Charles Haddon Spurgeon

Guter Rat für allerlei Leute

Reden hinterm Pflug

 

Grabsteine

 

Jeder Mensch sollte sich für die Erinnerung seiner Nachbarn an ihn ein Denkmal setzen. Ein guter Name ist der beste Grabstein. Die uns geliebt haben und denen wir geholfen haben, werden an uns denken, wenn jedes Vergissmeinnicht auf unserem Grabhügel verwelkt ist. Hoffen wir, dass sich besseres von uns wird sagen lassen, als von jenem Mann, dessen Grabinschrift folgendermaßen lautete:

 

Er, der hier liegt, hat nie Gutes getan.

Lebte er noch, fing' er's auch wohl kaum an.

Wo er jetzt ist und wie es ihm geht –

diese Frage niemand bewegt.

 

Mögen unsere Angehörigen unserer nicht nur gedenken als großer Feinschmecker, wie es jener war, über dessen Grab geschrieben steht:

 

Mitleidger Wanderer stehe still zu lesen!

Hier ruht in Frieden Karl Mellin.

Ein tücht'ger Esser ist er stets gewesen,

nun aber fressen Würmer ihn.

 

Dasselbe könnte von einem Schwein, das den ersten Preis auf der Ausstellung davongetragen hat, oder von einem fetten Ochsen, der geschlachtet worden ist, gesagt werden. Einige Menschen sind nichts Besseres als wandelnde Bierfässer, solange sie leben. Wenn der Tod ein solches Fass zerstört, so vermodert es, ohne dass man weiter Notiz davon nimmt.

Jedoch ist so ein ehrlicher Grabstein immer noch besser als eine unverschämte Lüge. Schmeicheleien bei einem Grab anbringen, heißt geschmolzene Butter in den Ausguss gießen. Was für einen eigentümlichen Geschmack müssen die haben, die Reklame für die Abgeschiedenen machen, als wollten sie den Verstorbenen noch möglichst lange die Ruhmesposaune blasen, ehe der Engel des Jüngsten Gerichts erscheint! Hier eine Kostprobe aus ihrem Korb:

 

Hier ruht in Frieden Marta Treu.

So sehr war sie von Sünden frei,

dass sie die Hülle brach entzwei

und flog als Cherub aus dem Ei.

 

Wenn man Grabsteine sieht, möchte man wirklich fragen, wo denn eigentlich die schlechten Menschen begraben werden? Rechts und links auf unserem Friedhof scheinen alle die allerbesten Menschen gewesen zu sein, ein wahres Nest von Heiligen. Und einige von ihnen waren so ausnehmend fromm, dass es kein Wunder ist, dass sie starben – sie waren zu gut, um noch länger in der bösen Welt zu bleiben. Man soll lieber den Armen Brot als den Toten Steine geben. Lieber gute Worte den Lebenden als schöne Reden den Gestorbenen. Manches Zeug auf den Grabmälern ist so ekelhaft, dass ein Toter darüber erröten könnte.

Was für Steinmassen werden nicht über den Gräbern großer Leute aufgetürmt! Von der Hälfte davon könnte man ein Haus bauen! Wie schwer werden sie daran zu heben haben bei der Auferstehung! Es ist mir immer, als würde ich nicht atmen können, wenn ich solche Massen Marmor über meinen Gebeinen hätte; obwohl ich nicht gerade zu fürchten brauche, dass man sie über meinem Grab aufhäufen wird. Möge die Erde, die ich so oft umgepflügt habe, leicht auf meinem Leichnam liegen, wenn sie auf ihn geworfen wird. Begrabt den Pflüger Hans irgendwo unter den Ästen einer großen Buche und häuft einen grünen Hügel darüber, auf dem Primeln und Gänseblümchen hervorsprießen zu ihrer Zeit; sucht ihm ein ruhiges, schattiges Plätzchen aus, wo die Blätter fallen und die Rotkelchen spielen und die Tautropfen im Sonnenschein glitzern. Lasst den Wind frisch und frei über mein Grab wehen, und muss eine Inschrift darüber stehen, so sei es folgende:

 

Hier ruht der Leib von

Pflüger Hans,

wartend auf die Erscheinung seines

Herrn und Heilandes

Jesu Christi.

