52. Bibelkurs BK 52
Gottes Größe kennen II - Gottes Weisheit
Die meisten Christen denken, wenn sie von Gott hören, zunächst an den Allmächtigen, der unendlich große Kraft besitzt. Die Schöpfung Gottes und die Wunder Jesu sind Beweise dafür. Aber die Weisheit Gottes gehört ebenso zu den elementaren Kennzeichen der Größe Gottes wie die Macht Gottes. Im Buch Daniel wird das sehr deutlich. Nebukadnezar, der Beherrscher des Weltreichs Babylon, hatte einen Traum. Er forderte von seinen Weisen, Zeichendeutern und auch von Daniel und seinen drei Freunden, dass sie ihm den Traum sagen sollten, der ihm entfallen war. Falls das nicht gelingen sollte, sollten alle, auch Daniel und seine Getreuen, hingerichtet wer-den. Das war natürlich ein unmögliches Verlangen. Was tat Daniel? Er betete mit seinen Gefährten wegen dieses Geheimnisses, um einen Massenmord zu verhindern. Sein Gebet wurde erhört. Gott hat ihm die Sache des Königs offenbart. Daniel dankt und lobt Gott dafür in einem Gebet, das so beginnt: „Gelobt sei der Name Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit, denn IHM gehören Weisheit und Stärke.“ (Daniel 2) - Als Paulus das Geheimnis Gottes im Blick auf Seinen Plan für die Zukunft Israels in drei Kapiteln im Römerbrief behandelt, schließt er mit den Worten: „O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes. Wie unbegreiflich sind Seine Gerichte und unerforschlich Seine Wege!“ (Römer 11) Gottes Weisheit und Gottes Kraft gehören zusammen. Gott hat nicht nur die Kraft, Seine Pläne auszuführen sondern ER hat auch die Weisheit, um immer die richtigen Wege und Mittel in unserem Leben zu finden. Das übersehen wir oft, wenn in unserem Leben schwer verständliche Führungen Gottes auftauchen. Wir verstehen es oft nicht, dass auch bei unbegreiflichen Wegen „Gott sich etwas gedacht hat“ und also auch da Seine große Weisheit waltet. Es lohnt sich, hinzuhören, was die Bibel uns über die große Weisheit Gottes sagt.
I. Die große Weisheit Gottes.
James Packer, der große Theologe vom Regent-College in Vancouver, hat es klassisch definiert in seinem Bestseller „Knowing God“: „Weisheit ist die Fähigkeit, das beste und höchste Ziel zu wählen und es mit den sichersten Mitteln zu erreichen.“ Das trifft genau auf die Weisheit Gottes zu: ER will für Seine Kinder, die Gläubigen, das höchste Ziel erreichen und benützt dabei die sichersten Mittel, um dieses große Ziel auch wirklich zu erlangen. Gottes Weisheit ist immer aktiv und macht niemals einen Fehler. Leider gibt es da auch unter den Gläubigen viele Missverständnisse. Wenn die Bibel sagt, dass Gott die Liebe ist (1. Johannes 4), dann denken viele, dass Gott uns ein problemloses Leben plant und schließen daraus, dass alle Schwierigkeiten, die im Leben uns begegnen (Krankheit, Unfälle, Verlust von lieben Menschen, Ungerechtigkeit) anzeigen, dass Gottes Weisheit oder Kraft – oder auch beide – es nicht schaffen, - oder dass es Gott überhaupt nicht gibt. Wer so denkt, macht einen großen Fehler: Gottes Weisheit ist nicht verpflichtet, eine sündige Welt glücklich zu machen. Nicht einmal den Christen wird ein Leben frei von Anfechtungen versprochen, - vielmehr ist es sogar umgekehrt. Gott hat andere Ziele im Auge für unser Leben als es einfach für jeden nur leicht zu machen.
