Wer schrieb den Propheten Jesaja?
Die 66 Kapitel des Propheten Jesaja werden in drei große Abschnitte eingeteilt, in die Kapitel 1 bis 39, die Kapitel 40 bis 55 und die Kapitel 56 bis 66. Die heute gängige Meinung in der modernistischen Theologie und leider nicht nur in dieser geht davon aus, dass ab Kapitel 40 ein anderer als der Prophet Jesaja geschrieben habe. Sogar der gesegnete Evangelist und Pastor Hans Bruns, der bereits beim Herrn ist, ging von dieser Voraussetzung aus, was die Einführung zu den Kapiteln 40 bis 55 in seiner Bibelübertragung belegt: „Der Inhalt der folgenden Kapitel liegt zeitlich fast zweihundert Jahre nach dem ersten Teil der prophetischen Botschaft dieses Buches. Gewiss hätte Gott dem Jesaja auch das kommende Geschehen in prophetischer Schau anvertrauen können. Doch ist es naheliegend, an einen anderen Propheten zu denken, dem Gott diese Botschaft aufgetragen hat. Es ist nicht wichtig, ob einer oder mehrere dieses Buch geschrieben haben...“ Ist das wahr?
Ziel dieses Artikels ist es, anhand ausgewählter Beispiele der Frage nachzugehen, ob es wirklich „naheliegend ist, an einen anderen Propheten zu denken“ und ob es nicht doch wichtig ist, ob „einer oder mehrere dieses Buch geschrieben haben“. Vor allem wollen wir die Bibel selbst fragen, welche Hinweise sie uns zu dieser Problematik gibt.
Deutschland, das Ursprungsland der meisten theologisch-kirchlichen Irrlehren
Von jeher war man im Judentum und auch im christlichen Raum der Auffassung, Jesaja und kein anderer habe das gesamte Buch mit seinen 66 Kapiteln geschrieben. So weit wir wissen, gab es nur ein einziges Mal eine kritische Anfrage zur Verfasserschaft, und die kam im Mittelalter von dem jüdischen Exegeten Ibn Esra. Erst mit der sogenannten Aufklärung und dem Aufkommen der modernistischen Theologie brachen die Dämme, und es ist wieder bezeichnend: Wie bei fast allen theologisch-kirchlichen Irrlehren ist Deutschland das Herkunftsland. Grob gesagt kann man feststellen: So wie Amerika das Ursprungsland fast aller neueren Sekten ist, so ist Deutschland das Ursprungsland fast aller kirchlicher Irrlehren! Die Theorie, Jesaja stamme von verschiedenen Verfassern, geht auf Eichhorn (1783) und Döderlein (1789) zurück und hat in der Zwischenzeit fast die gesamte Theologie durchdrungen und erobert.
Kyrus von Persien
Es sollte einen Gläubigen eigentlich nachdenklich stimmen: Hat es im Zuge des Aufkommens des theologischen Modernismus einschlägige neue Erkenntnisse gegeben? Haben sich alle Generationen davor geirrt? Jesaja lebte und schrieb im 8. Jahrhundert vor Christus. Ab Kapitel 40 soll nun ein anderer Prophet, der ca. 200 Jahre später, also im 6. Jahrhundert v. Chr., lebte, geschrieben haben. Die Einführung in den Propheten Jesaja in der modernistisch geprägten Einheitsübersetzung der Bibel weiß uns zu berichten: „Der Verfasser von Jesaja 40-55 ist unbekannt. Man nennt ihn Deuterojesaja (Zweiter Jesaja).“ Begründet wird diese Auffassung in der heutigen Theologie mit dem Hinweis, dass sich ab Kapitel 40 der Stil und das Vokabular des Schreibers ändern und die Zeit bzw. der Hintergrund ein ganz anderer sei. Auch gebe es theologische und inhaltliche Unterschiede.
