Glaube nur
- von Charles Haddon Spurgeon (1834-1892) -
Das
Wort Gottes sagt mir, daß ich glauben soll - aber was soll ich glauben? Ich
werde aufgefordert, zu schauen - aber wohin soll ich schauen? Was ist der
Inhalt meiner Hoffnung, meines Glaubens, meiner Zuversicht? Die Antwort ist
einfach: der Inhalt des Glaubens ist für jeden Sünder Jesus Christus.
Wie viele machen dabei
den Fehler und denken, daß sie an Gott, den Vater, glauben sollen! Dabei
ist der Glaube an Gott eine Folge des Glaubens an Jesus. Wir kommen zum Glauben
an die ewige Liebe des Vaters, weil wir auf das kostbare Blut des Sohnes
vertrauen. Viele Menschen sagen: ,,Ich würde ja an Christus glauben, wenn ich
wüßte, daß ich erwählt wäre.“ Aber das betrifft das Kommen zum Vater, und
niemand kann zum Vater kommen, als nur durch Christus. Es ist das Werk des
Vaters, zu erwählen. Du kannst nicht direkt zu ihm kommen, deshalb kannst du
auch nichts von deiner Erwählung wissen. bis du nicht zuerst an Christus, als
deinen Erlöser, geglaubt hast. Wenn du dann erlöst bist, kannst du dich dem
Vater nähern und um deine Erwählung wissen.
Manche machen auch den Fehler, auf das Werk des Heiligen
Geistes zu schauen. Sie schauen in sich hinein, um zu sehen, ob sie
bestimmte Gefühle haben. Wenn sie sie finden, ist ihr Glaube stark, wenn aber
ihre Gefühle sie verlassen haben, ist ihr Glaube schwach. Sie schauen ja auf
das Werk des Geistes und das ist nicht der Inhalt für den Glauben eines
Sünders. Wir müssen beiden, dem Vater und dem Geist, vertrauen, um die Erlösung
vollständig zu empfangen aber der einzige Weg zu Rechtfertigung und Vergebung
ist das Blut des Mittlers. Christen müssen nach der Bekehrung dem Geist
vertrauen, aber die Aufgabe des Sünders, der gerettet werden will, ist weder
das Glauben an den Geist, noch das Schauen auf ihn, sondern der Blick auf Jesus
Christus allein. Deine Rettung hängt von der ganzen Dreieinigkeit ab, und doch
ist der erste und sofortige Inhalt des gerechtmachenden Glaubens eines Sünders
weder Gott, der Vater, noch Gott, der Heilige Geist, sondern Gott, der Sohn,
der Mensch wurde und das Sühnopfer für unsere Sünden.
Hast du Augen des
Glaubens? Dann schau auf Christus als Gott. Wenn du gerettet werden
möchtest, dann glaube, daß er Gott über alles ist, für immer gepriesen. Beuge
dich vor ihm und nimm ihn als alleinigen Gott an, denn wenn du es nicht tust,
hast du kein Teil an ihm.
Wenn du das glaubst,
dann glaube auch an den Menschen Jesus Christus. Glaube dem wunderbaren Bericht
seiner Fleischwerdung. Verlaß dich auf das Zeugnis der Evangelisten, die
erklären, daß der Unendliche ein Säugling wurde, daß der Ewige sterbensfähig
wurde, daß er, welcher der König des Himmels war, ein Diener der Diener und der
Sohn des Menschen wurde. Glaube und bewundere das Geheimnis seiner
Fleischwerdung, denn wenn du es nicht tust, kannst du dadurch nicht gerettet
werden.
Wenn du wirklich gerettet werden willst, dann erkenne
im Glauben Christus in seiner vollkommenen Gerechtigkeit. Sieh ihn, wie
er das Gesetz vollkommen hält, seinem Vater ausnahmslos gehorcht und seine
Sündlosigkeit bewahrt. Bedenke, all das hat er für dich getan. Du könntest das
Gesetz gar nicht halten: er hielt es für dich. Du könntest Gott gar nicht
vollkommen gehorchen; sieh doch, er war an deiner Stelle gehorsam - dadurch
bist du gerettet.
Achte darauf. daß dein
Glaube in erster Linie auf Christus, dem Gekreuzigten, fußt. Sieh das
Lamm Gottes stumm vor seinen Scherern stehen; sieh Christus als den Mann der
Schmerzen, vertraut mit Leid; geh mit ihm nach Gethsemane, und schau auf ihn,
wie er leidet. Laß es dir gesagt sein, dein Glaube hat nichts mit irgend etwas
in dir zu tun; der Inhalt deines Glaubens ist nichts in dir, sondern etwas
außerhalb von dir. Glaube an ihn, der dort am Kreuz mit angenagelten Händen und
Füßen sein Leben für Sünder gibt. Dort findest du den Inhalt deines Glaubens,
der dich gerecht macht, weder in dir selber, noch in irgend etwas, was der
Heilige Geist in dir getan hat. oder in irgend etwas, was er versprochen hat,
für dich zu tun. Du mußt auf Christus schauen, auf ihn allein.
Sieh auch im Glauben
auf Jesus, der von den Toten aufersteht. Schaut auf ihn - er hat den
Fluch getragen und wird nun gerechtfertigt. Er stirbt, um die Schuld zu
bezahlen. Er ersteht, damit er den beglichenen Schuldschein ans Kreuz nageln
kann. Sieh ihn, wie er in die Höhe auffährt, und beachte ihn, wie er heute vor
dem Thron des Vaters bittet. Er bittet dort für sein Volk. indem er seine
einflußreiche Fürbitte für alle darbringt, die durch ihn zu Gott kommen. Und
er, als Gott und Mensch, als Lebender, Sterbender, Auferstandener und als
Herrschender - er und nur er muß der Inhalt deines Glaubens sein, um deine
Sünden zu vergehen.
Auf nichts anderes
kannst du vertrauen. Er muß der einzige Halt deines Vertrauens sein. Alles, was
du zu ihm dazufügst, macht ihn zum falschen Anti-Christus, wird zur Rebellion
gegen die Herrschaft des Herrn Jesus. Achte bei deinem Glauben, der dich retten
soll, darauf, daß du Christus in all diesen Angelegenheiten als deinen
Stellvertreter betrachtest.
Die Lehre von der
Stellvertretung ist so wesentlich für den ganzen Heilsplan, daß ich sie hier
zum tausendsten Mal erklären muß. Gott ist gerecht, er muß Sünde bestrafen.
Gott ist gnädig, er will denjenigen vergeben, die an Jesus glauben. Wie kann
das geschehen? Wie kann er gerecht sein und Bestrafung fordern, gnädig sein und
Sünder annehmen? Er tut es so: er nimmt die Sünden der Seinen und legt sie auf
Christus, damit sie so unschuldig dastehen, als ob sie nie gesündigt hätten,
und Gott sieht auf Christus, als ob er alle Sünder dieser Welt, vereinigt in
einer Person, wäre. Die Sünde wurde weggenommen, und nicht bildlich, sondern
wirklich und wahrhaftig auf Christus gelegt. Dann ging Gott mit seinem brennenden
Schwert dem Sünder entgegen, um ihn zu bestrafen. Er begegnete Christus.
Christus selbst war kein Sünder, aber die Sünden der Menschen lagen ja alle auf
ihm. Die Gerechtigkeit begegnete Christus deshalb so, als ob er der Sünder
gewesen wäre - sie bestrafte Christus für die Sünden - sie bestrafte ihn so
hart, wie sie das Recht dazu hatte - sie forderte von ihm noch das letzte
Stückchen Strafe und ließ, bildlich gesprochen, nicht einen Tropfen in der
Tasse.
Der, der Christus als
seinen Stellvertreter akzeptiert und ihm vertraut, ist dadurch vom Fluch des
Gesetzes errettet. Wenn du auf Christus siehst, wie er dem Gesetz gehorcht,
kannst du im Glauben sagen: „Für uns ist er so gehorsam.“ Wenn du ihn sterben
siehst, kannst du die Blutstropfen zählen und sagen: „So hat er meine Sünde
weggenommen.“ Wenn du ihn vom Tode auferstehen siehst, kannst du sagen: „Er
aufersteht als Oberhaupt und Abgeordneter all seiner Erwählten.“ Wenn du ihn
zur Rechten Gottes siehst, sollst du ihn als Unterpfand dafür sehen, daß alle,
für die er starb, ganz sicher einmal zur Rechten des Vaters sitzen werden.
Lerne, Christus so zu sehen, wie Gott es damals tat, nämlich als Sünder. „Sünde
ist nicht in ihm“ (l. Johannes 3, 5). Er war der Gerechte, aber er litt für die
Ungerechten. Er war der Aufrichtige, aber er stand an der Stelle der
Unaufrichtigen, und alles, was die Ungerechten hätten erdulden müssen, hat
Christus ein für allemal erduldet, und hat ihre Sünde für immer durch sein
eigenes Opfer weggetan.
Das ist der große
Inhalt des Glaubens. Ich bitte dich, täusche dich nicht, denn ein Fehler hier
wird gefährlich, wenn nicht verhängnisvoll. Schau im Glauben auf Christus, wie
er durch sein Leben, seinen Tod, sein Leiden und seine Auferstehung der
Stellvertreter für alle, die ihm der Vater gab, geworden ist - das
stellvertretende Opfer für die Sünden all derer, die sich ihm anvertrauen.
Christus selbst ist also der Inhalt eines Glaubens, der gerecht macht.
Einige Leser werden
zweifellos bemerken: „Oh. ich würde ja glauben und gerettet werden, wenn...“
Wenn was? Wenn Christus gestorben wäre? „Oh, nein. mein Zweifel hat nichts mit
Christus zu tun.“ Ich dachte schon. Wo liegt dann der Zweifel? „Nun, ich würde
glauben, wenn ich dieses gefühlt oder jenes getan hätte.“ Natürlich,
aber ich sage dir, du kannst nicht an Jesus glauben, indem du dies fühlst oder
jenes tust, denn dann würdest du an dich selbst und nicht an Christus glauben.
Das ist typisch menschlich. Wenn du so und so wärest, dann könntest du
Vertrauen haben. Vertrauen worauf? Nun, Vertrauen auf deine Gefühle und
Vertrauen auf deine Taten, und das ist das genaue Gegenteil vom Vertrauen auf
Christus.
Glaube bedeutet nicht,
von etwas Gutem in mir zu schließen, daß ich gerettet werde, sondern gegen den
Anschein und trotz der Tatsache zu glauben, daß ich schuldig in Gottes Augen
bin und seinen Zorn verdiene; zu glauben, daß das Blut Jesu Christi, seines
Sohnes, mich von aller Sünde reinigt. Obwohl mich mein Gewissen verurteilt, ist
mein Glaube doch stärker als mein Gewissen, und ich glaube, daß Gott fähig ist,
alle zu retten, die durch Christus zu ihm kommen. Als Heiliger zu Jesus
Christus zu kommen, ist sehr leicht; einem Arzt zu vertrauen, daß er dir hilft,
wenn du merkst, daß es dir schon wieder besser geht, ist sehr leicht; aber dem Arzt
zu vertrauen, wenn du dich fühlst, als ob du zum Tode verurteilt wärest, es mit
Fassung zu tragen, wenn die Krankheit erst ausbricht und das Geschwür noch
größer wird, sogar dann noch an die Wirkung der Medikamente zu glauben - das
ist Glaube.
