96. Bibelkurs                                                                                                                          BK 96

 

Von den Gebeten Jesu lernen - 1. Teil

I. Das Vaterunser II. Ein Lobpreisgebet von Jesus

 

            Als die Jünger, die Schüler des Rabbi Jesus, einmal erlebten, wie ihr Meister betete, wurde einer von ihnen davon inspiriert und dachte: „... so wie Jesus müsste man beten können!“. Er ging zu Jesus mit der Bitte: „HERR, sag uns, wie man richtig betet. Gib uns einige Hilfen dazu, denn Du kannst uns am besten unterweisen.“ Die Schüler eines Rabbi möchten in allen Bereichen wie ihr Lehrer sein. Jesus hat keine Unterrichtsstunde übers Gebet gehalten sondern gab ihnen einfach ein „Mustergebet“, das Vaterunser. Das sollten sie als Modell für ihre Gebete nehmen. Wir finden in den Evangelien nur sieben Beispiele von Gebeten, die Jesus selbst gebetet hat. Aber siebzehn Mal wird uns berichtet, dass Jesus betete. Dabei erfahren wir einiges über die Gewohnheiten, die Jesus beim Beten hatte. Auch das kann uns helfen, richtig zu beten:

 

(Lukas 6, 12; Markus 6, 46; Matthäus 14, 23)

        (Es folgt das Christus-Bekenntnis des Petrus) (Lukas 9, 18)

 

Bei diesen Bibelstellen kann man leicht erkennen, worauf Jesus beim Gebet Wert legte: ER suchte zum Beten absolute Stille und wollte völlig ungestört sein. Deshalb liebte ER die Einsamkeit in der Natur - auf einem Berg, in der Wüste – oder auch die Stille der Nacht.

            Jesus war aber auch mitten im Getriebe des Alltags im Gebet mit Seinem Vater verbunden.

Das brachte ER zum Ausdruck, als Er eine Gleichnisgeschichte übers Beten erzählte. Diese Geschichte beginnt mit den Worten: „ER sagte ihnen ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten.“ (Lukas 18, 1 – es folgt dann das Gleichnis von der bittenden Witwe).

            Die Evangelien betonen oft, dass Jesus mit Seinem Vater engste Verbindung hat: „Der Vater ist im Sohn – und der Sohn ist im Vater“ – Dieser Gedanke Jesu steht in 16 Stellen des vierten Evangeliums: Johannes 5, 19.30; 8, 16.29; 10, 38; 13, 32; 14, 7.9.10.11.20; 16, 15; 17, 10.11.21.23. Die ununterbrochene Gegenwart des Vaters hat Jesus genützt zu einem fortwährenden Gespräch mit Seinem Vater. Deshalb hat ER auch in dem Gleichnis aufgerufen zum unablässigen Beten, weil ER selber es so praktizierte. Wenn man von einem Menschen sagt: „er ist völlig in Gedanken versunken“... „sie träumt von ihrer Hochzeit“... „er ist ganz geistesabwesend“... „er führt ein Selbstgespräch“, dann betrifft das einen Menschen, der innerlich mit etwas intensiv beschäftigt ist, ohne dass die Umgebung es richtig erkennt. Von Jesus hätte man ähnliches wohl nicht sagen können. In solchen uns allen bekannten Momenten hat Jesus mit Seinem Vater gesprochen. Verliebte nützen jede Gelegenheit, beisammen zu sein und dabei miteinander zu sprechen (das Handy macht es noch viel leichter!). Einfach nebeneinander sitzen ohne dabei ein Wort zu wechseln – das wäre unnatürlich. Echte Liebe sucht das Gespräch. – Paulus hat diesen Gedanken fortgeführt und sehr oft in seinen Briefen verwendet (über 100 mal schreibt er „in Christus“, siehe BK.76), wenn er z.B. von sich selbst sagt: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir“ (Galater 2, 20). – So wie Jesus eine ganz enge Verbindung mit Seinem himmlischen Vater hatte, so besteht auch bei einem Christen eine ganz innige Gemeinschaft mit Christus. Jesus sagt in Seinen Abschiedsreden: „Ihr werdet erkennen, dass Ich in Meinem Vater bin und ihr in Mir und Ich in euch“ (Johannes 14, 20). Von daher gesehen ist es etwas ganz Normales, wenn ein Christ eine ständige Gesprächsverbindung mit Jesus hat, - genau so wie sie Jesus mit Seinem Vater pflegte. Dass Verliebte viel miteinander reden (oder telefonieren) ist etwas ganz Natürliches – und weil die Liebe zwischen Jesus und einem Christen noch viel intensiver ist, wird sie deshalb auch noch mehr zu einem Gespräch mit Jesus drängen. Auch das ist – im geistlichen Bereich - eine ganz normale Erfahrung.

