weiterschieben lassen: über Meer und Land werden sie, da die Erde rund ist, dereinst wieder bei uns anlangen. Auf keine ausschließliche "Methode" eingeschworen, sondern von Fall zu Fall prüfend, nicht jedes Problem um jeden Preis beantwortend, son- dern dunkel lassend, was dunkel ist, aber auch für Licht haltend, was Licht ist, wird der neutestamentliche Forscher von unseren Texten einen reichen Gewinn haben, und ich möchte nunmehr andeuten, was er etwa finden kann und wo er etwas finden kann *. 2. Er findet die Welt im Zeitalter der Cäsaren, das heißt den histo- rischen Hintergrund des Urchristentums. Zunächst den allgemeinen Kultur- hintergrund. Wir haben bei der Skizze der urchristlichen literarischen Entwick- lung gesehen, daß sich im Werdegang unserer Religion von Anfang an der Unterschied zwischen ländlicher und großstädtischer Volkstümlichkeit deutlich wiederspiegelt. Wollen wir diesen Unterschied begreifen, so müssen wir die antike ländliche und großstädtische Kultur kennen. Und wenn uns die antike Großstadt aus den literarischen Quellen auch einiger- maßen vertraut war, so waren uns das antike Dorf und das antike Land- städtchen, in der Literatur selten berührt, doch so gut wie unzugänglich geworden. Die Archäologie, insbesondere durch die Funde der Papyri und Ostraka, hat sie wieder erstehen lassen. Von den Dörfern und Land- städtchen Galiläas, die den neutestamentlichen Forscher interessieren, haben wir wenigstens Nachbarorte in Ägypten kennen gelernt. Die ganze Fülle und Farbenfrische des kulturhistorischen Materials, das uns jetzt für einzelne ägyptische Dörfer zu Gebote steht, kann man ahnen, wenn man die verdienstvollen Sammlungen Wesselys 2 über die Dörfer Karanis und Soknopaiu Nesos durchsieht. Wer auf dem Lande groß geworden ist und sich einen Hauch seiner Phantasie gerettet hat, der kann jetzt mühelos alle die tausenderlei kleinen Dinge miterleben, von denen die Männer und Frauen dieser Dörfer umgetrieben wurden, und die, bei ihren wenig verschiedenen galiläischen Nachbarn im gleichen Zeitalter tagtäglich vorkommend, für den Meister der Parabeldichtung zu Gleichnissen des Ewigen wurden. 1 Die folgenden Mitteilungen erheben nicht den Anspruch, auch nur annähernd Vollständiges zu bieten. Nur charakte- ristische Beispiele sind in der Regel heraus- gegriffen, die Fülle des noch zu bearbeiten- den Stoffes ist unübersehbar. 2 Karanis und Soknopaiu Nesos, Stu- dien zur Geschichte antiker Cultur- und Per- sonenverhältnisse. Denkschriften der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien, phi- los.-hist. Classe, Band 47, Wien 1902, S. 56 ff. Ländliches und Kleinstädtisches. Ägypten und Palästina. 193 Ebenso plastisch sehen wir aber auch die kleineren Landstädtchen wie- dererstehen, ArsinoS, Magdola, Oxyrhynchos 1 und andere ägyptische Orte. Nun werden ja gewiß Unterschiede zwischen der ägyptischen Länd- lichkeit und der palästinischen bestanden haben, besonders durch die Ver- schiedenheit des Bodens und der Arbeitsweisen. Auch der Grad der Helle- nisierung wird in Galiläa ein geringerer gewesen sein, als in Ägypten. Aber das Gemeinsame wird doch überwogen haben. Die Parallelität erstreckt sich nicht bloß auf kulturhistorische Einzel- heiten, wie z. B. die Unbeliebtheit der Zöllner in der öffentlichen Mei- nung 2 und die Zweidrachmensteuer*, die in Ägypten für den Großen Großen Gott Suchos in evangelischer Zeit belegt ist (Berliner Griechische Urkunden Nr. 748 vom Jahre 48 nach Christus 4 ), sondern auch auf Eigen- tümlichkeiten des Rechtslebens. Es ist doch eine sehr beachtenswerte Parallele zu Mark 15is usw., die uns der Florentiner Papyrus Nr. 6h9ff. vom Jahre 85 nach Christus 5 vermittelt. Wie der Evangelist erzählt: Pilatus aber, der dem Volkshaufen die Genugtuung geben wollte, gab ihnen den Barabbas frei und überantwortete Jesum, nachdem er ihm hatte Geißelhiebe geben lassen, der Kreuzigung* - so zitiert der Papyrus, das Protokoll einer Gerichtsverhandlung vor dem Statthalter von Ägypten G. Septimius Vegetus, dessen Worte an einen gewissen Phibion: Verdient hättest Du, daß Du Geißelhiebe erhieltest [das ist zugleich Parallele zu Joh 19i, vgl. auch Luk I833 usw. 7 ]; ... ich will Dich aber dem Volks- haufen schenken 9 . Das Vergehen des von dem Statthalter angeredeten Phibion bestand darin, daß er eigenmächtig einen anständigen Mann (seinen angeblichen 1 Von diesen drei Städtchen plaudert anmutig und spannend Erich Ziebarth Kulturbilder aus griechischen Städten (Aus Natur und Geistes weit 131), Leipzig 1907, S. 96 ff. Eine reiche Materialsammlung für Arsinoe gibt Carl Wessely Die Stadt Ar- sinofi (Krokodilopolis) in griechischer Zeit, Sitzungsberichte der Kais. Akad. d. W. in Wien, philos.-hist. Classe, Bd. 145, Wien 1902, S. 1-58. a Vgl. Wilcken Griechische Ostraka I S. 568 f. 3 Matth 17m. 4 Vgl. Wilcken Griechische Ostraka I S. 360. Zu dem Ausdruck Großer Großer (= größter) Gott, der Nachahmung einer ägyptischen Vorlage ist (Wilcken), vgl. Moulton Grammar 2 S. 97. 5 Supplementi Filologico-Storici al Mo- numenti Antichi Papiri Greco-Egizii pubbli- Deissmann Licht vom Osten. cati dalla R. Accademia dei Lincei, volume primo, Papiri Fiorentini . . per cura di Girolamo Vitelli, Milano 1906, S. 113 ff. mit Faksimile Tav. IX. Vgl. die wichtigen Bemerkungen von Ludwig Mitteis Zeitschrift der Savlgny-Stiftung für Rechtsgeschichte 26 (1905) Romanistische Abt. S. 485 ff. Zur Da- tierung vgl. Wilcken Archiv 4 S. 445. 6 6 8k üfiläzoe ßovXöptvos noirjaat rö Ixavdv r

. 8 d£toe p[i]v ije uaoriytod'fjvaii . . . %a- pi&uai 8& ae rdis öylois. Bereits Vitelli hat an Mark 15i5 erinnert. Auf den Papyrus machte mich Wilcken im Gespräch auf- merksam. 13 194 Personalexekution. "Ein jeglicher in seine Stadt". Schuldner) und Frauen eingesperrt hatte. Damit gibt der Florentiner Pa- pyrus Nr. 61 zugleich eine schöne Illustration zu dem in dem Gleichnis vom Schalksknecht Matth I830 vorausgesetzten System der Personalexeku- tion durch Schuldhaft, das durch zahlreiche andere Papyri und auch In- schriften als eine im griechisch-römischen Ägypten und anderwärts weit- verbreitete Rechtsgewohnheit erkannt worden ist 1 . Am interessantesten für uns ist wohl eine Stelle aus dem durch eine Inschrift der Großen Oase erhaltenen Edikt des Statthalters von Ägypten Tib. Julius Alexander vom Jahre 68 nach Christus 2 ; hier klingt auch der technische Ausdruck ganz ähnlich wie im Evangelium: sie überlieferten sie in andere Ge- fängnisse sagt der römische Statthalter 3 , er warf ihn ins Gefängnis sagt Jesus 4 . Vielleicht das Merkwürdigste, was auf diesem Gebiete durch die neueren Funde an den Tag gekommen ist, dürfte eine kürzlich entdeckte Parallele zu der aufgrund des bloßen Buchwissens vielbezweifelten Notiz Luk 23 sein, daß gelegentlich der Schätzung des Kyrenios alle sich auf- machten, sich schätzen zu lassen, ein jeglicher in seine Stadt \ Daß Lukas oder seine Quelle diesen Zug nicht rein fingiert hat, sondern daß das Zeitalter ähnliches 6 darbot, zeigt ein nicht lange nach Lukas er- lassenes Edikt des Statthalters von Ägypten G. Vibius Maximus vom Jahre 104 nach Christus, Greek Papyri in the British Museum Nr. 904t8ff. 7 . Ulrich Wilcken 8 verdanke ich die folgende Herstellung des Textes, bei welcher Nachprüfungen am Original durch Grenfell und Hunt mitbenutzt worden sind: I\alos Ov£]ßw[s Mdgiuos i7ta]px[os] Aly4nr[ov Xiyei'] 20 Tfje xar* ot\xlav dnoy^affjs ov]vsartif[arje] dvayxaZöv [iortv n&aiv roi\s xa&' Jf[vriva] BrjTtore alr\lav ixaräat räiv iavrßp] voft&v 7iQooa[yyi).Xs]ad'ai 4na[veX-] &elv eis rd 4av[rc5v i\(f£oria, U>[a] 25 xal xijv awijthj [ol\xovopiav vfj[s dno-] y^atprjs nlrjQibotootv xal vfj rtpoo[fjxoti-] arj avrols yeatQylai 7ipooxaprepi}oa>[oit>.] 1 Vgl. besonders Ludwig Mitteis Reichs- I • Genau deckt sich das ägyptische Edikt recht und Volksrecht in den östlichen Pro- nicht mit der Lukasnotiz, aber die Ahnlich- vinzen des römischen Kaiserreichs, Leipzig 1 keit ist doch sehr groß. 1891, S. 444 ff., auch Zeitschrift der Savigny- ! 7 Vol. III ed. F. G. Kenyon und H. I. Stiftung für Rechtsgeschichte 26 (1905) Ro- j Bell, London 1907, S. 125, dazu Faksimile manistische Abteilung S. 488 die Notiz zum ~" """ Reinach-Papyrus Nr. 7. 2 Dittenberoer Orientis Graeci Inscrip- tiones Selectae Nr. 669i 5 ir. (vgl. unten Abb. 46). 3 na(>i8ooav xal eis dV.as tpvXaxds. * Iflalsv atirdv eis tpvXaxijv. 5 xal InoQ&bovTo ndvres dnoygdyeod'ai, ixaaros eis rrjv iavro€ nöXiv. Plate 30. Vgl. schon J. H. Moulton The Expository Times Vol. 19 No. 1 , Oct. 1907, S. 40 f. und E. Schürer Theol. Lit.- Zeitung 32 (1907) Sp. 683 f. - Ich habe oben S. 164 diesen Papyrus bereits nach seiner sonstigen Bedeutung gewürdigt. • Brief, Leipzig 13. Oktober 1907. Bilder zu Gleichnissen des Evangeliums. 195 Gfaios Vi]bio[s Maximos Stajttf halte r] von Aegvptfen sagt:] 20 Da die Haufshaltungsschatzung 1 bejvorstefhtj [ist es/ notwendig, fallen, dije etwa aus ifrgend] einer Urfsadie außerhalb ihrer] Bezirke fsindj zu geb[ie]ten, daß sie zuritfckkeM ren zu ih[rem heimatlichen H]erd, dam[it] 25 sie das übliche [Scha]tzungs[ge-] sdiäft erledigen und dem ihnen ob- [liegen]den Feldbau sich hingebfen.] Zu den zwei letzten Zeilen schreibt mir Vilcken 2 : "Wir haben mehrere solcher Edikte, in denen die Bauern aufgefordert werden, zurück- zukehren und zu arbeiten (vgl. z. B. den Genfer Papyrus Nr. 16 3 ). Unser Präfekt hier geht über sein eigentliches Thema hinaus, wenn er bei dieser Gelegenheit auch wieder zugleich dieses einschärft." Aus dem kulturellen Parallelismus zwischen der Heimat des Christen- tums und Ägypten erklärt es sich denn auch, daß wir wiederholt Einzel- züge des palästinischen Volkslebens, die Jesus in seinen Gleichnissen festgehalten hat, aus den ägyptischen Papyri illustrieren konnten. Die obengenannte Parallele zum Gleichnis vom Schalksknecht wird ergänzt durch Bilder zu den Gleichnissen vom barmherzigen Samariter 4 , von der bittenden Witwe 5 , vom verlorenen Sohn 6 . Und mehr noch als das Einzelne sagt dem Kenner der Evangelien und zugleich der Papyri der Gesamteindruck: es sind dieselben Menschen, die uns hier und dort begegnen. Natürlich finden sich ebenso beachtenswerte Parallelen zu evange- lischen Einzelheiten auch in den Schriftdenkmälern der übrigen Mittel- meerwelt. Wenn man einmal begriffen hat, daß die Verbindungsfäden zwischen dem Urchristentum und der Welt nicht auf den Höhen der Bil- dung und der Macht, sondern in den Tiefen des seither allzusehr ver- gessenen antiken Volkslebens herüber- und hinübergehen, also da, wo man um Taglohn im Weinberg arbeitet und um einer verlorenen Drachme willen das Haus auskehrt, wird man nicht ohne Gleichgültigkeit eine Einzelheit würdigen, die uns die Volkstümlichkeit des Evangeliums ganz besonders plastisch vor Augen stellt 7 . 1 Es handelt sich um eine der (nach , E. Schürer Theol. Literaturzeitung 24 (1899) einer wichtigen Entdeckung von U.Wilcken Sp. 679 f. * Brief, Leipzig 24. Okt. 1907. Hermes 28 [1893] S.230 ff.) alle 14 Jahre statt- findenden Volkszählungen zum Zwecke der Feststellung der Kopfsteuer oder sonstiger per- sonaler Verpflichtungen. Massenhafte Urkun- den solcher Schätzungen sind in den Papyri erhalten. W. M. Ramsay Whas Christ born at 3 Dieses und andere Edikte zitieren auch die Herausgeber Kenyon und Bell S. 124f. 4 Vgl. oben S. 88. 5 Vgl. oben S. 88. 6 Vgl. oben S. 88, S. 103 und besonders S. 123 ff. Bethlehem? London 1898 suchte diese j 7 Im folgenden benutze ich meinen Ar- Schatzungen zur Erklärung der Schätzung j tikel "Der Marktpreis der Sperlinge" Die des Kyrenios zu verwerten; vgl. dagegen j Christliche Welt 17 (1903) Sp. 203 ff. 13 * 196 Der Marktpreis der Sperlinge. Um seine Jünger für ihre gefahrvolle Arbeit in der Welt mit dem Gottvertrauen zu wappnen, das ihn selbst erfüllt, mahnt Jesus Matth lOas".: Fürchtet euch nicht! . . . Verkauft man nicht zwei Sperlinge um ein Aß? Und doch fällt nicht ein einziger von ihnen zur Erde ohne euren Vater. Bei euch aber sind selbst alle Haupthaare gezählt. Darum fürditet euch nicht, denn ihr seid mehr wert, als viele Sperlinge. Der Evangelist Lukas 12a hat das Wort von den Sperlingen in einer etwas anderen Fassung überliefert: Verkauft man nicht fünf Sperlinge um zwei Aß? Sachlich ist die Differenz beider Fassungen, obwohl die Gleichung 2:5-1:2 mathematisch nicht stimmt, ganz unbedeutend; denn mit der steigenden Zahl der verkauften Stücke wird sich der verhältnismäßige Preis des einzelnen Stückes vermindert haben; wir würden sagen: im halben Dutzend bekam man die Tierchen etwas billiger. Es ist recht wohl möglich, daß Jesus den so besonders volkstümlich empfundenen Analogieschluß a minori (von den kleinen Sperlingen) ad maius (auf die so unendlich viel wertvolleren Menschen) in verschiedener Fassung öfter wiederholt hat, daß also beide Fassungen auf ihn selbst zurückgehen. Mag dem sein, wie ihm wolle, jedenfalls lehrt uns das Wort von den Sperlingen - abgesehen natürlich von dem Einfachen, dem gewaltigen Fürchtet euch nicht! - ein Dreifaches, wenn wir es einmal als wirtschafts- geschichtliches Dokument der römischen Kaiserzeit benutzen: 1. Sperlinge waren ein ganz billiger Marktartikel, eine Speise für den kleinen Mann; 2. man verkaufte sie auf dem Markt entweder im Paar oder zu Fünfen auf einmal, das Paar wird die kleinste, die Fünfzahl die nächst höhere Verkaufseinheit gewesen sein; 3. der Marktpreis war zur Zeit Jesu für das Paar 1 Aß - etwa 5 Pfennig nach unserm Geld, für fünf Stück 2 Aß - etwa 10 Pfennig. Fast genau dieselben drei Beobachtungen gestattet uns ein neuerer Inschriftfund. Man kannte durch Inschriften längst den Wortlaut eines hochbedeutsamen handelspolitischen Gesetzes des Kaisers Diokletian, des sogenannten Maximaltarifs, zum größten Teil. Alle möglichen Handels- artikel sind in diesem Tarif aufgeführt, und bei jedem Posten ist der Preis angegeben, der im Verkauf höchstens gefordert werden darf. Die Histo- riker der Kaiserzeit sind über den eigentlichen Zweck dieses Tarifs nicht alle derselben Meinung; wir können aber diese Frage auf sich beruhen lassen. Für uns ist interessant, daß 1899 ein neues in Aigeira entdecktes Fragment 1 des Diokletianischen Maximaltarifs auch den Höchstpreis der Sperlinge angibt. Für das Ende des dritten Jahrhunderts nach Christus lernen wir daraus folgendes: 1 Veröffentlicht in der Athenischen Zeit- | schritt Eyvws ÄQ^awloy^ 1899 S. 154. Jesus und Diokletian. Der Heilige und die Tiere. 197 1. Von allen eßbaren Vögeln sind die Sperlinge die billigsten; sie sind billiger als z. B. die Drosseln, Feigenfresser und Staare. 2. Die übliche Verkaufseinheit war die Dekade; das scheint bei kleinen Tieren überhaupt die Normalzahl gewesen zu sein (vgl. unser Dutzend); der Tarif gibt z. B. auch die Preise für 10 Drosseln, 10 Feigen- fresser, 10 Staare. 3. 10 Sperlinge dürfen nach dem Tarif höchstens 16 "Denare" kosten. Unter diesen "Denaren" sind nicht die alten Silberdenare zu verstehen, sondern neu geschaffene Kupferdenare, deren Wert Theodor Mommsen 1 und Salomon Reinach 2 übereinstimmend auf l 4 /s Pfennig (2V4 Centime) unseres Geldes berechnet haben. Also war der Marktpreis einer Dekade Sperlinge auf höchstens 29 Pfennig unseres Geldes festgesetzt. Nach dem Worte Jesu kostete in seiner Zeit eine halbe Dekade Sper- linge ca. 10 Pfennig, die ganze also ca. 20 Pfennig. Berücksichtigt man den für die Erklärung einer Preisdifferenzierung ja weitaus genügenden Zeitunterschied, sowie den Umstand, daß es sich bei Diokletian um einen Maximalpreis handelt, so wird man nicht in Abrede stellen können, daß das Wort Jesu aus einer richtigen Beobachtung der Verhältnisse des all- täglichen Lebens stammt. Darum ist es wohl auch kein Spiel mit Pfennigen, was wir getrieben haben, sondern ich denke, das Dokument des Kaisers Diokletian hilft eines der herrlichsten Jesusworte in seiner ursprünglichen Eigenart verstehen. Auch in den Kleinigkeiten ist Jesus groß. Den sicheren Blick für die Wirklichkeit, der sich so unzählige Male in den Gleichnissen der Evangelien bewährt hat, verrät auch das Wort von den Sperlingen. Man hat dem Apostel Paulus vorgeworfen, er habe sich Rom lln". in dem Bilde des auf den edlen Ölbaum eingepfropften wilden Reises vergriffen, - nicht mit Recht : der Vorwurf ist unbegründet, weil Paulus hier gerade etwas eigentlich Unnatürliches demonstrieren will ; aber der Großstädter Paulus hat doch nicht das großartig naive Verhältnis zur Natur gehabt, das wir bei Jesus, dem Kinde des Landes, finden, sonst hätte er die auf Verneinung berechnete Frage 1 Kor 99 Kümmert sich Gott etwa um die Ochsen? nicht geschrieben. Jesus ist groß geworden bei Landleuten, die mit den Tieren lebten und fühlten; den Ochsen und den Esel hat sich das in den Katakombenbildern lebendig gebliebene Volks- empfinden schon früh mit Recht vom Propheten Jesaia h leihen lassen und an die Krippe des Christkindes gestellt. Jesus steht in seiner eigensten Welt, wenn er auf dem Markte zusieht, wie eine arme Frau die Kupfer- münzen nachzählt, ob sie vielleicht noch fünf oder zehn Sperlinge mit heimbringen kann. Die armen, die armseligen Tierchen, die da so massen- haft in den Käfigen des Verkäufers herumflattern ! Für wenig Geld kann 1 Hermes 25 (1890) S. 17 ff. i 2 Revue numismatique 1900 S. 429 ff. 198 Jesus und die Armen. Pompeji, eine Stadt aus der Zeit des Paulus. man viele haben, so wertlos sind sie. Und doch war jedes einzelne von ihnen der Liebling des himmlischen Vaters. Wieviel mehr wird Gott sich des Menschen annehmen, dessen Seele mehr wert ist als die ganze Welt! Führen uns die Dorf- und Kleinstadtpapyri Ägyptens indirekt in die Kulturwelt der synoptischen Evangelien, so zeigt uns die wiederentdeckte Kultur der kleinasiatischen, griechischen und süditalischen Städte mehr den Hintergrund der paulinischen Weltmission. Schon das nicht in Texten nur, sondern auch in steinerner Wirklich- keit durch sein eigenstes Geschick konservierte Pompeji ist ungeheuer lehrreich, obwohl Paulus wohl niemals seine Gassen durchwandert hat: wir dürfen die Stadt für typisch halten. Wenn Friedrich von Dühn l über Pompeji sagt: "so und nicht anders hat eine Stadt Kampaniens ausge- sehen um die Zeit, als die Kaiser Nero, Vespasian, Titus die Welt von damals regierten" - so möchte ich, von dem Besuche der Stadt unter seiner meisterhaften Führung durch einen tiefen Eindruck bereichert, neu- testamentlich redend fortfahren: so hat eine kleine hellenistische Stadt im Westen ausgesehen in der Zeit, als Paulus in Korinth den Römerbrief schrieb, das Herz voll von Gedanken an den Westen, der ihm mit Italien anfing *. Neben dem unbeschreiblich wichtigen Gesamteindruck bietet sich uns vieles Einzelne. Bekannt ist der Streit um die pompejanischen In- schriften HRISTIAN(?) und Sodoma Gomora*. Die in dem Makellon 4 ihr Pftindchen Fleisch kaufenden armen Christen von Korinth 1 Kor IO15 können wir uns in dem Macellum von Pompeji so plastisch vorstellen, wie vorhin, als wir vor dem diokletianischen Maximaltarif standen, das fünf Sperlinge erhandelnde Weiblein Galiläas. Wie reich an Volkswitz und Volksroheit sind die Wandaufschriften! In welche Abgründe der Ver- kommenheit der besseren Kreise blickt man, wenn die in Material und Ausführung kostbaren obszönen pompejanischen Bronzen im Neapeler Museum gezeigt werden! Ein einzelner pompejanischer Beitrag zum Ver- ständnis des Neuen Testaments sei hier ausführlicher gegeben 5 . In der Offenbarung Johannis 13is heißt es: 1 Pompeji eine hellenistische Stadt in 3 Vgl. A. Harnack Die Mission und Italien (Aus Natur und Geisteswelt 114), 1 Ausbreitung des Christentums in den ersten Leipzig 1906, S. 24. Eine treffliche Schrift | drei Jahrhunderten* II Leipzig 1906 S. 74 zur Einführung. Die großen Werke über und E. Nestle Zeitschrift für die neutesta- Pompeji sind leicht zugänglich. a Paulus teilte sich seine Welt offenbar in zwei Hälften: die östliche reichte von Jerusalem bis Illyrikon Römer 15io. Was mentliche Wissenschaft 5 (1904) S. 168, wo auch andere etwaige direkte Zeugnisse über Judentum und Christentum in Pompeji er- wähnt sind. man sich in der Kaiserzeit unter Illyrikon ' * D. h. Fleischmarkthalle. vorstellte, zeigt Wilhelm Weber Unter- a Vgl. Die Christliche Welt 17 (1903) suchungen zur Geschichte des Kaisers Ha- j Sp. 746 f. drianus, Leipzig 1907, S. 55. Pompejanische Beiträge zum Verständnis des N. T. 199 Wer Verstand hat, soll die Zahl des Tieres beredinen; ist es doch die Zahl eines Menschen. Und zwar ist seine Zahl 666 [oder 675].* Unter den wissenschaftlichen Auslegern besteht wohl kein Zweifel mehr darüber, daß der zu "berechnende" Name durch "Gematria" zu ge- winnen ist, d. h. man muß einen Namen suchen, dessen Buchstaben, wenn sie durch die ihnen gleichwertigen Zahlen ersetzt werden, zusammen die Summe 666 oder 616 ergeben. Nun haben wohl die meisten Exegeten seither angenommen, die Gematria sei eine spezifisch jüdische Methode des Zahlenrätsels gewesen, und man hat deshalb bei der Zahl 666 oder 616 die Auflösungsversuche oft vom hebräischen Alphabet aus unter- nommen, besonders in der neueren Zeit. Tatsächlich war aber die Um- setzung von Wörtern in Zahlen und von Zahlen in Wörter auch dem griechischen Altertum nicht unbekannt, was schon die griechischen Lexika l lehren konnten. Auch die Kirchenväter, soweit sie bei der Lösung des Rätsels vom griechischen Alphabet ausgingen, konnten einen Fingerzeig geben, daß solche Zahlenrätsel der griechisch sprechenden Welt nicht ganz fremd waren. Daß sie hier aber sogar volkstümlich gewesen sind und zwar gerade in der Entstehungszeit des Neuen Testaments, können wir in Pompeji lernen. A. Sogliano 2 veröffentlichte Graffiti (Wandkritze- leien) aus Pompeji, also aus der Zeit vor 79 nach Christus, von denen ein Exemplar folgenden Wortlaut hat: 'AftiQifivos ipvjo&rj 'Aq/iovlas rijs iStas I Amerimnos gedachte seiner Herrin Mar- x(v)?ta(e) in &ya&qi je 6 dpt&^de fie (oder \ monia* im Guten. Die Zahl ihres schönen als) Toif xalov övöftaroe [vgl. Jak 2s]. Namens ist 45 (öder 1035). Eine andere Kritzelei heißt: a/ l d'ivT(ov "bfi&v xal rov iuo€ nvev- i/aroSy ovv rfi ü w&u ei rov xvotov jjuaiv 'Itj- ooü n apaSoOrai rdv roiovrov rtp larava eis dle&oov rfjß oapxöe, Iva rd TtveOua om&fj iv rfj rfuipq ro€ xvoiov 'Trjoo€. 8 Greek Papyri in the British Museum ed. Kenyon (vol. I) S. 75 vexv8cdfn"v , . . n a.Q aS t8 (oul ooi rdv S(elva) , ÖTtme . . . Der Papyrus ist geschrieben im 4. nachchristl. Jahrhundert, seine Formeln sind aber z. T. alt. Unsere Formel, in der ein Totendämon angeredet ist, ist weder jüdisch noch christlich. 9 Vgl. oben S. 186. 10 Corpus Inscriptionum Atticarum Appen- dix (" Inscriptiones Graecae vol. Iil|pars III) "Mit Christus". Formeln und Tonfall der Verwünschungen. 219 ich werde sie binden in Gemeinschaft mit Hekate, der unterirdischen, und den Erinyen. Der Apostel rät nach alledem also der korinthischen Gemeinde zu einem feierlichen Devotionsakt. Auch in den Schlußzeilen des ersten Korintherbriefes, die Paulus eigenhändig geschrieben hat 1 , findet sich eine Erinnerung an den die Sprache des Gesetzesparagraphen nachahmenden Tonfall antiker Ver- wünschungen : wenn jemand den Herrn nicht lieb hat der soll verflucht sein ! Damit vergleiche man die Grabinschrift aus Halikarnassos, die wir oben 2 bereits kennen lernten: wenn jemand aber versucht, einen Stein fortzunehmen, .... der soll ver- fludit sein: Verwandt ist auch die Parallelität zwischen der Beteuerung des Paulus 3 : ich rufe Gott zum Zeugen auf gegen meine Seele und der Formel eines unter Augustus abgelegten Eides auf einer Inschrift aus Galatien 4 , in welcher der Schwörende für den Fall des Eid- bruches sagt ich spreche einen Fludi aus gegen mich, meinen Leib, Seele, Habe, 'Kinder usw.' Das deutlichste Beispiel für die Verwertung der technischen Aus- drücke der Magie ist vielleicht der Ausdruck das Band der Zunge 6 . In der Geschichte von der Heilung des Taubstummen erzählt Mark 7ss : Nr. 108 Stjom (dazu vgl. die nächsten Seiten) dycb xehTjV .... ovv &* E* S& h&qtvqo. rdv &tdv intxaXovßiai ini r^v iuijv rpv%^v. Gegen meine Seele: nämlich für den Fall, daß ich die Unwahrheit spreche. 4 Dittenberoer Orientis Graeci Inscrip- tiones Selectae Nr. 532mit. inao&uai avrös re xar* iuoü xai o[<üua\ros tov iuavroü xai \pv%*je xai ßiov xa[i r£]xva>v etc. 6 Zugleich eine schöne Analogie zu Luthers Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib. • 6 Seopde rfjs yltioorje. Zum folgenden vgl. Die Christliche Welt 17 (1903) Sp. 554 ff- bezeichnet) ist diese Parallele nicht bedeu- tungslos. - Es mag daher auch eine merk- würdige Parallele zu Phil 1" abzuscheiden und in Gemeinschaft mit (ovv) Christus zu sein ein Plätzchen finden. Ich habe über die Formel mit Christus {ovv Xotorw) in meiner Schrift "Die neutestamentliche Formel 'in Christo Jesu" Marburg 1892, S. 126 ge- handelt und gezeigt, daß sie fast immer die Gemeinschaft der Gläubigen mit Christus nach ihrem Tode resp. nach der Parusie be- deutet. So heifit es denn auch in einem vulgären Graffito von Alexandrien (Kaiser- zeit?) als Anrede an einen Toten efyo/iat xdycö iv T&%v ovv ooi rlvai idl wollte , idl wäre bald in Gemeinschaft mit Dir (Sitz- 220 Das Band der Zunge. Der antike Bindezauber. Bleitafel aus Attika. und alsobald taten sich seine Ohren auf, und das Band seiner Zunge ward los. Wohl die meisten Ausleger haben das Band der Zunge leichthin einen "bildlichen" Ausdruck genannt, ohne die technische Eigenart und damit die Pointe des "Bildes" zu erkennen. Es ist aber eine durch das gesamte Altertum gehende Vorstellung, daß ein Mensch durch dämonische Einflüsse gebunden oder gefesselt werden kann. In griechischen, syrischen, hebräischen, mandäischen und indischen Zaubersprüchen finden wir diese Vorstellung 1 . Aus dem griechisch redenden Altertum haben wir sogar noch das ausführliche magische Rezept zum Binden eines Menschen 2 , und wir besitzen noch massenhafte antike Inschriften, welche die Bindung eines Menschen zum Inhalt haben. Eine der ältesten ist die folgende Bleitafel aus Attika aus der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts vor Christus (Abbildung 38), die ich nach der Lesung von Adolf Wilhelm 3 hier wiedergebe: Abb. 38. Bindezauber, Bleitafel aus Attika, 1. Hälfte des 4. Jahrh. v. Chr. Mit Genehmigung des K. K. österr. Archäol. Instituts. ßeot. "Ayadii Toxi KarnSd) xal otix dvalüoco lAvrixlia *At>ridt>t}v üarQoxXios xal tXoxXia xal 2ftix(>o>vlBriv xal Tiudr&rjv xal Tiudv&rjv. KaraSdi rodroff* änavias npds rdv K Ef>urjv idv [rdv] x&öriov xal rdv Sdktov xal töv x&toxov xal rdv iqioüviov xai oix dvaXtioat. Götter! Gutige Tyche! Iah binde, hinab mit ihm! und werde nicht loslassen den Antikles Antiphanes' Sohn und Antiphanes Patrokles Sohn und Philokles und Kleochares und Philokles und Smikronides und Timanthes und Timanthes. Ich binde diese alle, hinab zum Hermes, dem unterirdisdien und listigen und festhaltenden und gewinnbringenden, und werde sie nicht loslassen. 1 Vgl. Mark Lidzbarski Ephemeris für semitische Epigraphik 1 S. 31. 8 Näheres bei R. Wünsch Corpus In- scriptionum Atticarum Appendix S. XXX. 3 Jahreshefte des österreichischen Archäo- logischen Instituts in Wien 7 (1904) S. 120f. Dort S.121 das Faksimile, das ich mit freund- licher Bewilligung des K. K. österreichischen Archäol. Instituts hier wiedergebe (Abb. 38). 4 ss TOÜTOV6. e Bindung der Zunge. Ein Ostrakon mit einem Bindezauber. 221 Viele andere attische Bindetafeln hat Richard Wünsch 1 heraus- gegeben, aber auch aus anderen Gegenden und aus späterer Zeit haben wir Beispiele. Besonders oft wird nun speziell die Zunge eines Menschen gebunden. Allein unter den attischen Tafeln WOnschs sind dreißig, auf denen die Zunge gebunden oder verflucht wird. Aber noch eine viel spätere mandäische Zauberschale im Louvre zu Paris 2 hat die Inschrift: Gebunden und festgehalten sei der Mund und festgehalten die Zunge der Fluche, Gelübde und Berufungen der Götter .... Gebunden sei die Zunge in ihrem Munde, festgehalten seien ihre Lippen, erschüttert, gefesselt und gebannt die Zähne und verstopft die Ohren der Flüdie und Berufungen. Ein sachlich ähnlicher Bindezauber steht auf einem Ostrakon der späteren Kaiserzeit aus Eschmunen in Ägypten, auf dem Heidnisches und Jüdisches miteinander vermischt ist (Abbildung 39). Es ist im Besitze des 10 Abb. 39. Bindezauber, Ostrakon aus Eschmunen, späte Kaiserzeit; jetzt im Besitze von F. Hilton Price Esq. in London. Durch Vermittlung von W. E. Crum. Herrn F. Hilton Price in London und zuerst von F. E. Briohtman 3 (als christlicher Text) publiziert worden. Einen ähnlichen Zauber wies Wilcken 4 im Londoner Papyrus Nr. 12l935ff. 5 nach; auch sonst findet man in den verwandten Texten Zauberrezepte gegen Zorn. 1 Corpus Inscriptionum Atticarum Appen- dix, vgl. dazu A. Wilhelm a. a. O. (Anm. 1) S. 105 ff. und R. MOnsterbero ebenda S. 145 ff., zum Binden auch W. KÖHLER Archiv für Religionswissenschaft 8 S. 236 ff. 2 Ephemeris für semitische Epigraphik 1 S. 100. Die genaue Zeit läßt sich nicht fest- stellen. 3 Bei W. E. Crum Coptic Ostraka Nr. 522 S. 4f. (und S. 83 des autographierten Textes), vgl. U. Wilcken Archiv für Papyrusforsch- ung 2 S. 173 und E. Preuschen Byzanti- nische Zeitschrift 15 (1906) S 642. Die Photo- graphie, die unser Faksimile (Abb. 39) in geringer Verkleinerung wiedergibt, verdanke ich der Freundschaft von W. E. Crum. * Archiv 2 S. 173. * Früher von Wessely publiziert, jetzt Greek Papyri in the British Museum (vol. I) S. 114. 222 Ein Ostrakon mit einem Bindezauber. Dämonische Bindung. Der noch nicht völlig gesicherte Text des Ostrakon lautet: JCpöroSj 6 xaxi%wv x rdv &vftdv öXtov rßv &r&pa>7tQ>v y xdre- %e röv &v.udv £2#i, x6v % Izexev 5 Map fa 9 , xi 4 ftij i&oije aüxdv XaXij- oev b *Atq& [?], rä>* irexsv Tatjorjf. [. . . i£\o$xlt,c" xard rov Saxrti- Xov to€ &e, Ort KptvovTteXi 9 xi l 10 Kpövto tinöxtre 9 . urj idarje avxdv XaXijoev* wörß jutjre Kronos, der Du niederhältst den Grimm aller Menschen, halte nie- der den Grimm des Hör, den geboren hat 5 Maria, und lasse nicht zu, daß er re- de mit Hatros /?], den geboren hat Talsis. [. . . IdiJ beschwöre bei dem Fin- ger Gottes, daß er den Mund nicht auf- tue bei ihm, dieweil er dem Krinupelis [?] und 10 dem Kronos Untertan ist. Lasse nicht zu, daß er rede mit ihm, nicht eine Nacht, noch einen Tag, noch eine einzige Stunde. fijre fiiav m 11 . Aus den zitierten, wie aus vielen anderen Texten geht auch hervor, was sich der antike Mensch als Ergebnis der Bindung einer Zunge dachte: die Unfähigkeit zu reden. Wessen Zunge gebunden wurde, der sollte dadurch stumm werden; umgekehrt wird man auch sagen dürfen: wer stumm war, dessen Zunge galt im Volksglauben des Altertums oft für dämonisch "gebunden". Diese letztere Anschauung gliedert sich wieder in den größeren Zusammenhang des weitverbreiteten antiken Glaubens ein, daß überhaupt gewisse Krankheiten und krankhafte Zustände durch dämonische Besessenheit veranlaßt sind. So wird ja auch Luk 13ia von Jesus selbst gesagt, der Satanas habe eine Tochter Abrahams achtzehn Jahre lang "gebunden"; gemeint ist die vorher genannte verkrümmte Frau, die einen Geist der Krankheit hatte und deren Band Jesus am Sabbat gelöst hat. Das Band der Zunge bei Markus dürfte hiernach wohl ebenfalls ein technischer Ausdruck sein. Der Evangelist will nicht einfach erzählen, daß ein Stummer redend gemacht worden ist, sondern auch, 1 xarixto heißt häufig in den Zauber- texten ich lähme und ist durchaus synonym dem sonstigen ich binde; vgl. oben S. 59 den Ausdruck &v/uoxaroxov. 2 Der Artikel steht für das Relativpro- nomen. 3 Die Beifügung des Mutternamens ist stehend in den Zaubertexten, vgl. Bibelstudien S. 37, L. Blau Das altjüdische Zauberwesen S. 85, Wilcken Archiv 1 S. 423 f. Interessant ist das abermalige (vgl. oben S. 84) Auf- tauchen des Namens Maria. 4 sb xai. 5 - XaXrjoetv. 6 Der Finger Gottes ist altjüdisch, vgl. LXX 2 Mose 819 31is 5 Mose 9io. Auch Luk 1 l"o steht der Finger Gottes beim Exorzismus. Reiches Material über den Finger Gottes gibt Immanuel Low Die Finger in Litteratur und Folklore der Juden, Gedenkbuch zur Erinnerung an David Kaufmann, Breslau 1900, S. 65 ff. 7 - fr". s Ich kann diesen Namen nicht erklären, weise aber darauf hin einerseits, daß im Leidener Zauberpapyrus V ed. Albr. Die- terich (oben S. 90) XIII*" der Pflanzenname xoivüvd'euov Hauslaub identifiziert ist mit ydvos "Aaßicavoe Nachkomme des Ammon, und andererseits, daß Ammon und Kronos im Großen Pariser Zauberpapyrus Zeile 2979 f. (ed. Wessely, oben S. 180) nahe zusammen- stehen. Vielleicht ist das rätselhafte Wort ein Geheimname für den Gott Ammon. " - ünöxetrai. ,0 Vulgär für vtixra. 11 - <3(>ar, vgl. dazu oben S. 181. Volkstümlichkeit d. Christentums. Heilerzahlungen. Paulus u. Apellas vor ihren Heilanden. 