95. Bibelkurs                                                                                                                              BK 95

 

Von Daniel lernen

 

            Das Buch Daniel ist für das Neue Testament viel wichtiger als die meisten Christen denken. Christus hat kein Buch des Alten Testaments (außer den Psalmen) so oft zitiert wie das Buch Daniel. Der Name „Menschensohn“, den Jesus häufig für sich verwendet (statt „ich“ zu sagen). und den nur ER in den Mund nahm (niemals hat Ihn ein Jünger oder ein Mensch aus dem Volk so angeredet), dieser Name stammt aus Daniel 7. Jesus sagt im Haus des Zachäus (Lukas 19) nach dessen Bekehrung nicht: „Ich bin gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist“ sondern „der Menschensohn ist gekommen ... “. Über 80 mal erscheint in den Evangelien der Name „Menschensohn“ – und immer benützt ihn Jesus statt ICH zu sagen. Von besonderem Gewicht ist der Moment, in dem beim Prozess gegen Jesus das Todesurteil für Ihn gefällt wird. Die Zeugenaussagen hatten nichts gebracht. Der Hohepriester Kaiphas, der den Prozess leitet, fragt deshalb Jesus: „Antwortest du nichts auf das, was diese gegen Dich aussagen?“ Aber Jesus schwieg still. Da sagte Kaiphas zu Jesus: „Ich beschöre Dich bei dem lebendigen Gott (das bedeutet: was Jesus jetzt sagt, gilt so viel wie ein Eid vor Gericht), dass Du uns sagst, ob Du der Christus (= der prophezeite Messias) bist, der Sohn Gottes?“ In diesem weltgeschichtlichen Augenblick, als die Entscheidung über den Kreuzestod Jesu fiel, antwortet Jesus nicht einfach mit „Ja“ sondern zitiert Daniel. Jesus sagt: „Du sagst es. Doch Ich sage euch: Von nun an werdet ihr sehen den Menschensohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen auf den Wolken des Himmels.“ (Matthäus 26, 63+64). Bei Daniel heißt es in Daniel 7 in einer Vision: „Siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn“ (Vers 13). Jesus hat die Prophezeiung in Daniel 7 auf sich bezogen. Dort heißt es weiter über den Menschensohn: „Gott gab Ihm Macht, Ehre und Reich, dass IHM alle Völker dienen sollten. Seine Macht ist ewig und Sein Reich hat kein Ende“ (Daniel 7, 14). In dem Augenblick, als das Todesurteil für Jesus öffentlich verkündet wird (und damit ist festgelegt, dass nun das Opfer gebracht wird zur Erlösung der Menschheit) weist Jesus mit den Worten aus dem Buch Daniel auf Seine Zukunft hin: ER wird nach Seinem Tod den Ehrenplatz zur rechten Hand Gottes (das ist der Platz des Siegers bei den Ehrungen nach einem Feldzug) einnehmen und wird einmal wiederkommen, um die Herrschaft über die ganze Welt einzunehmen. Im Augenblick Seiner tiefsten Erniedrigung (der Kreuzestod ist ein Sklaventod, die schändlichste Todesart im Römerreich!) erinnert Jesus an Seine künftige majestätische Herrlichkeit (deshalb verwendet Johannes für „kreuzigen“ das Wort „erhöhen“ in seinem Evangelium).

            Ein weiterer Schwerpunkt ist in der Verkündigung Jesu aus Daniel entnommen, wenn Jesus oft und gleich von Anfang an vom „Reich Gottes“ spricht. Auch dieser Ausdruck stammt von Daniel, in Kapitel 7: „Gott gab IHM Macht, Ehre und Reich“ (Daniel 7, 14.18.27 und 2, 44) Mit diesen Worten schließt auch das „Vaterunser“: „... denn Dein ist das Reich und die Macht und die Herrlichkeit“ (im Hebräer = Ehre); gleich am Anfang steht die Bitte: „Dein Reich komme“.