Wir streiten das nicht ab, doch welche Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen? Gehen wir in den Bibeltext selbst und schauen uns zunächst einiges in Jesaja 44 und 45 an: „So spricht der Herr..., der zu Kyrus sagt: Mein Hirte“ (Jesaja 44, 24a.28a). „So spricht der Herr zu seinem Gesalbten, zu Kyrus, den ich bei seiner rechten Hand ergriff, dass ich Völker vor ihm unterwerfe und Königen das Schwert abgürte, damit vor ihm Türen geöffnet werden und Tore nicht verschlossen bleiben“ (Jesaja 45, 1). Erstaunlich in diesen Versen ist die Erwähnung des Persers Kyrus. Kyrus lebte rund 200 Jahre nach Jesaja und wurde im Jahre 558 v. Chr. König von Persien und ab 553 v. Chr. auch König von Medien. Zur Zeit Jesajas spielte aber Persien auf der weltpolitischen Bühne keine Rolle. Es war vielmehr die Zeit des assyrischen Weltreiches. Die Kardinalfrage, die sich stellt, ist die: Konnte Jesaja 200 Jahre im voraus wissen, dass ein Mann namens Kyrus einmal König eines mächtigen Reiches sein wird? Gibt es so etwas wie Prophetie?
Wir befinden uns jetzt im Herzstück unserer Thematik! Die modernistische Theologie geht natürlich davon aus, dass es keine Prophetie gibt. Was nicht sein darf, darf ja nicht sein, und weil Jesaja von Kyrus nichts gewusst haben konnte, kann er auch ab Kapitel 40 nicht geschrieben haben, sondern ein anonymer späterer Prophet. Diese Argumentation müssen wir auf das Entschiedenste ablehnen! Es gehört zum Wesen des ewigen Gottes, dass er Zukünftiges durch seine Boten voraussagen lässt. Es geht hier um die Ehre Gottes und um nichts anderes! Wir dürfen eine gottlose Theologie die Ehre Gottes nicht schmälern lassen. Gott lässt uns ausdrücklich sagen: „Ich habe vorzeiten verkündigt, was schon gekommen ist; aus meinem Munde ist es gekommen, und ich habe es sagen lassen. Ich tat es plötzlich, und es kam“ (Jesaja 48, 3). Nach 4. Mose 23, 19 ist Gott „nicht ein Mensch, dass er lüge“. Die Voraussetzungen der modernen Theologie stehen im krassen Gegensatz zu den Aussagen Gottes. Beide können nicht Recht haben. Da Gott nach seinem Selbstzeugnis nicht lügt, können nur die modernistischen Theologen lügen, oder, um es weniger krass zu sagen, sich irren!
Demnach kann es sich in Jesaja 44 und 45 nur um Prophetie handeln, die der echte Prophet Jesaja in der Vorausschau in die entsprechende Zeit 200 Jahre nach seiner eigenen verlegt. Eine Parallele dazu finden wir übrigens auch in der Voraussage auf den König Josia in 1. Könige 13, 2, und das bei doppeltem Zeitabstand!
Die Kreuzigung Christi
Es wird immer wieder behauptet, die Kapitel 40 bis 55 stammen aus der Zeit der babylonischen Gefangenschaft, etwa 545 v. Chr., und die Kapitel 56 bis 66 sogar aus nachexilischer Zeit, etwa 520 v. Chr. Dieser letzte Block von Kapiteln soll dann von einem weiteren Propheten stammen, „der sich durch Gottes Geist zur Verkündigung einer frohen Botschaft gesandt weiß... Man nennt ihn Tritojesaja (Dritter Jesaja)“ (vgl. die weiter oben bereits zitierte Einführung in der Einheitsübersetzung). Der Grund für diese Annahme ist die Beobachtung, dass die Ereignisse scheinbar aus der Retrospektive beschrieben werden, d. h. so, als seien sie schon geschehen. Die Zeitform, die gebraucht wird, ist häufig das Perfekt bzw. Imperfekt (Vergangenheitsform). Doch lassen wir uns nichts vormachen! Im ersten Teil des Propheten Jesaja finden wir die gleiche Erscheinung. Überhaupt ist zu sagen, dass man trotz der vielen Unterschiede in Vokabular und Stil eine ganze Reihe Übereinstimmungen im Gebrauch von Begriffen und im Stil in allen Teilen des Buches wiederfindet.
