Jeder Mensch sollte
sich für die Erinnerung seiner Nachbarn an ihn ein Denkmal setzen. Ein guter
Name ist der beste Grabstein. Die uns geliebt haben und denen wir geholfen
haben, werden an uns denken, wenn jedes Vergissmeinnicht auf unserem Grabhügel
verwelkt ist. Hoffen wir, dass sich besseres von uns wird sagen lassen, als von
jenem Mann, dessen Grabinschrift folgendermaßen lautete:
Er, der hier liegt, hat nie Gutes getan.
Lebte er noch, fing' er's auch wohl kaum an.
Wo er jetzt ist und wie es ihm geht –
diese Frage niemand bewegt.
Mögen unsere
Angehörigen unserer nicht nur gedenken als großer Feinschmecker, wie es jener
war, über dessen Grab geschrieben steht:
Mitleidger Wanderer stehe still zu lesen!
Hier ruht in Frieden Karl Mellin.
Ein tücht'ger Esser ist er stets gewesen,
nun aber fressen Würmer ihn.
Dasselbe könnte von
einem Schwein, das den ersten Preis auf der Ausstellung davongetragen hat, oder
von einem fetten Ochsen, der geschlachtet worden ist, gesagt werden. Einige
Menschen sind nichts Besseres als wandelnde Bierfässer, solange sie leben. Wenn
der Tod ein solches Fass zerstört, so vermodert es, ohne dass man weiter Notiz
davon nimmt.
Jedoch ist so ein
ehrlicher Grabstein immer noch besser als eine unverschämte Lüge.
Schmeicheleien bei einem Grab anbringen, heißt geschmolzene Butter in den
Ausguss gießen. Was für einen eigentümlichen Geschmack müssen die haben, die
Reklame für die Abgeschiedenen machen, als wollten sie den Verstorbenen noch
möglichst lange die Ruhmesposaune blasen, ehe der Engel des Jüngsten Gerichts
erscheint! Hier eine Kostprobe aus ihrem Korb:
Hier ruht in Frieden Marta Treu.
So sehr war sie von Sünden frei,
dass sie die Hülle brach entzwei
und flog als Cherub aus dem Ei.
Wenn man Grabsteine
sieht, möchte man wirklich fragen, wo denn eigentlich die schlechten Menschen
begraben werden? Rechts und links auf unserem Friedhof scheinen alle die
allerbesten Menschen gewesen zu sein, ein wahres Nest von Heiligen. Und einige
von ihnen waren so ausnehmend fromm, dass es kein Wunder ist, dass sie starben
– sie waren zu gut, um noch länger in der bösen Welt zu bleiben. Man soll
lieber den Armen Brot als den Toten Steine geben. Lieber gute Worte den Lebenden
als schöne Reden den Gestorbenen. Manches Zeug auf den Grabmälern ist so
ekelhaft, dass ein Toter darüber erröten könnte.
Was für Steinmassen
werden nicht über den Gräbern großer Leute aufgetürmt! Von der Hälfte davon
könnte man ein Haus bauen! Wie schwer werden sie daran zu heben haben bei der
Auferstehung! Es ist mir immer, als würde ich nicht atmen können, wenn ich
solche Massen Marmor über meinen Gebeinen hätte; obwohl ich nicht gerade zu
fürchten brauche, dass man sie über meinem Grab aufhäufen wird. Möge die Erde,
die ich so oft umgepflügt habe, leicht auf meinem Leichnam liegen, wenn sie auf
ihn geworfen wird. Begrabt den Pflüger Hans irgendwo unter den Ästen einer
großen Buche und häuft einen grünen Hügel darüber, auf dem Primeln und Gänseblümchen
hervorsprießen zu ihrer Zeit; sucht ihm ein ruhiges, schattiges Plätzchen aus,
wo die Blätter fallen und die Rotkelchen spielen und die Tautropfen im
Sonnenschein glitzern. Lasst den Wind frisch und frei über mein Grab wehen, und
muss eine Inschrift darüber stehen, so sei es folgende:
Hier
ruht der Leib von
Pflüger
Hans,
wartend
auf die Erscheinung seines
Herrn
und Heilandes
Jesu
Christi.