            Diese Fakten bezeugen eindeutig, dass das Buch Daniel in den Gedanken Jesu immer gegenwärtig war. Deshalb ist es wichtig, die Hauptgedanken des Buches Daniel zu kennen, weil wir dadurch auch die Verkündigung Jesu und das Neue Testament besser verstehen. Die biblische Wortstatistik zeigt: 105 Verse im Neuen Testament haben einen Bezug zum Buch Daniel (81 von ihnen sind in der Offenbarung des Johannes). Die Hälfte des Buches Daniel (Kapitel 2-7) ist in Aramäisch geschrieben, das die Reichssprache in Babylon war. Sie blieb später in Israel als Sprache des Volkes erhalten. Auch Jesus und Seine Jünger sprachen aramäisch, das gleichsam ein „Dialekt“ des Hebräischen ist.

 

I.  Warum nannte sich Jesus so oft „Menschensohn“?

                                                                                                             Das ist nicht leicht zu beantworten. Jesus sagte niemals „Ich bin der Messias“ (obwohl Er es war!), auch nicht „David’s Sohn“ oder „Gottesknecht“ (nach Jesaja 53). ER wählte den Namen „Menschensohn“ aus Daniel 7. Dort ist eine doppelte Bedeutung zu finden. Der „Menschensohn“ ist einerseits ein „wahrer Mensch“ – im Gegensatz zu den Bestien der im Kapitel vorausgehenden Könige, die mit Tieren verglichen werden. Jemand hat gut formuliert: „Humanität ohne Divinität (= Göttlichkeit ) wird zur Bestialität“. - Andrerseits ist der „Menschensohn“ der Bevollmächtigte Gottes, mit großer Macht und Ehre ausgerüstet. Im Volk war wohl die erste Bedeutung am meisten verbreitet. Ähnlich ist auch beim Propheten Hesekiel, der fast gleichzeitig mit Daniel in Babylon lebte, sehr oft (93 mal) der Name „Menschenkind“ zu finden. – Jesus wählte „Menschensohn“ sicher deshalb, weil ER unter dieser Bezeichnung am besten verborgen bleiben konnte. Auch Seine Gleichnisse hatten denselben Hintergedanken. Sie sind fast alle rätselhaft und fordern regelrecht zum Nachdenken heraus (sagt der Theologe J. Schniewind). Jesus wollte niemand überrumpeln, wenn ER z.B. gesagt hätte: „ICH bin der Messias“. ER wollte vor allem, dass die Menschen auf Seine Botschaft hören und dann anfangen, nachzudenken und anders zu denken (Luther: Buße tun = griechisch „umdenken“). Auch mit Seinen vielen Heilungswundern wollte Jesus dem Volk zeigen, dass ER sie lieb hat und ihnen helfen will. Einige von ihnen machten sich vielleicht doch noch mehr Gedanken: „Das ist wirklich ein guter Mensch. Was der zu sagen hat, das muss ich hören. Das interessiert mich.“ Genau das wollte Jesus erreichen. Deshalb nennt Johannes die Wunder Jesu immer „Zeichen“ – sie sind Signale Gottes, die etwas bedeuten und über die jeder nachdenken soll.  Erst am letzten Tag Seines Lebens sagte Jesus es öffentlich vor Kaiphas: „ICH bin der Messias“. Vorher hatten Ihn so nur Seine Jünger erkannt. Aber Jesus hatte ihnen verboten, es weiterzusagen (Matthäus 16). Jesus sah sich als Säemann. Seine Worte verglich ER mit dem Samen, der ausgestreut wird und der Zeit braucht zum Wachsen bis die Frucht erscheint. Geistliches Wachstum ist nicht viel anders als das Wachstum in Gottes Schöpfung.

 

II.  Was ist mit „Reich Gottes“ gemeint?

                                                                                   

