„Der Himmel - wie kommt man dorthin?“
Predigt Andreas Symank
FETA, Riehen
31.05.1992
A. Der Weg
Der Himmel - wie kommt man dorthin? Das ist das Thema
unserer Predigt. Eine schwierige Frage: Wie kommt man in den Himmel? Wenn Sie
mich fragen - ich sage es einmal bewusst provokativ: Woher sollte ich das
wissen? Ich bin noch nicht dort gewesen. Wenn ich Sie frage - ich bezweifle
nicht, dass Sie zu den Blüten der Gelehrsamkeit zählen, und doch: Woher sollten
Sie es wissen? Sie sind schließlich auch noch nicht dort gewesen. Eins unserer
Kinder las uns kürzlich einen hübschen kleinen Dialog vor. "Sag, warst du
schon mal in Amerika?" "Nein." "Dann müsstest du
eigentlich meinen Bruder kennen." "Wieso?" "Der war eben
auch noch nicht in Amerika!" Wir brauchen lediglich Amerika durch Himmel
zu ersetzen, dann trifft es genau zu. Auch wenn wir sonst nichts von einander
wissen - in diesem Punkt kennen wir uns alle, weil wir alle gleich ahnungslos
sind; der Klügste hat dem Dümmsten nichts voraus: Keiner kennt den Himmel.
Selbst wenn wir bei einem Astronauten anfragen würden - er könnte uns ebenfalls
keine Auskunft geben. Denn es geht ja bei dieser Frage nicht um den sichtbaren
Himmel, die Erdatmosphäre, die man heutzutage durchaus mit Raumschiff und
Rakete erreichen kann; es geht um Gottes unsichtbare Welt, die sich nicht in unser
Raum-und-Zeit-Koordinatensystem pressen lässt. Wir müssten
einen Menschen finden, der bereits im Himmel gewesen ist, einen, der sich dort
auskennt und daher auch weiß, wie man hinkommt. Aber den gibt es natürlich
nicht.
Einer weiß Bescheid
Den gäbe es nicht, wenn nicht Jesus Christus, der
Sohn Gottes, Mensch geworden wäre. Von ihm heißt es: "Es ist noch nie
jemand in den Himmel hinaufgestiegen; der einzige, der dort war, ist der, der
aus dem Himmel herabgekommen ist - der Menschensohn" (Johannes 3, 13). Und
es heißt: "Er, der das Wort ist, wurde ein Mensch von Fleisch und Blut und
lebte unter uns. Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit voller Gnade
und Wahrheit, wie nur er als der einzige Sohn sie besitzt, er, der vom Vater
kommt" (Johannes 1, 14). Und weiter heißt es: "Niemand hat Gott je
gesehen. Der einzige Sohn hat ihn uns offenbart, er, der selbst Gott ist und an
der Seite des Vaters sitzt" (Johannes 1, 18). Also: Jesus ist im Himmel zu
Hause; das ist seine Welt. Dort hat er seinen Wohnsitz. Dort ist sein Vater.
Von dort ist er auf die Erde gekommen; dorthin ist er nach seiner irdischen Lebenszeit
zurückgegangen (letzten Donnerstag haben wir das gefeiert!). Wenn irgendeiner über
den Himmel Bescheid weiß, dann er. Er ist der einzige, der nicht übers Jenseits
spekulieren muss. Wenn uns irgendeiner sagen kann, wie man in den Himmel kommt,
dann er. Und er hat es uns gesagt. Seine Jünger haben ihn einmal direkt danach
gefragt (prima Idee; hätte ich an ihrer Stelle auch gemacht!), und er hat
ihnen eine Antwort gegeben, die ist einfach unglaublich gut. Sie ist so
simpel, dass der Jüngste unter uns sie versteht, und so unauslotbar, dass sie
noch für den Superschlausten eine Herausforderung darstellt. Das ist wirklich
eines dieser Worte Jesu, von denen mal jemand gesagt hat: Sie sind wie ein
Teich, in denen ein kleines Kind waten und ein Elefant schwimmen kann. Wir
finden diese Auskunft Jesu in Johannes 14, 6; ich lese nach der Neuen Genfer Übersetzung
und lese von Vers 2 an. Jesus sagt dort zu seinen Jüngern:
Johannes 14, 2-6
"Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen.
Wenn es nicht so wäre, hätte ich dann etwa zu euch gesagt, dass ich dorthin
gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten? Und wenn ich einen Platz für euch
vorbereitet habe, werde ich wieder kommen und euch zu mir holen, damit auch ihr
dort seid, wo ich bin. Den Weg, der dorthin führt, wo ich hingehe, kennt ihr
ja." "Herr", sagte Thomas, "wir wissen doch nicht einmal,
wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg dorthin kennen?" "Ich bin
der Weg", antwortete Jesus, "ich bin die Wahrheit, und ich bin das
Leben. Zum Vater kommt man nur durch mich."
Eine unerhörte Auskunft
Hier haben wir alle Elemente unseres Themas: Den
Himmel (Jesus nennt ihn "das Haus meines Vaters"); die Frage des
Thomas, wie denn der Weg dorthin aussieht, und die Antwort Jesu: "Ich bin
der Weg ... Zum Vater kommt man nur durch mich." Diese Antwort ist so berühmt
geworden, und wir kennen sie alle so in- und auswendig, dass wir uns gar nichts
mehr dabei denken. Wir merken gar nicht mehr, wie unerhört das ist, was Jesus
hier sagt.
"Ich bin der Weg." Das kommt zunächst
einmal reichlich unerwartet. Wenn ich in einer fremden Ortschaft nicht weiter
weiß und einen Einheimischen nach dem Weg frage, sagt der doch nicht: Ich bin
der Weg. Er sagt z.B.: Immer den Straßenbahnschienen nach, bis rechts die
Abzweigung nach Bettingen kommt, dann leicht ansteigend bis zum fünften Quersträßchen,
dort wieder rechts, und dann sehen Sie linkerhand auch schon das Gebäude der
FETA. Mit anderen Worten: Er sagt mir, wo's lang geht. Und wenn ich Glück
habe, sagt er sogar: Kommen Sie, ich hab Zeit; ich begleite Sie zu Ihrem Ziel.