Wenn dich die Sünde
beherrscht, und du weißt, daß dich das Gesetz verurteilt, dann, in dieser
Situation, als Sünder an Christus zu glauben, das ist die mutigste Tat der
Welt. Der Glaube, der die Mauern Jerichos erschütterte, der Glaube, der Tote
erweckte, der Glaube, der das Maul von Löwen zuhielt, ist nicht größer, als der
eines armen Sünders, der es wagt, dem Blut und der Gerechtigkeit Christi zu
vertrauen, obwohl er in all seinen Sünden gefangen ist. Tu das, dann bist du
gerettet, egal wer du bist. Der Inhalt des Glaubens ist also Christus, der
Stellvertreter für Sünder. Nur Christus, nicht Gott, der Vater, oder irgendein
Werk des Geistes, sondern das Werk Jesu allein, ist also die Grundlage deiner
Hoffnung.
oder warum ein Mensch glaubt
und woher sein Glaube kommt
„Also ist der Glaube
aus der Verkündigung.“ Zugegeben, aber können nicht alle Menschen zuhören und
bleiben nicht viele doch ungläubig? Wie kommt nun jemand zum Glauben? Aus der
eigenen Erfahrung gesehen ist Glaube das Ergebnis einer erkannten Not.
Er fühlt, daß er einen Retter braucht; er findet heraus, daß Christus gerade so
ein Retter ist, wie er ihn möchte, und glaubt deshalb, weil er sich nicht
selbst helfen kann, an Christus. Er hat selbst nichts zu bringen und empfindet
deshalb, daß er entweder Christus annehmen oder verderben muß, und darum tut er
es, denn er kann selbst nichts ausrichten. Er ist ziemlich in die Ecke
getrieben, und es gibt nur diesen einen Fluchtweg, nämlich durch die
Gerechtigkeit eines anderen. Weil er weiß, daß er nicht durch irgendwelche
guten Taten oder eigenes Leiden entkommen kann, kommt er zu Christus und
demütigt sich selbst. Denn ohne Christus schafft er es nicht, und er muß
umkommen, wenn er ihn nicht findet.
Aber um die Frage
weiter zurückzuverfolgen: Wie wird einem Menschen seine Not eigentlich bewußt?
Wie kommt es, daß ausgerechnet er und nicht ein anderer fühlt, daß er Christus
braucht? Sicher ist, daß er Christus nicht mehr als andere Menschen braucht.
Wie kommt er dann zu dem Wissen, daß er verloren und geistlich ruiniert ist?
Warum wird er von dem Bewußtsein seines Ruins dazu getrieben, sich an Christus,
dem Erneuerer, festzuhalten? Die Antwort ist: es ist Gottes Geschenk; es
ist das Werk des Geistes. Niemand kommt zu Christus, wenn ihn nicht der Geist
zieht, und der Geist zieht Menschen zu Christus, indem er sie unter dem Gesetz
gefangennimmt, bis sie zur Überzeugung gelangen, daß sie umkommen müssen, wenn
sie nicht zu Christus kommen. Erst dann, durchs Unwetter bedroht, wenden sie und
laufen den himmlischen Hafen an. Die Rettung durch Christus ist unserem
fleischlichen Verstand so unsympathisch, und widerspricht unserer Liebe zu
menschlicher Leistung so sehr, daß wir Christus nie als unser ein und alles
annehmen würden, wenn der Geist uns nicht davon überzeugen würde, daß wir
nichts wären, und uns nicht dazu drängen würde, an Christus zu glauben.
Aber die Frage geht
noch weiter zurück: Warum zeigt der Geist Gottes einigen Menschen ihre Not und
anderen nicht? Warum wurden einige von euch von einem Bewußtsein der Not zu
Christus getrieben, während andere in ihrer Selbstgerechtigkeit weitergehen und
darin umkommen? Es gibt darauf keine Antwort außer: „Ja, Vater, denn so war es
wohlgefällig vor dir“ (Lukas 10, 21). Letzten Endes kommen wir zur Souveränität
Gottes. Der Herr hat „dies vor den Weisen und Verständigen verborgen... und...
es Unmündigen geoffenbart“ (s.o.). Oder wie Christus es ausgedrückt hat: „meine
Schafe hören meine Stimme“ (Johannes 10.27); „ihr glaubt nicht, denn ihr seid nicht
von meinen Schafen, wie ich euch gesagt habe“ (Johannes 10, 26). Manche
Theologen würden zwar lieber lesen: „Ihr seid nicht meine Schafe, denn ihr
glaubt nicht“, als ob das Glauben uns zu Schafen Christi machen würde, aber der
Text sagt klar: „Ihr glaubt nicht, denn ihr seid nicht von meinen Schafen“
(s.o.).
„Alles, was mir der
Vater gibt, wird zu mir kommen“ (Johannes 6, 37). Wenn sie nicht kommen, ist
das ein klarer Beweis dafür, daß sie nie gegeben waren, denn diejenigen, die
Christus von Ewigkeit her gegeben waren, erwählt von Gott, dem Vater, und dann
erlöst von Gott, dem Sohn, werden vom Geist durch die Erkenntnis ihrer Not
dahin geführt, zu kommen und an Christus zu glauben.
Kein Mensch hat je an
Christus geglaubt oder wird es je tun, wenn er nicht fühlt, daß er ihn braucht.
Kein Mensch hat je gefühlt, daß er Christus braucht oder wird es je tun, wenn
der Geist es ihn nicht fühlen läßt; und der Geist wird keinen Menschen die
Notwendigkeit einer Errettung durch Jesus fühlen lassen, wenn dieser nicht im
ewigen Buch geschrieben steht, in das Gott die Namen seiner Auserwählten
eingetragen hat. So denke ich, ich werde darin nicht mißverstanden, wenn ich
sage, daß der Ursprung des Glaubens, also warum Menschen letztlich glauben,
Gottes erwählende Liebe ist, die durch den Geist eine Erkenntnis der eigenen
Not schafft, und so die Menschen zu Christus bringt.
Der Grund des Glaubens
oder warum ein Sünder es wagt,
an den Herrn Jesus Christus zu glauben
Ich habe bereits gesagt, daß niemand an Jesus glauben
wird, wenn er nicht fühlt, daß er ihn braucht. Ich habe es auch oft gesagt, und
ich wiederhole es noch einmal, daß ich nicht mit der Bitte zu Christus komme,
mein Bedürfnis für ihn zu fühlen; ich
glaube nicht an Christus, weil ich fühle,
daß ich ihn brauche, sondern weil ich ihn tatsächlich
brauche. Kein Mensch kommt als empfindsamer Sünder zu Jesus, sondern als
Sünder, und nur als Sünder. Er wird nicht kommen, wenn er nicht erweckt ist;
aber wenn er kommt, dann sagt er nicht: „Herr ich komme zu dir, weil ich ein
erweckter Sünder bin, rette mich.“ Nein, er sagt: „Herr, ich bin ein Sünder,
rette mich.“ Nicht sein Erwachen, sondern das Eingeständnis seiner
Sündhaftigkeit ist der Weg, auf dem er kommen kann.
Sicher verstehst du, was ich meine. Unverständlich
wird es erst, wenn ich mich nach den Predigten vieler Pfarrer richte, die einem
Sünder sagen: „Jetzt, wenn du fühlst,
daß du Christus brauchst, wenn du
intensiv Buße getan hast, wenn du
durch das Gesetz bis zum Äußersten gequält worden bist, dann kannst du aufgrund dessen zu Christus kommen, daß du ein
erweckter Sünder bist.“ Das halte ich für falsch. Kein Mensch kann aufgrund
dessen, daß er ein erweckter Sünder ist, zu Christus kommen; er muß als Sünder zu ihm kommen. Wenn ich zu
Jesus komme, weiß ich, daß ich nicht kommen kann, bevor ich erweckt bin, aber
trotzdem komme ich nicht als
erweckter Sünder. Ich stehe nicht am Fuß seines Kreuzes und werde gereinigt,
weil ich Buße getan habe; wenn ich komme, dann bringe ich nichts als Sünde. Die
Erkenntnis der eigenen Not ist ein wertvolles Gefühl, aber wenn ich am Fuß des
Kreuzes stehe, glaube ich nicht an Christus, weil ich so ein wertvolles Gefühl
habe, sondern ich glaube an ihn, ob ich wertvolle Gefühle habe oder nicht.
So
wie ich bin, so muß es sein,
nicht
meine Kraft, nur du allein,
dein
Blut wäscht mich von Flecken rein,
O
Gottes Lamm, ich komm, ich komm!
Manch ein hervorragender Prediger hat beschrieben,
was ein Mensch empfinden muß, bevor er es wagen darf, zu Christus zu kommen.
Aber ich wage zu behaupten, daß all dies nicht biblisch ist. Sünder fühlen
diese Dinge, bevor sie kommen, aber sie kommen nicht aufgrund ihrer Gefühle;
sie kommen aufgrund dessen, daß sie Sünder sind und nur deshalb.
Das Tor der Gnade steht offen, und darüber ist
geschrieben: Das Wort ist gewiß und aller Annahme wert, daß Christus Jesus in
die Welt gekommen ist, Sünder zu erretten.“ Zwischen den Worten „Sünder“ und
„erretten“ steht kein Adjektiv. Es heißt nicht „reumütige Sünder“, „erweckte
Sünder“ oder „beunruhigte Sünder“. Nein, es heißt nur „Sünder“, und ich weiß
genau, wenn ich komme, komme ich heute zu Christus, denn ich empfinde es
genauso notwendig, heute zum Kreuz Christi zu kommen, wie es vor zehn Jahren
notwendig war. Wenn ich zu ihm komme, wage ich das nicht als erkenntnisreicher
oder erweckter Sünder, sondern ich muß immer noch als Sünder mit leeren Händen
kommen.
Der Glaube richtet sich direkt an Christus. Ich
weiß, daß hunderte von armen Leuten beunruhigt sind, weil ihr Pastor gesagt
hat: „Wenn du deine Not fühlst, kannst du zu Christus kommen.“ – „Aber“, sagen
sie, „ich empfinde meine Not nicht stark genug: ich bin sicher, es reicht noch
nicht.“ Ich habe jede Menge Briefe von gewissensgeplagten Menschen erhalten,
die gesagt haben: „Ich würde es ja riskieren zu glauben, daß Christus mich
rettet, wenn ich nur ein empfindliches Gewissen hätte oder ein weiches Herz;
aber oh weh, mein Herz ist wie ein Eisberg, der nicht schmelzen will. Ich kann
nicht empfinden, wie ich es möchte, und kann deshalb nicht an Jesus glauben.“
Weg damit, endlich weg damit! Das ist ein falscher
Christus; das ist glattes Pfaffentum! Es ist nicht dein weiches Herz, das dich
dazu berechtigt zu glauben. Du mußt an Christus glauben, damit er dein hartes
Herz erneuert, und zu ihm kommen allein mit deiner Sünde.
Der Grund, warum ein Sünder zu Christus kommt, ist
seine Schlechtigkeit, daß er tot ist, und nicht daß er weiß, daß er tot ist;
daß er verloren ist und nicht daß er weiß, daß er verloren ist. Natürlich wird
er nicht kommen, bis er weiß, aber das ist nicht der Grund, warum er kommt. Es
ist ein geheimer Beweggrund, aber nicht der offensichtliche Grund, den er
versteht. An diesem Punkt war ich jahrelang zu ängstlich, um zu Jesus zu
kommen, weil ich dachte, nicht genug zu empfinden. Als ich an Christus glaubte,
dachte ich, gar nichts zu empfinden. Jetzt,
wenn ich zurücksehe, merke ich, daß ich die ganze Zeit schmerzlich und intensiv
empfunden hatte, und am meisten, weil ich dachte, daß ich nichts fühlen könnte.