Bei Daniel erhält der „Menschensohn“ ein „Reich, das ewig ist und nicht vergeht.“ (Daniel 7, 14.18. 27). Jesus hat von Anfang an und bei vielen Gleichnissen vom „Reich Gottes“ gesprochen. Mit IHM ist „die Gottesherrschaft ganz nahe gekommen“. (Luther: „das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.“ Matthäus 3, 2). „Reich Gottes“ muss man erklären, weil die allgemeine Vorstellung nicht immer der biblischen Wahrheit entspricht. Wörtlich heißt „Reich Gottes“ die „Gottesherrschaft“ (so übersetzt Jul. Schniewind), der „Herrschaftsbereich Gottes“. Jesus wollte im Auftrag Gottes die Herrschaft Gottes zurückerobern auf dieser Erde, wo der Satan sie an sich gerissen hatte. Bei den Dämonenaustreibungen wurde das besonders deutlich, wenn Jesus sagt: „Wenn ICH aber die bösen Geister durch den Geist Gottes austreibe, so ist ja die Gottesherrschaft (Luther: „das Reich Gottes) zu euch gekommen.“ (Matthäus 12, 28). Wenn jemand Christ wird, dann nimmt er Jesus als seinen HERRN an, - IHM zu gehorchen, - IHM zu folgen, - und auf Seine Stimme zu hören. Paulus schreibt: „Wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der HERR ist,... dann wirst du gerettet“ (Römer 10, 9). Der Name „HERR“ war der erste Titel, den die Christen Jesus beilegten. Damit bezeugten sie, dass Christus sie von anderen Mächten befreit hatte und sie künftig nur IHM gehorchen wollten. IHM vertrauten sie auch für die Zukunft, dass ER mit allen Problemen fertig wird, weil ER die größte Macht hat, - weil ER eben HERR ist. Am Ende der Zeiten werden alle Menschen vor Christus niederfallen, IHN anbeten und „bekennen, dass Jesus Christus der HERR ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.“ (Philipper 2). Wenn wir beten „Dein Reich komme“, dann heißt das: „Lass Deine Herrschaft ausgebreitet werden.“ Das letzte Ziel Gottes wird erreicht, wenn Jesus wiederkommt. Dann wird der Satan gestürzt und Jesus übernimmt die Herrschaft im ganzen Kosmos. ER ist „der König über alle Könige und der HERR über alle Herren“(Offenbarung 17, 14). Christwerden ist ein Herrschaftswechsel, wie es Paulus in Kolosser 1, 13 beschreibt: „ER hat uns errettet von der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in den Herrschaftsbereich Seines lieben Sohnes (Luther: „... in das Reich...“).

 

III. Daniel als Beter.

            Daniel hatte „offene Fenster nach Jerusalem und fiel dreimal am Tag auf die Knie, betete, lobte und dankte seinem Gott.“ (Daniel 6, 11). Daniel war Staatsmann (der zweite Mann nach Nebukadnezar, dem damals mächtigsten Herrscher der Welt) und auch ein großer Beter. Vom Gebet erwartete er Veränderungen durch das Eingreifen Gottes. Die erste Gebetserhörung erlebte Daniel gleich am Anfang, als Nebukadnezar alle Weisen, die Eliteschicht Babylons (samt Daniel und seinen drei Freunden) töten lassen wollte, weil sie ihm seinen entfallenen Traum nicht sagen konnten. Daniel war in diesem Fall genau so ratlos wie alle Weisen. Aber er wusste: man kann sich in der größten Not an Gott wenden, ER kann helfen. Daniel betete mit seinen drei Freunden – und Gott offenbarte ihnen den Traum, der eine große Bedeutung hatte (darüber weiter unten!). Das hat Daniel in seinem Leben nie vergessen: Beten hilft, Beten hat große Auswirkungen, Beten setzt Gottes Kräfte in Bewegung. Als der König im Morgengrauen Daniel unversehrt in der Löwengrube entdeckte, heißt es am Schluss: „Gott hat Daniel errettet ... denn er hatte seinem Gott vertraut“ (Daniel 6, 21+24). Daniel hat nicht nur gebetet sondern er hat auch Gott voll und ganz vertraut, dass Gebete beantwortet werden. In der Bibel wird in Offenbarung 8 von der großen Wirkung der Gebete folgendes berichtet: Ein Engel Gottes sammelt die Gebete der Gläubigen in einem goldenen Gefäß, bringt sie vor den Altar Gottes, füllt dann das Gefäß mit Feuer vom Altar – und entleert es auf die Erde, wo dann „Donner, Blitze und Erdbeben geschehen.“ So wirken Gebete. Gebete gestalten die Weltgeschichte – und beschleunigen (Lu: erstreben) sogar die Wiederkunft Jesu (2. Petrus 3, 12). Die Urgemeinde schloss jeden Gottesdienst mit dem aramäischen „Maranata“ (= „Unser HERR, komm!“, siehe: Offenbarung 22, 20). Wir sollten dem Gebet mehr zutrauen und fleißiger beten. Jesus und der Apostel sagten es ganz schlicht: „Betet allezeit!“ (Lukas 18, 1; 1. Thessalonicher .5, 17). Jesus hat das in Seinen Abschiedsreden Seinen Jüngern regelrecht eingeschärft, wenn ER sieben Mal wiederholt: „Was ihr Mich bitten werdet in Meinem Namen, das will ICH tun.“ (Johannes 14, 13.14; Johannes 15, 7.16; Johannes 16, 23.24.26). Die Jünger sollten nie vergessen, dass sie Größtes bewirken können, wenn sie im Geist Jesu beten. Das ermutigt uns, nicht kleinlich zu beten sondern in großen Dimensionen.

