42. Bibelkurs                                                                                                                              BK 42

 

 

                             Echte und falsche Prophetie

 

            Das Thema „Falsche und echte Prophetie“ durchzieht die ganze Bibel und auch die Geschichte der Kirche - und nimmt einen wichtigen Platz ein in der Rede Jesu über die Endzeit. Deshalb sind die damit zusammenhängenden Fragen für uns sehr aktuell.

 

I.    Kennzeichen der echten Propheten (im Alten Testament)

 

Das Wort für Prophet (nabi) im Alten Testament bedeutet zunächst einfach „Verkündiger“, erst in zweiter Linie heißt es auch „Seher, Vorhersager“. Die Norm für den Propheten im Alten Testament ist die Gestalt des Mose (5. Mose 18, 9-22).

 

1. Der echten Propheten sind von Gott berufen. Es gibt keine Vererbung wie bei den Priestern.

2.  Sie erhalten Offenbarungen von Gott. Gott spricht direkt mit ihnen. Dass Gott in Visionen zu ihnen redet, ist selten. Die Person des Propheten tritt in den Hintergrund. Wir erfahren wenig Biographisches über die Propheten.

3.  Der Prophet hat einen göttlichen Auftrag, den er weitergeben soll. Seine Botschaft ist das Wort, das ihm Gott gegeben hat. Er hat n u r das WORT, nichts Zusätzliches, um die Hörer zu überzeugen. Gott selbst steht hinter dem WORT und sorgt dafür, dass das WORT in Erfüllung geht. Der echte Prophet vertraut dem WORT voll und ganz. - Der Prophet steht dem Apostel im Neuen Testament am nächsten, - nicht dem Propheten in der Gemeinde.

 

II.  Kennzeichen der falschen Propheten (im Alten Testament)

 

Im 5. Buch Mose (= Deuteronomium), in den Kapiteln 13 und 18, und beim Propheten Jeremia (Kapitel 23 und 28) sind ausdrückliche Warnungen vor den falschen Propheten enthalten, - auch bei Hesekiel (Kap. 13 und 34). Vor allem Jeremia hatte schwerste Auseinandersetzungen mit den falschen Propheten. - Welches sind die Kennzeichen dieser falschen Propheten im Alten Testament? Sie sind auch heute noch hilfreich, Irrlehrer leichter zu erkennen.

 

1.  Sie kommen nicht im Namen Jahwes sondern in Berufung auf andere Götter oder Autoritäten. - Der echte Prophet beruft sich auf Jahwe, der sich Mose offenbarte und der beim Exodus (= Auszug aus Ägypten) Seine Macht zeigte. Der echte Prophet nimmt also Bezug auf das geschichtliche Wirken Jahwes. - Jeremia wirft den falschen Propheten vor, dass für sie Träume die Quelle ihrer Botschaften sind - und nicht das WORT Jahwes, das „wie ein Feuer ist und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt.“ (Jeremia 23)

2.  Der Lebenswandel der falschen Propheten stimmt nicht mit den Geboten Gottes überein (bei den falschen Propheten sind Ehebruch und Lüge - Jeremia 23, 14)

3.  Die falschen Propheten wissen nichts von einer Berufung durch Jahwe sondern geben auf eigene Faust ihre eigene Meinung kund. Die eigene Person des falschen Propheten tritt in den Mittelpunkt. Er betont sehr den Frieden, die Harmonie und die Toleranz, auch wenn die moralische Situation im Volk den göttlichen Normen widerspricht. Der falsche Prophet spricht nur über eine Auswahl von biblischen Themen, er redet nicht über: Heiligkeit, Sünde, Gericht.

4.  Die Verkündigung der falschen Propheten richtet sich nach dem Wunsch der Hörer. Sie beruhigen die gottlos lebenden Menschen, anstatt sie zur Umkehr zu rufen.

5.  Erst die Erfüllung der Prophetie schafft am Ende Klarheit. Vorher muss man sich entscheiden, wem man sein Vertrauen schenken will. Deshalb ist es wichtig, an bestimmten Kennzeichen falsche Prophetie zu erkennen.

                                                                     

III. Verführung in der Endzeit. (Matthäus 24)

 

Das ganze Neue Testament ist voll von Warnungen vor scheinbar christlichen Lehrern, - in der Bergpredigt, in den Apostelbriefen und vor allem in der Offenbarung des Johannes, wo der „falsche Prophet“ einen dominierenden Platz einnimmt (Offenbarung 13 und 19). Die wichtigsten Stellen sind: Matthäus 7, 15-23; Römer 16, 17-20; Philipper 3, 2-11; Kolosser 2, 8-23; 2. Timotheus 3, 1-17; Titus 1, 10-16; 2. Petrus 2, 1-22; 1. Johannes 4, 1-6; Offenbarung 13, 11-18; Offenbarung 16, 13-14; Offenbarung 19, 20; Offenbarung 20, 10.

