Die Kreuzigung Jesu

 

 

In der Zeit vor Ostern und besonders in der Karwoche wird in der christlichen Welt überall des Sterbens Jesu Christi gedacht. Und das ist auch gut so. Schließlich gehört sein Leiden und Sterben und seine Auferstehung zum Zentrum des christlichen Glaubens überhaupt. Wenn Sie eine lange Geschichte zu erzählen hätten, und man würde Ihnen die Auflage machen, diese Geschichte auf nur drei oder vier Seiten niederzuschreiben, was von der Geschichte würden Sie wohl erzählen?

Sie würden sich sicherlich auf das Wesentliche konzentrieren und unwichtige Einzelheiten weglassen. An manchen Stellen würden Sie die groben Linien weitergeben und an anderen ganz genau erzählen. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass es in der Bibel genau so ist?

Betrachten wir einmal kurz das Leben Jesu. Über seine Geburt berichtet uns die Bibel recht ausführlich (vgl. Matthäus 1, 18-2, 12; Lukas 2, 1-40). Dann vergehen elf Jahre seines Lebens, über die uns das Wort Gottes nichts berichtet. Als Jesus dann zwölf Jahre alt ist, erleben wir ihn, wie er im Tempel mit den Schriftgelehrten diskutiert (vgl. Lukas 2, 41-52). Danach schweigt die Bibel wieder bis zu seinem 30. Lebensjahr. Von den 28 Jahren dazwischen wird uns in Lukas 2, 52 nur kurz und gerafft gesagt: „Jesus aber wuchs heran, und seine Weiheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen.“ Von Jesu 30. Lebensjahr bis zu seinem 33. Lebensjahr besitzen wir ausführliche Berichte. Die meisten Kapitel der Evangelien decken diese Zeitspanne ab.

Schauen wir uns jedoch seine letzten acht Tage an, so stellen wir fest, dass die Verfasser der Evangelien alles bis in die Details berichten. Ganze Kapitel werden den bangen Stunden von Getsemane bis Golgatha gewidmet (vgl. Matthäus 26-28; Markus 14-16; Lukas 22-24; Johannes 18-21). Dieser Umstand zeigt uns, wie wichtig das Karfreitags- und Ostergeschehen in Gottes Augen ist. Aus diesem Grund wollen wir einige Fragen miteinander bedenken.

 

1. Warum musste Jesus gekreuzigt werden?

 

Die Notwendigkeit der Kreuzigung Jesu ist im Lauf der Geschichte immer wieder in Frage gestellt worden. Warum dieses grausame Geschehen? Warum dieses Blutvergießen? Hätte es denn nicht einen anderen Weg gegeben, um die Menschen zu erlösen?

Wir stehen hier vor einem großen Geheimnis. Die Frage nach dem Warum wird von uns Menschen vielleicht nie richtig beantwortet werden können. Sie hängt aber mit dem Geheimnis der Sünde zusammen. Wenn wir alles erklären wollten, müssten wir fragen: „Warum hat Gott denn die Welt überhaupt geschaffen?“ Wir sollten die Realität so nehmen, wie sie ist! Es hat ja auch keinen Zweck zu fragen: „Warum sind wir Deutsche? Warum haben wir eine weiße Hautfarbe und keine schwarze?“ So, wie die Gegebenheiten sind, müssen wir sie akzeptieren. Und so ist es mit der Sünde und mit der Erlösung auch. Nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift sind wir alle Sünder: „Es gibt keinen Unterschied: Alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren“ (Römer 3, 23). So sagt es uns Gott klar und eindeutig, und wenn er es sagt, sollten wir das auch so annehmen. Der Hebräerbrief sagt nun weiter: „Fast alles wird nach dem Gesetz mit Blut gereinigt, und ohne dass Blut vergossen wird, gibt es keine Vergebung“ (Hebräer 9, 22). Hier ist die Antwort auf die Frage nach dem Warum der Kreuzigung: Es musste Blut fließen!


