Es folgen nun Zitate aus den beiden erwähnten Büchern von Adolf Deissmann (ergänzende oder erklärende Anmerkungen in Klammern beigefügt, mit G.H. gekennzeichnet).
Seite 1+2:
Vorkommen dieser Formel: 164 mal in den Paulus-Briefen
24 mal im Joh.- Evang. und den Joh.- Briefen
8 mal in Apostgesch. und Petrusbriefen
am häufigsten: im Eph.Brief 35 mal
im 2.Kor.Brief 23 mal
im Röm.Brief 21 mal
im Phil.Brief 21 mal
im Kol.Brief 18 mal
im Philemon-B. 5 mal
(Deissmann hat in einem Zug das griech. Alt.Test. (Septuaginta) rasch durchgelesen, um die Verwendung der Präposition „in“ festzustellen. - In einer normalen Lutherbibel mit 78 Seiten für die Paulus-Briefe steht im Schnitt über 2 mal „in Christus“ auf e i n e r Seite. G.H.)
S. 69: Es ist eine Eigentümlichkeit paulinischer Redeweise, besonders wichtige Gedanken durch Häufung, Nebeneinander- oder Gegenüberstellung von Präpositionen eine schärfere Prägung oder gar eine der wir- kungsvollen Bestimmtheit eines Wortspieles nahekommende logische Zugespitztheit zu verleihen (17 Stel-len, als Beispiele: Röm.8,31; 11,36; Kol.1,16; Eph.4,6) – (auch Röm.8,37: Luther: „weit überwinden“ = wörtl. exakt: „hyper-nikoomen“ = Supersiege erringen“ – G.H.)
S. 70: „en“ mit persönlichem Singular ist in der gesamten griechischen Literatur einschließlich der urchrist-lichen Literatur ein sehr seltener Sprachgebrauch. Bei einem einzigen Autor (Paulus) finden wir es überaus häufig. Wie ist das zu erklären? Wir haben hier den Lieblingsbegriff der religiösen Sprache des Apostels. Paulus schuf einen ganz neuen terminus technicus (Fachausdruck).
S. 81: Die Formel charakterisiert das Verhältnis des Christen zu dem lebendigen Christus, das ein lokales ist. Die Formel ist der technische Ausdruck für den paulinischen Zentralgedanken der „koinonia“ (= Gemein- schaft) mit Christus.
S. 97: Das Resultat dieser Untersuchungen ist kurzgefasst dieses:
Die von Paulus geschaffene Formel „en Christo Jesu“ charakterisiert das Verhältnis des Christen zu Jesus Christus als ein lokal aufzufassendes Sichbefinden in dem pneumatischen Christus. Für diesen Gedanken für ein Verhältnis des Menschen zu einem anderen Menschen fehlt es völlig an einer Analogie.
In jedem Fall ist die Formel der eigentümlich paulinische Ausdruck der denkbar innigsten Gemeinschaft des Christen mit dem lebendigen Christus.
S. 99: Die Tragweite der richtigen Erklärung: Wenn diese Formel in der an Umfang verhältnismäßig so bechränkten paulinischen Literatur (78 Seiten in einer normalen Luther-Bibel – G.H.) sich 164 mal findet und zwar in Beziehung zu wichtigen religiösen und ethischen Begriffen, kann die Wichtigkeit der richtigen Erklärung gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Es ist hier wirklich so, dass auf dem winzigen „en“ <montes doctrinarum> (= Berge der christlichen Lehre) sich erheben: die ganze Auffassung der paulinischen Christologie und damit des christozentrischen Paulinis- mus überhaupt erhält ihr eigenartiges Gepräge nicht zuletzt durch die Stellung, welche man zu dieser Präpo- sition („en“) und der mit ihr gebildeten Formel einnimmt.
S. 113: Zur berühmten Stelle Phil. 2,5:
Diese Stelle ist eine der interessantesten. Sie ist so zu übersetzen: „habt dieselbe Gesinnung unter euch, wie
ihr sie auch im Christus Jesus habt.“
Die zentrale Stellung der Formel in der Gesamtliteratur des Paulinismus: (Seite 118+119)
1. Das apostolische Selbstbewusstsein des P a u l u s :
Der Apostel fühlt sich als „ein Mensch in Christus“ (2.Kor.12,2).