Was ist das Ziel Gottes? Als Gott den Menschen schuf, wollte ER, dass wir Gott lieben und Gott ehren und nach Seinem Willen leben. Das ist in vollkommener Weise erst in der jenseitigen Welt möglich. Auf dieser Welt arbeitet Gott ständig auf dieses Ziel hin. Seine Absicht ist es, Männer und Frauen in eine Beziehung zu Gott zu bringen, sie von der Macht der Sünde zu befreien und in ihrem Leben die Kraft der Gnade sichtbar werden zu lassen. Für diese Aufgabe hat ER Jesus Christus in unsere Welt gesandt. Die göttliche Weisheit schlug aber einen seltenen Weg ein: Gott ließ zu, dass Sein Sohn von den Menschen verachtet, geschlagen und getötet wurde – aber dann auch auferweckt wurde. Das war der von Gott schon lange festgelegte Plan. Und auf diesem Weg hat Gott Sein hohes Ziel erreicht: dass Menschen Bürger in Seinem ewigen und herrlichen Reich werden.
1. Gottes Weisheit in der Schöpfung.
Viele Naturwissenschaftler haben ihrer Bewunderung Ausdruck gegeben, dass das Universum großartig und wunderbar gestaltet ist. Ihre Aufzählung ergäbe eine lange Liste. Albert Einstein schrieb: „Die Harmonie der Naturgesetze offenbart eine so überragende Intelligenz, dass im Vergleich dazu alles systematische Denken der Menschen ganz und gar unbedeutend ist.“ Und der bekannte Raketenspezialist Wernher von Braun sagte: „Man kann sich nicht den Gesetzen und der Ordnung des Universums aussetzen, ohne zu dem Schluss zu kommen, dass hinter allem ein Plan und eine Absicht stehen muss. Wenn wir die Schöpfung genauer erforschten, würden wir auch den Schöpfer besser kennen lernen.“ Es gibt viele Bücher über die Wunder in der Natur oder beim Menschen, die uns in Erstaunen versetzen. Davon nur zwei Beispiele: Der Abstand der Erde zur Sonne (150 Mio. km) muss genau stimmen. Eine Veränderung von nur 2 % würde bedeuten , dass alles Leben auf der Erde aufhört. Noch viele andere Daten, die man zur sog. „Feinabstimmung“ des Universums zählt und die Leben auf dem Planeten Erde ermöglichen, zeigen, dass hier göttliche Weisheit gewaltet hat. – Oder der Goldregenpfeifer, - ein Vogel, der in Alaska beheimatet ist. Er gehört zu den Zugvögeln, die in der kalten Jahreszeit in den warmen Süden fliegen. Bei diesem Flug nach Süden fliegt der Goldregenpfeifer 4 500 km von Alaska nach Hawaii in 88 Stunden – drei Tage und vier Nächte ohne Unterbrechung über das offene Meer. Für diese Reise braucht er einen Kraftstoffvorrat von 70 g Fett, das ist etwa die Hälfte des normalen Körper-gewichts. Würde er nicht in V-Form fliegen, um Energie zu sparen, würde er 800 km vor dem Ziel in den Pazifik stürzen. Eine großartige und genaue Berechnung der Weisheit Gottes! Es ist so, wie es im Psalm 104, dem Schöpfungspsalm, steht: „HERR, wie sind Deine Werke so groß und viel. Du hast sie alle weise geschaffen.“ – Das erinnert uns an ein bekanntes Wort Jesu: „Die Haare auf eurem Haupt sind alle gezählt. Es fällt kein Sperling auf die Erde ohne den Willen eures Vaters“, dessen Weisheit alles durchdenkt und dessen Allmacht auch alles erreicht – bis ins Detail. (Matthäus 10) Der Weisheit Gottes unterlaufen keine Fehler!
2. Gottes Weisheit im Leben von Menschen.
Gottes Weisheit erkennt man nicht nur in der Schöpfung und im Leben Jesu sondern auch im Leben eines Menschen. Auch da ist Gott mit derselben Weisheit und Kraft am Werk. Es gibt keine bessere Illustration dafür als die biblischen Biographien, die uns helfen können, Gottes oft seltsame Wege zu verstehen.