Die Apostel weisen auf einen Punkt hin, der selbst Christen wenig bekannt ist, aber große Bedeutung hat: „Christus lebt für immer und bittet für uns“ (Hebräer 7, 25). Der bayerische evang. Bischof Bezzel (gest. 1917) fasste es in die Worte: „Es ist eine unumstößliche Gewissheit, dass Jesus für uns betet.“ Was das praktisch bedeutet, hat E. Peterson (im Buch „The Word made Flesh“) - gut formuliert: „Jesus betet gerade jetzt für uns. Er hat auch gestern für uns gebetet. Er wird heute nacht für uns beten, während wir schlafen. Jesu Gebet für uns ist ein ständiger Vorgang. Du weißt nicht, wie man beten soll. Ja, da gibt es viel zu lernen; derweilen betet Jesus für dich. Hast du keine Lust zum Beten? Erhole dich, Gefühle kommen und gehen; inzwischen betet Jesus für dich. - Du hast keine Zeit zum Beten? Jesus kann warten. Währenddessen hat Er viel Zeit, um für dich zu beten.“ Genau das meint auch Paulus, wenn er im Römerbrief schreibt: „Jesus wurde auferweckt, Er ist zur Rechten Gottes und vertritt uns“ (Römer 8, 34). Auch Johannes betont es: „Wir haben einen Fürsprecher bei dem Vater: Jesus Christus.“ (1. Johannes 2, 1). Diese Wahrheit ist vielen Christen wenig vertraut – aber Jesus tut diesen großen Dienst für uns. Wir sind schon dankbar, wenn Christen für uns beten – und haben noch gar nicht bedacht, dass auch Christus für uns betet, - mit viel größerer Treue als sie. Wir sollten uns wenigstens ab und zu einmal bei Ihm herzlich dafür bedanken! Jesus betet für uns, das ist Tatsache, - auch wenn wir davon nichts spüren oder fühlen.

 

I. Was will uns Jesus mit dem Vaterunser sagen? (Matthäus 6 und Lukas 11)

Ÿ Schon der Anfang hat viel zu bedeuten: wir dürfen Gott mit Vater anreden. Gott ist keine Idee

oder ein „höheres Wesen“ sondern eine Person. Deshalb soll auch unser Gebet ein persönliches Gespräch sein. Luther sagt (in der Erklärung im Kl. Katechismus): wir dürfen zu Gott kommen „wie

die lieben Kinder zu ihrem lieben Vater“ - und dürfen unser Herz vor Ihm ausschütten und Ihm alle

unsere Sorgen und Probleme bringen. Der „himmlische Vater sorgt für uns“ sagt Jesus (Matthäus 6).

15 mal verwendet Jesus „Vater“ in der Bergpredigt. Es ist ein Name, den Jesus für Gott wählte. In keiner Religion der Menschheit darf man Gott als Vater anreden. Erst Jesus hat den Weg gebahnt zum Vater („niemand kommt zum Vater als durch Mich“ Johannes 14, 6). Der Heilige Geist verwandelt unsere innere Einstellung, so dass wir kindlich beten dürfen: „Abba, lieber Vater“ (Römer 8, 15; Galater 4, 6).

 

Ÿ „Geheiligt werde Dein Name“. Gott hat einen Namen – und dieser Name ist heilig. Gott ist nicht unser Kumpel, - „denn Gott ist im Himmel und du bist auf Erden“ (Prediger 5, 1) Deshalb

sollen wir in großer Ehrfurcht vor Gott treten. Das klingt schon an in der Anrede: „... der Du bist im Himmel“. „Himmel“ erinnert uns immer an den Anfang der Bibel: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ – d.h. den ganzen Kosmos (für Kosmos sagen die Hebräer „Himmel und Erde“). Die Menschen können nicht einmal einen Apfelkern machen. „Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes“ (Psalm 19). Beim Anblick des Sternenhimmels kam dem Abraham der Gedanke: “Diesem großen Gott kann man alles anvertrauen. IHM ist nichts unmöglich.“ Das hat sein ganzes Denken verwandelt (1. Mose 15). Es ist ein Wunder, dass wir zu diesem großen Gott „Vater“ sagen dürfen. Jesus hat dieses Wunder ermöglicht.