Im allgemeinen denken die Menschen, die am meisten Buße tun, sie wären
unbußfertig, und Menschen empfinden ihre Nöte am deutlichsten, wenn sie denken,
sie würden gar nichts mehr fühlen, denn wir können unsere Gefühle nicht
beurteilen. So erfolgt auch die Einladung des Evangeliums nicht aufgrund von
irgend etwas, das wir beurteilen können, sondern steht auf dem Grund unserer
absoluten Sündhaftigkeit.
„Gut“, sagt jemand, „aber es heißt doch ’Kommt her
zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und ich werde euch Ruhe geben’
(Matthäus 11, 28) – also müssen wir doch mühselig und beladen sein.“ Genauso
sagt es dieser Text, aber es gibt viele andere Einladungen zum Glauben in der
Bibel, die nichts von „Mühseligen und Beladenen“ sagen.
Übrigens, auch wenn die Einladung hier den
Mühseligen und Beladenen gilt, wirst du erkennen, daß ihnen die Verheißung
nicht als Mühseligen und Beladenen gilt, sondern als zu Christus Kommenden. Sie
wußten gar nicht, daß sie mühselig und beladen waren, als sie kamen, sie
dachten nicht daran. Sie waren es, aber Teil ihrer Mühsal war, daß sie nicht so
mühselig sein konnten wie sie wollten, und Teil ihrer Last war, daß sie ihre
Last nicht genug fühlten. Sie kamen so wie sie waren zu Christus, und er
rettete sie, nicht weil ihre Mühsal irgendeine anerkennenswerte Leistung war
oder ihre Belastung irgendeine Wirksamkeit hätte, sondern er rettete sie als
Sünder, als totale Sünder, und so wurden sie in seinem Blut gewaschen und
gereinigt. Lieber Leser, diese Wahrheit möchte ich dir deutlich machen. Wenn du
als totaler Sünder zu Christus kommen willst, wird er dich nicht ausstoßen. Ein
alter Prediger sagt im Gottesdienst zu genau diesem Punkt: „Ich behaupte, ganz
egal, wer du bist, wenn du zu Christus kommst, und er dich nicht annimmt, dann
hält er sich nicht an sein Wort, denn er sagt: „Wer zu mir kommt, den werde ich
nicht hinausstoßen“ (Johannes 6,37). Wenn du kommst, kümmere dich nicht um
Voraussetzungen und Vorbereitungen. Er braucht keine Vorarbeit an Taten oder
Gefühlen. Du sollst nur kommen, wie du bist. Und wenn du der größte Sünder der
Hölle bist, kannst du doch genauso zu Christus kommen, wie der moralisch
hochstehendste und hervorragendste Mensch.
Dort ist ein Bad. Wer ist zum Waschen bereit? Der
Schmutz eines Menschen spricht nicht dagegen, daß er gewaschen wird, sondern
ist ein klarer Grund dafür. Als unser Stadtrat die Armen unterstützte, sagte
niemand: „Ich bin so arm, ich bin gar nicht darauf vorbereitet, die
Unterstützung zu bekommen.“ Deine Armut ist deine Vorbereitung. Der Schwarze
ist hier weiß. Welch seltsamer Widerspruch! Alles, was du Christus bringen
kannst, sind deine Sünde und deine Bosheit. Ales, was er verlangt, ist, daß du
mit leeren Händen kommst. Wenn du nichts zu bieten hast, mußt du genau so
bleiben, bevor du kommst. Wenn etwas Gutes in dir ist, kannst du Christus nicht
vertrauen, du mußt mit leeren Händen kommen. Nimm ihn als dein ein und alles
an. Das ist der einzige Grund, auf dem eine verlorene Seele gerettet werden
kann – als Sünder und nur als Sünder.
Ist es nicht unklug von einem Menschen, Christus zu
vertrauen, daß er ihn rettet, wenn er gar nichts Gutes zu bieten hat? Ist es
nicht pure Überheblichkeit, so auf Christus zu vertrauen? Nein, das ist es
nicht. Es ist die unvergleichlich große Tat des Heiligen Geistes, wenn ein
Mensch all seine Sünden als solche erkennt und trotzdem glaubt. Wenn er
unterschreiben kann, daß Gott wahrhaftig ist, und an die Kraft des Blutes Jesu
glaubt. Aber warum traut sich überhaupt jemand, an Christus zu glauben? Das
frage ich dich jetzt. „Nun“, sagt ein Mann, „ich habe all meinen Glauben an
Christus zusammengenommen, weil ich fühlte, daß der Geist in mir arbeitete.“ Du
glaubst überhaupt nicht an Christus. „Nun“, sagt ein anderer, „ich dachte, ich
hätte das Recht, an Christus zu glauben, weil ich etwas fühlte.“ Auf solch eine
Garantie hin hattest du kein Recht, überhaupt an Christus zu glauben.
Was ist denn die Garantie eines Menschen, der an
Christus glaubt? Hier ist sie: Christus befiehlt ihm, es zu tun! Das ist seine
Garantie. Christi Wort ist die Garantie für den Sünder, der an Christus glaubt
– weder was er fühlt, noch was er ist, sondern daß Christus ihm befohlen hat,
es zu tun. Das Evangelium lautet: „Glaube an den Herrn Jesus und du wirst
errettet werden“ (Apostelgeschichte 16, 31) und: „Wer an ihn glaubt, wird nicht
gerichtet“ (Johannes 3, 18).
Der Glaube an Christus ist also gleichzeitig Auftrag
und Vorrecht. Und es ist wirklich eine Gnade, daß er Pflicht ist, denn so kann
die Frage nie aufkommen, ob ein Mensch das Recht hat, seine Pflicht zu tun. Auf
dieser Basis, daß Gott mir befiehlt zu glauben, habe ich das Recht zu glauben,
egal wer ich bin. Das Evangelium gilt allen, und zu allen gehöre auch ich. Das
Evangelium befiehlt mir zu glauben, und das tue ich. Es kann kein Fehler
gewesen sein, es zu tun, denn ich habe den Befehl bekommen, so zu handeln. Ich
kann nichts falsch machen, wenn ich einem Befehl Gottes gehorche.
Es ist also ein Gebot Gottes für alle Menschen, an
Jesus Christus zu glauben, den Gott gesandt hat. Dies ist deine Garantie als
Sünder und eine gesegnete Garantie dazu, denn die Hölle kann sie nicht
anfechten und der Himmel nicht zurücknehmen. Du brauchst nicht in dich
hineinzuschauen, auf die vernebelten Garantien deiner Erfahrung, du brauchst
nicht auf deine Werke zu schauen oder auf ein Gefühl, um einige trübe und
unzulängliche Garantien für dein Vertrauen auf Christus zu bekommen. Du kannst
an Christus selbst glauben, weil er es dir sagt. Das ist sicherer Boden, auf
dem man stehen kann und gleichzeitig einer, der keinen Zweifel zuläßt.
Ich stelle mir vor, wir wären alle am Verhungern,
unsere Stadt würde belagert und eingeschlossen und es gäbe eine lange
Hungersnot. Wir sind kurz davor zu verhungern. Da erhalten wir eine Einladung,
uns sofort zum Palast des Königs zu begeben, um dort zu essen und zu trinken;
aber wir sind Narren geworden und nehmen die Einladung nicht an. Stell dir vor,
was für eine schreckliche Verwirrung uns ergriffen hat, daß wir es vorziehen zu
sterben und lieber verhungern als zu kommen. Stell dir vor, der Herold des
Königs sagt: „Kommt und eßt, ihr armen, hungrigen Menschen. Ich weiß, daß ihr
nicht kommen wollt, deshalb warne ich euch, daß, wenn ihr nicht kommt, meine
Soldaten auf euch losgehen werden; sie sollen euch die Schärfe ihrer Schwerter
spüren lassen.“ Ich denke, wir sollten dem König für diese Drohung dankbar
sein. Wir können nun nicht mehr sagen: "„Ich will nicht kommen“, weil wir
nicht mehr wegbleiben dürfen. Ich kann also nicht sagen, daß ich noch nicht
darauf vorbereitet bin zu kommen, denn ich habe den Befehl zu kommen, und ich
werde bestraft, wenn ich nicht komme; deshalb gehe ich.
Der schreckliche Satz „Wer aber nicht glaubt, ist
schon gerichtet“ (Johannes 3,18), ist nicht aus Wut ausgesprochen worden,
sondern weil der Herr unsere grundlose Verwirrung kennt und weißt, daß wir
unser Glück ablehnen würden, wenn er nicht gegen uns wettern würde, um uns zum
Kommen zu bewegen. „Nötige sie hereinzukommen“, hat der Herr von Anfang an gesagt
und dieser Text zeigt, wie er die Ermahnung durchführt, „Nötige sie
hereinzukommen“.
Du kannst nicht verlorengehen, indem du Christus
vertraust, aber du wirst verlorengehen, wenn du ihm nicht vertraust, und zwar weil du ihm nicht vertraust. Ich betone
es nochmals: Komm! Ich bitte dich, setze dich nicht dem Zorn Gottes aus, indem
du es ablehnst zu kommen. Das Tor der Gnade steht weit offen, warum willst du
nicht kommen? Warum willst du nicht? Warum so stolz? Warum willst du immer noch
seine Stimme zurückweisen und in deinen Sünden umkommen? Schau, wenn du
umkommst, ist das weder die Schuld Gottes, noch die Schuld Christi, sondern
deine eigene. Er sagt dann über dich: „Ihr wollt nicht zu mir kommen, damit ihr
ewiges Leben habt“ (Johannes 5,40). Du armer Zweifler, wenn du kommen möchtest,
dann gibt es nichts in Gottes Wort, das dich davon abhält. Es ist nämlich
gleichzeitig die Drohung, die dich antreibt, und die Kraft, die dich zieht.
Immer noch höre ich dich sagen: „Ich darf Christus nicht vertrauen.“ Doch, du
darfst, sage ich, weil es aller Kreatur unter dem Himmel befohlen ist, und was
dir befohlen ist, das darfst du auch tun. „Na gut“, sagt jemand, „aber ich
fühle immer noch nicht, daß ich es darf“. Damit bist du wieder am Anfang. Du
sagst, daß du deiner dummen Gefühle wegen Gott nicht gehorchen willst. Du
sollst Christus doch nicht vertrauen, weil du etwas fühlst, sondern einfach,
weil du ein Sünder bist.
Jetzt weißt du, daß du ein Sünder bist. „Ich weiß“,
sagt jemand, „und genau das macht mir Sorgen.“ Warum sorgst du dich? Das ist
ein Anzeichen dafür, daß du fühlst. „Aber“, sagt jemand, „ich fühle noch nicht
genug und deshalb sorge ich mich. Ich fühle nicht das, was ich sollte. Nun,
egal ob du fühlst oder nicht fühlst, du bist ein Sünder, und „das Wort ist
gewiß und aller Annahme wert, daß Christus Jesus in die Welt gekommen ist,
Sünder zu erretten“ (1. Timotheus 1,15).