· Abraham als Beispiel. Gott hatte einen großen Plan mit Abraham: durch ihn wollte Gott ein Volk ins Leben rufen, das den Erlöser der Welt hervorbringen sollte. Aber Abraham war alles andere als ein vollkommener Mensch. Gott wollte Abraham zum Stammvater und Vorbild für alle Gläubigen machen, aber das brauchte eine lange Zeit. Abraham hatte große Schwächen. Aber weil Abraham immer wieder Gott begegnete und er IHM gehorsam war, lernte er immer mehr dazu: er „wandelte“ mit Gott (= seine Verbindung mit Gott schlief nicht ein, war ständig in Bewegung) (1. Mose 17, 1), er wartete auf Gottes Zeitpunkt, er gehorchte Gott, er vertraute Gottes Verheißungen (vor allem bei der Opferung Isaaks – 1. Mose 22). Abraham wurde ein Mann Gottes und hatte großes Gottvertrauen, obwohl er bei seinem Tod nur 100 qm von dem Land besaß, das ihm Gott versprochen hatte. Trotz manchen Versagens und vieler Schwächen und trotz vieler Umwege brachte ihn Gott zu Seinem Ziel. Abraham gehorchte den göttlichen Weisungen und war fest überzeugt: „Gott weiß, was ER will und was ER tut. ER macht sich mehr Gedanken über unser Leben als wir selbst. Es gibt nichts Besseres als IHM zu folgen.“ Abraham hat die Lektionen Gottes gelernt.
· Jakob ist auch in dem großen Plan Gottes, aber sein Charakter hatte alles andere als positive Eigenschaften. Jakob war selbstbewusst, schlau und ein tüchtiger Geschäftsmann mit starkem Selbstvertrauen. Wie sollte aus diesem Menschen ein „Mann Gottes“ werden? Gottes Weisheit hat Mittel und Wege gefunden, um dieses Ziel zu erreichen. Jakob musste aus Angst vor seinem Bruder Esau fliehen, verbrachte 20 Jahre in der Fremde bei Laban und musste auch dort das Land wieder verlassen. Als er mit seiner Karawane seinem Bruder Esau begegnete, geriet er in große Verzweiflung, weil er sich des gestohlenen Segens erinnerte (1. Mose 28) Nun war Gottes Zeit gekommen. Esau erschien dem Jakob übermächtig. Jakob fühlte sich unfähig, das Problem zu lösen. Seine Schlauheit reichte jetzt nicht mehr aus. Er flüchtete ins Gebet. In der Nacht rang Gott mit ihm und lähmte Jakob. (1. Mose 32) Das sollte ein ewiges Gedenkzeichen für Jakob sein. Dass er sich von nun an beim Gehen täglich auf einen Stock stützen musste, das sollte ihn jeden Tag da-ran erinnern, dass er schwach ist und einen Stock braucht – und dass er Gott braucht, um sein Lebensziel zu erreichen. – Ähnlich wurde auch Petrus nach seiner Verleugnung jeden Morgen beim ersten Hahnenschrei daran erinnert, dass er versagt hatte – aber auch, dass durch Jesu Vergebung alles wieder gut geworden ist. - Darin ist eine große Weisheit für Christen, die immer wie-der Niederlagen erleiden. Major Thomas, der Gründer der Fackelträger-Bewegung, hat es fein formuliert: „Lass dich nicht so sehr beeindrucken von deiner Schwäche sondern lass dich viel mehr beeindrucken von Seiner Stärke!“ („Be not impressed by ....“) Jakob und Petrus sollten es sich jeden Tag einprägen, dass die Kraft und die Gnade Gottes viel größer sind als unsere Schwachheit. – Jakob war jetzt so weit, dass ihn Gott segnen konnte. Jakob war schwach, verzweifelt, demütig und fühlte sich ganz von Gott abhängig, - so, wie es der Prophet Jesaja beschreibt (57, 15): „Gott spricht: ICH wohne bei denen, die zerschlagenen und demütigen Geistes sind.“ Jakob wurde nicht über Nacht ein Heiliger. Es brauchte eine lange Zeit – über 20 Jahre – aber Gottes Weisheit hatte ihr Ziel erreicht.
