69. Bibelkurs                                                                                                                            BK 69

 

   Wer ist Jesus Christus? V

                                Jesu Gebetsleben

 

 

            Jesus ist durch die Gebetserziehung der Juden gegangen. „Zur Zeit Jesu wurde im Judentum kein Stück Brot gebrochen, keine Weintraube genossen ohne Danksagung“ schreibt Friedrich Heiler, dessen Buch „Das Gebet“ (über 600 Seiten!) ein Klassiker zu diesem Thema ist. Die Tatsache, dass Jesus regelmäßig betete, war so selbstverständlich, dass sie in den Evangelien oft nicht besonders erwähnt wird. Berichtet wird von Gebeten Jesu bei außergewöhnlichen Anlässen: bei den Speisungswundern (Matthäus 14+15), beim Abendmahl (Matthäus 26), beim Abend in Emmaus (Lukas 24).

 

I. Das regelmäßige Gebet

spielt im Judentum eine große Rolle. Das täglich verwendete Gebetbuch Siddur enthält Morgen-, Nachmittags- und Abendgebete. Das längste ist das Morgengebet. Viele Kleinigkeiten des Alltags – z.B. die Morgentoilette, beim Ankleiden, beim Eintreffen einer guten oder einer schlechten Nachricht – werden mit Gebet oder einem Lobpreis verbunden. Das prägt den Lebensstil eines frommen Juden – bis zum heutigen Tag. Bei der Räumung des Gazastreifens im Sommer 2005 war Johannes Gerloff als Journalist unter den ca. 20.000 Israelis, meist jungen Leuten, dabei. Er war als Christ zutiefst beeindruckt, so berichtet er, als bei Einbruch des Abends die Rabbiner auftraten und das Abendgebet sprachen – und das die Menge laut mitbetete, die Bußgebete nicht wenige mit Tränen in den Augen (nicht alle waren orthodoxe Juden!). Der jüdische Gottesdienst ist vor allem ein Gebetsgottesdienst. Die deutsch-hebräischen Gebetbücher aus dem 19. Jahrhundert haben einen Umfang von über 3500 Seiten. Die Kirche hat das Beten beim Judentum gelernt – und Jesus ist durch diese Schule gegangen. Herzstück dieses Betens sind die Psalmen der Bibel, die auch Jesus regelmäßig, vor allem auch bei Seinem Sterben am Kreuz, gebetet hat (Psalm 22 und 31).

            Jeder Bibelleser hat schon entdeckt, dass einem in der Bibel oft die Wendung begegnet: „... und er hob seine Augen auf ...“. Auch von Jesus wird das oft berichtet (bei einer Heilung, Markus 7, 34 – bei der Speisung der 5000, Markus 6, 41 – bei der Auferweckung des Lazarus, Johannes 11, 41) Das ist ein Hinweis darauf, dass unser Gebet nicht mechanisch absolviert werden soll – sondern es braucht beim Beten die richtige Herzenseinstellung, die Loslösung vom Irdischen und die Hinwendung zum heiligen, allmächtigen Gott in der Höhe. In ähnlicher Weise sprechen die Hebräer vom „Erheben des Herzens, des Gemütes, der Stimme, des Hauptes“ zu Gott hin. Die Wendung nach oben soll verdeutlichen, dass die Verbindung zum heiligen Gott nötig ist.