 

Oft habe ich gehört, auf den Grabdenkmälern throne die Geduld, aber ich habe sie noch nie darauf sitzen sehen, wenn ich über Kirchhöfe gegangen bin. Nur die Dummheit habe ich oft genug auf Grabsteinen gesehen und habe mich gewundert, warum der Pfarrer oder der Kirchenrat oder der Küster oder wer sonst darüber zu bestimmen hat, den Leuten gestattet, solchen Unsinn in Grabsteine einzumeißeln. Allein auf unserem eigenen Friedhof habe ich schon soviel albernes Zeug gesehen, dass man ein ganzes Buch damit füllen könnte. Da lasse man doch lieber das Grab in Frieden, ehe man ein Denkmal seiner Unwissenheit darauf errichtet. Unter allen Orten der Welt ist der Leichenstein gewiss am wenigsten für Späße und Scherze geeignet, und doch ist oft so närrisches Zeug auf Grabsteinen angebracht worden, dass man das Wort für wahrhalten müsste: „Je näher an der Kirche, desto weiter vom Anstand.“ Folgender Vers ist bitter, aber wohl nicht ganz unwahr:

 

Leser, stehe still und klage

mit mir über Lieschen Wahl,

die am 5. Maientage

hielt den Mund zum ersten Mal!

 

Der folgende Vers ist aber noch viel bitterer:

 

Der Fuhrmann Munter ruht allhier,

der manche schöne Fuhre Bier

zu seinem Munde führte.

Gar munter fuhr er damit fort,

fuhr aber doch an diesen Ort,

als sich's für ihn gebührte.

Er fuhr zu viel in seinen Jahren,

drum ist er eilig abgefahren;

ihn selber fuhr man dann hierher,

denn Abfuhrmasse wurde er.

 

Kann man eigentlich keine anderen Dinge finden, um darüber Witze zu machen? Der Leib des zerlumptesten Bettlers ist zu heilig, um Witze darüber zu reißen. Was für ein komischer Kauz muss der gewesen sein, der über ein Grab die Worte setzte:

 

Ich schlug der Bäume Wipfel ab;

da sandte Gott mir Missgeschick:

Von einem Baum fiel ich herab

und brach mein kräftiges Genick.

Mir schlug der Tod den Wipfel ab

und warf mich in ein frühes Grab.

 

Doch damit genug, denke ich. Hier haben wir jedenfalls einen positiven Beweis dafür, dass einige Narren am Leben bleiben, nämlich um auf den Denksteinen derer, die gestorben sind, schreiben zu können. Ich meine, es sollte ein Gesetz erlassen werden, dass niemand Unsinn über Verstorbene schreiben dürfte, es sei denn, er habe sich zuvor einen Schein als Esel gelöst, gerade wie man sich Jagdscheine lösen kann. Auch täte man gut daran, die Marktschreierei den Kleidermagazinen und Quacksalbern zu überlassen und sie von den Kirchhöfen auszuschließen. Ich halte es mit unserem Pastor, der immer sagt:

 

Kein Grabesmonument sollt' eines Sünders Leben

mit stolzem Tugendglanz

von Künstlerhand umgeben.

Soll aber doch ein Ruhm am Sündergrab ertönen,

so rühmt Ihn, der da starb,

die Sünder zu versöhnen!

 

Nur noch ein Reim und der Pflüger Hans verlässt den Kirchhof und geht an seine Arbeit, um sich mit anderen Erdschollen zu befassen.

 

Wer weiß, wie nahe mir mein Ende!

Hin geht die Zeit, her kommt der Tod.

Ach wie geschwinde und behände

kann kommen meine Todesnot.

Mein Gott, mein Gott,

ich bitt durch Christi Blut:

mach’s nur mit meinem Ende gut.

 

Es kann vor Nacht leicht anders werden,

als es am frühen Morgen war;

denn weil ich leb auf dieser Erden,

leb ich in steter Todsgefahr.

Mein Gott, mein Gott,

ich bitt durch Christi Blut:

mach’s nur mit meinem Ende gut.

 

Lass mich beizeit mein Haus bestellen,

dass ich bereit sei für und für

und sage frisch in allen Fällen:

Herr, wie du willst, so schicks mit mir!

Mein Gott, mein Gott,

ich bitt durch Christi Blut:

mach’s nur mit meinem Ende gut.

 

Ach Vater, deck all meine Sünde

mit dem Verdienste Jesu zu,

damit ich hier Vergebung finde

und dort die recht erwünschte Ruh.

Mein Gott, mein Gott,

aus Gnad durch Christi Blut

machst du's mit meinem Ende gut.