„Oh, aber ich bin ein alter Sünder und lebe schon
seit sechzig Jahren in Sünde.“ Wo steht geschrieben, daß du nach sechzig Jahren
nicht mehr gerettet werden kannst? Christus könnte dich noch mit Hundert retten
– ja, selbst wenn du ein Methusalem an Schuld wärest. „Das Blut Jesu Christi,
seines Sohnes, reinigt uns von jeder Sünde“ (1. Johannes 1,7), - „Daher kann er
auch völlig erretten, die durch ihn Gott nahen“ (Hebräer 7,25).
„Schon“, meint jemand, „aber ich war ein Trinker,
ein Flucher oder ein Lüstling oder ein Weltmensch.“ Dann bist du ein Sünder. Du
konntest auch nicht weiter als bis zum Äußersten gehen, und Jesus kann dich
immer noch retten. „Tja“, sagt ein anderer, „aber du weißt ja nicht, wie
schlimm meine Schuld ist.“ Das beweist doch nur, daß du ein Sünder bist, und
daß genau dir der Befehl gilt, Christus zu vertrauen, um gerettet zu werden.
„Aber“, ruft ein anderer, „du weißt ja nicht, wie oft ich Christus schon
abgelehnt habe.“ Stimmt, aber das macht dich doch nur noch deutlicher zum
Sünder. „Du weißt auch nicht, wie hart mein Herz ist.“ Stimmt wieder, aber das
bestätigt nur deine Sündhaftigkeit und daß du einer derjenigen bist, für die
Christus als Retter kam.
„Aber an mir ist nichts Gutes. Wenn wenigstens etwas
da wäre, hätte ich etwas, was mich ermutigt.“ Die Tatsache, daß du gar nichts
Gutes aufzuweisen hast, zeigt nur, daß du genau der Mensch bist, zu dem ich
reden soll. Christus kam, um zu retten, was verloren war. Alles, was du gesagt
hast, hat nur bewiesen, daß du verloren bist. Also kam er, um dich zu retten. Vertrau ihm!
„Aber wenn ich gerettet werde“, sagt jemand, „werde
ich der größte Sünder sein, der je gerettet wurde.“ Umso gewaltiger wird die
Musik im Himmel sein, wenn du hinkommst; umso mehr Ehre wird Christus bekommen,
denn je größer der Sünder, desto mehr Ruhm gebührt Christus, wenn dieser nach
Hause kommt. „Ja, aber meine Sünden sind sehr zahlreich geworden.“ Dann ist
seine Gnade umso größer geworden. „Aber meine Sünde reicht sogar bis zum
Himmel.“ Schon, aber seine Gnade reicht bis über den Himmel hinaus. „Meine
Schuld ist so breit wie die ganze Welt.“ Schon, aber seine Gerechtigkeit ist
breiter als tausend Welten. „Ja, aber meine Sünde ist scharlachrot.“ Ja, sein
Blut ist aber röter als deine Sünden, und es kann sie durch ein stärkeres Rot
auswaschen. „Ich verdiene es aber verlorenzugehen, und Tod und Hölle fordern
meine Verurteilung.“ Ja und sollen sie auch, aber das Blut Christi redet lauter
als Tod und Hölle, und es ruft heute: „Vater, laß den Sünder leben.“
Oh, ich wünschte, ich könnte dir diesen Gedanken
begreiflich machen. Wenn Gott dich rettet, dann liegt das überhaupt nicht an
dir, sondern einzig an ihm selbst. Gottes Grund, warum er einen Sünder
begnadigt, liegt in seinem eigenen Herzen begründet und nicht in dem des
Sünders. Für deine Rettung sprechen genauso viele Gründe, wie für irgend
jemanden sonst, nämlich keine. Du lieferst keinen Grund, warum Gott dir gnädig
sein müßte, aber er erwartet keinen Grund, denn der Grund dafür liegt in und in
Gott allein.
Ein Mensch, der gerade erst geglaubt hat, wird nicht
verurteilt. Lebte er auch fünfzig Jahre in Sünde und steckte in jeder Art von
Laster, seine Sünden - und zwar alle - sind ihm vergeben. Aus Gottes Sicht
steht er nun so unschuldig da, als hätte er nicht gesündigt. So gewaltig ist
die Kraft des Blutes Jesu, daß gilt: „Wer
an ihn glaubt, wird nicht gerichtet“ (Johannes 3, 18). Bezieht sich das
auf das geschehen am Tage des Gerichts? Bitte, schau selbst in Gottes Wort, und
du wirst herausfinden, daß es nicht heißt: „Wer an ihn glaubt wird in Zukunft
nicht gerichtet werden“, sondern er wird nicht, er wird es jetzt nicht. Und
wenn er es jetzt nicht wird, folgt daraus, daß er es niemals werden wird; weil er an Christus geglaubt hat, gilt
das versprechen “Wer an ihn glaubt wird nicht gerichtet.“ Ich glaube heute, daß ich nicht gerichtet
werde, und nach Ablauf von fünfzig Jahren wird das Versprechen noch genauso
bestehen: „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet.“ Von dem Moment an da ein
Mensch auf Christus vertraut, ist er von jeder Verurteilung freigesprochen. Von
vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger. Und von dem Tag an steht er in den
Augen Gottes so da, als hätte er keine Flecken, keine Runzeln, nichts in der
Art. „Aber er sündigt“, sagst du. Das tut er tatsächlich, aber seine Sünden
werden ihm nicht angelastet. Sie würden Christus zugerechnet, und Gott kann das
Vergehen niemals doppelt anrechnen .- erst Christus und dann dem Sünder. „Nun,
er fällt aber oft in Sünde.“ Das ist möglich, obwohl, wenn der Geist Gottes in
ihm wohnt, er nicht mehr so sündigt, wie er es gewohnt war. Er sündigt, weil er
schwach ist, nicht weil er die Sünde liebt, denn er haßt sie jetzt.
Ich möchte versuchen deine Fragen hierzu zu
beantworten:
Auch wenn er sündigt, ist er doch in Gottes Augen
nicht mehr schuldig, denn seine Schuld ist von ihm genommen und auf Christus
gelegt worden - sie ist wirklich, wörtlich und wahrhaftig von ihm genommen und
auf Christus gelegt worden.
Siehst Du das jüdische Volk? Sie führen einen
Sündenbock heraus; der Hohepriester bekennt die Sünden des Volkes über dem Kopf
des Sündenbocks. Die Sünde ist ganz vom Volk weggenommen und auf den Sündenbock
gelegt worden. Er geht fort in die Wüste. Ist noch irgendeine Sünde beim Volk
geblieben? Wenn ja, dann hat der Sündenbock sie nicht weggetragen. Weil sie
nicht gleichzeitig hier und dort sein kann. Sie kann nicht
gleichzeitig weggetragen und zurückgelassen worden sein. „Nein“, sagst du, „die
Bibel sagt, daß der Sündenbock die Sünden wegtrug, keine einzige war beim Volk
geblieben, nachdem der Sündenbock die Sünde weggebracht hatte.“
Wenn wir so im Glauben unsere Hände auf den Kopf
Christi gelegt haben, nimmt er unsere Sünde dann weg oder nicht? Wenn er es
nicht tut dann nützt unser Glaube nichts. Wenn er aber unsere Sünde wirklich
wegnimmt, dann kann unsere Sünde nicht gleichzeitig auf ihm und auf uns liegen.
Wenn sie auf Christus lag, dann sind wir frei, rein angenommen, gerechtfertigt:
das ist die wahre Lehre der Gerechtigkeit aus Glauben. Sobald ein Mensch an
Jesus Christus glaubt, sind ihm seine Sünden weggenommen und zwar für immer.
Sie sind jetzt ganz und gar ausgelöscht.
Wenn ein Mensch noch hundert Pfund bezahlen muß,
aber schon die Quittung dafür bekommen hat, ist er frei; die Schuld ist
ausgelöscht, im Buch ist sie getilgt, sie ist beglichen. Ein Mensch sündigt,
doch seine Schulden sind schon bezahlt worden, bevor er sie gemacht hat, nach
dem Gesetz Gottes ist er kein Schuldner mehr.
Sagt die Bibel nicht von Gott: „Du wirst alle ihre
Sünden in die Tiefen des Meeres werfen?“ (Micha 7, 19) Nun, wenn sie in den
Tiefen des Meeres sind, können sie nicht gleichzeitig auf seinem Volk liegen.
Gepriesen sei sein Name! Von dem Tage an, wo er unsere Sünden in die Tiefen des
Meeres warf, sind wir in seinen Augen rein und um seines geliebten Sohnes
willen angenommen. Weiter sagt er: „So fern der Osten ist vom Westen, hat er
von uns entfernt unsere Vergehen“ (Psalm 103, 12). Sie können nicht entfernt
und doch noch hier sein.
Wenn du nämlich an Christus glaubst, bist du in
Gottes Augen kein Sünder mehr; du wirst angenommen, als ob du vollkommen
wärest, als ob du das Gesetz gehalten hättest, denn Christus hat es gehalten,
uns seine Gerechtigkeit ist deine. Du hast es gebrochen, aber deine Sünden ist
seine, und er ist dafür bestraft worden. Täusche dich nicht länger: du bist
nicht mehr, was du einmal warst. Wenn du glaubst, stehst du an der Stelle
Christi, genauso wie Christus vorher an deiner Stelle stand. Die Verwandlung
ist vollständig, der Austausch ist real und ewig. Diejenigen, die an Christus
glauben, werden von Gott, dem Vater, genauso angenommen, wie sein ewiger Sohn
angenommen ist; diejenigen die nicht glauben, können tun, was sie wollen, sie
können versuchen, sich ihre eigene Gerechtigkeit zu erarbeiten, aber sie
bleiben unter dem Gesetz und damit unter dem Fluch. Ihr, die ihr an Jesus glaubt,
lebt durch diese Tatsache. An sich seid ihr Sünder, doch ihr seid gewaschen im
Blut Christi.
David sagt: Wasche mich, und ich werde weißer sein
als Schnee“ (Psalm 51,9). Du hast schon Schnee fallen sehen, so rein und weiß.
Was könnte weißer sein? Nun, ein Christ ist weißer. Du sagst: „Schwarz ist er.“
Es stimmt, er ist so schwarz wie irgend jemand sonst, so schwarz wie die Hölle,
aber durch das Blut auf ihm wird er weiß, „weißer ... als Schnee“.
Nächstes Mal, wenn du die schneeweißen Kristalle vom
Himmel fallen siehst, schau sie an und sage : “obwohl ich bekennen muß, daß ich
unwürdig und unrein bin, hat Christus mir, weil ich an ihn glaube, seine
vollkommene Gerechtigkeit gegeben. So bin ich sogar weißer als der Schnee, der
vom Himmel fällt.“
Wo ist der Glaube, der das ergreift? Wo ist der
Überwinderglaube, der den Sieg über Zweifel und Ängste erringt und uns die
Freiheit genießen läßt, zu der Christus Menschen befreit? Du, der du an
Christus glaubst, sage dir heute nacht, wenn du ins Bett gehst: „Wenn ich im
Bett sterbe, kann ich nicht gerichtet werden.“
Wenn du am nächsten Morgen aufwachst, geh in die Welt hinaus und sag:
„Ich werde nicht gerichtet.“ Wenn der Teufel dich anschreit, sag ihm: „Du magst
mich anklagen, aber ich werde nicht gerichtet.“ Und selbst wenn manchmal deine
Sünden wachsen, sag du: „Ja, ich kenne euch, aber ihr seid für immer
weggenommen; ich werde nicht gerichtet.“ Und wenn du schließlich im Sterben
liegst, schließe deine Augen in Frieden.
