1. Das Jahr geht still zu Ende, nun sei auch still, mein Herz! In Gottes treue Hände leg ich nun Freud' und Schmerz und was dies Jahr umschlossen, was Gott der Herr nur weiß, die Tränen, die geflossen, die Wunden brennend heiß.
2. Warum es so viel Leiden, so kurzes Glück nur gibt? Warum denn immer scheiden, wo wir so sehr geliebt? So manches Aug' gebrochen, und mancher Mund nun stumm, der erst noch hold gesprochen - du armes Herz, warum?
3. Dass nicht vergessen werde, was man so gern vergisst: dass diese arme Erde nicht unsre Heimat ist. Es hat der Herr uns allen, die wir mit Geist getauft, in Zions gold‘nen Hallen ein Heimatrecht erkauft.
4. Hier gehen wir und streuen die Tränensaat ins Feld, dort werden wir uns freuen im sel'gen Himmelszelt. Wir sehnen uns hienieden dorthin ins Vaterhaus und wissen’s: die geschieden, die ruhen dort schon aus.
5. O das ist sich‘res Gehen durch diese Erdenzeit: nur immer vorwärts sehen mit sel'ger Freudigkeit. Wird uns durch Grabeshügel der klare Blick verbaut, Herr, gib der Seele Flügel, dass sie hinüberschaut.
6. Hilf du uns durch die Zeiten und mache fest das Herz, geh selber uns zur Seiten und führ uns heimatwärts. Und ist es uns hienieden so öde, so allein, o lass in deinem Frieden uns hier schon selig sein.
Text: Eleonore Reuß, 1857 (1835-1903)
(Eleonore Fürstin Reuß, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode)
Melodie: Melchior Teschner, 1584-1635