Am bekanntesten ist uns das Kapitel des leidenden Gottesknechtes, Jesaja 53. Man beachte beim Lesen die Zeitform der Verben. Wir wählen die bekanntesten Verse aus: „Führwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wurde. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der Herr warf unser aller Sünde auf ihn“ (Jesaja 53, 4-6).
Die Hauptverben stehen alle im Imperfekt (Zeitform der Vergangenheit). Das ganze Kapitel spricht von der Kreuzigung Jesu Christi, und trotzdem würde niemand behaupten, selbst Vertreter der historisch-kritischen Theologie nicht, es wäre erst nach 33 n. Chr. dem Jesajabuch hinzugefügt worden, als die Kreuzigung schon Geschichte war. Als Jesus in der Synagoge von Nazareth predigte, reichte man ihm, wie es ausdrücklich heißt, „das Buch des Propheten Jesaja“ (Lukas 4, 17). Jesus öffnete die Schriftrolle und lass die ersten beiden Verse des 61. Kapitels. Diese Begebenheit belegt eindrucksvoll, dass das Buch Jesaja auch zur Zeit Jesu ein einziges Buch war. Man reichte ihm nicht mehrere Bücher, sondern nur eins, nämlich das „des Propheten Jesaja“ und nicht etwa das des „Dritojesaja“. Wenn es nicht das Buch des Jesaja gewesen wäre, hätten wir hier in der Bibel einen Fehler oder Irrtum. Das kann aber nicht sein, denn „alle Worte Gottes sind durchläutert“ (Sprüche 30, 5) und: „Die Worte des Herrn sind lauter wie Silber, im Tiegel geschmolzen, geläutert siebenmal“ (Psalm 12, 7).
Von Fehlern oder Irrtümern in der Bibel, wie heute fälschlich oft angenommen wird, kann also in keiner Weise die Rede sein! Wer sich hier irrt, sind höchstens Menschen, auch die überhitzten Theologengehirne! Wenn nun Jesaja 53 das prophetische Perfekt als Zeitform benutzt (so nennt man diesen Schreibstil), dann gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass in den anderen Kapiteln des Buches andere Gesetzmäßigkeiten gelten. Wenn hier zukünftige Dinge beschrieben werden, als wären sie bereits geschehen, dann gilt das auch für die restlichen Teile des Jesajabuches.
Belege aus dem ersten Teil des Buches Jesaja
Eindrückliche Belege dafür finden wir auch im ersten Teil des Buches: „Siehe, eine Jungfrau ist schwanger“ (Jesaja 7, 14). War sie denn zur Zeit Jesajas schon schwanger? Natürlich nicht. Das geschah erst 800 Jahre später bei Maria. „Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben“ (Jesaja 9, 5). War das Kind denn schon geboren? Natürlich noch nicht! „... und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter“ (Jesaja 9, 5). Ruhte sie denn schon zu Jesajas Zeit auf Jesu Schulter? Dieser Teil der Prophetie wird erst bei der Wiederkunft unseres Herrn voll in Erfüllung gehen! Wir sehen: Die ganze Zuschreibung des Jesajabuches an zwei oder drei verschiedene Verfasser ist ein großer Bluff und Betrug Satans, der nur die Autorität des Wortes Gottes untergraben will!
In unseren Zusammenhang passt auch die folgende Beobachtung von Manfred Wirth: „Der selbstherrliche Mensch will nicht das eine Wort Gottes. Er will nicht den einen Herrn Jesus Christus. Er lehnt den Schöpfungs- und Heilsmittler Gottes ab. Auch die religiös Frommen wollen nichts mit ihm zu tun haben. Am schlimmsten sind die, die sich christlich nennen, aber das Christsein verfälschen und im alten, sündigen, adamitischen Leben geblieben sind. In den von ihnen vertretenen selbstherrlichen Weltanschauungen und nachchristlichen Theologien haben sie in großen Mengen antichristlichen Zündstoff gesammelt“ (Der Evangelist aus dem Siegerland, Nr.20/1993, S.5-6. Evangelischer Gemeinschaftsverband Siegerland und Nachbargebiete e. V., Postfach 210134, 57025 Siegen).