 

Ÿ „Breite Deine Gottesherrschaft aus“ (= „Dein Reich komme“). „Reich Gottes“ heißt wörtlich:

„Gottesherrschaft“. Durch unser Gebet soll Gott die Herrschaft auf unserer Erde bekommen. Denn hier regiert „der Fürst dieser Welt“, der Satan. Das melden uns jeden Tag Zeitungen und Fernsehen: Terroranschläge, Korruption, Finanzkrise (2008 gingen an der Wertpapierbörse der ganzen Welt in 5 Monaten 15 Billionen Dollar verloren; das ist das Vierfache aller privaten Spareinlagen in Deutschland. FAZ 6.2.09: „Gigantische Vermögensvernichtung“), 50 Mio. Abtreibungen pro Jahr in der ganzen Welt (laut WHO, jede ist eine Tötung!), 100 Millionen Todesopfer gehen auf das Konto der kommunistischen Regimes in 70 Jahren (1920-1990, von Stalin bis Mao; im „Schwarzbuch des Kommunismus“), Kriege usw. usw. Das sind die Zeichen für die Aktivität des Teufels, der hinter all diesen Ereignissen steckt. Mit dem Teufel wird nur Christus fertig. Deshalb schickte Ihn Gott in die Welt, „um die Werke des Teufels zu zerstören“ (1. Johannes 3, 8) Das sagte Jesus schon bei Seiner ersten Predigt: „Die Gottesherrschaft ist ganz nahe gekommen (weil ICH jetzt da bin!)“ (Luther: „Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen.“ Markus 1, 15). Gott hat nie Seinen Thron verlassen. Durch Jesus soll die Gottesherrschaft zurückerobert werden. Der Weg, den Gott dazu einschlägt, ist allerdings verborgen. Journalisten und Historiker werden ihn nie verstehen. Mit Hilfe des Gebets können wir ihn erkennen. Gott benützt ganz andere Mittel als die Machthaber der Welt, die auf Gewalt, Einfluss und Ehre setzen. Zu Pilatus, dem Vertreter der Weltmacht Rom sagt Jesus im Prozess: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt; wenn Mein Reich von dieser Welt wäre, dann würden meine Diener kämpfen...“ (Johannes 18, 36) Auf Golgatha ist Gottes ganz andere Strategie offenbar geworden:

am Kreuzesbalken hing die Ursache Seines Todes, in drei Sprachen für jedermann zu lesen (Pilatus lehnte eine Änderung ab! Johannes 19, 22): INRI = Jesus von Nazareth der König der Juden. Als König (mit der Dornenkrone) war ER bei der Folter verspottet worden, als König starb ER am Kreuz. ER erlitt den Tod eines Sklaven, die schmachvollste Todesart im Römerreich, die an einem römischen Staatsbürger niemals vollzogen werden durfte. Ist das der König, der die Gottesherrschaft wieder herstellen soll? Niemand glaubte das, - auch nicht die Jünger. Niemand konnte die göttliche Logik verstehen, - das war nicht das erste Mal, - und auch nicht das letzte Mal. Als Jesus am Kreuz laut rief: „Es ist vollbracht!“, war ein gewaltiger Sieg über den Teufel errungen. Kosmische Ereignisse bestätigten es: eine dreistündige Sonnenfinsternis, ein Erdbeben, der Vorhang im Tempel zerriss, auf dem Friedhof von Jerusalem öffneten sich Gräber, denen Tote als Lebende entstiegen. Die Auferstehung Jesu nach drei Tagen besiegelte das Ereignis als göttliches Siegeszeichen. Von jetzt ab regiert Christus als König – im göttlichen Sinn. ER arbeitet an dieser Welt mit göttlichen Mitteln: durch die Verkündigung des Evangeliums von Christus, durch Seinen Geist, durch Gebete. Ein großes Zeichen für das göttliche Wirken auf diese Weise ist die Ausbreitung des christlichen Glaubens in China in neuerer Zeit – ohne Waffen und ohne Finanzhilfe vom Ausland. Trotz staatlichen Widerstands und einer totalitären Ideologie gibt es jetzt ca. 80 Millionen Christen in China (vor allem in Hausgemeinden, das sind 8 % von 1Mrd. Einwohnern Chinas). „Es soll nicht durch Heer oder Kraft sondern durch Meinen Geist geschehen, spricht der HERR“ – prophezeite Sacharja (Sacharja 4, 6). Die Wiederkunft Jesu wird die Krönung von allem sein. Dieses große Ziel will Gott erreichen. Dazu hat Jesus die Bitte in das Vaterunser aufgenommen, - weil Gott auf Gebete hin schon oft Großes getan hat. (Gebete beschleunigen sogar das Wiederkommen Jesu, wie Petrus in seinem Brief schreibt: 2. Petrus 3, 13; siehe BK 95 S.3 oben). Die ersten Christengemeinden beschlossen ihren Gottesdienst mit dem Gebetsruf: Maranatha = „HERR Jesus, komm!“

