85. Bibelkurs BK 85
(Das Buch Jona: Kap.1 - 4)
Das Lernen hat im Neuen Testament ein viel größeres Gewicht als die meisten Christen denken. Das Wort „Jünger“, das 264 mal in den Evangelien vorkommt, heißt eigentlich wörtlich:
„Lernende“. Wenn wir „Jünger“ lesen, denken wir nicht an „lernen“, weil es im deutschen Wort „Jünger“ nicht zu erkennen ist. Und doch ist das Lernen bei Jesus sehr wichtig. ER selbst sagt: „Kommt her zu Mir alle ... und lernt von Mir!“ (Matthäus 11, 28+29) Die Apostel waren drei Jahre lang jeden Tag mit Jesus zusammen – und lernten von Ihm – nicht nur von Seinem Reden sondern auch von Seinem Verhalten. ER hat sie oft korrigiert. Der große Schweizer Pädagoge Pestalozzi prägte den Grundsatz: „Worte belehren – Beispiele ziehen an“ - wie ein Magnet – sie wirken stärker! (lat. «Verba docent, exempla trahunt»). Deshalb gibt uns die Bibel so viele Beispiele von Menschen und zeigt, wie Gott mit ihnen umgegangen ist. Aus diesen Geschichten können wir viel lernen für unser eigenes Christenleben. Wer im Glauben nichts dazulernt, ist kein Jünger mehr im Sinne Jesu. Wenn der Apostel des Hebräerbriefs erklären will, was Gottvertrauen (= Glaube) wirklich bedeutet, dann beginnt er mit einer Definition und dann folgen Beispiele von 12 Gottesmenschen aus dem Alten Testament, wie sie in kritischen Situationen Gott vertrauten (Hebräer 11). Solche Beispiele können uns viel helfen, als Christen weiter zu kommen – wenn wir daraus lernen und wenn sie uns zur Korrektur unseres Lebensstils verhelfen. – So können wir von Jakob, von Hiob, von Petrus, von David, von Judas und vielen anderen – und auch von Jona lernen.
Jona nimmt eine besondere Stellung ein unter den Propheten des Alten Testaments. Jona ist der einzige Prophet, mit dem sich Jesus persönlich und mit Seiner Verkündigung vergleicht (Matthäus 12). Seine ganze Verkündigung in den 4 Kapiteln des Jona-Buches umfasst nur einen einzigen Satz: „Es sind noch 40 Tage, dann wird Ninive untergehen.“ (Jona 3, 4) Das Buch Jona berichtet uns viel mehr über die Person und das Schicksal des Propheten als über seine Botschaft – ganz im Gegensatz zu all den anderen Propheten des Alten Bundes. Jona lebte zur Zeit des erfolgreichen Königs Jerobeam II (787 – 747 v.Chr.) im Nordreich Israel und wurde 760 v.Chr. von Gott berufen. Er stammte aus dem Dorf Gath Hephel, das nicht weit von Nazareth entfernt liegt.
I. Die rätselhafte Person des Jona.
Eigenartig – ja fast fremdartig - erscheint uns auch die Person des Propheten Jona. Es werden sehr viele Schwächen und Schattenseiten von ihm berichtet – und nur ganz wenige Lichtseiten.
● Die negativen Seiten des Jona:
● Die positiven Seiten des Jona:
Wenn man beide Listen miteinander vergleicht, sieht man sofort, dass die negativen Punkte weit überwiegen. Es ist eigenartig, dass Jesus sich Jona mit seinen eindeutigen Schwächen als Vergleichsperson wählt. Als Jesus „die 3 Tage im Bauch des Fisches“ bei Jona herausgriff (Matthäus 12) und mit Seinem Sterben verglich, ließ ER sich nicht von moralischen Gesichtspunkten leiten. Das Positivste bei Jona war, dass er genau so verkündigte, wie es Gott haben wollte. Für Gott ist das sehr wichtig, dass unsere Botschaft von Jesus Christus genau die Gedanken und den Plan Gottes wiedergibt. Deshalb schließt die Heilige Schrift im letzten Kapitel der Bibel mit der ernsten Warnung: „Wer etwas hinzufügt, dem wird Gott auch die Plagen zufügen, die in der Heiligen Schrift stehen. Wer etwas wegnimmt von den Worten des Buchs, dem wird Gott seinen Anteil am Baum des Lebens wegnehmen.“ (5. Mose 4, 2 + Offenbarung 22, 18+19)