223 daß eine dämonische Fessel gelöst, daß eines der Werke des Satanas zerstört worden ist. Einer jener echt volkstümlichen Züge, die den Einzug des Christentums in die volkstümliche antike Welt erleichtert haben! Auch die Formeln der antiken Heilerzählungen, wie wir sie jetzt durch Inschriften aus Epidauros und anderen Heilstätten in großer Zahl kennen, sind den Aposteln natürlich nicht unbekannt gewesen. Wie die Geschichte des Johannesevangeliums von der Heilung des Blindgeborenen ihre Parallele in dem Blindenheilbericht einer griechischen Inschrift aus Rom hat 1 , und wie der Evangelist Matthäus die Seenot des Petrus im Stil der volkstümlichen Rettungserzählung schildert 2 , so kleidet auch Paulus eines seiner eigenartigsten Bekenntnisse in den Stil antiker Heil- texte. Von seinem schweren körperlichen Leiden, dem Dorn im Fleisch, dem Satansengel, der mit Fäusten schlägt, erzählend, gesteht er 3 : um dieses willen habe ich dreimal den Herrn angefleht, genau so wie in der Kaiserzeit der Kleinasiate M. Julios Apellas, auf einer Marmorstele des Asklepios-Heiligtums in Epidauros seine Heilungen er- zählend, von einem seiner verschiedenen Leiden bekennt 4 : auch um dieses willen habe ich den Gott angefleht. Die Parallelität ist um so bemerkenswerter, als das für anflehen ge- brauchte Zeitwort 5 gerade in solchem Zusammenhange nicht eben häufig zu sein scheint. Auch sachlich ist sie von Wichtigkeit, da sie uns recht plastisch lehrt, daß Christus 6 gelegentlich auch von der Frömmigkeit des Paulus als der Heiland im buchstäblichen Sinne gewertet worden ist. Wer übrigens eine Schädigung des Neuen Testaments durch den Nachweis dieser Parallele befürchtet, der mag die ganze Inschrift des M. Julios Apellas und das ganze zwölfte Kapitel des zweiten Korintherbriefes neben- einander lesen und dann die Seelen und die Geschicke der beiden Klein- asiaten Apellas und Paulus mit einander vergleichen. Zwei Kranke flehen ihre Heilande um Heilung an: wem hat sein Heiland am meisten gegeben? Was ist größer: die Schlag auf Schlag folgenden und dem epidaurischen Asklepios mit gutem Geld honorierten Heilungen des Apellas von seinen verschiedenen Gebresten? Oder die Antwort, die Paulus, statt der körper- lichen Heilung, erhielt 7 : Genügen muß Dir meine Gnade! Denn die Kraft ist es, die inmitten von Schwachheit zur Vollendung kommt ? 1 Vgl. oben S. 89. 2 Vgl. oben S. 118. 3 2 Kor 12s V7lkp TOÖTOV TftS TÖV XtJ- Qtov naofxdlfaa. 4 DlTTENBEROER Sylloge 2 Nr. 80430 r xai ydp ntpi tovtov na^SHtkleaa töv dtör. 5 Bei Wilke-Grimm Clavis Novi Testa- menti 2 ist napaxalttv &tove oder frtöv bloß aus Josephus belegt. Auf ihn bezieht sich der Ausdruck Herr vgl. Vers o Anfang und Ende. 7 2 Kor 12y. 224 Asklepios und Jesus Christus. Formeln der Volksethik im N. T. Und welcher T^ext ist der wertvollere : die vom Gott selbst befohlene t Reklamenschrift auf Marmor oder die der Not abgerungene, an die armen Leute einer Großstadt gerichtete vertraute Briefzeile, die nicht ahnen konnte, daß sie die Jahrhunderte überdauern werde? 7. Paulus hat aber auch sonst die Formen- und Formelwelt, die ihm sein Zeitalter wohl hauptsächlich auf den Inschriften darbot, gern be- nutzt. Wenn er im Rückblick auf seine Arbeit bekennt 2 : die Treue habe ich gehalten, und wenn, wohl im zweiten nachchristlichen Jahrhundert, der Ephesier M. Aurelios Agathopus voll Dankes gegen Artemis dasselbe Bekenntnis auf einer Inschrift des Theaters 3 ausspricht: die Treue habe ich gehalten, so schöpfen beide wohl aus derselben Quelle des kleinasiatischen Formel- schatzes 4 . Andererseits erinnert das von dem Apostel an derselben Stelle & gebrauchte Bild den guten Wettkampf habe ich ausgekämpft, .... hinfort liegt mir bereit der Kranz der Gerechtigkeit - an die Wendungen einer Wettkämpferinschrift des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts ebenfalls aus dem Theater zu Ephesos 6 er hat ausgekämpft drei Wettkämpfe, ist zweimal bekränzt worden. Solche Inschriften hat Paulus wohl auch schon in seiner Zeit gelesen. Noch frappanter berühren sich der Apostel und die Welt in folgendem Falle. In den Pastoralbriefen 7 heißt es: Einen älteren Mann sollst Du nicht anfahren, sondern sprich ihm zu wie einem Vater, den jüngeren Männern wie Brüdern, den älteren Frauen wie Müttern, den jüngeren wie Schwestern in aller Ehrbarkeit Ganz so rühmt im zweiten oder dritten nachchristlichen Jahrhundert eine heidnische Ehreninschrift aus Olbia am Schwarzen Meer 9 von Theokies Satyros' Sohn, er habe 1 Vgl. Zeile si f. der Inschrift. | • The Collection of Andent Greek In- 2 2 Tim 47 tj)v 7tiortv Tcnjwxa. scriptions in the British Museum Part III Nr. 604 ^yonlaaro dy&vas rpels, ioricp&r] 8tia>. 7 1 Tim 5i . s npeoftvripq" jutj kntnltj£p€ t dlld napctxdlfi a>e naripa, rrotripovs c&c d8tX£p6peroe (bs d8eX- S vlös, roTS 8k natolv a>e naTf}Q, ndarj dpeTtj xexoa^/uivoe. 3 The Collection of Andent Greek In- scriptions in the British Museum Part III Nr. 587 b fai rtfr ntortv iTijftjoa (nämlich der Gerusia). 4 Vgl. auch Jo. Jac. Wetsteins No- vum Testamentum Graecum, II, Amstelae- dami 1752, S. 366. Aus den Parallelen geht übrigens hervor, daß nlans an der Paulus- stelle Treue und nicht Glauben heißt 6 2 Tim 4i. 8 löv xaldv dy&va Jjytbvio- //"*, .... Xomdv dnöxtiTat fjoi 6 rrjs 8i- xaioaöirjs ox&tpavo*. Volksethik der hellenistischen Umwelt im N. T. 225 mit den Altersgenossen verkehrt wie ein Bruder, mit den Älteren wie ein Sohn, mit den Kindern wie ein Vater, mit aller Tugend geschmückt. Diese Inschrift ist, obwohl viel jünger als Paulus, nicht vom Neuen Testament abhängig, sondern mit Paulus von altem Erbgut beeinflußt. Kernworte antiker Lehrer, die bereits Wetstein * zu der neutestamentlichen Stelle gesammelt hat, waren schon zur Zeit des Apostels Paulus Gemein- gut der volkstümlichen Ethik und sind von ihm (vielleicht auch schon auf Inschriften gelesen) mit sicherem Gefühl für das inhaltlich Feine und formell Prägnante herübergenommen worden, ebenso wie wir später noch einmal vom Schwarzen Meere her ihr Echo hören. Von antiker Volksethik und ihren befruchtenden Wirkungen auf die altchristliche Volksethik ließe sich überhaupt vieles sagen. Die sonst nicht immer ergiebigen Inschriften 2 , hauptsächlich die Ehren- und Grab- inschriften, überliefern uns eine Fülle von ethischem Einzelmaterial. Was sie an den verdienten Bürgern rühmen oder was sie von Eigenschaften der Verstorbenen dankbar verewigen, daraus können wir zwar nicht immer lernen, wie diese Personen wirklich gewesen sind, aber es spiegeln sich in alledem doch die sittlichen Ideale der Menschen wieder, die jene Inschriften gesetzt haben, und alles, was hier stereotyp ist, darf zum festen Bestände des sittlichen Bewußtseins der Welt gerechnet werden. Es gehört wieder zu den Kennzeichen paulinischen Feingefühls, wenn der Apostel, weit entfernt, der Welt das Sittliche abzusprechen, einen all- gemeinen , durch das Gewissen regulierten Fonds wirklicher Sittlich- keit den Heiden zutraut 3 , wie er ja auch ihren religiösen Tief blick ge- rühmt hat 4. In früheren Arbeiten 5 habe ich eine nicht geringe Zahl von Beispielen für die weltliche Herkunft von angeblich bloß "neutestamentlichen" ethischen Begriffen gegeben. Beachtet man aber nicht bloß, wie ich es um der Methode willen tun mußte, die selteneren Begriffe, bei denen die Gemein- samkeit zwischen den Aposteln und der Welt ja besonders in die Augen fällt, sondern auch den Begriffsschatz der Alltagsmoral, so kommt man zu einem breiten Boden des Gemeinsamen, auf den die Apostel sich stellen konnten und sich gestellt haben. Besonders beim Lesen der seelsorger- lichen Mahnungen der Paulusbriefe (nicht zuletzt der Pastoralbriefe) und ihrer Nachahmer hat man den Eindruck, daß sie, anstatt wie tiberstiegene Weisheit in die Luft geredet zu sein, im Volksempfinden des Zeitalters einen kräftigen Resonanzboden finden mußten. 1 Novum Testamentum Graecum II S. 339. 8 Für die literarischen Quellen verweise ich auf die Arbeiten von Georo Heinrici und Paul Wendland. 3 Vgl. besonders Rom 2u tr. 4 AGesch 17*8. 5 Besonders den Bibelstudien und Neuen Bibelstudien. Deissmann Licht vom Osten. 15 226 "Wandel" und "wandeln". Eine Ehreninschrift aus Pergamon. Ein Beispiel. Die häufigen, von vielen Auslegern als Hebraismus erklärten apostolischen Ausdrücke Wandel und wandeln 1 im ethischen Sinne sind Gemeingut der antiken Welt, und einen Unterschied zwischen semitisch und nichtsemitisch zu machen, ist sinnlos. Belege habe ich früher gegeben 2 ; hier sei ein Anschauungsbild hinzugefügt: die Ehren- inschrift für den Gymnasiarchen Apollodoros Pyrrhos' Sohn auf einem Marmorsockel im Gymnasion zu Pergamon aus römischer Zeit (nach 133 vor Christus 3 , Abbildung 40). Sie lautet: OAHMOZ ETflMHIENAnOAAOAflPONnYPWDY ^ENEKENKAIEYNOIAÜTHIEIIEAYTON KAIAIATorYMNAIIAPXHEANTA 5 KAAnZKAIENAOlniAMAHTfA^HNAI Abb. 40. Marmorsockel aus Pergamon mit Ehreninschrift für den Gym- nasiarchen Apollodoros von Pergamon, römische Zeit; Original noch in Pergamon. Mit Genehmigung der Generalverwaltung der Kgl. Museen in Berlin. 6 Srjfdos Murjaev IdnoXldÖtupov Utippov %Qvoßi area>dvon xal ttxövi %aXxfji agerijs ivcxtv xal evvoias trjs eis iavrdv xal Sia rd yvuvaata^x^aavra 5 xalßs xal 4v8ö£(o9 ävaar^atprjvat. Das Volk ehrte Apollodoros Pyrrhos' Sohn durah goldenen Kranz und Bild von Erz, wegen seiner Tugend und des von ihm erfahrenen Wohlwollens, und dieweil er die Gymnasiarchie gut ver- waltet hat und ruhmlich wandelte. Außerordentlich ansprechend sind diejenigen Fälle, in denen die Apostel, noch im lebendigen Kontakt mit den unteren Schichten stehend, sich der schönen Wendungen bedienen, die, in der Werkstatt und auf den Märkten geprägt, knapp und körnig wiedergeben, was das Volk für 1 avaoTQoyr} und draorpiyeo&ai. 2 Bibelstudien S. 83, Neue Bibelstudien S. 22, vgl. schon vorher E. L. Hicks The Classical Review 1 (1887) S. 6. 3 Die Inschriften von Pergamon Nr. 459. Dort auch das im Verhältnis von 1 : 7,5 her- gestellte Faksimile, das ich mit gütiger Er- laubnis der Generalverwaltung der Kgl. Mu- seen in Berlin hier wiedergebe (Abb. 40). "Viel gearbeitet". Der Gärtner Daphnos. Arbeiterworte über das Arbeiten. 227 gut gehalten hat. Wie unscheinbar sieht dem vom Schwalle überladener Lobhudeleien der Prunkinschriften ermüdeten Auge zuerst ein Wort aus, das wir in einer der Heimat des Apostels Paulus benachbarten südwest- kleinasiatischen Landschaft in der Kaiserzeit auf dem Grabstein eines einfachen Mannes l finden, und wie vielsagend ist doch in Wirklichkeit das schlichte Lob: Daphnos, der beste unter den Gärtnern, habe sich das Heroon errichtet und habe nun dies Ziel erreicht 2 , nachdem er viel gearbeitet hatte. Wer überhaupt Sinn hat für das im Schlichten Schöne, dem sind diese Zeilen von der vielen Arbeit des Gärtners Daphnos wie eine grüne Epheu- ranke, die den Grabstein ihres alten Freundes traulich umfaßt hält. Und ebenso volkstümlich frisch ist es, wenn der Apokalyptiker Johannes, Alt- biblisches 3 leise kleinasiatisch nuancierend 4 , eine Himmelsstimme wieder- gibt, die von den Toten sagt, daß sie ruhen von ihren Arbeiten*. Aber noch besser trifft der Handwerkermissionar Paulus den Volkston seiner Heimat, wenn er von einer ephesinischen Maria noch zu ihren Leb- zeiten rühmt 6 : sie hat viel gearbeitet für Euch, und noch in einem römischen Coemeterium " hören wir später das Echo der alten Volksformel; eine Frau preist ihren Gatten, der viel gearbeitet hat für midi. Man sollte überhaupt alle Worte des Zelttuchwebers Paulus vom Arbeiten einmal innerhalb seiner eigenen, der handarbeitenden 8 Schicht der Kaiserzeit auf sich wirken lassen; sie werden alle viel lebendiger, wenn sie an ihren ursprünglichsten historischen Ort zurückversetzt werden. Ich habe mehr gearbeitet als sie alle 9 , dieses auf die Missionsarbeit über- 1 Die Inschrift ist entdeckt im Dorfe Ibedschik (Südwestkleinasien) im Hause des Mola Mehmet und veröffentlicht von He- berdey und Kalinka Bericht über zwei Reisen im südwestlichen Kleinasien [oben S. 200] S. 41 Nr. 59 /trrA tö nolXd xomdaat. 2 Diese Übersetzung des knappen ravra [vgl. oben S. 134] der Inschrift ist sehr frei. 3 Vgl. LXX 1 Mose %.. * Er sagt xöjztor statt i?ya>v. Dieses Wort gebraucht er unmittelbar nachher. 5 Offenb Joh 14is ix t&v xöjmv oAt&v. Rom 16a nokld ixontaaev eis i>uäs, vgl. auch Rom I612. 7 Corpus Inscriptionum Graecarum Nr. 9552, Inschrift aus dem Coemeterium des Pontianus in Rom, Zeit? nie [- Sans] not, nollä ixoniaoev. 8 Paulus nennt sich 1 Kor 4u selbst I einen Handarbeiter und er schreibt an I Handarbeiter 1 Thess 4u. Sehr wichtig sind in diesem Zusammenhange die kleinen Arbeiten von Franz Delitzsch Jüdisches Handwerkerleben zur Zeit Jesu 2 , Erlangen 1875 und Samuel Krauss Parallelen im Handwerk, Vierteljahrsschrift für Bibelkunde, Talmud und patristische Studien 3 (1907) S. 67 ff. 9 1 Kor 15io Tiepioodrefop avr&v n&v- Ttov Ixontaaa. ' 15* 228 Werkstättenmoral. Die Lohnworte volkstümlich. Ethische Begriffspaare. tragene Wort kam ursprünglich aus der stolzen Freude des tüchtigen Webers, der, im Akkord schaffend, am Lohntag das größte Stück Zeug abliefern konnte, während in den öfter wiederholten Worten von der vergeblichen Arbeit* der Unmut nachzittert, den eine angeblich schlecht gewebte und darum nicht bezahlte Bahn im Gefolge hatte. Und dann das Wort an die frommen Faulenzer von Thessalonike 2 : Wer nidit arbeiten will, der soll auch nicht essen! Ich habe es erlebt, daß ein nicht ganz bibelfester Sozialpolitiker in einer Zeitungspolemik dieses Wort für eine moderne herzlose Kapitalistenphrase erklärt hat;1 tatsächlich ist der Spruch, von Paulus wahrscheinlich schon als altes Gut ehrbarer Werkstättenmoral übernommen 8 , doch wohl von irgend einem fleißigen Handwerker geprägt worden, als er seinen faulen Lehrjungen vom Mittagstisch verwies. Ebenso wird man den LoA/zworten des Neuen Testamentes nur dann gerecht, wenn man sie innerhalb ihrer Heimatsschicht betrachtet. Es ist eine Verkennung, ja eine Entwurzelung der volkstümlich orientierten Aussprüche Jesu und des Paulus, wenn man sie ohne weiteres in die Sphäre Kantischer Moralphilosophie hinaufzerrt und dann dem Urchristen- tum eine platte Lohnethik vorwirft. Man verwechselt dabei ein in der Heimatsschicht des Urchristentums von selbst sich einstellendes und von selbst verständliches Anschauungsbild volkstümlicher Seelsorge mit einer scharf überlegten ethischen Theorie von prinzipieller Tragweite. Daß übrigens in den Lohnworten Jesu und seines Apostels alle in der niederen Schicht sonst leicht kommenden niedrig ordinären Stimmungen aus- geschaltet sind, zeigt Jesu Gleichnis vom Gnadenlohn und das damit verwandte Vertrauen des Paulus allein auf die Gnade. Mehr noch als die Parallelität einzelner ethischer Wendungen des Volkes sind weiterhin Formeln lehrreich, in denen Begriffspaare oder ganze Begriffsreihen sich zusammengefunden haben. Wenn Tit 24.5 die jungen Frauen ermahnt werden, gatten- und kinderlieb und sittsam zu sein 4 , so ist das überaus volkstümlich geredet, denn gerade dieses Ideal der Weib- lichkeit stellen die Inschriften auf; gatten- und kinderlieb wird in einer Grabschrift von Pergamon etwa aus der Zeit des Hadrian 5 (Abbildung 41) eine Otakilia Polla genannt: 1 Z. B. Gal 4u Phil 2ie 1 Kor 15:*. 2 2 Thess 3jo et tts ot &ehi ieyd&o&at, urjSk iad'Urot, 3 Vgl. die Belege bei Wetstein zu 2 Thess 3io. * yiAdvSpovs rfvat, iaoteknxi| ynbixxeaeh amem nra t ETH A- Abb. 41. Marmorgrabstein der Otakilia Polla von Pergamon, etwa hadrianische Zeit; jetzt im Garten des Pascha-Oglu Hussein im Selinustal bei Pergamon. Mit Genehmigung der Generalverwal- tung der Kgl. Museen in Berlin. "JoüXios Bdooos ^OraxiUa IlcblXrj Tfj yXvxvrdrrj [y]vtaixi tptlAv8(j\tu\ xai ovrßiajoäörj du du 71 TiDS irrj r Iulios Bassos Otakilia Polla, seinem süßesten fW/eibe, das galten lieb und kinderlieb ihm Lebensgefährtin war untadelig 30 Jahre. Daß diese Formel nicht eine Augenblicksbildung war, zeigt neben Plutarch und einer Inschrift der Kaiserzeit aus Paros J auch eine metrische Inschrift aus Tegea 2 . Aber ebenso ist auch die Verbindung gattenlieb und sittsam nicht selten: ich nenne Grabinschriften für Frauen der Kaiser- zeit aus Termessos in Pisidien 3 , Prusias am Hypios in Bithynien 4 und Herakleia am Pontos*. 1 Belege Neue Bibelstudien S. 83 f. 2 Bulletin de Correspondance Hell£ni- que 25 (1901) S. 279 fildrsxvs tfdavSpe Du kinderliebe, gattenliebe! Die Zeit ist nicht genau feststellbar. 3 Ebenda 23 (1899) S. 301 n)* o<&^ova xai y/lavdpov die sittsame und gattenliebe. 4 Ebenda 25 (1901) S. 88 4 o6^o>v^ xai fiXavSgos yvvJj yevofiivT) die ein SÜt- sames und gattenliebes Weib gewesen ist. 5 Ebenda 22 (1898) S. 496 4 ytiavfyos xai a[co]tppoiv rf fdöaofoe £ijoaoa xoa/utate die gattenliebe und sfijttsame, die, der Weisheit Freundin, voll Anstand [hierzu vgl. 1 Tim 2u] gelebt hat. 230 Tugend- und Lastertafeln. Ein antikes Brettspiel. Ganze Reihen von ethischen Begriffen sind in den bekannten Tugend- und Lastertafeln des Urchristentums zusammengefaßt. Sie sind als nicht reine Neuschöpfungen, sondern in Anlehnung an jüdische und heidnische Reihen entstanden; das ist längst erkannt ". Nur wird man guttun, nach ihren Vorbildern nicht ausschließlich in der philosophischen Literatur zu suchen, obwohl auch hier noch vieles zu finden wäre 2 . Von direkterer Bedeutung sind volkstümliche Tugend- und Lasterreihen; sie zeigen besser als die philosophischen Texte, was wirklich ins Volk gedrungen war. Von einem antiken Brettspiel sind in vielen Museen Spielmarken 3 zerstreut, die auf der einen Seite eine Zahl tragen (bis 25 oder 30 oder 40), auf der anderen Seite ein an eine Person gerichtetes Wort, selten in verbaler Form z. B. Freust du dich? oder Wirst schwerlich lachen! x , sonst fast immer Substantiva oder Adjektiva, die meist im Vokativ stehen., In ihnen haben wir eine große Anzahl volkstümlicher Laster- 5 und Tugend- namen, und die griechischen Lehnwörter der sonst lateinischen Liste zeigen den hellenistischen Einfluß, wie auch der stark vulgäre Charakter der lateinischen Wörter die Volksmäßigkeit des Spieles andeutet. Obwohl wir noch nicht alle Marken des Spieles kennen und namentlich die Reihenfolge der Marken noch nicht gesichert ist, fallen uns doch die Parallelen zu Paulus sofort auf: z. B. die Lastertafel 1 Kor 6". io 6 Unzüchtige, Bilddiener, Ehebrecher, Weichlinge, Manne rschdnder, Diebe, Habsüchtige, Trunkenbolde, Lästerer, Spitzbuben läßt sich, wenn man von dem farblosen Habsüchtigen und dem in einer heidnischen Liste nicht zu erwartenden Bilddiener absieht, sachlich Wort für Wort in den Lastermarken jenes Spieles wiederfinden 7 . Eine willkommene Ergänzung finden diese volkstümlichen Laster- reihen in der Komödie. Man hat bis jetzt noch nicht sicher erklärt, 1 Zuletzt handelte knapp aber trefflich hierüber H. Lietzmann zu Rom 1 (Hand- buch zum N.T. III S. 11). Reiches Material hatte namentlich Albrecht Dieterich Ne- kyia Beiträge zur Erklärung der neuent- deckten Petrusapokalypse, Leipzig 1893, S. 163 ff. gegeben. 2 Auch die Astrologen, z. B. Vettios Valens, geben ein reiches Material. 3 Näheres bei Chr. Huelsen Tessere lusorie, Römische Mitteilungen 11 (1896) S. 227 ff.; F. Buecheler Rhein. Museum N. F. 52 (1897) S. 392 ff. 4 gaudesne, vix rides. 5 In den erhaltenen Markennamen über- wiegen die Laster sehr stark. 6 Noch Lietzmann a. a. O. hält diese Tafel für rein jüdisch. 7 Paulus: I Antikes Brettspiel: nögvoi ' impudes (das n fehlt wie | in KfijoxT}e 2 Tim 4io) pot%ot ' moice, moece ualaxoi ' patice dpoeroxoirat cinaidus, cinaedus xUnxai für udfrvoot ebriose und vinose IoIBoqoi tricol äpnayes arpax. Das letzte Wort äpnaS, auch in der latei- nischen Komödie als Lehnwort üblich, ist bei Paulus wohl nicht durch Räuber, sondern durch ein anderes Wort, etwa Spitzbube, wiederzugeben. Räuber sind die ^ar"/, die ja auch Paulus aus Reiseabenteuern kennt 2 Kor Ilse. - Zu "aUxös vgl. oben S. 103 den Brief Nr. 2. Die Bescheltung des Kupplers Ballio bei Plautus. Tugendreihen. 231 warum in der Lastertafel 1 Tim hi. so seltene Verbrechen wie Vater- und Muttermord erwähnt sind. Die Tafel lautet: Ungesetzliche und Unbotmäßige, Gottlose und Sünder, Unheilige und Gemeine, Vatermörder und Muttermörder, Menschentöter, Unzüchtige, Männer- Schänder, Menschenverkäufer, Lügner, Meineidige. Nun vergleiche man die "Bescheltung" des Kupplers Ballio im Pseudolus des Plautus 1 : eine große Reihe gerade der charakteristischsten Schelt- wörter dieser Volksszene findet sich in der paulinischen Tafel wieder, entweder wörtlich oder doch sinnverwandt 2 . Daß auch bei den entsprechenden Tugendreihen die Parallelität zwischen dem Neuen Testament und der Welt nicht fehlt, zeigt eine kleinasiatische Inschrift des ersten vorchristlichen Jahrhunderts zu Ehren eines Herostratos Dorkalions Sohn 3 , verglichen mit 2 Petri h.e. Wie die Inschrift nacheinander die Treue, Tugend, Gerechtigkeit und Frömmigkeit und den Eifer des Geehrten rühmt, so fordert der Apostel zu Eifer in Treue (Glauben), Tugend, Erkenntnis, Enthaltsamkeit, Geduld, Frömmigkeit, Brüderlichkeit und Liebe auf 4 . 8. Wenn es sich bei den bis jetzt betrachteten antiken Einschlägen in die apostolischen Texte um Einzelheiten aus Volksreligion und Volks- moral der Umwelt handelte, die allerdings in ihrer Häufung doch recht bemerkenswert sein dürften, so finden wir im Neuen Testament auch ganze Gedankengruppen, deren Eigenart und kraftvolle Schönheit wir nur vom antiken Boden aus würdigen können. Namentlich die durch neuere Entdeckungen ermöglichte Rekonstruktion großer Teile des früher bloß in 1 Vgl. Hermann Usener Italische Volks- dpoevoxotraiQ pernities adulescentum justiz, Rhein. Museum N. F. 56 <1901) S. 23 ff. (diese Parallele ist nicht Eine sehr interessante Parallele zu Plautus sicher) und Paulus sind die von Wetstein Novum xperSaraie fraudulente Testamentum II S. 318 f. mitgeteilten Stellen imdoxots periure. besonders aus Pollux. 3 Dittenberger Orientis Graeci Inscrip- 2 Paulus: Plautus : tiones Selectae Nr. 438. dpö/uoie legirupa 4 Inschrift: 2 Petri: doeßiai 1 droaioie i sacrilege dv8pa dya&dv otcovSt} v näoav nap- yevöuevov xal etaeviyxavreß int^opfj' djuaoreoXöiß sceleste Sievivxavra yijaare h> rfi n i a r e t ßeßrjioie caenum und nlarei xai X)U(ÖV TTJV dpSTTJV, &V 8k inpure doerfl xal Tfj dOETJJ rrjv yvßatVy iv naTQoXwaiG xal parricida. - verberasti 8[tx]aioaörT] 8k rfl yve&aet rrjv iyxpd- fiTjTQoXwais patrem et matrem, wo- xal svaeßelai teiavj iv 8k Tfj iyxpareiq rauf der Bescholtene xal . . . ryv t$v tinouovtfv , iv 8k tfj höhnisch fortfährt: at- 7tXelar[rj]v cto- vnoftovfi rijv eva i ß etav que occidi quoque po- 8VTjv ey fiivov usw. tius quam cibum prae- OTiovdrjv. hiberem. Vgl. auch die Bemerkungen über den Anfang 71ÖOVOIS impudice der zweiten Petru sepistel Bibelstudien S. 277 ff. 232 Volksrecht der hellenistischen Umwelt im N. T. Sakrale Sklavenbefreiung. armseligen Bruchstücken bekannten hellenistischen Volksrechtes gibt uns ein ungewöhnlich bedeutsames Erkenntnismittel für die religiöse Bilder- sprache des Urchristentums in die Hand. Daß Paulus stark von Rechts- ideen beeinflußt ist, ist ja gewiß längst erkannt und öfter monographisch behandelt worden ; aber die Vergleichung weder mit dem römischen Recht, noch mit dem jüdischen Recht, das in der Diaspora draußen ja wohl zum größten Teil nur auf dem Papier stand, genügte zur Erläuterung. Ganz andere Hilfen leistet uns nun das im Volksbewußtsein lebendige Recht der hellenistischen Gebiete, in denen das Neue Testament entstanden ist. Einige Beispiele werden diesen Satz stützen. Die ungeheuere Macht der dogmatischen Tradition und die das Antike verwischende Übersetzung des Wortes Sklave und seiner Trabanten durch Knecht usw. in der Lutherbibel l haben es bewirkt, daß eine der originellsten und zugleich volkstümlichsten Wertungen des Werkes Christi durch Paulus und seine Schüler bei uns, so viel ich weiß, nur ein ganz unklares Verständnis gefunden hat 2 . Ich meine das durch die Bräuche und technischen Formeln der antiken sakralen Sklavenbefreiung 3 beein- flußte Bild von unserer Loskaufung durch Christus aus der Sklaverei der Sünde, des Gesetzes und der Götzen ; dieses Beispiel einer Beeinflussung des Paulus durch das Volksrecht seiner Umwelt möchte ich etwas genauer beleuchten. Es sind namentlich die Inschriften von Delphi gewesen, die Wesen und Ritus der antiken sakralen Sklavenbefreiung verdeutlicht haben 4 ; unzählige Freilassungsurkunden aus mehreren Jahrhunderten 5 , namentlich 1 In der Lutherbibel kommt nicht ein einziges Mal das Wort Sklave vor, das in den Urbibeln unzählige Male gebraucht ist. Knecht ist nicht Sklave. 2 Ganz ähnlich ist uns das Verständnis einer anderen großen Begriffsgruppe durch die falsche Übersetzung des Wortes Testa- ment (Siathjxfi) mit Bund gestört worden. Die Lutherbibel hat hieran allerdings keine Schuld. s Johannes Weiss Die Christliche Frei- heit nach der Verkündigung des Apostels Paulus, Göttingen 1902 hat das Verdienst, die Freiheitsidee des Paulus in den Zu- sammenhang mit den antiken Freiheitsge- danken gerückt zu haben. Aber er greift m.E. einige Bücherreihen zu hoch: die unten bei den Folianten stehenden Inschriften sind hier lehrreicher, als die auf dem Bord oben stehenden Philosophen, - genau so wie wir es S. 230 f. bei den Lastertafeln sahen. Daß Paulus von der Popularphilosophie be- einflußt ist, glaube ich auch, möchte aber die auch von Weiss erwähnte Vermittlung durch die populäre Bildung, in die vieles Philosophische hinabgesickert war, betonen. 4 Grundlegend waren die Arbeiten von Ernestus Curtius Anecdota Delphica, Berolini 1843, S. 10-47 und 56-75 und P. Foucart Memoire sur l'affranchissement des esclaves par forme de vente ä une di- vinite d'apres les inscriptions de Delphes (Archives des missions scientifiques, deuxieme serie, t. III, Paris 1866, S. 375-424). Vgl. auch die knappen, aber alles Wesentliche gebenden Darstellungen von Ludwig Mit- teis Reichsrecht und Volksrecht in den öst- lichen Provinzen des römischen Kaiserreichs, Leipzig 1891 , S. 374 ff. und E. SCHÜRER Geschichte des jüdischen Volkes III 4 S. 53 f. 6 Darunter auch zwei Urkunden über die Freilassung jüdischer Sklaven aus der Zeit zwischen 170 und 157 v. Chr., wohl Kriegsgefangener aus den Makkabäerkämpfen, vgl. Schürer III 3 S. 27. Delphische und andere Urkunden. Jüdische und christliche Urkunden. 233 auch noch aus dem Jahrhundert des Neuen Testaments, sind von den französischen Archäologen wiedergefunden und veröffentlicht worden. Ein ganzes Archiv solcher Urkunden steht noch heute fast unversehrt wie vor zwei Jahrtausenden auf den wuchtigen und doch in ihrer Gesamtheit wie eine steinerne Dichtung wirkenden Blöcken der polygonalen Stützmauer des Apollontempels: wer die Texte im Frühling liest 1 , den grüßen aus den Fugen rankendes Grün und blaue Blumen. Aber wir haben in diesen Urkunden keine delphische Besonderheit; die sakrale Freilassung ist Gemeingut der ganzen Parnaß-Landschaften, und wohl des griechischen Altertums überhaupt, ja sie ist auch in den jüdischen und christlich-kirchlichen Gebrauch übergegangen. Von außer- delphischen Urkunden führe ich als Beispiele Inschriften aus Physkos in Aitolien 2 (Verkauf an Athene, zweites Jahrhundert vor Christus), aus Amphissa 3 (Verkauf an Asklepios, Kaiserzeit), aber auch aus Kos 4 (Verkauf an Adrasteia und Nemesis?, zweites oder erstes Jahrhundert vor Christus) an; Ernst Curtius sammelte Urkunden aus Naupaktos (Verkauf an Dionysos), Chaironeia, Tithora und Koroneia (Verkauf an Serapis), Chalia (Verkauf an Apollon Nesiotes), Elateia und Steiris (Verkauf an Asklepios), Daulis (Verkauf an Athene Polias). In jüdischem Gebrauch finden wir die sakrale Freilassung in zwei Steinurkunden von Pantikapaion 5 , deren erste sicher auf das Jahr 81 nach Christus datiert werden kann; auch eine zum Kult des Höchsten Gottes gehörende Urkunde pus Gorgippia vom Jahre 41 nach Christus ist von großem Interesse. Diese jüdischen und jüdisch-heidnischen Urkunden 7 sind für unser Problem besonders wichtig als sichere Belege für den Einfluß des weltlichen Ritus auf den jüdischen Hellenismus 8 in der Zeit des Apostels Paulus. Daß schließlich die alt- kirchliche Freilassung in der Kirche" nichts anderes, als die Christiani- sierung des altgriechischen Brauches ist, haben Sachkundige längst erkannt. Zwischen der griechischen und der kirchlichen Übung aber steht Paulus, der den alten Brauch zur Grundlage einer seiner tiefsinnigsten Christuskontemplationen gemacht hat. 1 Ich hatte am 22. und 23. Mai 1906 Gelegenheit, dieses hochbedeutsame Stück antiker Kultur an Ort und Stelle zu sehen, wie mir auch die unten S. 238 verwertete 5 Inscriptiones Antiquae Orae Septen- trionalis Ponti Euxini ed. Latyschev, vol. II Nr. 52 und 53. • Ebenda Nr. 400. topographische Situation durch den Augen- , 7 Vgl. über sie Schürer III 3 S. 53 f. schein am 12. Mai 1906 deutlich geworden ist. 2 Bulletin de Correspondance Helteni- que 22 (1898) S. 355. 3 Dittenberoer Sylloge 2 Nr. 844. 4 Paton and Hicks Nr. 29, jetzt Herzoo Koische Forschungen und Funde S. 39 f. Es ist keine Freilassungsurkunde, aber die sakrale Freilassung wird erwähnt. * Vgl. den ähnlichen Vorgang auf an- derem Gebiete in den Rachegebeten von Rheneia (unten in den Beilagen), die eine Verweltlichung des jüdischen Ritus der Sühne einer unaufgeklärten Mordtat zeigen. 9 manumissio in ecclesia, vgl. Curtius S. 26 f. und Mitteis S. 375. 234 Das Wesen und die Formen der sakralen Befreiung. Welches war dieser Brauch? Unter den verschiedenen Rechtsformen, unter denen im Altertum die Freilassung eines Sklaven erfolgen konnte 1 , finden wir den feierlichen Ritus des fiktiven Ankaufes des Sklaven durch eine Gottheit: der seitherige Herr kommt mit dem Sklaven in den Tempel, verkauft ihn dort dem Gott und erhält aus der Tempelkasse den Kauf- preis (den tatsächlich der Sklave vorher aus seinen Ersparnissen erlegt hat). Damit ist der Sklave Eigentum des Gottes, aber nicht sein Tempel- sklave, sondern nur sein Schützling ; den Menschen und besonders seinem seitherigen Herrn gegenüber ist er völlig ein Freier, höchstens werden noch einige Pietätspflichten gegen den alten Herrn festgesetzt. Ober den ganzen vor Zeugen stattfindenden Akt wird ein Protokoll aufgenommen, das häufig auch in Stein verewigt wird. Die gewöhnliche Form dieser Urkunden, die bei ihrer Häufigkeit etwas sehr Bekanntes gewesen sein müssen, ist die 2 : Datum. Es verkaufte N N dem Pythisdien Apollon einen männlichen Sklaven namens X. Y. um einen Preis von soundsoviel Minen, zur Freiheit (oder unter der Bedingung, daß er frei ist u. ä.). Folgen etwaige besondere Ab- machungen und die Namen der Zeugen. Eine andere Form, die sonst nicht belegt ist, das Wesen des ganzen Ritus aber besonders deutlich macht, bietet eine delphische Inschrift von 200/199 vor Christus 3 auf der Polygonalmauer: Datum, inplaro 6 'AndlXcav 6 Ilöd'ioe napd Ecootßiov "Ampiooios In* Slev&eplai oc5u[a] A ywatneZoVj dt Övofta Nlxaia, rd yivos 'Ptojualav , tiuäs dpyvpfov ftväp Tfiaiv xai ^fiiftvaiov. npoanoSdras xard töv vdfiov Eüftraaros Auipioo&fo. rdv Tipdv dnixet*. rdv di (bväv iniarevoe Nixaia rßt ^AnölXinvi in iXevd~e(>(ai. Folgen Datum. Es kaufte Apollon Pythios von Sosiöios aus Amphissa zur Fre ih eit einen weiblichen Sklaven* ; deren Name Nikaia und die von Geburt Römerin ist, um einen Preis von dreiundeinhalb Silber- minen. Bürge nach dem Gesetz: Eumnastos aus Amphissa. Den Preis hat er empfangen 5 . Den Kauf aber hat Nikaia dem Apollon anvertraut zur Freiheit. die Zeugen usw. An den auf diesen Urkunden zum Ausdruck kommenden Brauch knüpft Paulus an, wenn er von unserer Befreiung durch Christus redet. Von Natur sind wir Sklaven der Sünde 7 , der Jude ist noch dazu Sklave 1 Vgl. Mitteis S. 372 ff. a Einzelbelege anzuführen, ist bei der Massenhaftigkeit der Texte nicht nötig. 3 Dittenberger Sylloge* Nr. 845. 4 Zu o&ua Sklave vgl. Bibelstudien S. 158 und oben Brief Nr. 2 S. 103. 5 Zu diesem dneyn vgl. oben S. 74 ff. 6 Janell Ausgewählte Inschriften S. 107 übersetzt falsch Kaufgeld. 7 Rom 617.S0.8.19 Tit 3s. Die Stelle Rom 60 damit der Sündenleib vernichtet werde ist zugleich doppelsinnig, da Leib i (oöpa) auch Sklave heißen kann. Die sakrale Loskaufung bei Paulus. 235 des Gesetzes 1 , der Heide Sklave seiner Götter 2 . Freie werden wir da- durch, daß Christus uns kauft. Und er hat es getan: um einen Preis seid Ihr erkauft sagt Paulus zweimal 3 , und er gebraucht dabei genau die Formel der Urkunden um einen Preis*. Für die Freiheit hat uns Christus befreit*, zur Freiheit seid Ihr berufen worden*, in diesen Paulusworten haben wir buchstäblich genau die andere Formel der Urkunden 7 . In zahlreichen Befreiungsurkunden wird das Wesen der neugewonnenen Freiheit dadurch illustriert, daß dem Freigewordenen aus- drücklich gestattet wird, fortan zu tun, was immer er will 8 ; auf die Gefahr des Rückfalls in die Unfreiheit weist daher Paulus, wenn er das mögliche Ergebnis des Widerstreites zwischen Fleisch und Geist durch die Worte 9 andeutet: daß Ihr nicht tut, was immer Ihr wollt. In massenhaften Befreiungsurkunden wird ausdrücklich, mitunter bei schweren Strafen, verboten, den Freigewordenen wieder zum Sklaven zu machen(tm): jetzt sehen wir, wie frevelhaft die Absicht derer 11 ist, die gegen die Freiheit, die wir in Christus Jesus haben, spionieren, um uns wieder zu Sklaven zu machen, und wir verstehen briefliche Warnungen wie die 12 : 1 Gal 4i-7 5i. " 2 Gal 4 8 . 