 

Ÿ „Dein Wille geschehe“. Es wurden schon viele Diskussionen geführt, wie man den Willen Gottes in bestimmten Situationen erkennen kann – und die Neugierde der Menschen ist hier sehr groß. Was Gott will, das hat ER in Seinem Wort geschrieben. Die Bibel legt großen Wert darauf,

diesem Gotteswort einfach zu gehorchen. „Gott gibt den Heiligen Geist („der uns in alle Wahrheit leitet“ und uns bei Entscheidungen hilft – sagt Jesus Johannes 16, 13) denen, die IHM gehorchen“ – in allen Bereichen des Lebens (Apostelgeschichte 5, 32). Ein gutes Beispiel dafür ist Maria, die zum Engel Gabriel sagt: „Mir geschehe, wie du gesagt hast“ (Lukas 1, 38). Sie gehorchte, obwohl sie eine ihr unbegreifliche Botschaft gehört hatte. Gehorsame Menschen kann Gott leicht führen.

 

Ÿ „Gib uns unser täglich Brot“. Diese uns sofort einleuchtende Bitte kommt erst in der Mitte des

Vaterunsers, - für heutige Begriffe ziemlich spät. Aber damit will Jesus sagen: die göttlichen Angelegenheiten sind viel wichtiger als eure privaten, sie müssen an erster Stelle stehen: Anbetung der Heiligkeit Gottes, Aufrichtung der Gottesherrschaft, dem Willen Gottes gehorsam leben. Nicht unser Ich ist der Mittelpunkt der Welt sondern Gott ist das Zentrum des Kosmos. Gott um etwas bitten bedeutet, dass wir von Ihm abhängig sind, - dass nicht alles „machbar“ ist. Gott hat versprochen, uns gut zu versorgen und uns alles zu geben, was wir brauchen. ER gibt uns keinen Stein, wenn wir um Brot bitten, sagt Jesus (Matthäus 7, 9) Ein guter Geiger beklagt sich nicht, dass seine Violine nur vier Saiten hat. Ihm reichen vier Saiten, um seiner Freude im Spiel vollen Ausdruck zu verleihen. – Der Allmächtige ist mit uns, Jesus lebt in uns, der Heilige Geist führt uns. Nichts kann uns von Gott trennen. – Herz, was willst du mehr?

 

Ÿ „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ Vergebung brauchen wir, weil Sünde da ist – und Sünde verschwindet nur durch Vergebung. Sünde ist das allgemeine Wort für alles Schlechte in der Welt. Über 50 verschiedene Wörter für Sünde stehen in der hebräischen Bibel. Man denke auch an die sog. „Lasterkataloge“ in Römer 1 und 2.Timotheus 3. Gesetze, Gerichte, Polizei, Verbote – das alles wird eingesetzt, um das Böse zu bekämpfen, mit wenig Erfolg, - bis heute! Sünde wird nur aus der Welt geschafft, wenn sie vergeben wird – und das kann nur Gott, und dafür ging Jesus ans Kreuz. Letzten Endes versündigen wir uns nicht an einem Gesetz sondern an Gott (“... an Dir allein habe ich gesündigt“ Psalm 51, 6. Davids Ehebruch und Mord). Sünde zerstört, Sünde ruiniert Beziehungen, Sünde tötet (deshalb die „Sieben Todsünden“). Die Welt hat keine Medizin gegen das Böse. Die angebotenen Hilfen der Psychologie, Erziehung und der Justiz reichen nicht aus. Die einzige Hilfe hat Jesus gebracht. Paulus sagt: „Mit Christus sterben – und mit Christus auferstehen“ – dann fängt ein neues Leben an (Epheser 2, 13), in dem die Sünde nicht mehr die Oberherrschaft hat sondern Christus. Vergebung ist ein Wunder. Als Mensch ohne Vergebung leben, das macht das Leben schwer. Ohne Vergebung enden Menschen im Jüngsten Gericht in der Finsternis. – Ein viel gelesener Schriftsteller in USA (Kurt Vonnegut), ohne kirchliche Bindung, schreibt: „Im Vergleich zu Einsteins berühmter Energie-Formel entfaltet das Vaterunser in Sekundenschnelle (durch die Bitte „Vergib uns unsere Schuld wie wir vergeben unseren Schuldigern“) eine viel größere Energie Leben spendender Kraft. Es gibt keine Zukunft ohne Vergebung – in Ewigkeit. Amen.“