            Die „drei Männer im feurigen Ofen“, die Freunde Daniels in Kap.3, sind ein gutes Beispiel für echtes Gottvertrauen. Bevor sie in den feurigen Ofen geworfen wurden, werden sie von Nebukadnezar noch einmal aufgefordert, das große, goldene Götzenbild anzubeten. Sie antworten freimütig:                                                                                                                                                 

„Wenn unser Gott, den wir verehren, will, so kann ER uns erretten;

            aus dem glühenden Ofen und aus deiner Hand, o König, kann ER erretten.

            Und wenn ER es nicht tun will, so sollst du dennoch wissen, dass wir deinen Gott

            und das goldene Bild nicht ehren und nicht anbeten wollen.“ (Daniel 3, 17+18)

Sie vertrauen felsenfest, dass Gott immer den richtigen Weg führen wird – auch wenn es in den feurigen Ofen geht. Sie trauen Gott das Allergrößte zu, machen aber Gott keine Vorschriften. Sie überlassen Gott die Entscheidung und wollen jede göttliche Lösung als den besten Weg akzeptieren. – Es ist dieselbe vorbildliche innere Einstellung wie sie Abraham hatte, als ihm Gott gesagt hatte, dass er mit 100 Jahren noch einen Sohn von der Sara bekommen werde. Von Abraham heißt es: „Er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben (indem er Gottes Können anzweifelte), sondern war stark im Glauben (hatte absolutes Vertrauen) und gab Gott die Ehre (war überzeugt, dass ER alles richtig macht und kritisierte Gott nicht im geringsten) und wusste aufs allergewisseste: was Gott verheißt, dass kann ER auch tun (Gott k a n n , aber ER muss nicht so handeln, wie ich es wünsche. Gott macht keine Fehler. ER geht immer den richtigen Weg - Römer 4, 20+21). – Jesus freute sich, als ER diese Einstellung beim Hauptmann von Kapernaum vorfand und lobte ihn deshalb in aller Öffentlichkeit. Dieser heidnische Offizier traute - so wie die drei Männer vor dem feurigen Ofen - Jesus alles zu, - sogar, dass IHM Krankheiten gehorchen müssen (Matthäus 8). Mit Bedauern musste Jesus immer wieder feststellen, dass bei Seinen Nachfolgern hier noch viel nachzuholen ist. Deshalb nannte ER sie auch oft „Kleingläubige“ (wörtlich: „Leute, die wenig Gottvertrauen haben“). Es ist keine Überraschung, wenn heute unter Christen ebenfalls häufig dieses Defizit zu beobachten ist.

            Am Schluss der Apokryphen (zwischen Altem und Neuem Testament) befindet sich „der Gesang der drei Männer im feurigen Ofen“. Es ist ein einziger Lobpreis auf den allmächtigen Gott. In jedem der 38 Verse heißt es in der zweiten Hälfte, wie in einem Refrain: „Lobt, preist, rühmt den HERRN!“ Der ganze Kosmos (Himmel, Erde, Sterne, Winde, Wasser, Wolken ...) wird aufgefordert, ähnlich wie in Psalm 148, den heiligen Gott zu loben. Es ist keine Bitte in dem Gebet enthalten. Auch der Psalter schließt mit einem großen Lobpreis, mit den fünf Halleluja-Psalmen 146-150, die von frommen Juden am Morgen eines jeden Werktags gebetet werden als Einstieg in den Tag. – Das ist für uns Christen eine Erinnerung daran, dass unser Beten sich nicht im Bitten erschöpfen darf sondern dass wir der Anbetung viel Raum geben müssen. Wer am Anfang seines Betens sich Zeit nimmt, Gottes Größe und Liebe, Seine Treue und Weisheit, Jesu Kraft in Seinem Kreuzestod und in Seiner Auferstehung, die Fürsprache des Heiligen Geistes zu rühmen – wird merken, dass unsere Sorgen und Probleme kleiner werden, je mehr unsere Gedanken um Gottes Majestät und Seine großen Taten kreisen.