Aber Jesus sagt weder das eine noch das andere. Er sagt nicht: Ich informiere
euch über den Weg (obwohl er ja tatsächlich unser Reise-Informationsbüro ist).
Er sagt auch nicht: Ich gehe euch auf dem Weg voraus (obwohl er ja wirklich
unser Reisebegleiter ist). Er sagt: Ich bin der Weg. Klingt ziemlich
provozierend, finden Sie nicht auch? Und reichlich anmaßend! Da pflanzt sich
einer vor denen auf, die ihn nach dem Weg fragen, und verkündet: Ich bin der
Weg. Was will er denn damit sagen? Was soll das denn heißen?
Ohne Jesus kein Weg
Zum einen: Ohne Jesus würde es den Weg zum Himmel gar
nicht geben! Wenn mir einer den Weg zum Mühlestiegrain 50 erklärt hat, kann er
ruhig verschwinden. Der Weg verschwindet schließlich nicht mit ihm zusammen.
Nimm den Wegweiser weg - der Weg ist immer noch da. Aber versuch mal auf Jesus
zu verzichten - da ist plötzlich nur noch Morast nach allen Seiten, und es gibt
kein Durchkommen, auch nicht aufs Geratewohl. Schieb Jesus zur Seite - dann ist
da nur noch ein gähnender Abgrund zwischen Himmel und Erde. Jesus ist die Brücke,
die Gott über diesen Abgrund gebaut hat. Jesus ist der rote Teppich, den Gott
vor unseren Füßen ausgerollt hat, damit wir wieder in Ehren bei ihm
aufgenommen werden. Jesus selbst ist der Weg. Natürlich ist er auch Wegweiser,
natürlich ist er auch Wegbegleiter, aber das greift zu kurz, das wäre zu wenig,
diese Rolle könnten auch andere übernehmen. Nein, Jesus ist der Weg selbst.
Ohne Jesus gäbe es gar keinen Weg, und alle Wegweiser und Wegbegleiter stünden
arbeitslos herum.
Kreuz und Auferstehung - die Brücke über den Abgrund
Zum zweiten: Wenn Jesus höchstpersönlich der Weg zum
Himmel ist, dann muss dieser Weg mit seinem Erleben zu tun haben, mit seiner
Biographie. Jesus deutet es - ziemlich geheimnisvoll - an; er sagt: "Ich
gehe dorthin, um einen Platz für euch vorzubereiten." Was heißt das denn
konkret: "Ich gehe dorthin?" Wie sah denn dieses Hingehen aus? Was
wartete denn als nächstes auf Jesus? Etwa eine prächtige Kutsche mit feurigen
Pferden, die ihn in den Himmel holen sollte? Das glatte Gegenteil: Auf Jesus
wartete ein Verräter aus dem engsten Freundeskreis; auf Jesus wartete ein Trupp
Soldaten, die ihn festnahmen und abführten; auf Jesus wartete eine feige,
unfaire Verurteilung zum Tod, eine brutale blutige Auspeitschung und schließlich
das Kreuz, die schrecklichste und erniedrigendste
Hinrichtungsart, die sich Menschen je ausgedacht haben. Und das war nur die Außenseite
des Geschehens, das, was auch die anderen mitbekamen. Auf Jesus wartete noch
etwas ungleich Schlimmeres: unsere Schuld. Der eigentliche Grund, warum Jesus
starb, waren nicht die Qualen des Kreuzes; Jesus starb an unserer Sünde. Die
hat ihm das Genick gebrochen; die hat ihn das Leben gekostet. Nicht der jüdische
Hohepriester Kajaphas ist schuld an Jesu Tod, nicht
der römische Gouverneur Pilatus, sondern wir, wir alle mit unserem Widerstand
gegen Gott und unserer Gleichgültigkeit gegenüber unseren Mitmenschen und
unserer heillosen Selbstverliebtheit. Sein ganzes Leben lang hatte Jesus mit Sünde
nichts am Hut, aber jetzt hatte er sie am Hals. Er, der die Sünde bis aufs Blut
bekämpfte, besiegte sie jetzt, indem er sein Blut für uns vergoss. Er hat sich
unsere Schuld freiwillig aufgeladen und mit ihr die Folgen, das Gericht, die
Trennung von Gott. Daran starb Jesus. Es heißt in Johannes 1, 29: "Seht,
hier ist das Opferlamm Gottes, das die Sünde der ganzen Welt wegnimmt!"
Und im Römerbrief heißt es: "Ihn hat Gott vor den Augen der ganzen Welt
zum Sühneopfer für unsere Schuld gemacht. Durch sein Blut, das er vergossen hat,
ist die Sühne geschehen, und durch den Glauben kommt sie uns zugute" (Römer
3, 25). Und in Römer 4, 25 heißt es: "Jesus wurde wegen unserer
Verfehlungen dem Tod preisgegeben. Aber dann heißt es dort gleich weiter:
"... und seine Auferstehung bringt uns den Freispruch." Jesus blieb
nicht im Grab. Er wurde wieder lebendig. Das Leben war stärker als der Tod. Mit
der Auferstehung wurde das stellvertretende Opfer Jesu rechtskräftig. Und
damit ist für uns der Weg frei - der Weg in den Himmel. Den Graben, den wir mit
unserer Sünde aufgerissen haben, hat Jesus wieder zugeschüttet. Er lebte
letztlich nicht, um zu sterben, sondern starb, damit wir mit ihm leben können.
Es gibt wieder einen Weg zu Gott.
"Ich gehe dorthin", hat Jesus zu seinen Jüngern
gesagt, und er wusste genau, was das bedeutet. Er wusste, was für Schrecken als
nächstes auf ihn warteten. Er war nicht überrumpelt vom Verrat des Judas und
von der Kreuzigung. Er wusste, wie bitter sein persönlicher Weg werden würde.