0. 3 1 Kor 6ao 7aa Tttfrje rfyopdo&TjTe. [dyo- q&&iv steht vom Sklavenkauf auch in dem Testament Attalos' III 133 v. Chr. Ditten- berger Orientis Graeci Inscriptiones Selec- tae Nr. 338". Zu npij Preis beim Sklaven- verkauf vgl. auch 1 Clem 55".] Die Wieder- holung dieses knappen, aber vielsagenden und überaus volkstümlichen Wortes weist wohl darauf hin, daß es eine Lieblings- losung auch der mündlichen Predigt des Apostels war. Vgl. auch Gal 4a damit er die unter dem Gesetz loskaufe {ilayo^aor,). 4 tiuije (rt/jäs) ist in den Urkunden ganz stereotyp, natürlich mit Hinzufügung einer bestimmten Summe. Daß tuutjs aber auch absolut gebraucht werden kann, zeigt die große Königsurkunde Euergetes' II 118 v.Chr. The Tebtunis Papyri Nr. 5iss. 194. ao, vgl. die Notiz der Herausgeber S. 50 f. Die Über- setzung Luthers teuer erkauft ist wohl nicht richtig. Paulus betont nicht die Größe des Kaufpreises, sondern die Tatsächlichkeit der Loskaufung. 5 Gal 5i rfj iXev&eplq jpäe Xptorde JjXev&iQmoiv. 6 Gal 5i3 in* iXev&ep/q ixX^rjre. 7 in iXev&eptq, vgl. dazu CURTIUS S. 17. 32. Die Formel ist häufig aus Delphi, Naupaktos, Tithora zu belegen. 8 not&v ö xa t%;.ff, Vgl. CURTIUS S. 17. 39 und besonders Mitteis Reichsrecht und Volksrecht S. 390. 9 Gal 5n i'va pij ä iäv &iXrjTe raüra noirjTf. Man beachte den Zusammenhang; auch unter dem Gesetz 5is weist auf Skla- verei hin. 10 xaradovUfrtv oder -eo&ai und ähn- liche Formeln vgl. Curtius S. 43. 11 Gal 24 xaraoxonrjoai rr}v iXev&epiav fjuwr rjv t%oftcv Iv Xptaral 'Itjooti, tva tfpde xa TaSovXfboovoiv. 12 Gal 5i. 236 Sklaven Christi und Freigelassene Christi. für die Freiheit hat uns Christus befreit; so stehet nun und geht nicht wieder ins Joch der Sklaverei, und die noch ergreifendere Mahnung 1 : um einen Preis seid Ihr erkauft: werdet nicht Sklaven der Menschen. Sklaven der Menschen können die Christen nicht werden, weil sie durch Kauf Christussklaven' 1 geworden sind; aber wie bei jedem anderen sakralen Kauf durch einen Gott ist der Christussklave zugleich frei, ja er ist Freigelassener des Herrn * (Christus), selbst wenn er äußerlich Sklave eines menschlichen Herrn ist. Wenn weiter in zahlreichen Urkunden den Freigelassenen die Pietälspflicht auferlegt wird 4 : er soll bei N. N. (dem seitherigen Herrn) verbleiben, oder wenn es gelegentlich heißt 5 : Kintos soll bei Euphronios verbleiben wohlanständig sich verhaltend, so erinnern auch daran paulinische Ausdrücke: er soll bei Gott bleiben 6 und namentlich beim Herrn gut ausharren, wohlanständig und unabgezogen 7 . Wenn diese letzte Ähnlichkeit keine völlige Parallele zu den heidnischen Formeln ist, weil es sich bei Paulus um den neuen Herrn handelt, so entspricht sie doch den jüdischen Freilassungsformeln von Pantikapaion 8 , die den Freigelassenen zur Pflicht machen, sich treu zur Synagoge zu halten " Mit diesen Parallelen ist die Anlehnung des Apostels an die antike Sitte noch nicht erschöpft. Sämtliche Freiheitsworte bei Paulus und Jo- 1 1 Kor 7m. Damit ist die moralische j und Volksrecht S. 386 f. Ein gutes Beispiel Sklaverei unter menschliche Lüste und Be- ! ist die Inschrift von Delphi 173/2 v. Chr. gierden gemeint. Sklaven der Brüder sollen die Christen sein. s Der Ausdruck dovloe Xptarov bei Paulus ist so häufig, daß er nicht belegt zu werden braucht. Er ist nicht erst durch das Bild von der Freilassung entstanden, sondern alter, fügt sich aber ausgezeichnet in das Bild ein. 3 Aneleüd'EQoe xvqiov. Ebenso meint Curtius S. 24, der Ausdruck Freigelassener des Gottes Aesculapius (libertus numi- nis Aesculapii) einer lateinischen Inschrift stamme möglicherweise aus sakraler Frei- lassung. Über den paulinischen Ausdruck mehr unten. und ähnliche Formeln, DlTTENBERQER Sylloge* Nr. 850 napajuet- rdrro Sä nagd 'A.uüvrav £a>Ttjptxoe Irrj öxreb dveyxlijraie es soll aber Soterichos bei Amyntas verbleiben acht Jahre, untadelhaft. 5 Inscriptions recueillies ä Delphes, pu- blikes par C. Wescher P. Foucart, Paris 1863, S. 65 Nr. 66 na^auetvaro, [Sk] Kivros 7t apA EvfQÖyiov .... £^a%iJuori^afv. 6 1 Kor 7u (in nächster Nähe der Haupt- stelle um einen Preis seid Ihr erkauft) fteVBTM 7iaQCt d'Sij). 7 1 Kor 7ss (vgl. auch das untadelhaft der Inschrift Anm. 4) rd rfoxypov xal tri- noQfboov na xt'(?/ "iJr^r Sov Xeiav und er sagte nicht einfach "Lösung*, sondern "Erlösung*, so daß wir also nicht wieder in dieselbe Sklaverei zurückkom- men, vgl. R. Ch. Trench Synonyma des Neuen Testaments übersetzt von Heinrich Werner, Tübingen 1907, S. 192 f. Zu die- sem Satze des Kirchenvaters vgl. die oben erwähnten Bestimmungen der Urkunden gegen die Wiederholung des Sklavenver- hältnisses. Der späte Theophylaktos da- gegen (Trench S. 193) hat das alte aposto- lische Bild bereits tibertüncht 4 Sie wird erst dneXev&igwois, dann dnoXvj^otate genannt, HERZOO S. 39 f.: Nicht eher sollen die, welche die dn'Xev&tyaHnf vollziehen, die urkundliche Aufzeichnung der dnoXtiTpajoic vornehmen, bis die Priester den Vollzug des dabei zu bringenden Opfers gemeldet haben. 6 Mark IO45 - Matth 20m X*t?ot> dvrl nolX&v ein Loskaufgeld für viele, 8 1 Tim 2o klingt jedenfalls wie ein Echo. 7 The Oxyrhynchus Papyri Nr. 48. 49 und 722. 8 i>nö 41a rHv "HXiov inl Xürpoie. Der Plural ist das Gewöhnliche. - Zu Xütqov (Utqo) vgl. sonst noch Mitteis Reichsrecht und Volksrecht S. 388 und besonders die merkwürdige Inschrift eines Votivreliefs aus Köres bei Kula in Kleinasien (jetzt im Ko- nak zu Kula) bei Buresch Aus Lydien S. 197: raJ.Xtxw 'AoxXrjmae, xcA/ur] Kepv£4ajv y naiSiaxrj Aioyivov Xütqov dem Gallikos [- Gott Men] weiht Asklepias (Dorf Ke- ryza), Magd [vgl. oben S. 132, Buresch schreibt IlaiSloM) des Liogenes (Diogenes?) diese Lösung. Hier ist das Wort wohl von der Lösung eines Gelübdes gebraucht. 9 Vgl. Mitteis Hermes 34 (1899) S. 104 und die dort mitgeteilte Bemerkung von U.Wilcken über eine christliche Freilassungs- urkunde vom Jahre 354 n. Chr. mit der For- mel frei unter Erde und Himmel nach [xar\ nicht xai] der Frömmigkeit des all- barmherzigen Gottes. 238 Ausweitung des Evangeliums. Volkstümlichkeit des Paulus. Der Opferbegriff u. a. hat. Lieber weise ich darauf hin, daß Paulus, als er das alte Meisterwort vom Lösegeld ausweitete und der griechischen Welt anpaßte ! , damit aufs beste den Bedürfnissen und der Auffassungsgabe der unteren -Schichten entgegenkam. Volkstümlicher konnte er den armen Heiligen von Korinth, unter denen sicher Sklaven gewesen sind 2 , Werk und Wirken des Herrn nicht illustrieren, als er es getan hat: wer von den christlichen Sklaven der Weltstadt um Ostern, als der Brief des Paulus eintraf, den Pfad nach Akrokorinth hinaufschritt, sah gen Nordwesten bald deutlich und deutlicher das Schneehaupt des Parnaß hervorkommen, und jedermann wußte, daß im Umkreise dieses Herrschergipfels alle die Heiligtümer lagen, in denen Apollon oder Serapis oder der Heiland Asklepios Sklaven um einen Preis kauften, zur Freiheit Abends in der Versammlung trat dann aus den Zeilen des von Ephesos gekommenen Briefes der neue Heiland in geistlicher Gegenwart unter seine Kultgenossen, Freiheit spendend von anderem Sklaventum, Leib- eigene der Sünde und des Gesetzes loskaufend um einen Preis, den er nicht in frommer Täuschung vorher aus den hart erworbenen Denaren des Sklaven erhalten, sondern selbst bezahlt hat durch das Lösegeld seiner täglich neuen Selbsthingabe, zur Freiheit rufend, die da schmachten in der Sklaverei. Die Frage der Deutung dieses paulinisch-antiken Bildes im einzelnen will ich bloß aufwerfen. Es ist hauptsächlich zu prüfen, ob Paulus die Loskaufung durch Christus als einen einmaligen summarischen Akt der Vergangenheit betrachtet, oder (und das ist mir das Wahrscheinlichere) als einen bei jeder Einzelbekehrung von jedem neu in Christus Ein- verleibten neu erfahrenen Befreiungsakt. Weiter ist zu fragen, ob der Preis ein notwendiges Glied des Gedankens ist, oder eine nicht weiter auszudeutende Einzelheit des Bildes. Daß schon in sehr alter Zeit der Preis auf das Blut Christi gedeutet worden ist, zeigt 1 Petri lis. 10. Die Verbindung des Freilassungsgedankens mit 0/>/ergedanken erleichterte sich übrigens dem antiken Christen dadurch, daß die sakrale Freilassung z. B. in Kos mit einem Opfer verbunden war 3 . Schließlich wäre auch auf die enge Verwandtschaft hinzuweisen, die zwischen der Idee der Erlösung (Freilassung) und der Idee der Vergebung (des Nachlasses) unserer Schuld für den antiken Menschen ebenfalls durch die Rechtsgewohnheiten her- gestellt wurde: bei Nichtzahlung der Geldschuld kannte das System der Personalexekution 4 nicht nur Schuldhaft, sondern auch Schuldsklaverei b . Der Gesichtspunkt der Ausweitung : 2 Vgl. 1 Kor 7"i und die verschiedenen der evangelischen Begriffe und ihrer An- passung an die Welt ist überhaupt für das Verständnis des Weltchristentums von hoher Bedeutung. Das wichtigste Beispiel ist die Ausweitung des palästinischen Urwortes der Christus (- der Messias) zu dem weltlichen Gottesnamen Christus. Sklavennamen im ersten Korinth erbriefe. 3 Vgl. oben S. 233 Anm. 4. * Vgl. oben S. 194. 6 Vgl. L. Mitteis Reichsrecht und Volks- recht S. 358 f. 445 ff. und seine Bemerkung zum Reinach -Papyrus Nr. 7 (oben S. 194 Anm. 1). "Schuld" und "Vergebung". Eine Quittung und ein Schuldschein des Paulus. 239 Der hiermit berührte, ebenfalls dem antiken Rechtsleben entnommene evangelische und urchristliche Bilderkreis Schuld undVergebang (Nachlaß) könnte aus den neuen Texten gleichfalls manche Illustration erhalten. Wir haben gelernt, daß das angeblich nur "neutestamentliche" Wort öyeikri Schuld den Papyri ganz geläufig ist 1 . So wird auch durch zahlreiche Originalurkunden auf Papyrus das Wesen einer antiken Schuldhandschrift klar 2 . In den Berliner Griechischen Urkunden ist eine große Zahl antiker Originalschuldscheine veröffentlicht, und wohl jede andere Papyrussamm- lung besitzt ebenfalls Exemplare. Stereotyp ist in diesen Urkunden das Versprechen, das geliehene Geld zurückzuzahlen: ich werde es zurück- zahlen 6 und die eigenhändige Ausfertigung 4 , die, falls der Schuldner nicht schreiben konnte, durch einen Stellvertreter mit der ausdrücklichen Notiz ich habe für ihn geschrieben vollzogen wurde. So heißt es z. B. 5 auf dem stark vulgären Schuldschein Berliner Griechische Urkunden Nr. 664, Faijüm, erstes Jahrhundert nach Christus, den zwei Analphabeten über 100 Silberdrachmen durch einen gewissen Papos, der auch kein Held im Schreiben war, ausstellen lassen: [äs xcu d]7zodöo(0f/£pste [. . . . %\ü)(>ls dllcov &v 6 iyd> dnoriaco 8 . Wenn er Dir aber einen Nachteil zuge- fügt hat oder etwas schuldet, so setze es auf mein Konto 1 . Idi Paulos sdirieb's mit meiner eigenen Hand: ich werde die Buße zahlen. 9 Die Parallelität zwischen den Rechtsformeln und dem Paulusbriefe wird noch deutlicher, wenn wir beachten, daß der antike Schuldschein meist die Form des Schuldbriefes hatte. 1 Neue Bibelstudien S. 48. 2 Vgl. Mitteis Reichsrecht und Volks- recht S. 484. 493f., Gradenwitz Einführung I S. 109 ff. Technischer Ausdruck für eine Schuldurkunde ist, neben anderen, das auch für andere Privatverträge gebrauchte Wort %ei()6yoa.(pov Handschrift. * Meist dnoStöaot. * Daher der technische Name Hand- schrift. Vgl. schon Neue Bibelstudien S. 67. 5 Wilcken empfiehlt mir als besseres Beispiel The Oxy. Papyri Nr. 269 (57 n. Chr.). 6 Phil 4i8, vgl. oben S. 76. 7 Zu diesem technischen Wort vgl. oben S. 52. 8 Über dieses Wort, das viel stärker ist, als dnodt&oeo, vgl. Gradenwitz Einführung I S. 85. 240 Die Schuldhandschrift. Das Kreuz auf der Schuldhandschrift. In irgendwelchen Rechtsgewohnheiten beim antiken Schuldverhält- nisse wurzelt wohl auch das berühmte Pauluswort Kol2n, das den tech- nischen Ausdruck (Schuld-)Handschrift religiös verwertet und in eine eigenartige Verbindung mit dem Kreuz bringt. Christus habe uns, so be- kennt der Apostel, die aus unseren Übertretungen abzuleitenden Schuld- forderungen geschenkt, und, verwandte Bilder häufend 1 , fügt der Brief- schreiber dann hinzu: &£alt(\pas xd na& tjp&p %ei(>6yQaifx>v . . xoU avTÖ fjgxev ix roif uioov, npoorjlwoae avrd T(p oravpcp. Die gegen uns vorliegende Handschrift hat er ausgelöscht . . und fortgetan , in- dem er sie aufs Kreuz heftete. "Die Handschrift auf dem Kreuz", soll das einfach heißen: sie ist ge- kreuzigt - tot - unwirksam? Das wäre möglich. Aber wahrscheinlich ist das Bild viel plastischer empfunden 2 : es muß auf einen Einzelbrauch angespielt sein, den wir allerdings noch nicht kennen. Immerhin mag es, so lange wir die Sdiuldhandschrift auf dem Kreuz noch nicht nachweisen können, erlaubt sein, das Kreuz auf der Schuldhandschrift wenigstens nebenbei hier zu erwähnen: durch die neuen Texte haben wir gelernt, daß es allgemein üblich gewesen ist, eine Schuldhandschrift (oder eine andere Urkunde) durch den griechischen Kreuzbuchstaben Chi X zu durch- kreuzen und dadurch zu annullieren. In dem prachtvollen von uns bereits früher" benutzten Florentiner Papyrus Nr. 6U*t. vom Jahre 85 nach Christus befiehlt der ägyptische Statthalter in einer Gerichtsverhandlung: die Handschrift solle durchkreuzt werden*. Dasselbe technische Zeitwort zitäopat, ich durchkreuze kommt auch sonst in ähnlichen Zusammenhängen auf Papyri aus neutestamentlicher Zeit vor 5 , die Florentiner Stelle ist aber besonders wertvoll, weil sie zeigt, daß die (bis in unsere Tage 6 erhaltene) Sitte der Durchkreuzung einer 1 Solche Häufungen von Bildern, rhe- torisch unschön, aber in der Volkspredigt nicht unwirksam, finden wir bei Paulus öfter. a Es war wenigstens ein richtiger In- stinkt fürs Technische, der manche Ausleger vermuten ließ, die Schuldscheine seien im Altertum durch Durchlöcherung mit einem Nagel ungültig gemacht worden. Durch- löcherungen mit einem Nagel finden sich aber m. W. bloß bei beschriebenen Blei- rollen, z.B. der Bleitafel von Hadrumetum (Bibelstudien, das Faksimile vor dem Titel- blatt und die Notiz S. 26); aber die Nägel sollen den Text nicht annullieren. [Zur Ver- wendung der Nägel im Zauber vgl. Richard Wünsch Antikes Zaubergerät aus Pergamon, Jahrbuch des Kaiserlich Deutschen Archäo- logischen Instituts, Ergänzungsheft 6, Berlin 1905, S. 43 f.]. Zudem macht Erich Haupt zu Kol 2.4 (Kommentar von Meyer 8 9 8 - 7 , Göttingen 1902, S. 96) mit vollem Rechte gel- tend, daß der Hauptbegriff des paulinischen Satzes nicht die Annagelung an und für sich, sondern die Annagelung ans Kreuz ist. 3 Oben S. 193 f. 4 xal 4x[£]levoe rd x €t pW/P a 9 >av X ia " adifvat. 6 Grenfell und Hunt The Oxyrhyn- chus Papyri Part II S. 243 zitieren für das Wort die Urkunden The Oxyrhynchus Pa- pyri Nr. 362is (75 n. Chr.) und 363e (77-79 n. Chr.) und ergänzen es 266ib (96 n. Chr.). 6 Vgl. z. B. die gekreuzten (crossed) Schecks im englischen Geldverkehr. Durchstrichene Originalschuldscheine. Die Idee der Stellvertretung. 241 Urkunde nicht etwa bloß ein privater, sondern ein amtlicher Brauch war. Und zudem haben wir eine ganze Anzahl "durchstrichener" * Schuldscheine im Original wiedererhalten: in Berlin liegen mehrere 2 , in Heidelberg sind ebenfalls einige 8 , und auch in den anderen Papyrussammlungen fehlen sie nicht. Diese ganze Sache ist übrigens vielleicht auch für die Entstehung späterer christlicher allegorisch-mystischer Spielereien mit dem Kreuzbuchstaben Chi nicht ohne Bedeutung. An die Schuldscheinformeln desPhilemonbriefes nochmals anknüpfend, können wir auch eine andere innerhalb der religiösen Gedankenwelt des Christentums schon früh bildlich verwertete Rechtsidee der hellenistischen Welt streifen: die Idee der Stellvertretung. Auch hier haben die neuen Texte ganz neue Einsichten erschlossen. "Das römische Recht kannte, wie allgemein und nach den im Corpus iuris enthaltenen Quellen auch mit Recht gelehrt wird, die direkte Stell- vertretung, d. h. das Handeln im Namen und auf Rechnung des Ver- tretenen, in dessen Person die aus dem Geschäfte resultierenden Rechte und Pflichten entstehen, grundsätzlich nicht. Einige Ausnahmen, vor allem die direkte Stellvertretung im Besitzerwerb, wurden ja allmählich anerkannt, 'aber gerade das wichtigste Gebiet des privatrechtlichen Verkehrs, das Gebiet der obligatorischen Verträge, war und blieb der direkten Stell- vertretung fast ganz verschlossen'", so skizziert Leopold Wenoer 4 unser vorpapyrologisches Wissen über die antike Stellvertretung. Er hat dann selbst in seiner inhaltreichen Monographie "Die Stellvertretung im Rechte der Papyri" kürzlich 5 das ungeahnt ergiebige , in den neuentdeckten Rechtsurkunden des hellenistisch-römischen Ägypten schon jetzt vorliegende Material verarbeitet, die Vertretungsverhältnisse im öffentlichen Recht, die Prozeßstellvertretung und die Stellvertretung im Privatrecht an zahllosen, zum Teil prachtvoll erhaltenen Aktenstücken erläuternd. Danach muß der Stellvertretungsgedanke in Ägypten jedenfalls einer der bekanntesten Bestandteile des volkstümlichen Rechtes gewesen sein, und nach vielen anderen Analogien darf man vielleicht vermuten, daß Ägypten, dessen Urkundenbündel wieder entdeckt sind, auch hier nur das Paradigma ist für die anderen ehemaligen Diadochengebiete, deren Urkundenmassen, 1 Natürlich ist das einfache Chi öfter j Wilcken Deutsche Lit.-Ztg. 21 (1900) Sp.2469]. etwas verändert, und es werden wohl auch j Sie zeigt ein ganzes Gitterwerk von annul- andere Arten der Durchstreichung vor- j lierenden Chi-Strichen, ebenso die Heidel- kommen. \ berger Exemplare (Anm. 3) und der Londoner 2 Berliner Griechische Urkunden Nr. 101 , Papyrus Nr. 336. (114 n. Chr.), 272 (138/139 n. Chr.), 179 (Zeit 3 Noch nicht publiziert, Nr. 8c und 26. des Antoninus Pius). Diese letztere ist von * Papyrusforschung und Rechtswissen- Gradenwitz Einführung in die Papyrus- schaft, Graz 1903, S. 26f. Zuletzt zitiert er künde I auf der Tafel vor dem Titelblatt Josef Hupka Die Vollmacht, Leipzig 1900, faksimiliert und S. 95 ff. erläutert [doch vgl. S. 7. 5 Leipzig 1906. Deissmann Licht vom Osten. 16 242 Die Stellvertretungsidee bei Paulus. Philemonbrief. Der Paraklet. soweit sie den Prozeß und das Privatrecht betreffen, fast völlig ver- schollen sind. Bestätigt wird diese Vermutung vielleicht durch den Gebrauch, den der Kleinasiate Paulus von der ihm ja gewiß auch durch seine jüdische Erziehung 1 liebgewordenen Stellvertretungsidee macht. Zwar daß er im Philemonbriefe 13 den Wunsch äußert, der bei ihm befindliche Onesimos, der entlaufene Sklave des in Kolossä lebenden Philemon, möge ihm in Stellvertretung' 1 des Philemon in seiner Haft Dienste leisten, wäre, wenn dieses Wort überhaupt am Recht orientiert ist, auch aus römischen An- schauungen heraus möglich: der Sklave vertritt seinen Herrn 3 . Aber daß er, der den von ihm bekehrten Onesimos vorher Vers 10 sein Kind nennt, durch die Schuldscheinformeln für ihn finanziell haftet, das ent- spricht doch am ersten der Stellvertretung des Vaters für das Kind, wie sie das griechische Recht und das hellenistische Recht der Papyri kennen 4 . Nach alledem wird man den Stellvertretungsgedanken, der auch in mehreren religiös bedeutsamen Bekenntnissen der Apostel über Werk und Wirken Christi verwertet ist, nicht als einen Fremdkörper innerhalb der Welt des hellenistischen Urchristentums empfinden, sondern den vielen echt volkstümlichen Veranschaulichungsmitteln der ältesten Propaganda zurechnen. Wichtiger als Einzelstellen über das stellvertretende Werk Jesu ist hier die auf Grund evangelischer Anregungen 5 wohl durch Paulus geschaffene 6 und in den Johannestexten voll ausgereifte und zur klassischen Formulierung 7 gekommene Würdigung des stellvertretenden Wirkens Christi als unseres Parakletos, d. h. unseres advocatus, Stellvertreters im Prozeß, Fürsprechs, Beistands. Auch dieses tiefsinnige Urwort unserer religiösen Sprache verstehen wir in seiner ganzen antiken Volkstümlichkeit durch die neuen Texte besser: die Tätigkeit der Sachwalter in der helle- nistischen Welt ist uns, wie schon Mitteis, 8 Gradenwitz 9 und WfcNGER 10 gezeigt haben, durch zahlreiche plastische Beispiele, namentlich auch durch 1 Zur Stellvertretung in der religiösen Kontemplation und Spekulation des Juden- tums vgl. Ferdinand Weber Jüdische Theo- logie auf Grund des Talmud und verwandter Schriften* S. 292 ff., 326 ff., 361. Man kann auch hier wieder sehen, wie nahe sich "Se- mitisches" und Hellenistisches kulturell be- rühren können. * Das ist der Sinn des tinip aov Phi- lemon 13, genau wie in massenhaften Papyri der den Analphabeten vertretende Schreiber tfjrfy avrov in seiner Stellvertretungschrtibt, vgl. z. B. oben S. 105 Brief Nr. 3. 8 Vgl. Wenqer Die Stellvertretung S. 157 ff. 4 Ebenda S. 169 f. 235. 6 Mark 13n vgl. Matth 1(W. Luk 12ti f. 21l4f. Paulus hat das Wort Paraklet in sei- nen Briefen zufällig nicht gebraucht; aber die Sache ist klar vorhanden Rom 8*e_34. 7 Ev Joh 14i6. so 15*6 I67 1 Joh 2i. 8 Reichsrecht und Volksrecht S. 150. 189 ff. 9 Einführung I S. 152 ff. 10 Die Stellvertretung S. 123 ff. 150 ff. "Durch Christus". Bund oder Verfügung? Christus u. die Caesaren. 243 farbenfrische Prozeßprotokolle, geradezu greifbar deutlich geworden K # Daß die viel mißdeutete, durch Adolph Schettler* in ihrer Eigenart und relativen Eindeutigkeit erkannte paulinische Formel durch Christus an mehreren Stellen vom Gedanken des Parakleten aus zu verstehen ist, sei dabei noch besonders hervorgehoben 8 . Man könnte noch lange über den Hintergrund neutestamentlicher Bildworte im hellenistischen Rechte reden; aber ich erstrebe hier keine Vollständigkeit, sondern begnüge mich, an einzelnen Beispielen 4 die Wichtigkeit der ganzen Sache aufgezeigt zu haben. Vielleicht die not- wendigste Untersuchung, die noch zu machen wäre, betrifft das von so vielen Fachgenossen ohne weiteres durch Bund übersetzte Wort diafo/jxr]. Wie die neuen Texte uns überhaupt das hellenistische Familien- und Erbrecht rekonstruieren helfen, so haben sie speziell unsere Kenntnis der helle- nistischen Testamente durch zahlreiche Originale auf Stein und Papyrus außerordentlich gefördert, und ich kann auf Grund eines großen Materials wohl sagen, daß kein Mensch in der Mittelmeerwelt des ersten Jahr- hunderts nach Christus auf den Gedanken kommen konnte, in dem Worte dia&Jjxri den Begriff Bund zu finden. Auch Paulus hätte es nicht getan, und er hat es nicht getan; das Wort bedeutet ihm, wie schon seiner griechischen Bibel Alten Testaments, einseitigeVerfügung, speziell Testament Und es handelt sich bei dieser Einzelfrage nicht um die Äußerlichkeit, was wir auf das Titelblatt unseres heiligen Buches schreiben sollen, Neues Testament oder Neuer Bund, sondern letztlich um die Riesenfrage aller Religionsgeschichte: Religion der Gnade oder Religion der Leistung? Es handelt sich um die Alternative, ob das paulinische Christentum augustinisch oder pelagianisch ist 5 . 9. Innig verwachsen mit den unteren Schichten durch Volkssprache und unliterarische Kultur, durch den Realismus der religiösen Bilderwelt, 1 Für Asien vgl. Dion Chrysostomos Or. 35i5 (von Arnim S. 335 f.). - Die Volks- tümlichkeit speziell des Wortes Paraklet wird vielleicht am besten durch die Tatsache illustriert, daß es ins Hebräische und Ara- mäische als Lehnwort überging. 2 Die paulinische Formel "Durch Chris- tus*, Tübingen 1907. 8 Vgl. schon oben S. 84 und Schettler S. 28 f. 4 Andere Beispiele habe ich früher ge- legentlich gegeben, vgl. die Notizen zur Adoption Neue Bibelstudien S. 66 f.; zur evictio und arrha Bibelstudien S. 100 f., Neue Bibelstudien S. 56; zu dyyaprito BSt. S. 81 f., d( la>fta S. 87 f., yiyeanrat S. 109 f. NBSt. S. 77 f., SUaios BSt. S. 112 f., tit rd övoua oben S. 83 f., tvrevfc BSt S. 117 f. 143, npdnreop BSt. S. 152, nqeo^teQOi BSt. S. 153 ff. NBSt. S. 60 ff., eis dtoryotv NBSt. S. 55 f., dxardyvioaros NBSt. S. 28 f., And- HQifiu NBSt. S. 85, ififiivto NBSt. S. 76 f., rd imßdlXov pipos NBSt. S. 57, inioxonoe NBSt. S. 57 f., npäyua NBSt. S. 60, in ovp- yüvov NBSt. S. 82 f., tfwoie NBSt. S. 95, XWQt&uai NBSt S. 67. Auch in Kap. II und III dieses Buches sind mehrere neue Beispiele gegeben. 5 Vgl. die Andeutungen in meiner kleinen Schrift "Die Hellenisierung des semitischen Monotheismus", Leipzig 1903 S. 175[15]. 16* 244 Kontraststimmung gegen den Caesarenkult. Unpolitische Stimmung. dunSi Volksmoral und Volksrecht, zeigt das Urchristentum in einer Gruppe seiner eigenartigsten Selbstzeugnisse aber auch eine Stimmung, die als Kontraststimmung gegen die Oberschicht aufgefaßt werden kann und als solche zweifellos auch gewirkt hat, obwohl sie ursprünglich weniger aus bewußt politischen oder sozialen Antipathieen stammt, als aus der cha- raktervollen Leidenschaft des keine Kompromisse duldenden monotheisti- schen Christuskultes. Ich meine die stark ausgeprägte Kontraststimmung gegen den Cäsarenkult. Insofern die religiöse Verehrung des Herrschers die letzte Krönung der Kultur der herrschenden Schicht ist 1 , bedeutet der Widerwille des Urchristentums gegen den Kaiserkult tatsächlich auch eine Abgrenzung nach oben hin, und im weiteren Verlauf verbindet er sich da und dort mit den im Judentum längst vorhanden gewesenen politischen und sozialen Instinkten der Unterdrückten. Politisch ist das älteste Christentum verhältnismäßig indifferent 2 ge- wesen, nicht als Christentum, sondern als Bewegung der Kleinen, deren Los durch das Imperium im ganzen zweifellos erleichtert worden war. Die in Palästina glimmende Glut des nationalen Hasses gegen die Fremden blieb im wesentlichen auf diesen Herd beschränkt und scheint die Anhänger Jesu in der ersten Zeit nicht ergriffen zu haben: ihre Gegner sind keine anderen, als seine Gegner, die Führer des eigenen Volkes, und die Hoffnung auf das nahende Reich Gottes ist gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten viel polemischer gestimmt als gegen die Römer. Auch Paulus, der trotz gelegentlicher Zusammenstöße mit römischen Beamten auf seinen Weltreisen den Segen der staatlichen Organisation wohl öfter an sich erfahren hat, als ihren lästigen Zwang, und der in seiner wichtigsten persönlichen Rechtsangelegenheit sein Bürgerrecht 3 geltend gemacht und an den Cäsar appelliert hat, kennt keine theore- tischen Schwierigkeiten in allen den politischen Kleinfragen, die den kleinen Mann angehen: Gebet und Ehrerbietung für die Obrigkeit sind ihm ebenso selbstverständlich wie das Bezahlen von Zoll und Steuer 4 . Es ist keine richtige Betrachtung, wenn man sagt, Paulus sei um seiner religiösen Endhoffnungen willen gegen die politischen Probleme in- 1 Vgl. die knappe, aber inhaltreiche Charakteristik des Kaiserkultes von U. von Wilamowitz-Moellendorff Geschichte der griechischen Religion, Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 1904 Frankfurt am Main, S. 23 ff. 2 Heinrich Weinel überschätzt in sei- ner sonst trefflichen Schrift "Die Stellung des Urchristentums zum Staat", Tübingen 1908 die politischen Antipathieen des äl- testen Christentums. 3 AGesch 22*7 Zum Ganzen vgl. Theo- dor Mommsen Die Rechtsverhältnisse des Apostels Paulus, Zeitschrift für die neutesta- mentliche Wissenschaft 2 (1901) S. 81 ff. 4 Wilckens Griechische Ostraka I mit ihrem Nachweis von 218 verschiedenen Arten von Abgaben sind ein großartiger Kommen- tar zu Rom 13?. Jesus. Paulus. Offenbarung Johannis. Die Dokumente des Caesarenkults. 245 different gewesen; wenn irgend etwas, dann wären die Endhoffnungen geeignet gewesen, den Apostel politisch zu interessieren. Vielmehr lagen politisches Interesse und politische Betätigung damals seiner Schicht im ganzen fern, und die verhältnismäßig starke politische Gleichgültigkeit des Paulus ist also nicht ein spezifisch urchristliches, sondern ein welt- lich-soziales Moment. Um so empfindlicher ist das Urchristentum dann freilich auf seinem eigensten Gebiete, auf das es seine ganze Leidenschaft konzentriert hat, dem religiösen: die Vergötterung der Cäsaren ist ihm von Anbeginn an ein Gräuel gewesen. Daß es mit dieser Antipathie ein mütterliches Erb- teil des monotheistischen Judentums übernommen hat, ist dabei sehr wahrscheinlich. Schon in dem feinen und ruhigen Worte Jesu, das den Cäsar und Gott nacheinander nennt, steht Gott an der Stelle, die ihm allein gebührt K Mit ungeheuerer Gewalt macht sich zwei Menschenalter später die religiöse Kontraststimmung, jetzt schon verstärkt durch den politischen Groll der Unterdrückten, in dem aus dem klassischen Lande des Kaiserkultes kommenden Buche der Offenbarung Johannis Luft. Diese Leidenschaft wäre historisch nicht zu begreifen, wenn nicht zwischen der stillen Würde jenes Jesuswortes und der vulkanischen Glut des Apokalyptikers Jahrzehnte lägen, die den von Anfang an vorhandenen religiösen Gegensatz zum Cäsarenkult stärker und stärker empfunden und dem christlichen Gewissen zuletzt mit untilgbarer Schrift eingeprägt hätten. Und dies ist wirklich so gewesen. Wir haben es früher bloß nicht gesehen, weil die literarischen Quellen der Kaiserzeit gerade an diesem Punkte besonders dürftig sind. Erst die neuen Texte, zu einem Teil selbst Originaldokumente des Cäsarenkultes, lassen uns die Stimmungen wieder ahnen, die schon zur Zeit der paulinischen Mission durch die Äußerungen des Herrscherkultes in den Gemütern derer ausgelöst wurden, die nichts hatten, als ihren Gott in Christus und ihr Gewissen. Man muß doch nicht denken, Paulus und seine Glaubensgenossen seien mit geschlossenen Augen durch die Welt gegangen, unberührt von dem, was damals in den großen Städten die Gemüter bewegte. Ich denke, auf diesen Blättern ist doch an manchen Beispielen gezeigt worden, wie sehr das Neue Testament ein Buch aus der Kaiserzeit ist. Wir können es zweifellos als etwas ganz Selbstverständliches ansehen, daß die Christen der frühen Kaiserzeit mit den Einrichtungen und Gewohnheiten, die das Cäsarentum gebracht hatte, vertraut gewesen sind. Diese Vertrautheit selbst an einem scheinbar entlegeneren Punkte zeigt beispielsweise die Offenbarung Johannis, wenn sie 13i6f. auf die durch die Papyri bekannt 1 Vgl. oben S. 178. 246 "Charagma". Die Kleinodien Christi. gewordene Sitte anspielt, auf Kaufbriefe und ähnliche Urkunden einen Stempel zu drücken, der den Namen und die Regierungsjahreszahl des Kaisers enthält und die vom Apokalyptiker gebrauchte Bezeichnung Cha- ragma führt. Die früher gegebenen Belege aus der Zeit von Augustus bis Trajan " erhalten eine willkommene Ergänzung durch die Kaiserstempel auf den Aktenstücken Berliner Griechische Urkunden Nr. 748, Faijüm, 48 nach Christus. Zur Veranschaulichung reproduziere ich 2 hier das die Größe der Vorlage wiedergebende Faksimile einer aus weichem Kalk- stein gefertigten Originalstempelplatte des Berliner Museums (Abbildung 42); die Legende, in Spiegelschrift, lautet: Abb. 42. Original-Kalksteinplatte eines Augustus-Stempels (Charagma), Aegypten, 5/6. n. Chr. ; jetzt im Berliner Museum. Mit Genehmigung der Generalverwaltung der Kgl. Museen. L Xs Kaiaapoa l Im Jahre 35 des Kaisar yfiayizor?) I Sekretariat^) Waren solche Äußerlichkeiten dem Volke bekannt, wie viel mehr die jedes monotheistische Gewissen zur stärksten Reaktion zwingende Kaiservergötterung mit ihrem gleißenden und farbenprächtigen Schatze hoher und höchster Kultworte ! Diese Kleinodien gehörten nicht auf eines Menschen Haupt! Und so recken sich aus dem verachteten Gewühl der Vielen und Unbekannten die harten und verschafften Hände der Heiligen in Christus empor, eignen sich vom Kronschatz der Cäsaren an, was er an alten und neuen Gottes-Insignien darbot, und schmücken damit ihren Gottessohn, zu welchem sie gehörten, weil er, bevor er über sie gesetzt wurde, bei ihnen gestanden hatte; der als Erniedrigter bei den Kleinen 1 Neue Bibelstudien S. 68-75, vgl. auclT | S. 76 und J. C. Naber ebenda S. 85 f. ;und WiLCKEN Archiv für Papyrusforschung f i 316 ff. 2 Vgl. Neue Bibelstudien S. 71. Polemischer Parallelismus. Kult und Recht "Gott". 