            Für Jesus war das Beten kein außergewöhnliches Handeln, das man in festgesetzten Zeiten oder bei besonderen Gelegenheiten pflegt. ER führte ein Gebets l e b e n, - ein Leben, das vom Gebet durchdrungen war. Ein solches Leben hat auch Paulus gekannt, wenn er in seinen Briefen 20 mal vom „unablässigen“, „unaufhörlichen“, „beharrlichen“ Beten, „ohne Unterlass“, „Tag und Nacht“ schreibt (siehe die Stellen im Bibelkurs Nr. 35). Für Jesus, Paulus und viele andere Christen ist das die normale Haltung eines Gläubigen. Sicherlich hat der Apostel daran gedacht, wenn er in Römer 8 schreibt: „Gott hat bestimmt, dass die Christen dem Bild Christi gleich sein sollen“. - Ein Beispiel dafür aus unserer modernen, technischen Welt ist das Handy, das für viele schon etwas Alltägliches geworden ist. Wir empfinden es ganz normal, jederzeit mit irgendwelchen Menschen per Funk sprechen zu können. Im Vergleich dazu ist das Gebet noch leichter, noch schneller und vor allem viel wirkungsvoller – und ohne Gebühren! – Seit über 300 Jahren wird ein kleines Büchlein immer wieder gedruckt (inzwischen sind es schon über 20 Mio.) und viel verwendet, welches das geistliche Leben von Bruder Lorenz beschreibt (Brother Lawrence: „Practicing His presence“). Dieser Laienbruder war Koch in einem Hospital des Karmeliter-Ordens in Paris (um 1650), wo er in der Küche für eine große Schar zu kochen hatte, seine Arbeit vorbildlich tat, - aber nebenbei die freie Zeit rund um die Uhr benützte, um mit seinem himmlischen HERRN im Gespräch zu sein, Ihn zu preisen und für alle Angelegenheiten und Menschen zu beten. - Hier nur einige Kostproben aus diesem Büchlein:               Bruder Lorenz schreibt: „Unsere nutzlosen Gedanken verderben unser ganzes Denken. Da fängt die Misere an.“ – „Viele machen keine Fortschritte in ihrem Christenleben, weil sie sich zu viel mit den Problemen beschäftigen und zu wenig über die große Liebe Gottes nachdenken.“ - “Wir sollten nicht müde werden, auch kleine Dinge aus Liebe zu Gott zu tun. Denn Gott schaut nicht auf die Größe unserer Arbeit sondern auf die Liebe, mit der sie getan wird.“ – „Wenn unsere Gedanken anfangen zu wandern, dann müssen wir sie in aller Gelassenheit zu Gott zurückbringen.“ – „Vergiss den HERRN nicht bei deiner Arbeit! Denke oft an IHN! Preise IHN unentwegt! Lebe mit IHM!“ – „Meine Zeit der Arbeit unterscheidet sich nicht von meiner Gebetszeit. Bei allem Lärm und dem Geklapper in meiner Küche, wenn viele Leute ganz verschiedene Dinge haben wollen, habe ich doch eine innige Verbindung mit meinem Gott, wie wenn ich auf den Knien meine Gebetszeit habe.“

 

II. Einsames Beten

 

Jesus suchte immer wieder die Einsamkeit auf, - aus ganz verschiedenen Gründen:

·         wenn die Arbeit sehr drängte, - wenn viel Betrieb war, - wenn viele Leute kamen, dann zog ER sich zurück. „Die ganze Stadt war versammelt vor der Tür. ER half vielen Kranken und trieb viele böse Geister aus. Und am Morgen, noch vor Sonnenaufgang (in „aller Herrgottsfrühe“ – während die Jünger noch schliefen) stand ER auf und ging hinaus an eine einsame Stätte und betete dort.“ (Markus 1, 32-35) Von Martin Luther wird berichtet, dass er jeden Morgen etwa drei bis vier Stunden im Gebet verbrachte (das wissen wir von seinem Sekretär, der im Nebenzimmer schlief und Luther laut beten hörte). Er hatte die Gewohnheit, länger zu beten, wenn am Tag besonders viele Aufgaben auf ihn warteten. – Die Zeit, die wir fürs Gebet verbringen, ist keine verlorene Zeit – eher umgekehrt: durch das Gespräch mit dem allmächtigen Gott wird der Tag von Seiner unsichtbaren Hand gesteuert, - zu unserem Vorteil.

·         Vor großen Aufgaben hat Jesus besonders die Stille gesucht. „Als ER die Jünger fortgeschickt hatte, ging ER auf einen Berg, um zu beten.“ (Markus 6, 46) In der darauf folgenden Nacht hatten die Jünger eine schwere Prüfung zu bestehen, sie gerieten beinahe in Seenot. – Vor der Berufung der 12 Apostel „ging Jesus auf einen Berg, um zu beten und blieb die Nacht über im Gebet zu Gott.“ (Lukas 6, 12) – Auch die Nacht vor Seinem Tod durchwachte ER (im Garten Gethsemane). Zwar nahm ER die drei vertrautesten Jünger mit und bat sie, in der Nähe zu bleiben und mit zu wachen, - aber beim eigentlichen Gebet wollte ER dennoch allein sein.

