Die Nichtigkeit der irdischen Dinge
Prediger 1, 1-4
Das Predigerbuch in unserer Bibel enthält eine philosophische Abhandlung über die verschiedenen Aspekte des menschlichen Lebens. Es beschreibt sie aus der Sicht eines Menschen, der von Gott losgelöst lebt und nach festen Normen sucht. Gerade in dieser Hinsicht ist das Buch für unsere heutige Zeit von großem Wert, denn wir leben in einem Werteverfall, wie es ihn in unserer Kultur bislang noch nicht gab. Fast alles, was als richtig oder falsch angesehen wird, hat in den letzten dreißig Jahren eine Inflation in schwindelnder Höhe erlebt. Man halte sich nur einmal vor Augen, was man früher unter dem Begriff „Liebe“ verstand und was heute darunter verstanden wird. Früher sah man darin die ganzheitliche Zuwendung, Treue und Hingabe, das Stehen zu und Achten der anderen Person in guten wie in bösen Tagen, das Beachten der von Gott gesetzten Grenzen und nicht zuletzt auch das Geschlechtliche. Heute reduziert sich dieser Begriff in den Augen vieler Menschen fast nur noch auf den Sex.
Unbewusst sucht aber gerade auch der junge Mensch nach festen Normen, die seinem Leben einen Halt und ein Fundament geben. Er wächst aus den Kinderschuhen heraus und in die Welt der Erwachsenen hinein. Dies ist mitunter mit einer ernsten Identitätskrise verbunden. Fragen kommen auf, wie: Wie verhält man sich all dem Neuen gegenüber? Welchen Wert haben die verschiedenen Dinge? Wo sind die Vorbilder, nach denen man sich richten kann? Antworten auf solche Fragen können wir im Predigerbuch bekommen. Ausgehend von den ersten vier Versen des ersten Kapitels wollen wir einiges betrachten.
„Dies sind die Reden des Predigers, des Sohnes Davids, des Königs zu Jerusalem. Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, es ist alles ganz eitel. Was hat der Mensch für Gewinn von all seiner Mühe, die er hat unter der Sonne? Ein Geschlecht vergeht, das andere kommt; die Erde aber bleibt immer bestehen“ (Prediger 1, 1-4).
Wer ist der Prediger, der diese Reden gehalten hat?
In Vers 1 heißt es, dass der Prediger ein Sohn Davids und König in Jerusalem gewesen ist. Mehr sagt der Text nicht, d. h., wir können nicht mehr 100%ig sicher sagen, welcher König das Buch geschrieben hat. Und dennoch haben wir durch Vergleiche die Möglichkeit herauszufinden, welcher König es gewesen sein könnte. Unter den Auslegern der Schrift gibt es beträchtliche Meinungsverschiedenheiten, wer nun das Buch verfasst haben könnte und zu welcher Zeit es geschrieben wurde. Die Herausgeber der Einheitsübersetzung der Bibel nehmen dazu wie folgt Stellung: „Das Buch Kohelet (ein anderer Name für Prediger) wurde um die Mitte des dritten Jahrhunderts v. Chr. geschrieben. Der Verfasser, der sich selbst Kohelet nennt, ist uns nicht bekannt. Palästina gehörte damals zum Ptolemäerreich. Es war die Zeit noch vor den hellenistischen Religionsverfolgungen und vor der nationalen Erhebung der Makkabäer. Die gebildete Oberschicht von Judäa war wohlhabend und weltoffen. Man versuchte, die Tradition Israels mit der die Welt beherrschenden griechischen Bildung und Lebensform zu einer Einheit zu verschmelzen“ (Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Stuttgart, Klosterneuburg: Katholische Bibelanstalt, Deutsche Bibelstiftung, Katholisches Bibelwerk, 1980, S.716).