Als solcher vermag er alles „in Christus, der ihn stark macht“ (Phil.4,13).
Er bildet seine Überzeugung „in Christus“ (Röm.14,14).
Er fasst seine Lebensführung auf als „Wege in Christus Jesus“ (1.Kor.4,17)
und seine Erfolge als eine „im HERRN geöffnete Türe“ (2.Kor.2,12).
Selbst auf die tiefste Demütigung fällt ihm von hier aus ein Strahl des Trostes: sogar „seine Bande in Christus“ müssen offenbar werden, (Phil.1,13) ist er doch „ein Gefangener in dem HERRN“ (Eph.4,1)
und darum sein Mitgefangener ein „Mitgefangener im HERRN“. (Philem.23)
In allen Leiden dieser Zeit vertraut er „im HERRN“ auf Gott, (2.Thess.3,4; Gal.5,10; Röm.14,14; Phil.2,24)
der uns allezeit „in Christus im Triumphzug führt“; (2.Kor.2,14)
darum kann er sich fühlen, als einer, „der sich in Christus Jesus rühmt“ (Phil.3,3)
„der seinen Ruhm in Christus Jesus hat“, (1.Kor.15,31; Röm.15,17)
der zwar „schwach im HERRN“ ist (2.Kor.13,4) aber doch auch „hocherfreut ist in dem HERRN“ (Phil.4,10) und keinen höheren Wunsch hat, als „in IHM erfunden zu werden“. (Phil.3,9)
Als „Erzieher in Christus“ (1.Kor.4,15) hat er die Aufgabe, „in IHM zu lehren“ (Eph.4,12), und zwar „die Wahrheit in Jesus“ (Eph.4,21). Seinen Zöglingen ist er der geistliche Vater, der sie „in Christus Jesus gezeugt hat“. (1.Kor.4,15)
Timotheus ist sein „lieber und getreuer Sohn in Christus“ (1.Kor.4,17) Er weiß, dass er diese Kinder zunächst als „unmündige Kinder in Christus“ zu behandeln hat, (1.Ko.3,1) doch will er sie durch „sein Reden in Christus“, (2.Kor.2,17; 12,19) nämlich „die Wahrheit sagen in Christus“ (Röm.9,1) und „bezeugen in dem HERRN“ (Phil.2,1) mit Hilfe seiner „Mitarbeiter im HERRN“ (Röm.16,3+9) und der „Diener und Mitknechte im HERRN“ (Kol.4,7) zu „Klugen in Christus“ machen (1.Kor.4,10) und sie darstellen als „vollkommen im HERRN“ (Kol.1,28). Darum sind seine Gemeinden „sein Werk im HERRN“ (1.Kor.9,1), das „apostolische Siegel im HERRN.“ (1.Kor.9,2)
2. Diese G e m e i n d e n (S.119)
bestehen aus denen, die „in Christus“ sind (1.Kor.1,30; Röm.8,1),
weil sie „in Christus Jesus geschaffen sind“ (Eph.2,10),
weil sie „in IHM beschnitten sind, nicht mit Händen“ (Kol.2,11)
weil sie „in IHM versiegelt sind“ (Eph.1,13)
weil sie „in IHM auferstanden sind“ (Kol.2,12).
Darum sind die Einzelgemeinden
„Gemeinden in Christus“ (1.Thess.1,1; 2,14; 2.Thess.1,1; Gal.1,22)
und können als „ihr alle in Christus Jesus“ angeredet werden (1.Kor.16,24)
oder als „Geheiligte in Christus Jesus“ (1.Kor.1,2)
und „Heilige in Christus Jesus“ (Phil.1,1; Kol.1,2). Als solche sind sie „Licht im HERRN“ (Eph.5,8) und haben die Bestimmung, „in ihm zu wachsen“ (Eph.2,21)
„zu einem heiligen Tempel im HERRN“ (Eph.2,21).
Deshalb arbeiten in der Gemeinde „die euch vorstehen in dem HERRN“ (1.Thess.5,12),
„die ihr Amt („diakonia“) im HERRN empfangen haben“ (Kol.4,17)
und deren Ruhm es ist, „treue Diener im HERRN zu sein“ (Eph.6,21)
oder „ein Bewährter in Christus“ zu sein (Röm.16,10).