Oft habe ich gehört,
auf den Grabdenkmälern throne die Geduld, aber ich habe sie noch nie darauf
sitzen sehen, wenn ich über Kirchhöfe gegangen bin. Nur die Dummheit habe ich
oft genug auf Grabsteinen gesehen und habe mich gewundert, warum der Pfarrer
oder der Kirchenrat oder der Küster oder wer sonst darüber zu bestimmen hat,
den Leuten gestattet, solchen Unsinn in Grabsteine einzumeißeln. Allein auf
unserem eigenen Friedhof habe ich schon soviel albernes Zeug gesehen, dass man
ein ganzes Buch damit füllen könnte. Da lasse man doch lieber das Grab in
Frieden, ehe man ein Denkmal seiner Unwissenheit darauf errichtet. Unter allen
Orten der Welt ist der Leichenstein gewiss am wenigsten für Späße und Scherze
geeignet, und doch ist oft so närrisches Zeug auf Grabsteinen angebracht
worden, dass man das Wort für wahrhalten müsste: „Je näher an der Kirche, desto
weiter vom Anstand.“ Folgender Vers ist bitter, aber wohl nicht ganz unwahr:
Leser, stehe still und klage
mit mir über Lieschen Wahl,
die am 5. Maientage
hielt den Mund zum ersten Mal!
Der folgende Vers ist
aber noch viel bitterer:
Der Fuhrmann Munter ruht allhier,
der manche schöne Fuhre Bier
zu seinem Munde führte.
Gar munter fuhr er damit fort,
fuhr aber doch an diesen Ort,
als sich's für ihn gebührte.
Er fuhr zu viel in seinen Jahren,
drum ist er eilig abgefahren;
ihn selber fuhr man dann hierher,
denn Abfuhrmasse wurde er.
Kann man eigentlich
keine anderen Dinge finden, um darüber Witze zu machen? Der Leib des
zerlumptesten Bettlers ist zu heilig, um Witze darüber zu reißen. Was für ein
komischer Kauz muss der gewesen sein, der über ein Grab die Worte setzte:
Ich schlug der Bäume Wipfel ab;
da sandte Gott mir Missgeschick:
Von einem Baum fiel ich herab
und brach mein kräftiges Genick.
Mir schlug der Tod den Wipfel ab
und warf mich in ein frühes Grab.
Doch damit genug,
denke ich. Hier haben wir jedenfalls einen positiven Beweis dafür, dass einige
Narren am Leben bleiben, nämlich um auf den Denksteinen derer, die gestorben
sind, schreiben zu können. Ich meine, es sollte ein Gesetz erlassen werden,
dass niemand Unsinn über Verstorbene schreiben dürfte, es sei denn, er habe
sich zuvor einen Schein als Esel gelöst, gerade wie man sich Jagdscheine lösen
kann. Auch täte man gut daran, die Marktschreierei den Kleidermagazinen und
Quacksalbern zu überlassen und sie von den Kirchhöfen auszuschließen. Ich halte
es mit unserem Pastor, der immer sagt:
Kein Grabesmonument sollt' eines Sünders Leben
mit stolzem Tugendglanz
von Künstlerhand umgeben.
Soll aber doch ein Ruhm am Sündergrab ertönen,
so rühmt Ihn, der da starb,
die Sünder zu versöhnen!
Nur noch ein Reim und
der Pflüger Hans verlässt den Kirchhof und geht an seine Arbeit, um sich mit
anderen Erdschollen zu befassen.
Wer weiß, wie nahe mir mein Ende!
Hin geht die Zeit, her kommt der Tod.
Ach wie geschwinde und behände
kann kommen meine Todesnot.
Mein Gott, mein Gott,
ich bitt durch Christi Blut:
mach’s nur mit meinem Ende gut.
Es kann vor Nacht leicht anders werden,
als es am frühen Morgen war;
denn weil ich leb auf dieser Erden,
leb ich in steter Todsgefahr.
Mein Gott, mein Gott,
ich bitt durch Christi Blut:
mach’s nur mit meinem Ende gut.
Lass mich beizeit mein Haus bestellen,
dass ich bereit sei für und für
und sage frisch in allen Fällen:
Herr, wie du willst, so schicks mit mir!
Mein Gott, mein Gott,
ich bitt durch Christi Blut:
mach’s nur mit meinem Ende gut.
Ach Vater, deck all meine Sünde
mit dem Verdienste Jesu zu,
damit ich hier Vergebung finde
und dort die recht erwünschte Ruh.
Mein Gott, mein Gott,
aus Gnad durch Christi Blut
machst du's mit meinem Ende gut.