Kain und Abel
Schriftlesung: Hebräer 12, 18-29
1. Mose 4, 1-16
1)
Und Adam erkannte sein Weib Eva, und sie ward schwanger und gebar den Kain und
sprach: Ich habe einen Mann gewonnen mit Hilfe des HERR
2)
Danach gebar sie Abel, seinen Bruder. Und Abel wurde ein Schäfer, Kain aber
wurde ein Ackermann.
3)
Es begab sich aber nach etlicher Zeit, dass Kain dem HERR Opfer brachte von den
Früchten des Feldes.
4)
Und auch Abel brachte von den Erstlingen
seiner Herde und von ihrem Fett. Und der HERR sah gnädig an Abel und sein
Opfer,
5)
aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Da ergrimmte Kain sehr und
senkte finster seinen Blick.
6)
Da sprach der HERR zu Kain Warum
ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick?
7)
Ist´s nicht also? Wenn du fromm bist, so kannst du
frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der
Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche
über sie.
8)
Da sprach Kain zu seinem Bruder Abel: Lass uns aufs Feld gehen! Und es begab
sich, als sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und
schlug ihn tot.
9)
Da sprach der HERR zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er sprach: Ich weiß nicht;
soll ich meines Bruders Hüter sein?
10)
Er aber sprach: Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit
zu mir von der Erde.
11)
Und nun: Verflucht seist du auf der Erde, die ihr
Maul hat aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen.
12)
Wenn du den Acker bebauen wirst, soll er dir hinfort seinen Ertrag nicht geben.
Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden..
13)
Kain aber sprach zu dem HERRN: Meine Strafe ist zu schwer, als dass ich sie
tragen könnte.*
*Luther
übersetzte: Meine Sünde ist größer, als dass sie mir vergeben werden möge.
14)
Siehe, du treibst mich heute vom Acker, und ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen und muss unstet und flüchtig sein auf Erden. So
wird mir gehen, dass mich tot schlägt, wer mich
findet.
15)
Aber der HERR sprach zu ihm: Nein, sondern wer Kain tot
schlägt, das soll siebenfältig gerächt werden, Und der HERR machte ein
Zeichen an Kain, dass ihn niemand erschlüge, der ihn fände.
16)
So ging Kain hinweg von dem Angesicht des HERRN und wohnte im Lande Nod, jenseits von Eden, gegen Osten.
***
Dieses Kapitel steht gleich nach dem
Bericht über den Sündenfall. Wir erkennen, wie schnell die Sünde lawinenartig
anwächst und an Macht gewinnt.
Adam
erkannte nach dem Sündenfall sein Weib, diese wurde schwanger und gebar den
Kain. Und wir erkennen die Freude Evas aus ihrem Ruf: "Siehe, ich habe
einen Mann geboren mit Hilfe des HERR."
Kain heißt Erwerb, Gewinn. Aus diesem Ausruf kann man etwas heraushören
wie eine Hoffnung: Ist dieser schon der verheißene Sohn des Weibes, der der Schlange
den Kopf zertreten wird? der uns erlösen wird? "Ich habe mit Gott einen
Sohn geboren, einen Sohn erworben!" Darum nennt sie ihn Gewinn, Erwerb.
Und dann kommt die Enttäuschung. So ein kleines Baby, so hilflos und kraftlos.
So etwas gab es ja noch nicht auf der Erde. Man musste es hegen und pflegen und
alles lehren. Das mussten sie selber alles lernen. Dann kommt sein Bruder Abel:
Hauch, Nichtigkeit, Dunst. Da merken wir schon etwas von der Enttäuschung.
Nein, weder Kain noch Abel werden es sein. Hoffnung und Enttäuschung zu Beginn
des Menschengeschlechtes.