Hier ist man also der Auffassung, dass das Buch relativ spät geschrieben wurde, und zwar in einer Zeit, in der Palästina unter griechischer Herrschaft stand. Das damalige Herrscherhaus waren die Ptolemäer, die griechische Kultur und Sprache ins Land brachten. Diese Auffassung ist relativ neu und ist nicht mit dem Bibeltext selbst in Einklang zu bringen, da es in Vers 1 heißt, dass der Verfasser König in Jerusalem war. Zur Zeit der Ptolemäer gab es aber keinen König, der über Juda herrschte, weil andere Völker die politische Macht in ihren Händen hatten. Die Linie Davids war bereits unbedeutend und unbekannt geworden.
Merken denn unsere modernistischen Theologen nicht mehr, in welch einen Widerspruch sie sich hineinmanövrieren? Zu allem Übel geben sie Ihre „Erkenntnisse“ auch noch als gesichert aus. Sie sagen uns nicht, dass der Sachverhalt auch ganz anders gewesen sein könnte. Nein, man behauptet: So ist es und nicht anders! Wenn der erste Vers aber kein wirkliches Gotteswort ist, dann kann man den Bibeltext natürlich in die Zeit verlegen, in die man ihn unbedingt haben will. Etwas schematisiert und verallgemeinert ausgedrückt heißt es im Jargon der modernistischen Theologie dann an entsprechenden Stellen: „unecht“ oder „später hinzugefügt“ oder „von einem anderen stammend und dem König in Jerusalem in den Mund gelegt“. Für bibelgläubige Christen ist ein solches Vorgehen auf jeden Fall unannehmbar, und unser Blick muss geschärft werden, damit wir solche Häresien erkennen! Meistens werden sie sehr fromm verpackt in die Gemeinde hineingetragen, und nur ein geschultes Auge erkennt sie! Für uns gilt noch immer das gleiche Wort, das in den Tagen Ulrich Zwinglis ausgerufen wurde: „Zur Schrift! Zur Schrift!“
Aus gutem Grund suchen wir den Verfasser des Predigerbuches in einer früheren Zeit, genau so wie es die Generationen von Auslegern der Bibel vor uns auch getan haben. Früher schrieb man das Buch Prediger Salomo zu. Demnach müsste es in der Zeit zwischen 997 und 965 v. Chr. geschrieben worden sein. In dieser Zeit regierte Salomo von Jerusalem aus als König über Israel. Für diese Hypothese spricht die Tatsache, dass Salomo sehr viele andere Schriften geschrieben hat. In der Bibel haben wir von ihm außer dem Buch Prediger noch die Bücher Sprüche und Hoheslied. Es heißt auch in 1. Könige 5, 12-13: „Und er dichtete 3000 Sprüche und 1005 Lieder. Er dichtete von den Bäumen, von der Zeder an auf dem Libanon bis zum Ysop, der aus der Wand wächst. Auch dichtete er von den Tieren des Landes, von Vögeln, vom Gewürm und von Fischen.“ Aus dieser Stelle sehen wir, dass Salomos schriftstellerische Tätigkeit sehr ausgeprägt war. So lehrt auch Martin Luther, dass Salomo das Buch geschrieben hat: „Wie nun Salomo im ersten Buch lehret wider den tollen Kitzel und Fürwitz, also lehret er in diesem Buch wider die Unlust und Anfechtung geduldig und beständig sein in Gehorsam, und immerdar des Stündleins mit Frieden und Freude harren; und was er nicht halten und ändern kann, immer fahren lasse, es wird sich wohl finden“ (August Dächsel, Das Alte Testament mit in den Text eingeschalteter Auslegung. Leipzig: A. Deichert’sche Verlagsbuchhandlung Nachf., Band 3, S.542).