Jeder Verkehr der Gemeinden untereinander, sei es durch ein „Wort des Grußes“ (1.Kor.16,19; Röm.16,22),
sei es durch eine Tat des „Aufnehmens“ (als Gast) (Röm.16,2; Phil.2,29) , geschieht „im HERRN“,
sind doch alle „eins in Christus Jesus“ (Gal.3,28), „ e i n Leib in Christus“ (Röm.12,5)
3. Der e i
n z e l n e C h r i s t , (S. 120)
der “in dem HERRN ist“ (Röm.16,11) oder ein „Gläubiger
in Christus“ ist (Kol.1,2; Eph.1,1),
wie der Welt gegenüber ein „Heiliger in Christus Jesus“ (Phil.4,21),
so den Mitchristen gegenüber ein „Bruder in Christus“ (Phil.1,14; Philem.16; Kol.1,2).
Seine natürlichen Beziehungen erhalten „in Christus“ ihre Weihe:
er ehrt Vater und Mutter als „Eltern in Christus“ (Eph.6,1),
weil er weiß, dass es so „wohlgefällig ist in dem HERRN“ (Kol.3,20);
er geht „im HERRN“ die Ehe ein, welche nur „im HERRN“ ihrem idealen Zwecke gerecht wird (1.Kor.11,11);
die Gattin ordnet sich dem Manne unter „wie sich’s gebührt in dem HERRN“ (Kol.3,18),
der Freund ist dem Freunde der „Geliebte im HERRN“ (Röm.16,8);
die nationalen und sozialen wie die physischen Unterschiede schwinden:
„Hier ist nicht Jude, Grieche, Sklave, Freier, Mann, Frau - ihr seid alle einer in Christus Jesus“ (Gal.3,28;1.Ko.7,22).
Das Leben des Christen soll ein „Leben in Christus“ sein (Kol.2,6),
ein „feststehen in Christus“ (Phil.4,1; 1.Thess.3,8),
ein „stark sein in dem HERRN“ (Eph.6,10),
ein „frommes Leben in Christus“ (2.Tim.3,12), ja ein
„mühen im HERRN“ (Röm.16,12),
und wenn es nicht jeder zu einem „Auserwählten im HERRN“ bringt (Röm.16,13), so darf doch jeder
wissen, dass „seine Arbeit nicht vergeblich ist in dem HERRN“ (1.Kor.15,58);
der Auserwählte im HERRN wird nicht vergessen,
dass „euer Rühmen im HERRN überströmt in Christus Jesus“ (Phil.1,26).
Als „verwurzelt und gegründet in IHM“ haben sie alle die Pflicht,
„ e i n e s Sinnes zu sein im HERRN” (Phil.4,2),
damit sie „miterbaut werden zu einer Wohnung im Geist“ (Eph.2,22)
(Es folgen als weitere Themen: 3. Das H e i l in Christus (43 Stellen) 4. Die H e i l s g e s c h i c h t e von dem Gesichtspunkt „in Christus“ aus, die übergangen werden, da hier nur die persönliche Seite hervor-gehoben werden soll. G.H.).
II. „Paulus“ von A. Deissmann (Tübingen 1925, 2. Auflage) Zitate aus diesem Buch:
5. Der Christ Paulus.
S. 103+104: Bei Damaskus kam es zu dem Erlebnis, das für Paulus eine völlige Umwandlung bedeutete, zu
der Bekehrung. – Er beschreibt diesen Vorgang einmal so: „ER erschien auch mir“ (1.Kor.15,8). Ein anderes
Mal sagt er: „Ich habe Jesus, unseren Herrn, gesehen“ (1.Kor.9,1) oder er bekennt: „Ich bin von Jesus Christus ergriffen worden“(Phil.3,12). In der Erinnerung an die Damaskusstunde steht wohl immer der Eindruck eines gewaltig aufleuchtenden Lichts (2.Kor.4,6), dem bei der Schöpfung aus der Finsternis hervorbrechenden ersten strahlenden Gottestag vergleichbar. Ein Erlebnis, das die Offenbarung des lebendigen Christus oder das Inbesitzgenommensein durch Christus bedeutet ... das ist für Paulus selbst das Ereignis von Damaskus. S.105: Im Galaterbrief stehen zwei Bekenntnisse für den Mann, der seinen Christenstand durch das Wort charakterisiert: „Christus lebt in mir“ (Gal.2,20), für den Damaskus der Beginn dieser Einwohnung Christi ist: „Gott hat seinen Sohn in mir geoffenbart“ (Gal.1,16).