(Markus 14, 32-42). – Vor dem Messiasbekenntnis „war Jesus allein und betete – und nur Seine Jünger waren bei Ihm.“ (Lukas 9, 18) Auf die Frage Jesu antwortete Petrus: „DU bist der Gesalbte (= der Christus) Gottes.“ Das war eine Offenbarung Gottes an Petrus, - und nicht seine eigene Erkenntnis! (Matthäus 16, 17) Als Jesus getauft worden war und betete, da tat sich der Himmel auf und der Heilige Geist fiel auf IHN“ (Lukas 3, 21) – Der ersten Leidensankündigung geht ein einsames Gebet Jesu voraus (Lukas 9, 18+22) Wir brauchen bei großen Aufgaben die Weisheit und die Führung Gottes. Deshalb ist das Gebet vorher so wichtig, damit wir unsere Arbeit richtig tun.

·         Jesus flieht in die Einsamkeit, wenn ER beten will. „ER zog sich zurück in die Wüste und betete“ (nach der Heilung eines Aussätzigen – Lukas 5, 16). Zwei Mal heißt es: „ER ging auf einen Berg, um zu beten“ (Lukas 6, 12 + Lukas 9, 28 – vor der Verklärung!). Jesus war kein Mystiker, der in der Abgeschiedenheit zur seligen Vereinigung mit Gott kommen kann. Jesus empfiehlt die Stille (deshalb sollen wir auch zum Beten „ins stille Kämmerlein“ gehen, sagt Jesus Matthäus 6, 6), damit wir durchs Gebet das Bewusstsein der Gegenwart Gottes in den Kampf des Lebens hinausnehmen. Für uns Christen ist die Einsamkeit nicht Selbstzweck (wie bei der Meditation in den östlichen Religionen) sondern die Begegnung mit dem lebendigen und heiligen Gott, der uns Sein WORT und Seine KRAFT gibt.

 

Einzelbeter in der Bibel.                                                                                                              

Es wird leicht übersehen, dass in der Bibel durch Einzelbeter oft Großes geschehen ist.

            Hier folgen die bekanntesten Beispiele:

·         Abraham betet ganz allein für Sodom und Gomorra und hätte mit seinem Gebet bewirken können, dass zwei überaus sündige Städte von dem Gericht Gottes verschont worden wären, wenn wenigstens zehn Gläubige in diesen Städten gewesen wären. – Ein einzelner Gottesmensch kann mit seinem Gebet das Schicksal einer gottlosen Stadt wenden. (1. Mose 18)

·         Jakob ringt eine Nacht im Gebet mit Gott. Dieser Gebetskampf wird zu einer Wende in seinem Leben. Er bekommt einen neuen Namen: Israel. Das wird der Name für das auserwählte Volk Gottes. (1. Mose 32)

·         Mose wendet sich zwei Mal in schicksalsschwerer Stunde im Gebet an seinen Gott, um die bereits von Gott beschlossene Vernichtung des Volkes Israel zu verhindern:

·         Hanna bittet im Gebet Gott jahrelang – unter Tränen – um einen Sohn. Nach der Geburt gibt sie ihm den Namen, der ständig an die Erhörung ihres Gebets erinnert: Samuel = „von Gott erhört“. (1. Samuel 1+2) Ihr Gebet wird später das Muster für das Gebet der Maria, als sie Gott lobte, weil sie den Sohn Gottes zur Welt bringen darf (das „Magnificat“ - Lukas 1)

·         Samuel ist – wie Mose – ein treuer Beter für sein Volk. Nach dem Versagen Sauls „schrie Samuel zum HERRN die ganze Nacht.“ (1. Samuel 15)

·         Nehemia schickte ein Stoßgebet zum Himmel – und Gott bewegte das Herz des Perserkönigs Artaxerxes, so dass er die Unterstützung des Wiederaufbaus Jerusalems zusagte. (Nehemia2)