Auch diese Ansicht ist letztlich unbefriedigend, obwohl sie viel für sich hat. Es heißt in Prediger 1, 12: „Ich, der Prediger, war König über Israel zu Jerusalem.“ In diesem Satz wird angedeutet, dass der Verfasser König war und nicht mehr ist. Salomo hat aber ohne Unterbrechung zeitlebens als König in Jerusalem regiert. Die Ausleger der Schrift versuchen, das Problem noch auf eine andere Art und Weise zu lösen: „Des Sohnes Davids: Damit wird wohl auf Salomo angespielt. Doch behauptet der Autor nicht, dass er Salomo sei. Er legt seine Worte dem Sohn Davids in den Mund. Das entspricht der im Altertum weit verbreiteten Sitte, Bücher berühmten historischen Persönlichkeiten zuzuschreiben. Damit zeigte man die Art des Werkes oder die Literaturgattung, der es gehörte, an. Es war nicht beabsichtigt, jemanden irrezuführen, und keiner der ursprünglichen Leser hätte sich dadurch irreführen lassen. Hier wird eine ägyptische Sitte nachgeahmt, Weisheitslehren als Königslehren auszugeben. Dem König wurden diese Lehren gleichsam als Testament in den Mund gelegt“ (Donald Guthrie, J. Alec Motyer, Kommentar zur Bibel. Wuppertal, Basel: R. Brockhaus Verlag, Brunnen-Verlag, Band 2, 1981, S.693).
Auch die in dieser Auslegung vorgebrachten Argumente müssen vom Standpunkt einer der Bibel verpflichteten Theologie kritisch hinterfragt werden. Wie dem auch sei, wir müssen die Frage letztlich offen lassen, wer das Buch Prediger geschrieben hat. Eins aber können wir sicher sein, dass nämlich Gott dieses Buch eingegeben hat und dass es so, wie wir es in unserer Bibel haben, von ihm gewollt ist!
Was können wir aus der Diskussion um die Verfasserschaft des Predigerbuches lernen?
Das eine, dass wir alle Einführungen und Fußnoten in der Einheitsübersetzung mit größtem Misstrauen handhaben müssen! Da in Deutschland und der Schweiz fast uneingeschränkt die modernistische, die Bibel und den Glauben zersetzende Theologie herrscht, gilt Gleiches für alle Bibelausgaben mit Einführungen und Erklärungen, die die Deutsche Bibelgesellschaft herausgibt. Diese Bibelgesellschaft ist für ihre weitherzige und ökumenische Haltung mittlerweile bekannt.
Im Anhang zu den meisten Bibeln befindet sich eine Zeittafel. Auch diese steht oft zum biblischen Zeugnis und zur Archäologie im Widerspruch. So wird z. B. der Auszug des Volkes Israels aus Ägypten und die Landnahme statt in die Mitte des 15. Jahrhunderts v. Chr. um 1230 v. Chr. angesetzt. Zu der Zeit lag Jericho, das unter Josua eingenommen wurde (vgl. Josua 6), aber längst in Schutt und Asche, wie neuere Ausgrabungen zutage gefördert haben. Wir brauchen die Archäologie eigentlich nicht, um unsere Argumente zu gewinnen. Uns genügt das schlichte Zeugnis der Heiligen Schrift selbst: „Vierzig Jahre lang duldete er ihre Weise in der Wüste und vertilgte sieben Völker in dem Land Kanaan und teilte unter sie nach dem Los deren Land. Danach gab er ihnen Richter vierhundertfünfzig Jahre lang bis auf den Propheten Samuel“ (Apostelgeschichte 13, 18-20). Die Richterzeit bis zu Samuel gibt die Zeittafel der 84er Lutherbibel von etwa 1200 bis 1012 v. Chr. an. Samuel war der letzte Richter, und jeder, der rechnen kann, kommt vom Jahr 1012 v. Chr. 450 Jahre zurückgerechnet auf das Jahr 1462 v. Chr. als das ungefähre Datum des Auszugs aus Ägypten. Damit haben wir wieder einen Beweis, wie widerbiblisch und dem unfehlbaren Wort Gottes entgegen die historisch-kritische Bibelauslegung in Wirklichkeit ist. Sie ist, um es mit den Worten des Prediger zu sagen, „eitel“ (V.2), also leer und hohl. Man braucht aber das Jahr 1230 v. Chr. als Datum des Auszugs aus Ägypten, da sonst ein wichtiger Grund wegfallen würde, den Propheten Jesaja in einen sogenannten Proto-, Deutero- und womöglich noch Dritojesaja zu zerlegen. Das heißt, die drei großen Teile des Propheten Jesaja werden verschiedenen Verfassern zugeschrieben, die Jahrhunderte auseinander gelebt haben sollen. Wäre Jesaja nur von einer Person geschrieben worden, dann würde das Buch in seinem zweiten Teil ja eine 200 Jahre vorausschauende Prophetie auf den Perserkönig Kyrus enthalten (vgl. Jesaja 44, 28; 45, 1), und was nicht sein darf, darf ja nicht sein.