II. Es begann mit einem schweren Fehler.
Jona erhielt den göttlichen Befehl, nach Ninive (800 km nordwestlich von Israel) zu gehen. Er machte sich auf, aber „er wollte vor dem HERRN nach Tarsis (4000 km westlich, in Spanien) fliehen.“ Er geht in den Hafen von Jafo (= Joppe, heute Haifa) – und siehe da: am Kai liegt gerade ein Schiff, das genau nach Tarsis fährt (diese weite Strecke fuhren damals wenige Schiffe und nicht oft!). „Das passt ja wunderbar, das scheint eine göttliche Fügung zu sein!“ – so denkt wohl Jona; denn als der Sturm später um das Schiff tobt ist Jona der einzige von der Besatzung, der in der untersten Kabine schläft und sogar schnarcht, (so schreibt die Septuaginta!) weil er meinte, ein gutes Gewissen zu haben. Deshalb entdeckte ihn später der Kapitän. Hier wird ein Fehler gemacht, der häufig geschieht: die einzelnen Umstände fügen sich so schön zusammen und bestätigen den eigenen Plan, dass man alles für eine Fügung Gottes hält (viele reden dann von der „Vorsehung“ Gottes) – und in Wirklichkeit steckt hinter allem die List des Teufels. Es kann auch sein, dass der Satan die Schienen legt, auf denen dann unser Zug abfährt – aber in die verkehrte Richtung! Mögen die Einzelheiten noch so gut zusammen passen, die entscheidende Frage lautet immer: entspricht das alles den göttlichen Prinzipien? – stimmt es mit dem göttlichen Denken überein? – Für Jona waren die „glücklichen Umstände“ so überzeugend, dass die göttliche Anweisung „Du sollst nach Ninive!“ aus seinen Gedanken total entschwunden war. – Deshalb ist es wichtig, vor großen Entscheidungen nicht nur die Umstände zu bedenken sondern in erster Linie die göttlichen Richtlinien zu beachten.
Ein gutes Beispiel dafür finden wir bei David. Er wurde zehn Jahre lang vom König Saul verfolgt, der die feste Absicht hatte, David zu töten. Zwei Mal ergab sich „zufällig“ die seltene Gelegenheit, dass David den schlafenden Saul in einer Höhle entdeckte (1. Samuel 24+26). Sein Begleiter Abischai (der Bruder seines Generals Joab) sagte sofort: „Gott hat deinen Feind heute in deine Hand gegeben.“ und wollte auch gleich zur Tat schreiten. Aber David sagte: „Man darf nicht die Hand an den Gesalbten des HERRN legen.“ Für Abischai waren die überraschenden Umstände maßgebend, - er hielt es sogar für eine Fügung Gottes; aber für David war das göttliche Gebot „Du sollst nicht töten!“ oberster Grundsatz. Gottes Richtlinien haben mehr Gewicht als alle „positiven Zufälle“. Deshalb ist es notwendig, die göttlichen Prinzipien im WORT Gottes gut zu kennen. Denn sie haben in allen Fällen oberste Priorität. Die „glücklichen Umstände“ können auch von Gott gelenkt sein – das kann Gott tun in Seiner Weisheit und Liebe zu uns! – aber sie müssen an Gottes WORT geprüft werden.