·         Elia betet allein auf dem Berg Karmel, - gegen 450 Baalspriester - und erlebt eine großartige Erhörung: Gott schickt auf sein Gebet hin Feuer vom Himmel auf den Altar, wo das tropfnasse Opfer verbrannt wird. (1. Könige 18). Elia bestimmt 3 ½ Jahre lang das Wetter in Israel durch sein Gebet – so dass es so lange nicht regnete. (Jakobus 5, 17)

·         Der König Hiskia geht, als Jerusalem 701 v.Chr. vor der Einnahme durch die Weltmacht der Assyrer unter Sanherib stand, in seiner höchsten Not in den Tempel und betet zu „Jahwe, dem Gott Israels, dem Schöpfer des Universums und dem Herrscher über alle Königreiche auf Erden“ (Jesaja 36+37)

·         Daniel war ein großer Einzelbeter im babylonischen Weltreich. Er gestaltet durch seine Gebete die Politik des Weltherrschers Nebukadnezar und erhält von Gott im Gebet Einsicht in die Zukunftspläne Gottes für die Weltpolitik für Jahrhunderte, ja sogar bis ans Ende der Geschichte der Menschheit.

Es ist richtig, dass die Gebete von vielen Betern – oft sogar von einem ganzen Volk – Großes bei Gott bewirken, - aber wir dürfen nicht übersehen, dass auch einzelne Beter den starken Arm Gottes bewegen. Die obige Liste aus der Bibel bestätigt es. Bei Mose, Hiskia und Daniel ging es sogar um Weltmächte, deren Strategie von Gott durch das Gebet von einzelnen Gläubigen gesteuert wurde. Obwohl einige dieser großen Beter Schwächen hatten (Abraham, Mose, Elia), hat Gott doch ihre Gebete erhört, weil sie den Verheißungen Gottes und Seiner Macht großes Vertrauen schenkten.

 

III. Das Lobpreis-Gebet Jesu.

Das ist ein Gebet Jesu, das wenig beachtet wird, aber doch einen wichtigen Punkt berührt. Jesus betet: „ICH preise Dich, Vater, HERR des Himmels und der Erde, weil Du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart.“ (Matthäus 11, 25+Lukas 10, 21) Hier wird ein Thema genannt, das im Judentum größte Bedeutung hat und bei uns wenig bekannt ist – aber uns doch viel zu sagen hat. Claus Westermann, ein Experte für das Alte Testament (Prof. in Heidelberg, gest. i.J. 2000), hat in einem Buch über die Psalmen geschrieben: „Im Hebräischen gibt es keine Vokabel für <danken>. Der Gegenpol zum Bitten ist primär nicht das Danken sondern das Loben. Das Danken ist im Loben enthalten.“ Das ist auch leicht einzusehen, denn das Danken lenkt den Blick auf die erhaltenen Gaben, das Loben aber lenkt den Blick auf Gott. „Loben zieht nach oben“ heißt ein bekannter Spruch. Ich habe extra mein hebräisches Lexikon hervorgeholt und nachgeschaut: tatsächlich ist im Register unter „danken“ kein spezielles hebräisches Wort zu finden. „Danken“ findet sich an dritter Stelle beim hebräischem. Wort „jadah“, das „loben, preisen“ bedeutet. Jedes jüdische Morgen- und Abendgebet fängt an mit der Zeile: „An uns ist es, den HERRN zu preisen...“ Das ist das Thema des alltäglichen jüdischen Gebetsbuchs, des Siddur. - Selbst in den Büchern des jüdischen Nobelpreisträgers Isaak B. Singer (schrieb in Jiddisch, starb 1991) findet man an den – nicht seltenen – Stellen, wo er den Allmächtigen erwähnt, immer nach dem Gottesnamen den Einschub – „gepriesen sei Sein Name“ - . In einem jüdischen Gebetbuch heißt es in der Einleitung: „Stets trage man zuerst die Lobpreisung des Heiligen, gepriesen sei ER, vor und nachher bete man.“ Durch diesen Anfang sollen gleich zu Beginn des Betens die Proportionen richtig gesehen werden. Dieses tägliche Gebetbuch enthält fast nur Lobpreis-Gebete und nur vereinzelte Privat Bitten. Das Morgengebet beginnt z.B. so: „Gepriesen seist Du, unser Fels, unser König und unser Erlöser, der Du die heiligen Wesen erschaffen hast, gerühmt sei Dein Name immerdar, unser König, dessen Diener in Ehrfurcht laut die Worte des lebendigen Gottes und Königs der Welt vernehmen. Alle öffnen ihren Mund in Heiligkeit und Reinheit, mit Lob und Gesang, und preisen und rühmen, verherrlichen und erheben, heiligen und huldigen dem Namen Gottes, des Königs, des großen, starken und furchtbaren, - heilig ist ER...“ In dieser Gebetswelt ist auch Jesus in Nazareth aufgewachsen. Bei Seiner Geburt erschallte als erste Botschaft vom Himmel ein mächtiger Chor der himmlischen Heerscharen: „Ehre sei Gott in der Höhe!“ (lat: „Gloria in excelsis Deo!“) – Wo wir oft zwischenrein sagen „Gott sei Dank!“ sagen die Juden dafür „Gepriesen sei der HERR!“ oder „Preis dem HERRN“. – Jesus hat den Todesgang nach Golgatha erst angetreten, „als ER den Lobgesang gesprochen hatte“ (Matthäus 26, 30) – das sind die Psalmen 113 bis 118, die ER nach dem Abendmahl mit Seinen Jüngern betete. Der Lobpreis kommt am Anfang unserer Gebete meist zu kurz, fällt manchmal sogar weg. Manfred Siebald singt in einem Lied: „bei uns stehen die Bittgebete Schlange“. Das entspricht nicht der göttlichen Weisheit. Es gibt uns einen starken geistlichen Impuls und verändert unsere innere Haltung beim Beten positiv, wenn wir mit Lobpreis, mit Anbetung beginnen. Warum?