Wie tief diese Art von geistlichem Gift bereits in die Reihen der Gläubigen eingedrungen ist, kann man an den im Gebrauch befindlichen Bibelleseplänen, evangelikalen Auslegungen und christlichen Abreiskalendern ohne weiteres verfolgen. Auch der gesegnete Evangelist Hans Bruns stand an diesem Punkt nicht klar, wie jedermann in der Brunsbibel bei Jesaja 40 nachlesen kann. Unbemerkt und oft unerkannt dringt geistliches Gift in den Leib Christi ein und tut langsam aber sicher sein zerstörerisches Werk. Hier müssen wir laut und deutlich den Ruf an das Volk Gottes ergehen lassen: Erwachet!!
Wie Recht hat doch L. G. Parkhurst, wenn er schreibt: „Als die Unfehlbarkeit der Bibel einmal verworfen war, begannen die Liberalen in den Großkirchen, öffentlich (und mit sehr wenig Widerstand aus den Reihen der Kirche selbst) die biblische Lehre von der Jungfrauengeburt Christi, von den Wundern Jesu, die Lehren Jesu über gewisse private moralische Fragen, die historische Auferstehung, seinen Sühnetod für die sündige Menschheit, und sein zweites Kommen, sowie andere Lehrwahrheiten in Frage zu stellen. Fast alles, was die Sekten von Gott und Jesus leugnen, haben auch die Großkirchen jahrelang verleugnet. Die Leute auf den Kirchenbänken der Großkirchen wissen nicht einmal, warum sie geistlich absterben und der Zahl nach schwinden. Die liberalen Großkirchen heute sind viel destruktiver (zersetzender, zerstörender) als jede Sekte, weil sie eine Glaubwürdigkeit besitzen, welche die Sekten nicht haben, während sie doch dieselben seelenzerstörenden Doktrinen lehren“ (zitiert in: Der Evangelist aus dem Siegerland, Nr. 17, 1993, S.8).
Was ist damit gemeint, wenn es in Vers 2 heißt, dass alles ganz eitel ist?