Auch Aaron machte denselben Fehler wie Abischai. Als Mose nach 40 Tagen vom Berg Sinai herabkam, stellte er erschrocken fest, dass Israel ein goldenes Kalb wie einen Götzen verehrte. Als Mose seinen Bruder zu Rede stellte, sagte Aaron: „Das Volk sammelte das Gold und gab es mir; daraus ist das Kalb geworden“ (2. Mose 32, 24) Damit wollte er sagen: es hat sich zufällig so ergeben, dass aus dem flüssigen Gold ein Kalb wurde. Aaron hatte das erste Gebot vergessen, das sie eben auf Steintafeln von Gott bekommen hatten: „... du sollst keine anderen Götter neben Mir haben!“ Die zufälligen Ergebnisse waren so beeindruckend, dass das göttliche Gebot ganz in den Hintergrund geriet und übersehen wurde. – Deshalb ist Gebet, Gottes WORT und das Gespräch mit einem Seelsorger so wichtig, um bei Entscheidungen den göttlichen Weg klar zu erkennen.
III. Der Mensch verlangt nach „Zeichen“.
Jesus kommt in einem Streitgespräch mit
Seinen Gegnern auf Jona zu sprechen, weil ER an ihm einen wichtigen Punkt
deutlich machen will. Sie kamen zu Ihm mit dem Wunsch: „Meister, wir
möchten gern ein Zeichen von Dir sehen.“ (Matthäus 12, 38). Sie wollten von
Jesus einen handfesten Beweis haben, dass ER ein Gott ist. Sie hatten zwar
schon viele Wunder von Jesus gesehen, aber ER sollte ihnen etwas Besonderes
demonstrieren. (So wie wenn heute ein Agent zu einem Fremden sagt: „Zeigen Sie
mal Ihre Papiere!“). Dieses Denken bezeichnet Jesus als „böse“ und „gottlos“
(Matthäus 12, 39). Es ist auch bei uns heute häufiger als die meisten meinen.
Bei Israel und in den Psalmen begegnet es uns oft: „Gott hat aus dem Felsen
Wasser strömen lassen – aber kann ER auch Brot geben und Seinem Volk Fleisch
verschaffen in der Wüste?“ (Psalm 78). So fragte das Volk Israel, obwohl sie in
Ägypten zehn gewaltige Naturwunder und die Teilung des Roten Meeres erlebt
hatten. – Heute formuliert man das etwas anders: „Gott müsste eigentlich ... das und
das tun.“ Das kann man fast jeden Tag hören – und auch uns kommen solche
Gedanken immer wieder. Jesus hält dieses Denken für ganz verkehrt – und für
gottlos. ER antwortet Seinen Gegnern: „Es wird euch kein anderes Zeichen gegeben werden als das Zeichen des Jona. Wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des
Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Schoß der
Erde sein.“ (Matthäus 12, 39+40) – Damit will Jesus sagen: Das größte Zeichen,
die größte Wundertat Gottes, der stärkste Beweis der göttlichen Macht und Liebe
ist der Tod des Gottessohnes am Kreuz und Seine Auferstehung. Das soll man am höchsten schätzen, - darüber soll
man am meisten nachdenken, - das ist das Größte, was Gott getan hat. Alle
anderen Wunder verblassen demgegenüber. Paulus schreibt es komprimiert: „Christus
ist um unserer Sünden willen
dahingegeben und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt worden.“ (Römer 4, 25) Wenn die Sünden durch Christus