·         Es ist der Heiligkeit und Majestät Gottes angemessen, dass wir uns im Gebet zuerst auf das Wesen Gottes konzentrieren (nicht Seine Gaben, - die kommen später!), auf Seine Würde und Seine Eigenschaften: Ewigkeit, Allmacht, Ehre, Heiligkeit, Kraft, Treue, Sein Königtum, Seine Schönheit, Seine Pracht, Seine Herrlichkeit. – In der Offenbarung, in der die meisten Lobpreis-Chöre sind, heißt es meistens zu Beginn: „DU bist würdig, denn ...“ (Die 13 Anbetungshymnen in der Offenbarung: 1, 6; 4, 8-11; 5, 8-10.12-14; 7, 10-12; 11, 15-18; 12, 10f 15, 3f; 19, 3-6)

·         Dann richten wir unsere Gedanken auf das Wirken Gottes. Gott ist ein lebendiger, ständig wirkender und schaffender Gott (kein „ruhendes Wesen“), das wird vielfältig offenbar: in der Schöpfung, in der Regierung und Steuerung des Universums, in der Planung der ganzen Geschichte des Kosmos, in der Erlösung und Vollendung. – Zum Wirken des lebendigen Gottes gehören auch die zahlreichen Wundertaten Gottes. Psalm 103, 2: „Lobe den HERRN, meine Seele .. was ER dir Gutes getan hat“ – Von der Schöpfung bis zur Offenbarung hat Gott immer wieder eingegriffen im Leben von Menschen, Völkern und im Kosmos. Jesus sagt: „Mein Vater ist ständig – bis heute - am Wirken, - und ICH auch.“ (Johannes 5, 17) Wenn Jesus vor der Speisung der 5000 und vor der Auferweckung des Lazarus „aufsah zum Himmel und dankte“ (Matthäus 15+Johannes 11), dann heißt das nach jüdischer Tradition, dass ER im Gebet zuerst Seinen Vater im Himmel ehrte und pries. – Diese Gedanken stecken auch hinter den ersten Sätzen des Vaterunsers, wenn Jesus sagte: „So sollt ihr beten!“ In der ersten Hälfte des Vaterunsers geht es um die Heiligkeit des Gottesnamens, um Sein Reich und um Seinen Willen – dann erst sind unsere Bitten dran (Matthäus 6)