            Man ist überrascht, bei Daniel auch ein langes Bußgebet zu finden (Daniel 9). Er bekennt mit seinem Volk vor Gott die Sünden Israels, die zur Babylonischen Gefangenschaft geführt hatten. Wer sich vor Gott demütigt und seine Sünden bekennt, darf mit der Gnade Gottes und mit der Erfüllung der göttlichen Verheißungen rechnen. Nach 70 Jahren in Babylon brachte Gott Israel wieder in sein Land, wie es der Prophet Jeremia verheißen hatte (Daniel 9, 2).

 

IV. Gott lenkt die Weltgeschichte.  Daniel traut Gott Großes zu.

Auch Daniel hatte diese Einstellung. Er war fest überzeugt, dass Gott das ganze Weltgeschehen – auch in der Politik und unter den Völkern der Welt lenkt. Als ihm Gott – als Erhörung der Gebete – den Traum Nebukadnezars offenbarte (womit die Elite Babylons vor einem Massaker bewahrt wurde!), pries er als Erstes seinen Gott in einem kräftigen Lobpreis mit den Worten: „Gelobt sei der

Name Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit, denn IHM gehören Weisheit und Stärke. ER setzt Könige ab und setzt Könige ein.“ (Daniel 2, 20). Dieser Gedanke von der Souveränität Gottes über alles Weltgeschehen kommt 12 mal im Danielbuch vor (Daniel 2, 21.44; Daniel 3, 31; Daniel 4, 14.29.32.44.47; Daniel 5, 21; Daniel 6, 27; Daniel 7, 14. 27) – ist also ein beherrschender Gedanke bei Daniel: Gott lenkt die Weltgeschichte nach Seinem Plan. Nicht Politiker machen die Geschichte – sondern Gott programmiert den Weg der Völker auf dieser Erde. Der Theol. Prof. A. Tholuck (gest. 1877 in Halle) sagte: „Wer betet, nimmt Teil an der Weltregierung Gottes.“ - Das gilt auch für die Verkündigung Jesu (in der ja Daniel einen festen Platz einnimmt). Christus ist ein HERR über alles, was im Kosmos existiert und sich bewegt. Des-halb hat Jesus oft zum Vertrauen aufgerufen, wenn ER z.B. wegen des geringen Gottvertrauens Seiner Nachfolger zu ihnen sagt: „Wahrlich (d.h.: darauf könnt ihr euch absolut verlassen!), ICH sage euch: Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so könnt ihr sagen zu diesem Berg: Hebe dich dorthin! so wird er sich heben; und euch wird nichts unmöglich sein.“ (Matthäus 17, 20). - Von daher stammt die Redensart vom „Berge versetzenden Glauben“.  

Auch dem Apostel des Hebräerbriefs ist dieser Punkt ein wichtiges Anliegen, wenn er Abraham als vorbildliches Beispiel für Gottvertrauen erwähnt. Als Gott hat Abraham Großes versprochen hatte (dass er nämlich viele Nachkommen haben werde), bekräftigt es Gott 1. durch eine göttliche Verheißung und 2. durch einen Eid. Damit sollte Abraham Gewissheit über die Zuverlässigkeit der göttlichen Zusage bekommen – denn „es ist unmöglich, dass Gott lügt“ schreibt der Apostel (Hebräer 6, 13-20). Damit will er sagen: wer Gott nichts zutraut, stellt IHN eigentlich als Lügner hin, (als ob Gott etwas verspricht und es dann nicht einhalten kann). Diese überspitzte Formulierung benützt der Apostel, um damit zu zeigen, wie töricht es ist, Gottes Versprechungen nicht zu vertrauen (sicherlich möchte kein Christ Gott als einen Lügner bezeichnen, - aber das tut man eigentlich, wenn man kein Gottvertrauen hat!). Es ist nicht gut, wenn wir allem Göttlichen mit Misstrauen und mit zweiflerischen Gedanken begegnen. Alles, was Gott sagt und verspricht, ist Wahrheit. Wir können uns in allen Fällen auf Sein WORT verlassen. So möchte Jesus Seine Nachfolger haben. Deshalb hat Jesus bei vielen bekannten Worten angefangen mit: „Wahrlich, wahrlich, ICH sage euch ...“ (besonders im Johannes-Evangelium!), um den Zweifeln schon gleich zu Beginn das Wasser abzugraben. ER freut sich, wenn wir IHM auch das Größte zutrauen. Das ehrt IHN. Diese Einstellung hatte Daniel. Da kann man von ihm lernen.