Nachdem der Verfasser des Predigerbuches sich vorgestellt hat als Sohn Davids und König zu Jerusalem, gibt er nun das Thema seines Buches an: „Es ist alles ganz eitel“ (V.2). Von diesem Satz aus entfaltet er in seinen 12 Kapiteln die Bereiche des menschlichen Lebens eben unter diesem Aspekt. „Den Grundgedanken des Buches bildet der nicht weniger als 25mal ausgesprochene Satz: ‚Es ist alles ganz eitel’, oder die auf die Erfahrung gegründete Behauptung von der Nichtigkeit aller menschlichen Verhältnisse, Geschicke und Bestrebungen“ (J. P. Lange, Theologisch-homiletisches Bibelwerk, Bielefeld, Leipzig: Verlag von Velhagen und Klasing, Band 12-13, 1867, S.104). Dieses Wort „eitel“ könnte man frei übersetzt auch wiedergeben mit: nichtig, unnütz, leer, zwecklos, ohne Bedeutung, vergänglich. Die Einheitsübersetzung der Bibel gibt den Vers wie folgt wider: „Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, Windhauch, Windhauch, das ist alles Windhauch.“ Menge übersetzt: „O Nichtigkeit der Nichtigkeiten. Alles ist nichtig.“ Die Gute Nachricht hat an dieser Stelle: „Völlig sinnlos ist alles, war die Erkenntnis des Philosophen, völlig sinnlos. Man kann tun, was man will, es hat alles keinen Sinn.“
Wir spüren aus diesen Worten zutiefst das Empfinden des Verfassers. Für ihn war alles sinnlos geworden. Wenn man das Buch weiter liest, sieht man, mit was er es alles versucht hat. Da ist das Geld und der Reichtum zu nennen (Prediger 2, 11; 5, 9-11;10, 19), die Philosophie (Prediger 2, 12-23; 7, 19-29), die Liebe und der Sex (Prediger 9, 9), Essen und Trinken (Prediger 8, 15), Ansehen und Bildung (Prediger 7, 5-7; 19-20), der Rausch und die Macht (Prediger 8, 1-4). Doch hat ihm all das nichts gebracht, wie man heute so schön sagt. Sind das nicht auch die Empfindungen vieler Menschen heute? Fragen sie sich nicht, was das Leben für einen Sinn hat, besonders wenn man alles ausgekostet hat? Man hat alles, was man zum Leben braucht, ja, man hat mehr als man braucht, doch mit der Zeit ödet einen alles an. Ausbildung, Schule, Beruf, Freunde, Partys, das alles „kotzt“ einen so richtig an. Der Prediger drückt es so aus: „Doch dann dachte ich nach über alle meine Taten, die, die meine Hände vollbracht hatten, und über den Besitz, für den ich mich bei diesem Tun angestrengt hatte. Das Ergebnis: Das ist alles Windhauch und Luftgespinst. Es gibt keinen Vorteil unter der Sonne“ (Prediger 2, 11 Einheitsübersetzung).
Manch einer macht in einer solchen Lebenssituation dann mit dem Leben Schluss, andere greifen zur Spritze. Was ist die Lösung des Problems? Bevor der Prediger die Antwort gibt, wirft er noch andere Fragen auf.
Was ist der Gewinn von aller Mühe des Menschen?
„Der Prediger behauptet von den Menschen, dass sie in Mühe sich abarbeiten und sagt, dass kein Gewinn nachher ihnen übrig sei. Er redet damit offenbar von sich selbst, trifft aber alle. Es ist eine allgemeine, wenn auch von den einzelnen Menschen sehr verschieden empfundene Wahrheit, dass der Mensch es auf Erden zu einem wirklich frohen Behagen nicht bringt“ (Fr. Horn, Der Prediger Salomo. Duisburg-Laar: Im Selbst-Verlag des Verfassers, Druck von Emil Hadtstein, Homberg, 1922, S.7-8). Die Frage lautet also, etwas umformuliert: Wofür arbeitet man? Wofür rackert man sich ab? Die Haltung unserer materialistischen Gesellschaft ist die, so viel wie möglich zu raffen und so reich wie möglich zu werden. Als in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts in den USA die Hippybewegung aufkam, wurde diese Haltung von den jungen Menschen zum ersten Mal seit Ende des zweiten Weltkrieges ernsthaft in Frage gestellt. Doch heute, 40 Jahre später, sind die meisten dieser Leute, die damals auf die Barrikaden gingen, selbst Familienväter und -mütter und gehen einer Arbeit nach und unterscheiden sich in nichts von der älteren Generation der damaligen Zeit. Sie möchten heute selbst ihre Ruhe haben. Fragt man sie, warum sie ihre Einstellung von damals geändert haben, bekommt man die Antwort: „Wir wollen leben und die Frucht unserer Arbeit genießen.“ Von dem Willen zur Änderung bestehender Verhältnisse ist nichts mehr zu sehen. Eine wirkliche Antwort auf die Frage, warum und wofür man arbeitet, können sie nicht geben.