Aber er wusste auch, dass er so und nur so der Weg für uns werden würde. Als er
am Kreuz hing, rief er nicht: "Jetzt ist alles verloren!", sondern:
"Jetzt ist alles vollbracht!" Also: Jesus sagt dieses wunderbare
Wort: "Ich bin der Weg" ganz bewusst am Vorabend seiner Passion. Denn
hier liegt der Schlüssel: Sein Sterben bildet die Brücke zu Gott. Der Weg zur Hölle
ist mit unseren guten Vorsätzen und unseren bösen Taten gepflastert. Aber der
Weg zum Himmel ist mit Jesu Kreuz und Auferstehung gepflastert.
Der Weg: kein Lehrsatz ...
Zum dritten: Was muss man denn nun tun, wenn man
diesen Weg gehen will? Es ist eigentlich ganz simpel: Man muss sich an Jesus
halten. Jesus ist der Weg. Und wer diesen Weg gehen möchte, muss sich an Jesus
klammern. Die Bibel nennt das glauben. Selten wird so klar wie an diesem Wort
Jesu, was glauben heißt. Glauben bedeutet mehr als: Glaubensaussagen für wahr
halten. Glauben bedeutet mehr als: Glaubensregeln einhalten. Glauben bedeutet
mehr als: sich einer Glaubensgemeinschaft anschließen. Glauben bedeutet: sich
mit Haut und Haar Jesus anvertrauen. Glauben heißt, eine persönliche Beziehung
zu Jesus haben.
Nochmal und jetzt etwas ausführlicher: Glauben bedeutet mehr
als Glaubensaussagen für wahr halten. Hier stoßen wir auf eines der
grundlegenden Missverständnisse im Blick auf das Christsein. Sicher, es gibt
einen harten Kern von Glaubensinhalten, eine eiserne Ration sozusagen; wer
davon nichts wissen will, sollte auch so ehrlich sein und auf die Bezeichnung
Christ verzichten. Aber nicht das Festhalten an einem Glaubensbekenntnis macht
zum Christen, sondern das Festhalten an Christus selbst. Zahllose Kirchgänger
sprechen Sonntag für Sonntag das Credo mit, aber wenn man sie fragt, ob ihre
Schuld vergeben ist und ob Gott sie einmal in sein Haus aufnehmen wird, sind
sie verwirrt und zucken unsicher mit den Schultern. Sicher brauchen wir
Informationen über Gott. Aber das genügt nicht. Infos überbrücken den Abgrund
nicht. Infos bringen uns nicht in den Himmel. Es nützt daher auch nichts,
Informationen wie Vorräte zu sammeln. Zur Zeit Jesu
gab es eine blühende jüdische Literatur, die sog. Apokalyptik.
Da unternimmt irgendein heiliger Mensch eine Himmelsreise, und ein Engel gibt
ihm Aufschluss über das Jenseits und die Zukunft. Die Leser erfahren die
tollsten Dinge über den Himmel - aber sie kommen ihm keinen Schritt näher. In
der Zeit der frühen Christenheit gab es die Bewegung der Gnosis. Gnosis
bedeutet Erkenntnis; man wollte mit Hilfe von tiefsinnigen Erkenntnissen dem
Himmel näher kommen als Peter und Paul, die christlichen Durchschnittsbürger.
Aber Erkenntnis als solche trägt uns nicht in die Höhe; Erkenntnis lässt uns
nur die Nase höher tragen. Beides - Apokalyptik und
Gnosis - gibt es in immer neuen Gewändern bis heute, gerade auch in
christlichen Kreisen, die es besonders ernst meinen. Und doch ist beides ein Trugschluss
- als sei man dem Himmel näher, bloß weil man mehr über ihn weiß. Es ist ein bisschen
so, als würde man einem Verdurstenden in der Wüste Wasser anpreisen, und wenn
er's nicht begreift, malt man das Wasser in immer bunteren Farben und liefert
immer mehr Informationen darüber - chemische Formeln und physikalische Gesetze
-, aber der arme Kerl stirbt uns unter den Händen; unser Wissen hat ihn nicht
satt gemacht. Also: Beides ist und bleibt eine Sackgasse. Wir sind dem Himmel
nur so nah, wie wir Jesus nah sind. Für die unter uns, die sich gerade mit
Dogmengeschichte befassen: Fides qua creditur, nicht
nur Fides quae creditur.
... keine Vorschrift
Und ebenso auch: Glauben bedeutet mehr als
Glaubensregeln einhalten. Hier haben wir noch so ein Missverständnis. Glauben
heißt nicht einen Gesetzeskatalog aufstellen und den so gut wie eben möglich
befolgen. Sicher, Regeln sind nötig, auch für den Christen (sonst wird aus
unserer Gottes- und Nächstenliebe klammheimlich wieder unsere Eigenliebe). Aber
Gesetze können niemals die persönliche Verbindung mit Jesus ersetzen. Gebote
sind vielleicht Anleitungen zum Brückenbau, aber das Material wird nicht
mitgeliefert; der Abgrund bleibt. Zur Zeit Jesu versuchten
es die Pharisäer auf diesem Weg. Sie hatten einen richtigen
Gesetzessammeltick; es war für sie geradezu ein Hobby, Gesetze aufzustellen.
Und auch das trifft man bis heute in christlichen Kreisen an, denen es mit der
Nachfolge ganz ernst ist - todernst. Wehe, wenn man sich einmal auf diesen Weg
eingelassen hat! Erstens schwillt einem der Kamm, wenn es gelingt, ein Gebot
einzuhalten. Zweitens lässt man die Flügel hängen, wenn man wieder mal
gescheitert ist. Drittens werden es immer mehr Regeln, weil man für jedes übertretene
Gebot drei neue aufstellt, um das Versagen zu kompensieren. Das Gesetz ist kein
Weg zum Leben - einfach deshalb, weil wir es niemals vollständig einhalten und
weil das Gesetz auf Sünde nur mit Strafe reagieren kann, nicht mit Vergebung.