 

a) Adam und Eva

 

Wir können diesen Gedanken durch die ganze Bibel hindurch verfolgen. Gehen wir in Gedanken zurück ins Paradies. Adam und Eva lebten in vollkommener Harmonie mit Gott. Nichts trübte ihre Gemeinschaft miteinander. Alles an ihnen und in ihrer Umwelt war vollkommen. Dann setzte Satan mit seiner Versuchung an. Unsere Stammeltern fielen in Sünde und verloren ihre Unschuld. Zum ersten Mal war etwas Finsteres in diese Welt gekommen. Zum ersten Mal musste etwas verborgen werden. Zum ersten Mal erkannten sie, dass sie nackt waren. Was taten Adam und Eva daraufhin? „Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz“ (1. Mose 3, 7). Durch ihre eigenen Anstrengungen wollten sie ihre Schuld wieder gut machen.

C. H. Mackintosh schreibt zu diesem Vorgang in seinen Gedanken zum 1. Buch Mose: „Hier haben wir den ältesten Bericht über den Versuch des Menschen, seinen Zustand durch selbsterfundene Mittel zu ändern, und die aufmerksame Betrachtung dieses Versuchs zeigt uns den wahren Charakter der menschlichen Religiosität zu allen Zeiten... Bevor ich etwas tun kann, was in den Augen Gottes angenehm ist, muss ich wissen, dass ich bekleidet bin. Hierin liegt der Unterschied zwischen wahrem Christentum und menschlicher Religiosität. Wahres Christentum ist darauf gegründet, dass Gott die Menschen göttlich bekleidet hat, und hier hat der Christ seinen Ausgangspunkt. Menschliche Religiosität geht von dem nackten Zustand des Menschen aus und ist gekennzeichnet durch sein Bemühen, sich selbst zu bekleiden. Alles, was ein wahrer Christ tut, geschieht, weil er bekleidet ist. Alles, was ein äußerlich religiöser Mensch tut, geschieht, um bekleidet zu werden. Das ist ein großer Unterschied.

Je mehr wir den Geist der menschlichen Religiosität in allen seinen Formen prüfen, um so mehr werden wir erkennen, wie völlig unfähig die Religion ist, den Zustand des Menschen zu heilen oder auch nur seinem Bewusstsein darüber wirksam zu begegnen. Sie mag für eine Zeit genügen und auch so lange befriedigen, wie man den Tod, das Gericht und den Zorn Gottes nur aus der Ferne betrachtet. Sobald aber ein Mensch diesen Dingen in ihrer schrecklichen Wirklichkeit ins Angesicht schaut, wird er spüren, dass seine Religion niemals genügen kann“ (Winschoten: H. L. Heijkoop, 12. Aufl. 1973, S.37-38).

Die eigene Werkgerechtigkeit zählt in Gottes Augen nicht! Wir können ihm tausend Messopfer darbringen und tausendmal zur Beichte rennen; wir mögen regelmäßig zur Kirche oder Gemeinde gehen; wir können regelmäßig mehrmals am Tag ein rituelles Gebet in Richtung Mekka sprechen und das Glaubensbekenntnis murmeln; wir mögen regelmäßg den Rosenkranz oder das Vater-unser beten; wir können hohe Geldsummen für mildtätige Zwecke spenden - all das Gott als Wiedergutmachung zu bringen ist wertlos. Deshalb handelt Gott selbst. Wir lesen weiter in 1.Mose 3, 21: „Gott, der Herr, machte Adam und seiner Frau Röcke aus Fellen und bekleidete sie damit.“ Guthrie und Motyer kommentieren: „Art und Weise dieses Opfers bleiben unerwähnt, es wird lediglich deutlich, dass es das anstehende Problem löst“ (Donald Guthrie, J. Alec Motyer, Kommentar zur Bibel I. Wuppertal: R. Brockhaus Verlag, 1980, S.97).

In Gottes Handeln liegt ein tieferer Sinn als nur der einer dauerhaften Bekleidung. Um Röcke aus Fellen herzustellen, musste ein Tier getötet werden. Hier floss zum ersten Mal Blut, um die Schuld des Menschen zuzudecken. Und dieser Gedanke zieht sich fortan wie ein roter Faden durch das ganze Alte Testament. Ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung!