In Kapitel 6, 7 gibt uns der Prediger die ausstehende Antwort: „Alles Mühen des Menschen ist für seinen Mund, aber sein Verlangen bleibt ungestillt.“ Wir arbeiten und mühen uns auf dieser Erde ab, um unseren Bauch zu füllen. Die äußeren Bedürfnisse werden gestillt, aber die inneren bleiben bestehen. Wenn das oberste Ziel des Menschen darin besteht, viel Geld zu verdienen und gut zu leben, wird diese innere Sehnsucht nach Erfüllung nie gestillt. Jesus sagt dazu: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht“ (Matthäus 4, 4). Materielle Güter müssen einmal auf dieser Erde zurück gelassen werden. Schon eine alte Volksweisheit sagt: „Das letzte Hemd hat keine Taschen.“ Deshalb brauchen wir andere Werte, die über den Tod hinausreichen. Gott bietet sie uns in Jesus Christus an: Vergebung der Sünden, ewiges Leben, Glück und Zufriedenheit, Liebe und Geborgenheit. Alles Trachten nach irdischen Gütern muss sich Gott unterordnen. Dann erst führen wir ein ausgewogenes und ausgeglichenes Leben!
Wie ist das zu verstehen: Die Erde bleibt immer bestehen?
Sagt man denn nicht, dass die Erde einmal untergeht? Zunächst heißt es in Vers 4, dass ein Geschlecht vergeht und das andere kommt. So ist der Gang der Welt. Daran kann niemand etwas ändern. Wir sind alle der Vergänglichkeit unterworfen. Dieses Vergehen ist der Grundgedanke des ersten Teiles des Verses. Im Kontrast dazu steht der zweite Teil, dass die Erde immer bestehen bleibt. Vergänglichkeit, Unvergänglichkeit; zwei Dinge, die sich entgegen sind wie Feuer und Wasser. Aber so sieht die Lage in den Augen des diesseitsbezogenen Menschen aus. Er weiß, dass er einmal sterben muss. Er weiß, dass Generationen vor ihm gestorben sind. Und trotzdem dreht sich die Erde noch weiter um ihre Achse wie eh und je. Aus dieser vordergründigen Schau des Lebens heraus sagen viele Menschen: „Es war schon immer so gewesen, es wird auch immer so bleiben!“ Doch sie irren sich! Es war nicht immer so, und es wird auch nicht immer so bleiben! Die Erde hat nicht schon immer bestanden. Sie wurde einmal von Gott geschaffen. Wann das genau war, wissen wir nicht. Sie wird auch einmal vergehen! Auch diesen Zeitpunkt kennen wir nicht genau.
Lange sagt in seinem Kommentar zu dem Ausdruck „bleibt immer bestehen“: „Dieser soll allerdings wohl nicht eine endlose Ewigkeit im strengsten Sinn sein, sondern nur eine Zukunft von ungemessener Länge bezeichnen“ (Lange, op. cit., S.127). Auch das Neue Testament lehrt, dass die Erde vergehen wird: „Es wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb; dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden verbrennen“ (2. Petrus 3, 10).
Es ergibt sich die Frage: Steht 2.Petrus 3, 10 im Widerspruch zu Prediger 1, 4? Keineswegs! Wenn der hebräische Ausdruck, den Luther mit „bleibt immer bestehen“ übersetzt hat, nicht eine endlose Zeitspanne bezeichnet, dann ist der scheinbare Widerspruch gelöst. Wenn wir in das letzte Buch der Bibel, in die Offenbarung, schauen, dann sehen wir in den beiden letzten Kapiteln, dass Gott eine neue Erde und einen neuen Himmel schaffen wird. Johannes schreibt: „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde vergingen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabfahren, bereitet wie eine geschmückte Braut ihrem Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron, die sprach: ‚Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen!’ Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott, wird mit ihnen sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: ‚Siehe, ich mache alles neu!’ Und er spricht: ‚Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss!’“ (Offenbarung 21, 1-5).