Dann
wurden die Jungen groß und entwickelten sich, wurden Männer. Jeder ging seinen
Weg. Der erste wurde ein Ackermann nach dem Wort Gottes an seinen Vater: mit
Mühe sollst du deinen Acker bestellen. Abel wurde ein Hirte von Kleinvieh. So
lebten sie nun, wie lange, das wissen wir nicht. Es steht hier: "Es begab
sich aber nach etlicher Zeit." _Nach etlicher Zeit_, das kann lange Zeit
gewesen sein. Ich nehme an, das es eher einhundert
Jahre waren als weniger; denn nach 130 Jahren bekamen Adam und Eva einen Sohn
als Ersatz für Abel.
Nach
etlicher Zeit also geschah es, dass beide Söhne Gott ein Opfer brachten, und
zwar war es Kain, der als erster das Opfer brachte. Nun kommt die Frage, was
mag ihn dazu bewogen haben? Hier sind nun auch die Meinungen der Ausleger sehr
unterschiedlich. Viele meinen, er hätte das von seinen Eltern gelernt. Aber in
der Bibel steht nichts davon, dass Adam und Eva je geopfert haben, erst recht
nicht, dass Gott solches gefordert hat. Was mag den Kain bewogen haben, ein
Opfer zu bringen? Was mich fragend macht ist, dass es gerade Kain war, der ein
Opfer brachte, von dem Gott später sagte, er war nicht fromm. Und doch brachte
er Gott ein Opfer. -
Ich
erinnere mich an einen Fabrikanten, der wohl ab und zu in die Kirche ging, aber
in seinem Leben wenig nach Gott fragte. Als
er einmal ein neues Unternehmen startete, sagte er zu seiner gläubigen
Mutter: "Wenn das gelingt, dann werde ich der Kirche eine namhafte Spende geben." Warum wollte er
wohl eine große Summe spenden? Er war ja gar nicht fromm und gottesfürchtig.
Vielleicht wollte er nur dem lieben Gott etwas Sand in die Augen streuen, damit
Gott seinem Unternehmen Glück schenkt.
Gerade so erscheint es mir hier auch mit dem Kain gewesen zu sein. Er wusste
ja, dass sein Leben vor Gott nicht in Ordnung war, und wollte doch Gott ein
Opfer bringen. Vielleicht gerade deshalb? Vielleicht war doch etwas
Gottesfurcht in ihm, und er wollte Gott besänftigen.
Dann
bringt auch Abel ein Opfer. Es steht hier nicht ausdrücklich, dass es zur
selben Zeit war. Doch dem Zusammenhang nach möchte ich es doch wohl annehmen.
Als Abel sah, dass Kain ein Opfer brachte, gefiel es ihm, und er tat es auch.
Kain als ein Ackermann brachte das, was ihm zur Verfügung stand, Früchte des
Feldes. Abel, weil er ein Hirte war, brachte das, was ihm zur Verfügung stand,
ein Tier seiner Herde. Gewiss lesen wir bei Abel, er traf eine Auswahl. Von
allen seinen Tieren suchte er das allerbeste aus, und davon wieder das beste,
das Fett. Dann ließen beide ihr Opfer in Rauch aufgehen, sie brachten ein
Brandopfer. Nun kommt das Entscheidende: Gott sah Abel und sein Opfer gnädig
an, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Woher wussten die beiden
wohl, dass Gott das eine Opfer gnädig ansah und das andere nicht? Das steht
hier nicht. Ich sah einmal ein Bild, auf dem das so dargestellt wurde, dass der
Rauch von Abels Opfer gerade in die Höhe stieg, während der Rauch von Kains
Opfer auf dem Boden entlang kroch. Wie es auch gewesen sein mag, die beiden
erkannten, Gott schaute Abel und sein Opfer gnädig an, während er Kain und sein
Opfer nicht gnädig ansah.