Völlig freigesprochen, begnadigt, wirst du am Schluß
erfunden, und der gewaltige Fluch der Sünde und alle Schuld wird weggetan sein,
obwohl du nichts dafür getan hast . ich bitte dich, tu alles, was du kannst,
für Christus – tu es aus Dankbarkeit. Aber selbst, wenn du alles getan hast,
ruhe dich nicht darauf aus. Ruhe in dem stellvertretenden Opfer Jesu . Sei, was
Christus in den Augen des Vaters war. Und wenn dich dein Gewissen anklagt, sag
ihm, daß Christus all das für dich war, was du hättest sein sollen, daß er all
deine Strafe erlitten hat. Sag ihm, daß dich nun weder Gnade noch Gerechtigkeit
schlagen können, seit sich Gerechtigkeit und Gnade fest in die Hände gegeben
haben, um den Menschen zu retten, der an den gekreuzigten Christus glaubt.
Wie du weißt, kommt in unseren Gerichten das Urteil
„nicht schuldig“ einem Freispruch gleich, und der Gefangene wird sofort
entlassen. Dasselbe gilt in der Sprache des Evangeliums; der Urteilsspruch
„nicht verdammt“ beinhaltet gleichzeitig die Rechtfertigung des Sünders. Das
bedeutet, daß jeder, der an Christus glaubt, eine jetzt gegenwärtige
Rechtfertigung empfängt. Der Glaube bringt seine Früchte nicht erst nach und
nach, sondern schon jetzt. Rechtfertigung als Ergebnis des Glaubens wird
in dem Moment gewährt, wo man auf Jesus eingeht und ihn als ein und alles
annimmt. Sind die, die heute vor Gottes Thron stehen, gerechtfertigt? Genauso
sind wir es auch, wirklich und wahrhaftig gerechtfertigt, wie die ihm oben in
weißen Kleidern ihr Loblied singen. Der Dieb am Kreuz war in dem Moment
gerechtfertigt, als er im Glauben auf Jesus sah, der gerade neben ihm hing.
Selbst der alte Paulus war nach Jahren des Dienstes nicht gerechtfertigter, als
dieser Dieb ohne jeden Dienst.
Schon heute sind wir im Herrn Jesus
angenommen, schon heute freigesprochen von Sünde, schon heute
unschuldig in Gottes Augen. Was für ein atemberaubender, tröstlicher Gedanke!
Einige Trauben diese Weinstocks können wir erst sammeln, wenn wir im Himmel
sind; dies aber ist eine der frühreifen Trauben, die schon hier gepflückt und
gegessen werden sollen. Es ist nicht wie das Korn des Landes Kanaan, das wir
erst essen können, wenn wir den Jordan überquert haben, sondern es ist Teil des
Manna in der Wüste und auch teil unserer täglichen Kleidung, mit der Gott uns
auf unserem Weg versorgt.
Wir sind jetzt - schon jetzt
begnadigt; schon jetzt sind unsere Sünden weggetan; schon jetzt
stehen wir in Gottes Augen so da, als wären wir nie schuldig gewesen;
unschuldig wie Adam in seiner Rechtschaffenheit, bevor er die Frucht des
verbotenen Baumes gegessen hatte; rein , als ob wir uns nie an der Sünde
beschmutzt hätten. „Also gibt es jetzt keine Verdammnis für die, welche in
Christus Jesus sind“ (Römer 8, 1). Keine Sünde steht im Buch Gottes, auch jetzt
nicht, bei keinem von seinem Volk. Nichts wird ihnen zur Last gelegt. Es gibt
weder Fluch, noch Makel, noch Runzeln, noch irgend etwas, das die Gerechtigkeit
eines Gläubigen aus der Sicht des Richters der ganzen Welt beeinträchtigen
könnte.
Aber um fortzufahren: Die Rechtfertigung ist nicht
nur gegenwärtig, sondern andauernd. Von dem Moment an,. wo du und ich geglaubt
haben, gilt für uns: Er „wird nicht gerichtet“ (Johannes 3, 18). Viel Zeit ist
seitdem vergangen, vieles hat sich geändert, aber es gilt uns noch heute: Er
„wird nicht gerichtet“. Der Herr allein weiß, wie lange unsere festgesetzte
Zeit sein wird – wir lange es dauert, bis wir wie ein Schatten verschwinden.
Aber das eine wissen wir, weil jedes Wort Gottes wahr ist und Gott seine Geschenke
nie bereut: auch wenn wir noch einmal fünfzig Jahre leben, steht es immer noch
geschrieben: „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet“ (Johannes 3, 18). Nein,
und selbst wenn durch eine geheimnisvolle Behandlung unserer Nahrung unser
Leben um das Zehnfache des Normalen verlängert würde und wir die acht- bis
neunhundert Jahre eines Methusalem erreichen würden, würde es unverändert
stehen bleiben: „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet.“ - „Ich gebe (meinen
Schafen) ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren in Ewigkeit, und niemand
wird sie aus meiner Hand rauben“ (Johannes 10, 28). - „Der Gerechte aber wird
aus Glauben leben“ (Römer 1,17). – „Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden
werden“ (1,Petrus 2,6).
All diese Verheißungen wollen deutlich machen, daß
die Rechtfertigung, die Christus unserem Glauben gibt, eine dauernde ist, die
so lange anhält, wie wir leben. Denk daran, sie hält für Zeit und Ewigkeit. Wir
werden im Himmel keine anderen Kleider tragen, als jetzt. Heute steht der
Gerechte in der Gerechtigkeit Christi bekleidet da. Das gleiche Hochzeitskleid
wird er beim großen Hochzeitsmahl tragen. Aber was, wenn es abgetragen wäre?
Was, wenn die jetzige Gerechtigkeit in der kommenden Ewigkeit ihre Kraft
verliert? Diese Furcht brauchen wir nicht zu nähren. Himmel und Erde werden
vergehen, aber sein Gerechtigkeit wird niemals veralten. Keine Motte kann sie
fressen, kein Dieb kann sie stehlen, keine Hand eines Trauernden und Weinenden
kann sie entzwei reißen. Sie ist ewig, ja sie muß es sein, denn Christus
selbst, Gott ist unsere Gerechtigkeit. Weil er unsere Gerechtigkeit ist, der
unerschaffene, der ewige, der unveränderliche Gott, dessen Jahre nie zu Ende
gehen und dessen Kraft nicht nachläßt, deshalb geht auch unsere Gerechtigkeit
nie zu Ende, und ihre Vollkommenheit und Schönheit vergeht nie. Die Bibel,
denke ich, lehrt uns sehr klar, daß derjenige, der an Christus glaubt, eine für
immer andauernde Rechtfertigung empfangen hat.
Nochmals, denk für einen Moment darüber nach: diese
Rechtfertigung ist vollständig. „Wer
an ihn glaubt, wird nicht gerichtet“ (Johannes 3, 18). Das besagt: in keinster
Weise. Ich weiß, einige halten es für möglich, daß wir in einem halb verlorenen
und halb erretten Zustand sein können. Soweit wir Sünder sind, soweit sind wir
verdammt, so weit wir Gerechte sind, so weit sind wir erlöst. Ihr Lieben, so
etwas steht nirgends in der Bibel. Es widerspricht total der Lehre des
Evangeliums. Wenn aus Werken, dann nicht aus Gnade, und wenn aus Gnade, dann
nicht aus Werken. Werke und Gnade können nicht miteinander vermischt werden,
genausowenig wie Feuer und Wasser. Entweder ist das eine da oder das andere,
beides zusammen ist unmöglich, die beiden können niemals verbunden werden. Es
kann keine Mischung von beidem geben, keine Verdünnung des einen mit dem
anderen.
Wer glaubt, ist frei von aller Schlechtigkeit, von
aller Schuld, von allem Makel. Wenn auch der Teufel eine Anklage vorbringt, ist
es doch eine falsche, denn wir sind sogar frei von jeder Anklage, seit es mit
Macht feststeht: „Wer wird gegen Gottes Auserwählte Anklage erheben?“ (Römer 8,
33) Es heißt nicht „Wer kann etwas beweisen?“, sondern „wer wird Anklage
erheben?“ Sie sind so vollständig von der Verdammnis befreit, daß nicht der
Schatten eines Makels an ihrer Seele gefunden wird, nicht einmal das leiseste
Vorbeiziehen einer Untat kann seinen schwarzen Schatten auf sie werfen. Sie
stehen nicht nur halb, sondern vollkommen unschuldig vor Gott; nicht nur halb
gewaschen, sondern weißer als Schnee. Ihre Sünden sind nicht einfach
durchgestrichen, sondern ganz ausgelöscht; nicht nur außer Sichtweite gebracht,
sondern in die Tiefen des Meeres geworfen; nicht einfach entfernt, sondern so
weit entfernt, wir es der Osten vom Westen ist; sie sind für immer weg, ein für
allemal.
Ein Jude hatte trotz aller zeremonieller Reinigung
nie ein von Sünde befreites Gewissen. Nach einem Opfer brauchte er immer noch
eines, denn diese Opfer konnten Ihre Überbringer nie vollkommen machen. Schon
eine Sünden am nächsten Tag machte ein neues Lamm erforderlich, und wegen der
Missetaten des nächsten Jahres war ein neues Sühnopfer nötig. „Dieser aber hat
ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht und sich für immer gesetzt zur Rechten
Gottes“ (Hebräer 9, 12). Keine Brandopfer sind mehr nötig, keine Waschungen,
kein Blutvergießen, keine Sühnopfer, überhaupt kein Opfer mehr. Hör doch, wie
dein Retter im Sterben ruft: „Es ist vollbracht!“ (Johannes 19, 30) Deine
Sünden haben ihren Todesstoß empfangen, das Gewand deiner Gerechtigkeit hat
seinen letzten Faden erhalten, es ist fertig, vollständig, vollkommen. Es
braucht nichts hinzugefügt werden; es darf nichts davon genommen werden.
Ergreife diesen kostbaren Gedanken. Ich bin
vielleicht nicht dazu fähig ihn richtig darzulegen und gebrauche nur schwache
Ausdrücke dafür; laß du dich aber nicht von meiner Schwachheit abhalten, den
Wert dieses Gedankens zu verstehen. Er
reicht aus, um einen Menschen springen zu lassen, obwohl seine Beine bleischwer
sind, um ihn singen zu lassen, obwohl sein Mund geknebelt ist. Das bewirkt der
Gedanke, das wir in Christus vollkommen angenommen sind, daß unsere
Rechtfertigung nicht nur zum Teil gilt; sie reicht nicht nur bis zu einem
bestimmten Punkt, sondern für den ganzen Weg. Unsere Ungerechtigkeit ist
bedeckt; von der Verdammnis sind wir völlig und unwiderruflich frei.
Noch einmal. Diese Nicht-Verurteilung ist wirksam. Das königliche Vorrecht der
Rechtfertigung kann nie fehlschlagen. Sie erreicht jeden Gläubigen. Unter der
Regierung von Georg III. wurde der Sohn eines meiner Gemeindeglieder wegen
Fälscherei zum Tode verurteilt. Mein Vorgänger, Dr. Rippon, erreicht nach
unwahrscheinlichen Anstrengungen, daß das Urteil zurückgenommen werden sollte.
„Zufällig“ erfuhr der jetzige leitende Älteste
- damals ein junger Mann – vom Gefängnisdirektor, daß die Begnadigung
noch nicht eingetroffen war. Der unglückliche Gefangene wäre am nächsten Morgen
hingerichtet worden, wenn nicht Dr.