 

b) Kain und Abel

 

In 1.Mose 4 wird uns die Geschichte von zwei Brüdern, Kain und Abel, berichtet. Beide hatten die gleichen Eltern; beide hatten die gleichen Startvoraussetzungen; beide hatten die gleiche Erziehung genossen, und doch ging jeder von ihnen einen völlig anderen Weg. Es wird berichtet, dass beide Gott ein Opfer darbrachten. Kain brachte „dem Herrn ein Opfer von den Früchten des Feldes dar; auch Abel brachte eines dar von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Der Herr schaute auf Abel und sein Opfer, aber auf Kain und sein Opfer schaute er nicht“ (V.3-5).

Warum nahm Gott das Opfer Abels an, und warum verwarf er das Opfer Kains? Der Grund ist der gleiche wie bei Adam und Eva im Paradies. Kains Opfer entsprang einem religiösen Bedürfnis und dem Bemühen, nach seiner eigener Fason selig zu werden, Gott zufrieden zu stellen und ihm etwas von den eigenen Leistungen zu bringen. „Kains Opfer ohne Blut war wie jedes andere Opfer dieser Art völlig wertlos. Es bewies, dass er sowohl über seinen eigenen Zustand als auch hinsichtlch des Charakters Gottes völlig unwissend war... Kain hat im Laufe der Zeit viele Millionen Nachfolger gehabt. Der Kain-Gottesdienst hat sich über die ganze Erde verbreitet. Es ist der Gottesdienst jeder unbekehrten Seele, und er wird gepflegt durch jedes falsche Religionssystem unter der Sonne“ (Mackintosh, op. cit., S.50).

Abel dagegen brachte ein Blutopfer dar als Ausdruck seines Gehorsams Gott gegenüber und gegenüber dem, was Gott nach dem Sündenfall Adams und Evas vorgezeichnet hatte. „Abel versuchte nicht, die Wahrheit über seinen Zustand und den Platz, der ihm als schuldigem Sünder zukam, beiseite zu schieben; er versuchte nicht, die Schärfe des kreisenden Schwertes abzuwenden und sich die Rückkehr zu dem Baum des Lebens zu erzwingen, und er maßte sich nicht an, ein Opfer ohne Blut darzubringen und die Frucht einer verfluchten Erde dem Herrn anzubieten. Er betrat den realen Boden eines Sünders und stellte als solcher den Tod eines Schlachtopfers zwischen sich und seine Sünden, und zwischen seine Sünden und die Heiligkeit eines die Sünde hassenden Gottes“ (Mackintosh, ib., S.52).

In Kain und Abel werden uns die zwei Gruppen vorgeschattet, in die die Menschheit zerfällt: die eine, die das blutige Opfer Jesu am Kreuz ablehnt oder durch eigene Religiosität ersetzt und auf ewig in die Hölle geht, und die andere, die die Stellvertretung Jesu und seines Opfertodes am Kreuz annimmt und für immer in den Himmel kommt. Gerett werden oder verloren gehen entscheidet sich allein an Jesus Christus! Alles andere sind Nebenschauplätze.

 

Ein zeitgenössisches Beispiel eigener frommer Wege

 

Wie schrecklich sich zum Beispiel die evangelische Landeskirche an diesem Punkt heute an Gott und an den Seelen von millionen kostbarer Menschen vergeht und am eigentlichen Zentrum vorbeischlittert, zeigt ein Schriftsatz aus dem Gustav-Adolf-Kalender aus dem Jahr 1999. Dieser Kalender wird von Evelin Höhne im Auftrag des Gustav-Adolf-Werkes e. V., dem Diasporawerk der Evangelischen Kirche in Deutschland (GAW), Verlag des Gustav-Adolf-Werkes e. V., Pistorisstraße 6, D-04229 Leipzig herausgegeben. Wir lesen dort:

„Ein Gottesleugner starb. Drüben im Jenseits traf er zu seiner entsetzensvollen Überraschung den, dessen Spur ihm auf Erden unfindbar gewesen, den Schöpfer, den Erhalter, den Urquell alles Lebens. Da warf er sich auf sein Angesicht nieder und rief: ‚O Herr, du bist, und ich blinder Wurm habe dein Dasein verneint. Nun richte und verdamme mich!’ Aber unendlich mild und gnädig neigte sich ihm der Herr. ‚Sei getrost’, sprach er. ‚Du hast deinen Nächsten geliebt und ihn gelten lassen; du hast deine eigene Überzeugung nicht für die allein richtige gehalten und die nicht gehasst, verachtet, verleumdet, die sie nicht teilen. Ob ein armes Menschlein wie du an mich glaubt oder nicht, trübt das meines Namens Glanz? Erfülle ich darum weniger das All? - Die aber, die ohne Güte und Duldung sind, denen die Liebe fehlt und die sich doch berühmen, in meinem Dienst und zu meiner Ehre zu handeln, die freveln, die versündigen sich an meiner Majestät, sie werde ich zur Rechenschaft ziehen. Dich, du harmloser Tor, nehme ich auf in mein Himmelreich“ (Marie von Ebner-Eschenbach, Der Gottesleugner, S.24).

Ein Gottesleugner darf also in den Himmel, weil er sich auf der Erde so brav benommen hat und so harmlos war! Tue Recht und scheue niemand, wird hier als Allheilmittel angeboten. Welch eine groteske Lüge und Verführung! Welch eine schändliche Lästerung des heiligen Gottes, und das von einer Kirche, die sich evangelisch nennt, dabei aber das Evangelium unseres Herrn Jesus Christus mit Füßen tritt! Würde jener Gottesleugner gerettet, hätte Gott sich die Opfer unschuldiger Tiere während der gesamten Zeit des alten Bundes sparen können. Er hätte sich auch den grauenvollen Tod seines eigenen Sohnes am Kreuz ersparen können.

 

Ein Aufruf gegen Abgrenzung und Argwohn?

 

Sind wir in unserem Urteil zu hart? Hartmut Bärend, der Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft Missionarischer Dienste in der EKD, fordert auf einem Kongress im Geistlichen Rüstzentrum Krelingen (Walsrode) eine „Kultur achtungsvoller Kritik“ ein. So meint er, die Gläubigen sollten aufhören, von „toten Pastoren“ und „toten Gemeinden“ zu reden (Idea Spektrum Nr.48/2000, S.8. Evang. Nachrichtenagentur, Postfach 1820, 35528 Wetzlar). Dass wir als Menschen achtungsvoll miteinander umgehen sollen, sollte eigentlich selbstverständlich sein, aber ist es denn nicht wahr, dass die überwiegende Mehrheit der evangelischen Pastoren nicht wiedergeboren ist? Handelt es sich bei ihnen etwa nicht um „tote Pastoren“? Trifft das Gleiche nicht auch auf eine Vielzahl von evangelischen Kirchengemeinden zu? Ist die offizielle evangelische Religion heute geistlich etwa lebendig?

Noch immer herrscht auf allen evangelischen Lehrstühlen Deutschlands uneingeschränkt die unbiblische historisch-kritische Methode der Bibelauslegung. Noch immer ist diese sogenannte moderne Theologie das Handwerkszeug der Theologiestudenten und Pfarrer. Noch immer darf die feministische Theologie, die Theologie der Befreiung und andere Theologien gelehrt werden. Noch immer werden homosexuelle Praktiken für gut geheißen. Noch immer wird Abtreibung in bestimmten Fällen befürwortet. Noch immer betreibt man Ökumene mit der römisch-katholischen Institution. Noch immer lässt man Frauen entgegen den Weisungen des Neuen Testaments zum Ältesten- und Pastorendienst zu. Noch immer dürfen gottlose Theolgieprofessoren wie z. B. Professor Lüdemann, die die Wunder Jesu, seine Auferstehung, Himmelfahrt und leibliche Wiederkunft leugnen, Theologie unterrichten. Und neuerdings erwägt man sogar, ein Scheidungsritual für Scheidungwillige einzuführen.