vergeben sind und die Auferstehung Jesu uns gewiss ist, dann öffnet sich für
uns der Himmel – kein anderes Wunder kann uns zu diesem großartigen
Ziel bringen! Deshalb sagt Jesus: Das ist das wichtigste Zeichen, alles
andere ist nicht so wichtig! Wenn viele
immer wieder sagen „Gott müsste eigentlich...“ dann verraten sie damit nur,
dass sie noch nicht viel über das „größte Zeichen“ nachgedacht haben
IV. Gott lenkt alles Geschehen – auch bei allem, was Jona erlebt.
Von der Jona-Geschichte kennen die meisten vor allem die Sache mit dem großen Fisch, der Jona verschluckte und nach drei Tage wieder ausspie. Das erzählen manche mit Schmunzeln und viele haben da ihre Zweifel. Aber die Sache mit dem „Walfisch“ ist nur ein Teil einer großen göttlichen Wahrheit, die sich durch das Buch Jona und durch die ganze Bibel zieht und die viele wegen ihres Verstands nicht akzeptieren können: Gott steuert alle Ereignisse auf der Erde und im Kosmos. Für Gott gibt es keinen Unterschied zwischen „großen“ und „kleinen“ Problemen. Gott ist souverän in allen Bereichen. Das wird im Jona-Buch deutlich:
o Gott gibt dem Propheten zwei Mal die Weisung: „Geh nach Ninive!“ (Jona 1, 2 + Jona 3, 2)
o Gott schickt einen großen Fisch zur Rettung des Jona (Jona 2, 1)
o Gott befiehlt dem Fisch, Jona auf das Trockene zu speien (Jona 2, 11)
o Gott droht Ninive mit Gericht und hat Erbarmen mit der großen Stadt (Jona 3, 2)
o Gott lässt eine Rizinus-Staude wachsen, die seinem Propheten Schatten spendet (Jona 4, 6)
o Gott schickt einen Wurm, um diese Pflanze zu zerstören (Jona 4, 7)
o Gott sendet einen sengenden Wind, der Jona quält (Jona 4, 8)
Ob es eine gottlose Weltstadt ist oder ein kleiner Wurm – überall hat Gott Seine Hand im Spiel und lenkt alles mit großer Präzision nach Seinen Gedanken und Plänen. Gott steuert die riesigen Galaxien und darin jeden einzelnen Stern und auch den Weg der Viren und Bakterien. – Man kann es nicht oft genug wiederholen, weil uns auf diesem Gebiet immer wieder Zweifel anfechten: Gott lenkt auch unseren Lebensweg mit allen Kleinigkeiten, - was ER tut, ist reiflich durchdacht, - es passiert bei Ihm niemals eine Fehlplanung, - ER tut alles aus großer Liebe zu uns, deshalb sind auch Seine Wege die besten Wege!
V. Das Gericht Gottes über Ninive.
Ninive (Assyrien) ist nach Babylon die
zweitgrößte Stadt der Antike, am Oberlauf von Euphrat und Tigris gelegen. Es
war seit 4.500 v. Chr. besiedelt. Unsere Archäologen haben die meisten Belege
für den Alten Orient in Ninive gefunden (Reliefs, 25.000 Tontafeln in
Keilschrift aus der Bibliothek in Ninive – das Alphabet wurde in Palästina
erfunden!). Die innere Stadtmauer war 15 m breit und 30 m hoch. Seit 1365
v.Chr. regierten Könige in Ninive. Einer von ihnen vernichtete das Nordreich
von Israel 722 v.Chr. Im Jahre 612 v.Chr. wurde Ninive von den Babyloniern
zerstört, wie vom Propheten Nahum angekündigt. Es wurde nie wieder aufgebaut
und ist das größte Ruinenfeld der Antike. Heute liegt ihm gegenüber die Stadt
Mossul im Norden des Irak.
Jona trat als Prophet mit seiner Gerichtsbotschaft in
Ninive 760 v.Chr. auf. Voraus gingen einige außergewöhnliche Ereignisse: zwei
Hungersnöte und 4 Jahre vorher eine totale Sonnenfinsternis (am 15.6.763
v.Chr.), die sicher vorbereitend wirkten. Die Assyrer waren bekannt für ihre
grausame Kriegsführung (die Ägypter und Babylonier waren gegenüber Gefangenen
humaner). An Ninive erfüllt sich ein ehernes Gesetz: menschliche Sünde
bewirkt das Gericht Gottes, - und:
nur Buße kann das Gericht Gottes aufheben. Das
gilt auch heute noch. Ohne Buße erfährt niemand die Barmherzigkeit Gottes. – Echte
Buße kann Großes bewirken. Auch gottloseste
Menschen können durch Buße und Umkehr Vergebung erhalten. Ninive ist ein
Beispiel dafür. Jesus benützt es, um Seinen Zuhörern in Israel zu zeigen: Jona
hat in der gottlosen Metropole Ninive durch seine Predigt Buße erreicht – aber
Jesus, der noch vollmächtiger als Jona predigte, wartet immer noch darauf.