247 und Niedrigen in Sklavengestalt gehorsam gelebt hatte, nach schmach- vollem Kreuzestod von Gott erhöht war und einen Namen erhalten hatte, der über allen Namen ist 1 . Das ist tatsächlich zu beobachten : der in die Mittelmeerwelt hinaus- tretende Christuskult zeigt schon frühe das Bestreben, die dieser Welt geläufigen und jetzt eben auf die vergötterten Kaiser übertragenen oder im Kaiserkult vielleicht auch neu geschaffenen Kultworte für Christus zu reservieren. So entsteht ein polemischer Parallelismus zwischen Kaiserkult und Christuskult, der auch da empfunden wird, wo die vom Christuskult bereits mitgebrachten Urworte aus den Schatzkammern der Septuaginta- bibel und des Evangeliums mit ähnlich- oder gleichklingenden solennen Begriffen des Kaiserkultes zusammentreffen. In vielen Fällen können wir diesen polemischen Parallelismus, der eine deutliche Weissagung auf die Jahrhunderte des Martyriums ist, durch sehr alte Zeugnisse belegen. In anderen Fällen taucht das dem urchrist- lichen Kultwort entsprechende Kaiserkultwort erst in späteren Texten auf, aber anders kann es bei dem trümmerhaften Zustande der Überlieferung doch wohl überhaupt nicht sein 2 . Daß in einigen Fällen eine polemische Stimmung gerade gegen den Kaiserkult nicht nachgewiesen werden kann, ist mir sicher; aber auch was zunächst nur zufällig nebeneinander stand, konnte nachmals im Volksempfinden starke Kontraststimmungen auslösen. Es kann nicht meine Aufgabe sein, das gesamte riesige Material auch nur in einer annähernden Vollständigkeit hier zusammenzutragen; nur um eine Auswahl charakteristischer Parallelismen kann es sich han- deln. Daß man dabei die Begriffe des Kaiserkultes nicht immer von den Begriffen des KaiserraÄfes trennen kann, werden Kundige mir zugeben; ist doch der Kaiserkult ein Bestandteil des Staatsrechtes gewesen. Eine gute Hilfe leistet uns die bereits oben 3 erwähnte Schrift von David Magie über den offiziellen Formelschatz der Kaiserzeit; das epi- graphische und papyrologische Material ist in ihr freilich bei weitem nicht vollständig verarbeitet; meine weitaus meisten Belege stammen aus eigener Lektüre der Texte. Ich beginne mit der Begriffsfamilie, die sich um das Wort &eö$ Gott gruppierte. Von irgendwelchen christlichen Entlehnungen aus der Kaiser- 1 Phil 26-ii. 1 Das Neue Testament kennt auch tech- nische Begriffe des Staatsrechtes seiner Zeit, die wir sonst zufällig erst später belegen können; das zeigt z.B. der Ausdruck ets rrjr ro€ Seßaarov Si&yratoiv für die Ent- scheidung des Augustus AGesch 25". 8id- yvmois ist technischer Ausdruck für das la- teinische cognitio, taucht so aber erst in einer stadtrömischen Inschrift vom Ende des zwei- ten nachchristlichen Jahrhunderts auf, In- scriptiones Graecae XIV Nr. 1072 (wie in der Apostelgeschichte mit dem Genitiv roü 2k- ßaoToU) in dem Titel inl . . Biayv&oetov roC EcßaoToe a . . cognitionibus Augusti. 8 S. 76. 248 "Gott". Die Zahl 616. Beispiele aus der Diadochen- und Kaiserzeit. kultsprache kann hier natürlich nicht die Rede sein, da Christuskult und Kaiserkult beide ihre Gottesprädikate dem Schatz der Vorzeit entnehmen. Aber die Goft-Wörter des Kaiserkultes lösten am ersten jene Kontrastempfin- dungen aus, und wie sie wegen ihres massenhaften Vorkommens jedem einfachen Christen bekannt waren, so brachten sie mit ihrer ganzen Unmiß- verständlichkeit auch die allerschlichtesten Seelen und gerade die aller- schlichtesten Seelen in die schwersten Gewissensnöte. Schon Paulus er- klärte es als eines der Zeichen des Antichrists, daß dieser sich als Gott proklamiere 1 . Wir können dabei alle feineren Nebenfragen, z. B. seit wann die Gottesprädikate dem noch lebenden Herrscher zuteil geworden sind, hier auf sich beruhen lassen, brauchen auch, da wir hier speziell den urchristlichen Stimmungen nachgehen, nur darauf hinzuweisen, daß das Problem dieses Kontrastes älter ist, als die Kaiserzeit: die Diadochen- kultur, die der Kaiserzeit alle wesentlichen Formen der Herrscherverehrung fertig übergibt, hatte jenes Problem genau so schon dem frommen Juden gestellt, dem etwa Seleukiden-Münzen 2 mit der den Königen beigelegten Legende Gott in die Hand fielen. Die Kaiserzeit verstärkte die Kontrast- empfindungen, da alle vorher den verschiedenen kleineren Herrschern zuteil gewordenen Prädikate jetzt auf den einen großen Herrscher konzen- triert wurden, und die oben 3 geäußerte Vermutung, daß die apoka- lyptische Zahl 616 Caesar Gott* bedeute, erscheint in diesem Zusammen- hange wohl als recht naheliegend. Einige Beispiele mögen zeigen, mit welcher Wucht jene Prädikate ein monotheistisches Gewissen treffen mußten. Der Rat von Ephesos in Gemeinschaft mit den anderen hellenischen Städten Asiens nannte schon den Diktator Caesar in einer offiziellen Inschrift 5 den von Ares und 1 2 Thess 24. 2 Ein Beispiel aus vielen: eine Münze der Stadt Arados in Phönizien mit der Le- gende BaaiXiafS drjftijTQiov &$ov Tfj(>oQ xal &eov gestiftet Die Doppelformel Gott und Heiland ist nach- mals im altchristlichen Gebrauch wichtig ge- worden. "Gott und Heiland". "Gott aus Gott". 249 Aphrodite stammenden offenbar gewordenen Gott und Allheiland des menschlichen Lebens. Eine Inschrift aus Soknopaiu Nesos im Faijüm vom 17. März 24 vor Christus * gibt dem Augustus den Titel Gott aus Gott, ^7 TBCA'MEAITINHN IEPAZAMEMHNTHINl KH$OPOYKAinOAlAAOE A0HNA£ENAO3:Q£fcAl$IA° TII^AS OYTATEFATl £ A M t iTO Y APO M EflXTUPAA#* ^HIANTOXtEPOYEEIZE .TlKQYZArilNAlAEKA^ jÄAflJfcßEOYAYrOYiTOY patpR^mKa^ °y k Ain a ' r AIAPXAfKRFK^OYPriAlEK TEAeiANTOEAlf^S&pTnEKAtfcA $ÜM JAI OYTATEFAI^Ssj^. ÖE A ^AYITElNHlKAienHi^^a TAYFOKAÖA* JNEniÄYOH M E K TO N HT? kA KAHM EMTOHK *"**& t a* * c * in o t"t tv k yflM*ou s?n ^ rA^KAlEKnrofoWÄHlErEIAK L^_ Abb. 43. Marmorsockel aus Pergamon mit Ehreninschrift für eine Athenepriesterin, Kaiserzeit; jetzt im Berliner Museum. Mit Genehmigung der Generalverwaltung der Kgl. Museen. die Kalenderinschrift von Priene| um 9 vor Christus (Abbildung 51) spricht von dem Geburtstage des Augustus einfach als dem Geburtstage des Gottes 1 , und, um auch einen sehr eigenartigen Beleg aus der Zeit des 1 Dittenberoer Orientis Graeci Inscrip- tiones Selectae Nr. 655 &co€ ix &tov. Diese Formel ist schon ptolemäisch (vgl. den Stein von Rosette zu Ehren des Ptolemaios V. Epiphanes ebenda Nr. 90io \>ndQ%cov &eds ix &eov xai &tä£ xa&dnep T fyoe 6 rrjs "lotoe xai 'Oolpioe vlö£ der da ist Gott aus Gott und Göttin, wie Moros der Isis und des Osiris Sohn) und gewinnt später im Christen- tum eine große Bedeutung. * Inschriften von Priene Nr. 10540 r. M yevid'Xios] ro<3 &eoü. 250 "Guter Gott". "Gottessohn". w U s c <* - 1 Paton und Hicks Nr. 92, vgl. Herzoo Koische Forschungen und Funde S. 196: dya&y &£w. Dieser Ausdruck ist sonst bis jetzt als Kaisertitel nicht belegt. * Vgl. oben S. 179 und 211. 8 Mark IOib - Luk I819 (vgl. Matth 19.7) oiSels dya&de et uij eis 6 &eöc. 4 Viele Belege aus einer einzigen Stadt gibt Thieme Die Inschriften von Magnesia am Mäander und das Neue Testament S. 28. 6 Die Inschriften von Pergamon Nr. 523. Das Faksimile (Abb. 43) reproduziere ich mit Paulus zu nennen: Nero heißt auf einer Weihinschrift * des schon öfter 2 genannten Gaios Stertinios Xenophon von Kos sogar guter Gott, womit man um der Kontrast- stimmung willen das klassisch evangelische Wort 3 Nie- mand ist gut, nur einer, Gott vergleichen möge. Wei- tere Belege für den Go#-Titel sind nicht notwendig; die Netze zerreißen, wenn man sie alle haben will 4 . Nur um durch Anschauung zu zeigen, wie das Kultwort einem jeden, der überhaupt lesen konnte, von den In- schriften her täglich in die Ohren gellte, gebe ich hier eine Inschrift der Kaiserzeit aus Pergamon 5 wieder (Ab- bildung 43), die in Zeile 10 einen Hymnoden des Gottes Augustos und in Zeile ut. eine Priesterin der Göttin Faustina (Gattin des Kaisers Marcus Aurelius) nennt. Über den Titel #eofl vlö$ Gottessohn habe ich bereits früher 6 gehandelt. Als ich damals mit einem befreundeten Bibliothekar die Tatsache besprach, daß Augustus 7 in massenhaften Inschriften und Papyri des griechischen Ostens Gottessohn heißt, meinte der klas- sisch gebildete Gelehrte mild lächelnd, das sei ganz bedeutungslos, "denn" es sei Übersetzung des latei- nischen divi filius. Ich glaube nicht, daß ein Christ aus den Versammlungen des Apostels Paulus über den Ausdruck gelächelt oder ihn für bedeutungslos ge- halten hätte 8 : die Predigt des Apostels Paulus von dem Gottessohn Jesus Christus hatte sein religiöses Gefühl so geschärft, daß er gegen die Schmückung eines anderen mit der heiligen Formel protestieren mußte. Neue Einzelbelege sind hier nicht nötig; ich gebe, wieder zur Veranschaulichung, nur zwei Inschriften. Fünf Bruchstücke einer Marmorbasis aus Pergamon 9 (Abbildung 44) tragen die dem Augustus noch zu seinen Lebzeiten gestiftete Ehreninschrift: gütiger Erlaubnis der Generalverwaltung der Kgl. Museen in Berlin. Vgl. auch Abb. 44. 6 Bibelstudien S. 166 f. 7 und, mit Einfügung des Namens des göttlichen Vaters, seine Nachfolger. 8 Vgl. U. von Wilamowitz-Moellen- dorff Jahrbuch des Freien Deutschen Hoch- stifts 1904 S. 24: "Es versteht niemand die Zeit oder den Mann [Augustus], der das divi filius als ein leeres Ornament oder als Lug betrachtet". 9 Die Inschriften von Pergamon Nr. 381. Inschriften aus Pergamon und Magnesia a. M. 251 [A4Tox$dT]o(>[a K]aJaaQa [&]foiJ vldv &e6r £eßaar6[v] [naoije] yi}\e x]ai d\a]Xaoor]S [f\7i[Ö7i]r{r}v\ [Den Selbstherrsch] er [KJaisar, den [GJottessohn, den Gott Sebastofs/, fjeglichenj Lande [s ujnd Mfejeres [Au/ffsejhfer]. 10 15 20 Abb. 45. Marmorplatte aus Magnesia am Mäander mit Weihinschrift für Nero, 50-54 n. Chr. ; Original in Magnesia, Gipsabguß im Berliner Museum. Mit Genehmigung der General- verwaltung der Kgl. Museen. In dieser Inschrift erinnert auch der Ehrentitel Aufseher an das gleiche Gottesprädikat des hellenistischen Judentums und Urchristentums *. Das Faksimile (Abb. 44) reproduziere ich mit Ermächtigung durch die Generalverwal- tung der Kgl. Museen in Berlin. 1 inönrrje von Gott: Esth 5i 2 Makk 339 7 35 3 Makk 2" und Clem. Rom. 1 Kor 59j. 252 "Göttlich". "Göttlichkeit". "Theologos". Dann ein Beispiel aus der Zeit des Apostels Paulus, eine Weih- inschrift für Nero auf einer Marmorplatte in Magnesia am Mäander i (Ab- bildung 45) aus der Zeit zwischen seiner Adoption durch Claudius und seiner Thronbesteigung (50 und 54 nach Christus); er wird in Zeile 3". Sohn des Größten unter den Göttern, des Klaudios Tiberlos usw. ge- nannt 2 . Das zur gleichen Bedeutungssippe gehörende Adjektiv &tlo$ göttlich ist durch die ganze Kaiserzeit, entsprechend dem lateinischen divtnus, eine recht häufige 3 Bezeichnung für kaiserlich und hat sich so fest in die Hofsprache eingenistet, daß es bis tief in die dem Gewissen des Ur- christentums ganz fern gerückte staatschristliche Zeit hinein vorkommt Nur einen Beleg aus der ältesten und einige aus der späteren und späte- sten Zeit 4 : die Kalenderinschrift von Priene um 9 vor Christus (Abbil- dung 50) spricht vom Geburtstage des Augustus des göttlichsten Kaisers *\ der Gebrauch geht durch die Jahrhunderte weiter, z. B. in den Wendungen 6 göttliche Gebote, göttliche Schriften, göttliche Gnade, und aus christ- licher Zeit haben wir allein im dritten Bande der Greek Papyri in the British Museum 7 zehn Urkunden, in denen der Kaiser unser göttlichster Herr 9 genannt wird: Justinian zweimal 558 und 561 nach Christus; Justin IL viermal 567, 568, 571, 576; Tiberius II. zweimal 582; Mauritius einmal 583; Heraklius einmal 633 n. Chr. ; ebenso steht in christlicher Zeit auch 9-eiörriq Göttlichkeit für des Kaisers Majestät 9 ; natürlich ist auch dies aus der alten Sakralsprache übernommen. In diesem Zusammenhang fällt vielleicht auch ein Licht auf den alten dem Apokalyptiker Johannes beigelegten Titel &€oX6yo$ Theolog. Die bekannte Erklärung, daß er so heiße, weil er die Gottheit des Logos ge- lehrt habe, ist so deutlich ein spätes doktrinäres Fündlein, daß sie nicht ernsthaft besprochen zu werden verdient. Viel eher ist an eine Herüber- nahme des Titels aus dem Kaiserkult zu denken: die Würde der in Ge- nossenschaften organisierten Theologen war im Kaiserkult Kleinasiens, gegen den ja die Apokalypse scharf protestiert, etwas ganz Gewöhnliches; 1 Die Inschriften von Magnesia am Mä- ander Nr. 157 b; das auf Tafel VIII stehende Faksimile (Abb. 45) reproduziere ich mit freundlicher Erlaubnis der Generalverwaltung der Kgl. Museen in Berlin. Der auf der Tafel linksstehende Text gehört einer an- deren Inschrift an. 2 rdv vldv rov ueylorov &etov Ttßepiov KXavSiov usw. Vgl. schon G. Thieme Die Inschriften von Magnesia am Mäander und das Neue Testament S. 33. 3 Ich begreife nicht, daß Maoie S. 31 das Wort ein selten gebrauchtes nennt. 4 Vgl. auch schon oben S. 57 und Neue Bibelstudien S. 45. 5 Inschriften von Priene Nr. 105" rov vhjordrov Kaioaoo{q\. 6 Vgl. unten sub irroXif, yodftftara- 7 Vgl. den Index des Bandes S. 333. 8 rov &eiordrov Jjp&r Beandxov, Der Superlativ steht noch wie unter Augustus. 9 Greek Papyri in the British Museum vol. II S. 273 Nr. 233 (345 n. Chr.), andere Belege bei E. A. Sophocles Greek Lexicon S. 572. Theologen und Hymnoden. Geschichte des Wortes "Herr". 253 ich habe die Stellen schon früher 1 notiert, und es ist von Wichtigkeit, daß es gerade Belege aus den apokalyptischen Städten Pergamon, Smyrna, Ephesos sind. Wenn man weiter beachtet, daß die Theologen des klein- asiatischen Kaiserkultes, die man sich wohl als die offiziellen Festprediger vorzustellen hat, oft zugleich Hymnoden 2 waren, so wird die Herüber- nahme des Titels noch verständlicher: Johannes der Theolog, der Herold 3 des wahren und alleinigen * Gottes, ist ja zugleich sein großer Hymnode, als Chorführer derer, die eine neue Ode* und die Ode des Moses, des Sklaven Gottes und die Ode des Lammes singen 6 . Am bedeutsamsten ist das frühe Einsetzen eines polemischen Paralle- lismus zwischen Christuskult und Cäsarenkult in der Anwendung des Begriffes xvQiog Herr. Hier haben die neuen Texte geradezu über- raschende Aufschlüsse gegeben 7 . Seither wußte man, daß Augustus und Tiberius den Titel Herr ver= schmäht hatten, weil er der römischen Auffassung vom Kaisertum als dem "Prinzipat" ins Gesicht schlug. Herr ist recht eigentlich orientalisch empfunden ; von Alters her sind die Könige des Ostens die Herren ihrer als Sklaven geltenden Untertanen. Diese Auffassung geht auch durch die orientalischen Religionen, die das Verhältnis der Gottheit zu ihrem Verehrer gern als das Verhältnis des Herrn oder, wie wir z. B. aus der Inschrift des Bettelpfaffen der Syrischen Göttin aus Kefr-Hauar lernen konnten 8 , der Herrin zum Sklaven ausdrücken. Das religionsgeschichtlich wichtigste Dokument hierfür ist zweifellos das Alte Testament, ganz besonders in seiner griechischen Über- 1 Neue Bibelstudien S. 58 f. Vgl. auch Wilhelm Weber Untersuchungen zur Ge- schichte des Kaisers Hadrianus S. 140 und 214. 2 Belege ebenda. Der griechische Aus- druck ist ü/uvtpdös Hymnensänger, vgl. z. B. Die Inschriften von Pergamon Nr. 523io oben Abb. 43. Sehr eingehende Mittei- lungen über die Funktion der Hymnoden gibt die Inschrift von Pergamon Nr. 374, die Max Fränkel vorzüglich erklärt hat und von der unten Abb. 48 und 49 zwei Teile faksimiliert sind. 3 Gottesherold ist vielleicht die beste Übersetzung des Wortes &eol6yos. Eine Er- innerung daran hat sich bei Johannes Chry- sostomos erhalten, der den Apokalyptiker &eoXöyov &foxrjpvxa Theologen Gottesherold nennt Orat. 36 (vgl. Suicerus Thesaurus Ecclesiasticus unter fooXöyos), ebenso ein Anonymus bei Boissonade Anecdota 5 S. 166 (zitiert im Thesaurus Oraecae Linguae unter &eo*rjQvl). Im Wort Theolog ist die prophetische Bedeutung die ursprüngliche; die bei uns vorwiegende doktrinäre ist die sekundäre. 4 Offenb Joh \b\ ist das allein von Jo- hannes in das alttestamentliche Zitat eingesetzt. 5 Offenb Joh 5* 143. 8 Offenb Joh 15s. Vgl. auch die vielen anderen hymnenartigen Partien der Offen- barung. 7 Ich habe die wesentlichen Linien der Geschichte dieses Begriffs bereits Die Christ- liche Welt 14 (1900) Sp. 291 angedeutet, vgl. auch Deutsche Literaturzeitung 27 (1906) Sp. 588 f. Ahnlich Lietzmann Handbuch zum N. T. III (1906) S. 53 ff. Vgl. auch Weinel Die Stellung des Urchristentums zum Staat S. 19. 8 Oben S. 73 f. Vgl. auch unten S. 255 die Inschrift vom Isistempel auf Philae. 254 Das semitische "Herr" in der heilenist.- röm. Welt. "Der Tisch des Herrn". tragung durch die Septuaginta, die in Anlehnung an die jüdische Sitte sogar den Gottesnamen Jahveh durch Herr ersetzt haben K Aber auch bis in zahlreiche Kulte der hellenistisch-römischen Welt finden wir Herr oder Herrin als Gottesnamen 2 ; der Herr Serapis, um nur ein einziges Beispiel herauszugreifen, begegnete uns in den Briefen des Soldaten Apion s und des verlorenen Sohnes Antonis Longos 4 . Man kann mit Sicherheit sagen, daß zur Zeit der Entstehung des Christentums Herr ein der ganzen östlichen Welt verständliches göttliches Prädikat gewesen ist. Das paulinische Bekenntnis Unser Herr Jesus Christus, das die Verweltlichung eines urchristlichen und von Paulus gelegentlich auch in der Welt noch gebrauchten aramäisch -heimatlichen Kultwortes 5 für den Messias Jesus ist, und der Komplementgedanke, daß die Kult- genossen die Sklaven* dieses Herrn sind, wurden im hellenistischen Osten von jedermann in ihrem Vollsinn verstanden und erleichterten die Aneignung der christlichen Kultsprache sehr. Man sieht das noch deut- licher, wenn man z. B. den paulinischen Ausdruck der Tisch des Herrn (Jesus Christus) 1 Kor IO21 neben den analogen ägyptischen, durch die Papyri 7 bekannt gewordenen Ausdruck die Tafel des Herrn Serapis stellt 8 . Es handelt sich hier um eine Parallele, schwerlich um eine Abhängig- keit. Denn der Ausdruck des Paulus ist höchst wahrscheinlich durch das griechische Alte Testament beeinflußt, vgl. Septuaginta Maleachi I7 u. 12 Ezechiel 39jo 44i"; wie auch die Wendung Tisch der Dämonen 1 Kor IO11 in Septuaginta Jesaia 65n einen Anknüpfungspunkt hatte. Andererseits ist wohl auch nicht anzunehmen, daß die Serapis-Formel abhängig ist von der paulinischen, obwohl es der Zeit nach nicht unmöglich wäre. Einst- weilen kann nur gesagt werden, daß beide Formeln nebeneinander ohne erkennbaren genealogischen Zusammenhang vorkommen. Was wir aus der ägyptischen Analogie lernen, ist dies, daß dem kultischen Sprach- gebrauch des antiken Christentums wieder an einem wichtigen Punkte ein Sprachgebrauch des antiken Heidentums entgegenkam. Paulus selbst hat ja, um seinen Korinthern das Wesen des christlichen Abendmahls zu 1 Über die Tragweite dieser Ersetzung vgl. meine kleine Schrift Die Hellenisierung des semitischen Monotheismus S. 173 [13] ff. 1 Ich verwies schon ebenda S. 174 [14] auf den Artikel Kyrios bei W. H. Röscher Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. 3 Oben S. 116 ff. und Abb. 22. * Oben S. 123 ff. und Abb. 23. 5 Marana - Unser Herr 1 Kor 16j". fl Diesen ebenfalls orientalisch - heimat- lichen Gedanken hat Paulus durch das Bild der sakralen Sklavenbefreiung der helle- nistischen Welt noch besonders angepaßt (vgl. oben S. 232 ff.). 7 The Oxyrhynchus Papyri Nr. HO und 523, 2. Jahrh. n. Chr., Einladungskarten zum Abendmahl an der Tafel [wörtlich dem Polster oder Diwan] des Herrn Serapis Semvfjaai. eis xlthtjv rov xvp/ov XaQ&mSoQ. Wilcken verweist auf Archiv 4 S. 211. Diese Einladungen sind zugleich eine treff- liche Illustration zu 1 Kor 10*7, vgl. Die Christliche Welt 18 (1904) Sp. 36 f. 8 Vgl. Die Christliche Welt 18 (1904) Sp. 37. Vom Prinzipat zum Dominat "Herr" als Königstitel. 255 verdeutlichen, auf die Analogie der heidnischen sakralen Mahle hinge- wiesen 1 Kor 1 Oi 9- 2t. Nun hat man früher gewöhnlich angenommen, daß die römischen Kaiser erst von Domitian ab Herr oder unser Herr genannt worden sind, also erst in nachpaulinischer Zeit. Und das mag richtig sein für Rom und das Abendland. Im Osten aber hat man, wie jetzt die Denkmäler lehren, schon bedeutend früher begonnen, die Cäsaren mit dem uralten Prädikate der heimatlichen Hofsprache Herr, das seinem Wesen nach einen sakralen Zug hatte, auszustatten. Der spätere Sieg des Dominates über den Prinzipat * , letztlich ein Sieg des Orients über das Römertum, kündet sich Jahrzehnte vorher deutlich an. Auch hier hatte bereits die hellenistische Kultur vorgearbeitet 2 , wenigstens in Ägypten. Wie schon dem Pharao gegenüber die Anrede üblich gewesen war O König, unser Herr*, so gibt ein Münchener Pa- pyrus als einen der ins Griechische übersetzten offiziellen Titel des Königs Ptolemaios IV. Philopator (221-205 vor Christus) Herr der Diademe*; denselben Titel legt der Stein von Rosette 5 dem Ptolemaios V. Epiphanes (205-181 vor Christus) bei. Noch bemerkenswerter aber ist es, wenn am 12. Mai des Jahres 62 vor Christus ein hoher ägyptischer Beamter in einer Inschrift an der Tür des Isistempels auf der Nilinsel Philae den Ptolemaios XIII. den Herrn König Gott nennt 6 , oder wenn in einer In- schrift aus Alexandrien vom Jahre 52 vor Christus die Mitregenten dieses Königs (Ptolemaios XIV. und Kleopatra) die Herren, die größten Götter heißen 7 . So kann es für Ägypten jedenfalls gar nicht fremdartig ge- klungen haben, wenn die ägyptischen Obersetzer des Alten Testaments das nicht seltene semitische Herr König der Vorlage einfach wörtlich über- setzten 8 ; das Semitische und das Ägyptische deckten sich hier, und es gehört mit zu dem früher bereits hervorgehobenen kulturellen Parallelis- mus zwischen Ägypten und Palästina, wenn wir denselben Titel auch in 1 d. h. der Sieg der staatsrechtlichen Auffassung, wonach der Cäsar der Herr ist, über die andere, wonach er der Erste ist. * Dies bestreitet Lietzmann a. a. O. S. 54 Mitte. 3 Vgl. U. Wilcken Zeitschrift für die ägyptische Sprache und Altertumskunde 35 (1897) S. 84. * xtpioe ßa[odeißv] vgl.WlLCKEN Archiv für Papyrusforschung 1 S. 481 ff. 5 Dittenberoer Orientis Graed Inscrip- tiones Selectae Nr. 90i. 6 Ebenda Nr. 186" ro€ xvqIov ßaod\£\o" d-coG. Vorher sagt er rfxa> npde r^v %[v]g(av y Iatv ich bin gekommen zur Herrin Isis, ein schöner Beleg für das Gottesprädikat Herrin (vgl. oben S. 253), aber noch wich- tiger als Analogon zu dem kultischen Ge- brauch von il*a> ich komme, vgl. den Sep- tuagintapsalter und Joh 637 n#de iui iff" er wird zu mir kommen. 7 Sitzungsberichte der Kgl. Preuß. Aka- demie der Wissenschaften zu Berlin 1902 S. 1096 röls xvpfots dsois fityloTote (vgl. da- selbst die Erklärung von U. von Wilamo- WTTZ-MOELLENDORFF). 8 xvpws ßaoiXeöe steht daher häufig bei den LXX einschließlich der Apokryphen. 256 "Herr" als früher Kaisertitel. Der Osten erobert den Westen. griechischen Inschriften Palästinas (und anderer Gegenden) den herodia- nischen Königen beigelegt finden 1 . Ägyptischem oder ägyptisch-semitischem Brauch entspricht es daher, wenn in zahlreichen griechischen Inschriften, Papyri und Ostraka der frühesten Kaiserzeit von Ägyptern und Syrern der Titel Herr den Cäsaren beigelegt wird. Eine Inschrift aus Abila in Syrien, die später auch den Herrn Kronos nennt, spricht von den Herren Augusti\ womit vielleicht schon Tiberius und seine Mutter Livia gemeint sind 3 . Von Caligula ist literarisch überliefert, daß er sogar sich die Anrede Herr gefallen ließ 4 . Eine ägyptische Urkunde vom Jahre 49 5 und ein Ostrakon aus Theben vom Jahre 54 6 nennen Claudius den Herrn. Für Nero den Herrn, also in der Zeit der wichtigsten Paulusbriefe, schnellt die Zahl der Belege mit einem Male gewaltig empor: allein Wilcken gibt in seinem Ostraka-Werk 27 Scherben, die nach Nero dem Herrn datiert sind, darunter die oben 7 faksimilierte vom 4. August 63 (Abbildung 9), und in meiner Ostraka-Sammlung befinden sich ebenfalls einige noch nicht publizierte neronische /(yr/os-Scherben. Ebenso treffen wir den Titel Herr für Nero in den Papyrusurkunden, von denen ein schönes Beispiel der oben 8 im Bild wiedergegebene Brief des Klein- bauers Harmiysis vom 24. Juli 66 ist (Abbildung 21): hier gebrauchen die unterzeichnenden Beamten den Titel dreimal. Sehr wichtig ist aber, daß wir unter Nero zum ersten Male auch in einer Inschrift Griechen- lands den Kyrios~T\it\ finden : auf der außerordentlich ergiebigen Marmor- tafel aus Akraiphiai in Boiotien 9 , die u. a. eine im November 67 von Nero in Korinth gehaltene Rede verewigt, nennt ihn ein Ehrendekret jener boiotischen Stadt einmal Herrn der ganzen Welt, dann aber, was m. E. wichtiger ist, kurzerhand den Herrn Augustus, und zwar werden ihm in dem Dekrete göttliche Ehren zuerkannt. Man sieht aus dieser bedeut- samen Inschrift: der Osten ist auf seinem Eroberungsmarsche in den Westen bereits weit vorgedrungen, und wie ein lebendes Bild zu dieser Inschrift und den durch sie erweckten Ahnungen können wir den Hul- digungszug des Perserkönigs Tiridates benutzen, der ein Jahr vorher, 1 Eine Anzahl von Beispielen bei Dit- tenberger Orientis Graeci Inscriptiones Se- lectae Nr. 415 (Herodes d. Gr.), 418 (41 n. Chr., Herodes Agrippa I), 423, 425, 426 (Herodes Agrippa II). 2 Ebenda Nr. 606 t&v kvqUov 2e[ßa- orßv). * So Schürer Geschichte des jüdischen Volkes I 1 S. 603 und Caonat Inscriptiones Graecae ad res Romanas pertinentes zu Nr. 1086. * Aur. Vict. Ca es. 3, vgl. Christoph Schoener Ueber die Titulaturen der rö- mischen Kaiser, Acta Seminarii Philologici Erlangensis 2 (1881) S. 476. 5 The Oxyrhynchus Papyri Nr. 37s r 6 Wilcken Griechische Ostraka Nr. 1038. 7 S. 70. 8 S. 112. 9 Am bequemsten bei Dittenberoer Sylloge* Nr. 376ji 6 to€ navxös *6opov xd- qioi Nipafr] &6 tov xvpiov Sfßaorov \Ni- ptovos]. Tiridates. Lukas als Kenner der Kaiserzeit. Jüdische Märtyrer des einen Herrn. 257 66 n. Chr. , aus dem Osten nach Italien zu Nero gezogen war und ihm in Neapel als dem Herrn und in Rom als dem Gott gehuldigt hatte *. Auch daß ein guter Kenner dieser Zeit innerhalb des Neuen Testa- ments 4 den Prokurator Festus vom Kaiser Nero kurzerband als von dem Herrn sprechen läßt, gewinnt in diesem Zusammenhang seine volle Bedeutung, und die früher von manchen Exegeten des Lukas, die an ihren schwäbischen und märkischen Schreibtischen das Zeitalter besser zu kennen wähnten, bezweifelte Kleinigkeit erscheint als durchaus glaubhaft. Weitere Belege für den Kyrios- Titel aus der Zeit bis Domitian könnten leicht gegeben werden, namentlich aus den Ostraka 3 , aber sie sind nicht notwendig: für unseren Zweck genügt es, daß wir uns den Stand der Dinge in der Zeit Neros und des Apostels Paulus vergegen- wärtigen. Und da werden wir der Vermutung nicht ausweichen können, daß die Christen des Ostens, wenn sie den Apostel im Sinne von Phil 2q. ii 4 und 1 Kor 85. e 5 predigen hörten, in dem feierlichen Bekenntnis, daß Jesus Christus der Herr sei, einen stillen Protest gegen andere "Herren", ja gegen "den Herrn", wie man den römischen Cäsar zu nennen anfing, gefunden haben. Und Paulus selbst wird diesen stillen Protest empfunden und beabsichtigt haben, so gut wie die Judasepistel 4, die Jesum Christum "unseren alleinigen Gebieter und Herrn" 6 nennt. Wenige Jahre später, bald nach der Zerstörung Jerusalems, haben jüdische Rebellen in Ägypten, wie Josephus 7 berichtet (doppelt glaubhaft, wenn man den ägyptischen Gebrauch des Herrn- Titels in dieser Zeit kennt), sich geweigert, den Cäsar Herrn zu nennen, weil sie Gott allein für den Herrn hielten, und sind als Märtyrer gestorben, Männer und Knaben. Loderte in denen, die Jerusalem lieb hatten, vor der Katastrophe des Jahres 70 auch nicht der Schmerz und Groll jener Verzweifelten, so waren Paulus und die Seinen doch eins mit ihnen in dem religiösen Protest gegen die Cäsarenvergötterung. Und hundert Jahre später führte das christliche exklusive Bekenntnis Unser Herr Jesus Christus, das einem römischen Beamten staatsgefährlich klingen mußte (von Domitian ab taucht auch für die Cäsaren das Unser Herr auf 8 ), zu christlichen 1 Albrecht Dieterich Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 3 ( 1902 1 S.9ff. hat in diesem von Dio Cassius u. a. erzählten Huldigungszug eines der Motive der evange- lischen Geschichte von der Magierhuldigung erkannt. 2 Lukas AGesch 25*6. 3 In meiner Sammlung sind z. B. einige Vespasian-Scherben mit dem Titel Kyrios. 4 Gott hat Jesu Christo einen Namen (= Kyrios) gegeben, der über jeglichen Namen ist . . . und jegliche Zunge soll be- Deissmann Licht vom Osten. kennen, daß Jesus Christus der Herr (Ky- rios) ist. 8 . . . Wie es ja viele "Götter* und viele "Herren* gibt; aber für uns gibt es nur Einen Gott . , . und nur Einen Herrn Jesus Christus. 6 rdv fiövov SeonÖTTiv xai xÜQtov fju&v. 7 Jüdischer Krieg VII lft. 8 Alfr. Fincke De appellationibus Cae- sarum honorificis et adulatoriis, Diss. Regi- monti Pr. [1867] S. 31 f. 17 258 . Polykarpos und der Scilitanische Märtyrer Speratus. "Despotes". xvftaxde. Martyrien: schon bei Polykarpos in Smyrna im Jahre 155 handelte es sich um die Herr- Formel: Was ist denn Schlimmes dabei, zu sagen "Herr Caesar*? fragen ihn verführerisch der Eirenarch Herodes und dessen Vater Niketes 1 ; noch plastischer ist die Szene, die sich am 17. Juli 180 in Karthago vor dem Richterstuhl des Prokonsuls P. Vigellius Saturninus abspielte 2 : der römische Beamte fordert den Christen Speratus aus Scili (Scilli) in Numidien auf 3 : Schwöre beim Genius unseres Herrn des Herrschers!, und der Christ antwortet: Ich kenne kein Imperium dieses Weltalters, . . . ich kenne meinen Herrn, den König der Könige und den Herrscher über alle Völker 4 Daß noch in staatschristlicher Zeit der alte polemische Parallelismus empfunden wurde, zeigt vielleicht die Tatsache, daß die christlichen Kaiser den Titel Herr zwar nicht fallen ließen, aber oft ein anderes griechisches Wort wählten: das Wort Kyrios tritt in den griechischen Kaisertitula- turen der Papyri aus christlicher Zeit in ganz auffallender Weise hinter dem schon gegen Ende des dritten Jahrhunderts auftauchenden 5 Titel Despotes zurück, als wollte man Kyrios dem himmlischen Herrn re- servieren. Wenn heute in den Kirchengebeten unserer Agenden der Titel Unser Herr friedlich nacheinander dem Heiland und dem Staatsoberhaupte bei- gelegt wird, so ahnt wohl niemand, was alles hinter diesem Titel liegt: daß es Zeiten gegeben hat, in denen die Ernstesten unter den Christen sich lieber hinrichten ließen, als daß sie das göttliche Prädikat ihres Hei- landes auf einen Menschen übertrugen. Noch frappanter als im Gebrauch des Substantivums zeigt sich der Parallelismus zwischen der Sprache des Christuskultes und dem offiziellen Wortschatz des Kaiserrechtes an dem Adjektivum xvqhzxös zum Herrn gehörend, Herrn-. Jedem Leser des Neuen Testaments aus 1 Kor Ihn und Offenb Joh lio geläufig, wo es in den Verbindungen Herrnmahl (d. h. heiliges Abendmahl) und Herrntag (d. h. wohl 6 schon Sonntag) 1 Martyrium Polycarpi 8" ti ydp xaxöv icnv sinctv' xöpwe Katoap; Außerordent- lich charakteristisch für die Kontraststimmung der Christen ist das Datum dieses Martyriums (c. 21): Monat, Tag, Stunde, Angabe des Hohepriestertums und Prokonsulates und dann an der Stelle, wo man das Kaiserjahr er- wartet: ßaodevovToe $1 rts Toits ctf&vas */i]Oo$ Xpiorov q* 1} &J|a, ripi}, /ueyaXcoativrj, &pö- poe alwtiot &nö yereäe fie yeit&v Aurjv' unter der ewigen Regierung Jesu Christi, welchem ist die Herrlichkeit Ehre, Größe und ein ewiger Thron von Geschlecht zu Geschlecht. Amen! 2 Passio Sanctorum Scilitanorum, bei R. Knopf Ausgewählte Märtyreracten S. 34 f. Zitiert in diesem Zusammenhang von Lietz- mann S. 55. 3 iura per genium domni nostri im- peratoris. 4 ego imperium huius seculi non cog- nosco f . . . cognosco domnum meum, regem regum et imperatorem omnium gentium. 5 Vgl. Wilcken Archiv für Papyrus- forschung 4 S. 260. 6 Es könnte hier allenfalls auch der alt- testamentliche Tag des Herrn gemeint sein. Aber später kommt der Ausdruck oft vom Sonntag vor. xvpiaxde im Staatsrecht. Gebrauch. Methodologisches. Ein Statthalteredikt. 259 vorkommt, kann es jedenfalls als ein sehr charakteristisches Wort der urchristlichen Kultsprache bezeichnet werden, und es galt früher als ein spezifisch biblisches und kirchliches Wort, ja bei Einigen als eine Neu- bildung des Apostels Paulus. Aber Paulus hat es tatsächlich aus dem staatsrechtlichen Sprachgebrauche seiner Zeit, in dem es die Bedeutung kaiserlich hatte, übernommen. Ich habe bereits früher 1 gezeigt, daß das Wort nach dem Ausweis der Papyri und Inschriften in Ägypten und Klein- asien während der Kaiserzeit in bestimmten Verbindungen , z. B. Herrn- kasse - kaiserliche Kasse, Herrndienst (= kaiserlicher Dienst) häufig ist, und könnte jetzt die Zahl der Belege vom zweiten nachchristlichen Jahr- hundert ab vielleicht vervierfachen. Statt dessen möchte ich jedoch wegen seiner außergewöhnlichen Wichtigkeit lieber den ältesten bis jetzt bekannten Beleg im offiziellen Sprachgebrauch der Kaiserzeit im Bilde (Abbildung 46) vorführen: das Edikt des Präfekten von Ägypten Ti. Julios Alexandras vom 6. Juli des Jahres 68 nach Christus, inschriftlich erhalten auf der Mauer des Propy- lons eines Tempels zu El-Khargeh in der Großen Oase 2 . In diesem Edikt gebraucht der hohe römische Beamte, übrigens ein Jude wie Paulus, das Wort xvqiccxöq zweimal: in Zeile 13 spricht er von den kaiserlichen Finanzen* und in Zeile is von der kaiserlichen Kasse. 4 Die Stellen sind in methodologischer Hinsicht überaus lehrreich: die- jenigen Gelehrten, die an eine Hertibernahme weltlicher Wörter in den christlichen Kultgebrauch bloß dann glauben, wenn man ihnen vorchrist- liche Stellen vorlegt 5 , werden hier doch wohl nicht ernsthaft behaupten wollen, der Präfekt von Ägypten habe das merkwürdige Wort, das er einige Jahre nach Paulus gebraucht, dem Christentum entlehnt und in seinen eigenen staatsrechtlichen Formelschatz neu eingeführt. Vielmehr liegt die Sache so, daß das vermutlich ältere hellenistische (vielleicht ägyptisch - hellenistische) 6 Wort xvQiaxög als technischer Ausdruck des Staatsrechtes bereits vor Paulus üblich war, zufällig aber für uns im 1 Neue Bibelstudien S. 44; für die beiden Fehler in der Schreibung der Ortsnamen am Schluß von Absatz 1 bin ich nicht verant- wortlich. Es ist natürlich "Aphrodisias" und "Thyateira" zu lesen. 