Was bringen alle diese unbiblischen Dinge und kirchlichen Publikationen wie die angeführte aus dem Gustav-Adolf-Kalender hervor? Lebendige Pastoren? Lebendige Gemeinden? Sollen wir denn solche Greuel nicht mehr beim Namen nennen dürfen und die Menschen fortan in eine trügerische Sicherheit wiegen, die sie am Ende in die ewige Verdammnis führt? Eine geistliche Beurteilung, nicht Verurteilung, und das Ziehen längst fälliger Konsequenzen ist heute nötiger denn je! Dazu gehört in erster Linie eine konsequente Trennung von Unbiblichem und ein Verlassen des falschen, schwankenden Fundaments und Boots menschlicher Meinungen und Lehren (vgl. 2. Korinther 6, 14-7, 1)! Dazu gehört auch das Bauen allein auf dem Fundament der Heiligen Schrift (vgl. Matthäus 7, 24-27; 1. Korinther3, 11-15) und die Gründung bibeltreuer Gemeinden!

c) Der Opferkult des Alten Bundes

 

Während der ganzen Zeit des Alten Testaments wurden blutige Opfer dargebracht, um die Sünden der Menschen zu bedecken. Der gesamte Opferkult verlangte aber nach einem vollkommenen Opfer. Fehlerhafte und kranke Tiere erkannte Gott nicht an. So spricht Gott davon, dass Israel ihm als Sündopfer fehlerlose Tiere darbringen soll. Wir lesen in 3.Mose 4, 1-3.22-23.27-28: „Der Herr sprach zu Mose: Sag zu den Israeliten: Wenn einer ohne Vorsatz gegen eines der Gebote des Herrn sündigt und etwas Verbotenes tut, dann soll er, wenn es ein gesalbter Priester ist, der sündigt und dadurch Schuld auf das Volk lädt, dem Herrn für die von ihm begangene Sünde einen fehlerlosen Jungstier darbringen... Angenommen, ein Sippenoberhaupt sündigt, tut ohne Vorsatz etwas, was der Herr, sein Gott, verboten hat, und wird dadurch schuldig, oder man teilt ihm eine Verfehlung mit, die er begangen hat, so soll er als seine Opfergabe einen fehlerlosen Ziegenbock bringen... Wenn jemand aus dem Volk ohne Vorsatz sündigt und schuldig wird, weil er etwas vom Herrn Verbotenes getan hat, oder man teilt ihm eine Verfehlung mit, die er begangen hat, so bringe er als seine Opfergabe für seine Sünde, die er begangen hat, eine fehlerlose Ziege.“

Obwohl diese Opfertiere fehlerfrei sein mussten, waren die Opfer nicht vollkommen. Sie nahmen die Sünden auch nicht weg, sondern deckten sie nur zu. Immer und immer wieder musste für Sünden geopfert werden. Wirkliche Vergebung konnte nur ein vollkommenes Opfer erwirken. Da es auf dieser Erde aber nichts Vollkommenes gibt, dachte Gott sich etwas anderes aus. Er wollte sich selbst als Opfer darbringen. So groß war seine Liebe, und deshalb sandte er seinen Sohn Jesus Christus in die Welt. Jesus war der einzig Makellose, der Einzige, der sündlos war. Sein Opfer war vollkommen. Wir lesen davon in Hebräer 9, 11-14: „Christus aber ist gekommen als Hoherpriester der künftigen Güter; und durch das erhabenere und vollkommenere Zelt, das nicht von Menschenhand gemacht, das heißt nicht von dieser Welt ist, ist er ein für allemal in das Heiligtum hineingegangen, nicht mit dem Blut von Böcken und jungen Stieren, sondern mit seinem eigenen Blut, und so hat er eine ewige Erlösung bewirkt. Denn wenn schon das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer Kuh die Unreinen, die damit besprengt werden, so heiligt, dass sie leiblich rein werden, wieviel mehr wird das Blut Christi, der sich selbst kraft ewigen Geistes Gott als makelloses Opfer dargebracht hat, unser Gewissen von toten Werken reinigen, damit wir dem lebendigen Gott dienen.“

Jesu Opfer war vollkommen und abschließend! Begreifen wir jetzt, warum er gekreuzigt werden musste? Erkennen wir, dass es keinen anderen Weg zur Rettung gibt?