Deshalb werden die Niniviten im Jüngsten Gericht die Juden verdammen. Buße
ist sehr wichtig. Deshalb sollte Johannes der
Täufer im Auftrag Gottes das Kommen Jesu vorbereiten, indem er Buße predigte
und Vergebung der Sünden anbot. Wer Christus aufnehmen will braucht vorher
Erkenntnis der Sünde. Christus wurde auf die Erde gesandt, um Sünde „aus der
Welt zu schaffen“. Das bewirkte ER durch Seinen Kreuzestod. Wer Sünde und
Vergebung wie eine Nebensache behandelt, hat Christus nicht verstanden und geht
am ewigen Heil vorbei. Die Reformation begann mit dem Anschlag der 95 Thesen
durch Martin Luther. Gleich in der ersten These wird die Wichtigkeit der Buße
mit Matthäus 3, 2 herausgehoben. – Jona predigte nichts als Gericht: „In 40
Tagen wird Ninive untergehen.“ Die Leute nahmen sich das zu Herzen und kehrten
um – und Gott hob das Gericht auf. – Wenn in unserer Gesellschaft Gottes Gebote
immer mehr übertreten werden, wird das Gerichte Gottes heraufbeschwören. Im
Alten Testament wird von 11 schweren Gerichten Gottes über Sein Volk Israel
berichtet (siehe BK 54 über den Zorn Gottes!). Die ca. 20 großen Gerichte
Gottes in der Offenbarung werden einmal unsere Erde treffen. Sie sind deshalb
so schlimm, weil die Sünden der Menschheit ein Übermaß erreicht haben. Allein
Buße kann hier eine Veränderung bewirken – wie
wir an Ninive sehen. Deshalb ist auch heute die Bußpredigt sehr wichtig und
sehr notwendig. Das gilt für eine Gesellschaft und auch für jeden einzelnen
Menschen.
Jona wollte eigentlich lieber die Rache Gottes am sündigen Ninive sehen (Jona 4, 5). Auch die Jünger waren erbost, als samaritische Dörfer ein Quartier für Jesus und Seine Jünger verweigerten. Am liebsten hätten sie gehabt, dass Jesus Feuer vom Himmel fallen ließe als Strafe für dieses hartherzige Verhalten (Lukas 9, 54). Dieses Vergeltungsdenken steckt in uns allen drin. Wie oft hört man im Alltag: „Das geschieht ihm ganz recht!“, wenn jemand Unglück widerfährt wegen eines Fehltritts. Die christliche Gemeinde in Jerusalem wollte es nicht glauben, dass der fanatische Christenverfolger Paulus Vergebung von Gott erhalten hat (Apostelgeschichte 9, 21). Auch beim größten Sünder sollen wir mit Umkehr rechnen (wenn Buße vorausgeht). So zu denken liegt nicht in unserer Natur. Dazu braucht es wirklich Zeit und göttliche Erleuchtung. Das wird im Jona-Buch am Ende deutlich. Gott richtet am Schluss eine Frage an Jona: „... sollte Ich nicht Erbarmen haben mit Ninive (wie Jona mit der Rizinus-Staude Erbarmen hatte)?“ Damit endet das Jona-Buch. – Wenn eine Frage gestellt wird, muss man überlegen, um die richtige Antwort zu finden. Jona sollte sich in Ruhe Gedanken machen, warum Gott so ganz anders denkt als er. So brauchen wir auch Zeit, um über die Themen des Jona-Buches und die Wahrheiten der Heiligen Schrift nachzudenken und die göttlichen Prinzipien und Zusagen für uns zu entdecken. – Mit Fragen arbeitet Gott oft in der Bibel von Anfang an („Adam, wo bist du?“), in den Evangelien und auch in den Apostelbriefen (siehe ausführlich in BK 56 „Warum Menschen so viele Fragen haben“), weil es wichtig ist, sich Zeit zu nehmen (und für Fragen braucht man Zeit!), um die göttliche Denkweise richtig aufzunehmen.