2 Die beste Ausgabe gibt jetzt Ditten- beroer Orientis Graeci Inscriptiones Selectae Nr. 669, daselbst alle weitere Literatur. Die Photographie der bedeutsamen Inschrift ist Professor Moritz in Kairo zu verdanken. Ein nach ihr gefertigtes Diapositiv der Zeilen 1- ie, das ich durch gütige Vermittlung Wilckens von F. W. Freiherrn von Bissino erhalten habe, ist zur Herstellung unserer Abbildung 46 verwandt worden. Von der Rieseninschrift kann hier nur eine starke Verkleinerung ge- geben werden; mit der Lupe können aber auch Ungeübte den Text hier im ganzen wohl einigermaßen kontrollieren. 3 ratq xvpiaxate ytjyoie, vgl. WlLCKEN Archiv für Papyrusforschung 4 S. 240. 4 rdv xvQiaxdv löyop. 6 Vgl. oben S. 47. 6 Vgl. den ägyptisch-hellenistischen Ge- brauch desSubstantivums xvpioe in der Sakra 1- sprache oben S. 255 f. 17* 260 Das Edikt des Ti. Julios Alexandras vom Jahre 68 n. Chr. staatsrechtlichen Gebrauche erst auftaucht, nachdem Paulus es schon in die christliche Kultsprache übergeführt hatte. & 6 & 8 " In der Zeile 3 derselben Inschrift bezeichnet der Stratege der Großen Oase Julios Demetrios, der das Edikt des Statthalters zu publizieren hat, den Tag der Publikation (den 1. Phaophi - 28. September 68 nach Christus) mit einem Namen, der in unserem Zusammenhang ebenfalls beachtet Der Sebaste-Tag. Kaisertag und "Königstag". Der "Herrn-Tag". 261 werden muß: Iulia Sebaste. l In der kürzeren Form Sebaste kommt dieser Tagesname in der Kaiserzeit sehr häufig vor, und zwar sowohl in Ägypten, wie in Kleinasien. Obwohl nun alle Probleme, die der erst aus den neuen Texten bekannt gewordene Tagesname aufgibt, noch nicht gelöst sind, kann doch mit Sicherheit gesagt werden, daß er irgendwie Kaiser- tag bedeutet, d. h. daß zu Ehren des Kaisers ein bestimmter Monats- tag 2 den Namen Sebaste erhalten hat. Ich habe bereits früher 3 die Belege, die ich damals kannte, zusammengestellt und diesen Tagesnamen, der jedenfalls auch nach hellenistischem Vorbild 4 geschaffen worden ist, als eine Analogie zu dem urchristlichen Namen für den Sonntag Herrn- tag bezeichnet. * Je mehr ich aber diese Einzelheit in den Zusammen- hang des großen Themas "Christus und die Cäsaren" stelle, um so mehr rechne ich mit der Möglichkeit, daß die Auszeichnung des urchristlichen JMP Abb. 47. Ostrakon, Theben, von einem Sebaste-Tag August- September 33 n. Chr., Quittung Ober Damm- und Badsteuer; jetzt in der Sammlung Deissmann. Herrntags mit bewußten Kontrastempfindungen gegen den Cäsarenkult und seinen Kaisertag zusammenhängt. Daß der Sebaste-Tag, obwohl wir ihn aus der Literatur überhaupt 1 'lovliq Zeßaarfji. Wilcken Griechische Ostraka 1 S. 813 hält es für möglich, daß der Ausdruck hier nicht Tagesbezeichnung ist. 2 Oder bestimmte Monatstage? Oder (später) gar ein bestimmter Wochentag?? 3 Neue Bibelstudien S. 45 f. und Ency- clopaedia Biblica 3 Sp. 2815 f. Dort auch wei- tere Literatur, zu der hauptsächlich Wilcken Griechische Ostraka 1 S. 812f. und H. Dessau Hermes 35 (1900) S. 333 f. hinzukommen; vgl. auch Thieme Die Inschriften von Magnesia am Mäander und das Neue Testament S. 15 f. 4 Vgl. den Königstag in der Ptolemäer- zeit, Encyclopaedia Biblica 3 Sp. 2815 f. 5 Zustimmend hierzu äußerte sich E. Schürer Zeitschrift für die neutestamentl. Wissenschaft 6 (1905) S. 2. A. Thumb Zeit- schrift für Deutsche Wortforschung 1 (1900) S. 165 und Archiv für Papyrusforschung 2 S. 424 trifft mit meiner Vermutung zusammen. 262 Dokumente des Kaisertags. Ein Ostrakon aus Theben. Inschriften aus Kleinasien. nicht kannten, kein gelegentlicher "adulatorischer" " Einfall, sondern eine gerade in der Entstehungszeit des Christentums bis tief in die unteren Schichten bekannte Einrichtung des Ostens gewesen ist, zeigen namentlich die Ostraka. Schon Wilcken 2 konnte sieben Scherben aus den Jahren 15-44 nach Christus zusammenstellen, die nach dem Sebaste-Tag datiert sind; in meiner eigenen Sammlung besitze ich ein achtes Exemplar, aus Theben, Ende August oder September 33 nach Christus (Abbildung 47), das mir Wilcken entziffert hat; als Dokument von der Hand eines einfachen Trapeziten mag es zur Ergänzung der Oaseninschrift des hohen Beamten dienen: Siayiy^a{tp€v) 1 i)poe UepudptoQ ^7i(ip) %m(uar"xo 3 * "" 7 2* * a * Te * ioüi(a>v) 7ipoo3(iaypay6u8pa) *f - 8 £ * • L 2 * Tißeqlov Kaiaapoe -eßaorov prjvde Ztßaoxoi) Seßaorrjt. IIeTef**{v& der König ist. Im hellenistischen Osten, der durch die Könige der Diadochenzeit seine Signatur erhalten hatte, blieb König ein sehr volkstümlicher Aus- 1 Neue Bibelstudien S. 46. ¦ 7 Sueton. Domit. 13 dominus et deus * 1 Kor 16 i.t. I noster. Weitere Belege bei SchoenerS. 476 f. 3 Joh 20i8. , und Harnack Lehrbuch der Dogmenge- 4 Vgl. z. B. Ps 85 [86|u 87 [88]". schichte I*. Freiburg i. B. 1888 S. 159. 6 S. 249. to> &ewt xai xvptco Zoxro- | 8 Inscriptiones Antiquae Orae Septen- naicoi. ; trionalis Ponti Euxini Graecae et Latinae ed. 6 Vgl. Berliner Philologische Wochen- | Latyschev IV Nr. 7h f.: töv \&c\6v äfi&v schrift 21 ( 1901) Sp. 475 . deo domino Saturno. ' xai Seanörav. "Königliches Gesetz". "König der Könige . "Heiland* 265 druck ¦, der auch auf den römischen Kaiser übertragen wurde, wie bereits das Neue Testament 2 lehren konnte. Wie stark schon im Zeitalter der Johannesapokalypse bei dem Bekenntnis zum Königtum Jesu polemische Gedanken gegen die Cäsaren in Mitschwingung gerieten, hat Weinel j kürzlich gezeigt; am deutlichsten ist vielleicht die apokalyptische Formel 4 Herr der Herren und König der Könige. Der Titel König der Könige 5 , von Hause aus uraltorientalisches Geschmeide wirklicher Großkönige und auch göttliches Prädikat 6 , bekannt besonders als Titel der Achämeniden, legte sich den Christen nicht bloß deshalb nahe, weil er bereits in der griechischen Bibel 7 Gott beigelegt worden war, sondern auch weil er nach dem Ausweis der Münzen und der Inschriften noch im Zeitalter der Religionswende z. B. von Fürsten Armeniens 8 , des Bosporanischen Reiches 9 und Palmyras 10 wirklich geführt worden ist. Man könnte den Parallelismus zwischen der christlichen Kultsprache und den Formeln des Kaiserrechtes und Kaiserkultes an vielen zum Hof- staat des Begriffes König gehörenden Einzelwörtern 11 nachweisen; ich möchte aber bloß die charakteristischen Grundlinien hervorheben und ver- zichte daher hier auf die Einzelheiten. Besonders deutlich ist der Parallelismus, der sich im Gebrauche des Kultwortes ocoxijq Heiland zeigt; ich kann hier einfach auf treffliche Ar- 1 Der Ausdruck vö/uos ßaodixos könig- liches Gesetz Jak 2s kommt auch in dem technischen Gebrauch der Umwelt vor: das in der Zeit Trajans eingemeißelte, aber aus vorchristlicher Zeit stammende Gesetz über die Astynomie in Pergamon trägt die wohl vom Stifter der Inschrift in der Zeit Hadrians formulierte Überschrift rdv ßaadtxdv röjuoy ix x&v tSloiv &vi&r\xtv er hat das könig- liche Gesetz aus eigenen Mitteln aufge- stellt; vgl. Athenische Mitteilungen 27(1902) S. 48 ff. ; ich sah das Original in Pergamon am Karfreitag 1906. Königlich heißt das Ge- setz, weil es von einem der pergamenischen Könige erlassen ist. So wird man auch in der Jakobusepistel den Ausdruck zunächst wohl von der Herkunft des Gesetzes ver- stehen. 8 1 Tim 2% 1 Petri 2n. Zahlreiche in- schriftliche und andere Belege bei Maoie S.62. 3 Die Stellung des Urchristentums zum Staat S. 19. 21 f. 50ff. * Offenb Joh 17u 19ie. Vgl. auch das Bekenntnis des Märtyrers Speratus oben S. 258. 6 ßaodivs ßaoiUüir. 6 Vgl. Otto Pfleiderer Das Christus- | bild des urchristlichen Glaubens in religions- I geschichtlicher Beleuchtung, Berlin 1903, ' S.95ff. 7 2 Makk 134 3 Makk 5 35 . 8 Ein Tigranes hat ihn in seinen Münzen von 83-69 v. Chr. mitunter, Wochenschrift für klassische Philologie 20 (1903) Sp. 218. tt Inscriptiones Antiquae Orae Septen- trionalis Ponti Euxini ed. Latyschev IV Nr. 200; 202 (wahrscheinlich Sauromatesl. 93-123 n.Chr.); II Nr. 27; 358. 10 Der zweite Sohn der Zenobia Septi- mius Herodianus hat den Titel auf einer In- schrift von Palmyra bei Lidzbarski Ephe- meris für semitische Epigraphik 1 S. 85. 11 Z. B. igovofa, xpdroe, frgtte, dvvauis, usyaXeiÖTije f &([iapiß&6u> 1 Xdunco ) 8ö£a, rturj, %&$iS, SoQed, (fiXavd'Qcanla, dperrj, altbvioi. Vgl. schon Bibelstudien S. 277 ff. die Parallele zwischen 2 Petri In ewige Königsherr sdiaft unseres Herrn und Heilands Jesus Christus und dem Ausdruck der karischen Inschrift Corpus Inscriptionum Graecarum Nr. 2715a, b (Stratonikeia, frühste Kaiserzeit) ewige Herr- schaft der Herren Römer. Material auch bei Thieme Die Inschriften von Magnesia am Mäander und das N. T. 266 -Weltheiland". "Hoherpriester". "Evangelium". beiten von Harnack 1 und Wendland 2 verweisen und hebe nur eines hervor. Aus dem reichen von Magie " gesammelten Material geht hervor, daß der volle Ehrentitel Weltheiland, mit dem Johannes 4 den Meister schmückt, in mannigfacher Variation des griechischen Ausdruckes * in In- schriften des hellenistischen Ostens dem Julius Caesar, Augustus, Clau- dius, Vespasianus, Titus, Traianus, Hadrianus und anderen Kaisern bei- gelegt wird 8 . Namentlich für Hadrianus ist speziell der johanneische Ausdruck 4 in den Inschriften häufig \ und es liegt nur in der Konsequenz des Parallelismus zwischen Christus- und Cäsarenkult, wenn ein durch die Papyri bekannt gewordenes vielleicht zu Ehren des Kaisers Hadrianus neu geschaffenes, auf dessen Titel Weltheiland anspielendes Adjektivum otüoixöofuog 8 weltheilend, weltrettend viele Jahrhunderte später im christ- lichen Sprachgebrauch christianisiert auftaucht. 9 Daß auch ein innerhalb des Urchristentums sicher aus den Voraus- setzungen des Judentums geschaffenes Kultwort draußen in der Welt wie von selbst in jene Parallelität trat, zeigt die durch die Hebräerepistel ein- geführte Würdigung Christi als des dQxieQtvq, des Hohenpriesters. Mit diesem griechischen Wort drückte man, wie besonders zahlreiche In- schriften 10 gelehrt haben, im Osten den von den Kaisern geführten Titel pontifex maximus aus. Aber der Parallelismus besteht nicht bloß bei den sakralen Titula- turen; er geht weiter. Wir können jetzt durch zwei Belege zeigen, daß das Wort siayyiXiov Evangelium, Freudenbotschaft, das in profaner Be- deutung von guten Botschaften bereits im vorchristlichen Sprachgebrauch üblich war und dann ein urchristliches Kultwort ersten Ranges geworden ist, auch im sakralen Gebrauch des Kaiserkultes angewandt worden ist. Der eine Beleg ist die bereits zweimal erwähnte * l Kalenderinschrift von Priene aus der Zeit um 9 vor Christus. Von den deutschen Archäologen in der Nordhalle des Marktplatzes von Priene auf zwei ungleichartigen Steinen entdeckt, von Theodor Mommsen und Ulrich von Wilamowitz- Moellendorff mit verwandten anderen Steinen zuerst publiziert und 1 Der Heiland, Die Christliche Welt 14 (1900) Nr. 2; jetzt Reden und Aufsätze 1, Gieszen 1904, S. 307 ff. • SQTHP, Zeitschrift für die neutesta- mentliche Wissenschaft 5 (1904) S. 335 ff. 3 S. 67 f. 4 Ev Joh 442 1 Joh 4i4 atwrijf rov xöauov. Geschichte des Kaisers Hadrianus S. 225. 226. 229. 8 Weber ebenda S. 241 und S. 250, Ke- nyon Archiv für Papyrusforschung 2 S. 70 ff., besonders S. 73 und 75. Es handelt sich um den Namen eines Demos der von Hadrianus gegründeten Stadt Antinoe* in Ägypten. 5 atuvfj^ rfjs (öXye) oixov t uivrjs 9 ocot^q | 9 Vgl. das Lexikon von E. A. SoPHOCLES tuv xöajuov usw. I sub afoaixdajutoe (und oa>oUoouoi, und den c Zur Verbindung Gott und Heiland ' Thesaurus Graecae Linguae sub atooUoonos\ vgl. oben S. 248. . 10 Material bei Magie S. 64. 7 Wilhelm Weber Untersuchungen zur I " Oben S. 249 u. 252. "Evangelium" in der Kalenderinschrift von Priene u. einem ägypt. Brief. 267 kommentiert * , ist diese jetzt im Berliner Museum befindliche, Urkunden zur Einführung des asianischen Kalenders enthaltende Inschrift von Adolf Harnack 2 und Paul Wendland s in ihrer großen Bedeutung für die Ge- schichte der kleinasiatischen Sakralsprache bereits gewürdigt worden; Harnack gab auch eine deutsche Übersetzung der wichtigsten Zeilen 4 . Der gütigen Vermittlung H. Winnefelds verdanke ich die Photographie der Zeilen 1- eo, nach der mit Genehmigung der Generalverwaltung der Kgl. Museen unsere Abbildungen 50 und 51 in über vierfacher Verklei- nerung der Originalgröße hergestellt sind, m. W. das erste zur Veröffent- lichung gelangende Faksimile der bedeutsamen Texte 5 . Hier finden wir in Zeile 4v 1} yni&lios] \ roü &eoti. für die Welt der Anfang der Dinge, die um seinetwillen Freudenbotschaften] sind. Aber noch zweiundeinhalbes Jahrhundert später hören wir das Echo dieses festlichen Posaunenklanges, wenn aus Anlaß der Freudenbotschaft von der Ernennung des G. Julius Verus Maximus zum Cäsar ein Ägypter (wohl ein höherer Beamter) an einen anderen einen Brief schreibt, der auf einem Papyrusfragment der Berliner Königlichen Bibliothek 6 erhalten ist und zur Veranstaltung einer Götterprozession auffordert. Das Blatt lautet: incl yv[)oT[r}i iyevöurjv roÜ] evavyelliolv 1 nepi ro€ Arrj- yopetiofrai Kaioaqa xöv rov &60fll£OTdrOV xvoiov 5 ij t u&v AüroxQ&TopoC Kala a$ os Talov 'Iovllov Oörfpov Ma£ip(vov EtioeßoQi Evxv%oO* 2eß[aaro\0 nalSa rdiov 'Iovhov OöijQov M&£ivov SeßaoTÖv, 10 XPV9 Ttitit&tare f ras &eds xtoud^eod'at. SV' [o)$v eldrjs xai 7iaparti%ijG I Da [zu meiner Kenntnis gebradit wor- den ist] die Freudenbotsdi[af]t t daß zum Kaisar ausgerufen worden ist unseres gottgeliebtesten Herrn, des Selbstherrsdiers Kaisar Gaios Julios Veros Maximinos des Frommen Gluckseligen Augfustujs Sohn Gaios lulios Veros Maximos Augustus, so ist es notwendig, Verehrtester, die Göttinnenprozession abzuhalten. Da- mit Du [n]un orientiert bist und dabei sein kannst hier bricht der Papyrus ab 1 Athenische Mitteilungen 24 (1899) S. 275 ff. 2 Als die Zeit erfüllet war, Die Christ- liche Welt 13 (1899) Nr. 51; jetzt Reden und Aufsätze 1 S. 301 ff. 3 Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 5 U904) S. 335 ff. 4 Den griechischen Text findet man jetzt am bequemsten bei Dittenberoer Orientis Graeci Inscriptiones Selectae Nr. 458 und In- schriften von Priene Nr. 105. 5 Die ganze Inschrift umfaßt 84 Zeilen. • Veröffentlicht von G. Parthey Me- morie dell' Institute di Corrispondenza Ar- cheologica 2, Lipsia 1865, S. 440. Ulrich Wilcken hat den Text vor Jahren revidiert und mir seine oben gegebene Lesung freund- lichst mitgeteilt (Brief, Leipzig, 4. Okt. 1907). 7 Zeile 1 und 2 sind so von mir ergänzt. yv\ca\ar nach enei hatte Parthey noch ge- lesen; als Wilcken das Blatt verglich, standen diese Buchstaben nicht mehr da. Zu yvd- 268 Die Kalenderinschrift von Priene Zeile 1-31. Vi ^ OJ - • C "0 ¦s £ 3 "äs N £ ffi C 2 O CO l- - w <• T3 ¦3 S 78 1 J= JE O *> yea>((>y&v). Das ist ein neuer Beleg für das Alter des Titels Presbyter vgl Bibelstudien S.153f. und Neue Bibelstudien S. 60 ff. Die Parusie in Asien (Saitapharnes, Antiochos, Mithradates). Parusie des Asklepios. 271 zweiten Jahrhunderts vor Christus erwähnt die Parusie des Königs ', während das Ostrakon des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts aus Theben Wilcken Nr. 1481 Kosten aus Anlaß der Parusie der Königin 1 berechnet. Nicht anders als in Ägypten war es aber auch in Asien: die Ein- heitlichkeit der hellenistischen Kultur bewährt sich auch hier. Eine In- schrift des dritten vorchristlichen Jahrhunderts aus Olbia 3 erwähnt eine Parusie des Königs Saitapharnes, deren Kosten den Stadtvätern schwere Sorge machten, bis ein reicher Bürger Protogenes sie bezahlt, 900 Gold- stücke, die dem König tiberreicht werden. Sehr bedeutsam, weil ein Be- leg für zweifellos sakralen Gebrauch des Wortes, ist dann eine Heil- inschrift des dritten vorchristlichen Jahrhunderts vom Asklepiostempel in Epidauros*, die eine Parusie des Heiland-Gottes Asklepios berichtet. Sonst kenne ich aus hellenistischer Zeit noch die Erwähnung einer Parusie des Königs Antiochos des Großen bei Polybios 5 und zwei Briefe des Königs Mithradates V. Eupator von Pontos vom Beginn seines ersten Römerkrieges 88 vor Christus, erhalten auf einer Inschrift von Nysa in Karien 6 : der Fürst, der an den Statthalter von Karien Leonippos schreibt, erwähnt zweimal seine eigene Parusie, d. h. seinen Einmarsch in die Provinz Asien 7 . Es ist die legitime Fortsetzung des hellenistischen Gebrauches, wenn auch in der Kaiserzeit die Parusie des Herrschers einen besonderen Glanz um sich verbreitet. Schon der Besuch des kaiserlichen Prinzen C. Caesar (t 4 nach Christus), eines Enkels des Augustus, war, wie eine Inschrift 8 lehrt, auf Kos die Veranlassung zum Beginn einer neuen Ära. Zum Ge- dächtnis an den Besuch des Kaisers, unter dem Paulus seine Briefe nach Korinth geschrieben hatte, Neros 9 , haben die Städte Korinth und Patras Advents-Münzen 10 geprägt: Adventus Aug(usti) Cor(inthi) lautet die 7 So erklärt den Ausdruck Theodor 1 ßa(aü£ois) n apovoias. 2 löyos 7taQov(o/ac) irfcs) ßaatX(/o) xe rrj[v iurj]v napovo/av imyvovs (resp. nv&uusvos) und jetzt, nachdem er meine Parusie erfahren hat. Mommsen Athenische Mitteilungen 16 (1891) S. 101 f. 8 Paton und Hicks The Inscriptions of Cos Nr. 391 [4]viavro€ npt&Tov rät [ryo-6axov. * Vgl. W. M. Ramsay The Manifest God, The Expository Times vol. 10 (1899) Febr. S. 208 ; Thieme Die Inschriften von Magnesia am Mäander und das Neue Testament S.34ff.; Weinel Die Stellung des Urchristentums zum Staat S. 20 und 50. - Auch an den Adjektiva inupav ije und iuyattjg ließen sich die Paralle- Deissmann Licht vom Osten. len zwischen dem christlichen und dem welt- lichen Gebrauche nachweisen. Viel Material über den christlichen Gebrauch gibt Her- mann Usener Religionsgeschichtliche Unter- suchungen Erster Theil Das Weihnachtsfest Kapitel I - III, Bonn 1889. 8 Inschriftliche und andere Belege für das Verbum bei Magie S 89, zahllose Be- lege für das Substantivum ebenda S. 86 ff. 7 Gal 2 7 1 Kor9i7, vgl. 1 Thess 2a 1 Tim In Tit h. 8 Lateinisch ab Epistulis Graecis, grie- chisch 6 ras ^BXXrjvtxäe imaroläe nQ&Txeiv 18 274 Christusbriefe und Kaiserbriefe. "Heilige Schriften". 2 Kor 33 gedenkt, wonach Paulus einen Christasbrief zu besorgen hat " ; dieser eigenartige Ausdruck ist zudem ganz parallel dem in einer Inschrift der Kaiserzeit von Ankyra 2 stehenden technischen Ausdruck Augustus- brief (d. h. Kaiserbrief). Auch die sieben Christusbriefe der Offenbarung Johannis nach Ephesos, Smyrna, Pergamon, Thyateira, Sardes, Philadel- phia und Laodikeia, die formengeschichtlich zu den Himmelsbriefen zu rechnen sind s , haben einen kulturgeschichtlichen Hintergrund in den (in- schriftlich alsbald publizierten und darum jedermann bekannten) zahl- reichen Kaiserbriefen an kleinasiatische Städte oder Korporationen in diesen Städten: noch heute besitzen wir, um bloß apokalyptische Adressen zu nennen, auf Inschriften mindestens sechs Ephesosbriefe 4 , drei Smyrna- briefe 5 , mindestens sieben Pergamonbriefe tt und vielleicht auch einen Sardesbrief 7 römischer Kaiser in größeren oder kleineren Fragmenten. Und wenn die einleitende Formel jener Christusbriefe, das feierliche Also spricht \ auch sicher aus alttestamentlich - orientalischem Brauche stammt, so ist es gewiß doch nicht ohne Interesse, daß auch in Kaiser- briefen schon des ersten Jahrhunderts wiederholt wenigstens ein Es spricht 9 als Anfangsformel gebraucht ist. Die Parallelität zwischen Christusbriefen und Kaiserbriefen wird noch deutlicher, wenn wir den uns aus Philon, Josephus 10 und 2 Tim 3is ver- trauten Würdenamen für die Bibel (Alten Testaments) ieQä y^dmiaxa heilige Schriften als technische Bezeichnung für die Kaiserbriefe und -er- lasse im Gebrauche der östlichen Welt finden 11 . Der Ausdruck bedeutet in vorchristlichen Inschriften des öfteren 12 die Hieroglyphen. Schon eine Inschrift aus Nysa in Karten aus der Zeit des Augustus 13 gebraucht ihn nemorevfiivos und tA&iv inl rßv^EXXfjvmOv l • LAFOSCADES.7f.(Nerva oderTraianus), inioroXfiv iKentoTevpivoSi Belege aus Gale- nos und Josephus bei Magie S. 71. 1 St$ iaik imaroXi} Xpiorov Siaxovtj- &elaa tJp* ijpßr daß Ihr ein Christusbrief seid, besorgt von uns. 1 Cagnat Inscriptiones Graecae ad res Romanas pertinentes III Nr. 188 Imoxolöv ^Ellrivix&v [2e]ß{aoTov) der griediischen /SeJb(astos)briefe. 3 Vgl. oben S. 172. 4 Belege bei LfiON Lafoscade De epis- tulis (aliisque titulis) imperatorum [oben S.99] S. 12 und 14 f. (Hadrianus), S. 23, 24, 25 (An- tonius Pius), S. 34 (Septimius Severus und Caracalla). 5 Lafoscade S. 29 (Marcus Aurelius), S. 9 (Traianus), S. 10 und 17 (Hadrianus), S. 23 (Antoninus Pius), S. 35 (Caracalla), S. 58 (verschiedene Kaiser). 7 Lafoscade S. 59 (unbestimmt). 8 rd$e liyci. 9 dicit und Xiyes. Inschriftliche Belege bei Lafoscade S. 63. 10 Belege aus beiden Autoren bei Cre- mer 9 S. 275 f. 1 ! Vgl. A. Wilhelm Jahreshefte des öster- reichischen Archäologischen Instituts in Wien 3 (1900) S. 77. 14 Belege Dittenberger Orientis Graed Inscriptiones Selectae II S. 642. 13 Corpus Inscriptionum Graecarum Nr. 28 (Antoninus Pius), 29f. (Marcus Aurelius i 2943io. Möglich wäre hier m. E. auch, daß und Lucius Verus) ; alle drei sind an reli- unter rd Upd yQduuaxa alte Tempelurkunden giöse Genossenschaften (ofoodoi) in Smyrna zu verstehen sind, gerichtet. | "Göttliche Schriften" und "Gebote". *Christussklave". "Christo eigen". 275 dann aber wohl von einem kaiserlichen l Erlasse, was sicher der Fall ist in einer Inschrift aus Aizanoi in Phrygien aus der Zeit des Hadrian 2 , einer unveröffentlichten Inschrift der Kaiserzeit aus Athen 3 und einer bilinguen Inschrift aus Paros vom Jahre 204 nach Christus 4 , die den griechischen Ausdruck lateinisch durch sacra/e littjerae übersetzt : genau denselben Ausdruck gebraucht 2 Tim 3i5 auch die lateinische Vulgata zur Übersetzung des griechischen Ausdrucks! Ganz synonym kommt die (von den Kirchenvätern für die Bibel gebrauchte) Wendung &&a yQämiaxa göttliche Schriften von Kaiserbriefen vor in einer Inschrift aus Tyras am Dnjester vom 17. Februar 201 nach Christus 5 und einer Inschrift von Skaptopare in Bulgarien vom Jahre 238 nach Christus 6 ; die letztere spricht mit Beziehung auf kaiserliche Verordnungen auch von göttlichen Geboten 1 , was dem neutestamentlichen Ausdruck Gottesgebote* ähnelt. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die bereits oben 9 auf einem anderen Hintergrunde betrachtete urchristliche Selbstbezeichnung doVXoq XqiöxoV Christussklave hingewiesen. Obwohl nicht als Kontrast- formel zum Cäsarenkult entstanden, löste sie sicher Kontrastempfindungen aus, wenn sie neben dem häufigen Titel Kaisersklave gehört wurde: kaiserliche Sklaven gab es in der ganzen Welt. Nur ein Beispiel aus vielen ist die Inschrift von Dorylaion in Phrygien aus der Kaiserzeit 10 , die einen Agathopus, Sklaven des Herrn Selbstherrschers nennt. Auf derselben Linie liegt der Parallelismus zwischen dem Genitiv XqiötoQ Christo gehörend Gal 32" 524 1 Kor In 3" 1Ö23 2 Kor IO7 und dem erst durch die neuen Texte bekannt gewordenen bloßen Genitiv Kaioaqos dem Kaiser gehörend, der auf das lateinische elliptische Cae- saris zurückgeht und in Ägypten durch einen Papyrus aus der Zeit des Augustus und durch Inschriften aus der Zeit des Hadrian belegt werden kann 11 ; auch die aus sprachlichen Gründen schon früher 12 behauptete Analogie zwischen dem ältesten Christennamen XQianavöq Christianer 1 Reiches Material für den Gebrauch des Wortes heilig {sacer, sanctus, sanctissimus, sacratissimus) zur Bezeichnung des Kaisers und kaiserlicher Institutionen in heidnischer und christlicher Zeit gibt W. Sickel Göt- tingische gelehrte Anzeigen 1901, S. 387". 2 Le Bas -Waddington Nr. 86O13 r&v lepßv rov Katoapoe ypapuATt"[r]. * Vgl. A. Wilhelm a. a. O. 4 Dittenberger Sylloge* Nr. 415 - In- scriptiones Graecae XII, V 1 Nr. 132. • Inscriptiones Antiquae Orae Septen- trionalis Ponti Euxini Graecae et Latinae ed. LATYSCHEV I Nr. 3a Avrlypav YQafiftArtüv Abschrift der göttlidienSdiriften. 8 Dittenberger Sylloge* Nr. 41&" rä \Tezd aov yq&fiftara Deine göttlichen Schrif- ten. 7 Zeile 51 Tals xrsfaiQ ivrolars. 8 ivrolal 0-eoO 1 Kor 7is Offenb Joh 12w 14". • S. 232 ff. 10 Bulletin de Correspondancefielllnique 28 (1904) S. 195 UyaMnoSi SriXy roif xv- Qiov AvToxpdropoq. 11 Die Belege gab Wilcken Griechische Ostraka 1 S. 661 f. (Der Londoner Papyrus Nr. 256 steht jetzt Greek Papyri in the British Museum vol. II S. 95 ff.), vgl. auch Archiv für Papyrusforschung 1 S. 145. 12 Winer-Schmiedel § 16, 2 c Anm. 18 (S. 135). 18* 276 "Christianer". "Freigelassener des Herrn". "Freund Christi". und KaioctQiavöQ Cäsarianer, kaiserlicher {Sklave) l gewinnt in unserem Zusammenhang eine neue und eigenartige Beleuchtung. Charakteristisch ist auch die Parallele zwischen der paulinischen Wendung dxeXeti&eQoq kvqiov Freigelassener des Herrn 1 Kor 722 und dem häufigen Titel Freigelassener des Kaisers, der uns lateinisch bei- spielsweise in einer Inschrift des zweiten Jahrhunderts von Kos 2 be- gegnet (Abbildung 52), dem Grabstein des kaiserlichen Freigelassenen Abb. 52. Marmorstele von Kos, Grabstein des kaiserlichen Freigelassenen Hermes, nach 161 nach Christus ; jetzt im Hause des Said Ali in der Stadt Kos. Mit Genehmigung Rudolf Herzogs und der DiETERiCHschen Verlagsbuchhandlung Theodor Weicher. Hermes, der als Beamter der Erbschaftssteuerbehörde tätig gewesen war: die dritte und vierte Zeile nennen ihn Augustor(um) n(ostroram) lib(erto) Freigelassenen unserer AugustL Griechisch kommt der Titel in verschie- dener Variation 3 ebenfalls sehr häufig vor, vom ersten Jahrhundert nach Christus ab. Wenn schließlich Christus im Johannesevangelium 15i4 r. sagt 4 : Ihr seid meine Freunde. . . . Hinfort nenne ich Euch nicht mehr Sklaven - so erinnert uns die Nebeneinanderstellung von Sklave und rij aÖre i&eoi SiaxfXQi- ftivot, t&v ).otncjv flotv Av&ftt&nmv. oüre ydp nov nöl$is iSioue xaroixovatv ovre 8ia- Xixrqp tivi n apt]W t aypirfl %Q&vrai ovre ßiov naoda^uov AoxoCoa: * Viel Material geben Th.Trede Wunder- glaube im Heidentum und in der alten Kirche, Gotha 1901; vgl. meine Bemerkungen Die Christi. Welt 20 (1906) Sp. 291 f.; R. Lembert Der Wunderglaube bei Römern und Griechen. I. Teil : Das Wunder bei den römischen Histo- rikern, Augsburg 1905; R. ReitzEnstein Hel- lenistische Wundererzählungen, Leipzig 1906 (zur Aretalogie vgl. auch meine Bibelstudien S.88ff.). 3 Dies betont mit Recht G. Heinrici Der litterarische Charakter der neutestamentlichen Schriften S. 41 f. 4 Luk lli9 mit Parallelen, Matth 16iff. 1 Kor hs 2 Kor 12s f. Jon 448 2O29. 284 Der eine Gott. Die Kultgestalt: Jesus Christus. mus unserer Tage oft als eine selbstverständliche Trivialität hinzustellen wagt: der eine lebendige Gott. Wuchtig und feierlich schreitet der Eine durch die Zeilen jenes gewaltigen Manifestes vom Areopag. Nicht als wäre die Welt unvorbereitet gewesen für den Einen: die griechischen Denker, Piaton vor allen, hatten ihm den Weg gebahnt, und das christ- liche Manifest spricht dankbar von der Gottesschau Etlicher unter den Poeten 1 . Dazu war die Propaganda des griechischen Weltjudentums und seiner Weltbibel 2 getreten. Und jetzt kam er, auf der von Griechen und Juden gebahnten Straße, der Eine und Ewige, zu den von der Vielgötterei hin- und hergezogenen, unruhig suchenden und tastenden 3 Seelen als ein Gott, der, Schöpfer und Herr Himmels und der Erde 4 , doch in bild- und tempellosem Kult 5 auch dem Ärmsten in geistiger Gegenwart immer- dar erreichbar ist 6 , denn in Ihm leben, weben und sind wir. 1 Mit diesem einen Gott aber hat der neue Kult Ernst gemacht: keine Kompromisse entleerten den christlichen Gottesglauben, und der Protest gegen die Herrschervergöttlichung schreckte bald vor dem Martyrium nicht zurück. Und das zweite: die Kultgestalt im engeren Sinne, Jesus Christus, der den Einen nicht verdrängte, sondern für die Kultgenossen verkörperte. Jede Predigt der Missionare war, wie die Areopagrede 8 , Christuspredigt, und jeder Hörer der Missionare empfand: sie bringen den Christuskult. Selbstverständlich den Kult eines Lebendigen ! ° Der Christuskult ist nicht matte Reflexion über "historische" Tatsachen, sondern pneumatische Ge- meinschaft mit dem Gegenwärtigen. Die Tatsachen der Vergangenheit erhalten ihr Licht erst von der himmlischen Verklärung des Gegenwärtigen. Aber in diesem Lichte stehen sie denn auch erschütternd, tröstend, um- gestaltend, erbauend vor den Seelen der Ergriffenen : die ewige Herrlich- keit des Gotteskindes beim Vater, sein Herabkommen auf die Erde in freiwilliger Selbstentäußerung und Sklaverei, sein armes Leben bei den Armen, seine Barmherzigkeit, seine Versuchungen und seine Krafttaten, der unerschöpfliche Schatz seiner Worte, seine Gebete, sein bitteres Leiden und Sterben, und nach dem Kreuze seine glorreiche Auferweckung und Rückkehr zum Vater - alle diese Akte des gewaltigen göttlichen! Dramas, dessen Peripetie nicht in grauer Vorzeit lag, sondern vor wenigen Jahr- zehnten geschaut worden war, sind jeder, auch der ärmsten und gerade der ärmsten Seele verständlich gewesen. Und die Kultworte, mit denen die teuere Gestalt geschmückt wurde, waren zum guten Teil gerade in den Seelen der Schlichten und Armen heimatberechtigt: Lamm Gottes, Gekreuzigter, 1 AGesch 17m. 2 Vgl. meine Skizze "Die Hellenisierung des semitischen Monotheismus", Leipzig 1903. 3 AGesch 17t7. 4 17*.. 5 17*4f. 10. B 17". 7 17*8. • 1731. 9 1731. Schlichtheit u. Tiefgründigkeit der Kultsprache. Die Ewigkeit Der Ernst. 285 Hirte und Erzhirte \ Eckstein, Tür und Weg, Weizenkorn, Brot und Wein- stock, Licht und Leben, Haupt und Leib, das A and das O, Zeuge, An- walt und Richter, Bruder, Menschensohn, Gottes Sohn, Gottes Wort und Gottes Bild, Heiland, Hoherpriester, Herr, König. Tiefgründig in ihrem Gedankengehalt, alle Stimmungen christlicher Innerlichkeit und alle Motive opferbereiter Nachfolge auslösend, enthält diese Reihe keinen einzigen Kultnamen, der durch das bloß Hieratische und Unverstandene hätte wirken sollen, - ebenso wie die Kulttradition des Evangeliums mit ihrer Körnig- keit und Volkstümlichkeit den phantastischen und nervösen, Reiz auf Reiz setzenden Mythologien anderer Kulte weit überlegen war, und wie auch die Feier der Christusmysterien der prunkenden Tempel oder der schau- rigen Grotten nicht bedurfte, sondern überall möglich war, wo Zwei oder Drei sich versammelten in Seinen Namen. Alle großen Bewegungen in der Geschichte unseres Geschlechts sind durch die Stimmungen des Volks- gemütes bedingt, nicht durch den Intellekt: die Überlegenheit des Christus- kultes über alle anderen Kulte - das muß hier noch einmal betont werden - erklärt sich nicht zuletzt aus der Tatsache, daß er sich von Anfang an tief einwurzeln konnte in das Gemüt der'Vielen, der Männer und der Frauen, der Alten und der Jungen, der Sklaven und der Freien, der Juden, Griechen und Barbaren 2 . Nicht als "Erlösungsreligion", wie man heute gern sagt, das Persönliche unpersönlich machend, sondern als Erlöserkult hat das junge Christentum die Herzen erobert. Was den urchristlichen Christuskult vor doktrinärer Erstarrung be- wahrte, war aber nicht bloß die Tendenz der täglichen Vergegenwärtigung des lebendigen Meisters, sondern auch, und das ist das dritte charakte- ristische Merkmal, die Erwartung seiner zweiten Parusie und die daraus hervorwachsende Ewigkeitshoffnung. In der Verkündigung des nahen Weltgerichtes gipfelt denn auch die Rede auf den Areopag 3 . Das ist keine einfache Fortsetzung des in den Gemütern da und dort längst lebendig gewesenen Unsterblichkeitsglaubens, sondern eine so enge Ver- klammerung der Geschicke dieser Welt mit der Zukunft des Gottesreiches, wie sie wohl kein anderer Kult kannte : nicht nur die Seelen aufwühlend zu erregter Spannung, sondern auch die Gewissen erfüllend mit gewal- tigem Ernst. Und dies ist das Letzte: der sittliche Ernst des Urchristentums Nicht als Fremdkörper steht das Sittliche innerhalb des Kultischen, noch weniger steht es außerhalb des heiligen Bezirkes, sondern es ist untrenn- bar mit dem Religiösen und Kultischen verwachsen. Kein seelenkundiger Künstler der Vorzeit und der Nachwelt, nicht Sophokles, nicht Augustinus, 1 Vgl. oben S. 64 f. * Diese univer- geln bei Paulus Stellen wieder wie Gal 3=" sale Volkstümlichkeit des Christuskultes spie- Kol 3n 1 Kor 12i 3 . s AGesch 17si. 286 Der sittl. Ernst. Die Solidarität der Kleinen. Der Besitz der christl. Genossenschaften. nicht Dante und Goethe haben tiefere Abgründe des Schuldgefühls auf- decken können, als die apostolischen Seelsorger sie in sich selbst fanden, und niemand hat erschütternder von der persönlichen Verantwortlichkeit, von der Notwendigkeit der inneren Neugeburt und der Versöhnung mit Gott Zeugnis abgelegt, als die vom Geiste Jesu Christi durch die Welt getriebenen Missionare. Die organische Verbindung der Religion mit der Sittlichkeit, von Anfang an mit zum Wesen des Christentums gehörend und in der Gottes- und Christusvergegenwärtigung täglich neu erlebbar, verstand auch der einfache Mann, wenn zur Gottesliebe die Nächstenliebe und zur Christusgemeinschaft die Christusnachfolge gefordert wurde. Dazu kam, daß die Organisationen der ältesten Gemeinden die sichtbaren Verkörperungen einer gerade die antiken Seelen begeisternden Sozial- ethik waren. Der auch in der Areopagrede 1 klassisch formulierte Ge- danke der Einheit des Menschengeschlechtes stärkte und veredelte in Ver- bindung mit der paulinischen Predigt vom Leibe Christi das Gefühl der Solidarität, das damals, wie die Inschriften igelehrt haben, einem warmen Blutstrom vergleichbar durch die unteren Schichten kreiste und zur Bil- dung zahlreicher Genossenschaften 2 der Kleinen geführt hatte. Die christ- lichen Versammlungen, dem antiken Menschen zweifellos Christusgenossen- schaften 3 , in denen die durch ihre Liebesgaben über Meer und Land wirksame Brüderlichkeit Gestalt annahm, sind doch wohl, auch vom all- gemein kulturhistorischen Standpunkte aus betrachtet, die kraftvollsten und innerlich reichsten Organisationen der ganzen Kaiserzeit : wir dürfen niemals vergessen, daß für sie die Blätter geschrieben wurden, deren Reste nachmals im Neuen Testament gerettet wurden. Ein Kult, in dessen Konventikeln ein Gebet wie das Vaterunser gebetet und ein ethischer Text verlesen werden konnte, wie das dreizehnte Kapitel des ersten Korintherbriefes, in der Form ebenso schlicht wie im Ethos machtvoll, hatte missionierende Kräfte, die unüberwindlich waren. 