... keine Organisation
Und ebenso schließlich auch: Glauben bedeutet mehr
als sich einer Glaubensgemeinschaft anschließen. Der Weg zum Himmel ist eine
Person, keine Organisation. Eine Organisation kann Scheinchristen produzieren
- Taufscheinchristen, Konfirmationsscheinchristen, Trauscheinchristen; aber
nur eine Person kann neues Leben in uns hervorbringen. Natürlich gehört es zum
Christsein, dass man den Kontakt mit anderen Christen sucht. Wer nicht irgendwo
verbindlich in einer örtlichen Gemeinde mitmacht, weiß gar nicht, was er verpasst,
und wird anfällig für alles Mögliche. Aber die Kirche ersetzt nicht das persönliche
Vertrauen auf Jesus; Gott akzeptiert keinen noch so frommen Menschen als meinen
Glaubens-Stellverteter. Wie ich zu Jesus stehe, ist
eine Sache zwischen Jesus und mir, nicht zwischen Jesus und meinem Pfarrer.
Der Weg zum Himmel führt nicht über einen Kirchenbeitritt, sondern über Jesus.
Auch die Zugehörigkeit zur bibeltreusten Gemeinde oder das Studium an der
bibeltreusten Ausbildungsstätte kann das nicht ersetzen (der Rektor wird mir
diese Bemerkung sicher nicht übel nehmen). Es gibt ja so etwas wie eine
Geborgenheit in der Gruppe; man fühlt sich in der Gemeinschaft geschützt. Aber
diese Sicherheit kann trügen; Kirchenmauern sind nicht dick genug, um mich vor
Gottes Zorn zu bewahren, wenn ich zwar vom Himmel rede, aber meine Taten zum
Himmel schreien.
... sondern eine Person
Also nochmal und jetzt
positiv: Der Weg zum Himmel führt nicht über Sachwerte - Lehrsätze, Gebote,
kirchliche Strukturen -, sondern über Jesus Christus. Der Gegenstand unseres
Glaubens ist kein Gegenstand, sondern eine Person. Glauben ist eine persönliche,
verbindliche Gemeinschaft zwischen Mensch und Gott. Der erste Schritt ist der, dass
ich im Gebet mit Jesus rede und bei ihm den ganzen Pfusch meines bisherigen
Lebens ablade (das Bekennen unserer Schuld ist der einzige Beitrag, den wir zu
unserer Errettung leisten können). Der zweite Schritt ist, dass ich all den Götzen,
die mich in ihrem Griff hatten, den Rücken kehre, und mich entschieden und
ausschließlich Jesus unterstelle, der allein die Macht hat, mich von den Götzen
zu befreien, und der allein das Recht hat, mein Herr zu sein. Und der dritte
Schritt ist - dass ich bei Jesus bleibe! Alles weitere
wird sich finden. Er wird mich - durch das Lesen der Bibel, durchs Gebet,
durch den Austausch mit anderen Christen - Schritt um Schritt weiterführen.
Ich finde dieses personale Konzept, das Jesus seinen
Jüngern hier mit einem einzigen Satz vorstellt, großartig. Der Weg zu Gott ist
keine Formel, kein fertiges Rezept, sondern eine persönliche Beziehung,
Vertrauenssache. Zwischen Jesus und uns entsteht ein Vater-Kind-Verhältnis. Wer
einmal zu Jesus Vertrauen gefasst hat, will nicht mehr weg von ihm. Wenn wir
von einem Menschen begeistert sind und uns an ihn hängen, folgt irgendwann die
Ernüchterung; man sieht hinter die Kulissen und stellt fest, dass der auch nur
kleine Brötchen backt. Bei Jesus ist es anders: Da tauchen keine Schattenseiten
auf; man entdeckt immer nur neue Schokoladenseiten. Je länger, je lieber.
Wahrheit und Leben
Wir entdecken Jesus als die Wahrheit - eine Wahrheit,
die nicht bedrückt, sondern frei macht. Sie macht aus den Bruchstücken unseres
Daseins ein zusammenhängendes Ganzes, sie ist die einzige befriedigende
Lebensgrundlage, sie gibt uns Durchblick und Weisheit, damit wir uns in den Höhen
und Tiefen des Lebens richtig verhalten.
Wir entdecken Jesus als das Leben. Er bringt uns das
Leben in seiner ganzen Fülle. Er macht unser Denken und unsere Empfindungen
gesund, er erneuert unsere Kräfte, wo wir müde und verzagt geworden sind. Die
meisten Menschen leben gar nicht wirklich, sie sind nur einfach da und halten
durch. Leben, das diesen Namen verdient, schenkt uns nur Jesus. Und nur mit
ihm können wir auch über den Tod nachdenken, ohne zu Tode zu erschrecken.
Nochmal ein Hinweis für die Dogmengeschichtler unter uns:
Die Theologen haben immer wieder Mühe gehabt zu bestimmen, was denn nun genau
notwendig ist, um in den Himmel zu kommen: nur die Bekehrung? oder daran anschließend
auch die Heiligung? Aber wenn ein geheiligtes Leben Bedingung ist, gerät man
dann nicht wieder in das Fahrwasser der Gesetzlichkeit? Und so haben die einen
dies betont und die anderen das, und man ist sich in die Wolle geraten und sah
am Ende gar nicht mehr, wie beides doch zusammengehört und sich durchaus unter
einen Hut bringen lässt - bei Jesus. Wenn es stimmt, dass Jesus der Weg ist,
dann genügt es nicht, diesen Weg zu betreten; ich muss selbstverständlich auch
darauf bleiben; ich habe keine andere Wahl. Und wenn ich bei Jesus bleibe, dann
bleibt meinem Verhalten keine andere Wahl, als sich nach und nach nachhaltig
umkrempeln zu lassen. Die Lehre von der unsichtbaren Frucht ist eine
unfruchtbare Sicht. Jesus ist eben kein Reisebüroinhaber, bei dem man sich das
Flugticket in den Himmel abholen kann, und dann steckt man das Ticket in die
Tasche und sagt tschüs, "bis demnächst einmal!", und geht seiner
Wege. Nein, man kann die Fahrkarte nicht ohne Jesus spazieren führen. Er selbst
ist schließlich die Fahrkarte in den Himmel. Wenn ich dorthin komme, dann nur
in der Gemeinschaft mit ihm. Und nicht meine guten Taten sind dann meine
Eintrittskarte, sondern Jesus selbst, zu dem ich mich gehalten habe und der
mich bei sich gehalten hat.