 

1.  Verführung ist eine große Gefahr.
 

Bei der Rede Jesu über die Endzeit (Matthäus 24 und Markus 13) fällt auf, dass Jesus die Warnung vor den Verführern an die Spitze stellt. ER beginnt mit dem Satz: „Passt auf, dass euch keiner verführt! Denn viele werden in Meinem Namen kommen und sagen: Ich bin der Christus, und werden viele verführen.“ Dr. Gerhard Maier schreibt in der Auslegung: „Verführung ist für die Gemeinde Jesu gefährlicher als Verfolgung. Verfolgung eint die Gemeinde, Verführung spaltet sie. Verfolgung lässt das Echte hervortreten, Verführung das Unechte triumphieren.“ Diese falschen Christusse sind die Verführer, die sich als „Messias“, das heißt „Heilsbringer“, bezeichnen. Auch Hitler hat in einigen Reden sich als „Messias“ dargestellt und es ist nicht unbedeutend, dass er den Gruß „Heil Hitler“ einführte, der ihn im ganzen Volk als „Heilsbringer“ deklarierte. Auch Marx, Lenin und Mao wollten nichts anderes als den Menschen ein besseres Leben verheißen.

 

2.  Der Abfall in der Kirche fördert die Verführung.

 

Die Gefahr der Verführung ist in der Gemeinde auch deshalb sehr groß, weil Jesus in der Endzeit einen Verfall der Kirche prophezeit, der natürlich die Verführbarkeit fördert: „Dann werden viele abfallen und werden einander ausliefern und hassen. Und viele falsche Propheten werden auf-stehen und viele verführen. Die Liebe wird in vielen erkalten, weil sich die Gesetzlosigkeit aus-breitet.“ (Matthäus 24, 10-12) - Es werden nicht einige sondern viele falsche Propheten auftreten. Alt-bundeskanzler Helmut Schmidt schrieb 1998 in einem Buch: Ein großes Problem für die Zukunft besteht darin, dass Menschen sehr leicht verführbar sind. Je mehr die christliche Substanz in unserer Gesellschaft schwindet, desto leichter sind die Menschen anfällig für Verführer. Der große Kirchenvater Chrysostomus (um 400) sagte: „Die Ursache aller Übel im Leben des Christen und der ganzen Gemeinde ist die Unkenntnis der Heiligen Schrift.“ Deshalb werden die „falschen Propheten“ in unserer Zeit viel Erfolg haben. Jesus sagt, dass viele dieser Verführer aus der Gemeinde kommen, also sich äußerlich als Christen geben. Ihre Lehre ist nur scheinbar biblisch, darum finden sie viele Anhänger.

 

3.  Wie prüft man die Verführer?

 

Allein die Bibel ist der richtige Maßstab. Dabei gilt die Regel: weder zum WORT etwas dazutun noch davon wegnehmen. (Offenbarung 22, 18-19) Man wird entdecken, dass jede Irrlehre in einem falschen Christusverständnis wurzelt. Wer soll prüfen? Die Theologen? Nein, sondern jeder Christ soll prüfen. (Immerhin sind aus der Zunft der Theologen oft die größten Irrlehrer gekommen.) Luther sagt zu 1. Thessalonicher 5, 21: „Siehe, Christus will keine Lehre haben, es werde denn von der Gemeinde geprüft und für gut erkannt. Also ist auch hier das Urteil den Lehrern (d.h.: Bischöfen und Theologen) genommen und den Christen gegeben.“ Natürlich meint Luther hier echte Christen, die in der Heiligen Schrift zu Hause sind.

 

4.  Falsche Propheten täuschen!

 

Jesus sagt: „Die falschen Christusse und die falschen Propheten werden große Zeichen und Wunder tun, um sogar die Auserwählten zu verführen, wenn das möglich wäre.“ (Matthäus 24, 24).

Diese Verführer werden also das Volk beeindrucken durch staunenswerte religiöse und kulturelle Leistungen. Man denke nur an die gegenwärtige Lage in der Embryonenforschung, wo viele dem Motto folgen „Heilen durch Töten“, ohne beim Töten von Embryonen ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Die falschen Propheten werden in der Öffentlichkeit als die richtigen gelten. Dass die Gefahr sehr groß ist, wird an der Bemerkung Jesu deutlich: „Die Wundertaten könnten sogar die Auserwählten verführen, wenn das möglich wäre.“ Wer macht es unmöglich? Gott allein! ER gibt die Kraft und Erkenntnis, richtig zu deuten und zu entscheiden. - Das Schlimmste in der letzten Zeit sind also nicht die Katastrophen, Kriege und Verfolgungen sondern die Verführung.