12. Das Hohe Lied der Liebe, in Ephesos unter Nero gedichtet für die armen Heiligen von Korinth, ist nicht mit Korinth zugrunde gegangen. Unter schweigenden Schutthalden und grünen Weinbergen liegt heute in den Terrassen zwischen dem Block von Akrokorinth und dem Strande des Golfes die Pracht des neronischen Korinth für immer vernichtet: Trümmer, grausige Reste, Untergang. Die Zeilen jenes Liedes aber haben den Marmor und die Bronzen der Kaiserzeit tiberdauert, weil sie ein unan- tastbares Asyl hatten in den Verborgenheiten des Volksgemüts. Die 1 AGesch 17*6. 2 Die Literatur zum antiken Genossen- schaftswesen (einschließlich der Kultgenossen- schaften) ist gut zusammengestellt bei Schürer Geschichte des jüdischen Volkes IIP S.62ff. 3 Vgl. die ebenda S. 62 zitierten Arbeiten von Georg Heinrici, der diese Analogie zuerst energisch hervorgehoben hat. Das Wesen des Neuen Testaments. 287 korinthischen Christen, welche andere Paulustexte verloren gehen ließen, haben diese Blätter gehütet; Abschriften sind genommen und verbreitet worden; um die Wende des ersten und zweiten Jahrhunderts ist der erste Korintherbrief schon in Rom bekannt und auch die anderen Paulusbriefe laufen wohl schon damals in den christlichen Großstadtversammlungen der Mittelmeerküsten um, zusammen mit den Evangelien und den anderen Vätertexten als Erbe und Schatz verwahrt, von den Irrtexten gesondert, immer mehr zusammenwachsend zu den Büchern, zuletzt zu dem Buche der Heiligen Schriften des Neuen Testaments. Nicht blind gegen die Gefahren, die das als Buch gewertete Buch in sich schloß, werden wir doch bekennen dürfen : dieses Buch des Neuen Testaments ist der wertvollste sichtbare Besitz der Christenheit, bis auf den heutigen Tag. Ein Buch aus dem antiken Osten und beglänzt von dem Lichte des Aufgangs, - ein Buch durchweht von dem Dufte des galiläischen Früh- lings und bald auch durchbraust von dem Schiffe zerschellenden Nord- oststurm des Mittelmeeres, - ein Buch der Bauern, Fischer und Hand- werker, der Wanderer und Seefahrer, der Kämpfer und der Märtyrer, - ein weltgriechisches Buch mit semitischen Ursprungsmarken, - ein Buch der Kaiserzeit, geschrieben in Antiochien, Ephesos, Korinth, Rom, - ein Buch der Bilder, Wunder und Gesichte, Dorfbuch und Städtebuch, Volks- buch und Völkerbuch, - ist das Neue Testament, wenn man auf das Innerliche sieht, das große und einige Hauptbuch der Menschenseelen. Um seiner seelischen Tiefen und Weiten willen ist das Buch des Ostens ein westöstliches; ein Menschheitsbuch, ist das antike Buch ein ewiges Buch. Und um der Erlösergestalt willen, die, begleitet von der Masse der Befreiten, segnend und tröstend, mahnend und erneuernd aus dem Buche heraustritt, jeder Generation der Mühseligen und Beladenen neu sich offenbarend, von Jahrhundert zu Jahrhundert wachsend, ist das Neue Testament das Buch des Lebens. 288 V. Rückblick. Die künftigen Aufgaben der Forschung. 1. Als ich in der Mittagsstunde des Ostersonntags 1906 in Ephesos mit Friedrich von Duhn und anderen Freunden, von der Bibliothek des Celsus kommend, durch ein wild wucherndes Akanthosfeld schritt, um das von den Österreichern gastlich errichtete Frühstückszelt zu erreichen, fiel mein Blick links am Pfade auf ein antikes marmornes Akanthos- kapitell, das völlig eingebettet lag im dichtesten üppigsten Grün leben- diger Akanthosblätter. Immer wieder trat mir das kleine Erlebnis vor die Seele, und seine Symbolik enthüllte sich mir nachmals, als wir in den kretischen und kykladischen Gewässern Muße fanden zur inneren Verarbeitung. Der Kontrast zwischen den stilisierten marmornen Akanthosblättern und ihren wildgewachsenen grünenden Urbildern spiegelte mir den Kon- trast der Forschungsmethoden meiner Wissenschaft wieder. Dort die Methode der Stilisierung des Neuen Testaments durch Iso- lierung und Heiligsprechung seiner Sprache, Literarisierung seiner un- literarischen Texte, Dogmatisierung und Versteinerung seiner religiösen Bekenntnisse, - hier die andere Methode, die in die Werkstatt eines Jeg- lichen einzieht, der das Neue Testament historisch und psychologisch so studiert, wie der antike Osten überhaupt heute studiert werden kann und studiert werden muß. Nicht als ein Museum mit Statuen aus Marmor und Erz erscheint dieser Methode das Neue Testament, sondern als ein weiter, von der Frühlingssonne des Ostens zu üppigstem Wachstum gesegneter Gottes- garten: das Hellgrün seiner jungen Feigenblätter und das Blutrot seiner österlichen Anemonen kann kein Maler wiedergeben ; die düstere Schwer- mut seiner Olivenhaine, das leise Erbeben seiner Weinranken kann nicht beschrieben werden, und die verschwiegene Feierlichkeit seines heiligen Bezirks, wo unter uralten Zedern den Reinen ein lebendiger Springquell sprudelt, verscheucht den Feldmesser, der mit Schnur und Stab sich genaht hatte. Die Theologen u. die Philologen. "Nur" ein Philologe ! Kalthoff. 289 Daß die Hineinstellung des Neuen Testaments in seine Heimat, sein Zeitalter und seine Schicht nifcht nur die Repatriierung unseres heiligen Buches bedeutet, sondern auch eine Verlebendigung und Vertiefung unserer ganzen Auffassungen vom Urchristentum zur Folge hat, das wird dereinst erkannt werden, wenn noch stärkere Lichtwellen vom Osten her zu uns herüberfluten. Schon jetzt aber darf vielleicht gesagt werden: wenn Theologen sich mit Inschriften, Papyri und Ostraka der Kaiserzeit befassen, so ist diese Arbeit nicht der Sport von Sonderlingen, sondern sie hat ihr Recht in dringenden Erfordernissen der wissenschaftlichen Lage der Gegenwart. Es war eine Zeitlang so, daß die Theologen bloß die abgelegten Kleider der Philologen auftrugen, kritische Methoden, die von den Meistern der Altertumswissenschaft längst aufgegeben waren, bis zur völligen Verschleißung durch das Neue Testament schleppend. Sollen wir jetzt wieder zwanzig Jahre lang warten und dann hinter den Philo- logen, die bis dahin noch bessere Quellen haben werden, herhinken? Oder sollen wir nicht selbst, unbekümmert um das blöde und mißgünstige Wort, wir seien "nur" Philologen, selbst Hand anlegen an das gewaltige Forschungsmaterial, das uns Unwürdigen die Vorsehung verschwenderisch schenkt? Insonderheit die eine große historische Erkenntnis, ohne die man weder ein guter Exeget und Systematiker, noch ein guter Prediger .und Seelsorger sein kann, die Erkenntnis der innigen Verflochtenheit des Evangeliums mit den unteren Schichten, kann nicht durch noch so geist- volle Spekulationen lediglich über die Gemeinplätze veralteter Mono- graphieen zusammengeträumt werden; sie will entziffert und ergrübelt sein aus jenen Tausenden und Zehntausenden von neuentdeckten zer- rissenen und zerbrochenen Textzeilen aus dem Zeitalter des Neuen Testa- ments. Albert Kalthoff war gewiß ein begabter Dichter, und er hatte gewiß ein Herz fürs niedere Volk, aber der Historiker oder auch nur der Geschichtsphilosoph der Ursprünge unseres Glaubens konnte er nicht sein und die von ihm versuchte Demokratisierung des Urchristentums mußte mißlingen, weil er sich bei der Menschenmasse der Kaiserzeit nicht in langwieriger Kleinarbeit heimisch gemacht hatte; statt die wirkliche Psyche der Masse zu erforschen und in der Masse schließlich auf die Führer-Persönlichkeiten zu stoßen, die den Einzelnen zum Einzelnen machten und aus der Masse heraushoben, endigte er mit seinen Arbeiten wie ein mißratener Stiftler: bei einem Hexensabbath heimatloser Ideen. 1 2. Daß die durch die neuen Texte uns nahegelegte Forschungs- methode auch für den weiteren Verlauf der Geschichte des Christentums 1 Man vergleiche damit die reifen, aus wirklicher Vertrautheit mit der neueren Alter- tumswissenschaft kommenden Ausführungen von Ernst Troeltsch Die Soziallehren der christlichen Kirchen, Archiv für Sozialwissen- schaft und Sozialpolitik 26 S. lff. Deissmann Licht vom Osten. 19 290 Das Christentum in den unteren Schichten. Tischhauser. fruchtbar ist, sei bloß angedeutet. Vielleicht darf ich auf die Andeutungen verweisen, die ich im dritten Kapitel bei der Auslegung einiger altchrist- licher Briefe aus den unteren Schichten gegeben habe. Auch nachdem das Christentum aus den Werkstätten und den Hütten emporgewachsen war in die Paläste und hohen Schulen, hat es die Werkstätten und die Hütten nicht gemieden, sondern seine Lebenswurzeln blieben in den unteren Schichten; und immerdar, wenn im Kreislauf der Menschheits- jahre der Herbst die Krone entblättert und der Wintersturm die dürren Äste weggerissen hatte, weckte, von unten nach oben steigend, der Saft die schlummernden Knospen, Blüten und reiche Erntetage verheißend. Wie am Anfang Jesus der Zimmermann steht und Paulus der Zelttuch- weber, so steht am wichtigsten Wendepunkte in der Geschichte des späteren Christentums wieder ein homo novus, der Bergmannssohn und Bauernenkel Luther. Diese ganze reiche Geschichte des Christentums haben wir aber viel zu sehr als eine Geschichte der christlichen literarischen Oberschicht be- handelt, als Geschichte der Theologen und Kirchenmänner, der Schulen, Konzilien und Parteien, während doch das Christentum selbst oft ganz wo anders lebendig war, als in den Konzilien oder in den polemischen Traktaten der protestantischen Zeloten. Es ist ein großes Verdienst des am Baseler Missionshause 1 lehrenden Christian Tischhauser, daß seine. Deutsche Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts 2 jene Unter- strömungen ins Auge faßt, die gewöhnlich ignoriert werden, weil sie sich keine literarischen Denkmäler setzen oder weil die bescheidene Literatur, die durch sie produziert wird, von den gesammelten Werken des akademischen und kirchenpolitischen Christentums in die am schlech- testen beleuchteten Räume der Bibliotheca christiana gedrängt wird, so- weit sie überhaupt den Tag überdauert. Von den Tagen des Evangeliums bis in unsere Gegenwart hinein war die naiv kraftvolle Frömmigkeit des Christentums lebendig in der mittleren und unteren Schicht: hier hat sie ihre eigenen volkstümlichen Ausdrucksformen geschaffen und ihre eigenen volkstümlichen Persönlich- keitstypen erlebt. Die Gesetze dieser Ausdrucksformenbildung und die Psychologie des inneren Lebens unreflektierter christlicher Frömmigkeit zu erforschen, ist eine Aufgabe von wissenschaftlich ebenso hohem Reiz und Wert, wie sie die unumgänglich notwendige Voraussetzung für die Erziehung eines volkstümlichen Seelsorgerstandes ist. Die Erziehung unserer Geistlichen ist für die wirklichen Aufgaben der Praxis in der 1 Daß gerade ein Missionsmann diese Aufgabe erfaßt hat, ist nicht zufällig. a Geschichte der evangelischen Kirche Deutschlands in der ersten Hälfte des 19. Jahr- hunderts, Basel 1900. Vgl. auch die be- deutsame Besprechung dieses Buches von W. Walther Theologisches Literaturblatt 21 (1900) Sp. 282. Volkstümliche Ausdnicksformen u. Persönlichkeitstypen. Die Aufgaben. 291 Regel viel zu scholastisch. Die Meisten von uns beurteilen die Ausdrucks- formen des volkstümlichen Christentums in Vergangenheit und Gegen- wart so, wie Blass den Brief des bösen Buben Theon beurteilt hat 1 , als Entartung. Die Wenigsten können beispielsweise ein Verhältnis ge- winnen zur Volkskunst der Katakomben und zu der oft so treuherzigen Naivetät der altchristlichen Volksliteratur, die in den Resten "apokryphere Evangelien und Apostelgeschichten auf uns gekommen ist. Befangen von dem Wahne, nur das Passierte und als passiert Erwiesene habe Wert, wirft man die Wunder dieser Volksbücher und mit den Wundern die Volksbücher selbst auf den Kehrichthaufen. Tatsächlich ist aber das Jesusknäblein, das den von der entfallenen Axt verwundeten Holzhacker heilt 2 und der Jesus, der dem Maurer die verdorrte Hand wiederherstellt 8 , ein rührender Beweis für die Innigkeit des Vertrauens, mit welchem die einzelnen Handwerke der Gestalt des Zimmermannssohnes huldigten, ein jegliches in seiner Werkstatt. Wir ahnen: den Hirten wird diese Gestalt der Erzhirte werden, den Schiffern der Steuermann, den Wanderern der Führer, den Soldaten der Oberst, den Bauern wird Jesus die Saat segnen und als täglich gebetener Gast an unseren Tischen sitzend wird er das Brot mit uns brechen. 3. Ich habe damit bereits begonnen, von Aufgaben der Forschung zu reden, und über dieses Thema weiterzureden, fällt mir leicht und doch auch schwer. Leicht, weil ich Aufgaben in Menge klar zu sehen glaube, weil ich von der Notwendigkeit ihrer Lösung überzeugt bin und weil ich ein bescheidenes Teil dieser ganzen Aufgaben als ein Stück meines eigenen Lebensinhaltes ansehen möchte. Schwer muß ich andererseits die Aufgabe, von Aufgaben zu reden, deshalb nennen, weil von Aufgaben reden soviel bedeutet wie von Unfertigem reden, von Dutzenden tiber- einandergeschichteter aufgeschlagener Bücher, von hunderten beschriebener Zettel und Blätter, von Staub, trüben Nebeltagen und Lampenlicht, von Spannung und Enttäuschung und von dem täglichen und kläglichen Tauschhandel des Forschers, der ein einziges gelöstes Problem hingibt und zehn ungelöste dafür zurückerhält. Schwer wird mir dieser letzte Teil des Buches vor allem deshalb, weil ich weiß: was der Forscher er- reichen will, ist ein Großes; was er erreichen wird, wird armseliges Menschenwerk sein, und indem er vorzeitig von dem Großen redet, er- weckt er Erwartungen, die er nicht erfüllen kann. Aber das ist ja wohl das Geschick, und ich scheue mich nicht zu sagen das segensreiche Ge- schick jeder wirklichen Forscherarbeit, daß sie, hierin nahe verwandt mit der Arbeit des Künstlers, ihre Kraft zu stählen hat im Ringen nach 1 Vgl. oben S. 132. 2 Vgl. oben S. 21. 3 Sonderzug des Hebräer- Evangeliums zu Matth 12io und Parallelen. 19* 292 Ermittelung, Veröffentlichung und Ausbeutung neuer Texte. Einzelaufgaben. einem Ideal, das als Ideal unerreichbar ist, aber deshalb doch das Ziel bleibt, das erreicht werden muß. Die nächste Aufgabe liegt auf dem Gebiet der Schriftdenkmäler selbst. Es gilt möglichst viele neue Texte zu ermitteln und sorgfältig zu publi- zieren. Namentlich die Periode der Papyrusgrabungen in Ägypten ist noch lange nicht abgeschlossen, und die systematische Sammlung und Kon- servierung der verachteten Ostraka wartet auf viele Arbeiter. Von den Inschriften auf Stein, Metall usw. sind, wie im ersten Ka- pitel gezeigt wurde, zur Zeit große Neuausgaben im Werk. Was aber an Inschriften auch noch unter der Erde liegt oder in mittelalterlichen und modernen Gebäuden vermauert ist, ist unermeßlich; die Kalköfen haben zum Glück nicht alles verschlungen. Hinzugefügt sei noch die Bemerkung, daß die Beschaffung neuer Texte namentlich durch Grabungen zum guten Teil auch eine finanzielle Frage ist, daß aber heute noch mit verhältnismäßig geringen Mitteln vieles zu erreichen ist, wenn die Mittel den richtigen Leuten anvertraut werden. Es ist ungemein dankenswert, daß neuerdings auch in Deutschland von wissenschaftlich interessierten wohlhabenden Privatleuten Mittel für Grabungen und Erwerbungen zur Verfügung gestellt worden sind, nachdem England und Amerika darin längst ein erfreuliches Vorbild gegeben hatten. Die zweite Aufgabe der Forschung ist die wissenschaftliche Aus- beutung der Texte in sprach-, literar-, religions- und allgemein kultur- historischer Hinsicht. Die Herausgeber sollten die Ausbeutung durch möglichst bequeme und übersichtliche Anordnung erleichtern. Namentlich sollten sie ohne falsche Scham die Texte auch möglichst immer übersetzen; denn es ist z. B. ein offenes Geheimnis, daß manche der vor Alexander dem Großen zur griechischen Reife gelangten Wortführer im Streite um die deutschen Universitäten volkstümliche Texte der Kaiserzeit zwar ordinär und häßlich finden, ja die Beschäftigung mit ihnen eines Theologen für unwürdig halten, daß sie die Texte aber nicht tibersetzen können. Ebenso sicher ist es, daß sich auch dem Kenner viele versteckte Schwierigkeiten erst zeigen, wenn er wirklich beginnt, Satz für Satz zu tibersetzen. Unter den vielen Spezialaufgaben der Einzelverwertung der neuen Texte hebe ich einige ganz besonders hervor. Die Typen des volkstüm- lichen Erzählerstils müssen durch die antiken Kulturen hindurch verfolgt werden, insbesondere die Wundererzählung 1 , der Rettungs- und der Heil- bericht, die Stihneerzählung 2 , der Traum, die Vision, das Reiseabenteuer, die Märtyrergeschichte. Die Geschichte des antiken Briefes, mit welcher 1 Vgl. die oben S. 283 erwähnten Bücher von Reitzenstein u. a. 2 Andeutungen bei Buresch Aus Lydien S. 111 ff. Die Typen des volkstfiml. Erzählerstils. Die Briefe. Theologische Aufgaben. 293 sorgfältige Rekonstruktionen der Originalbriefe und Brieffragmente Hand in Hand zu gehen haben, ist unter besonderer Berücksichtigung der für die chronologischen Probleme so wichtigen Formalien weiterzuführen. Die Briefe und die mit ihnen verwandten Texte sind aber auch als Spiegel- bilder antiken Seelen- und Familienlebens zu verwerten, insbesondere zum Zweck der Erforschung der Stimmungen in den unteren Schichten. Dieser Aufgabe ist die gesamte antike Volkskunde dienstbar zu machen; sie darf nicht eine Kuriositätensammlung sein, die uns unseren Kontrast zum Altertum empfinden läßt, sondern sie muß rekonstruierende Volks- psychologie sein, die uns unseren bleibenden Kontakt mit dem Altertum lehren wird. 4. Diese ganzen Aufgaben werden zum größten Teil wohl außer- halb der theologischen Fakultäten gelöst werden, obwohl die alten Grenz- linien zwischen unseren gelehrten Zünften sich an vielen Punkten, nicht zum Schaden der Forschung, verwischt haben und immer mehr ver- wischen werden. Aber auch die theologischen Fakultäten erhalten Arbeit in Fülle. Mit einem einzigen Satz kann man die uns gestellten Aufgaben so formulieren : wir haben mit Hülfe der Selbstzeugnisse der antiken Welt l uns den wirklich kulturhistorischen und psychologischen Standpunkt für die wissenschaftliche Betrachtung des Neuen Testaments zu erringen. Jene einseitig retrospektive Betrachtungsweise, deren vorwiegend dogma- tisches Interesse uns nur allzu oft religionsblind gemacht hat, ist abzu- lösen durch religionshistorische und religionspsychologische Fragestel- lungen. Dabei ist in diesen Schlagwörtern das Wort Religion viel stärker zu betonen, als es in der Regel geschieht. Die Beschäftigung mit rein religiösen Texten, mit sicher nicht aus wissenschaftlicher Reflexion stam- menden Kundgebungen der Frömmigkeit, muß uns, es kann nicht anders sein, den Blick für die im Neuen Testament lebendige Frömmigkeit schärfen. Aus dieser historischen und psychologischen Fragestellung wird eine neue Aufgabe hervorwachsen, deren Lösung gleich wichtig ist für die Einzelexegese wie für die Gesamtkritik unserer klassisch-christlichen Texte: die Herausarbeitung der verschiedenen Typen der religiösen Produktion innerhalb des Neuen Testaments. Was von vielen für eine große graue Fläche gehalten worden ist, wird als ein harmonisches Nebeneinander der verschiedensten Farbentöne erkannt werden. Welches Unrecht ist bei- spielsweise an der gewaltigen Gestalt des Evangelisten Johannes begangen worden, als man ihr in den Reden des Evangeliums einen "Gedanken- 1 Dabei sind natürlich die Selbstzeug- nisse des antiken Judentums und der übrigen semitischen Religionen, von denen wir in diesem Zusammenhang nicht zu sprechen hatten, eingeschlossen. 294 Die Typen der religiösen Produktion im N. T. Das Wörterbuch. fortschritt" und in der Epistel eine "Disposition" abverlangte, als wäre Johannes eine systematische Natur. Johannes liebt nicht das Fortschreiten auf endloser gerader Straße, er liebt wie sein Wappentier die Kreislinien, seine Produktion hat etwas Schwebendes und Brütendes, Wiederholungen sind bei ihm keine Abnormitäten, sondern die Kennzeichen einer Kon- templation, die er als köstliches Erbe von Paulus her hütet und vertieft. Ebenso plastisch lassen sich die sonstigen Typen religiöser Produktion herausarbeiten, Jesus vor allen, aber auch Paulus und die anderen, die Seher, die Tröster und die Evangelisten. In weit höherem Grade, als es jeder Art von dogmatistischer Exegese möglich ist, wird uns die historische und psychologische Exegese ver- ständlich machen, warum der Christuskult dazu bestimmt war, die Welt- religionswende heraufzuführen. Und die Kräfte des inneren Lebens, die sie im Neuen Testament wieder frei macht, werden auch unsere Gegen- wart in ganz anderer Weise befruchten können, den Mühseligen und Be- ladenen (nicht den Satten und Gelangweilten) heute Erquickung spendend wie am ersten Tag. 5. Aus der Fülle von Spezialproblemen sei schließlich eine Auf- gabe noch besonders herausgegriffen, die zur Zeit wohl die wichtigste Aufgabe der neutestamentlichen Forschung ist: das Wörterbuch zum Neuen Testament. Was ist ein Wörterbuch? Nach dem Urteil der Meisten etwas sehr Einfaches: da stehen in alphabetischer Reihenfolge hier die fremden Wörter, dort die deutschen Bedeutungen. Also gar nichts Besonderes und auch gar nichts besonders Wissenschaftliches, sondern vor allen Dingen ein geschäftliches Unternehmen und ein Buch für die Bedürfnisse des praktischen Lebens, etwa wie ein Kursbuch oder ein Adreßbuch, äußerlich betrachtet vielleicht ein recht stattlicher Band, innerlich aber mehr der Technik, als der Wissenschaft verwandt: die Hauptsache ist, daß ein Verleger da ist, alles Weitere findet sich von selbst. Und wir gedenken der Tage, als wir über den Caesar gebeugt von der Konstruk- tion der Rheinbrücke lasen und an unheimlich viele schwere Wörter ge- langend das Wörterbuch aufschlugen und nun auf einmal wußten, was dieses und jenes sonderbare Wort "bedeute". Alles wirklich ungeheuer ein- fach, wenigstens für einen Menschen, der das ABC kann und außerdem so viel weiß, daß er das Wort trabs unter dem Buchstaben t zu suchen hat. Merkwürdig kontrastiert mit der weitverbreiteten wissenschaftlichen Geringschätzung des Wörterbuchs eine ebenso weitverbreitete sklavische Beugung unter die einzelnen Auskünfte des Wörterbuches: "hier steht's, so ist's", das ist die Meinung unzähliger, die ein fremdes Wort zu ver- dolmetschen haben und nun rasch das Wörterbuch zu Rate ziehen. Das Wesen der wissenschaftl. Lexikographie. Die großen Lexika. 295 Die wissenschaftliche Betrachtung und die wissenschaftliche Lexiko- graphie beginnt dagegen in dem Augenblicke, der uns lehrt, daß wir die Bedeutung eines einzelnen Wortes nicht ohne weiteres aus dem Buche ablesen können, daß wir vielmehr jedes Wort zunächst als ein Problem zu behandeln haben und erst dann wagen dürfen, wissenschaftlich über ein Wort zu reden, wenn wir seine Geschichte erkannt haben, d. h. seinen Ursprung, seine Bedeutung und seine die Bedeutung zerspaltenden und die Bedeutungen gestaltenden Schicksale. Das ist denn die Aufgabe der wissenschaftlichen Lexikographie : die Geschichte der Wörter zu rekonstruieren von den ältesten Zeiten, über die wir Quellen haben, ja von den durch die Sprachvergleichung hypo- thetisch ermittelten Urzeiten der Sprache an bis zu der Stunde, da wir die Wörter im Munde oder in der Feder eines bestimmten Menschen finden. So ist die Lexikographie, obwohl sie vieles technische Beiwerk hat und obwohl das übliche System der alphabetischen Anordnung nicht auf wissenschaftliche, sondern auf praktisch-technische Erwägungen zurück- geht, eine historische Wissenschaft: sie ist die historische Statistik des Wortschatzes. Als historische Wissenschaft ist sie eine junge Wissenschaft. Lexika hat es zwar gegeben seit Tausenden von Jahren ; historische Wörterbücher gibt es eigentlich erst seit dem neunzehnten Jahrhundert Zwei der neusten großen Wörterbücher seien beispielshalber hier genannt, beide noch unfertig: das von der Berliner Akademie der Wissenschaften vor- bereitete Wörterbuch der ägyptischen Sprache und das große lateinische Wörterbuch, das von der Vereinigung verschiedener Akademien gefördert wird, der Thesaurus Linguae Latinae. 1 Auch einen Thesaurus Graecae Linguae gibt es, ein großes teueres Werk von neun Folianten, aber dieser in unserem Buche öfter benutzte griechische Thesaurus entspricht in keiner Weise den Anforderungen wissenschaftlicher Lexikographie 2 und ist in jeder Beziehung veraltet. Dasselbe gilt von allen anderen griechischen Wörterbüchern, auch von dem zur Zeit in Athen erscheinenden Großen Lexikon 3 , das zwar groß, aber kein Lexikon ist Es gibt wohl kein Gebiet der klassischen Philo- logie, das heute von einer ähnlichen Rückständigkeit ist, wie die griechische 1 Vgl. darüber den unten zitierten Ham- burger Vortrag von Hermann Ddels. 2 Ober die Geschichte und die Aufgaben der griechischen Lexikographie orientiert am besten Leopold Cohn Griechische Lexiko- graphie, Anhang zu Karl Bruomann Grie- chische Grammatik 3 , München 1900. - Sehr verdienstvoll ist auch Hermann Schöne Re- pertorium griechischer Wörterverzeichnisse und Speziallexika, Leipzig 1907. 9 Msya Aeltxov rrjs EXXtjvixtjs rX&oorje AveOTTj KaiVOTavTLViBov, *v Athjvate 1901 ff. (bis jetzt 3 Bände). 296 Die griech. Lexikographie. Der bibl.-christl. Thesaurus. Das Wörterbuch zum N. T. Lexikographie. Weder die großen Fortschritte der Etymologie 1 , noch die Probleme des Bedeutungswandels, noch die gewaltige Bereicherung des statistischen Materials durch die neuen Texte 2 sind heute in irgend einem griechischen Handwörterbuch genügend berücksichtigt, wenn auch zu hoffen ist, daß die von Wilhelm Crönert in Angriff genommene Neu- bearbeitung des alten Wörterbuchs von Franz Passow den Anfang zur Besserung bedeuten wird. Auch der Umstand, daß die vorhandenen Lexika fast gar nicht in die gelehrte Diskussion einführen und fast gar keine offenen Fragen andeuten, gibt ihnen einen mehr dogmatischen, als wissenschaftlichen Charakter. Welche Aufgaben von der modernen Lexikographie zu lösen sind, hat Hermann Diels an einem einzelnen Worte 8 meisterhaft gezeigt, wie er uns auch die Undurchführbarkeit des Riesenprojekts eines neuen griechischen Thesaurus nachgewiesen hat 4 : 10 Millionen Mark würden die Vorarbeiten kosten, 120 Bände würden herauskommen, 6000 Mark wäre der voraussichtliche Ladenpreis dieses Monstrums. Statt eines ein- zigen Gesamtlexikons seien etwa zehn Einzellexika herzustellen. Eines dieser großen Lexika muß das gesamte mit der Septuaginta- bibel beginnende, übers Neue Testament zu den griechischen Vätern reichende biblische und altkirchliche Schrifttum unliterarischer und lite- rarischer Art behandeln, nicht, um diese Texte aufs neue sprachlich zu isolieren, sondern um ihrer inneren Verwandtschaft und Zusammengehörig- keit willen. Zuvor aber muß auch für diesen biblisch-christlichen Thesaurus noch manche Vorarbeit getan werden. Hauptsächlich die Lexikographie der Septuaginta und des Neuen Testaments ist auf die neuen Grundlagen zu stellen, die uns der Wortschatz der Umwelt in den Inschriften, Papyri usw. darbietet, und aus den praktischen Bedürfnissen des Bibelstudiums heraus erscheint die Neubearbeitung eines die Forschung fortführenden, aber zu- gleich für die Zwecke des Studiums brauchbaren Wörterbuches zum Neuen Testament zur Zeit als die notwendigere der beiden Spezialaufgaben. . Die Lexikographie der griechischen Bibel hat eine ehrwürdige Ver- 1 Einen guten Anfang für die Schule macht Hermann Menge Griechisch-Deutsches Schulwörterbuch, Berlin 1903. - Für den wissenschaftlichen Lexikographen kommt hauptsächlich in Betracht Walther Prell- witz Etymologisches Wörterbuch der Grie- chischen Sprache*, Göttingen 1905. a Nach anderen hat neuerdings besonders H. van Herwerden die neuen Einzelheiten gesammelt (Lexicon Graecum Suppletorium et Dialecticum, Lugduni Batavorum 1902; Appendix Lexici Graeci . ., ebenda 1904; Nova Addenda . . in den M61anges Nicole, Geneve 1905, S. 241 ff.). 3 Elementum Eine Vorarbeit zum grie- chischen und lateinischen Thesaurus, Leipzig 1899. Vgl. Theologische Literaturzeitung 26 (1901) Sp. lff. 4 Der lateinische, griechische und deutsche Thesaurus, Bericht, erstattet auf der Ham- burger Philologenversammlung [1905], Neue Jahrbücher für das klassische Altertum usw. 1905 I S. 689ff. Die ersten Anfänge der biblischen Lexikographie. Ein Amulett. 297 gangenheit. Schon Philon von Alexandria, der Zeitgenosse Jesu und des Apostels Paulus, hat höchstwahrscheinlich eine Erklärung der hebräischen Namen der Septuaginta verfaßt, die später von Origenes und Hieronymus benutzt worden ist. Daß aber auch ins christliche Volk Stücke dieser älte- sten lexikalischen Tradition schon früh eingedrungen sind, zeigt ein kost- bares ägyptisches Papyrusfragment 1 der Heidelberger Universitätsbibliothek aus dem dritten oder vierten Jahrhundert nach Christus (Abbildung 53); auf diesem Blatte, einer der wenigen ganz alten christlichen Reliquien, sind wahrscheinlich zu Amulettzwecken kräftige und trostreiche biblische Namen und Sprüche mit griechischer Obersetzung aufgezeichnet, und die Übersetzungen sind abhängig von der gelehrten lexikalischen Tradition 2 . Der Text lautet in buchstäblicher Umschreibung: A(>ma jqoovs JooafTTjpia Arima. Jesus: Jo* Heil. ApifjX OfWv&v Ariel: Mein Licht Gottes. A5a V l ta%va&v Azael: Kraft Gottes. (durchgestrichenes Wort)] (durchgestrichenes Wort) 5 Itoftav Iacontoris 5 Joman: Jao* Treue. laß aß Im narr]Q Jobab: Jo Vater. EU Eli, oa^axä'avt: d'eftov&e Eli Eli Sazachthani: Mein Gott t mein ttovtoTiptev%aTtXint$ Gott, wozu hast Du mich verlassen? Avarjl %aqio&v Anael: Gnade Gottes. 10 IovSa[e] Ia.Q}e£o[u6]Xoyr}Ots 10 Juda[sJ: Jao Beke[nn]tnis. [l\^atjX OIXTiQ/UOV fJJerael: der Barmherzigkeit. [J]ey&as Iao>diavot£i6 [J]ephthae: Jao Eröffnung. [I]a*va&av IacaSofta fJJonathan: Jao Geschenk. [/]epoßoaX $txaopooavatTepo[e] fJJeroboal: obere Rechtsprechung. 15 [I)a>or}