Diese hier beschriebene neue Welt wird dann allerdings wirklich in alle Ewigkeit bestehen. Es liegt in unserem Text im Predigerbuch also kein Widerspruch zu anderen Stellen der Bibel vor! Jeder von uns, auch jeder Theologe, sollte sich folgenden Grundsatz gut einprägen: Die Schrift legt sich durch die Schrift selbst aus! Einzelne Bibelstellen müssen immer in den Zusammenhang der gesamten Heiligen Schrift gestellt werden. Dann lösen sich scheinbare Widersprüche meistens von selbst in Luft auf. Sollte dann aber immer noch ein Rest von Unklarheit bleiben, dann liegt das in jedem Fall an unserer begrenzten Erkenntnis, niemals daran, dass die Bibel vielleicht Fehler enthielte! Die Ergebnisse der Theologie, Archäologie, Biologie und anderer Disziplinen müssen immer am Maßstab des unfehlbaren Wortes Gottes gemessen werden! Es darf niemals anders herum geschehen! Niemals darf das Wort Gottes mit einer der wissenschaftlichen Disziplinen angegriffen werden. Im Gegenteil! Das ewige Wort Gottes richtet alle Erzeugnisse und Errungenschaften des menschlichen Geistes. Auf diesem Gebiet liegt einer der Kapitalfehler und eine der Hauptsünden des modernen emanzipierten Menschen!
Zusammenfassung
Im Bedenken unseres Bibelabschnittes haben wir festgestellt, dass wir es mit einem Mann zu tun haben, der viele Erfahrungen in seinem Leben gesammelt hat. Wir wissen nicht genau, ob es der König Salomo selbst war oder ein anderer. Er betrachtet das Leben aus der Sicht des Menschen ohne Gott und stellt sich die Frage nach dem Sinn des Lebens. Nachdem er alles ausgekostet hat und zunächst meint, alles sei sinnlos, kommt er am Ende seines Buches doch zu einem Schluss, der alles Erlebte und Ausprobierte in die richtige Perspektive rückt. Er hat erkannt, dass er Gott nicht ausklammern kann und diesem die erste Stelle in seinem Leben einräumen muss: „Lasst uns die Hauptsumme aller Lehre hören: Fürchte Gott und halte seine Gebote; denn das gilt für alle Menschen. Denn Gott wird alle Werke vor Gericht bringen, alles, was verborgen ist, es sei gut oder böse“ (Prediger 12, 13-14).
Sind wir bereit, Gott zu fürchten und ihm in Jesus Christus die Führung über unser Leben abzutreten? Sind wir bereit, alle unsere Lebensbereiche unter seine Führung zu stellen, damit sie wirklichen Sinn und Inhalt erhalten? Wollen wir die Worte des Liederdichters beherzigen, und es ist bezeichnend, dass folgendes Lied von einer Fürstin, Eleonore von Reuß (1835-1903) stammt: „Ich bin durch die Welt gegangen, und die Welt ist schön und groß, und doch ziehet mein Verlangen mich weit von der Erde los. Ich habe die Menschen gesehen, und sie suchen spät und früh, sie schaffen, sie kommen und gehen, und ihr Leben ist Arbeit und Müh. Sie suchen, was sie nicht finden, in Liebe und Ehre und Glück, und sie kommen belastet mit Sünden und unbefriedigt zurück. Es ist eine Ruh vorhanden für das arme, müde Herz; sagt es laut in allen Landen: Hier ist gestillet der Schmerz. Es ist eine Ruh gefunden für alle, fern und nah: in des Gotteslammes Wunden, am Kreuze auf Golgatha!“