VI. Von Jona Beten lernen.
Als Jona in den Hafen von Joppe ging, hat er nicht gebetet. Im Bauch des Fisches, wo er sich 3 Tage und 3 Nächte befand, fing er an zu beten. Ein Viertel des Jona-Buches besteht aus dem Gebet des Jona (Jona Kap.2). Sein Gebet enthält nur Verse aus verschiedenen Psalmen. Der Anfang des berühmten Buß-Psalms 130 passt genau für Jonas Situation: „Aus der Tiefe rufe ich, HERR, zu Dir.“
Der britische Autor R. Erskine bekannte: „Ich bin in meinen Augen – und auch in den Augen der anderen – ein Labyrinth von Geheimnissen.“ – Asaph schreibt in seinem berühmten Psalm 73, als er sich in seiner Verzweiflung an Gott wandte: „Ich war ein Narr, - wie ein Tier vor Dir.“ Selbst der Apostel Paulus sagt in ähnlicher Lage: „Ich elender Mensch (nicht: ich gottloser Mensch!), wer wird mich herausholen aus meiner dunklen Todeshöhle?“ (Römer 7, 24). Die Situation des Jona war aber nun besonders einmalig: drei Tage lang lebendig in einem lebenden Grab, im Bauch eines riesigen Fisches. Wenn das Monster aufstieg, durch Schilfregionen streifte oder in die Tiefen abtauchte – Jona hat es alles miterlebt. Was er durchmachte, hatte noch nie ein Mensch erlebt. Menschen in ähnlicher Situation sagen dann oft: „Das ist hoffnungslos!“ Aber Jona hat anders gedacht, obwohl er in einer extrem verzweifelten Lage sich befand. Jona betete und hatte Gottvertrauen. Das erkennt man am Satz in der Mitte seines Gebets:
„Ich dachte, ich wäre von Deinen Augen verstoßen,
aber ich werde Deinen heiligen Tempel wieder sehen.“ (Jona 2, 5)
Hier ist das, was Jesus nennt: „Glauben wie ein Senfkorn“ haben (Matthäus 17, 20). Paulus fühlte sich schwach – und war es auch (durch die mysteriösen Attacken des Satansdieners – 2. Korinther 12, 7), aber er sagt: „ich bin stark!“ (2. Korinther 12, 10) Deshalb schrieb er den oft zitierten Satz: „Wer Gott vertraut, dem muss alles zum Besten dienen.“ (Römer 8, 28) Dieses Glaubenslicht ist also auch bei Jona im Bauch des Fisches, in tiefster Finsternis, aufgeleuchtet. Jona hat sicher später manchem Zweifler geraten: „Vertraue einfach dem HERRN, gib nicht auf, der HERR lässt uns nicht im Stich, ER erhört Gebet – ich habe es erlebt.“ - Jona, der Apostel Paulus, die Psalmbeter und viele andere sind Zeugen für die Tatsache: „Wenn ich auch gleich nichts fühle von Deiner Macht, Du führst mich doch zum Ziele auch durch die Nacht.“ – Die Not ist oft groß, - aber Gott ist immer noch größer.
