Es gibt nicht so
viele Stunden in einem Jahr, wie man Gedanken in einer Stunde haben kann. Die
Gedanken fliegen scharenweise wie Stare und in Schwärmen wie Bienen daher. Man
kann sie ebenso wenig zählen wie die dürren Blätter im Herbst. Und wie die
Glieder einer Kette zieht einer den anderen hinter sich her. Was für ein
unruhiges Geschöpf ist doch der Mensch! Seine Gedanken tanzen auf und nieder
wie die Mücken an einem Sommerabend! Wie eine Wanduhr voller Zahnräder, deren
Pendel sich in lebhafter Schwingung befindet, so bewegt sich sein Gemüt, so
schnell, wie die Zeit verfließt. Dadurch wird das Denken überaus bedeutsam. Aus
vielem Kleinen wird etwas Großes, und aus vielen leichten Gedanken wird leicht
ein schweres Gewicht von Sünden. Wo viele Kinder sind, hat die Mutter wohl
Ursache, sie gut zu beaufsichtigen. Wir sollen auf unsere Gedanken Acht geben,
denn wenn sie sich in unsere Feinde verwandeln, so werden sie überhand nehmen
und uns ins Verderben hinunterziehen. Gute Gedanken füllen unsere Seele mit
Himmelsliedern wie Vögel im Frühling, aber böse Gedanken werden uns stechen wie
Ottern.
Die Menschen meinen
oft, die Gedanken seien frei; aber ich erinnere mich gelesen zu haben, wenn
Gedanken auch zollfrei sind, so sind sie doch nicht höllenfrei. Das stimmt
genau mit dem überein, was das gute alte Buch, die Bibel, sagt. Wir können
wegen unserer Gedanken vor keinen irdischen Gerichtshof zitiert werden; aber
seid versichert, dass wir uns darüber vor dem letzten großen Tribunal werden
verantworten müssen. Böse Gedanken sind das innerste Mark der Sünde. Sie sind
das Malz aus dem die Sünde gebraut wird; der Zunder, welcher den Funken der
Versuchung des Teufels fängt; das Butterfass, in dem die Milch der Phantasie zu
Absichten und Plänen gerinnt; das Nest, in welches alle bösen Vögel ihre Eier
legen. Wie das Feuer sowohl Reisig als Holzblöcke verzehrt, wird Gott ebenso
wohl die sündlichen Gedanken wie die sündlichen Taten bestrafen (Matthäus 5,28;
9,4).
Denke niemand, dass
die Gedanken dem Herrn nicht bekannt seien. Denn er hat ein Fenster das sich
zum innersten Gemach der Seele hin öffnet – ein Fenster, das man durch keine
Läden verschließen kann. Wie wir in einem Aquarium die Fische beobachten, so
blickt das Auge des Herrn auf uns. Die Bibel sagt: „Ich kenne ihre Werke und
ihre Gedanken“ (Jesaja 66,18). Der Mensch ist für Gott lauter Außenseite; für
den Himmel gibt es keine Geheimnisse. Was im Privatgemach des Herzens geschieht,
ist für das Auge Gottes so öffentlich wie ein Marktplatz.
Einige werden sagen,
dass böse Gedanken unwillkürlich in ihnen aufsteigen. Das mag sein, aber die
Frage ist, ob sie sie hassen oder nicht? Wir können es den Dieben nicht
verbieten, in unsere Fenster hineinzusehen; wenn wir ihnen aber die Türen
aufmachen und sie mit Freuden aufnehmen, so sind wir nicht besser als sie. Wir
können die Vögel nicht hindern, über unseren Köpfen hinzufliegen; aber wir
brauchen es nicht zu dulden, dass sie ihre Nester in unseren Haaren bauen.
Unnütze Gedanken klopfen wohl an die Tür, aber wir sollen ihnen nicht auftun.
Wenn böse Gedanken auch in uns aufsteigen, so dürfen sie doch nicht über uns
herrschen. Wer einen Bissen im Munde hin und her bewegt, tut es, weil ihm der Geschmack gefällt; und wer in dieser
Weise über das Böse nachdenkt, liebt es und ist fähig, es zu begehen. Denke an
den Teufel, und er wird erscheinen. Wende deine Gedanken der Sünde zu, und
deine Hände werden bald nachfolgen. Schnecken lassen eine Schleimspur hinter
sich zurück, und ebenso machen es unnütze Gedanken. Ein Pfeil fliegt durch die
Luft, ohne eine Spur zurückzulassen; aber ein böser Gedanke lässt immer eine
Fährte hinter sich, wie eine Schlange. Wo viel böse Gedanken hausen, da wird
auch viel Schmutz und Unrat sein. Hätschle die Sünde nur auf dem Schoß des
Gedankens, und es wird ein Riese daraus erwachsen. Tauche Wolle in Petroleum
ein und wie wird es auflodern, wenn es dem Feuer zu nahe kommt! Darum gebietet
uns die Weisheit, das Denken und Planen unseres Herzens täglich in acht zu
nehmen. Gute Gedanken sind segenbringende Gäste und sollten herzlich willkommen
geheißen, reich bewirtet und oft eingeladen werden. Wie Rosenblätter geben sie
einen guten Geruch von sich, wenn sie im Krug des Gedächtnisses aufbewahrt
werden. Sie können gar nicht genug kultiviert werden; sie sind eine Frucht, die
den Boden bereichert. Wie eine Henne ihre Küken unter ihren Flügeln wärmt, so
sollten wir alle heiligen Gedanken in uns pflegen. Gottselige Betrachtungen sollten
uns über alles wertvoll sein. Geheiligte Gedanken bringen geheiligte Worte und
geheiligte Taten hervor und sind zuverlässige Kennzeichen eines erneuerten
Herzens. Wer möchte sie nicht haben? Ein sicherer Weg, den Scheffel von Spreu
freizuhalten, ist der, ihn bis oben an mit Weizen zu füllen. Und wenn man eitle
Gedanken fernhalten will, so ist es klug und weise, stets geeignete Gegenstände
im Herzen zu bewegen, die uns zu göttlichen Betrachtungen veranlassen. Sie sind
leicht zu finden. Wir sollten nie ohne sie sein. Möchten wir stets mit David
sagen können: „Als viele unruhige Gedanken in mir waren, beglückten deine
Tröstungen meine Seele“ (Psalm 94,19).