Rippon auf dem schnellsten Wege nach Windsor gefahren wäre, eine Audienz beim
König in dessen Schlafzimmer erhalten hätte und von des Königs eigener Hand
eine Abschrift der Begnadigungsurkunde erhalten hätte, die nachlässigerweise
von einem gedankenlosen Offizier zur Seite gelegt worden war. „Ich erwarte von
Ihnen, Doktor“, sagte der König, „daß Sie sich beeilen“. – „Vertrauen Sie mir darin, Majestät“
antwortete der Doktor, und er kehrte rechtzeitig nach London zurück, gerade
noch rechtzeitig, denn der Gefangene war schon zusammen mit anderen auf dem Weg
zum Schafott.
Die Begnadigung war schon ausgesprochen, und doch
wäre der Mann fast hingerichtet worden, wenn sie nicht wirksam geworden wäre.
Aber Gott sei dafür gepriesen, daß unsere Nicht-Verurteilung wirksam ist. Sie
hängt nicht von einem Brief ab, sondern ist eine Tatsache. Als du und ich
Seelenqualen gelitten haben und unter der schweren Hand des Gesetztes waren,
fühlten wir, daß sein Fluch nicht nur Theaterdonner ist, wie der Zorn des
Vatikan, sondern real; wir fühlten, daß der Zorn Gottes wirklich zu fürchten,
daß er eine Tatsache ist.
Nun, genauso real wie die Verurteilung durch die
Gerechtigkeit Gottes, ist die Rechtfertigung, die er durch seine Gnade schenkt.
Du bist nicht nur dem Namen nach schuldlos, sondern du bist es wirklich, wenn
du an Christus glaubst; du stehst nicht nur dem Namen nach anstelle des
Unschuldigen, sondern du bist es wirklich dort, von dem Moment an, wo du an
Jesus glaubst. Es ist nicht nur die Rede davon, daß deine Sünden weg sind,
sondern sie sind tatsächlich weg. Gott tut nicht nur so, als ob du angenommen
wärest, sondern du bist angenommen. Das sind Tatsachen, genauso wie es eine
Tatsache ist, daß du gesündigt hast. Du bezweifelst nicht, daß du gesündigt
hast, du kannst es gar nicht; bezweifele dann auch nicht, daß deine Sünden
weggenommen sind, wenn du glaubst. Denn so sicher, wie du dich schwarz gemacht
hast, als du gesündigt hast, genauso sicher und bestimmt ist alles durch das
Bad der Wiedergeburt abgewaschen worden.
Denk einmal darüber nach. Du bist tatsächlich aus
deinem Gefängnis herausgeführt worden. Du bist nicht mehr gefesselt wie ein
Kettensklave. Du bist jetzt von der Sklaverei des Gesetztes erlöst. Du bist
befreit von Sünde und kannst dich als freier Mensch frei bewegen. Das Blut
deines Retters hat deinen vollen Freispruch bewirkt. Dadurch hast du jetzt
Zugang zum Vater. Kein rächendes Feuer darf dich jetzt dort ängstigen, kein
flammendes Schwert; das Gericht kann dem Unschuldigen nichts anhaben. Komm,
deine Unfähigkeit ist beendet. Es war dir einmal unmöglich, deinem Vater ins
Gesicht zu sehen – jetzt kannst du es. Du konntest nicht mit ihm reden und er
nicht mit dir; aber jetzt hast du freien Zugang zu dieser Gnade, in der wir
stehen. Du hattest einmal Angst vor der Hölle; es gibt keine Hölle mehr für
dich. Wie könnte auch ein Schuldloser bestraft werden? Wer glaubt, ist
schuldlos, wird nicht gerichtet und kann nicht bestraft werden. Keine
Mißbilligung eines rächenden Gottes mehr. Wie sollte Gott als Richter einen
Schuldlosen mißbilligen? Wie sollte ihm ein Freigesprochener mißfallen?
Mehr als alle Vorzüge, die du vielleicht genossen
haben könntest, wenn du nie gesündigt hättest, hast du jetzt empfangen, wo du
gerechtfertigt bist. Alle Segnungen, die du hättest und noch mehr, hast du
heute, weil Christus es für dich hielt.
Alle Liebe und Annahme, die ein vollkommen gehorsames
Wesen von Gott hätte empfangen können, gehört dir, weil Christus an deiner
Stelle vollkommen gehorsam war, das schreibt dir all seine Verdienst gut, damit
du durch den äußerst reich würdest, der für dich äußerst arm wurde.
Möge der Heilige Geist unsere Herzen erleuchten,
damit wir das verstehen! Es gibt kein Gericht. Mehr noch, es wird nie mehr ein
Gericht geben. Die Vergebung gilt nicht nur zum Teil, sondern sie ist
vollständig; sie ist so wirksam, daß sie uns von allen Strafen des Gesetzes erlöst,
uns alle Vorrechte des Gehorsams gibt und uns tatsächlich viel höher stellt,
als wir gestanden hätten, wenn wir nie gesündigt hätten. Sie befestigt unseren
Stand so sicher, wie es noch nicht einmal vor unserm Fallen war. Wir sind nicht
da, wo Adam war, denn Adam konnte fallen und umkommen. Wir sind vielmehr da, wo
Adam hingekommen wäre, wenn Gott ihn – einmal angenommen – für sieben Jahre in
den Garten gesetzt und gesagt hätte: „Wenn du sieben Jahre lang gehorchst wird
deine Bewährungszeit um sein, und ich werde dich belohnen.“
Man sagt von Kindern Gottes, daß sie in gewissem
Sinne in einem Stadium der Bewährung sind. Es gibt keine Bewährung, nach der
ein Kind Gottes gerettet werden soll. Es ist schon gerettet. Seine
Gerechtigkeit ist vollkommen. Selbst wenn diese Gerechtigkeit eine Million
Jahre lang erprobt würde, würde sie nie verunreinigt werden. Tatsächlich steht
sie in Gottes Augen absolut unveränderlich da und wird auch in alle Ewigkeit so
stehenbleiben.
Irrtümer in bezug auf den
Glauben,
die Christen schwer zu
schaffen machen
Was für Einfaltspinsel
sind wir doch! Egal wie alt wir sind, sind wir kindisch, wenn es um geistliche
Dinge geht. Welch große Einfaltspinsel sind wir, wenn wir beginnen, an Jesus zu
glauben! Wir denken, daß unser Begnadigtsein viele Dinge mit einschließt, von
denen wir später herausfinden, daß sie gar nichts mit unserer Begnadigung zu
tun haben. Zum Beispiel denken wir, daß wir nie mehr sündigen; wir bilden uns
ein, daß die Schlacht geschlagen ist, daß wir ein befriedetes Gebiet betreten,
auf dem wir keinen Krieg mehr führen brauchen, daß wir tatsächlich den Sieg
erlangt haben und nur noch mit dem Palmzweig zu winken brauchen, daß alles
vorbei ist, daß Gott uns nur noch zu sich zu rufen braucht und wir in den
Himmel kommen, ohne irgendwelche Feinde auf der Erde bekämpft zu haben.
Nun, all das sind offensichtlich Fehler. Beachte, obwohl es feststeht, „wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet“ (Johannes 3, 18), heißt es doch nicht, daß dieser Glaube nicht auf die Probe gestellt werden soll. Dein Glaube wird erprobt werden. Ein unversuchter Glaube ist überhaupt kein Glaube. Gott hat keinem Menschen Glauben gegeben, ohne ihn auf die Probe zu stellen. Das Ziel des Glaubens, den wir bekommen, ist Ausdauer. Genauso wie Schützen das Ziel aufstellen, um darauf zu schießen, gibt Gott uns den Glauben mit der Absicht Versuchungen und Schwierigkeiten, Sünde und Satan ihre Pfeile darauf richten zu lassen. Wenn du Glauben an Christus hast, ist das ein großes Vorrecht, aber erinnere dich daran, daß er auch große Versuchungen beinhaltet. Vielleicht hast du noch gestern abend um großen Glauben gebetet.
Hast du bedacht, daß
du damit gleichzeitig um große Schwierigkeiten gebetet hast? Du kannst keinen
großen Glauben haben, nur um ihn zu lagern und verrosten zu lassen.
Herr Mutherz aus Bunyans „Pilgerreise“ war ein sehr
starker Mann, aber er hatte auch eine harte Aufgabe zu bewältigen. Viele Male
mußte er mit den ganzen Frauen und Kindern hinauf zur Himmlischen Stadt und
wieder zurück gehen; er mußte mit all den Riesen kämpfen und die Löwen
verjagen, den Riesen Verzweiflung töten und seine Zweifelburg zerstören. Wenn
du viel Glauben hast, wirst du ihn auch ganz brauchen. Du wirst nie auch nur
ein kleines Stückchen übrigbehalten. Wie die Jungfrauen im Gleichnis unseres
Herrn wirst du sein. Selbst wenn du eine weise Jungfrau bist, wirst du anderen
sagen müssen, die von dir borgen wollen: „Nein, damit es nicht etwa für uns und
euch nicht ausreiche“ (Matthäus 25, 9). Wenn nun dein Glaube durch Versuchungen
auf die Probe gestellt wird, denk nicht, daß du für deine Sünden ins Gericht
kommst. Nein. Es gibt viele Prüfungen für dich als Gläubigen, aber nicht zur
Verurteilung; es gibt viele Versuchungen, aber wir sind immer noch
gerechtfertigt; wir können richtig durchgeschüttelt werden, aber wir stehen
nicht unter dem Fluch; wir können manches Mal niedergeworfen werden, aber das
Schwert des Herrn kann und wird unser Herz nicht treffen.
Ja, mehr noch,
vielleicht wird nicht nur unser Glaube erprobt, sondern wir erleben noch eine
geistliche Ebbe; trotzdem werden wir nicht gerichtet. Wenn dein Glaube so klein
wird, daß du ihn nicht mehr sehen kannst, wirst du trotzdem noch nicht
gerichtet. Wenn du je an Jesus geglaubt hast, dann mag dein Glaube doch wie das
Meer aussehen, das sich weit von der Küste entfernt und nur eine gewaltige
Schlammspur hinterläßt. Mancher meint vielleicht schon, daß das Meer fort oder
ausgetrocknet ist. Aber du wirst nicht gerichtet, selbst wenn dein Glaube fast
ausgetrocknet ist. Ja, ich behaupte sogar, daß du Gott nicht lieber bist, wenn
dein Glaube überströmt, als wenn dein Glaube gerade seine tiefste Ebbe erlebt.
Daß er dich annimmt, hängt nämlich nicht von der Größe deines Glaubens ab,
sondern von seiner Echtheit.
Wenn du wirklich in Christus
Ruhe gefunden hast, sei dein Glaube auch nur wie ein Funke, den tausend Teufel
auslöschen wollen, dann wirst du doch nicht gerichtet - du bleibst in Christus
angenommen. Obwohl du natürlich deine Zuversicht verlierst, wenn dein Glaube
abnimmt, bleibst du doch angenommen. Obwohl der Glaube steigen und fallen kann
wie ein Thermometer, obwohl er wie Quecksilber in der Röhre von jedem Wetter
verändert wird, bleibt Gottes Liebe doch unbeeinflußt von dem Wetter auf der
Erde und dem Lauf der Zeit. Erst wenn die vollkommene Gerechtigkeit Christi
veränderlich oder beweglich wird wie ein Fußball, der von den Füßen der Gegner
weggeschossen wird, kann sich dein Angenommensein vor Gott ändern. In seinem
geliebten Sohn bist du vollkommen angenommen, ja, du mußt es sogar sein.