Lobpreis ist die eigentliche und angemessene Form des Umgangs mit Gott. Friedrich Heiler schreibt: „Anbetung ist die Steigerung des Glaubens, der Gipfelpunkt der Liebe.“ Deshalb enthält die Offenbarung so viele Lobgesänge, weil das große Ziel des Glaubens erreicht ist. Deshalb fangen Verliebte oft an, zu dichten und den anderen „in den Himmel zu heben“ und sprechen von „der Angebeteten“, weil eben Liebe in diesen Formen ihren Höhepunkt erreicht. – Wenn wir uns im Gebet Zeit nehmen zur Anbetung, dann haben wir selbst den größten Gewinn davon. Je größer vor unseren Augen der allmächtige Gott erscheint, umso kleiner werden unsere Probleme und Sorgen – und umso mehr gewinnen wir Vertrauen, dass dieser große Gott auch unsere Gebete erhören wird. – Wenn wir einen majestätischen Dom betreten, dann lassen wir alles erst auf uns wirken und staunen. Wenn wir im Gebet vor den Thron Gottes treten, dann sind wir zuerst von der Herrlichkeit und Größe Gottes fasziniert – und fangen nicht gleich mit Einzelheiten an.

            Wer die Apostelbriefe aufmerksam liest, macht eine interessante Beobachtung, die auch in diese Richtung zeigt. Elf Mal taucht bei Paulus bei gewichtigen Aussagen plötzlich ein kleiner Einschub auf, der ein Lobpreis-Gebet ist (eine „Doxologie“ sagen die Fachleute) – z.B. am Ende der drei Israel-Kapitel Römer 8-11: „O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes...“ Am häufigsten verwendet der Apostel die Worte: „...dem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. AMEN.“ – wenn er z.B. von großartigen Gebetserhörungen spricht (Epheser 3, 12) oder von der gewaltigen Macht, die Christus hat (1. Timotheus 6, 16) (Die anderen Stellen sind: Römer 16, 27; Galater 5, 1; Philipper 4, 19; 1. Timotheus 1, 16+17; 2. Timotheus 4, 18; 1. Petrus 4, 11; 1. Petrus 5, 10+11; Hebräer 13, 21). Paulus macht also bei großen göttlichen Themen eine kleine Pause und nimmt sich Zeit, über seinen großen Gott, Seine Macht und Liebe, nachzudenken. Er hat gleichsam das Gefühl, er hat eben eine so große

geistliche Wahrheit geschrieben, dass er erst einmal wieder staunen muss, wie großartig Gott alles gemacht hat – da macht sich vermutlich bei ihm seine jüdische Tradition bemerkbar, das „gepriesen sei der HERR!“ einzufügen.

 

IV. Die Fürbitte bei Jesus

Wo Liebe ist, da ist Fürbitte. Jesus, der Meister der Liebe, ist auch der Meister der Fürbitte. ER hat nicht nur vor der Apostelwahl sondern auch sonst oft in langen einsamen Nächten um seine verständnislosen und kleingläubigen Jünger gerungen. Dem führenden Apostel Petrus hat ER es einmal sogar ganz persönlich gesagt in der Stunde nach dem letzten Abendmahl: „Simon, Simon, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. ICH aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ (Lukas 22) Jesus hat nicht nur für Seine Jünger gebetet sondern auch für alle, die durch ihr Wort an IHN glauben würden, also auch für einen jeden von uns. Diese Tiefe der Fürbitte Jesu wird besonders in Johannes 17 deutlich, in dem sog. „hohepriesterlichen Gebet“ Jesu. Es ist das längste Gebet, das uns von Jesus überliefert ist. In diesem Gebet betet Jesus wenig für sich, obwohl Sein Kreuzestod bevorsteht. Drei Mal betet Jesus darin: „ICH bitte für...“ – Am Kreuz bittet ER sogar für Seine Peiniger: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lukas 23, 34)
Hermann Bezzel schrieb: „Es ist eine unumstößliche Gewissheit, dass Jesus für uns betet.“ Das bestätigen uns die Apostel: „ER lebt für immer und bittet für die, die durch IHN zu Gott kommen.“ (Hebräer 7, 25+9, 24) – Wir kennen die Macht der Fürbitte, aber wir vergessen oft, dass auch Jesus für uns betet – und das hat noch viel mehr Gewicht als alle Gebete der Gläubigen. Das ist besonders wichtig für Menschen, die sich in großer Einsamkeit und Anfechtung befinden. Dessen war sich auch Paulus gewiss, wenn er im großen Kapitel des Römerbriefs schreibt: „Christus ist zur Rechten Gottes und vertritt uns.“ (Römer 8, 34) Ein Anwalt tritt vor Gericht für seinen Mandanten ein, indem er seine ganze Beredsamkeit einsetzt, um den Richter so zu beeinflussen, dass das Beste für seinen Klienten erreicht wird. So ähnlich und noch viel besser handelt Jesus, wenn wir uns mit unseren Gebeten und Fürbitten an Ihn wenden. Das meint der Apostel, wenn er sagt, dass Christus uns am Thron Gottes vertritt. Corrie ten Boom sagte: „Wenn ich für einen Menschen in Australien bete, dann legt Jesus im selben Augenblick Seine segnenden Hände auf sein Haupt.“