B. Das Ziel
Ich habe jetzt immer nur vom Weg in den Himmel
gesprochen. Aber wo kommen wir denn schließlich an? Wie sieht das Ziel aus? Johannes
in der Offenbarung spricht von einem gläsernen Meer und von einem Fluss mit
Lebenswasser, an dessen Ufer der Lebensbaum wächst, und von einer Stadt mit
Perlentoren und Edelsteinmauern und goldenen Straßen, durchsichtig wie Glas.
Johannes kann gar nicht genug aufzählen von der Schönheit und Herrlichkeit der
neuen Welt. Aber er ist sich bewusst, dass er Dinge sieht, für die es in
unserer vergänglichen Welt im Grunde keine Vergleiche und keine Worte gibt. Was
er sieht, lässt sich mit unserer Sprache sicher nicht besser formulieren, und
doch wird die Wirklichkeit noch viel herrlicher sein. Wir werden nicht sagen:
Ach ja, kenn ich, das gläserne Meer, genau wie Johannes es beschrieben hat.
Nein, was wir sehen, wird uns einfach umhauen, so unbeschreiblich wird es
sein.
Mit einem Wort: der Vater
Jesus an unserer Stelle beschreibt den Himmel
ebenfalls, aber er schlägt einen anderen Weg ein, den der Beschränkung auf das
Entscheidende. Erst spricht er noch vom "Haus meines Vaters", und
nachher, wo er vom Weg und vom Ziel redet, sagt er schlicht und einfach:
"der Vater". "Zum Vater kommt man nur durch mich." Es ist,
als wollte Jesus sagen: Wenn du den Himmel mit einem Wort zusammenfassen
willst - hier hast du es: Gott, der Vater. Vergiss alles andere - die goldene
Stadt, die Blätter vom Baum des Lebens, die Engelchöre -; das alles ist nur
Rahmenwerk und Beigabe. Die Herrlichkeit des Himmels besteht letztlich in einem
einzigen: in Gott. Adolf Schlatter, der große Tübinger Theologe aus der
Schweiz, der ja auch hier in Basel studiert hat, erzählt einmal, wie man
seinem Vater, als der im Sterben lag, zu seinem Trost und seiner Hoffnung die
Schönheit des Neuen Jerusalems beschrieb, bis sein Vater plötzlich rief:
"Es verlangt mich nicht nach diesem Plunder; mich verlangt danach, am Hals
des Vaters zu hängen!" Asaph betet in Psalm 73, 25: "Wen habe ich im
Himmel außer dir?" Und im Grunde genommen sagt auch Johannes in der Offenbarung
genau dasselbe (Offenbarung. 21, 22f und Offenbarung 22, 3b-5): "Einen
Tempel sah ich nicht in der Stadt. Der Herr selbst, der allmächtige Gott, ist
ihr Tempel, er und das Lamm. Auch sind weder Sonne noch Mond nötig, um der
Stadt Licht zu geben. Sie wird von der Herrlichkeit Gottes erhellt; das Licht,
das ihr leuchtet, ist das Lamm ... Der Thron Gottes und des Lammes wird in der
Stadt sein, und alle ihre Bewohner werden Gott dienen und ihn anbeten. Sie
werden sein Angesicht sehen und werden seinen Namen auf ihrer Stirn tragen …
Gott selbst, der Herr, wird ihr Licht sein." Der Himmel ist ein
begehrenswertes Ziel, weil wir dort Gott sehen und mit ihm sprechen dürfen.
Ohne Gott wäre der Himmel leer und verlöre jede Attraktion; ohne Gott wäre der
Himmel kein Himmel mehr; ohne Gott wäre der Himmel die Hölle.
Auf Erden ist der Himmel los
Übrigens: Weil das Entscheidende am Himmel Gott, der
Vater, ist und weil Jesus uns bereits hier und heute den Zugang zu seinem Vater
schenkt, erleben Christen jetzt schon ein Stück Himmel auf Erden; sie erfahren
jetzt schon etwas davon, wie es einmal sein wird, wenn auf Erden der Himmel los
ist.
C. Die Beteiligten
Wir haben lange vom Weg gesprochen; wir haben kurz
vom Ziel gesprochen; und als letztes wollen wir uns noch die Frage stellen:
Wer kommt denn nun ans Ziel? Also jetzt nicht mehr: Wie kommt man in den Himmel?, sondern: Wer kommt in den Himmel? Im Grunde ist diese
letzte Frage mit der ersten beantwortet: In den Himmel kommt jeder, der den
richtigen Weg geht, jeder also, der sich Jesus anschließt und bei Jesus bleibt.
Und was ist mit den anderen? Mit denen, die den Weg zwar kennen, aber einen anderen
Weg einschlagen? Sie werden feststellen, dass sie auf dem Holzweg sind. Ihr
Weg führt sie in die Gegenrichtung; sie werden nicht in der Nähe Gottes
landen, sondern in der Gottesferne. Sie werden - aber leider erst, wenn es zu
spät ist - Jesus recht geben, wenn er sagt: "Zum Vater kommt man nur
durch mich." Und was ist, wenn jemand stirbt, der nie etwas von der Bibel
und vom wahren Gott gehört hat und daher gar nicht wissen konnte, dass Jesus
der Weg ist - ein Kleinkind z.B. oder ein geistig Schwerbehinderter oder der
Angehörige eines Volksstammes, bei dem noch nie ein Christ gewesen ist?