· Joseph ist das beste Beispiel für die große Weisheit Gottes.(1. Mose 37-47) Am Schluss sagt Joseph zu seinen Brüdern: „Gott hat mich vor euch hergesandt, dass ER euer Leben erhalte durch eine große Befreiungstat. Nicht ihr habt mich hierher gesandt sondern Gott.“ (1. Mose 45 7+8) Um Jakobs Familie nach Ägypten zu bringen, wo sie zum großen Volk werden sollten, benützte Gott eigenartige Mittel. Kaum zu glauben, was Gott alles in den Lebensplan des gottesfürchtigen Joseph einarbeitet: Mordanschlag, Sklavenschicksal, Verleumdung (Potiphars Frau!), unschuldig im Gefängnis, Enttäuschung (durch den Hof-Kellner!). Wer hätte gedacht, dass Gott solche Mittel bei einem frommen Menschen verwendet? Paul Gerhardt hat es sehr treffend gedichtet: „ER weiss viel tausend Weisen, zu retten aus dem Tod ...“ Wenn wir also manchmal unbegreifliche Schicksale durchleben müssen, dann wollen wir an Joseph denken: auch rätselhafte Geschehnisse kann Gott benützen, um uns zu segnen. An Joseph sehen wir: Gott hat eine doppelte Absicht, wenn ER die Ereignisse unseres Lebens lenkt: Wir sollen durch Anfechtung innerlich reifen (man kann in jeder Schwierigkeit etwas dazu lernen!) – und: Gott benützt oft Nöte und ausweglose Situationen, um damit an Sein Ziel zu kommen.
III. Was können wir daraus lernen?
Diese Beispiele gibt uns die Bibel, damit wir daraus lernen sollen. Denn dieselbe Weisheit, die das Leben Josephs leitet, ist auch im Leben der Christen heute tätig. Wenn unerwartete und entmutigende Dinge uns zustoßen, sollten wir nicht gleich ärgerlich werden. Was bedeuten sie für uns? Gott will das erreichen, was bei uns noch nicht vorhanden ist. Vielleicht will ER bei uns weiterkommen im Blick auf unsere Geduld, unsere Ausgeglichenheit, unsere Demut. Vielleicht will ER unseren verdeckten Stolz und Eigenwillen kurieren. Vielleicht will ER einfach uns näher zu sich bringen, denn die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn gibt uns am meisten. Oder viel-leicht will ER uns vorbereiten für neue künftige Aufgaben. – Dieses Hinzulernen finden wir bei Paulus und auch bei Jesus. Paulus betrachtete seine Anfechtungen aus einer ganz anderen Perspektive als die meisten von uns. Er schreibt: „... Gott tröstet uns in allen unseren Widerwärtigkeiten, damit wir auch die trösten können, die in allerlei Trübsal sind – und zwar mit dem Trost, mit dem Gott selbst uns getröstet hat.“ (2. Korinther 1) Und von Jesus schreibt der Apostel: „Und Jesus hat, obwohl ER Gottes Sohn war, doch an dem, was ER litt, Gehorsam gelernt – und wurde so <perfekt gemacht> für den hohenpriesterlichen Dienst an Seinen schwergeprüften Nachfolgern.“ (Hebräer 5) Einerseits ist Jesus imstande, uns in allen Nöten Siege zu verleihen (Römer 8, 37!) – andrerseits dürfen wir nicht überrascht sein, wenn ER uns in schwierigen Situationen zubereitet für den Dienst an anderen. In solchen Lagen sind wir oft gekränkt, aber Gott weiß genau, was ER tut. ER handelt bei allen Ereignissen weise, ER verliert nicht die Übersicht und gibt die Zügel nicht aus der Hand. Wir sollten niemals daran zweifeln. Aber wie sollen wir uns in solchen Lagen verhalten? Zunächst sie so nehmen, wie sie Gott geschickt hat und dann einfach Gottes Angesicht suchen und mit IHM das besprechen. – Ein gutes Beispiel dafür ist Paulus mit seinem „Pfahl im Fleisch“ (2. Korinther 12). Drei Mal bat er im Gebet Christus um Wegnahme. Er bekam nur die Antwort: „Meine Gnade ist ausreichend für dich, denn Meine Kraft macht dich stark in schwachen Stunden.“ Als Paulus darüber nachdachte, entdeckte er einen Grund des göttlichen Handelns: Paulus sollte demütig bleiben (weil er außergewöhnliche Visionen erhalten hatte). Dieser Gedanke und das WORT Gottes waren für Paulus genug. Dadurch wurde er innerlich ruhig und sogar froh. – Bei Anfechtungen verfolgt Gott immer ein bestimmtes Ziel: ER will uns demütig machen (weil Demut bei Gott sehr wichtig ist!) und uns neue Gelegenheiten geben, in denen wir die Kraft Christi er-fahren. Deshalb nahm Paulus die göttliche Lösung ganz ruhig an. Denn er wusste: dahinter steckt die Weisheit Gottes.