Etwas anderes wird dem
Kind Gottes auch oft zum Problem. Manchmal verliert ein Christ das Licht vom
Antlitz des Vater. Nun denke daran, es heißt nicht: „Wer glaubt, soll nicht das
Licht von Gottes Antlitz verlieren“. Das kann ihm passieren, aber er wird
deshalb nicht verurteilt. Vielleicht befindest du dich nicht nur tagelang,
sondern monatelang in solch einem Zustand, daß du nur wenig Gemeinschaft mit
Christus hast. Du hast keine Freude am Gespräch mit Gott, seine Versprechen
schienen dir gebrochen, die Bibel bietet dir nur wenig Trost, und wenn du deine
Augen zum Himmel erhebst, fühlst du den Schmerz, der vom Stock deines Vaters
verursacht wurde. um so mehr. Du magst seinen Geist geärgert und betrübt haben,
und er mag sein Angesicht deshalb von dir abgewandt haben, aber deshalb wirst
du noch lange nicht gerichtet. Selbst wenn dein Vater dich schlägt und jeder
Streich einen blutigen Striemen hinterläßt, steckt nicht das kleinste bißchen
Verurteilung in den Schlägen. Nicht aus Zorn, sondern aus seiner
verantwortlichen Liebe schlägt er dich. Die Züchtigung von der Hand deines
Vaters zeigt die gleiche unvermischte und ungetrübte Zuneigung in jedem Schlag
aus Liebe, wie sie in den Küssen von Jesu Lippen steckt. Glaube es, es wird
dein Herz erheben, es wird dich froh machen, auch wenn weder Sonne noch Mond
scheinen. Es wird deinen Gott ehren. Es wird dir zeigen, wo dein Glaube
wirklich steht. Wenn sein Gesicht abgewandt ist, glaube immer noch an ihn und
sage: „Er bleibt doch treu, auch wenn er sein Gesicht vor mir verbirgt.“
Ich will noch ein
bißchen weitergehen. Ein Christ mag von Satan so angegriffen werden, daß er
nahe davor ist, aus lauter Verzweiflung aufzugeben. Und doch wird er nicht
gerichtet. Die Teufel mögen die große Höllentrommel in seinem Ohr anschlagen,
bis er denkt, daß er am Rande der ewigen Verdammnis stehe. Er mag die Bibel
lesen und denken, daß jede Warnung ihm allein gilt und keine Verheißung zu ihm
redet und ihn erfreut. Am Ende mag er verzweifeln, wieder und wieder
verzweifeln, bis er bereit ist, die Harfe zu zerbrechen, die so lange an der
Weide hing. Vielleicht sagt er: „Der Herr hat mich verlassen, mein Gott ist mir
nicht länger gnädig.“ Aber das ist nicht wahr. Vielleicht ist er bereit,
tausendfach zu beschwören, daß Gottes Gnade eindeutig von ihm gegangen ist, und
daß er seine Treue aufgegeben hat; aber das ist nicht wahr, es ist einfach
nicht wahr. Selbst tausend Lügner, die einen Meineid schwören. können ihn doch
nicht wahr machen; und unsere Zweifel und Ängste sind solche Lügner. Selbst
wenn es zehntausend wären, und sie alle das gleiche erklären würden, ist es
trotzdem unwahr, daß Gott jemals sein Volk verließ oder daß er jemals einen
unschuldigen Menschen von sich stieß, und du bist unschuldig, wenn du an Jesus
glaubst, denke daran. „Aber“ , sagst du, „ich bin
voller Sünde.“ Ja, aber diese Sünde ist auf Christus gelegt worden. „Oh“, sagst
du, „aber ich sündige täglich.“ Richtig, aber deine Sünde lag schon auf ihm,
bevor du sie begangen hast, schon vor Jahren. Es ist nicht mehr deine, Christus
hat sie ein für allemal weggenommen. Durch den Glauben bist du ein gerechter
Mensch, und Gott wird den Gerechten nicht verlassen und den Unschuldigen nicht
ausstoßen.
Ich halte noch einmal
fest: das Kind Gottes kann im Glauben eine tiefe Ebbe erleben, es kann das
Licht vom Angesicht seines Vaters verlieren und sogar in tiefe Verzweiflung
fallen, aber all das kann Gottes Wort nicht widerrufen. „Wer an ihn glaubt,
wird nicht gerichtet.“
„Aber was passiert“,
fragst du, „wenn das Kind Gottes sündigt?“ Das ist ein tiefgründiges und
heikles Thema, und doch müssen wir uns mutig damit auseinandersetzen. Ich kann
bei Gottes Wahrheit kein Blatt vor den Mund nehmen, auch wenn jemand das
mißbraucht. Ich weiß, es gibt einige - nicht aus Gottes Volk - die sagen werden
: „Laßt uns sündigen, damit die Gnade umso größer wird.“ Ihre Verurteilung ist
sicher. Ich kann nichts dafür, wenn die Wahrheit verdreht wird. Es wird immer
Menschen geben, die das beste Essen wie Gift behandeln und aus der besten Wahrheit
eine Lüge machen und sich dadurch selbst verurteilen.
Du fragst: „Was
passiert, wenn ein Kind Gottes in Sünde fällt?“ Meine Antwort darauf ist, daß
jeder Gläubige in Sünde fällt. Täglich jammert und klagt er darüber, denn
sobald er etwas Gutes tun will, ist das Böse stets gegenwärtig. Aber auch wenn
er in Sünden fällt. wird er trotzdem nicht gerichtet, nicht wegen einzelner
Sünden und nicht wegen allen zusammen, weil sein Angenommensein nicht von ihm
selbst abhängt, sondern von der vollkommenen Gerechtigkeit Christi. Und diese
vollkommene Gerechtigkeit kann nicht durch irgendwelche Sünden entkräftigt
werden. In Christus ist er vollkommen, und solange Christus nicht selbst
unvollkommen ist, kann die Unvollkommenheit des Menschen die Rechtfertigung des
Gläubigen in Gottes Augen nicht trüben. Aber wenn er in himmelschreiende Sünde
fällt - Gott bewahre uns davor - selbst wenn er in himmelschreiende Sünde
fällt, wird er sich die Knochen brechen, den Himmel aber wird er trotzdem
erreichen. Obwohl Gott zuläßt, daß er weit vom richtigen Weg abkommt, um ihn
auf die Probe zu stellen und ihm seine eigene Niederträchtigkeit zu zeigen,
wird der, der ihn erkauft hat, ihn doch nicht verlieren; er, der ihn erwählt
hat, wird ihn nicht verstoßen. Er wird ihm sagen: „Ich, ich bin es, der deine
Verbrechen auslöscht um meinetwillen. und deiner Sünden will ich nicht
gedenken“ (Jesaja 43, 25). David ist weit weggegangen, aber David ist nicht
verloren. Weinend ist er zurückgekommen: „Sei mir gnädig, o Gott, nach deiner
Gnade“ (Psalm 51, 3). Genauso wird es jedem Glaubenden ergehen. Christus wird
ihn zurückbringen. Auch wenn er ausrutscht, soll er gehalten werden. Alle
Erwählten werden sich einmal vor dem Thron treffen. Wenn das nicht wahr wäre,
würden nur manche durchhalten - was würde aus dem übrigen Volk Gottes? Es wäre
der Verzweiflung hingegeben. Falls du, lieber Leser, so zurückgefallen bist,
bitte ich dich, das nicht zu mißbrauchen, was ich gesagt habe. Laß es dir
sagen, du Armer, dein Vater trauert tief um dich. Er hat deinen Namen nicht aus
dem Buch gestrichen. Komm zurück, komm jetzt sofort zu ihm zurück und sage:
„Nimm mich gnädig an, und schenk mir neu deine Liebe.“ Und er wird antworten:
„Du bist mein Kind!“ Er wird dein Zurückfallen übergehen und wird deine
Übertretungen heilen, und du sollst wieder in seiner Gunst stehen und darfst
wissen, daß du immer noch aufgenommen bist durch die Gerechtigkeit deines
Erlösers; und daß du immer noch gerettet bist durch sein Blut. Gottes Ziel ist
nicht, daß sein Kind nie auf die Probe gestellt wird oder daß es nicht in
Versuchung fällt, aber das eine hält er fest: „Wer
an ihn glaubt, wird nicht gerichtet.“ Nie und nimmer steht er unter dem Urteil
der Verdammnis, sondern er ist aus Gottes Sicht in alle Ewigkeit gerecht
gesprochen.
Wenn wir nicht
gerichtet werden, dann betrachtet Gott uns, seine Kinder, die an Christus
glauben, zu keiner Zeit so, als wären wir schuldig. Überrascht es dich, daß ich
es so ausdrücke? Ich sage es noch einmal: Von dem Moment an, wo du an Christus
glaubst, läßt Gott davon ab, dich als schuldig anzusehen, denn er schaut dich
nie getrennt von Christus an. Du betrachtest dich selbst oft als schuldig und
fällst auf die Knie - das sollst du auch tun! - und du weinst und klagst. Aber
selbst während du über dein sündiges Wesen und deine begangene Sünde weinst,
sagt er dir vom Himmel her: „Was deine Rechtfertigung betrifft, bist du gerecht
und herrlich.“ Du bist schwarz wie die Zelte von Kedar - das bist du von Natur
aus. Du bist schön wie die Zeltdecken Salomos - das bist du in Christus. Du
bist schwarz - das bist du in Adam. Aber wohlgestaltet - das bist du im zweiten
Adam.
Bedenke das, daß du
aus Gottes Sicht immer schön bist, daß du aus Gottes Sicht immer so aussiehst,
als wärest du vollkommen. Denn du bist in Jesus Christus zur Fülle gebracht und
vollkommen gemacht (vgl. Kolosser 2, 10), wie es Pau1us betont. Immer stehst du
in Christus ganz gewaschen und völlig bekleidet da. Erinnere dich daran, denn
genau das ist in den Worten enthalten: „Wer an ihn glaubt, wird nicht
gerichtet“ (Johannes 3, 18). Eine andere wichtige Tatsache ist die, daß du als
Gläubiger niemals für deine Sünden bestraft wirst. Du wirst ihnen entsprechend
gezüchtigt, wie ein Vater sein Kind züchtigt; das ist so im Zeitalter der
Gnade, aber du wirst nicht so für deine Sünden geschlagen, wie der Gesetzgeber
den Verbrecher schlägt. Dein Vater mag dich oft genauso strafen, wie er die
Bösen straft. Aber nie aus dem gleichen Grund.
Die Gottlosen stehen
auf dem Boden ihrer eigenen Fehler; ihr
Leid ist ihre verdiente Strafe. Deine Sorgen jedoch sind kein Werkzeug zur
Strafe, sie sind Werkzeug der Liebe. Gott weiß, daß deine Sorgen in diesem
Sinne solch ein Vorrecht sind, daß du sie als einen unverdienten Segen ansehen
kannst. Daran mußte ich oft denken, wenn ich in ernsten Schwierigkeiten war.