Das Zeugnis des Neuen Testaments
a) Johannes 12, 37-41
Fragen wir uns als nächstes: Was sagt das Neue Testament zur Verfasserschaft Jesajas? Sagt es überhaupt etwas dazu? Führwahr: allerhand! Eine eindrucksvolle Belegstelle, die eindeutig die Einheit des Jesajabuches lehrt, finden wir in Johannes 12, 37-41. Wegen der Wichtigkeit wollen wir diesen Abschnitt ganz zitieren: „Und obwohl er solche Zeichen vor ihren Augen tat, glaubten sie doch nicht an ihn, damit erfüllt werde der Spruch des Propheten Jesaja, den er sagte: ‚Herr, wer glaubt unserm Predigen? Und wem ist der Arm des Herrn offenbart?’ Darum konnten sie nicht glauben, denn Jesaja hat wiederum gesagt: ‚Er hat ihre Augen verblendet und ihr Herz verstockt, damit sie nicht etwa mit den Augen sehen und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren, und ich ihnen helfe.’ Das hat Jesaja gesagt, weil er seine Herrlichkeit sah und redete von ihm.“
„Der Spruch des Propheten Jesaja, den er (Jesaja) sagte“ (V.38), stammt aus Jesaja 53, 1, also aus dem zweiten Teil des Jesajabuches, von dem angeblichen Deuterojesaja. Und was „Jesaja wiederum gesagt hat“ (V.39), stammt aus Jesaja 6, 9-10, also aus dem ersten Teil und damit vom echten Jesaja. Das Neue Testament kennt eindeutig keine zwei Jesajas, sondern nur einen. Wer sind wir Menschen da, dass wir uns erdreisten zu behaupten, es wäre nicht so, wie es uns Gott mitgeteilt hat? Wollen wir ihn denn ins Angesicht lästern und sein Wort verwerfen?
b) Römer 10, 16.20-21
Ein weiteres wichtiges Beispiel stammt aus der Feder keines Geringeren als des großen Apostels Paulus. Wir lesen in Römer 10, 16.20-21: „Aber nicht alle sind dem Evangelium gehorsam. Denn Jesaja spricht: ‚Herr, wer glaubt unserm Predigen?’... Jesaja aber wagt zu sagen: ‚Ich ließ mich finden von denen, die mich nicht suchten, und erschien denen, die nicht nach mir fragten.’ Zu Israel aber spricht er: ‚Den ganzen Tag habe ich meine Hände ausgestreckt nach dem Volk, das sich nichts sagen lässt und widerspricht.’“ Das erste, was Jesaja und kein anderer spricht (V.16), stammt wie im vorhergehenden Beispiel aus Jesaja 53, 1. Was Jesaja dann zu sagen wagt (V.20) und was er zu Israel spricht (V.21), ist ein Zitat aus Jesaja 65, 1-2. Es stammt also aus dem dritten Teil des Buches, den die historisch-kritische Theologie dem imaginären Dritojesaja zuschreibt.
Wir sehen also: Im Neuen Testament werden Zitate aus allen drei Teilen des Jesajabuches angeführt, und als ihr Verfasser wird eindeutig ein einziger Mann genannt: der Prophet Jesaja! Doch bis auf den heutigen Tag trifft auch die Klage Gottes in dem eben zitierten Vers auf die modernistischen Theologen zu: „Den ganzen Tag habe ich meine Hände ausgestreckt nach dem Volk, das sich nichts sagen lässt und widerspricht“ (Römer 10, 21, zit. nach Jesaja 65, 2). Bis heute wollen sie dem Wort Gottes nicht glauben und belächeln uns als die hinterwäldlerischen und ungebildeten Pietisten, die es eben nicht besser wissen. Im schlimmsten Fall verschreien sie uns als Fundamentalisten, weil wir der Heiligen Schrift glauben, oder als Engstirnige, mit denen man nicht reden kann. Das wäre ja weiterhin nicht so schlimm, wenn die Sache nicht so ernst wäre!