 

·    „Und führe uns nicht in Versuchung sondern erlöse uns von dem Bösen.“

 

Mehr hilft uns die Übersetzung: „Führe uns so, dass wir nicht in Versuchung kommen.“ Jesus nimmt diese Bitte in Sein kurzes Gebet auf, weil uns das eine große Hilfe sein kann. Denn wer in Versuchungen widerstehen kann, erspart sich viel Herzeleid. „Aber die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde.“ (1. Mose 3, 1) Mit diesem Satz beginnt die Geschichte vom Sündenfall des Menschen. Schon im nächsten Kapitel sagt Gott zu Kain, als sein Opfer von Gott nicht angenommen wurde - und noch vor seinem Mord: „... die Sünde lauert vor der Tür“ (1. Mose 4, 7). Luther hat zutreffend gedichtet: „Groß’ Macht und viel List sein grausam Rüstung ist, auf Erd’ ist nicht seinsgleichen.“ Schon das Sprichwort sagt: „Trau, schau – wem?“ An Raffinesse und Schlauheit ist der Teufel allen Menschen überlegen. Könige und Weise sind in seine Falle gegangen. Spurgeon sagt: „Man täusche sich nicht: Satan hat überdies in 4000 Jahren viele Erfahrungen gesammelt.“ Und der Apostel Paulus warnt: „Selbst in einen Lichtsengel kann sich der Teufel verstellen.“ (2. Korinther 11, 14). Deshalb brauchen wir Hilfe, - und zwar göttliche Hilfe, damit wir in Versuchungen nicht unterliegen. Die Tragik besteht darin, dass das Böse meist verkleidet erscheint als etwas Gutes und Schönes. Das sehen wir schon bei den zwei großen Versuchungen in der Bibel.

s Eva im Garten Eden: die Schlange verlangt von ihr etwas, was Eva eigentlich als gut empfand: von einem schönen Apfelbaum eine schmackhafte Frucht essen, wodurch man klug wird – und dass Eva gleich bereit war, mit Adam zu teilen, ist ein gutes Zeichen. Was soll an dem allen bloß schlecht sein? Dass hier Böses mitschwang, hat Eva ganz übersehen. Sie war vom Positiven so beeindruckt war, dass sie an eine Übertretung des Gottesgebots gar nicht dachte. Mit diesem schlauen Einstieg gelang es dem Teufel die Eva zu überlisten und damit die ganze Menschheit ins Verderben zu stürzen – und wir leiden bis heute alle darunter. Eines wird gleich am Anfang deutlich: wenn der Teufel gewinnen will, dann muss er mit List beginnen. Damit werden die Menschen am leichtesten seine Beute. Das lehrt uns, wie wichtig diese Bitte im Vaterunser ist. Denn wenn der Teufel eingefädelt hat, dann „nimmt das Unglück seinen Lauf“ – und niemand hält es auf.      

s Bei der Versuchung Jesu in der Wüste war es nicht viel anders: in der Wüste Brot machen, ein Wunder tun, die Welt weise regieren – das sind alles gute Dinge. Aber Jesus nahm den Köder nicht an. Jesus weigerte sich, etwas zu tun, was oberflächlich als Gutes erschien. Mit dieser Verweigerung hat ER den Sieg über den Satan errungen.        