Ich weiß, manche Leute sagen: „Du hast deine Schwierigkeiten verdient.“ Ja,
meine Lieben, aber alle Christen zusammen leisten nicht genug, um so etwas
Gutes, wie die liebevolle Zurechtweisung unseres himmlischen Vaters zu
verdienen. Vielleicht kannst du das nicht einsehen, daß Probleme als ein
wirklicher Segen in deinen Bund mit Gott hereinkommen können. Aber ich weiß,
daß der Stock des Bundes genauso ein Gnadengeschenk ist, wie das Blut des
Bundes. Das ist gar keine Frage der Strafe oder Leistung. Wir bekommen ihn,
weil wir ihn brauchen. Aber frage einmal, ob wir je so gut waren, ihn zu
verdienen. Wir haben es nie geschafft, nach so einem hohen Maßstab zu leben,
daß wir solch reiche, gnädige Versorgung verdient hätten wie diesen Segen - den
Stock unseres züchtigenden Gottes. Nie, zu keiner Zeit in deinem Leben, ist ein
Gesetzesstreich auf dich gefallen. Seit du an Christus glaubst, bist du
außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Gesetzes.
Das englische Gesetz
kann einem Franzosen nichts anhaben, solange er unter dem Schutz seines
Herrschers lebt. Du bist nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade. Das
sinaitische Gesetz kann dir nichts anhaben, weil du außerhalb seines
Einflußbereichs bist. Du lebst nicht in Sinai oder Arabien. Du bist nicht der
Sohn Hagars oder der Sohn einer Magd, du bist der Sohn Saras und bist nach
Jerusalem gekommen und bist frei. Du bist aus Arabien heraus in Gottes
wunderbares Land gekommen. Du gehörst nicht zu Hagar, sondern zu Sara unter
Gottes Gnadenbund, und du sollst Gottes Erbe sein.
Glaub es doch, daß
dich das Gesetz niemals schlagen kann, niemals kann Gottes Zorn im Gericht auf
dich kommen. Er mag dir einen züchtigenden Schlag geben, nicht aufgrund deiner
Sünde, sondern aufgrund seiner reichen Gnade, die die Sünde aus dir
herausbekommen möchte, damit du vollkommen heilig wirst, auch wenn du jetzt
schon vor ihm vollkommen und vollendet bist, im Blut und der Gerechtigkeit
Christi.
Was schließt er denn
aus? Nun, ich bin sicher, er schließt eigenen Ruhm aus. „Wer an ihn glaubt,
wird nicht gerichtet“ (Johannes 3, 18). Wenn es jetzt hieße „wer arbeitet,
wird nicht gerichtet“, dann würden du und ich uns unserer Größe rühmen. Aber
weil es heißt .. „wer an ihn glaubt“, ist da kein Platz, wo wir auch nur
ein halbes Wort für unser altes Ich einlegen k6nnen. Nein, Herr, wenn ich nicht
gerichtet werde, ist das deine freie Gnade, denn ich habe es tausendfach
verdient, gerichtet zu werden, seit ich mich hingesetzt habe, um dies hier
aufzuschreiben. Wenn ich auf den Knien bin und nicht deswegen gerichtet werde,
dann ist das reine Gnade, denn sogar wenn ich bete, verdiene ich es noch,
gerichtet zu werden. Selbst wenn wir Buße tun, sündigen wir, und fügen noch
mehr zu unseren Sünden hinzu, während wir doch eigentlich von ihnen umkehren.
Unsere sündige Natur läßt uns bei allem, was wir tun, wieder sündigen. und
unsere besten Taten sind so sehr mit Sünde befleckt, daß nur schwer erkennbar
ist, ob es gute oder schlechte Taten sind. Soweit es unsere eigenen sind, sind
sie schlecht, und so weit es Werke des Geistes sind, sind sie gut. Dann aber
ist das Gute nicht unsere Leistung, der Heilige Geist hat es bewirkt; uns
bleibt nur das Böse. Nun, damit können wir uns jedenfalls nicht rühmen! Fort
mit dir, Stolz! Fort mit dir!
Ein Christ muß ein demütiger Mensch sein. Wenn er sich erhebt, um etwas zu sagen, dann ist er tatsächlich nichts. Er weiß nicht, wo er ist oder wo er steht, wenn er zu prahlen beginnt, als ob er den Sieg aus eigener Kraft errungen hätte. Laß das Rühmen, lebe demütig vor deinem Gott, und laß nie ein Wort des Eigenlobs über deine Lippen kommen. Opfere dein stolzes Ich und laß dein Lied vor dem Thron Gottes erklingen: „Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre“ (Psalm 115, l ).
Was schließt der
Glaube noch aus? Ich denke mir, daß er - und nun bin ich dabei, mir selbst eins
auszuwischen - Zweifel und Ängste ausschließen sollte. „Wer an ihn glaubt, wird
nicht gerichtet.“ Wie können du und ich es wagen, so lange Gesichter zu ziehen
und so herumzugehen, wie wir es manchmal tun, als ob wir eine Welt voller
Sorgen auf unserem Rücken zu tragen hätten? Was hätte ich vor gut zehn Jahren
für das sichere Wissen gegeben, daß dieser Text mir gilt und ich nicht
gerichtet werde. Nun, ich dachte, wenn ich fühlen könnte, daß mir einmal
vergeben wurde, hätte ich es dafür froh in Kauf genommen, von Brot und Wasser
zu leben, in einem Kerker eingesperrt zu sein und täglich mit der neunschwänzigen
Katze ausgepeitscht zu werden. Alles, wenn ich nur einmal das Gefühl hätte
haben können, daß meine Sünden vergeben sind.
Nun ist dir vergeben,
und doch wirst du wieder niedergeworfen! Schäm dich! Nicht verurteilt und doch
unglücklich? Das ist ja ein schöner Christ! Steh auf und wisch dir die Tränen
aus den Augen. Wenn jemand jetzt im Gefängnis säße, der nächste Woche
hingerichtet werden sollte und du könntest zu ihm hingehen und sagen: „Du bist
begnadigt“, würde er nicht freudig von seinem Sitz aufspringen, selbst wenn er
seinen Besitz verloren hätte und wenn er vielleicht nach der Begnadigung noch
vieles zu erleiden hätte? Was würde das schon für ihn bedeuten, wo doch sein
Leben gerettet wäre? Er würde es für weniger als nichts achten.
Nun, du als Christ
bist begnadigt, all deine Sünden sind vergeben. Christus hat zu dir gesagt:
Deine „vielen Sünden sind vergeben“ (Lukas 7, 47) - und du bist immer noch
unglücklich? Gut, wenn wir es schon manchmal sein müssen, dann laß es uns
wenigstens so schnell wie möglich hinter uns bringen. Wenn wir manchmal
niedergeschlagen sein müssen, laßt uns den Herrn darum bitten, uns wieder
aufzurichten. Ich fürchte, einige von uns entwickeln hier schlechte
Angewohnheiten und machen es sich zur Gewohnheit, niedergeschlagen zu sein. Sei
vorsichtig, er wächst schnell, dieser mürrische Geist, wenn du ihm nicht direkt
widerstehst, wird es noch schlimmer mit dir werden. Wenn du nicht zu Gott
kommst, damit er diese Zweifel und Ängste austreibt, werden sie bald in Scharen
auf dir sitzen, wie die Fliegen in Ägypten. Wenn du den ersten großen Zweifel
töten kannst, tötest du wahrscheinlich hundert, denn ein großer Zweifel brütet
tausend andere aus. und die Mutter töten heißt, die ganze Brut zu töten.
Halte deshalb Ausschau
nach dem ersten Zweifel, damit du nicht in deiner Mutlosigkeit bestärkt wirst
und deine Verzweiflung nicht noch wächst. „Wer an ihn glaubt, wird nicht
gerichtet.“ Wenn das unser Rühmen ausschließt, sollte es auch unseren Zweifel
ausschließen.
Weiter. Der Glaube
schließt weiteres Sündigen aus. Lieber Herr, habe ich nicht oft gegen dich
gesündigt und du hast mir doch großzügig vergeben? Was könnte mich stärker dazu
motivieren, nicht mehr zu sündigen? Ja, es gibt einige, die behaupten, daß
diese Lehre zur Ausschweifung führt. Aber was soll dabei lasterhaft sein? Gehe
ich weiter und sündige, weil mir vergeben ist? Gehe ich weiter und lebe in
Schuld, weil Jesus Christus meine Schuld vergeben hat und an meiner Stelle
litt? Die menschliche Natur ist verdorben genug, aber ich denke, dies ist ihr
schlimmstmöglicher Zustand, wenn sie versucht, Sünde mit der großzügig
gewährten Gnade Gottes zu begründen.
So schlecht ich auch
bin, fühle ich doch, daß es schwer ist, gegen den begnadigenden Gott zu
sündigen. Es ist weit schwerer, gegen das Blut Christi und das Bewußtsein der
Vergebung zu sündigen, als gegen die Schrecken des Gesetzes und die Furcht vor
der Hölle. Ich weiß es von mir, wenn meine Seele am meisten Angst vor dem Zorn
Gottes hat, kann ich in aller Ruhe sündigen, verglichen mit dem, was ich tue,
wenn mir seine Liebe bewußt ist, die in mein Herz ausgegossen ist. Wieviel
ungeheuerlicher ist es, deine Stellung zu kennen und doch zu sündigen? Wie
verwerflich. Du stellst dich so an den Rand der tiefsten Hölle. Aber ich bin
sicher, wenn du ein Kind Gottes bist, dann wirst du deiner Stellung
entsprechend jeden falschen Gewinn dahingeben, weil dich Jesus Christus
gerechtfertigt hat.
Ja, ich muß und ich
will alle Dinge um Jesu willen für Schaden achten. Hauptsache ist, daß ich in
ihm erfunden werde, vollkommen in seiner Gerechtigkeit! Das wird dich
veranlassen, nah bei ihm zu leben, und dich ihm ähnlicher machen. Denk doch
nicht, daß diese Lehre dich auf Dauer dazu bringen wird, Sünde leichtzunehmen.
Sie wird dir vielmehr zeigen, daß deine Sünde der Henker ist, der Christus
tötet.
Diese schreckliche
Last könntest du nie loswerden, wenn nicht Gott selbst eingreifen würde; und
dann wirst du anfangen, Sünde zu hassen, von ganzem Herzen, weil sie Auflehnung
gegen einen liebevollen und gnädigen Gott ist. Das soll dich weit besser als
irgendwelche Zweifel oder gesetzliche Haarspaltereien dazu führen, in den
Fußstapfen unseres Herrn Jesus zu wandeln und dem Lamm nachzufolgen, wohin es
auch geht.
Ich denke, daß dieses
kleine Bändchen, obwohl ich es für Kinder Gottes geschrieben habe, genauso für
Sünder geeignet ist. Ich wünsche mir, daß du genauso denkst, wenn du noch als
Sünder lebst. Wenn du erkannt hast – „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet“
(Johannes 3, 18) - und dann glaubst, wirst auch du nicht gerichtet. Möge das,
was ich gesagt habe, dir zu diesem Glauben helfen. Oder fragst du noch: „Soll
ich Christus wirklich vertrauen?“ Ich habe es schon gesagt, es ist nicht deinem
Belieben überlassen, ob du glauben möchtest oder nicht, es ist dir befohlen.
Die Bibel befiehlt, daß das Evangelium jedem Menschen gepredigt werden soll,
und das Evangelium lautet: „Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet
werden“ (Apostelgeschichte 16, 31). Ich weiß, du wirst zu stolz sein, das zu
tun, bis Gott dich durch seine Gnade demütigt. Aber wenn du merkst, daß du
nichts bist und hast, dann kannst du Christus froh als dein ein und alles
aufnehmen.
Gott gebe es, daß es so geschieht, um seines Namens willen.
Amen.