^ATOAWATTION2HTH ^^ETXjCAlTHNTAXir-^^ Abb. 55. Marmorstele (Vorderseite) aus Rheneia mit Rachegebet für die' Jüdin Heraklea von Delos, ca. 100 v. Chr. ; jetzt im Museum zu Bukarest. Mit Genehmigung des K. K. Österr. Archäol. Instituts. Abb. 56. Marmorstele (Rückseite) aus Rheneia mit Rachegebet für die Jüdin Heraklea von Delos, ca. 100 v. Chr. ; jetzt im Museum zu Bukarest. Mit Genehmigung des K. K. Österr. Archäol. Instituts. und Interpungierung folgendermaßen (die Varianten der Seite' B sind unten notiert, von einer Kenntlichmachung der verschiedenen Zeilenabteilung ist abgesehen): EntxaXovftai xai d£ic5 rör &fdv xdv Hyuorov, rdr xvgtov tfftv nvrvudreuv xai ndarje oaoxöe, ini roi>s Sölou tpovev- oavras rj (papt/axeiiaarras rijv ra- la(7io)gov dtoQov 'HgdxXeav i%%&av- ras aÖTTJe rd dvairwv alpa d8{- xa>Sy tva o€rafS yirrjra* roK ipoveü- oaaiv ot"Tj)y r/ \ 6 avaixiov. B ar[. .]nov \ 7 ovrart'. B o[.]ro>£ Die Athener Stele. 307 roli rd Ttäaa \pv- •/$ ii> rrj atj/uepor ^idoai Tantivoürai ufifr' IxeTetae, Xva iySixijarje rd alna rd d- rairtov £qT/jortC xai rfjv raxionjr. 10 (Bi Wilhelm < J | 11 rr}-. Wilhelm t$ \ we?at: B we* I 12 iyStxijaijg: Wilhelm 4yfitxiJ0flS | fiiita'. B a[. .]u Die Athener Stele, die ich am 8. Mai 1906 sah, ist ebenfalls aus weißem Marmor gefertigt, oben mit einem Giebel geschmückt, unten mit einem Zapfen versehen, oben und links stark verstoßen, jetzt noch 0, 56 m hoch, 0,31 bis 0,33 m breit, 0,09 m dick. Sie ist einseitig beschrieben; 10 Abb. 57. Marmorstele aus Rheneia mit Rachegebet für die Jüdin Marthine aus Delos, ca. 100 v. Chr. ; jetzt im Nationalmuseum zu Athen. Mit Genehmigung des K. K. Österr. Archäol. Instituts. daß über der Schrift ein ebensolches Händepaar ausgemeißelt war, wie auf der Stele in Bukarest, unterliegt der ganzen Beschaffenheit des zer- störten Oberteiles und einigen Resten nach nicht dem geringsten Zweifel l 1 Wilhelm Sp. 12. 20* 308 Mosaik aus der Septuagintabibel. Das Händepaar. (Abbildung 57). Der mit Hilfe der Bukarester Inschrift sicher zu er- gänzende Text lautet so: [Enix\aio[vuat. xai d£iß röv &töv röv #-] \\pi\oxo\y % röv %i)Qtor\ r&\v 7tvevpdrmi] [x)ai 7i[d]o[T}£ oaoxö)e, ini roi>e [Söltoi] G yivrjrai rol< v/r} 4v rrj orjf/toov ijt/doai ra- TZtirovrai ftefr* IxeTfla", Iva iyd*iXTJorj[s] rd alua rd dvalriov xai rtjv ra%ioTri[v\. 11 Tfj Wilhelm rg | 12 4yStxrjorj[f]: Wilhelm ixSixijor^ei Die Frage nach dem Alter dieser Texte in Athen und Bukarest soll erst nach ihrer Interpretation beantwortet werden; aber schon hier darf notiert werden, daß nach den Untersuchungen Wilhelms beide nicht nur von demselben Orte, Rheneia, stammen, sondern auch aus derselben Zeit. Die Interpretation darf beide Inschriften bei ihrer durchgängigen Über- einstimmung wie zwei Texte desselben Originals behandeln. Daß die Texte entweder jüdisch oder christlich sind, ist auf den ersten Blick klar; denn sie sind ein Mosaik aus der dem griechischen Judentum und dem griechischen Christentum gemeinsamen Bibel der Septuaginta. Die von Otto Hirschfeld l beachteten Anklänge an das Neue Testament sind tatsächlich, wie die genauere Vergleichung ergibt, Anklänge an die Septuaginta. Etwas spezifisch und ausschließlich Christ- liches in Formel oder Symbol enthalten die Texte nicht; immerhin wird man vor der Interpretation ein entscheidendes Urteil nicht abgeben. Das über der Schrift angebrachte Händepaar ist, wie schon Wilhelm 2 gezeigt hat, ein nicht seltenes Symbol auf heidnischen Steinen mit An- rufungen göttlicher Hilfe. Es konnte besonders leicht in den Gebrauch der Juden oder Christen übergehen, weil auch von ihnen die Hände beim Gebet emporgehoben wurden 3 . Um ein Gebet handelt es sich aber, und zwar um ein Gebet um Rache für zwei von unbekannten Frevlern ver- übte Mordtaten. Die Herübernahme des Händepaares erleichterte für diesen Fall der* vom alttestamentlichen Gesetz vorgeschriebene Ritus der Sühnung eines von unbekannter Hand verübten Mordes 4 . Ist dieses 1 Sitzungsberichte der philosophisch- | 3 Vergl. außer den alttestamentlichen historischen Classe der kaiserl. Akademie I Stellen z. B. 1 Tim 2s. der Wissenschaften (zu Wien] 77 (1874, Heft 4 5 Mose 21a. ?. xai ndaa ij y^ovo/a rrje IV- VI) S. 404f. 2 Sp. 16 f. Dort auch die gesamte Lite- ratur zu diesem Symbol. 7i öhote 4xfutjS ol 4yy(£ovriS np roavuaxtq tixpovrat rde xiZgat ini n)v xsfaXrjv rrje Aa- udlmts rrjs rfi-evpoxoTZTjftit'Tje iv rrf H i%i%cav tö alua roüro xrX. 1 An die auf (spätem Grabsteinen der Nachkommen Arons dargestellten Kohanim- hünde (Immanuel Low Der Finger in Litte- ratur und Folklore der Juden, Gedenkbuch zur Erinnerung an David Kaufmann, Bresalu 1900, S. 68) ist natürlich nicht zu denken. 2 Einzelbelege sind überflüssig. 3 Z. B. oft in den von Wessely edierten Texten. 4 Sp. 16. a Vgl. oben S. 219. 310 Einzelerklärung der Texte. Andere Heraklea- und Marthine-Inschriften. Tötung (5 Mose 194 8g &v 7tardEj] rdv nlrjolov ccötoü oi>x e tätig, vergl. 5 Tvxfj) von dem absichtlichen Mord (2 Mose 21u idv ö& %ig iTttfHjrai r sehr oft, yaQpaxevo) 2 Chron 33e Ps 57 [58]6 2 Makk lOis, rakai- TtwQog öfter, z. B. von einer Frau Ps 136 [137 |s, ätoQog öfter, z. B. ohne hebräische Vorlage Sprüche 10." lLo 132), sind aber alle nicht besonders charakteristisch; dasselbe gilt von dem häufigen ddlxcog. Zu den Namen der beiden ermordeten Mädchen Heraklea und Marthine hat Wilhelm ', der den letzteren mit Recht als aus MdQ&a ge- bildet erklärt, bereits alles Nötige bemerkt. Ober die von ihm geäußerte Vermutung, daß zwei andere ebenfalls in Rheneia gefundene Grabsteine mit den Inschriften Corpus Inscriptionum Graecarum II add. Nr. 2322 b 69 (Le Bas, lies 2039) 'Hgdxhja xQV GT V X a ^Q B un( * Corpus Inscriptionum Grae- carum II add. Nr. 2322 b 78 (Le Bas, lies 2041) MaQ^lvrj Eirdxrov zQV°rf Xqlqb sich auf dieselben Opfer jener Mordtat beziehen, wage ich kein Urteil abzugeben. Aber ich möchte die Frage wenigstens aufwerfen, ob an zwei zeitlich verschiedene Morde zu denken ist, oder ob Heraklea und Marthine zusammen den Tod durch Mörderhand gefunden haben. Die letztere Annahme halte ich bei dem Zusammentreffen beider^Inschriften auch an der entscheidenden Stelle Z. 10 ff. für die wahrscheinlichste, wie- wohl die andere natürlich nicht völlig ausgeschlossen ist. Dem LXX-Leser sehr vertraut ist ixziavtag atiTtjg %6 dvalttov alpa (Z. 5 f. resp.6f.): atfia ix%ito ist eine, wenn auch nicht spezifisch "biblische" 2 , so doch der griechischen Bibel sehr geläufige Wendung- Auch alfia dvalttov findet sich fünfmal, und 5 Mose 19io finden wir die ganze Ver- bindung xccl otx &xxv&rj(J£Tai atfia dvalttov. Iva (Z. 7) Steht nach den beiden Verba des Bittens für örzwg, wie oft in der Bibel und anderen Koine-Texten 3 . Der Sinn der formelhaft klingenden Bitte Iva otitwg ytvr r toi xrL ist der: die schuldbeladenen Mörder sollen ebenfalls von einem gewaltsamen Tode ereilt werden, wie ihre unschuldigen Opfer; ofatog ist stark betont und scheint geradezu ebenso zu bedeuten, ein Gebrauch, den man als Verkürzung einer Ausdrucksweise wie LXX Richter h xa&üg oiv inoirjöa, ovnog dvxa7tido)xi fiot ö &eög begreifen kann. Sachlich steht das Gebet durchaus auf dem Vergeltungsstandpunkte von 1 Mose % 6 ixxicov atfia dv&Qfacov, dvtl tov aifiatog aifto€ ixzy&rjostat, Ott iv elxövt &£ov imolrjoa rdv äv&QU)7tov und 5 Mose 19io-i3. Auch der Zusatz xal tü)v %ixvo)v afoßv ist korrekt altbiblisch 2 Mose 20s tyti) ydg etfit x^Qtog 1 Sp. 14 ff. 2 Die Wörterbücher verzeichnen sie bei Aischylos. 3 Z. B. Ep. Arist. Wendland 17. 193. 226 imxakfto&ai Iva. Einzelerklärung. Die Engel. "Die Seele demütigen" 311 6 &eög aov, &sdg tyXiozjjg drcodidovg dfiagriag naxiqiav inl xixva icog TQlvrjg xal terdQxrig yevsäg toig ftiaoval pe, vergl. 347 4 Mose 14i8. Auch der allsehende Herr ist eine in der Bibel nicht seltene Form el l LXX Hiob 34-23 6 ydQ xtigiog ndvrag (Cod. A rd ndvra) 2 4 2 Makk 7ss (vergl. 3s9) zoü navzo- xQdroQog inÖTtzov &eov. Ihre Nachwirkungen sind stark : z. B. Ep" Arist. WENDLAND 16 zdv ydQ ndvzwv 47tÖ7tzrjv xal xziazrjv &böv, Clem. Rom. 1 Kor 64 6 7cavTS7tönTf]g $eög vergl. 59 zdv irtÖTtztjv dvd-Qiortlvcov £(>yu>v, Bleitafel von Hadrumetum * 36 itavzsyönzov, ein Gebet des Großen Pariser magischen Papyrus nennt die heiligen TtdQsdQot des Großen Gottes (die Engel) 1369 7cavz€7t6nzag und 1353 i(pönzag*\ in demselben Papyrus heißt Gott 2195 f. 6 dvoiv xal dvazotyv ifogföv xal fiBarnißqlav xal ägxzov drtoßtätwv & . Die Mitanrufung der ävyskoi &eo€ (Z. 10) berechtigt uns nicht, auf einen besonderen Engelkult zu schließen. Das Gebet hält sich vielmehr durchaus innerhalb des biblischen Glaubens. Beides, eine Engelanrufung und die Gewißheit, daß die Engel den Willen Gottes ausführen, finden wir schon LXX Ps 102 [103]2o vöXoyGizs zdv xvqiov ndvzsg oi dyyekot 01;- zov> öwarol la%fä rtoioüvreg zdv köyov afaov. Auf die entsprechenden spätjüdischen Vorstellungen hat schon Wilhelm 6 verwiesen. Die bedeutsamste und für die Gesamtbeurteilung der Texte ent- scheidende Stelle ist zweifellos Z. 1 1 f. : öi rtdaa \pv%ii iv zfj a^fisQov fai- (>ai xait&ivovzai fisd^ Ixezsiag. Alle Wendungen, näaa ipvxtf, iv zf\ ai}- fieQov JjpiQa, xansivöio, ixexela sind in der griechischen Bibel Alten Testa- ments mehr oder weniger häufig. Auch der ganze Satz klingt an LXX 3 Mose 23-29 7täoa xpvx^, rjxig [*$ Ta7teivü)\MjO€Tai iv atizfj zfj JjfieQa zatizj] an, welche Stelle wohl auch Wilhelm 7 im Auge hatte. Aber wir würden mit dem bloßen Hinweis auf diese formale Abhängigkeit von der grie- chischen Bibel wenig erklärt haben. Die Frage ist: was ist unter dem heutigen Tage, an dem sich jegliche Seele anter Flehen demütigt zu ver- stehen? Es muß sich um einen Festtag handeln, das hat bereits Ditten- berger 8 gesehen, ohne allerdings selbst eine Erklärung zu geben. Aus dem Texte selbst scheint sich nur zu ergeben, daß ein allgemeiner Bet- tag gemeint ist. Aber wir finden doch mehr. Die Wendung \pv%jjv za- 71BLV0VV steht nämlich offenbar nicht in dem allgemeinen ethischen Sinne 1 Vgl. Bibelstudien S. 47 und oben S. 251. * Cod. A hat also, wie schon Wilhelm Sp. 15 f. andeutete, dieselbe Lesart, die unsere Inschriften voraussetzen, nur mit dem Artikel, der aber auch 2 Makk 12m 15s fehlt. 3 Bibelstudien S. 30. 47. 4 Wessely S. 79 u. 78. 5 Wessely S. 99f. 6 Sp. 18. 7 Sp. 16. 8 A. a. O. S. 677: "Quinam potissimum dies festus intelligendus sit, . . diiudicandum relinquo". 312 Fast- und Bettage. Der Große Versöhnungstag. sich demütigen (so LXX Jes 2n Ps 43 [44]2e Sir 2n 7n, vergl. den Ge- brauch von Taneivotiv in den Evangelien und anderen altchristlichen Texten) gebraucht, sondern, wie der Zusammenhang ergibt, in dem technisch- rituellen Sinne sich kasteien = fasten. Die griechische Wendung ist der hebräischen "e: rs:y genau nachgebildet und steht so LXX 3 Mose I619. 31 2327. 29. 32 Jes 583. 5 (wahrscheinlich von hier aus Vers i<> durch Be- deutungserweiterung hungern) Judith 49 (vergl. 13) und ist Ps 34 |35]t3 aus- drücklich kommentiert xal iranslvovv 4v vrjOTsiq Ti}r ipvxtfv fiov. Also nicht bloß von einem Bettage, sondern von einem Fast- und Bettage spricht unser Text. Haben wir dabei etwa an einen wegen der Ermordung der beiden Mädchen ad hoc abgehaltenen Fast- und Bettag zu denken? Von gelegentlichen öffentlichen Fasttagen aus Anlaß einer großen Gefahr oder schweren Heimsuchung ist in den Quellen öfter die Rede 1 ; be- sonders instruktiv ist z. B. die Notiz des Mischna-Traktates Taanith III 6, die Ältesten von Jerusalem hätten einmal ein Fasten ausgeschrieben, weil die Wölfe zwei kleine Kinder gefressen hätten. Daß diese Fasttage zu- gleich Bettage waren, liegt in der Natur der Sache, wird aber durch die Erzählung Judith 49-13 ausdrücklich bestätigt. Gegen die Annahme, daß die Glaubensgenossen der beiden Er- mordeten in Delos unter dem furchtbaren Eindruck der dunklen Tat einen außerordentlichen Fast- und Bettag abgehalten haben, spricht jedoch die Wendung ndaa xpvx^ die vielmehr auf einen allgemeinen Fast- und Bet- tag hinweist. Dabei ist ndaa natürlich nicht zu pressen; gemeint ist nicht jeder Beliebige, sondern jeder, der die Hände aufhebt zu dem höchsten Gott, dem Herrn der Geister und alles Fleisches, mit anderen Worten jeder Jude. Damit haben wir schon Stellung zu der Frage genommen, ob der Text christlich oder jüdisch ist. Der Festtag, an dem alle fasten und beten, ist nämlich dery'om hakkippurim, der Große Versöhnungstag, auf den sich gerade die oben genannten Bestimmungen des Gesetzes über das ipvzfiv ransivovy beziehen. Alle anderen Ausdrücke der Texte könnten zugleich christlich und jüdisch sein; der eigentlich charakteristische Satz fordert aber die Beziehung auf den jüdischen Versöhnungstag geradezu heraus, während er wohl auf kein einziges altchristliches Fest ohne Zwang bezogen werden kann. Die Vermutung Wilhelms, daß die Texte jüdisch sind, wird durch diese Erklärung bestens bestätigt. Zur Sache ist noch folgendes zu bemerken. Daß gerade am Ver- söhnungstage ein Gebet um Rache gebetet wird, ist nicht auffallend, wenn man sieht, daß auch spätere Gebete des Versöhnungsfestes um Rache für das vergossene Blut bitten 2 . Solche Rachegebete stehen, diese Bemerkung 1 Man findet die Belege immer noch | sehen Bibl. Realwörterbuch I 3 (1847) S.364f. am besten zusammengestellt im alten Winer- , 2 Ein Kenner wird mehr Belege haben Einzelerklärung. Die Wiederholung des Textes. Das Alter. 313 soll nicht unterbleiben, gewiß unter dem Gebete Luk 2334, aber auf der- selben Stufe wie das Gebet Offenb Job 610. Auch die beiden letzten Zeilen entsprechen dem ganzen Befund. Ich vermute, daß die Vorlage des Steinmetzen gelautet hat: Iva iydixrjoTjg tö alfia %ö dvalnov xal tyjti/joTjQ rf/v ta%lG%7\v und kann mir keinen not- wendigen Grund für Dittenbergers von Wilhelm l adoptierte Umstellung Iva uijTi}a^g tö ävalxiov alfia xal SydixifjOflg tjjv xa%laTr\v denken. Beide Verba sind synonym; deshalb konnte LXX Joel 3 [4]2i für ixtrjrifjocj %6 alfia der Cod. A ixdixtfaa) rd al/xa schreiben, alfia ixdixsiv steht sonst noch LXX 5 Mose 3243 2 Könige 9?, alfia trjxslv ist gebraucht wie das in LXX sehr häufige (vergl. auch Luk ll&o) alfia ixCr}T8lv. Der Schluß rfv raxlarrjv, formelhaft auch 1 Makk II22, erinnert an das sehr häufige fjdr] jjdr] %a%ij xa%6 vieler Beschwörungsgebete 2 . Ähn- liche Formeln sind aber auch aus den offiziellen jüdischen Gebeten be- kannt: die zwölfte Beracha des Schmone-Esre - um nur dieses eine Bei- spiel zu nennen 3 - lautet: .... alle, die Böses tun, mögen schnell zu gründe gehen und sie alle baldigst ausgerottet werden; und lähme und zerschmettere und stürze und beuge die Übermütigen bald in Eile, in unseren Tagen*. Man wird auch an das altchristliche iv %ä%£i Luk 18s Rom I620 Offenb Joh li 22e und ra%v (oft in Offenb Joh) erinnert. Die Beobachtung von L. Blau 5 , daß es in den jüdischen Beschwörungs- texten - begreiflicherweise - nicht an Anklängen an das Gebetbuch fehlt, wird durch diesen kleinen Zug aufs neue bestätigt. Noch eine Frage hat die Interpretation zu beantworten. Weshalb ist auf der Bukarester Stele der Text doppelt ausgefertigt? Es ist zu ver- muten, daß das Gebet dadurch noch eindringlicher gemacht werden sollte : die Wiederholung macht den Spruch kräftiger*, das gilt wohl auch hier. Die Frage nach dem Alter unserer Texte^ist durch den ersten Heraus- geber Le Bas von der Voraussetzung aus beantwortet worden, daß es sich um eine christliche Grabinschrift handle. Aus der Ähnlichkeit mit ge- wissen Fluchformeln in christlichen Grabinschriften oder am Ende von christlichen Manuskripten*oder auch im kirchlichen Ritual glaubte er trotz als sie mir zu Gebote stehen. Ich halte aber einen einzigen Beleg aus zweiter Hand in unserem Falle für genügend. J. A. Eisen- menger Entdecktes Judenthum, 1700, II S. 101 zitiert aus der Dicken Thephilla, Frankfurt a. M. 1688, toi. 50 col. 2 ein Gebet für den Versöhnungstag: Madie midi auch würdig, die Ankunft Deines Gesalbten zu schauen, und räche Dein Volk, das Haus Israel, und räche das vergossene Blut Deiner Knechte geschwind und in unseren Tagen. 1 Sp. 13. * Vgl. z. B. Bibelstudien S. 43. 3 Viele Belege geben die jüngeren Ge- betbücher, vgl. das geschwind und in un- seren Tagen des vorhin zitierten Gebetes der Dicken Thephilla. 4 Übersetzung von Schürer Gesch. des jüd. Volkes im Zeitalter Jesu Christi II" S. 461. 8 Das altjüdische Zauberwesen S. 110. 6 Ebenda S. 86 von jüdischen Beschwö- rungsformeln. 314 Die Inschriften werden immer älter. Fortschritt der Epigraphik. der zu seiner Ansetzung nicht recht passend erscheinenden Schriftformen schließen zu müssen, daß die Inschrift etwa ins elfte oder zwölfte Jahr- hundert nach Christus gehöre! Ein nachdenklicher Leser seiner Unter- suchung hätte nun freilich schon ohne jedes weitere Hilfsmittel ein zwei- faches sehen können: daß die charakteristisch christlichen Wendungen der von Le Bas zitierten späten Fluchformeln dem Inschrifttexte fehlten und daß die wirklichen Ähnlichkeiten der Inschrift mit jenen späten Fluch- formeln bloß in den von Le Bas durch Konjektur ausgefüllten Lücken des Textes sich vorfinden 1 . Es war deshalb durchaus berechtigt, daß Wilhelm für die Altersbestimmung statt von der petitio principii der Christ- lichkeit des Textes von den Buchstabenformen und der äußeren Be- schaffenheit der Stele ausging. Er kam zu dem Resultat, daß die Schrift im zweiten Jahrhundert vor Christus geschrieben sei!! Diese ungeheuer- liche Meinungsverschiedenheit zweier Epigraphiker könnte uns mißtrauisch machen, wenn nicht eben zwischen 1836 und 1901 mehr als ein halbes Jahrhundert epigraphischer Forschung mit gewaltiger Vermehrung des Materials und sicherem Fortschritte der Methode läge. Die Geschichte der Erklärung unserer Texte ist die Geschichte dieses Fortschrittes. Im Jahre 1874 hat Otto Hirschfeld 2 den Bukarester Text (dessen Chrono- logie von der des Athener Textes nicht verschieden ist) "der Schrift nach" für schwerlich jünger als das zweite Jahrhundert nach Christus erklärt, und 1900 setzte ihn W. Dittenberoer a auf Grund der Schrift ins erste Jahrhundert nach Christus. Nun hat Wilhelm den Athener Text noch höher hinaufgerückt, und seinem Urteil haben sich drei Sachverständige auf Grund einer Autopsie des Steines angeschlossen. Auf seine Bitte haben nämlich, ohne vom Inhalte Kenntnis zu nehmen, Th. Homolle, P. Wolters und F. Frhr. Hiller von Gärtrinoen die Schrift geprüft und dem zweiten Jahrhundert vor Christus zugewiesen, "ohne selbstverständ- lich Entstehung in den ersten Jahrzehnten des folgenden Jahrhunderts, jedenfalls vor der Plünderung des Jahres 88 und dem Niedergange von Delos auszuschließen" *. Zu diesem Urteil dürfen wir volles Vertrauen haben. Die Wahr- scheinlichkeit eines christlichen Ursprungs ist durch die Interpretation beseitigt. Für ein hohes Alter spricht die Schlichtheit der Texte: diesen Formeln fehlt noch ganz das krause Durcheinander der späteren Incanta- menta. Der epigraphischen Datierung durch die Sachverständigen zu 1 Le Bas ergänzt Zeile 2 u. 3 ["/] fjäs, xai ij ßao[jtktia rtüv ovparäi] ifTÖe vu&v [i\art [xai Sons Ar iavrdt] yvcb Taürrjv eÖ0i}[oet ] iavToifS yic&oeod'e 1 [xai htSt^OFTf Ort i ioi] iare iWft ro€ narpde to€ t [ ] 20 yvt&o(co)fa* iavToüe ir [. .' | xai \>itiU dort r^nro [. . .| Es spricht Jfesus: Wer sind esj 10 die uns ziehen [in das Königreich, wenn] das Königreich im Himm[el ist? J Die Vögel des Mimfmels und alles Getier,] was unter der Erde isft oder auf der Erde, und] die Fische des Mee[res, diese sind es,] 15 die euch [ziehJen, und das Königreich des Himmels] in euerm Innern [i]st es, [und wer immer sich selbst] erkennt, wird es find[en ./. Euch selbst erkennet, [und ihr werdet wissen, daß Söhne] ihr seid des Vaters des [ ./ 20 Erkennet euch selbst [ .] und ihr seid .... Diese ganze Ergänzung ist letztlich veranlaßt durch eine bestimmte Aulfassung des Wortes tkxovreg, das die Herausgeber sensu bono und zugleich sensu ethico nach Analogie von M.xvw Joh 644 und 12st ver- stehen. Ich muß bekennen, daß mir diese Bedeutung weder beim ersten Lesen noch nach längerer Überlegung einleuchtete, und daß ich in dem ganzen Ausspruch bei der Ergänzung der Herausgeber manches finde, was mir unverständlich, sachlich sonderbar und sprachlich bedenklich zu sein scheint. Mein erster Eindruck des ihcovxeg war derselbe wie in der Stelle Jak % u. a. zerren, schleppen; ich stimme also sachlich mehrBARTLET zu, der den Herausgebern eine andere Ergänzung vorschlug, die ihtio im Sinne von verfolgen nahm. Freilich kann ich mir auch die BARTLETSche Ergänzung nicht aneignen. Unter demselben Vorbehalt, den ich bei der Ergänzung des angeblichen Evangelien-Fragments von Kairo * ausspreche (und der für jeden Sachkenner ja selbstverständlich ist), wage ich folgen- 1 Streiten läßt sich über den Sinn des , - Papyrus: yva>o>o&at. Wortes; vgl. die neue Behandlung von A. j 3 Papyrus: yvoto&t. Harnack in den Sitzungsberichten der Ber- 1 4 Siehe unten Beilage Nr. 3. liner Akademie 1904, S. 175 ff. I Das zweite Logion. 319 den Versuch vorzulegen, bei dem es natürlich nicht auf die Einzelheit (die mannigfacher und naheliegender Variation fähig ist) ankommt, son- dern auf die Idee der Wiederherstellung; die Wort- und Sachparallelen, die wenigstens das hypothetische Recht meiner Ergänzung ergeben, sind unten notiert. liyet *I[rj{;' n&e liyovotv '] 10 ol ikxovree iJ^Äs* [eig t<4 xpirrjpia*, 3zt\ ij ßaaiXefa kv o$oa[*>{p iativ; fi^n 8öra{r)Tnt*\ rd nertträ toü uds . xal ij ßao\tle(a Sums fiivxot 1 ] Ivxöi iuätv [i]on[r; xal ÖS iäv rd tvrds üu&v] yvify raörrjv *$oij[aei 9 ] iavroi>s yv&oeo&s* [ivibntov roü 0*eo$ l0 9 xal rlo(\ iare tipete xoü nargds ro€ r[sietov h> o4fav<£ n .] 20 yva%o{6o)d'e iavroite iv[a\ntov x&v Avfyt&TTtuv 1 *,] xal üftfU dar r, g 7iro[elad'e IJ .] Es spricht Jfesus: Wie sagen diej 10 die uns zerren [vor die Geridite, daß] das Königreich im Himm[el ist? Können etwa] die Vögel des Himfmels erkennen,] was unter der Erde ist? [Und, was im Himmel ist,] die Fisdie des Mee[res? So sind diej 15 die euch [zerr]en. Und das Königreich - trotz alledem] in euerem Innern [i]st es. [Und wer euer Inneres] erkennt, wird es find[en J Euch selbst erkennet [vor Gottes Angesicht, und Söhne] seid ihr des Vaters, des vollkommenen im Himmel] 20 Erkennet euch selbst v[or der Menschen Angesicht,] und ihr seid da, wo ihr er[sd\redken müßt]. Ich verstehe das Ganze als Wort an die Apostel, gesprochen aus der Stimmung der sonst bekannten Aussendungsworte. Als höhnender Ein- 1 Mark 12 3 s Luk 20 4 i. ' tlfias könnte, wie schon Grenfell und Hunt gesehen haben, für vpae stehen. 3 Jak 2e ; ebenso gut paßt natürlich avi i- S\ua Matth 10.7 Mark 13q. * Luk 639. ' Zum Chiasmus der Satzsteilung vgl. Ed. König Stilistik, Rhetorik, Poetik in be- zug auf die biblische Literatur, Leipzig 1900, S. 146f. 6 Luk 12" usw. 7 Joh 1242 ; zum Gedanken Luk 10n. 8 Zum Gedanken vgl. Matth 10*o. • Das Futurum steht adhortativ; das folgende xal führt die Konsequenz ein: er- kennet euch - . ., und ihr seid 10 Luk 16.5. 11 Matth 5*8. " Luk I615. 14 D. h. und ihr seid da, wo ihr er- schrecken (Luk 21o) müßt. Zum Gedanken ist Luk 1 61 5 zu vergleichen: sich erkennen vor den Menschen ist die Vorstufe des sidi rechtfertigen vor den Menschen. Nahe verwandt, nur anders orientiert, ist 1 Joh 3i tSers noran^v äydnrjv 8i8o>xev tf/uTv 6 na- rfjo Xva tixva &eo€ xlrj&ßuev xal ioviv. StA tovto 6 xöouos [sachlich identisch mit ol ävd'gatnot] ov y iv (boxet J]/uäe. - Das rätselhafte rjnro in Zeile 21 könnte an und für sich auch zu 1} nrorj (die Furcht, 1 Makk 3u 3 Makk 617 Kod. A) oder 1} nrö- fjate (die Furcht LXX, 1 Pe 3") ergänzt wer- den. Aber ihr seid die Furcht wäre zu sonderbar. 320 Das dritte Logion. wand gegen die Botschaft der Apostel "das Reich ist nahe herbeige- kommen" würde im Munde der Gegner ein Satz "das Reich ist im Himmel" gut denkbar sein. Der Vergleich mit den Vögeln und den Fischen illu- striert die Verständnislosigkeit der Gegner. Einfacher und meines Erachtens mit prinzipiell größerer Sicherheit läßt sich das folgende Wort ergänzen. Die Herausgeber drucken es so: III. [ Uyti '/jj-l OVK &7ZOXVtjO£l dvd[om7lOS ] qwv hnfQtovrjoat l na[ ] QMV TtfOl TOV TÖ7ZOV T^|te" 1 25 aere Sri noXXoi iaovrat 7t[oc?JTot lo%arot xai] ol ia^aroi no&roi xai [ ] atv. Sie schlagen Zeile 24 halb und halb rf t [g ßaoiketag] und Zeile 26f. [lioijv atcoviov €$ov]oiv vor. [Es spricht Jesus:] Nicht zaudern wird ein Mefnsch .] zu fragen . . [ .] wegen seines Platzes [im Königreich. Ihr sollt wis-] 25 sen t daß viele, die *E[rste" sind, Letzte] sein werden [und] die "Letzten* Erste und [daß diese ewiges Leben haben werd-] en. Auch hier muß ich einen ganz anderen Weg gehen; Luk 14?". gibt mir den Fingerzeig: [ Uyet 7^7-) ovx dnoxirjoti dv&[pojno6 xXrjd'ds 0€*>..[ nav <$a>pov xq eav [ qpiXove avrov xa& [ ßaadecoe X [ 4*0 . . V [ 10 Verso 10 ] . t{>f/T}veveTo> aoi o [ ] tXr)aTT)yoe] xai rr}v firiTfQa avrov xcu v % t&v xai Otooeßiov* Platz der Juden, die auch Gottesfurchtige heißen. Von Juden in Milet wußten wir seither nur durch ein Schreiben des Prokonsuls von Asien an die Behörden dieser Stadt, die Juden sollten nicht gehindert werden, ihre Sabbathe zu feiern, ihre religiösen Gebräuche auszuüben und ihre Einkünfte nach ihren Gewohnheiten zu verwalten 4 . Unsere Inschrift ist ein Originalbeleg für die milesische Judengemeinde. Vielleicht hat Paulus, als er in Milet weilte 5 , irgend welche Berührung mit den dortigen Juden gehabt 6 . Sehr merkwürdig ist die Form des Namens Qottesfürditige'. Die Form die Gott Fürchtenden* ist sehr bekannt, aus der Apostelgeschichte und anderen Quellen 9 ; sie bezeichnet die dem jüdischen Kultus nahe- 1 Vgl. oben S. 8 f. und Abb. 1. 2 D. h. *Iov8alcov. 3 D. h. Beooeßton: ZlEBARTH Kultur- • AGesch 20". i7, auch 2 Tim 4io. Es ist das Wahrscheinliche, daß Paulus überall, wo Juden waren, zuerst bei ihnen bilder aus griechischen Städten S. 73 erwähnt | Anknüpfung suchte. diese Inschrift irrtümlich in der Fassung to- kos EtovSaiaiv (piXoosß&OTcoT. 4 Josephus Antt. 14, IO21 vgl. Schürer IIP S. 68. 7 ßfoaißtot. 8 < 328 Die sog. Planeteninschrift am Theater zu Milet ein spät- christlicher Schutzzauber. In der Nordwestecke desselben Theaters, dem wir die eben bespro- chene neue Inschrift verdanken, steht auf der Außenmauer eine längst bekannte Inschrift, die als die "Planeteninschrift" von Milet oftmals be- handelt worden ist. Ich kannte sie aus dem Corpus Inscriptionum Grae- carum Nr. 2895 und hatte sie wohl auch gelegentlich in neutestamentlichen Kommentaren als Beleg für kleinasiatischen Engelkult * zur Zeit des Paulus bei Kol 2is zitiert gefunden. Als sie uns am 17. April 1906 im hellsten Lichte der jonischen Sonne von Theodor Wieoand in situ gezeigt wurde, empfand ich sofort einen starken Kontrast zwischen dem Augen- schein und dem mitgebrachten aus dem Inschriften-Corpus stammenden Erinnerungsbilde: die Inschrift machte einen recht jungen Eindruck und erinnerte mich mit ihren formellen "Fehlern" an die Eigentümlichkeiten frühbyzantinischer Papyri. Wiegand bestätigte diesen Eindruck durch sein Urteil über den Schrift- charakter und besonders durch die von ihm sicher rekonstruierte Bauge- schichte des Theaters 2 . Sein Urteil, dem auch Schürer 3 beigetreten ist, trifft mit der Auf- fassung von Cumont 4 zusammen, steht in scharfem Gegensatz zu der 1 Diese Verwertung der Inschrift ist, wie sich aus ihrem spätchristlichen Charakter er- gibt, ganz unmöglich. Der Engelkult, von dem Paulus spricht, ist ironische Bezeich- nung der strengen, durch das (von den Engeln stammende) Gesetz regulierten jüdischen Frömmigkeit. 2 Vgl. Sitzungsberichte der Kgl. Preuß. Akademie der Wissenschaften 1904, S. 91. Ein übereinstimmendes Stück desselben Textes ist inzwischen an einer anderen Stelle des Theaters gefunden worden. Es ist, wie mir Frickenhaus schreibt (Brief, Milet 28. Sep- tember 1907), die linke obere Ecke eines grauen Marmorblocks; oben links zwei Klammerlöcher; größte Höhe 18, 5 cm ; größte Breite 26,5 cm; größte Tiefe 32 cm; Buch- stabenhöhe 2- 2 7* cm. Die erhaltenen Buch- staben der Inschrift sind dieselben, wie am Anfang der großen Inschrift: ISOYAi (der letzte Buchstabe ist wohl Rest eines H); dar- unter A und der Rest eines e, darüber das- selbe Monogramm, wie in der großen In- schrift. 3 Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 6 (1905) S. 50. 4 Melanges d ' Archäologie et d* Histoire 15 (1895) S. 273. Die Erzengelinschrift von Milet. Ihr angeblich heidnischer Charakter. 329 hergebrachten Meinung, die den Text als einen heidnischen oder heid- nisch-jüdischen gewertet hat ", wird aber durch eine genauere Interpretation des wichtigen Textes vollauf erhärtet. Die Inschrift, von der ich hier durch Wiegands Freundschaft ein gutes Faksimile (Abbildung 59) geben kann (meines Wissens das erste nach einer Photographie hergestellte), hat folgende Maße 2 : erhaltene Breite 105 cm, Höhe 59,5 cm, Höhe der großen Buchstaben 2 - 2,5 cm, der kleinen 1,3 - 1,5 cm. Ihre eigenartige Anordnung ist aus der Abbil- dung deutlich zu ersehen. Sie beginnt mit einer aus Zeichen bestehen- Abb. 59. Christliche Erzengelinschrift am Theater zu Milet, frühbyzantinische Zeit. Mit Genehmigung von Theodor Wieoand" den Zeile; von jedenfalls ursprünglich sieben Zeichen sind fünf erhalten. Es folgt eine mit großen Lettern eingemeißelte Zeile, deren Buchstaben- verteilung auf der Abbildung verglichen werden möge 3 : ieOYAHUÜlAUüAieOYAHUÜlUüAeHOYlAUÜlHeOYGNONi [+ca. 14 Buchstaben] 1 Vgl. z. B. Ernst Maass Die Tages- götter in Rom und in den Provinzen, Berlin 1902, S. 244 f.: "Es ist ein Kompromiß wol zwischen Jüdischem und Hellenistischem" (S. 245). * Mitteilung von A. Frickenhaus, Brief, Milet 28. September 1907. 3 Der Text dieser Zeile ist im Corpus sehr fehlerhaft und zudem in irreführender Weise in einzelne Wörter gebrochen. 330 Der Text. Angebliche Planetenzeichen. Also eine Vokalreihe, scheinbar ohne erkennbares Prinzip der Variation ' ; vielleicht aber doch so zu trennen: Ieovatjm Iaotal Eovatjon QafTjovi Aafirjeov iv dv[6ftari % -\- ca. 9 Buchstaben] oder so: leovafjots AroA Jeovarjoti USW. Unter der Vokalreihe sind in roher Linienführung und ungleicher Raumverteilung von ursprünglich jedenfalls sieben Ovalen fünf vollständig und das sechste halb erhalten, jeweils genau unter dem Fußpunkte des in der ersten Zeile oben entsprechenden Zeichens. Jedes dieser Ovale trägt in kleinerer Schrift eine Inschrift, jede Inschrift beginnt mit der sieben- buchstabigen in genauem alphabetischen Wechsel variierten Vokalreihe (aerjiovtü, erjtovwa usw.) und schließt mit dem Gebet: Heiliger, behüte die Stadt der Mite sie r und alle, die sie be- (pölatov * ti,v nöktv xai ndvias Toi)S xar ot' uoüirat. wohnen! Unter dem Ganzen steht, wieder in der Großschrift der ersten Zeile: ^QXciyysi.01, yvläooeiat,* i) nölig MiX^altov xal 7tdvxeg oi xat[oixovvr€g.] Erzengel, behütet die Stadt der Milesier und alle, die sie be [wohnen !J Boeckh hatte seinerzeit an den Anfang seiner Erklärung im Corpus den Satz gestellt, es sei nicht zweifelhaft, daß die Inschrift sieben Felder für die sieben "Planeten" gehabt habe. Seitdem ist der Name *Planeten- Inschrift" fest geworden, obwohl die Behauptung Boeckhs die reinste petitio principii war. Und trotzdem Boeckh selbst gezeigt hatte, daß die über den Feldern stehenden Zeichen gar nicht die stereotypen Planeten- zeichen sind, heißt es in den Beschreibungen der Inschrift immer, sie beginne mit den "Planetenzeichen". Um sicher zu gehen, habe ich die Zeichen dem besten Kenner der antiken Astrologie Franz Boll vorge- legt und erhielt von ihm die Bestätigung, daß es keine Planetenzeichen sind; wenigstens habe er eine sichere entsprechende Probe davon bisher nicht finden können 5 . 1 Über solche Vokalreihen im Zauber siehe Bibelstudien S. 1 ff. Eine Trennung der Reihe durch Siebtelung der Vokale ist nicht möglich. * Diese Ergänzung ist nicht sicher. 3 Diese Lesung ist sicher; das Corpus gibt eine unrichtige Lesung. 4 D. h. £otJ, . . . 8ia ue änd ndorjs inrjQfias rov Aprixiiuivov (lepa ZworptS xai ra ayta na&rj uera rtov xvQtaxtov fvayyeliojv exSoon vfoirarrj ouola xaiä n&vTCL npde rrjv iyxExQiuivrjv vnd roO Otxovjuevtxoi) Jlarptapy m fiov Tflfvratav txd'u- oir, sv A&rjvaie 1094sic [1904], S. 90). 334 Zwei Schutzgebete aus Korinth. Einfluß der Liturgie. bedient. Sondern eher eine private Unternehmung, vielleicht der Wach- mannschaft des auf der ruhigen Wucht der antiken Quadern erbauten christlichen Bollwerks : das steinerne Gebet an die Fürsten der himmlischen Heerscharen um Schutz für die allen Fährlichkeiten eines schlimmen Zeit- alters ausgesetzte Stadt erschien dem Soldatenglauben als Schutzzauber wirkungsvoller. Unter der Regierung Justinians hat in Korinth oder am Isthmos ein kaiserlicher Beamter Biktorinos zwei, wenn man von den Zauberzeilen absieht, ganz ähnliche Schutzgebete an Christus und Maria in Stein hauen assen, mit ähnlichen Formeln und mit ähnlichen Fehlern ! . Sie scheinen mir den christlichen Charakter der milesischen Inschrift aufs neue zu be- stätigen und werfen vielleicht auch ein Licht auf die genauere Zeit ihrer Entstehung, die bei fortschreitender Erforschung der späten Stein- schriften ja gewiß noch näher ermittelt werden kann. Der EinfluS der christlichen Liturgie auch auf diese korinthischen Schutzgebete ist un- verkennbar 2 . 1 Inscriptiones Graecae IV Nr. 204 (Fund- ort Isthmos, jetzt vor der Demarchie in Neu- korinth liegend): t && ** y*"***, &*te *h- O'trde ix &toQ xaxd &säv*lc £d>rxas f \LUht vom Lidite, wahrhaftiger Gott vom wahr- haftigen Gott, behüte den Selbstherrscher Justinianos und seinen getreuen Sklaven Biktorinos samt denen, die in Hellas woh- nen und Gott gemäß leben f. Ebenda Nr. 205 (Fundort Korinth oder Umgebung, jetzt im Museum zu Verona): ^l4y(ia) Map/a, &so- röxfi, (pöXa£ov xi)v ßaotleiav xo€ (oxov 'lovOTiviaroQ xai xdv yvrjatcm SovXevovra ai)raj Btxxfopivov f ai>v rote olxoCntv 4v Ko- ptv&tp x(arA) &sd>v*kjf Züvra* f fHeilpge] Maria, Gottes gebdrerin, behüte die Königs- Herrschaft des Christusfreundes Justini- anos und den Biktorinos f. der ohneFalsdi ihm als Sklave dient, mit denen, die in Korinth wohnen und Gottf ge(mäß) lebeny. 9 Vgl. z. B. die Liturgie des heiligen Chrysostomos Swainson S. 92 Mvjo&rjxi, xti- Qie, xije Ttölscae h> jj naQOtxoüuev xai ndarjs nöXetot xai %cI>qos xai x&v niaxei xaxotxovt'- xmv iv avxats Gedenke, Herr, der Stadt, deren Beisassen wir sind, und einer jeg- lichen Stadt und Landschaft und derer, die im Glauben darinnen wohnen. 335 Verkannte Bibelzitate in syrischen und mesopotamischen Inschriften. (Mit geringen Veränderungen wieder abgedruckt aus Philologus 64 [1905] S. 475-478.) In der Byzantinischen Zeitschrift 14 (1905) S. 1-72 veröffentlichen Max Freiherr von Oppenheim und Hans Lucas "Griechische und latei- nische Inschriften aus Syrien, Mesopotamien und Kleinasien" *. Der größte Teil der griechischen Inschriften ist christlicher Herkunft; da sie meist da- tiert sind, haben sie einen besonderen Wert. Zumal für die Paläographie und Textgeschichte der griechischen Bibel 2 . Zwar die 1 Bedeutung in- schriftlicher Bibeltextzeugen überhaupt ist bis jetzt noch nicht genügend erkannt ; wer aber den Stand des Lukianos- und Hesychios-Textproblems überblickt, wird jedes sicher zu lokalisierende und zu datierende griechi- sche Bibelzitat willkommen heißen. Die genannten Inschriften enthalten nun verhältnismäßig viele Bibelzitate, und fast alle können lokalisiert und datiert werden. Soweit sie aus syrischen Ortschaften stammen, erregen sie unser Interesse wegen des Lukianostextes, dessen Einflußsphäre man ja besonders in diesen Gegenden zu suchen hat. Der Bearbeiter der In- schriften Hans Lucas hat die meisten Zitate natürlich erkannt; im folgen- den seien einige Inschriften aufgeführt, deren Bibelzitate von ihm entweder verkannt oder vielleicht absichtlich nicht notiert worden sind. Ich begnüge mich mit der bloßen Mitteilung, ohne dem Lukianosproblem und über- haupt den ganzen Textverhältnissen hier näher zu treten. Die Nummern sind die von Lucas gebrauchten, die Namen bezeichnen die Fundorte, die Abbildungen sind die von Lucas gegebenen. Nr. 15. 