V. Jesus betet allein im Garten Gethsemane. (Matthäus 26, 38-41)

Für Millionen sind die Gebetsworte im Garten Gethsemane „... doch nicht wie ich will, sondern wie Du willst“ zum Halt und Trost geworden. Luther sagt, dass wahres Beten „das allerschwerste Werk“ ist. Aber von allen Gebeten auf dieser Erde war wohl keines schwerer als dieses in der Stunde, wo die Finsternis Macht bekam. Martin Luther schreibt dazu: „Mein Vater, sprach Jesus, als wollte Er sagen: <wenn Ich auch gleich vor Schrecken und Angst todkrank bin und nichts als Gottes Zorn und den Tod vor Augen sehe, so zweifle Ich doch nicht, denn DU bist Mein Vater und hast Mich lieb und siehst auf Mich und hältst Deine Hand über Mich.>“ Jesus hat nicht stürmisch auf Sein Recht gepocht sondern begann Sein Gebet in demütiger Anbetung: „Abba, Mein Vater, alles ist Dir möglich: nimm diesen Kelch von Mir...“ (Markus 14, 36) Der Sieg war nicht sofort errungen. Dreimal hat ER kämpfen müssen, bis ER zum Opfer bereit war.

            Wir sind nicht imstande nachzuerleben, was Jesus durchgemacht hat. Unsere Not ist viel kleiner! Und trotzdem tragen wir sie oft schweigend und verbittert in uns herum, anstatt sie vertrauensvoll und demütig – wie Jesus – vor dem Vaterherzen Gottes auszusprechen. Wie oft haben wir nach dem ersten Versuch wieder nachgelassen, anstatt wirklich darum zu ringen!

            Die tiefsten Gebete kommen aus der größten Not. Seinen berühmten Predigten über das Vaterunser, die Ende des zweiten Weltkriegs im zerbombten Stuttgart gehalten wurden, hat Helmut Thielicke ein Wort von Peter Wust als Motto vorangestellt: „Die großen Dinge des Daseins werden nur betenden Geistern geschenkt. Beten lernen aber kann man am besten im Leiden.“ Peter Wust war ein christlicher Philosophieprofessor in Münster und starb 1940 mit 56 Jahren an Oberkieferkrebs. Er hielt eine Abschiedsrede an seine Studenten, bevor ihm operativ die Zunge entfernt wurde.

            Jesus hat im Garten Gethsemane allein gebetet. Drei Seiner Jünger hat ER mitgenommen. Sie waren einen Steinwurf weit von Ihm entfernt und sollten wachen und beten – aber sie schliefen. Jesus betete nie mit Seinen Jüngern zusammen. Sein Beten war anders. ER hatte ein besonderes Verhältnis zum Vater! – ER war fest überzeugt, dass man durch Bitten auf Gottes Entschlüsse einwirken kann. Das zeigt Sein Gleichnis von der bittenden Witwe (Lukas 18). ER hätte durch Sein Gebet vom Vater 12 Legionen Engel zur Unterstützung bei der Gefangennahme bekommen können – aber ER fügte sich in den Willen Seines himmlischen Vaters.