Vier Eckdaten gegen das Spekulieren
Ich weiß, dass gerade an diesem Punkt viele Fragen
aufbrechen und lauter Widerspruch zu hören ist. Ich weiß auch, dass wir hier
leicht ins Spekulieren kommen, weil die Bibel zu manchen Fragen schweigt, auf
die wir gern eine Antwort hätten. Darum möchte ich einfach noch auf ein paar
Eckdaten der Bibel hinweisen, vier Eckdaten, die den Rahmen abgeben, innerhalb
dessen wir nach Lösungen für die offenen Fragen suchen müssen.
1. Es gibt eine Hölle
Erstens: Es gibt das Gegenteil vom Himmel. Es gibt
eine Hölle. So, wie manche für immer die vollkommene Nähe Gottes erleben
werden, werden manche für immer die völlige Gottferne erleben. Wohlgemerkt: So,
wie das Beste und das Entscheidende am Himmel die Gegenwart Gottes ist und
nicht die Perlen und Edelsteine, so ist auch das Schlimmste und das
Entscheidende an der Hölle die Abwesenheit Gottes, nicht das Feuer und die
Hitze und der Durst. Ich habe mich in diesem Zusammenhang oft gefragt, ob es
denn dann einen Ort gibt, an dem der allgegenwärtige Gott nicht mehr gegenwärtig
ist. Was mir hilft, ist ein Vergleich: Ich mache mit einem meiner Kinder eine
Bahnreise. Im selben Abteil befindet sich noch ein Kind, ein fremdes. Das eine
sitzt rechts von mir, das andere links. Beide sind mir genau gleich nah - aber
nur physisch gesehen. Was meine Gedanken und Empfindungen betrifft, bin ich mit
dem einen Kind so eng wie nur denkbar verbunden, während ich
mit dem anderen nicht das Geringste zu tun habe. So ähnlich wird es wohl auch
einmal am Ende der Zeit sein. Als Richter und Herr ist Gott auch in der Hölle
anwesend, aber als Vater ist er nur im Himmel zu finden.
Wir mögen Wut und Empörung darüber empfinden, dass
es so etwas wie die Hölle gibt, aber damit löst sie sich nicht in Wohlgefallen
auf. Es gibt Leute, die meinen, die Hölle sei eine Erfindung finsterer
Gesellen, vielleicht der alttestamentlichen Propheten oder des Apostels Paulus
- eine Erfindung von Schwarzmalern, die nur die Hölle so richtig farbig
schildern können; aber mit dem Gott der Liebe könne sie nichts zu tun haben,
aus dem Munde Jesu könnten solche Töne unmöglich zu hören sein. So? Von wem
erfahren wir denn, dass es eine Hölle gibt? Von demselben, der uns sagt, dass
es den Himmel gibt, von Jesus! Derselbe, der uns sagt, wie wir in den Himmel
kommen, sagt auch unmissverständlich, dass nicht alle in den Himmel kommen.
Nirgends steht so viel über die Hölle wie ausgerechnet in den Evangelien. Was
daraus folgt, liegt auf der Hand: Himmel und Hölle stehen und fallen
miteinander. Wenn es keinen ewigen Tod gibt, gibt es auch kein ewiges Leben.
Wenn es keine Hölle gibt, gibt es auch keinen Himmel. Jesus redet von beidem,
und wenn er bei dem einen lügt oder sich täuscht, warum sollte er dann bei dem
anderen die Wahrheit sagen? Nur weil uns diese Wahrheit besser passt? Wer weiß
denn, wie es wirklich sein wird - wir oder Jesus? Wenn Jesus - wie es die
Bibel sagt - das Wort Gottes ist, Gottes letzte und endgültige Mitteilung an
uns, dann ist alles, was er sagt, zuverlässig. Wenn wir eines ablehnen, müssen
wir alles ablehnen. Keine Hölle, kein Himmel - und keine Offenbarung. Wir müssen
dann so ehrlich sein und die Bibel zuklappen. Manche wollen nicht so weit
gehen. Sie ziehen eine Vogel-Strauß-Politik vor: den Kopf in den Sand stecken
und die Stellen über die Hölle einfach ignorieren. Erst schließen wir die
Augen, und dann sehen wir weiter! heißt ihr Motto. Nur: Das Ignorieren einer
Tatsache schafft die Tatsache nicht aus der Welt. Fieber wird man nicht dadurch
los, dass man das Thermometer zerbricht. Kopfweh kuriert man nicht durch
Enthauptung des Kranken. Wenn wir so verfahren, haben wir den Schaden selbst zu
tragen. Um nochmals auf den Vogel Strauß zurückzukommen: Ich las dazu mal
einen hübschen Graffiti-Spruch: "Wer heute den Kopf in den Sand steckt,
knirscht morgen mit den Zähnen." Das wir hier buchstäblich eintreffen.
Vielleicht leben wir eine Zeitlang in einer schönen Scheinwelt, aber der Wecker
des Gerichtes Gottes wird uns aus allen Träumen reißen. Es ist besser, wir
revidieren rechtzeitig unsere Ansichten und stellen uns der Wirklichkeit, von
der die Bibel spricht. Es gibt einen Universalismus in dem Sinn, dass Gott alle
retten will; wer verloren geht, geht gegen Gottes Willen verloren. Aber es gibt
keinen Universalismus in dem Sinn, dass alle gerettet werden.