Die meisten dieser Theologen sind nicht wiedergeboren, und auf sie und ihre Theologien trifft zu, was Paulus in Römer 1, 22 sagt: „Da sie sich für Weise hielten, sind sie zu Narren geworden.“ Nur: Sie sehen ihre Narrheit nicht! Sie halten sich aufgrund ihrer Bildung und ihres Studiums noch für besonders klug. Wegen ihrer Verblendung wird ihnen ihre Narrheit erst aufgehen, wenn sie vor dem Richterstuhl Christi stehen. Und dann wird es für sie zu spät sein! Dann gibt es kein Zurück mehr! Dann wartet nur noch das ewige Gericht der Hölle auf sie! Deshalb gilt es, jetzt einzulenken und sich von Christus die Augen öffnen zu lassen! Jetzt gilt es, sich zu bekehren und sich von falschen, auch theologischen, Wegen abzuwenden und auf den schmalen Weg der Nachfolge Jesu zurückzukehren! Jetzt gilt es, am urchristlichen Glauben festzuhalten!
Wo führt der Weg der modernistischen Theologie hin?
Man kann sich nicht damit herausreden, dass man sagt: Die Schreiber des Neuen Testaments waren Kinder ihrer Zeit und wussten halt nicht, dass das Buch Jesaja von mehreren Verfassern stammt. Deshalb schrieben sie alle Zitate einem Jesaja zu. Wer so denkt, übersieht, dass wir es bei der Heiligen Schrift mit dem fehlerfreien, unfehlbaren, von Gottes Geist inspirierten Wort Gottes zu tun haben. Würde das stimmen, was die modernistische Theologie lehrt, dann hätten wir im Neuen Testament Fehler und Irrtümer. Wir haben aber weiter oben schon nachgewiesen, dass Gott nicht lügen kann und dass sein Wort gereinigt und siebenmal geläutert ist und deshalb keine Fehler haben kann.
Wir müssen uns also entscheiden, wem wir glauben wollen: entweder der Bibel oder einer falschen Theologie. Beides zusammen geht nicht! Nebenbei noch bemerkt: In den Manuskripten vom Toten Meer, die aus der Zeit von vor 70 n. Chr. stammen, beginnt der zweite Teil des Jesajabuches auf der zweitletzten Zeile des Blattes, ohne dass ein Absatz gemacht wurde. Und diese Manuskripte ruhen ihrerseits wieder auf noch älteren Vorlagen, die wohl nicht anders ausgesehen haben. Von zwei oder drei verschiedenen Büchern, die miteinander kombiniert worden sind, ist nicht die leiseste Spur zu finden!
Es fing mit der Postulierung eines zweiten Jesaja an, scheinbar ganz harmlos. Dann kam ein angeblich dritter Jesaja dazu, und mittlerweile ist man den Weg bis zu Ende gegangen. Mittlerweile stammt der erste Teil angeblich auch nicht von Jesaja. Neuerdings zerfällt das ganze Buch in ein großes Mosaik. Es soll von allen möglichen Schreibern, Ergänzern, Schülern, Kommentatoren und Redaktoren zusammengetragen und gewachsen sein. Jede sogenannte Schule soll es von einer Generation zur anderen weitergegeben und bearbeitet haben.
Der Brockhaus Kommentar zur Bibel, Band 3, bemerkt auf Seite 718 zu der Theorie, dass das Buch Jesaja von mehreren Verfassern stammen soll: „Wenn man die gleichen Kriterien auf die anderen prophetischen Schriften anwendet, kann kaum ein Prophet als einziger Autor der unter seinem Namen überlieferten Schrift angesehen werden. Außerdem würde dann vorausgesetzt, dass über Jahrhunderte nicht nur eine Jesaja-‚Schule’ schöpferisch tätig war, sondern auch ähnliche Gruppen als Nachfolger anderer Propheten. Deren Freiheit, das Werk ihres Lehrers zu erweitern oder anzupassen, steht in ziemlichem Widerspruch zu der Sorgfalt, mit der man sich nicht lange danach bemühte, eben dieses Werk unverändert zu überliefern. Außerdem gibt es für die Existenz solcher ‚Schulen’ keinerlei klare Belege“ (Wuppertal: R. Brockhaus Verlag; Basel: Brunnen-Verlag 1982).