6. Der Christ Paulus. Die Frömmigkeit des Paulus.
S. 107: Mit zwei Worten haben wir das Geheimnis der paulinischen Frömmigkeit beschrieben: Christus in Paulus, Paulus in Christus. Die Paulusfrömmigkeit ist christozentrisch: sie ist nicht zunächst eine Summe von Überzeugungen und hohen Lehren über Christus; sie ist Christus-Gemeinschaft, Christ-Innigkeit. Paulus lebt „in“ Christus, in dem lebendigen und gegenwärtigen Christus, der ihn umwaltet, der ihn erfüllt, der mit ihm spricht (2.Kor.12,9), der in und aus ihm redet (2.Kor.13,3) Christus ist für Paulus nicht eine Person S. 108: der Vergangenheit ... sondern eine Realität und Macht der Gegenwart, eine Energie, deren Lebens-kräfte in ihm selbst sich auswirken. Paulus ist auch christologischer Denker, aber er ist vor allem „Christusträger“.
S. 110: Wichtiger ist die Tatsache, dass Paulus von Christus und dem Geist an zahlreichen Stellen ganz gleichwertige Bekenntnisse ablegt. Das ist besonders an der Parallelität der Formeln „in Christus“ und „im (heiligen) Geist“ zu beobachten. Die bei Paulus nur 19 mal stehende Formel „im Geist“ ist fast immer
mit denselben spezifisch paulinischen Grundbegriffen verbunden wie sonst die Formel „in Christus“: Glaube, Gerechtigkeit, Freude, Liebe ... Alles dies schaut und erlebt der Christ „in Christus“, aber auch „im Geist“; das heißt tatsächlich: „in Christus, der der Geist ist.“ (2.Kor.3,17).
S. 111: 164 mal kommt die Formel „in Christus“ – oder „im Herrn“ – bei Paulus vor: wirklich das Kennwort seines Christentums. Diese Formel muss erfasst werden als der eigentümlich paulinische Ausdruck der denkbar innigsten Gemeinschaft des Christen mit dem lebendigen pneumatischen Christus.
S. 113: Für Paulus ist das Pneuma, ist Gott, ist der lebendige Christus Wirklichkeit, ja die Wirklichkeit der Wirklichkeiten. Der Geist, der in Paulus lebendig ist, ergründet alles, auch die Tiefen Gottes (1.Kor.2,10), aber er ergrübelt keine Definitionen Gottes.
S. 114: Eines darf nicht übersehen werden: der Pneuma-Christus des Paulus ist nicht Phantasie, sondern hat seinen festen Halt am Kreuz: er ist und bleibt „der Gekreuzigte“ (Gal.3,1; 1.Kor.1,23;2,2).
S. 115: Für nicht richtig halte ich die Behauptung, dass bei Paulus die Taufe den Zugang zu Christus ver-mittele. Die Taufe ist nicht die Herstellung, sondern die Versiegelung (Röm.4,11) der Christusgemeinschaft. Bei Paulus selbst war ja jedenfalls nicht die Taufe das Entscheidende gewesen, sondern die Christophanie von Damaskus. – Auch das Abendmahl ist für ihn nicht die reale Ursache der Gemeinschaft mit Christus, sondern eine Äußerung der Gemeinschaft; es ist ein besonders inniger Kontakt mit dem Herrn (1.Kor.10,16). Das Abendmahl stellt die Gemeinschaft nicht her, sondern es stellt sie dar. Als magisch wirkend sind dabei weder Taufe noch Abendmahl gedacht (1.Kor.10,1-13).