IV. Wie können wir selbst Weisheit erlangen?
Die Bibel schreibt viel über Weisheit. Sie ist eine wertvolle göttliche Gabe. Im Alten Testament gibt es neben den geschichtlichen und prophetischen Büchern die Weisheitsliteratur. Dazu gehören die Sprüche, das Buch Hiob, der Prediger und Teile der Propheten. Diese Bücher sind die Umsetzung der Botschaft der Propheten in die Alltagswelt der Gläubigen. In den ersten neun
Kapiteln vom Buch der Sprüche ist Weisheit das Thema und wird in Kap. 8 sogar personifiziert. Im Neuen Testament ist es ähnlich. Über Christus sagt Paulus: „In Christus sind verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.“ (Kolosser 2, 3) Und der Apostel schreibt: „Wenn jemand unter euch Weisheit mangelt, so bitte er Gott, der jedermann gern gibt – und sie wird ihm gegeben werden.“ (Jakobus 1) Göttliche Weisheit ist nicht Intelligenz oder Wissen sondern sie ist eine Gabe Gottes.
Wo können wir Weisheit finden?
· Mehrmals finden wir in der Bibel den Satz: „Die Furcht des HERRN ist der Weisheit Anfang.“ (Psalm 111, 10; Sprüche 1, 7) Voraussetzung ist also, dass wir demütig und lernbereit in Ehrfurcht vor Gott hintreten (nicht besserwisserisch, nörgelnd, kritisch oder gar anklagend) und uns Seiner Heiligkeit und Souveränität gewiss sind. Nicht umsonst sagt die Schrift: „Weisheit ist bei den Demütigen“ (Sprüche 11, 2)
· Wir müssen lernen, Gottes Wort reichlich aufzunehmen, denn da ist Gottes Weisheit offen-bart. – Im Psalm 119, der in 176 Versen den Reichtum des Gotteswortes beschreibt, heißt es: „DU machst mich weiser als meine Feinde ... Ich habe mehr Einsicht als alle meine Lehrer ...Ich bin klüger als die Alten, denn ich halte mich an Deine Befehle.“ (Psalm 119, 98-100). Paulus schreibt: „Lasset das WORT reichlich unter euch wohnen ... in aller Weisheit“ (Kolosser 3) Das ist ein wichtiger Punkt, der leider zu wenig beachtet wird. Den Anglikanern in England wird seit über 400 Jahren in ihrem Gebetbuch („Common Book of Prayer“) empfohlen, pro Jahr e i n mal das Alte Testament und zwei Mal das Neue Testament durchzulesen (dazu noch die 150 Psalmen in jedem Monat). Wie weit sind wir von der Tradition unserer christlichen Vorfahren entfernt! Wenn die Bibel nur wenig gelesen wird, ist es kein Wunder, dass wenig Weisheit da ist und sehr oft Fehler gemacht werden. Missionar Christian Keysser aus dem Frankenwald (Geroldsgrün) und der Markgraf Georg von Brandenburg, unter dessen Regie die Reformation in Ansbach-Bayreuth-Kulmbach 1528 eingeführt wurde, bekannten beide, die Bibel in ihrem Leben 25 Mal durchgelesen zu haben. Wenn wir fürs Bibellesen so viel Zeit aufbrächten wie fürs Zeitunglesen – wir würden viel Weisheit für unsere kleinen und großen Entscheidungen im Alltag bekommen.
V. Das Buch Prediger – eine große Hilfe für uns.
Das Buch Prediger in der Bibel kann uns eine große Hilfe sein, die Weisheit Gottes und die Welt richtig zu verstehen. Denn es gibt viele unter den Christen, die keinen realistischen Blick für die Welt haben. Da gibt es Träumer und Phantasten, denen die biblische Perspektive fehlt. Luther hielt dieses Buch für sehr wichtig. Er meinte, man solle jeden Tag mit Sorgfalt drin lesen, damit wir wissen, wie wertlos und leer alles Irdische ist und wir uns um so mehr an den Gott der Auferstehung halten. Was will der Prediger uns sagen?