 

2. Was musste Jesus bei seiner Kreuzigung alles durchmachen?

 

Das ganze Geschehen von der Verhaftung bis zum Tod war wohl das Schrecklichste, was ein Mensch durchmachen kann. Wir werden das Leiden Jesu wohl nie voll ausloten und verstehen können. Als die Soldaten Jesus in der Nacht im Garten Getsemane festgenommen hatten, begann sein eigentlicher Leidensweg. Die stundenlangen Verhöre zermürbten schon seine Kraft. Und so wurde er hin- und hergeschoben, im wahrsten Sinne des Wortes ging es vom Pontius zum Pilatus. Erst musste sich der Herr vor dem Hohenpriester Kaiphas verantworten, dann vor dem gesamten Hohen Rat. Schlussendlich führte man ihn vor den römischen Prokurator Pilatus, dessen Genehmigung man zur Hinrichtung bedurfte. Und obwohl Pilatus wusste, dass Jesus unschuldig war, übergab er ihn in die Hände der Henker. In Johannes 19, 1 heißt es schlicht und einfach: „Darauf ließ Pilatus Jesus geißeln.“

 

a) Die Geißelung

 

So kurz dieser Satz auch ist, so aussagekräftig ist er! An was denken wir, wenn wir das Wort „geißeln“ hören? Vielleicht denken Sie jetzt an Ihre Jugendzeit zurück, als Ihre Eltern noch Landwirtschaft betrieben. Damals kannte man auch Geißeln. Das war ein Stil, an dem ein Lederriemen befestigt war, mit dem die Kühe und Pferde eins auf's Fell bekamen, wenn sie nicht so spurten, wie sie sollten. Mit einer solchen Geißel konnte man aber auch einen Menschen schlagen. Deshalb war sie auch bei den Kindern sehr gefürchtet. Wenn man sie zu spüren bekam, war das eine schmerzhafte Angelegenheit.

Unsere Geißeln sind aber noch harmlos, vergleicht man sie einmal mit denen zur Zeit Jesu. Die Geißeln zur Zeit Jesu bestanden nämlich aus einem Büschel von Lederriemen, an deren Enden spitze Stahlstücke oder scharfe Knochensplitter angebracht waren. Mit solch einer Peitsche wurde Jesus ausgepeitscht. Jeder Hieb riss tiefe Wunden in seinen Körper. Nach der ganzen Tortur war sein Gesicht und sein Körper so entstellt, dass man ihn nicht mehr wiedererkannte. „Er hatte keine schöne und edle Gestalt, so dass wir ihn anschauen mochten“, schreibt Jesaja in Kapitel 53, 2. „Er sah nicht so aus, dass wir Gefallen fanden an ihm... Viele haben sich über ihn entsetzt, so entstellt sah er aus, nicht mehr wie ein Mensch, seine Gestalt war nicht mehr die eines Menschen“ (Jesaja 52, 14).

Die spitzen Stahlstücke an der Peitsche rissen ganze Fleischfetzen aus seinem Körper. Aus Berichten jener Zeit wissen wir, dass man bei einem so Ausgepeitschten oftmals durch die tiefen Wunden die Knochen sehen konnte. Viele Opfer haben schon die Auspeitschung nicht überlebt. So litt das Lamm Gottes für uns, war wir verdient gehabt hätten.