7. Der Christ Paulus. Der „Glaube in Christus“ als das Heilserlebnis.
S. 125: Mit der Gewissheit von Damaskus „Christus in mir“ und der inhaltlich gleichen Gewissheit „ich in Christus“ ist in der tiefen Seele des Bekehrten eine unerschöpfliche religiöse „Energie“ konzentriert und nach allen Seiten hin strahlt Paulus nun die „Christuskraft“ (2.Kor.12,9; 1.Kor.5,4), die ihn durchwaltet, spendet er den „Christusreichtum“ (Eph.3,8; 2,7), den „Christussegen“ (Röm.15,29) und die „Christusfülle“ (Eph.4,13), die ihm geworden sind.
S. 126: Der Glaube ist bei Paulus Glaube „in“ Christus, (Gal.3,26; 5,6; Kol.1,4; Eph.1,15; 1.Tim.1,14; 3,13; 2.Tim. 1,12; 3,15) d.h. der Glaube ist etwas, was in der Lebensverbindung mit dem pneumatischen Christus sich vollzieht. Die vielen Genetiv-Verbindungen mit Christus bei Paulus weisen auf die Gemeinschaft mit Christus hin, was in der deutschen Sprache am besten durch ein zusammengesetztes Hauptwort nachahm-bar ist:
die „Christusliebe“ (2.Kor.5,14; Eph.3,19; Röm.8,35)
die „Christushoffnung“ (1.Thess.1,3)
der „Christusfriede“ (Kol.3,15)
die „Christussanftmut“ (2.Kor.10,1)
die „Christusbarmherzigkeit“ (Phil.1,8)
die „Christusgeduld“ (2.Thess.3,5)
der „Christusgehorsam“ (2.Kor.10,15)
die „Christuswahrheit“ (2.Kor.11,10)
die „Christusfurcht“ (Eph.5,21; 2.Kor.5,11)
die „Christusbeschneidung“ (Kol.2,11)
die „Christusleiden“ (Phil.3,10; 2.Kor.1,5)
die „Christustrübsale“ (Kol.1,24)
dazu (siehe oben S.125): „Christuskraft“, „Christusreichtum“, „Christussegen, „Christusfülle“.
Seite 128: Der Glaube des Paulus ist also die in der Gemeinschaft mit Christus hergestellte Verbindung mit Gott, die ein unerschütterliches Abrahamsvertrauen auf die Gnade Gottes ist.
Seite 132: 1.Mose 15,6: „Abraham glaubte und das wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet“. Der Glaube ist bei Abraham nicht Aktion sondern Reaktion, nicht menschliche Leistung vor Gott, sondern göttliche Wirkung auf den Menschen in Christus, Rechtfertigung „in Christus“ (Gal.2,17). Der Glaube ist nicht die Vorbedingung der Rechtfertigung, er ist das Erlebnis der Rechtfertigung. Gerechtfertigt in Christus, hat der Gläubige „Gottes- gerechtigkeit“ in Christus (2.Kor.5,21). – Paulus liebt die Vergleiche aus dem Militär und dem Rechtsleben,
die Bilder aus dem Landleben sind selten.
Seite 139: Es gibt wohl keine reichere Zeile als den Triumphruf des zweiten Korintherbriefs (2.Kor.5,17; Gal.6,15):
„Ist man in Christus, so ist man eine neue Kreatur.“
In Christus lebend, teilt Paulus sein Leben in zwei große Perioden, die des alten Paulus und die des neu-geschaffenen Paulus. Der „alte Mensch“ (Eph.4,22; Röm.6,6) hat in dem finsteren vielfach ummauerten Kerker (Gal.3,23; Röm.7,6.23) von sieben Unheils-Sphären geschmachtet:
„im“ Fleisch (Röm.7,5; 8,8.9)
„in“ den Sünden“ (1.Kor.15,17)
„in“ Adam (1.Kor.15,22),
und seinem Todessschicksal (Röm.5,21; 1.Joh.3,14),
„im“ Gesetz (Gal.5,4; Röm.3,19; 2,12),
„in“ der Welt (Eph.2,12),
„In“ den Leiden (2.Kor.6,4), Seite 140:
der „neue Mensch“ (Kol.3,10) lebt und webt „in“ Christus:
„Licht leuchtet auf in der Finsternis!“ (2.Kor.4,6). „Das Alte ist vergangen. Siehe, es ist neu geworden!“ (2.Kor.5,17)
Das Fleisch hat keine Gewalt über den neuen Menschen, weil er es als Angehöriger Christi „gekreuzigt“ hat (Gal.5,24).
