Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken

 

  1. Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken, mich in das Meer der Liebe zu versenken, die dich bewog, von aller Schuld des Bösen uns zu erlösen.

 

  1. Vereint mit Gott, ein Mensch gleich uns auf Erden / und bis zum Tod am Kreuz gehorsam werden, an unsrer Statt, gemartert und zerschlagen, die Sünde tragen:

 

  1. welch wundervoll hochheiliges Geschäfte! Sinn ich ihm nach, so zagen meine Kräfte; mein Herz erbebt, ich seh und ich empfinde / den Fluch der Sünde.

 

  1. Gott ist gerecht, ein Rächer alles Bösen; Gott ist die Lieb und lässt die Welt erlösen: dies kann mein Geist mit Schrecken und Entzücken / am Kreuz erblicken.

 

  1. Es schlägt den Stolz und mein Verdienst darnieder, es stürzt mich tief, und es erhebt mich wieder, lehrt mich mein Glück, macht mich aus Gottes Feinde / zu Gottes Freunde.

 

  1. O Herr, mein Heil, an dessen Blut ich glaube, ich liege hier vor dir gebückt im Staube, verliere mich mit dankendem Gemüte / in deine Güte.

 

  1. Da du dich selbst für mich dahingegeben, wie könnt ich noch nach meinem Willen leben / und nicht vielmehr, weil ich dir angehöre, zu deiner Ehre?

 

  1. Ich sollte nicht, wenn Leiden dieser Erden, wenn Kreuz mich trifft, gelassnen Herzens werden, da du so viel für uns, die wir's verschuldet, liebreich erduldet?

 

  1. Seh ich dein Kreuz den Klugen dieser Erden / ein Ärgernis und eine Torheit werden, so sei's doch mir, trotz allen frechen Spottes, die Weisheit Gottes.

 

  1. Wenn endlich, Herr, mich meine Sünden kränken, so lass dein Kreuz mir wieder Ruhe schenken. Dein Kreuz dies sei, wenn ich den Tod einst leide, mir Fried und Freude.

 

Christian Fürchtegott Gellert 1715-1769