Der Autor – König Salomo – spricht als ein weiser Lehrer zu einem jungen Schüler. Er will ihm die richtige Sicht der Welt vermitteln. Seine Botschaft lautet zusammengefasst: den Lauf der Welt kann eigentlich niemand verstehen. Die Welt ist voller Rätsel. Das Böse gedeiht. Die Guten leiden. Der Tod trifft uns unvermutet. Es ist fast wie ein ewiger Kreislauf. Sehr oft kommen die zwei Sätzchen: „Es ist alles ganz eitel (= sinnlos)“ – „es ist alles ein Haschen nach Wind“, wenn man die Dinge begreifen möchte. Je mehr du die Welt zu verstehen suchst, umso weniger wird es dir gelingen. Es gibt niemand, der uns den rätselvollen Lauf der Dinge erklären kann. Die Wahrheit ist, dass Gottes lenkende Hand verborgen ist. ER möchte, dass wir in Demut und großem Gott-vertrauen unseren Weg gehen. „Gleichwie du nicht weißt, welchen Weg der Wind nimmt und wie die Gebeine im Mutterleib bereitet werden, so kannst du auch Gottes Tun nicht wissen, der alles wirkt.“ (Prediger 11, 5)
Aber was ist dann Weisheit wirklich? Der Prediger fasst es am Schluss seines Buches kurz zusammen: „.. die Hauptsumme aller Lehre: Fürchte Gott und halte Seine Gebote!“ (Prediger 12, 13)
Vertraue Gott und gehorche IHM! Die Gottesfurcht ist im ganzen Alten Testament die Bezeichnung für die religiöse Beziehung zwischen Gott und Mensch. Dahinter steckt eine große Ehrfurcht (keine Angst vor Gott!) und die feste Überzeugung: Gott lenkt alles richtig, ER macht keine Fehler, ER kann alles und ER weiß alles. Diese Gottesfurcht war das Kernstück der Frömmigkeit in Israel. Wenn in den Psalmen von den Gläubigen die Rede ist, werden sie immer bezeichnet mit der Wendung: „die den HERRN fürchten“. Ein gottesfürchtiger Hebräer hat Gott nicht kritisiert, nicht angeklagt. Die Basis dieses Gottvertrauens ist die Überzeugung, dass Gott diesen wunderbaren Kosmos geschaffen hat, dass ER Israel aus der Knechtschaft in Ägypten befreit hat und später die noch größere Erlösung von Sünde und Satan durch Christus gewirkt hat. Daraus entsteht die Gewissheit: Gott weiß, was ER tut, ER lenkt alles richtig – von Anfang an! - und mit großer Weisheit, auch wenn uns Seine Hand verborgen ist. Wir können IHM vertrauen und in IHM froh und ruhig sein, auch wenn wir Seine Spur nicht sehen. Wir brauchen nicht alles zu wissen und auch nicht alles zu verstehen. Wir sind gewiss, dass ER uns durch dick und dünn führt auf dem richtigen Weg zu einem großen Ziel.
Bei den fünf großen Festen Israels ist es durch Jahrhunderte Tradition, dass bei jedem Fest ein biblisches Buch gelesen wird (Passa ® Hoheslied; Pfingsten ® Ruth; Zerstörung Jerusalems ® Klagelieder Jeremias; Purim-Fest ® Esther). Beim Laubhüttenfest wird das Buch Prediger als Lektion verwendet. Es überrascht, dass beim fröhlichsten Fest (das an Gottes reiche Segnungen beim Zug durch die Wüste erinnerte) das Buch gelesen wird, das mit dem Satz beginnt: „Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, es ist alles ganz eitel...“ Die negativste Schriftlesung ist mit dem positivsten Fest verbunden. Wie ist das zu erklären? Der Prediger will sagen: zum Leben gehören nicht nur die Wohltaten sondern auch die Prüfungen. Unser Gott ist nicht ein Gott, der alle unsere Wünsche erfüllt und alle unsere Fragen beantwortet, sondern der uns oft auch dunkle Wegstrecken führt – und gerade da offenbart ER uns Seine Größe, - gerade da können wir viel fürs Leben lernen. Erst wer Hiobs Zweifel und Jammer innerlich miterlebt, wer die Verleugnung und die bitteren Tränen des Petrus begreift und die qualvolle Kreuzigung Jesu im Herzen versteht - erst der kennt das Geheimnis des Lebens. Der Prediger will uns vor einem naiven Optimismus bewahren. Er zeigt auf die Realität des Bösen und der Sünde – und auf den lebendigen Gott, den zu fürchten uns allein Hilfe bringt.