Wenn Jesus von den Gefahren der Endzeit spricht, dann steht für Ihn die Verführung an erster

Stelle. Deshalb ist die biblische Unterweisung der Gemeinde sehr notwendig.

 

IV.       Aus den ersten Jahrhunderten der Christenheit kann man viel lernen.

 

Dass diese biblischen Prinzipien von der großen Macht der Verführung wahr sind, bekommt man bestätigt, wenn man die ersten Jahrhunderte der Christenheit etwas studiert. Die oft grausame Verfolgung der Christen durch die römischen Cäsaren bis zum Jahre 300 hat die Christenheit nicht zugrunde gerichtet sondern die Zahl der Christen ist in dieser Zeit sogar gewachsen. Aber als dann die ersten Krisen kamen, wurde das für die junge Christenheit existenzbedrohend.

 

1.  Die erste große Gefahr: Marcion (im 2. Jahrhundert)

 

Diese erste große Krise entstand mitten in der Verfolgungszeit. - Marcion übt eine radikale Bibel-kritik: er erkennt nur das Lukasevangelium (verstümmelt!) und nur zehn Paulusbriefe an. Er lehnt den Schöpfergott und den versöhnenden Gott ab. Er streicht Sünde, Hölle, Gnade, Gericht. Für ihn ist Religion überall zu finden. Wenn er heute lebte, würde er viele Anhänger finden, denn sei-ne Gedanken kommen modernem Denken sehr entgegen. Um 150 ist diese Lehre im ganzen Mittelmeerraum verbreitet und macht der jungen Christenheit schwer zu schaffen. Um 300 geht der Einfluss zurück.

 

2.  Die zweite große Krise: Arius ( im 4. Jahrhundert)

 

Arius sagt: Jesus kann unmöglich gottgleich sein, sonst hätte die Christenheit zwei Götter. Er betont sehr stark die menschlichen Seiten von Jesus und findet im ganzen Römerreich eine wachsende Anhängerschaft. Es droht eine Spaltung der Kirche. Über 60 Jahre lang ist ein erbittertes Ringen in der jungen Kirche. Kaiser Konstantin beruft 325 das Konzil von Nicäa im heutigen Kleinasien) ein, um Frieden in seinem Reich herzustellen. Die Lehre des Arius wird verdammt. Aber erst durch das Konzil von Konstantinopel 381 wird die Lehreinheit hergestellt. Mit diesem Konzil hat sich die biblische Lehre von Athanasius aus Alexandrien, der jahrzehntelang allein im Kampf stand, durchgesetzt: Jesus ist wahrhaftiger Gott und wahrhaftiger Mensch.

 

3.  Der 300 Jahre dauernde Streit um die Christus-Deutung (von 351 bis 681)

 

70 Jahre lang stritt man sich in der Kirche heftig, bis man sich 451 einigte auf dem Konzil von Chalcedon (bei Konstantinopel) auf die Formel: In Christus sind zwei Naturen, die menschliche und die göttliche, „unvermischt“ und „ungetrennt“. Es folgte noch eine lange Phase von 300 Jahren mühsamer dogmatischer Kämpfe um dieses Thema. Nachdem in mehreren Konzilien verschiedene Irrlehren abgewehrt wurden, einigte man sich 681, beim Beschluss von Chalcedon zu bleiben. Als der jahrhundertelange Streit beendet ist, fallen wichtige christliche Provinzen in die Hände der Araber und damit unter die Herrschaft des Halbmonds.

 

4.  Was können wir daraus lernen?

 

Das Geheimnis von Christus ist nicht dazu da, es aggressiv zu durchforschen und zu durch-leuchten. Das Wunder der Erlösung durch Christus soll uns zur Anbetung führen und uns bereit machen, dieses Evangelium auch weiterzugeben. Das beste Beispiel gibt Athanasius. Er hat die schwere Arius-Krise dadurch überwunden, dass er tief in der Heiligen Schrift verwurzelt war und Christus, der gekreuzigte und auferstandene HERR, ihm zur Mitte seines Denkens wurde. Die Schlichtheit des Glaubens an Christus, verbunden mit Gehorsam und inniger Liebe in Dankbarkeit für Jesu Opfer auf Golgatha hat die Kirche durch die Jahrhunderte mehr aufgebaut als hitzige Auseinandersetzungen, die oft die Verbindung mit der Fülle der Heiligen Schrift verloren haben. Mit schlichten Worten sagt es der Apostel Paulus: „Die Liebe Christi erkennen, das übertrifft alle Erkenntnis“ (Epheser 3, 19). Eine heilige Verbindung mit Christus und eine tiefe Gründung in der Heiligen Schrift - das gibt uns den besten Halt in den Wirren der Verführung.

 

2. Februar 2002                                                                            Pfr. Gerhard Hägel, Bobengrün