2. Im Himmel wird nicht nur eine kleine Schar sein
Zweitens: Der Himmel ist ein Haus mit vielen
Wohnungen. So hat es Jesus in unserem Text ausgedrückt. Er wollte damit sagen:
Für jeden, der den richtigen Weg geht, gibt es einen Platz im Himmel. Keiner,
der hier mit Jesus lebt, muss Angst haben, dort einmal abgewiesen zu werden -
womöglich weil alle Zimmer schon belegt sind. Nein, Gottes Haus hat für alle
Platz; nie wird da ein Schild hängen: Keine Wohnung mehr frei. Gott ist der größte
Immobilienbesitzer des Universums. Er lädt alle ein, und es ist ihm eine
Freude, wenn viele kommen. Ja, im Himmel werden einmal viele sein. Wir sind oft
so defensiv eingestellt, sind ja auch tatsächlich oft nur so eine winzige
Minderheit, dass wir dieses Bild unwillkürlich in die Ewigkeit hinein verlängern:
ein verdrücktes Häuflein Gerechter im Himmel und eine unüberschaubare Masse
Gottloser in der Hölle. Wir haben oft nur Jesu Wort von der engen Pforte und
von der kleinen Herde im Ohr, aber Jesus hat auch gesagt: "Von Osten und
Westen und von Norden und Süden werden Menschen kommen und sich im Reich
Gottes zu Tisch setzen" (Lukas 13, 29). Und in der Offenbarung sieht Johannes
vor Gottes Thron "eine riesige Menschenmenge aus allen Stämmen und
Völkern, Menschen aller Sprachen und Kulturen - so viele, dass niemand sie
zählen kann." (Offenbarung 7, 9) Ist das nicht ein Ausblick voller Hoffnung?
Gott wird viele retten, so viele, dass man sie nicht zählen kann. Elia dachte
einmal, er sei der einzige in Israel, der es nicht mit den Götzen hält; in
Wirklichkeit waren es noch 7000, die Gott die Treue gehalten haben. Meine Frau
und ich lasen diese Woche den Bericht von einer missionarischen Erkundungsreise
durch den Jemen, in dem ja fast zwei Jahrzehnte lang keine christliche Arbeit
mehr getan werden durfte. Und wo diese Missionare nun hinkamen, riss man ihnen
die Bibel förmlich aus der Hand und sagte: "Das ist das richtige Buch,
nicht der Koran. Wir hören christliche Radiosendungen, so viel es nur
geht!" Die Missionare waren platt vor Staunen und Dankbarkeit. Ja, im Himmel
wird einmal ein großes Fest gefeiert werden.
Es gibt ein wunderbares Lied von Manfred Siebald, das uns helfen kann zu sehen, wie groß die
Gemeinde Gottes ist.
Überall, überall hat Gott seine Leute.
Freu dich doch daran!
Überall, überall zündet er sich seine Lichter an.
Komm heraus aus deiner Ecke;
schau dich um und dann entdecke,
dass noch andre Gottes Wege gehn,
die ihn lieben, die ihn ehren,
mit ihm reden, auf ihn hören,
sich von ihm gebrauchen lassen, wo sie stehn.
Mancher findet Gottes Leute
nicht, wo er sich auf sie freute,
doch sie sind ihm sicher gar nicht fern -
manchmal nicht in großen Zahlen,
manchmal nicht in Kathedralen,
aber immer in der Nähe ihres Herrn.
Geh nach Westen, geh nach Osten,
geh zu den verlornen Posten,
und du siehst: Gott lässt sie nicht allein.
Geh nach Norden, geh nach Süden -
sie sind wunderbar verschieden,
doch im Glauben können sie sich einig sein.
Überall, überall hat Gott seine Leute.
Freu dich doch daran!
überall, überall zündet er sich seine Lichter an.
3. Der Richter ist Gott
Drittens: Der Richter ist Gott, nicht wir. Wir sind
nicht die Herren über Leben und Tod und dürfen uns auch nicht als solche aufspielen.
Wir müssen uns bei aller notwendigen Beurteilung bewusst sein, dass wir nur
bruchstückhaft erkennen. Wir sehen oft nur die Fassade. Wir wissen nicht alles
von der Umgebung und der Biographie der anderen Menschen. Unser Urteil ist getrübt
vom Balken im eigenen Auge und von Sympathie oder Antipathie. Für uns zählt
oft nur die eigene Gemeinde oder der eigene Frömmigkeitsstil. Wir würden über
Menschen die Todesstrafe verhängen, die sie nicht verdient haben, und würden
andere frei laufen lassen, die wirklich schuldig sind. Wir können letztlich
nicht gerecht urteilen. Gott ist der einzige, der ins Herz sieht; er allein
kennt die Menschen durch und durch (1. Samuel 16, 7; Apostelgeschichte 1, 24).
Darum ist er und nur er der gerechte Richter der ganzen Welt (1. Mose 18, 25).
Ihm allein steht in ausnahmslos allen Fällen das letzte Urteil zu. Und ich
meine, wir können von Glück reden, dass wir nicht über das Schicksal anderer
entscheiden müssen. Wir werden am Ende heilfroh sein - buchstäblich um unseres
Heiles willen froh sein -, wenn wir selbst dabei sind.
Es gibt ein anderes Lied von Manfred Siebald, das diesen Gedanken auf eindrucksvolle Weise zusammenfasst.
Das wird ein Staunen geben, ein Köpfeverdrehn,
wenn wir nach diesem Leben vor Jesus stehn
und wenn wir - voll Hoffnung und doch beklommen -
dann endlich zu sehn bekommen,
wer von ihm verstoßen wird, wer angenommen.
Da werden wir manche finden, die wären nicht mehr zu
retten
und stürben in ihren Sünden, wenn wir zu richten hätten.
Doch Gott wird auf jene sehen, die seine Vergebung
wollten,
und mancher wird zu ihm gehen, auch wenn ihm die
Menschen grollten.
Und manche, die immer dachten, sie könnten mit guten
Werken
sich Plätze im Himmel pachten, werden ihren Irrtum
merken.
Denn Gott wird nach jenen schauen, die sich ganz auf
ihn verließen,
doch denen, die sich vertrauen, wird er dann die Tür verschließen.
Dann werden wir plötzlich schweigen und nicht mehr nach
andern fragen;
auf uns wird dann Jesus zeigen und uns selbst das
Urteil sagen.
Auf einmal wird klein und nichtig, wie gut wir uns
selber fanden.
Dann ist nur das eine wichtig: Wie wir hier zu Jesus
standen.
