In der Kirche zu
Walton in der Grafschaft Surrey befindet sich ein Zaum für Lästermäuler, der in
früheren Jahren dazu gebraucht wurde, die Zungen der Frauen daran zu hindern,
ihre Ehemänner und ihre Nachbarn zu belästigen. Man hat in den guten alten
Zeiten seltsame Dinge getan. War dieser Zaum ein Beweis von dem, was unser
Pastor „die Weisheit unserer Altvorderen“ nennt, oder war er ein Stück
unnötiger Grausamkeit?
Manche gottlosen und
boshaften Redensarten über die Frauen sind aus der allgemeinen Beobachtung
hervorgegangen, dass die Frauen unendlich viel Schaden mit ihren Zungen
anrichten. Stimmt das oder nicht? Der Pflüger Hans will lieber einen anderen
statt seiner darauf antworten lassen, denn er muss bekennen, dass er auch kein
Geheimnis für sich behalten kann und dass er wie viele andere so ein
Plauderstündchen schätzt, – nur dass Hans keine Freude daran findet, andere
Leute dabei herunterzuputzen, und dass er die Lästerungen, die einigen so sehr
munden, nicht leiden kann. Hans legt die Frage weiseren Leuten vor, als er
selber es ist: Sind die Frauen viel schlimmer in dieser Beziehung als die
Männer? Man sagt, dass Schweigen ein schöner Schmuck für eine Frau sei, dass er
aber sehr wenig getragen werde. Ist es so? Ist es wahr, dass eine Frau nur das
verheimlicht, was sie nicht weiß? Sind Frauenzungen den Lämmerschwänzen gleich,
die sich immerzu bewegen? Stimmt das oder nicht? War jenes alte Gebet unnötig:
„Gott bewahre uns vor großen Kanonen und vor Weiberzungen!“ Hans hat selber
eine ganz vortreffliche und stille Frau, deren Stimme so süß ist, dass er sie
nicht zu oft hören kann, und darum ist er kein unparteiischer Richter in dieser
Sache. Aber er hat auch etwas Sorge, dass einige andere Frauen lieber predigen
als beten und keinen starken Kaffee zu trinken brauchen, um ihre Mühlenräder in
Bewegung zu setzen. Jedoch – was für die Gans gut ist, ist auch gut für den
Gänserich, und einige Männer verstehen das Klatschen und Tratschen ebenso gut
wie die Frauen.
Wie schade, dass
nicht eine Steuer auf Worte erhoben wird. Welche Einnahmen würde der Staat
dadurch haben! Aber leider ist das Reden steuerfrei. Und wenn für Lügen das
Doppelte zu bezahlen wäre, so könnte die Regierung sämtliche Staatsschulden
damit abtragen; nur – wer könnte das Geld einsammeln? Das allgemeine Gerücht
ist ein allgemeiner Lügner. Hörensagen ist halb gelogen. Eine Geschichte wird
nicht kürzer durchs Wiedererzählen. Wie ein Schneeball wächst ein Gerücht im
Rollen. Wer viel redet, lügt viel. Wenn die Menschen nur das erzählen würden,
was wahr ist, was für eine friedliche Welt würden wir dann haben! Schweigen
richtet selten Schaden an, aber Reden ist eine Landplage. Schweigen ist
Weisheit, und an diesem Satz gemessen, gibt es wenige weise Männer und weise
Frauen. Stille Wasser sind tief, die seichtesten Bäche murmeln am lautesten.
Ein offener Mund lässt auf einen leeren Kopf schließen. Wenn der Schrank Gold
und Silber enthielt, würde er nicht immer weit offen stehen. Das Reden kommt
einem von selber, aber es kostet ein gutes Stück Erziehung, um ruhig sein zu
lernen.
Wenn wir nur einmal
durchaus reden müssen, so lasst uns wenigstens Lästerworte vermeiden und nicht
hinter dem Rücken reden. Für den Geschichtenerzähler mag das Lästern ein
Vergnügen sein, aber es ist der Tod für den Verlästerten. Wir können mit der
Zunge ebenso gut einen Mord begehen wie mit der Hand. Rufmord ist eines der
schlimmsten Übel. Wie sagte der Quäker zu seinem Hund: „Ich will dich nicht
schlagen, ich will dich nicht beschimpfen, aber ich will dir einen schlechten
Namen anhängen“? Nicht alle, die von Hunden angebellt werden, sind Diebe, aber
sie werden doch meistens so behandelt, als ob sie es wären. Denn man glaubt
meistens, dass, wo Rauch ist, auch Feuer sein müsse, und dass, was jedermann
sage, wahr sein müsse. Lasst uns also sorgsam sein, dass wir unserem Nächsten
nicht an einer so empfindlichen Stelle, wie es sein guter Ruf ist, verletzen.
Es ist schwer, Schmutz los zu werden, wenn man einmal damit beworfen worden
ist. Wenn jemand erst einmal auf der schwarzen Liste der Leute steht, so kommt
er selten wieder ganz davon herunter. Wer nicht unrecht reden möchte, dem ist
zu empfehlen, so wenig wie möglich zu reden. Denn wenn aller Menschen Sünden
auf zwei Haufen verteilt würden, so würde sich zeigen, dass die eine Hälfte
Zungensünden sind. „Wir fehlen alle mannigfaltig. Wer aber auch im Wort nicht
fehlt, der ist ein vollkommener Mann und kann auch den ganzen Leib im Zaum
halten“ (Jakobus 3,2).
Ihr Schwätzer und
Schwätzerinnen, gebt das schmähliche Geschäft der Zuträgerei auf! Dient dem
Teufel nicht länger als Blasebälge, mit denen er das Feuer des Streites schürt.
Hört auf, die Leute gegeneinander aufzuhetzen! Wenn ihr nicht ein Stück von
eurer Zunge abschneiden könnt, so würzt sie wenigstens mit dem Salz der Gnade!
Preist Gott mehr und tadelt eure Nachbarn weniger! Jede Gans kann schnattern,
jede Fliege kann eine wunde Stelle auffinden, jedes leere Fass kann tönen,
jeder Dornstrauch kann einen Menschen verwunden. Wenn ihr den Mund zuhaltet, so
werden euch keine Fliegen in den Hals kommen – und keine üblen Nachreden
heraus. Denkt viel, aber sprecht wenig! Seid schnell, zu arbeiten, und langsam,
zu reden! Vor allem aber bittet den Gott aller Gnade: „Bestelle, Herr, eine
Wache für meinen Mund! Wache über die Tür meiner Lippen!“ (Psalm 141,3;
Elberfelder Übersetzung).