V. Jesu Beten und unser Beten.

Die Jünger haben im Laufe der Zeit gemerkt, dass das Beten Jesu doch etwas Besonderes war. Deshalb traten sie einmal an Ihn heran mit der Bitte: „HERR, lehre uns beten!“ ER nahm sie nicht in Seine eigene Gebetspraxis mit hinein sondern ER lehrte sie: „So sollt ihr beten!“ – ER selbst betete anders. Dann gab ER ihnen das Vaterunser (Matthäus 6). Mit der ersten Hälfte dieses Gebets wollte Jesus zeigen, dass wir in unseren Gebeten immer zuerst an Gott selbst denken sollen: an die Heiligung Seines Namens, an das Kommen Seines Reiches, an Seine Ehre und Seinen Willen. Am allerwenigsten wollte Jesus mit dem Vaterunser Seinen Jüngern eine „Gebetsformel“ geben. Luther nennt es darum den größten Märtyrer. Mit dem Vaterunser wollte Jesus zeigen, welche Inhalte und welche Prioritäten unsere Gebete enthalten sollen.

Die Evangelien zeigen deutlich, dass das Gebet im Mittelpunkt des Lebens Jesu stand. Für die großen geistlichen Gestalten der Kirchengeschichte war Jesus in dieser Hinsicht ein Vorbild – und ist es auch noch heute für jeden Christen. Luther sagte: „Des Christen Handwerk ist Beten.“ Der König David rühmt: „Gelobt sei der HERR täglich! Gott legt uns eine Last auf, aber ER hilft uns auch.“ (Psalm 68). „Ich will Dich loben mein Leben lang.“ (Psalm 63)

Sadhu Sundar Singh, der große indische Christuszeuge (1929 gest. mit 40 J.):

„Das ewige Leben im Himmel ist ein Leben des Gebets und der Anbetung –

und dieses Gebetsleben beginnt schon hier auf Erden.“

Martin Luther: „Wenn uns das, worum wir bitten, nicht gegeben wird, dann wird

uns etwas Besseres geschenkt, denn ein Gebet kann nicht umsonst sein.“


        Impulse aus der Bibel - für Anbetung:

 

JESUS CHRISTUS, DU BIST...                              JESUS CHRISTUS, DU BIST…

… der Anfang und das Ende                                    ... die Auferstehung

... der Anfänger und Vollender meines Glaubens     ... der starke Gott

... Gottes Sohn                                                          ... der große Hohepriester

... der Mittler zwischen mir und dem Vater               ... der Weg, - die Wahrheit, - das Leben

... das Brot des Lebens                                             ... die größte Macht in mir

... der Erlöser                                                             ... mein Freund

... der König der Könige                                            ... heilig und mächtig

... mein Hirte                                                              ... kostbarer als Gold

... meine Kraft                                                           ... Du leitest mich

... mein Friede                                                                       ... die Quelle des lebendigen Wassers

... meine Hoffnung                                                    ... der HERR der Herrlichkeit

... Groß und wunderbar sind Deine Werke,              ... die Berge zerschmelzen wie Wachs vor Dir

 gerecht und wahr sind Deine Wege             ... Kraft und Freude sind da, wo Du wohnst

 

JESUS CHRISTUS, DU BIST...                              JESUS CHRISTUS, DU BIST…

… meine Freude                                                       … der wahre Weinstock

... mein HERR                                                           ... mein Fels

... der Sieger, Du besiegtest den Tod                       ... das Bild des unsichtbaren Gottes

... der HERR der himmlischen Heerscharen                       ... der Herrscher über Mächte und Dämonen

... der Sinn meines Lebens                                       ... das Lamm Gottes, das meine Sünde trägt

... Du bist meine Speise und mein Trank                    Du bist Heilig, Heilig, Heilig

 Du schufst das All mit Deiner Macht und Weisheit  Du bist der HERR des Universums

 Dir gehört alles im Himmel und auf der Erde            Ich wurde geboren, um Dich anzubeten 

 Das Firmament verkündigt Deine Herrlichkeit          Wir werden alle mit Dir, Christus, regieren

 Du bist würdig, meinen Lobpreis zu empfangen   Alles, was Atem hat, lobe den HERRN          

 Du hast den Schlüssel des Sieges in Deiner Hand  Jesus, ich preise Dich!

 Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit! Jesus, ich bete Dich an! AMEN. AMEN


 22. Oktober 2005                                                                       Pfr. Gerhard Hägel, Bobengrün