Seite 141: Wie hoch der neue Paulus sich über die Welt und ihre satanisch-dämonischen Mächte erhaben weiß, zeigen viele Kraftworte, die aus der Verbindung mit Christus ihre Wucht erhalten haben; das mächtigste Triumphlied erklingt wohl im Römerbrief: „Ich bin gewiss, ... nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“ (Röm.8,35-39)
Seite 142: Charakteristisch paulinisch ist schließlich die Gewissheit, in Christus speziell über das Leiden erhaben zu sein. Paulus hat hier einen Begriff geprägt, der zu den tiefinnigsten gehört, die wir von ihm haben: weil er „in“ Christus leidet, sind ihm die Leiden „Christusleiden“ (Phil.3,10; 2,Kor.1,5) oder „Christustrübsale“ (Kol.1,24). Nicht der alte Paulus leidet, sonder der neue Paulus, der ein Glied am Leib Christi ist und der darum alles mystisch miterlebt, was der Leib erlebt hat und erlebt: er „leidet mit Christus“ (Röm.8,17), ist „mit Christus gekreuzigt“ (Gal.2,20), „mit Christus gestorben“ (Röm.6,8), „begraben“ (Röm.6,4), „auferweckt“ (Kol.2,12) und er „lebt mit Christus“ (Röm.6,8). So ist das Leiden nicht eine Anomalie im Leben des Paulus, sondern als „Christusleiden“ ein normales Stück seines Christenstandes: ein ganz bestimmtes Maß von „Christus- trübsalen“ muss nach Gottes Plan von Paulus „vollgemacht“ werden (Kol.1,24).
8. Der Christ Paulus. Entfaltung der Christusgewissheit.
Seite 144: Paulus in Christus, Christus in Paulus! Was immer wir von den Bekenntnissen des christus-erfüllten Paulus betrachtet haben, bezog sich letztlich auf dieselbe eine Heilsgewissheit, auf seine in der Gemeinschaft mit Christus gewonnene normale Stellung zu Gott.
Seite 146: Die Stunde von Damaskus hat ihn in die Gottesnähe gebracht; in seine schwache Menschlichkeit strömte die Gotteskraft des lebendigen Christus; jetzt kann er wirklich Abba sagen.
Seite 147: Zuerst müssen wir von Christus in irgendeiner Weise ergriffen sein, dann kommt die Christologie von selbst. „Ob und wieweit wir Christus erkennen, hängt davon ab, ob und wie sehr wir Christus liebhaben.“ Eine bloß intellektuelle Christologie, die nicht aus der religiösen Verbindung mit Christus stammt, ist wertlos.
Vor allem Dichter aus der Zeit des Pietismus haben das Thema „Christus in uns“ in ihren Liedern aufgegriffen, unter ihnen besonders Gerhard Tersteegen (1697-1769) und Philipp Friedrich Hiller (1699-1769).
Herr, komm in mir wohnen, laß mein Herz auf Erden
dir ein Heiligtum noch werden.
Komm du nahes Wesen, dich in mir verkläre,
dass ich dich stets lieb und ehre.
Wo ich geh, sitz und steh, laß mich dich erblicken
und vor dir mich bücken.
Gerhard Tersteegen
(aus: „Gott ist gegenwärtig...“ - letzte Strophe)
Mein alles, was ich liebe, mein alles, was ich übe,
sei mein Herr Jesus Christ,
weil ich in ihm besitze, was einer Seele nütze,
was einem Menschen köstlich ist.
Wenn ich das Weltgetümmel, die Erde und den Himmel,
nur Jesum nicht verlier,
so kann ich im Erkalten das Beste doch behalten;
an diesem Schatz genüget mir.
Ich will mich ihm ergeben, in diesem Namen leben
und in ihm gläubig sein.
In ihm auch herzlich lieben, Geduld in ihm nur üben;
in Jesu bet ich auch allein.
Ich will in Jesu sterben, ich will in Jesu erben,
in Jesu auferstehn,
in ihm gen Himmel fahren und mit den selgen Scharen
in seinem Licht ihn ewig sehn.
Philipp Friedrich. Hiller
12. Dez. 2008 Pfr. Gerh. Hägel, Bobengrün