 

b) Die Krönung mit Dornen

 

Kehren wir noch einmal ins 19. Kapitel des Johannesevangeliums zurück. Der biblische Text sagt in Vers 2: „Die Soldaten flochten einen Kranz aus Dornen; den setzten sie ihm auf und legten ihm einen purpurroten Mantel um.“ Das entsetzliche Leiden Jesu geht weiter. Nun kommt neben all dem Spott auch noch eine Dornenkrone. Wie tief muss die Menschenverachtung der Römer doch gegen die Juden gewesen sein, dass sie Jesus so entehrten! Was empfinden Sie, wenn Sie von Dornen hören? Denken Sie an Rosen, wie Sie sie in Ihrem Garten haben? Ja, unsere Rosen haben Dornen. Wenn die einem in die Hand geraten, schmerzen sie sehr. Und doch: Wie harmlos sind sie gegenüber den Dornen des Dornstrauchs in Israel! Unsere Dornen sind winzig klein, die in Israel drei bis fünf Zentimeter lang. So war die Dornenkrone beschaffen, die Jesus auf den Kopf gedrückt wurde. Tief müssen die Dornen in seine Kopfhaut eingedrungen sein!

 

c) Die Apostelgeschichtenoie am Kreuz

 

Dann kam das eigentliche Leid der Kreuzigung. Als man Jesus bis zur Schädelstätte hinaufgebracht hatte, zog man ihm erst einmal bis zur Entehrung aus. Dann nahmen die römischen Soldaten die bereit gehaltenen starken Nägel. Diese schlugen sie Jesus durch den Unterarm und nagelten ihn so an einen Balken. Dieser Querbalken wurde daraufhin an einem in den Boden gerammten Plock hochgezogen, der ungefähr zwei Meter hoch war. Danach wurden wohl auch seine Füße festgenagelt. Von da an setzte ein entsetzlicher Todeskampf ein, der bis zu sieben Stunden dauern konnte. Bedingt durch die unnormale Körperhaltung sackte das Blut in Jesu Körper langsam in die unteren Gliedmaßen ab. Wenn es das Herz nicht mehr erreichen würde, würde der Kreislauf zusammenbrechen und der Tod eintreten.

Bei dieser grausamen Art zu sterben blieb Jesus bis zum allerletzten Augenblick bei Besinnung. Die Existenzangst, die einem Kreislaufkollaps vorausgeht, ist vielleicht das stärkste Angstgefühl, das ein Mensch überhaupt erleiden kann. Und um diese Todesangst möglichst oft herbeizuführen, dachten sich die Römer eine sadistische „Lebenshilfe“ aus. In Sitzhöhe wurde am Kreuz ein kleines Brett angebracht. Das war aber zu schmal, als dass Jesus länger hätte darauf ausruhen können. Ein paar Augenblicke des Sitzens reichten aber schon aus, um kurz vor dem Kollaps Jesu Kreislauf wieder in Gang zu bringen. So begann der ganze Todeskampf von neuem, bis Jesus gegen 15.00 Uhr nachmittags starb mit den Worten: „Es ist vollbracht“ (Johannes 19, 30).

Das alles litt Jesus für uns! Eigentlich hätten wir das durchmachen müssen. Jeder von uns hat das Gesetz Gottes gebrochen. In Gottes Augen sind wir Verbrecher und hätten es verdient gehabt, den Verbrechertod zu sterben, aber Jesus starb ihn an unserer Statt. Er nahm Ihre und meine Stelle ein. Lasst uns deshalb dieses Gnadenangebot Gottes annehmen und Gott ewig dafür danken!