Dem schließen wir uns uneingeschränkt an! Es ist aber heute tatsächlich so: Bald keine Schrift, sowohl im Alten als auch im Neuen Testament, stammt angeblich mehr von den angegebenen Verfassern. Es wird alles zerpflückt, und die Wahrheit wird zur Lüge verkehrt! Im Licht des Festgestellten ist es um so bedauernswerter, dass die wahre Gemeinde Jesu zum Teil diese modernistischen Lügen glaubt und aus vollen Zügen von dem Gift der Schlange trinkt. Machen wir uns nichts vor: Irgendwann denken die Gläubigen, ihnen voran die Theologiestudenten, den Gedanken zu Ende. Was dann übrig bleibt, sind geistlich zerstörte Existenzen und ein Scherbenhaufen, der mit dem Glauben der ersten Christen und dem, den die Bibel lehrt, nicht mehr viel mehr gemeinsam hat. Die Bibel ist dann nicht mehr das uneingeschränkte Wort Gottes, sondern eine Sammlung von verschiedenen Traditionen, die man nicht alle ernst zu nehmen braucht.
Auch Teile der Gemeinde Jesu befinden sind durch falsche Lehre im Abfall
Vor Weihnachten 1995 wurden in der täglichen Bibellese wieder Texte aus dem zweiten Teil des Propheten Jesaja behandelt. An einem der Sonntage konnte ich es wieder aus dem Mund eines gläubigen Mannes in einer Gemeinschaft des frommen Siegerlandes hören. Behandelt wurde der Text Jesaja 40, 1-11. Der das Wort auslegende Bruder, der ansonsten sehr geschätzt wird, verkündigte den anwesenden ca. 70 Menschen, dass in dem zur Auslegung anstehenden Text ein anderer Prophet aus der babylonischen Gefangenschaft schreibt. In wie vielen anderen Gemeinden in Deutschland mag in diesen Wochen ähnliches verkündigt worden sein? In wie vielen Bibellesezetteln mögen auch solche Dinge gestanden haben? Wie viele christliche Kalender bringen ähnliche Belehrungen! So war im Wort für heute aus dem Jahre 1991, dem Kalender, den der Bund Freier Evangelischer Gemeinden, der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten) und die Evangelisch-Methodistische Kirche herausgeben, unter dem 2. Dezember zu lesen: „Im Trostbuch des Jesaja... begegnen wir auf Schritt und Tritt der Erlösungsbotschaft. Sie stammt aus der Zeit des zu Ende gehenden Exils in Babylon...“ Wie stark muss die wahre Gemeinde Jesu doch schon verführt sein, dass das alles widerspruchslos hingenommen und auch noch geglaubt wird!
Wo wir aufgrund dieser falschen modernistischen Theologie mittlerweile gelandet sind, zeigt auch die Ringvorlesung Forum Siegen. Zum Thema Toleranz referierte 1995 der Siegener Theologieprofessor Dr. Ingo Broer. Die Siegener Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 6. Dezember 1995 davon. „Soweit es Jesus anbelangt“, hieß es, „scheint es aber noch geboten zu erwähnen, dass der Weltenrichter im Letzten Gericht (Matthäus 25, 31-46) die zu Richtenden nicht danach fragt, ob sie Christen waren oder Juden oder sonst etwas. Sie werden allein nach ihrem Verhalten gegenüber ihren Nächsten beurteilt. Hier, so Broer, finde sich ein deutlicher Anknüpfungspunkt für Toleranz in der Jesus-Tradition.“
Wie hier gelogen wird und die Menschen verführt werden, treibt einem die Tränen in die Augen! Seid gut zueinander, dann kommt ihr schon alle in den Himmel, egal, ob ihr Katholiken, Hindus, Moslems, Juden, Spiritisten, New-Age-Anhänger, Annimisten, Kommunisten oder Buddhisten seid. Das ist der Tenor. Größer kann der fromme Betrug nicht mehr sein! Und die Wurzel ist die alles beherrschende, dämonisch inspirierte historisch-kritische Theologie, die gleiche Theologie, die auch die Mehr-Autoren-Theorie bezüglich des Propheten Jesaja speist. Was die Bibel über das Verloren sein und Gerettet werden lehrt, ist nicht mehr relevant. Das ist ja sowieso nur „Jesus-Tradition“, also eine unter vielen anderen Traditionen, etwa der Petrus-Tradition oder der Paulus-Tradition. Absolute Wahrheit und eine geschlossene Einheit sind die biblischen Berichte da nicht mehr.