Das ist unsere Schwäche, dass wir den „Pferdefuß“ (diese Redensart stammt von dem bekannten Teufelsbild) in der Versuchung nicht erkennen und deshalb so leicht verführbar sind. Der Apostel Paulus erwähnt in einem Brief an die Christen in Korinth eine ganze Reihe von Versuchungen – und Niederlagen! – aus der Geschichte Israels. Er beschließt den Abschnitt mit den ernsten Worten: „Das ist uns geschrieben zur Warnung: wer meint, er stehe, soll Acht geben, dass er nicht falle.“ (1. Korinther 10) Viel mehr Böses entsteht in Bereichen, die uns als gut erscheinen als in der Unterwelt und in den Slums. Viele meinen, Gutes zu tun und merken nicht, dass sie ein Gebot Gottes übertreten (Beispiel: Thema Abtreibung). Das soll uns alles nicht wundern, denn so hat es angefangen im Garten Eden. Wir wissen nicht, wann für uns die nächste Prüfung kommt. Deshalb betont Jesus in Seinem Gebet: „Betet, dass ihr die Hilfe Gottes erfahrt, wenn ihr geprüft werdet.“ Gott allein kann uns da helfen. Die ganze Heilige Schrift ist durchzogen von solchen Bitten.

 

·                    „Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. AMEN“   Der Schluss des Vaterunsers ist eine starke Ermutigung. Wir beten zu einem großen Gott, der unsere Kraftquelle ist: Gottes Herrschaft (= Reich) erstreckt sich auch über die bösen Mächte, Seine Kraft reicht für alles aus, alle Wege Gottes enden in Herrlichkeit. AMEN, das bedeutet: so ist es und so bleibt es, das ändert sich nicht – darauf können wir uns absolut verlassen.

 

II. Ein Lobpreisgebet Jesu. (Matthäus 11, 25+26; dazu vorher: Matthäus 11, 1-6; 20-24)

 

„Zu der Zeit fing Jesus an und sprach: ICH preise Dich, Vater,     HERR des Himmels und der Erde, weil Du dies den Weisen      und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen    offenbart. Ja, Vater, denn so hat es Dir wohlgefallen.“

                                                                                               Matthäus 11, 25+26

 

            Es ist überraschend, dass eins von den wenigen Gebeten Jesu ein Lobpreisgebet ist. Damit erhält der Lobpreis einen hohen Stellenwert. Noch mehr ist man verwundert, wenn man erfährt, was der Hintergrund dafür ist: nicht ein freudiges Ereignis sondern eher eine Enttäuschung. Und gerade deshalb hat dies Gebet besonderes Gewicht und man kann hier viel von Jesus lernen. Was war vorher passiert? Zwei Mal erlebte Jesus eine bittere Enttäuschung:

·                    Johannes der Täufer konnte Jesus nicht verstehen. Er war es ja, der das Auftreten des seit Urzeiten erwarteten Messias vorbereitete. Das war eine große, ehrenvolle Aufgabe für ihn. Er hat den Messias auch getauft und hörte dabei die göttliche Stimme: „Dies ist Mein lieber Sohn...“ Dann zog er sich zurück und sagte: „ER muss wachsen, ich aber muss abnehmen“ (Johannes 3, 30). Johannes kam schließlich sogar ins Gefängnis auf die Festung Machärus. Dort erfuhr er vom Wirken Jesu. Aber das war nicht nach seinen Vorstellungen. Er war ein Asket in der Wüste. Jesus predigte und heilte in den Dörfern, trank manchmal mit seinen Leuten ein Glas Wein. Zur Befreiung des Johannes hat ER nichts unternommen. Johannes hatte Gewaltiges erwartet und fragt: „Bist du der kommende Messias („ich sehe so wenig von Deinem <wachsen>“) – oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Jesus antwortete: „Ja, ich bin der Messias und tue die Arbeit des Messias – nur nicht in der Weise wie Johannes es erwartet.“ Das erinnert an Jesaja: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und meine Wege sind nicht eure Wege“ (Jesaja 55, 8+9). Jesus schließt mit den Worten:: „Gesegnet ist der, der an Mir und Meinen Wegen nicht irre wird.“ (Matthäus 11, 6). – Wir verstehen das Handeln Gottes in unserem Leben oft nicht, – und werden an Gottes Verheißungen irre. Jesus will uns helfen, wenn ER sagt: „Bleib auf Gottes Wegen, weiche nicht davon ab, auch wenn es ganz dunkel wird. Der Messias kennt das Ziel (es ist Herrlichkeit!) und ER bringt uns sicher dorthin.“