            Im geoffenbarten Traum (Daniel 2) sieht Daniel ein Standbild, das ein Stück Weltgeschichte zeigt: von der Gegenwart in Babylon (um 550 v.Chr.) bis ans Ende der Geschichte: das goldene Haupt = Babylon (die führende Kultur-Nation der Alten Welt: die 360° vom Kreis, die Erfindung der Null, Mathematik, Astronomie, die „hängenden Gärten“ stammen aus Babylon), gefolgt vom Reich der Meder und Perser, dann das griech. Weltreich Alexanders des Großen (regierte 13 Jahre, von 336--323 v.Chr., starb mit 33 Jahren; sein Lehrer war Aristoteles, ein Schüler Platons) und schließlich das Römer-reich. Von Babylon ist nur ein Ruinenfeld übrig, während wir von Athen und Rom die Gebäude der Glanzzeit noch besichtigen können. Zu dieser Zeit kommt ein Stein (= Christus) vom Himmel, der das Standbild zertrümmert. Mit Christus beginnt das „Reich Gottes“, - die Gottesherrschaft auf Erden, die ewig bleibt. – Dieser Blick in die Weltgeschichte ist einmalig bei den Propheten und ist ein Hinweis, dass Gott für die Menschheitsgeschichte einen Plan hat, der mit der Wiederkunft Jesu abschließt. - Gott hat auch einen Plan für unser Leben, der durchdacht ist und mit Liebe ausgeführt wird. Für IHN sind das Größte und das Kleinste gleich wichtig. Ob „ein Haar von unserem Haupt fällt“ – oder ein Stern vom Himmel, nichts passiert ohne Einverständnis des Himmels. Sich diesem großen Gott anzuvertrauen, ist das Beste, was man tun kann – und auch die Gewissheit behalten, dass ER all Seine Kraft und Weisheit einsetzen wird zum Guten für mich (Römer 8, 28), weil wir als Söhne und Töchter Gottes zu Seiner Familie gehören.

 

V. Daniel ist eine Ermutigung für Menschen in schweren Krisen.

Daniel lebte in einer sehr schwierigen Umwelt. Im Volk Israel sagten viele: „Gott hat keine Macht mehr!“ Jerusalem ist zerstört, der Tempel ist eine Steinwüste. „Wo ist Gott? Babylon bestimmt alles". Ringsherum gottlose Welt, Demonstration irdischer Macht und Willkür. In dieser finsteren Umgebung erfährt Daniel: Gott regiert die Welt. Das gilt heute genau so! – Die Ereignisse verlaufen so, wie sie Daniel auf sein Gebet hin von Gott offenbart werden. Nebukadnezar wird wahnsinnig, lebt wie ein Tier (Daniel 4), demütigt sich vor Gott und wird geheilt. Der König Belsazer vergreift sich bei einem großen Gelage an den heiligen Tempelgeräten und verhöhnt Gott. Die  geheimnisvolle Schrift an der Wand, das „Menetekel“, kann nur Daniel deuten (Daniel 5). „Belsazer ward aber in selbiger Nacht von seinen Knechten umgebracht“ mit diesem Schluss hat der Dichter Heinrich Heine diese Geschichte schön in Gedichtform gebracht. Gott greift oft mit mächtiger Hand plötzlich ein (wie auch in Deutschland bei der „Wende“ am 9.Nov. 1989), ohne dass die meisten das Wirken Gottes erkennen. Aber, - auch wenn nichts Gewaltiges geschieht, ist Gott hinter den Kulissen