'All Käsün 394 n. Chr. ndvxa ix &eo€ stammt aus 2 Kor 5is. Nr. 21. Tamak 559 n. Chr., von Lucas gelesen ] oNOüceinPO ]NxePOYB6l und transskribiert 1 Vgl. auch die Notizen von Mercati I S. 279ff., die mir erst nach Druck meines im gleichen Bande der Byz. Z. S. 587 und ! Aufsatzes zu Gesicht kamen, von Clermont-Ganneau ebenda 15 (1906) \ ' Vgl. oben S. 12. 336 Identifikationen. Worte aus dem Hohenlied. und transskribiert ist Zitat aus LXX Ps 79 [80] i : [u Tiotuaivtvr r6v *IijX 7to6o%as, o bSrj/]ßv dtori no6- [ßaxa rdv 'laKnja*' b xafriji/sroe inl t&)v %eQOvßti[*t\ [iuydirjfrt Nr. 23. Ka§r Nawä nicht datiert, Faksimile Abbildung 4, von Lucas gelesen ]///,AHCIO ] TIOM ]0)PAIA0)C IPrOCAAA ]IKAAHKAI JhCOI t ? 7i)irjoiv- r . . . ,]rtov . . . fbpa/a <&c . . .]pyos SaS- . . . . xair} xai . . .]"• oot Hierzu bemerkt der Herausgeber: "Die Wiederherstellung des, wahrschein- lich religiösen, Inhalts will nicht gelingen. Manches erinnert an das Hohelied, vgl. 6, 3: Kakij el nkrjaLov fiov, 6 07iap\riov [t6 xöxxirov %el).r\ oov, xai fj lalid oov] tboaia. tos [linroor rrfe QÖat uijXdv oov' *<£ff nv]pyoe dttb* [rpA*/r]Xöe oov. 7 6lfj 7 ij nXrjoiov po\\ f]l xah} xai l itäiuoS oüx toriv i\r Ooi. f Zu JAJ = Juveid ist zu bemerken, daß auf dem Faksimile der Abkürzungsstrich erkennbar zu sein scheint. Nr. 24. Ka§r Nawä nicht datiert, Faksimile Abbildung 5, von Lucas gelesen f eiC6AC( MOAOrh[ ezoMO[ MAAYT[ Identifikationen. 337 und transskribiert Eloeh^o 4£o- poXoytj[o . . . i£opo[loy . . . pa atir[ .... "Der Inhalt" ist, wie hinzugefügt wird, "jedenfalls religiöser Natur"; der Herausgeber fühlt sich an Stellen gemahnt wie LXX Ps 42 [43] 4 und Offenb Joh 3 5 . Die Inschrift ist jedoch Zitat von LXX Ps 99 [100] 4 : EtaiXd\ars eis rde nüXas aeöro€ kv ifco~\ poloyij[oet n ras aölds avrov* 6v Vproie'] i£opo[Xoyt!iod'e aärtp, cUvelrs rd ovo-] pa avr[oij' Daß Zeile 2 vor tag ein etg (Codd. **ART etc.) gestanden hat, ist sehr unwahrscheinlich. Nr. 25. Ka§r Nawä nicht datiert, von Lucas gelesen ]'//,ICYMOYKPC[ IMOYrrAHcic/M ]IHKe*AAHM[ ] OIMOYt [ , transskribiert . . oti pov, K(v*)p(w)e t .... uov nXtj[exd8a>v rvxroe.] Nr. 39. Ka§r el Berüdj nicht datiert 'EfiavovijX petf faßv 6 tie[6]g vgl. Matth I23. Zur Schreibung 'Efiavov^SL siehe Onomastica Sacra ed. Lagarde * 49 30 Kod. F. Nr. 49. Ka§r ibn Wardän 564 n. Chr. ndvxa elg dö^av &(so)€ Zitat aus 1 Kor 10 31. Nr. 99. Diärbekr 437 (?) n. Chr. <5[v] rd övö^ara) iv ßWßtty) [so, nicht ßißUy dürfte aufzulösen sein] tw(ijs) Zitat aus Phil 4s. und übersetzt: 1 Wahrscheinlich Türüberschrift nicht profaner Meinung ; das Wort des Hohenliedes wurde wohl auch nach Offenb Joh 3to alle- gorisch auf Christus gedeutet Deissmann Licht vom Osten. 22 338 Der Wert der taschriftUdien Bibelzitate. Abgesehen von ihrer Bedeutung als Textzeugen sind inschriftliche Bibelzitate immer auch von Interesse für die Geschichte der Frömmigkeit: sie zeigen, welche Bücher der heiligen Schrift die Lieblingsbücher und welche Sprüche die eigentlich volkstümlichen waren. Nicht selten lassen sie uns auch merken, wie sie verstanden worden sind. Doch das alles ist noch nicht erforscht; man zitiert lieber die biblischen Zitate der Kirchenväter nach schlechten Ausgaben. Möchte in dem zu erwartenden Corpus der christlichen Inschriften das biblische Material eine Bearbeitung finden, die den Anforderungen nicht bloß der Epigraphik, sondern auch der neueren Bibelphilologie entspricht! 3" Indices. (Seitenzahlen, ä usw. gelten als ae usw.) 1. Orte. (Fund-, Aufbewahrungs-, Forschimgsorte u. a. Die Orthographie der Herausgeber ist belassen.) Aberdeen 7. Abila 256. Ägypten 13. 14. 64 f. 69. 85. 91. 145. 155. 163. 180 ff. 192.205. 213ff. 241. 255.256. 257.259. 260 ff. 262. 267.270f.275.297f. 322 u. ö. Afrika 264. Aigeira 196. A4gtaa 206. Aitolien 233. Aizamoi 275. Akraiphiai 256. 271. Akrokorinth 206. 238. 286. Aktion-Nlkopolte 273. Alexandria 15. 29. 52. 106. 107. 119 f. 133f. 137 ff. 219.255.272. 297. 327. c Ali KSsün 335. Amorgos 80. Amphissa 2331 Anapotal 15. Arnims 91. 94 f. Ankyra 274. Arttikyttiera 211. Antitioe 266. Antiochia 24. 48. 54. 56. 60. 287. Antiphellos, Lykien 57. Apamea 65. Aphrodisias 259. Arabien 8. Arados 179. 248. Arelate 151. Arethusaquelle 15. Armenien 265. Arsinoe (Krokodilopo- Hs) 17. 58. 125. 193. Arsinoitischer Gau 124ff. 13611 u. ö. s. FaijÄm. Asien 272. 326. Assnan s. Syene. Athen 8. 27. 29. 30. 53. 62. 63. 100 f. 172. 180.206. 272. 275. 282. 295. 305 fi 314. Attika 60. 218 f. 2201. 272. Baden VI. 85. Baitokaike 65 f. Behnesa s. Oxyrhyn- chos. Berlin VII. 7. 8. 13. 19. 20. 22. 27. 52. 53. 54. 56. 60. 70. 71 f. 80. 81. 82. 88. 90.92. 10a 108. 116. 120. 122. 123. 125. 141. 193. 201. 215. 226. 226 f. 246. 249. 250 f. 252. 262 f. 2 67 ff. Bethel bei Bielefeld 26. Bethlehem 195. Bingerbrück 44 f. BUhyoten 22a 272. 277. BoJotien 256. Bonn - Poppeisdorf 13 f. Bosporus 265. Bremen 79. Breslau 14. Britannien 272. Bubastis 90 f. Budapest VI. Bukarest VI. 305 ft 314. Bulgarien 275. Byzantion 277. Caesarea 165. 201. Cambridge VI. 21. Ulf. ChaldaribeiAthenlOO. Chaironeia 233. Chalia 233. Chersonesos, taur.264. Dakkeh 26. 80. Damaskus 280. Daulis 52. 233. Delos8.33f.202.206. 305ff. 3141 Delphi 7. 8. 51. 541 75. 157. 206. 232". 234. 235. 236. Diärbekr 337. Didlington Hall, Nor- folk 136. Didyma 8. 201. 202. 206. 333. DillUd 7a Dionysias im Faijum 147. Dnjester 275. Dorylaion 275. Edfu 22. Elateia 233. Elephantine 17. 19. 113. Eleusis 206. 272. El-Khargeh 2591 Ephesos V. 7. 56. 58. 77. 93. 1631 165. * 166. 171. 172. 180. 200. 201. 202. 206. 211. 224. 227. 238. 2481 274. 2871 Epidauros 89. 201.206. 223. 271. 272. Erfurt 14. Eschmunen 221. Euboia 12. 61. Eufaemeria (Kasr ei- Banät) 88. 215. Faijfim 17. 23. 45. 50. 54. 57. 60. 8& 106. 116ff. 120fl 123 ff. 125. 136ff. 163. 215. 246. 249. 264. 268 u. ö. Florenz 119. 193. 240. Frankfurt a. M. Vi Galatien 150. 165. 172. 219. 264. Galiläa 192. 287 u. o\ Genf 20. 149. 195. Görlitz 279. Gorgippia 238. Griechenland VI. 198. 256.270". 272 f. u.ö. 22* 340 Indices. Groß-Delos 305. Hadrumetum 12. 189. 240. 311. Hagios Elias auf Thera V. 201 f. Halikamassos 61. 219. 248. Harvard University 167 f. Hauran 12. 57. Heidelberg VIII. 14. 16 f. 19. 20. 22. 27. 145f. 164. 186. 215 297f. 299. Herakleia a. P. 213. 229. Herborn 299. Herkulaneum 80f. Hermonthis 17. 152. 155. Heraiupolis, Dorf 147 ff. 163. Hermupolis Magna 52. 150. 164. Hermupolis Parva 150. Hibeh 20. 54. 76. 101. 138. Hierapolis 8. 57. 61. 200. Hierapytna 72. Iasos 264. Ibedschik 227. Ida 201. Inseln VI. 8. 11.200". u.ö. los 89ff. 92. 207. Irbid 57. Isthmos von Korinth 334. Istropolis 53. Italien 132. 141. 215. 257. 272. Itanos 72. Jena 24. Jericho 88. Jerusalem 48f. 88. 185. 188. 257. 312. 336. Jordan 184. 188. Kairo 21. 26. 30. 31. 318. 322ff. Kampanien 198. Kandia 202. Karanis 124 ff. 192. Karien 9. 265.271.274. Karlsruhe i. B. 85. Karpathos 50. Karthago 258. Ka$r el Ban&t s. Eu- hemeria. Ka$r el Berüdj 337. Ka$r ibn Wardän 337. Ka§r Nawa 336 f. Kefr-Hauar 73. 253. Kerkeosiris 270. Keryza s. Köres. Kibyratis 9. Kilikien 62. 78. 200. Kleinasien VI. 7. 8. 9. 10. 11. 57. 69. 71. 150. 198. 200. 202f. 206. 207. 223 237. 242.243.259. 261 f. 262 f. 271. 333. 335 u. ö. Kolossai 165.201.242. Konstantinopel VI. 49. Korinth 4.8110.165. 167. 173. 198. 200. 206. 218. 238. 256. 264. 271 f. 286. 287. 326f. 334. Koroneia 233. Köres 237. Kos 8. 79. 179. 202. 211. 212. 233. 237. 238. 250. 271. 272. 276. Kreta 62. 65. 72. 201. 202. 315. Kreuznach 44 f. Stadt der Krokodile 17. Kula 237. Kypros 12. Laodikeia 165. 171. 274. Leiden 27. 218. 222. Leipzig 16. 20. Letopolis 17. Libyen 113. London VII. 7. 16. 19. 20. 26. 27. 29. 51. 58. 61. 75. 93. 113. 143 f. 147 f. 149. 164. 194. 218. 221. 224. 248. 252. 275. 331. Lydien 8. Lykien9.69.77f.211f. Mäander 201 u. 0. Magdola 193. Magnesia a. M. 7f. 11. 71 f. 200.250f. 252. 265. 273. Makedonien 217. 272 u. ö. Mauretanien 272. Medinet el-FaijÜm 17 u. ö. Megara 29 f. 60. 95. Memnoneia 152. Memphis 17. Menas-Stadt 29. Mesopotamien 12. 335 ff. Milet8.202.206.326f. 328 ff. Milyas 9. Misenum 116 ff. Mittelmeerwelt 48 u.ö. Mösien 272. Mülheim 279. München 255. Mykonos 8. Myra, Lykien 78. Mytilene 63. Nassau 299. Naupaktos 233. 235. Nazareth 4. 281. Neapel 15. 118. 198. 257. Neu-Korinth 334. Nikaia, Bithynien 54. Nil 134 u. ö. Nubien 26. 80. Nysa, "Arabien" 89. 90. Nysa, Karien 271. 274. Oase, Große 23. 143 ff. 158. 194. 259 f. Oberägypten 22 u. ö. Oinoanda 57. Olbia 55. 224 f. 271. 277. Olympia 7. 206. 248. Orchomenos 75 f. Oxford 21. 127f. 132. 164. Oxyrhynchos (Behne- sa) 16. 17. 18. 20. 21. 50. 51. 53. 54. 57. 58. 79. 80. 85. 88. 103. 106. 111. 114 f. 125. 127 ff. 132 ff. 138. 154. 166. 167 f. 193. 237. 240. 254. 256. 317 ff. Palästina 192 ff. 256. Palmyra 50. 265. Pamphylien 9. Panagia Kapuli 202. Panopolis 17. Pantikapaion 66. 233. 236. 277. Paris 8. 20. 27. 52. 88. 180ff. 218. 221. 222. 311. Parnaß 233. 238. Paros 229. 275. Patras 271 f. PergamonV.7. 11.55. 57. 130. 171. 189. 200. 202. 206. 226. 2281 240. 248. 249. 2501253. 2621265. 274. Phaidriaden 206. Philadelphia, Faijüm 1181 122. Philadelphia, Lydien 171. 274. Philae 253. 255. Philipp! 166. 239. Phmau 1311 Phoinikien 179. 248. Phrygien 272. 275. Phthochis 111. Physkos 233. Pisidien 9. 229. Polydeukia 88. Pompeji 80. 198ff. Pontos 271. Priene 8. 53. 83. 200. 249.252.26612681 Prusias a. H. 229. 277. Ptolemals-Akko 179. Rakhle 52. Rhein 45. Rheneia 8. 79. 233. 305 ff. 315..327. Rhodiapolis9.69.2111 Rhodos 12. 1. Orte. - 2. Antike Personen. 341 Rom 9. 23. 27. 58. 89. 136. 165. 166. 200f. 227. 247. 257- 272. 287. Rosette 249. 255. Rotes Meer 184 f. 188. Sais 113. Salamis 206. Sa mos 67. Sardes 57. 171. 274. Schwarzes Meer 55. 224f. u. ö. Selinustal 229. Serapeum 51. Sidon 45. Siloam 88. Siwah 113. Sizilien 13. 15.54. 89 ff. 272. Skaptopare 275. Smyrna 71. 72. 171. 258. 274. Soknopaiu Nesos 88. 192. 249. 264. Spanien 272. Sparta 52. Steiris 233. [30. Straßburg 19. 20. 22. Stratoriikeia 79. 265. Stuttgart 95. Süditalien VI. 198. Südrußland 12. Südwestkleinasien 78. 200. 227. Syene (Assuan) 17. 18. 24. 83. 113. Syme 67 f. Syrakus 13. 15. 16. Syrien 6. 8. 12. 73 f. 256. 277. 335 ff. Talmi 130. Tamak 335. Taphis (Tehfah) in Nu- bien 12. Tarsos 279. 281. Tebtynis (engl. Teb- tunis) 20. 52. 53. 63. 130. 235. 270. Tegea 229. 272f. Tehfah (Taphis) in Nu- bien 12. Telmessos 78. Termessos 229. Thala 264. Theadelpheia 88. Theben 17. 30. 69. 70. 74. 75. 83. 84. 86. 104. 1311135. 256. 261 f. 271. Thekoa 279. Thera V. 8. 201. 202. 206. ThessalonikellO. 165. 228. 272. This. 17. Thyateira 171.259.274. 277. Tiberinsel 89. Tithora 233. 235. Toego? 143. 145. Toledo 157. Trachonitis 58. Trasimener See 13. Troas 101. Tschinili Kiosk 49. Turin 27. Tyras 275. Tyros 179. Venedig 22 t Verona 334. Wien VI. VII. 7. 9. 19. 67 f. 100. 164.211. 220. 306f. 332 u. ö. Yale University 114. Zorava 277. Antike Personen. (In der Bibel erwähnte Namen sind gesperrt.) Abinnaios, Flavios 23. 147 ff. 163. 215. Abos 75. Abraham, Bischof 152 ff. 155ff. 158. Achämeniden 265. Adam 187. Agathobulos 139 ff. Agathopus 275. Agathosdaimon 118 f. Aischylos 310. Akylas(Aquila)80f. 201. Alexander d. Gr. 3 u. ö. Alexander d. Kl. 18. Alexandrosl. Bala 179. Alis 106". 214. Amerimnos 199. Ammonios 163. Arnos 279. Amyntas 236. Antikles, AntJphanes* Sohn 220. Antinoos 209. Antiochos, König 66- Antiochos II. 248. Antiochos III. d. Gr. .271. AntiochoslV. Epi- phanes 248. Antiochos VII. Eu- ergetes 179. Antiphanes, Patrokles' Sohn 220. Antoneinos 121 f. Antoninus Pius, Kaiser 53. 264. 274. Antonis Longos 88. 115. 123 ff. 147.158f. 2151 254. Antonis Maximos s. Apion, Soldat. Anubas 164. Aphrodisias 106 ff. Aphu, Bischof 154. Apion, Soldat 110. 116ff.121f.158.215. 254. Apollodoros, Pyrrhos* Sohn 225. Apollon, Presbyter 23. 143 ff. Apollonarin 106 ff. Apollonios, Sohn der Eirene? 114. Apollonios, Schreiber 111. Apollonios Dyskolos 29. Apollonios von Tyana 209. Apollonis 138". Appion, Bischof 24. Archelaos 133 f. Archonika 62. Aristion 103. Aristoteles 77 f. 158. Aron 309. Aron 152". Artaxerxes 18. Artemidoros, Traum- deuter 69. * Artemon 158. Asklepiades, Channa- gons Sohn 104 f. Asklepias 237. Assa, König 14. Athanasios 145. Atre 153. Attaliden 248. 265. Attalos III. 235. Augustinus 169. 275. 285. Augustus, Kaiser63. 66. 85. 91. 106. 209. 219. 246. 248. 249. 250. 251. 252. 253. 263. 266. 267. 271. 274. 277. Auphidia 121 f. Aurelios 85. M. Aurelios Agathopus 224. Aurelios Demetrios Neilos 58. M. Aurelios Eutychos 62. Aurelios Paulos 167. 342 Indices. Aurelius Archelaus 12711. 158. Barabbas 193. L. Bellenos Geniettos 125. 215. Berus 106 ff. Biktorinos 334. Blastos 109. Bulla Felix 209. Caesar 248 f. 266. C. Caesar, Enkel des Aug. 271 f. Caligula, Kaiser 256. Caracaüa, Kaiser 274. Ceteus 288. Chiysagonos 2121. Chrysostomos 324 f. 334. Claudius, Kaiser 109. 252. 256. 266. Clemens von Alex. 317 u. ö. Clodius Culcianus, Präfekt 58. Daniel 157. Daphnos 227. Darios 18. David 336. Decius, Kaiser 23. Demetrios 77. Aurelios Demetrios Neilos, s. Aurelios. Demetrios II. Nikator 248. Demophon, Ägypter 101 ff. Demosthenes 87. Diadochen 277. Didymas 114f. Didyme 111. Didymos? 125. Dio Cassius 257. Diocletianus, Kaiser 3. 23. 52. 143. 196 f. 209 ff. Diodoros von Sizilien 54 f. 89. Diogenes 111. Diogenes (?) 237. Dion 163. Dionysia 166. Dionysk", Harpokra- tions Sohn 51. Domttian, Kaiser 255. 257. 264. Donata 178. Eirenaios 141 f. Eirene SS. 114 f. 215. Elisabet 324 f. Elpis 121 f. Epagathoc 125. Epaphrodeitos, Ägyp- ter 114. Epaphroditos 55. Epicharmos 138. Epiktet 51. 62. Epimachos 116ff. 122. Euktemon 118. Eumelos 105. Eumnastos 234. Eumoiros (?i 114. Euphronios 236. Euripides 327. Eutychides 164. Eutychis 58. Faustina 250. Felix, Prokurator 3. Festus, Prokurator .3 257. Fortunata? 121 f. Fortunatos? 122. Gaios 118. Galenos 63. 274. Gallio, Prokonsul 3. Gallonios 118f. Gehazi 156 f. Gemellos s. L. Belle- nos G. Hadrianus, Kaiser 52. 210f.262f.266.272f. 273. 274. 275. Harmiysis 111 ff. 113. Harmonia 199. [256. Harpokras 131 f. 159. Harpokration 5^ Hatros (?) 222. Heliodoros, syr. Minister 33. Heliodoros 113f. Heliodoros, Sarapions Sohn 164 f. 215. HSmai 153. Herakka 306 ff. 310. 315 ff. Heraklius, Kaiser 252. Hermes 276. Herodes d. Gr. 256. 323, HerodesAgrippaL 256. Herodes, Eirenarch 258. Herodot 87. Herostratos, Dofka- lions Sohn 231. Hesychios, Lexiko- graph 65. 155. Hienmymus 47. 297. Hfiarlon 106 ff. 158. 159. 214. Homer 87. Hör 222. Horos, Permamis' Sohn 2611 Isidoros 85. Jakob 152 ff. Jakob, Hiobs Sohn 153. Jeremias 184. 187. Jerobeam 157. Jesus von Naza- rethl.4.36.40.43. 49. 63. 73f. 74 ff. 80. 88. 108. 156. 172. 17a 176. 178 ff. 184. 186. 191. 193. 194. 195. 196 ff. 208. 209. 216.218. 222 f. 228. 237.242. 244f.278f. 281. 287. 290. 291. 294 317 ff. 334 u.ö. Jochanan, Rabbi 187. Johannes 89. 202. 207. 2361252. 293 f. Johannes d. T. 209. 278. 322 ff. Johannes von Antio- chien 24. Joseph von Nazareth 322 ff. Josephus 47. 49 f. 51. 67. 78. 209. 274 u. ö. Judas Ischarioth 156f. Julianos 118 f. Ti. Julios Alexandras 194. 259 f. M. Jvfios Apellas 223. Julios Bassos 229. Julios Demetrios 260. Julius Domitius 127 ff. JustinJaaos, Kaiser 252. 334. Justinos24.141.145ff. 151. 159. Justinos II, Kaiser 252. Justinus Martyr 23. Kain 156. Kaor 133. 141. 147 ff. Kapiton 118 f. Karpos 101. Karzoazos, Attalos* Sohn 55. Kintos 236. Kleanthes, Stoiker 281 Kleisthenes 27. Kleochares 22a Kleoptira 255. Konstantin d. Gr. 3. Kopres 121 f. Kreispos 84. Krispos 84. Kyrenios 194 f. Lassa 153. Leonippos 271. Libanios 115. 164. Liogenes (?) 237. Livia 256. Longos s. Antonis L. Ludanus 161. Lukas 40.55. 56.79. 89. 17a 174. 180. 194. 209. 257 u. 6 Magarios EMakariosI 147. Marcus Aurelius, Kai- ser 47. 62. 250. 274. Markus 2221 u.ö. Maria, Mutter Jesu 30. 202. 322 ff. 334. Maria von Ephesos 227. Maria, Mutter des Hör 222. Maria s. Pollia M. Marthine 306 ff. 310. 315 ff. Matthäus 36. 223 u. ö. 2. Antike Personen. 343 Maximos, Apions Sohn 121 f. Maxime", Kojim' Sohn 121 1 Maximos, Papst 137 ff. Maximos s. Antonls M* Mauritius, Kaisei 252. Menches 63. Mithradates V. Eupa- tor 271. Mnesiergos 100. 158. MosdblOQ 105, Moses 253. Moses 153. Munatius Felix, Prä- fekt 23. Mystarion , Ölbaum- pflanzer 108 ff. Naeman 156. Nausias 1001 Nearchos 113f. 215. Neilos, Sohn der Po- litike 145. Neilos, Bruder der Ta- sucharion 163. Neilüs 88. 123ff. 158 Nero, Kaiser 70. 111. 113. 198. 25a 251 f. 256. 257. 2711. 277. Nerva, Kaiser 274. Nikaia 234. Niketes 258. Nilos (?) 138. Nilüs (?) 138. Nonnos 94 f. Onesimos 103. 201. 239. 242. Opramoas 9. 69. 211 f. Origenes 41. 47. 63 279 297. Otakilia Polla 228f. Pachomios 145. Pakysis, Patsebthis' Sohn 75. Pamaris, Hermodoros' Sohn 135. Pantera 44 f. Papiskos 111 ff. Papnuthios 24. 145 ff. Papos 239. Pasion 8a Patermute 153. Paulos, Deserteur 149ff. Paulos. Auf. s. Anre- ite P. Paulus von Tarsos 1. 2 4 5. U. 22. 3a 39. 40f. 4a 55i 56. 63. 69. 71. 78. 801 86 101. 103. 105. 110. 116. 118. 121. 125 1301. 132. 134. 147. 162 ff. 172f. 176. 180. 187. 191. 197. 198.200 ff. 202f. 205. 208 f. 211. 213. 216f.219.223.224f. 225.227.228. 232". 236ff.238.239.242. 24412Ä 25a 2541 257. 259. 264. 273. 276.2791281.282: 29a 294. 315. 326. 328 u. 6. Peteme(nopliis), Pi- k(os' Sohn) 2611 Petosiris Vater 111. Petosiris Sohn 111. Petoys 103. Petrus 30. 36. 118. 130. 228. Pharao 184. 187. Phibas 164. Phibion 193. Philemon 103. 121. 163. 239 242. Philion 114. PhUokles 220. Philon von Alexandria 28. 58. 67. 274 297. 327 u. a Philon, Gatte (?) de Eirene 1141 Philonides, Epikureer 81. Phthomonthes 1311 Pibechis 181. 186. Pibuchis, Pateesis' Sohn 70. 72. Pilatus 193. Plantas 114. Piaton 87. 284. Plautus 231. Plenis, Erzhirte 641 Plenis, Pauosis' Sohn 1311 Plutaich 461 49^ 51. 62. 77. 204. 2". Polemon 63. Politike 145. PoHia Maria 84. Pollux 231. Polybk* 46. 49 n. a Polykarpos 258. Pontiaitus 227. Portis, Permamis' Sohn, Pächter 1041 Postumos? 124 fl Primitinos 138 ff. Priskilla (Priska) 801 201. Proklos 69. Protogenes 271. Psate 155 ff. Psenamunis, Pekysis' Sohn 70. Psenmonthes 1311 Psenosiris 23. 139. 141. 143". 150. 158. Ptolemäer 248 n. a Ptolemaios, Körtg248. Ptolemaios IV. Philopator 255. Ptolemaios V. Epiphanes 249. 255. Ptolemaios VII. EuergetesII. 235. Ptolemaios VIII. So- ter IL 270. Ptolemaios XHI. 255. Ptolemaios XIV. 255. Ptolemaios, Geograph 69. Ptolemaios, PoHzeibe- amter 101 ff. Ptolemaios, Kgl. Se- kretär 111 ff. Ptolemaios, Traumer 85. 88. Pylaimenes 163. Rufos 163. Ruphos von Ephesos 56. Sabina 1211 Salomo 184. 187. Samuel 152fl Sarapion 164. Sauromates I. 265. Seigelasis 57. Seleukiden 248. Semphtheus 103. Septimius Heiodiaous 265. Septüniu$Severtts274. G. Septimius Vegetas 193. Serenilla 1181 Serenos 1181 Sltko 90. 14a Shneon 153. Simon 84. Simri 1561 Smikronides 220. Sophia 332. Sophokles 285. Sosibios 234. Soteifchos 236. Spcratus 258. 265. O. Stertlnk" Xeno- phon 179. 211. 25a Stotottis, Oberpriester 108 ff. Susanna 157. Synesios 163. Tachnumi 163. Tafeis 222. Taonnophris 114 f. Tasttcharion 163. Tauetis 88. Tertios 164. 167. Theodosios IL, Kaiser 24. Theokies, Satyros' Sohn 224. Theon (Theonas), The- ons Sohn 132 ff. 138. 149. 159. 291. Theon, Vater desTheon (Theonas) 132ff.l38. 149. Theon, Freund des Aur. Archelaus 1291 Theonas, Schaffner (?) des Maximos 139 ff. Theonas (Brief an Lu- danus) 161. Theophylaktos 237. Thermuthion 114. Thomas 264. Thrasykies 1001 Thukydides 87. 344 Indices. Tiberius, Kaiser 75. 253. 256. 261 ff. 277. Tiberius II. 252. Tigranes 265. Timanthes 220. Timotheos, Dichter 18. Timotheos 110. Timoxenos 105. Tiridates 2561. Titus, Kaiser 198. 266. Traianus, Kaiser 77. 246. 265. 266. 274. Trophimos 49. Turbon 118f. Tychikos 130. K. Umphulelos Bassos 58. Valens s. Verüos Va- lens. Valentinianus III. Kai- ser 24. Valerios Apros, Soldat Flavios Veros (Seve- ros?) 57. Lucius Veras 274. G. Julius Veras Maxi- minus, Kaiser 267. G. Julius Veras Maxi- mus, Kaiser 267. Vespasianus, Kaiser 198. 257. 266. Vestidia Sekuda 84. Vettios Valens 48. 56. 60. 229. G. Vibius Maximus 194 f. C. Vibius Salutaris 77. P. VigelliusSaturninus 258. Xerxes 18. Zenobia 265. Zenobios, Weichling 103. Zwillinge, die 85. Wörter und Wörterverbindungen. (Die deutschen Äquivalente finden sich zum Teil in Index 4.) c in * geschwächt 60. dya&de &ede 250. dydnrj 46. Ayyapctiw 243. dyyeXoe 201 f. dytcbraroe 139. AyopA^a" 235. Aytfiv 224. dSeXyif 106. dMyöe 63. 72. 164 eis A&irrtCtv 243. alfta dvairiov 310. alfta ixSixß 313. - ix£riT& 3ia - ix%iw 310. - £i7T<ß 313. ait&vtos 265. dxardyvtuOTot 46. 243. dXXoyewje 48 f. dXXot&njs 49. dXXdyvXos 49. dXij&fia in Brieffor- meln 215. Afi pij 133. 149. dftaQTtoXös 77 f. 231. &v = idv 133. Avaßtdto 62. AvaßUna* 89. draSdw 62 f. dra£ctHu 62. drd&e/ua 60. dra&sfiar^eo 601218. dfaararöo) 53. 133. dvaorpiipofdat 72. 226. draorpoytj 72. 226. dvi&tfta 60. dvoftos 231. dvöctos 231. dvrt 82. dvriXjftnTtuQ 46. dvriXtjftyne 72. dvTiloyia" 135. Uvr&vis 118f. 125. dh*> 309. dtto>ua 24a dndrap 25. dnehti&epoe Kadaapos oder EeßaoroQ 276. AncXiti&ipos xvpiov 236. 276. AneXcv&iptnoiS 237. dnl%ei 76. Ani%*> 74 ff. 234. And 132. 125. dytXdpyvpoe 53. Ar 59 f. itaüde*" 124 f. Siarayij 56 f. ix Siarayije 57. Sidrayfta 57. Stdragie 56 f. Stardaootiai 57. diaxifreftai 57. 8i$o>jui ipyaoiav 79. Sixaioxpiota 58 f. n£o> 124 f. 126. 8 c" p cd 265. idv mit Indic. 185. idv für äv 184. iavrotie ¦ dttijlovG 114. 'Eßovoaioe 184. 187. 'Eßpaloi 9. iyxdmot 125. *;/"& */*i 181. 186. */ in Aposiopese 101. */x 235. iiaxoXov&im 49. i^avaararöco 53. *f ot/tf/a 265. iopTJ) {ttjs) onrjronr}- yiae 78 f. io^nj (tnl£m 63. rioißcta 231. eöorovos 113. eörotioe 113. 8i>%aQior6(o 89. £ct ypd/iftara 274 f. teparstico 46. iXaorqpiov 300. iXaanjptos 300. VJUvftxrf"' 198. luarl£(*> 51 f. fr" 310. io6\prj 297. xa&api^m 46. xa& >a EXX V vae 121 f. xa/ 89. xai , . *J 103. Jfafaap M"fc 200. Kaioapiavöe 276. Kaiaapot 275. Kaioapoe olxia 166. xcdße notß 138. ^ao<> 149. xarayyeXi'ÜG 63. xara8ovXl£a> 235. xaraiovXdia 235. xardxpiate 60. xaraniraoua 66 f. xardparos 61. xaraaxonio) 125. xaT^f" 59. 222. XOLTTjyOQOS 59. xartjyofp 59 f. xXinrtje 230. xowa' 181. xöxxtvoe 51. xpdros 265. Kprjoxrje 230. xpivdvd-euov 222. xplvto rd 8ixaiov 79 f. xifißaXov 103. x V( >i" 73. 253. 255. xt/?/a Höflichkeitsan- rede 106. 199. xvoiaxde 46. 258 ff. xitywc 70. 111. 113. 118.124f.253ff.259. xi^m* Höflichkeitsan- rede 118. 121. 129 f. 146. 149. xtipioe ßaotXei&v 255. to /f /a 46. 69 f. Xoyetia* 69. io//a 69f. XoÜopos 230. yWo* 124 f. 133. iotJ" 72. ^r^a 237. itJrow 237. lÜTQOlOli 237. Xwroprjrpa 181.. 186. fiaxdpwe 114. ßtdxeXXov 198. ^ 155 f. juByaXßioTtje 265. itiyae fiiya£ 193. fiifrvooe 230. ^M" . . 236. //*Ta 135. urjrpoXyae 231. ycr/ar ///c"' 84. //o"*o*ßoXor 105. 6 %<ü 327. (<>>"•*•, r4 5a dvmds 50. *& rö tvom* 83 f. 243. rd ""JUt" li-opa 199. "5* rd d 46. Tieptooeia 52. v to^ 139. (Tiry Xf"7r? 219. at-ra/a"/^ 67 ovra/po> Xoyov 8a av*-"* TtXapßdro* m 54 f. awiorrjut 163. aöroSos 274. 223. 248. 265f. aatxrjp rm€ *6o*+* 266. aaixr\p(a 118. oeoypatv 228 f. t"J" H/" 274. raneivoot 312. raneivoa" yvp)* 311 f. rath-a abrupt 134. 227. rfr Tay"" 313. Tijy taxforrjf 313. rajfiJ 313. t4Uc 75. rriptjCHS 243. riifäß (rt^ffs) 234 ff. t**i; 235. 265. rp/a Tf te 85. rn(a 265. ipiloxcuoap %J7. fftXonpMXtixo 46. f/W T"# KtUaafQß 277. ?>4U*276f. f/^Off TO* 2fßmOTO$ 217. piXooißaoTmf 277. 7>*l4xp"ar"c 277. v Xpiorj* 219. ir*"Nif 149. Xcopt^ouai 243. y>r4orr;s 231. 'Qpiyirrjt 149. adventus 271 f. advocatus 242 f. amicus Caesaris 277. annona 137. fl/r/w 243. fc/fc 77. Caesarianus 276. Caesaris 275. coccina 51. cognitio 247. comitia 76. ro/if/o 76. 3. WOrter und Wörterverbindungen. - 4. Sachen. 347 dieit 274. /*£rt£tt 273. Sflcer 275, Lesonis 1091 dm filius 250. librarius 119. sacrae litterae 275. divinus 57. 252. sacratissimus 275. Mammon 36. dominus et deus no- metuentes 326. sanctissimus 275. Marana 254. ster 264. o 188. Weish Salom 7i. 9 93. 64 ff. 188. Richter 1? 310. 134[135] 7 188. 12s-" 93. 9s 310. 2 Sam 124 213. 10. 11. 93. 143 0. 93. 10 188. 15 22. Sl 188. 16i6 187. II7.9 93. 16 • 22. 135[136|it-so 93. . Weish Sir 2n 312. 15l0 187. 1 Kön 8s 52. 136[137] 8 310. 7u 312. 19i4fr. 188. 1230 157. 138 [139]ss 188. 16i 188. 25iö-ii 22. 2 Kön 5rr 156. 140(141]" 63. 24 90. 268-4 22. 9r 313. 147ft[is] 187. 6 91. 2 Mose In 187. 31 157. Sprüche 10" 310. u 91. 23 17. 2 Chron 33" 310. 19 147. 46b 309. 3".i7uj.l87. Esth5i 351. lho 310. 47b 309. 7 ff. 187. 311. 13s 310. 51i4 309. 4 187. Hiob 7to 188. Pred 8u 54. Sus satr. 157. 819 222. 8u 17. Hohes Lied 4i. 3. 1 Makk 3ss 319. 13" 187. 9r ff. 91. 4. 7. 336. llss 313. 14 188. 93. 5s 337. 2 Makk ho 101. 17 185. 34i3 311. 6s ir. 336. 27 67. 188. 389 187. Jesaia h 197. 3s4 309. 15 12. 10 188. 2,7 312. 31 309. 20" 310f. 11 188. 63 188. 39 251. IS 93. 11 187. 149 188. 311. 21u 310. 16 188. 18s 17. 7s8 189. ib. ie 93. 31 r. 93. 196 17. 36 251. 31i8 222. 40,6 (*i) 17. 22,3 213. 311. 34io 311. Ps 15 12. 26ii 187. 817 130. 3 Mose 69,1s. 13 188. 17 [18]s 189. 35i 17. 9i9 101. I699. si 312. 18 [19], 188. 459 26. lOis 310. 23*7.19. "1 312. 34[35]is 312. 58s. 5. 10 312. 12*i 311. 19 311. 36 [37ji6 93. 11-14 21. 134 265. 34 78. 17 93. 65, 1 254. 14s 125. 4 Mose 14 18 311. 39 93. 66l5 ff. U.l ¦.189. 15s 311. 16*i 209. 40 [41]io 156. Jer lo- 10 187. 3 Makk 2 4 188. 27i6 309. 42[43]4 337. 5ss 188. st 251. 5 Mose 5iö etc. 93. 43 [44]i6 312. 61s 189. 311. 7l3 188. 45 [46]io 189. 7,6 309. 44 130. 9l9 222. 57 [58]o 310. 11,4 309. 5ss 265. I613 78. 67 [68]so 115. Ezech I610. 15 213. 613 188. 16 78. 77 [78]i6 185. 39io 254. 17 a 319. 194.5 310. 79l80]i 336. 44i6 254. 7 7 125. 19l0 310. 80 12. Dan 613.14 157. 358 Indices. Aquila 1 Mose h -• 137. Symmachos Jer 14t 213. Neues Testament. Matth li - o. 19 • Mark 9i7 30. Luklön 105. Joh 9o 89. 14-10 16. 17 IT. 32. 16 134. 7 89. lsi 337. 18 30. 18 125. 7. 11 88. 2.3 323. 11 30. 11 125. 107-14 93f. 325. !**• 184. 11 ff. 104. 11 189. 4so. ss 130. 186. 19 103. 1231 318. Ölt f. 78. 41 50. 16l5 319. 41 319. 14 125. 10l8 250. 174 127. 13". 156. 48 319. 18 130. 15 89. 143 115. 6i^ 212. 45 237. 18 48. 16. S6 242. s 74. 12l6 126. 18iir. 88. 15l4f. 276 f. 10- ff. 73 f. 33 319. 7. 8 270. 16 277. 17 319. 139 319. 8 313. 16 242. 18 103. 11 242. 19 250. 167 242. 19 242. 14*i 156. 18 130. 19i 193. 18 ff. 196 ff. 31 82. 33 193. 11 277. 40 319. 41 25. 2041 319. 15 133. llss r. 96. 41. 41 76. 219 319. 15-17 31. 12io 291. 65 156. 14 r. 242. 20l5 119. 1330 85. 15l5 193 f. 22" r. 179 f. S8 264. Msor. 118. 11 30. 35 f. 73. 10 283. 16t 31. 16 286. 22sir. 320. 30 80. 65-69 16 284. it 178. 40 54. 70-71 31 285. 25io 80. UlO 222. 2334 313. 184 8 f. 26i4 156. 19 283. 24(tm) 126. 8 84. 66 78. 50 313. Joh li- o 31. 19 77. 67 156. 126 196 ff. 14 85 f. it 77. 27l8 157. U f. 242. 14-17 31. 17 202. 31-31 30. 13-15 30. 19-15 31. 19 202. 28i3 157. 13-16 32. 3l7 60. 31.41 77. Mark I" 186. 15-10 30. 441 266. 20l5ff. 333. 5e 186. 16-11 212. 48 283. 16.17 326. 9 187. 11 319. 51 88. 21l8f. 49. 1" 51. 41 69. 637 255. 22i7 244. 40-41 30. 57 79 f. 44 318. 23ii 134. 6t 84. 58 79. 51 103. u 134. 8 73. 13l6 222. 7l 78. 25ii 247. 735 219ff. Uio 320. 836 237. 16 257. 93 30. 32. 15.1 it. 124. 9i n. 223. 26i 268. AGesch27. 315. 6. St 1 Kor 7s5 23a eilen. Gal 3i8 285. 1 Thess 4i8 35 116. 34 118. 8sCod37 61. 19 275. 5n 116. Rom li- 7 167f. 5.6 257. 4l_7 235. 2 Thess ls 118. 8 55. 118. 99 197. 4" 235. s 59. 9 f. 121. 17 273. 8.9 235. 2i 67. io 132. IO19-H 255. 11 228. 4 248. i4 ff. 202. si 254. 5i 235. 8 271. 25 58 f. ss 198. 13 235. 273. 14 ff. 225. 17 254. 17 235. ".9 272. 4ii 62. 31 337. 18 235. 3lO 228. si 54. lho 258. 84 275. 17 105. 5i 81. 17 78. 6ll 105. 110. is 52. 12is 285. 11 f. 110. 1 Tim hf. 231. 6e 234. 13 286. IS 63. In 273. 17. SO. 6. 19 234. 1 103. 17 218. 10 218. 8,9 271. 14i9 125. Eph he 118. 2i 265. so 54. 31 189. 121. 6 237. se-34 242. 15io 227. 2s 187. 8 308. lOi 132. 13 275. 3io 187. 9 229. llnff. 197. 3s 202.213. 611 187. IS 56. 13s 56.57. 58 228. 18 66. 33 53. 7 75. 244. 16i.s 69.264. SO 273. 5i.i 224 f. 15i9 55. 198. 3 110. Phil ls 118. 614 273. ss 125. 6 101. is 125. 2 Tim h 121. 16 110.163f. 9 217. 13 166. 10 27a 200f. 17 122. 13 219. 3l5 274f. i 163. 19 119.201. 2"-u 2461 4i.s 273. 4 80 f. si HO. 9. 11 257. 7 224. 5 201. ss 219.254. 10 187. 7. 8 224. e 227. 2 Kor Im 219. 309. 16 228. 8 125. is 227. 2is 217. 30 55. 270. i7-so 201. 3i 110. 37.8 127. 10 230. so 313. 3 274. 8 277. 13 17. ss 164. 4ii 127. 43 81 f. 30 326. 1 Kor h 118. 53 210. 337. TU 13 273. is 275. is 335. 18 76 5 201. M 84. so 273. 239. 2l3 273. ss 283. 10i 105. 13 166. 33 234. se_3i 4. 9. 7 275. Kol ls 118. Philem 4 118. 39.96. lle 41. 2l4 240. 121. 3ss 275. ss ff. 201. 18 328. 10 242. 4io 127. S6 201. 3n 285. 13 242. .s 227. se 118.201. 16 114. 17 130. 17 110. 230. 43 217. 18 52. 54. 5 218. 12 223. 7 130. 18f. 239. 69 103. 8 223. 16 166. Hebr 1h 309. 9.10 230. 8 r. 283. 18 110. 3l3 116. • so 235. 9 223. 1 Thess h 118. 73 25. 7i 9 275. Galh-610 111.113. 121. 10u 67. so 282. 8. 9 219. e 130. 117 118. si 238. 14 119. 24 273. 135 53. ss 276. 24 235. 19 270. SS- S4 171. ss 235.236. 7 273. • 4n 227. 24 132. S4 236. 3i5 57. 13 116. Jak 2s 199. 31 202. 16 22. 1 17 116. 6 31 8 f. 360 Indices. Jak 2s 265. 1 Joh 2i 242. OffenbJohh 171. Off Joh 12i7 275. 10 186. 3i 319. 313. 13ur. 245 f. 4l3ff. 139. 4m 266. io 258. is 198ff 1 Pe Im. io 238. 2 Joh i. 6 106. 2i*ff. 200. 14 3 252. 2l7 265. i 215. is 202. 12 275. 33.4 51. 4 121. 3" 337. 13 227. 319. IS 17. so 337. 15a 253. 7 58 3 Joh i 215. 5i 16. 4 253. 5sr. 64 f. s 118. o 253. 17m 265. 2 Pe ls. e 231. 3 121. 610 313. 19,6 265. ii 265. Judas 4 257. 7"-i7 210. 22e 313. 1 Joh h 103. SO 139. 12,o 59. si 171. b. Inschriften. 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Leidener Papyri C Hu 85. | V VII" Londoner (Brit. Mus.) Papyri Nr. 24i4 51. 77 152. 46u5ir. 94. 12W 90. 136 f. 90. "36 ff. 221. 3S4ir. 218. 124 59.331. Münchener Papyri, Archiv 1 S. 481 ff. 255. The Oxyrhynchus Papyri 522 5974 601 632 664 66511s 7151* 747 I" 118" 119l6f 133 60. 163. 120 ff. 239. 54. 45. 54. 215. 215. 57. 193 f. | 61"r. I Nr. 45-65 240. 149t Nr. 6 Nr. 26 87 i". 55. 138. I 145 ff. 241. 164. | Nr. 97. 90. | V XHIte 222. 233 256 417 713 252. 275. 147 ff. 23. Nr. 32 127 ff. 33 verso IIu 256. 237. 237. 58. 57. 57. 254. 138. 53. 37s r. 48 49 161. u 71 14. 11 92 93 110 113er. Pariser Papyri Notices et extraits 18, 2 Nr. 18 Großer Zauberpapyrus Blatt 33 Zeile 1353 1369 31 95 f. Papyrus Passalacqua 105. 113"7r. 115 116 119 121 1284 80. 114 f. 115. 138. 138. 132 ff. 149. 53. 85. 125. 209 237 246 266" 269 2805 362, 5 3636 4899.17 509io 167 f. 166. 111 ff. 256. 240. 239. 50. 240. 240. 51. 54. 748 193. 246. 775ier 814 815 846 912*4 1079m r. 88 80. 123. 110. 123 ff. 50. 53. 139 122. 76. 854 113f. 904 164. i6 ff. 194 f. 523 654 656 657 658 722 742u f. 744 254. 317ff. 21. 21. 23. 237. 79. 106 ff. 163. | Nr. 49si 52. | Nr. 51 180 ff. 311. I Zeile r^ 3 f. 53. 311. I "979f. 222. 311. i 6. Stellen. Reinach-Papyri Nr. 7 194. 238. The Tebtunis Papyri Nr. 2 53. I9i*r. 63. 28i" 130. | 11657 270. 5l"5. 194. SO 235. 24s 52. 48eir. 270. 1 Wiener Zauberpapyrus 332. d. Ostraka Crum, Coptic Ostraca Nr. 29 152f. 34 154. | 39 154. j 522 221 f. 31 154. 37 154. | 71 155f. | Ad. 7 154. Ostraka-Sammlung Deißmann Quittung über Fremdensteuer 74 f. Weizenanweisung 83 f. Brief des Harpokras 131 f. ¦ m Pakysis 135f. Quittung über Damm- u. Badsteuer 261 f. Wilcken, Griechische Ostraka Nr. 402 70. 415 70. 420 70. I 1135 80. 412 70. 416 70. 1027 104 f. 1222 86. 413 70. 256. 417 70. 1038 256. | 1481 271. 414 70. 418 70. 1071 86. I 363 e. Holztafeln. Revue Archeologique 28 (1874) S. 448 65. | S. 249 65. 29 (1875) S. 233f. 85. f. Münzen. (Siehe auch Index der Sachen unter "Münzen"). Cohen I 307 n. 403/404 271 f. g. Außerbiblische Autoren. Acta Marl Scilit. 178. 258. AischylosPers.981 84 Apuleius Metam. 10*3 108. - Metam. 11s 90. Aristeasepistel 16 311. - 17. 193. 226: 310. - 284 130. Artemidoros 4*" 62. Aur.Vict.Caes 3 256. Boissonade Anecdota 5 S. 166 253. Buch der Jubiläen 20s 188. Clem. Alex. 1 977 A 75. Gem. Rom. 1 Kor. 55a 235. - 59 311. - 593 251. - 64 309. 311. Const Apost. 3e 74. Demetrios De elocu- tione Hercher S 13 158. 214. Demetrios Phalereus Typiepistolares Nr. 5 116. Dicke Thephilla fol. 50 col. 2 313. Diodor. Histor. Biblio- thek I 27 90f. Diog. Laert. VII 173/4 29. Dion Chrysostomos Or. 35u 243. 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