Gott allein ist das große JA im Buch Prediger, das viele für pessimistisch und zynisch halten. Wenn jemand in seinem Leben Gott ausklammert, dann ist „alles ganz eitel“, dann kehrt die Sinnlosigkeit und die Leere ein. Entweder Gott oder das Nichts (= das Eitle) – das ist die Devise des Predigers. Wer Gott zur Mitte seines Lebens macht, darf auch die Freuden des Lebens genießen, wovon der Prediger in kräftigen Farben spricht (essen und trinken, fröhlich sein, feiern...). Den vielen Negationen in seinem Buch setzt der Prediger die kraftvollen und positiven Zusagen Gottes gegenüber. Letzten Endes durchzieht die ganze Bibel das große JA Gottes, von der Schöpfung angefangen („...siehe, es war alles sehr gut!“) über Israels Geschichte bis hin zu Christus. Paulus fasst es zusammen in dem Satz: „Auf alle Gottesverheissungen ist in Christus das JA, darum sprechen wir auch durch IHN das Amen.“ (2. Korinther 1) Wir sagen nicht: „Es ist alles okay“ – „Das mit der Sünde ist nicht so schlimm!“ – sondern für Christen gibt es allein durch Christus eine positive Perspektive. Genau das meinte Dr. John Thießen, wenn er 1967 bei seinem ersten Besuch im Pfarrhaus in Geroldsgrün ins Gästebuch – wie immer originell - schrieb: „Das Kreuz ist das einzige Plus-Zeichen der Weltgeschichte.“ Denselben Sinn hat es, wenn wir unsere Gebete mit einem kräftigen AMEN beschließen. Das bedeutet: Was wir gebetet haben, das wird Gott beantworten. Wir dürfen fest mit Seinem Handeln rechnen.
Die ganze Botschaft des Predigers konzentriert sich auf einen Kern: „Die Furcht des HERRN ist der Weisheit Anfang.“ „Furcht des HERRN“ bedeutet: Unser Gott ist ein aktiver Gott, der eingreift und ständig am Werk ist.
Ein gutes Gegenstück dazu ist im Neuen Testament der Bericht über den Besuch der Jünger am leeren Grab. (Johannes 20) Petrus und Johannes gingen am Ostermorgen zum Felsengrab und fanden überraschenderweise ein leeres Grab. Allein von Johannes heißt es: „Er sah und glaubte.“ Was glaubte Johannes? Er glaubte: „Dies ist mir ein Zeichen, dass unser Gott arbeitet. Nicht Räuber oder Grabschänder waren am Werk sondern der lebendige Gott. (Die Grabtücher waren ordentlich zusammengelegt!) Wir wollten uns um den Leichnam Jesu kümmern. Aber ich sehe: Gott hat sich viel besser um die Sache gekümmert.“ So arbeitet die Weisheit Gottes. Sie ist längst am Werk, während wir uns noch viele Sorgen und Überlegungen machen. Johannes meinte, am Grab die Spuren von Menschenwerk zu sehen. Aber er sah Beweise von der Kraft Gottes. Ein englischer Gottesmann (Charles Williams, gest. 1945) sagte im Blick auf die Geschichte der Kirche: „Die Christen waren oft etwas zu eifrig und haben zu wenig damit gerechnet, dass ihr Gott ein Allmächtiger ist.“ Mit diesem Gedanken schließt auch der Prediger sein Buch: „Die Hauptsache ist: Fürchte Gott! Rechne mit der Kraft und der Weisheit des Allmächtigen.“ „ER sitzt im Regimente und führet alles wohl!“ – hat Paul Gerhardt gedichtet.
27. September 2003 Pfr. Gerhard Hägel, Bobengrün