dennoch ständig an der Arbeit – und ER hat einen „starken Arm“, wie ER beim Exodus in Ägypten bewies. ER hat heute noch die gleiche Stärke. – Daniel hat sich an Gottes Gebote gehalten, auch wenn seine Umgebung oft den Kopf schüttelte oder ihn sogar deshalb verfolgte (seine Gebetstreue brachte ihn in die Löwengrube! - Daniel 6) und er gehörte zu den „unablässigen Betern“. Zu solchen Menschen hält sich Gott. Jesus sagt: „Wer Mein Wort hört (und ihm gehorcht) und Mir vertraut, der hat das ewige Leben“, - dem werden die göttlichen Kräfte zuteil, die stärker sind als die Todesmächte (Johannes 5, 24).

 

VI. Daniel schreibt über „die Endzeit.“
An zwei Stellen im Neuen Testament über den Antichristen (in der Endzeitrede Jesu: Matthäus 24, 15 und bei Paulus: 2. Thessalonicher 2, 4), wird Bezug genommen auf den „Antichristen des Alten Testaments“ im Buch Daniel; das ist Antiochus IV. Epiphanès, wenn vom „Greuelbild der Verwüstung“ gesprochen wird. Dieser frevelhafte König eroberte Jerusalem und ließ im Tempel einen Zeusaltar errichten. Das trieb die Makkabäer zu härtestem Widerstand, so dass sie siegten (165 v.Chr.) und den Tempel neu weihten. Jesus und Paulus bezeichnen diesen gottlosen Antíochus IV. als ein Modell für den Antichristen, der in der letzten Zeit kommen wird.

Zur Jahrhundertwende – 1900 – erschien ein kleines Büchlein „Kurze Erzählung vom Antichrist“ des Russen Wladimir Solowjew, der ein enger Freund Dostojewskis war (und der bei dessen Beerdigung, an der 60.000 teilnahmen, 1881 die Grabrede hielt). Das Büchlein war gleichsam ein prophetisches Vermächtnis Solowjews, der als Christ ein einflussreicher Philosoph und Theologe war und kurz nach der Veröffentlichung starb. Die Schrift wird ausführlich in dem Jesus-Buch von Papst Benedikt XVI. zitiert. Die „Offensive Junger Christen“ hat es zur Jahrtausendwende 2000 als wegweisende Schrift neu herausgegeben. In dem Büchlein wird der Antichrist als ein verschlagener Theologe geschildert, der für sein großes Werk über Bibelkritik den Ehrendoktor der Universität Tübingen erhält. Er macht damit großen Eindruck auf das ökumenische Konzil. Unter den Teilnehmern sind auch einige gläubige Kirchenführer, denen aber nach seiner Rede große Zweifel gekommen waren. Der Wortführer dieser kleinen Gruppe, Starez Johannes, wendet sich an seine Mitchristen mit gedämpfter Stimme: „Kindlein – es ist der Antichrist.“ „Da erdröhnte ein betäubender Donnerschlag und gleichzeitig flammte ein riesiger Kugelblitz auf und traf den Starez, der auf der Stelle tot da lag“. – (Der Starez ist einer der beiden Zeugen in Offenbarung 11).

Über die „letzte Zeit“ lesen wir bei Daniel im letzten Kapitel folgenden bedeutsamen Satz: „Viele werden das Buch Daniel durchforschen und große Erkenntnis finden und wenn die Zerstreuung des heiligen Volks ein Ende hat, soll dies alles geschehen“ (Daniel 12, 7).

 

         Zusammenfassung: „Was können wir von Daniel lernen?“

 

1. Daniel war von Riesen-Problemen umgeben: er lebt als Fremdling in einer gottlosen  

   Umgebung, in geistlicher Einsamkeit, mitten in einer Welt, die von Willkür, Egoismus und

   Größenwahn gekennzeichnet ist. Sein Name wurde geändert (mit einem babyl. Götzennamen

   verbunden – Daniel 1, 7). Eine solche Umgebung bewirkt in der Regel Angst und Komplexe.

2. Wo findet Daniel Hilfe?

                      der HERR aber ist noch größer in der Höhe.“

 

24. Januar 2009                                                                        Pfr. Gerhard Hägel, Bobengrün