Das wird ein Staunen geben, ein Köpfeverdrehn,
wenn wir nach diesem Leben vor Jesus stehn
und wenn wir - voll Hoffnung und doch beklommen -
dann endlich zu sehn bekommen,
wer ihn hier verstoßen hat, wer angenommen.
4. Christen sollen Wegweiser sein
Viertens (und letztens): Christen sollen Wegweiser
sein. Was ist die Aufgabe Nr.1 von jemand, der noch nicht zu Jesus gehört?
Sich von ihm retten lassen. Und was ist die Aufgabe Nr.1 von jemand, der
bereits gerettet ist? Andere auf den Retter aufmerksam machen. Ihnen sagen, dass
man nur durch Jesus zum Vater kommt. Jesus ist der Weg - wer Jesus ablehnt,
kommt nicht ans Ziel. Jesus ist die Wahrheit - wer ihn ablehnt, lebt in der Lüge.
Jesus ist das Leben - wer ihn ablehnt, dem bleibt nur der Tod. Das müssen wir
den Menschen um uns her sagen, das sind wir ihnen schuldig, weil wir den Weg,
die Wahrheit und das Leben kennen. In idea-spektrum,
dem Informationsdienst der Evangelischen Allianz, war kürzlich folgende
Karikatur abgebildet: Ein Pfarrer hebt beschwichtigend die Hände und sagt zu
seinem Besucher: "Um Gottes willen - ich will Sie doch nicht
bekehren!" Darauf der Besucher: "Um Gottes willen sollten Sie mich
aber bekehren!" - Wissen eigentlich Ihre Nachbarn und Ihre Arbeitskollegen,
dass Sie Jesus gehören? Manche Christen schleichen so erfolgreich getarnt
durchs Leben, dass man meint, sie hätten eine Wette miteinander geschlossen,
wer es schafft, inkognito im Himmel anzukommen. Hoffentlich erkennt dann
wenigstens Gott sie!
Vielleicht halten manche den Hinweis auf die Hölle für
Angstmacherei, für Psychoterror. Ich weiß nicht. Wenn ich zu einem kleinen
Kind sage: Geh nicht allein vor die Tür; es könnte ein Löwe draußen sein!, dann ist das lächerlich; es ist eine Lüge. Aber wenn ich
sage: Geh nicht allein raus; draußen ist so ein starker Verkehr!, dann ist das eine echte und begründete Warnung. Wenn uns
die Bibel auf das Gericht aufmerksam macht, dann nicht, um uns mit etwas
Erfundenem Angst einzujagen, sondern um uns mit der Wirklichkeit zu
konfrontieren. "Zum Vater kommt man nur durch Jesus." Vielleicht
riecht das für manche nach Anmaßung. Aber wir maßen uns nichts an; wir
wiederholen nur, was der gesagt hat, der als einziger Bescheid weiß.
Vielleicht klingt das für manche engstirnig: "nur durch Jesus". Nicht
durch Mohammed? nicht durch Buddha? nicht durch Brahma? nicht durch einen
Fetisch? nicht durch eine Ikone? nicht durch Maria? nicht durch das Halten von
Geboten? nicht durch Opfer? nicht durch feierliche Gottesdienste? Nein, nur
durch Jesus. Einen anderen Weg gibt es nicht; wer einen anderen Weg sucht,
sucht karierte Maiglöckchen. Alle Wege führen nach Rom, meinetwegen, aber zu
Gott führt nur einer. Es gibt nur einen Retter und daher auch nur einen Weg
zur Rettung. Warum sagt Jesus das so eindringlich? Warum wiederholt er es so
hartnäckig? Weil er sich was darauf einbildet? Oder weil er die Konkurrenz fürchtet?
Nein. Jesus sagt das, weil er weiß, dass es Tatsache ist, und weil er uns lieb
hat. Er möchte uns rechtzeitig die Augen öffnen über unseren Zustand und für
sein Angebot; er möchte uns warnen vor dem Versuch, den Zugang zum Himmel
woanders zu suchen als bei ihm; er möchte uns schützen vor dem Untergang und möchte
uns gewinnen für die echte Freiheit und die echte Freude. Er, die Wahrheit, möchte
uns heraushelfen aus der Lüge; er, das Leben, möchte uns herausführen aus dem
Tod. Wir haben unseren Mitmenschen nichts Wichtigeres zu sagen, und wir haben
ihnen nichts Besseres zu sagen. Und indem wir es ihnen sagen, tragen wir dazu
bei, dass sich die Hölle entvölkert und der Himmel bevölkert.
Es gibt noch ein drittes Lied von Manfred Siebald, das hierher passt - aller guten Dinge sind drei.
Es richtet sich an alle die, die den Weg kennen, und spricht von der Aufgabe,
die sich daraus für sie ergibt. Mit diesem Lied möchte ich schließen.
Wer das Wasser in der Wüste kennt und es verschweigt,
der ist schuld, wenn Sterbende es übersehn.
Wer im Moor die festen Wege kennt und sie nicht
zeigt,
der ist schuld daran, wenn andre untergehn.
Glaub doch nicht, zu Gott käm
schließlich jeder sowieso,
und der Weg sei einerlei.
Mancher Weg ist blind und endet bald schon irgendwo;
manche Spur führt weit und führt an Gott vorbei.
Was du weißt, das sag in Liebe, aber sag es klar:
dass kein Mensch sich retten kann.
Nur am Kreuz, wo Christus starb und für uns durstig
war,
fängt der Weg zu Gott und seiner Quelle an.
Sprich mit dem, der ohne Christus auszukommen meint,
der nur lacht und widerspricht.
Jeder braucht den Mann am Kreuz, auch wenn es nicht
so scheint;
mancher stirbt längst ohne ihn und merkt es nicht.
Wer das Wasser in der Wüste kennt und es verschweigt,
der ist schuld, wenn Sterbende es übersehn.
Wer im Moor die festen Wege kennt und sie nicht
zeigt,
der ist schuld daran, wenn andre untergehn.