Wir geben Prediger Martin Hafer Recht, wenn er schreibt: „Viele kritisieren die Bibel, in der sie allerlei ‚Widersprüche’ zu entdecken glauben. Gewiss begegnen uns in der Bibel manche Denkschwierigkeiten. Wir können wahrlich nicht alle Fragen beantworten. Aber muss man darum gleich von Widersprüchen reden? Jemand sagte einmal: ‚Wenn Kopf und Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, so muss das nicht unbedingt am Buch liegen’. Das ist wahr und sollte von jedem beherzigt werden. Letzten Endes rührt jede Bibelkritik, ob vorsichtig, gemäßigt oder radikal, von dem, dessen Anliegen schon immer darin bestand, Gottes Wort zu hinterfragen. Es ist der Teufel. Sein Konzept wird in 1.Mose 3 näher beschrieben: ‚Sollte Gott gesagt haben? Sollte es Gott so gesagt haben? Sollte er es so auch heute noch sagen? Sollte das, was Paulus geschrieben hat, auch heute noch so geschrieben werden können?’
In all diesen und ähnlich klingenden Fragen, die heute groß in Mode sind, wird der diabolische Einfluss offenbar. Der ‚Lügner von Anfang’, Johannes 8, 44, hasst die Wahrheit, darum versucht er auf mannigfache Weise, das ‚Wort der Wahrheit’ madig zu machen. Und viele im Bereich der Christenheit und der christlichen Theologie haben sich leider zu seinem Steigbügelhalter missbrauchen lassen. Der ganze Wust ‚historisch-kritischer Forschung ist erst herausgewachsen aus dem geistesgeschichtlichen Umbruch der Neuzeit. Sie ist... wesenhaft verbunden mit Sachkritik’ (Gerhard Ebeling).“ (Der Evangelist aus dem Siegerland Nr.20/1993, S.3-4).
Schlussbemerkung
Im Licht des Festgestellten und der wenigen ausgewählten Beispiele müssen wir die Lehre, der Prophet Jesaja stamme von verschiedenen Verfassern, entschieden verwerfen! Wir müssen damit auch dem Gläubigen Hans Bruns, der das folgenschwere theologische Gift durch seine Bibelübertragung in die Reihen der glaubenden Gemeinde gebracht hat, widersprechen. „Der Inhalt der folgenden Kapitel liegt zeitlich“, was die Abfassung betrifft, eben nicht „fast zweihundert Jahre nach dem ersten Teil der prophetischen Botschaft dieses Buches“. Es ist eben nicht „naheliegend, an einen anderen Propheten zu denken, dem Gott diese Botschaft aufgetragen hat“. Es ist eben doch „wichtig, ob einer oder mehrere dieses Buch geschrieben haben“.
Wir bitten unsere Brüder und Schwestern, selbst zu prüfen und zu urteilen und dann die nötigen Konsequenzen zu ziehen! Distanziert Euch von aller Irrlehre und bekämpft diese, so gut Ihr könnt, genau so wie es die Apostel auch getan haben! Ihr betrübt damit nicht den Heiligen Geist, sondern gebt vielmehr Gott die ihm gebührende Ehre. Reinigt Euch von den theologischen Sünden der Neuzeit! Lasst Euch nicht mit hineinziehen in den Abfall! Zieht Eueren Kopf aus der Schlinge Satans, „und der einen, die zweifeln, erbarmt euch, rettet sie, indem ihr sie aus dem Feuer reißt, der anderen aber erbarmt euch mit Furcht, indem ihr sogar das vom Fleisch befleckte Kleid hasst“ (Judas 1, 22-23 rev. Elb. Bibel).
Wir schließen mit dem Gebet: „Den stolzen Geistern wehre doch, die sich mit G’walt erheben hoch und bringen stets was Neues her, zu fälschen Deine reine Lehr. Die Sacharja und Ehr Herr Jesu Christ, nicht unser, sondern Dein ja ist, darum, so stehst Du denen bei, die sich auf Dich verlassen frei“ (nach Nikolaus Selnecker, 1530-1593).