 

3. Was ist die Frucht des Todes Jesu?

 

„Erlösung für viele“ (Markus 10, 45)! So lesen wir es auch an anderen Stellen im Neuen Testament. Eine unzählbare Schar kostbarer Menschensselen ist seit der Kreuzigung zum Heil und zum lebendigen Glauben durchgedrungen. Satan ist besiegt, und Menschen werden erneuert und zum Dienst für Gott tüchtig. Betrachten wir kurz das Leben eines solchen Menschen:

Henry Martyn ist sein Name, und er stammt aus England. Martyn studierte an der Universität von Cambridge und hatte sich auf griechisch und hebräisch spezialisiert. Im Alter von 24 Jahren machte er sein Examen und ging anschließlich nach Indien. Damals schrieb man das Jahr 1806. Seine Ankunft in Kalkutta hinterließ einen tiefen Eindruck auf ihn. Die häßlichen, vergoldeten Götzen, die massiven Tempel, die Priester in ihren gelben Talaren, das Pathos der Betenden, die vom Klang des Gonges zur Verehrung der grotesken Götter gerufen wurden - das alles wollte Martyn schier erdrücken. Er berichtet von seinen Eindrücken: „Ich erschauderte, als stünde ich in der Nähe der Hölle.“

Die Veränderung, die Jesus in seinem Leben bewirkt hatte, brachte es zustande, dass Martyn in Kalkutta mit solcher Gewalt und Überzeugungskraft predigte, dass selbst die Beamten der englischen Kolonialregierung froh waren, als er sich versetzen ließ. Der unbequeme Kaplan ging nach Tatna im Inneren Indiens. Innerhalb kürzester Zeit hat er dann Urdu gelernt und in dieser Sprache gepredigt. Seine Zuhörerschaft betrug nicht selten 800 Personen, und das trotz stärkster islamischer Opposition. Aber immer noch war Martyn nicht zufrieden. Er drängte vorwärts und studierte persisch und arabisch. In der islamischen Welt wollte er das Evangelium verkündigen. Sein Dienst wurde dann aber von schweren Schicksalsschlägen heimgesucht.

Martyn hatte gehofft, eine junge Dame namens Lydia Grenfell würde einwilligen und zu ihm nach Indien kommen. Monat um Monat schrieb er ihr und bat sie inständig. Endlich kam der entscheidende Brief an. Er enthielt die Antwort: Nein! Noch am selben Tag attestierten die Ärzte Martyn, dass er an einer fortgeschrittenen Tuberkulose litt. Doch diese beiden Schicksalsschläge - verlorene Liebe und verlorene Gesundheit - spornten ihn um so mehr an. Im Gefühl dringender Eile arbeitete er an der arabischen und persischen Sprache und an der Bibelübersetzung. Am 10. Oktober 1812 hauchte er sein Leben in einem schmutzigen Stall in Tokat in der Türkei aus. Nur sechs Jahre konnte er seinem Herrn auf dem Missionsfeld dienen, und in dieser Zeit war sein Körper noch oft gepeitscht von häufigem Tropenfieber und der damals unheilbaren Tuberkulose, die seine Lungen allmählich zerfraßen. In diesen nur sechs Jahren stellte er die Übersetzung des Neuen Testaments in Urdu, Persisch und Arabisch fertig.

 

Abschließende Gedanken

 

Das alles ist eine Frucht des Todes Jesu gewesen. Erlöste Menschen, die ihrerseits ihr Leben im Dienst für Gott verzehrten! Schon der Prophet Jesaja hat im 8. Jahrhundert v. Chr. davon prophetisch vorausgesagt: „Darum will ich ihm die Vielen zur Beute geben, und er soll die Starken zum Raube haben, dafür dass er sein Leben in den Tod gegeben hat und den Übeltätern gleichgerechnet ist und er die Sünde der Vielen getragen hat und für die Übeltäter gebeten“ (Jesaja 53, 12)!

Stellen doch auch Sie Ihr Leben ganz neu in den Dienst des Herrn aller Herren! Legen Sie es ganz auf den Opferaltar Gottes! Enthalten Sie ihm keinen Lebensbereich vor! Danken Sie Gott, dass Jesus an Ihrer Stelle den Verbrechertod starb! Danken Sie Gott für seine unaussprechliche Gabe!

Und dann: Tennen Sie sich von allem Unbiblischen! Geben Sie getrost allen ungeistlichen Verbindungen, und wenn sie nach außen noch so fromm aussehen, den Laufpass! Es lohnt sich wegen der unaussprechlichen Herrlichkeit, die im Himmel auf uns wartet!