Allerdings war Jona am Anfang von anderen Gedanken erfüllt: „Ich dachte, ich wäre von Deinen Augen verstoßen“. Das ist das Erste, was uns in den Sinn kommt, wenn die Finsternis hereinbricht. Der Unglaube kann nicht warten, er muss als Erster seine Schau uns zuflüstern und er benützt dazu unseren Verstand, der sagt: „Realistisch betrachtet gibt’s hier keinen Ausweg! Es ist alles total vertrackt.“ Aber – so schreibt Spurgeon: „Horche nicht auf diese Stimmen! Sie sagen nicht die Wahrheit. Sprich zu deinem Gott – und nicht gegen Ihn! Rede mit deinem Gott – und nicht mit dir selbst! Selbstgespräche vergrößern meistens das Elend.“ Jona dachte, er kann Gott entfliehen, deshalb wollte er mit dem Schiff 4000 km in die entgegengesetzte Richtung fliehen, nach Tarsis. Aber man kann Gott nicht entfliehen. Diese Wahrheit finden wir besonders im Psalm 139: „Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer (- in Tarsis!), so würde auch dort Deine Rechte mich halten... Am Ende bin ich noch immer bei Dir.“ – Gott war auch bei Jona im Bauch des Fisches – und deshalb fing Jona an zu beten. Man kann in jeder Situation zu Gott beten. Und Gott hat mehrmals versprochen, jedes Gebet zu erhören - allerdings nicht immer so, wie wir es uns wünschen, aber bearbeitet und erledigt wird jedes unserer Gebete am himmlischen Thron pünktlich, sorgfältig, mit Nachdruck – und so, dass die Antwort für unser Leben am besten ist (aus göttlicher Perspektive, die wir nicht immer verstehen, die aber mit größter Weisheit – mit „intelligent design“ – ausgearbeitet ist). – Diese Gewissheit war bei Jona im Bauch des Fisches da, deshalb fing er an zu beten in dem Sinn: „Gott ist hier, ich kann mit IHM reden. ER hört mich. Ich werde Seinen heiligen Tempel wieder sehen.“ – Im Neuen Testament wird diese Überzeugung noch stärker, denn Christus ist auf unsere Erde gekommen und hat ganz neue Perspektiven und Tatsachen geschaffen: Christus ist nicht nur bei uns und neben uns – sondern ER lebt in uns, - und das hat enorme Konsequenzen. Deshalb schließt Paulus sein großes Kapitel Römer 8 mit einem hellen Siegeston: „Nichts kann uns von Gott trennen, weil die Liebe Gottes durch Christus in uns wohnt.“ Ein lebendiger Christus ist nicht untätig. ER ist stark, ER ist sogar sehr stark, - denn ER hat selbst den Tod besiegt – und dazu braucht man eminent viel Kraft und Intelligenz, - und die hat Christus! Solche Gedanken erfüllten Paulus, deshalb schreibt er triumphale Sätze – wie: „In allen Lagen erringen wir die glänzendsten Siege durch Christus, der in uns lebt.“ (Römer 8, 37) Wenn uns diese Gedanken innerlich regieren – und nicht die Selbstgespräche oder die Meditation über die negativen Fakten – dann werden wir genau so denken wie Paulus, - oder auch wie Jona: „Ich werde Deinen Tempel wieder sehen, - es wird wieder licht werden!“
Jesus hat die drei Tage des Jona im Bauch des Fisches auf Seine drei Tage im Felsengrab bei Golgatha bezogen. Sie endeten in der glorreichen Auferstehung, diesem großen Sieg über alle bösen Mächte. Wenn Jesus in den Abschiedsreden Seinen Jüngern sagt: „Ich lebe und ihr sollt auch leben!“ (Johannes 14, 19), dann hat ER hier in aller Kürze zum Ausdruck gebracht, dass wir auch Auferstehung erleben werden – nicht erst am Ende der Zeit, sondern schon jetzt. Das hat Paulus sagen wollen, wenn er schreibt: „Dieselbe Kraft, die bei der Auferstehung Jesu wirkte, ist auch aktiv bei denen, die Christus aufgenommen haben und in Ihm leben.“ (Epheser 1, 19+20).
Die Wende im Denken des Jona im Bauch des Fisches fängt mit „aber“ an: „... aber ich werde Deinen Tempel wieder sehen.“ Er beschäftigt sich nicht mehr mit seinen Gefühlen und seiner katastrophalen Situation sondern er erinnert sich: „Aber es gibt noch unsern Gott, ER ist da – und Ihn will ich jetzt anrufen. Das darf ich tun – und das will ich tun. Und ich werde Seine Herrlichkeit erleben.“ Dieses „aber“, - diese Wende im Denken, kommt oft in der Bibel vor (siehe dazu die Stellen in BK 64, Seite 1). Das bedeutet: wir müssen immer wieder unser falsches Denken stoppen und in unseren Gedanken eine andere Richtung einschlagen, die Richtung zu Gott hin. Der Apostel sagt: „Lasst uns wegsehen (von den Problemen) und hinsehen auf Christus. ER ist der Anfänger und Vollender des Glaubens.“ (Hebräer 12, 2)
8. Sept. 2007 Pfr. Gerhard Hägel, Bobengrün