·                    Jesus verbrachte die längste Zeit Seines irdischen Wirkens am See Genezareth in drei Dörfern Galiläas: in Bethsaida, Kapernaum und Chorazin. Das war das „evangelikale Dreieck“ am Nordufer des galiläischen Meeres. Dort tat ER die meisten seiner Wunder: Heilung eines Blinden, - eines Gelähmten, - des todkranken Sohns eines römischen Hauptmanns, - eines Besessenen u.a. Auch die meisten Seiner Jünger stammten aus diesen Dörfern. Jesus war von Nazareth nach Kapernaum umgezogen. Hier hat ER sein „Hauptquartier“ aufgemacht. In diesen eng neben-einander liegenden Dörfern hat jeder jeden gekannt, - hat jeder auch genau gewusst, wer Jesus ist und was ER alles getan hat. Aber fast alle haben IHN ignoriert. Jesus war für sie nicht von Bedeutung. Was ER predigte, hat sie nicht im geringsten interessiert. Auch die Wunder machten sie nicht nachdenklich. – Jesus hat diese drei Dörfer mit drei ganz üblen und verrufenen Städten aus alter Zeit verglichen, mit Sodom, Tyrus und Sidon: „Ihr denkt wohl, dass diese gottlosen Städte besonders sündig waren? Bei euch ist es noch schlimmer! Ihr tanzt vor dem Eingang zur Hölle! – Total gleichgültig sein gegenüber Gott, das ist das Schlimmste! Gott ist mitten unter euch und ihr sagt: das interessiert uns wenig!“ – Manches Böse sieht gar nicht so böse aus. Das Böse in diesen drei Dörfern „stinkt nicht zum Himmel“ – wie die Skandale um König Herodes. Es ist einfach Gleichgültigkeit und Ablehnung. Jesus hat neues Leben mit Gott angeboten – und sie zucken nur mit den Schultern: „Wir haben anderes zu tun.“ – Menschen, die Jesus am besten und aus nächster Nähe kannten, hatten kein Interesse, mit Jesus Freundschaft zu schließen.

Warum spricht Jesus nach solchen Enttäuschungen ein freudiges Preisgebet? ER überlegt nicht, ob ER vielleicht nicht doch einen anderen Weg einschlagen sollte. ER sieht die Sache ganz anders. ER hat die göttliche Perspektive. Gott kommt auf andere Weise als die „Besserwisser“ und „Neunmalklugen“ dieser Welt meinen (die „Weisen und Klugen“). Umfrageergebnisse und Statistiken haben für Jesus keinen prophetischen Wert. Während heute viele vom Ende des Christentums reden, sieht Jesus unter der Oberfläche verborgene Kräfte am Werk, unterirdische Ströme mit gewaltigen Energien: die Gebete, der Gehorsam der Gläubigen, das Gottvertrauen, die Fürbitte, Vergebung, Heiligkeit und Gnade. Diese verborgenen Kräfte sind stärker als die Mächte der Welt, sie bringen die Gottesherrschaft herbei, - versteckt in heimlichen Winkeln der Welt (wie so manche Hütte in China), bei Menschen, die im Schatten leben, von der Mehrheit ignoriert werden – aber Jesus Großes zutrauen und auf die Gottesherrschaft bauen. Wie es im Psalm heißt: „Aus dem Lobpreis der Schwachen und Hilflosen baust Du eine Mauer, an der Deine Feinde und Rachgierigen zu Fall kommen“ (Psalm 8, 3. Übers. Gute Nachricht). Das ist der Grund, weshalb Jesus in einer deprimierenden Situation einen Lobpreis anstimmt: Gott arbeitet anders als die Welt denkt. Gott tut Seine größten Wunder mit Schwachen und Unbedeutenden - mit göttlichen Mitteln. Gesegnet ist der Mensch, der dies zu seinem Lebensprinzip macht. Gott ist auf seiner Seite – und niemand kann widerstehen. „Ja, Vater, so gefällt es Dir!“ Damit schließt Jesus diesen Lobpreis.

 

Benützte Literatur: Eugene Peterson „The Word made Flesh – Jesus in His Stories and Prayers.” 2008

 

 

28. Februar 2009                                                                               Pfr. Gerhard Hägel, Bobengrün