Und
nun die Reaktion bei Kain. Er ergrimmte sehr. Ich frage mich, worüber und gegen
wen ergrimmte er sehr? Er schlug später den Abel tot. Aber, hatte Abel denn
einen Einfluss darauf? Letztlich war es doch Gott, der Kain und sein Opfer
nicht gnädig ansah. So galt doch letztlich seine Wut Gott; gegen ihn ergrimmte
er. - Hier ist etwas, was wir lernen wollen: Alle Unzufriedenheit unter uns
Menschen, wenn sie sich nicht gegen uns selbst richtet, weil wir erkannt haben,
dass wir selbst schuldig sind oder etwas falsch gemacht haben, richtet sich
letztlich gegen Gott. Das gilt sogar für Situationen und Ereignisse, in denen
ein anderer Mensch willentlich oder versehentlich an uns schuldig wurde und uns
Schaden zufügte. Als Christen wissen wir ja, dass uns nichts geschehen kann
ohne den Willen Gottes und dass uns endlich alles zum besten
dienen muss, damit wir in das Ebenbild des Sohnes Gottes umgestaltet werden.
Darum richtet sich aller Hass letztlich gegen Gott. Wir können Gott ja keinen
Schaden zufügen, also fügt man seinem Nächsten Schaden zu.
Gott
in seiner Gnade sah, was in Kain vorging. Ihm ist Kain nicht gleichgültig. Wenn
dieser auch lange Zeit Gott ungehorsam war und seinen eigenen Weg ging, so war
er doch Gott nicht gleichgültig. Darum redet Gott zu Kain und sagt: "Sag
mal, Kain, warum bist du eigentlich so böse? Warum senkt sich dein Angesicht?
Ist es nicht so, wenn du fromm bist,....", nun sind die Übersetzungen sehr
unterschiedlich. Luther übersetzte: "Wenn du fromm bist, so bist du
angenehm." Menge übersetzt: "Wird nicht, wenn du recht handelst, dein
Opfer angenommen?" Man kann also nicht ganz genau sagen, was richtig ist.
Die einen sagen, wenn du fromm bist, so bist du angenehm, andere, wenn du fromm
bist, so kannst du dein Angesicht frei erheben. Wir wollen beides nehmen. Wenn
du fromm bist, dann bist du angenehm. Also war Kain nicht fromm, darum war er
nicht angenehm. Und wenn du fromm bist, dann brauchst du dich nicht zu
fürchten, dann kannst du frei dein Antlitz erheben, dann brauchst du nichts zu
verstecken oder zu verheimlichen. Bist du aber nicht fromm, dann ruht die Sünde
vor deiner Tür, und nach dir hat sie Verlangen. Das gilt also auch für uns.
Wenn wir uns in unserem Leben und in unserer Lebensführung bemühen, Gott zu
gefallen, weil wir ihn lieb haben, weil wir wissen, dass er uns lieb hat und es
nur gut mit uns meint, dann dürfen wir frei unseren Weg gehen. Dann mögen auch
böse Zeiten kommen, in denen uns unser eigenes Wesen übermannt und wir traurig
sind, weil wir versagt haben. Aber trotzdem sind wir angenehm vor Gott; denn er
weiß ja, was für ein Gemächte wir sind, dass wir aus
eigener Kraft es gar nicht schaffen zu wandeln, wie es Gott gefällt. Aber wenn
wir uns bemühen, wenn wir den Wunsch haben, ihm zu gefallen, wenn wir traurig
sind, wenn es einmal nicht gelungen ist, dann sind wir angenehm.
Wenn
wir aber nicht fromm sind, dann ruht die Sünde vor der Tür. Irgendwie und
irgendwann packt sie zu, dann kommt der Pfeil aus dem Dunkel geflogen und
trifft uns, und zwar an der Stelle, an der wir am verwundbarsten sind. Darum
ist es so wichtig, dass wir heute ordentlich wandeln, heute mit Gott wandeln,
damit wir morgen Bewahrung erfahren, wenn die Anfechtung kommt. - "Du aber
herrsche über sie." Auch hier sind die Übersetzungen unterschiedlich. So
übersetzen es alle namhaften Bibelübersetzer: "Du aber herrsche über
sie!" Man kann das aber auch anders übersetzen, etwa: "... und wirst
du, ja du, die Herrschaft über sie erlangen?" Beides wollen wir für uns in
Anspruch nehmen. Wenn Gottes Geist in uns wohnt und wir mit dem Herrn Jesus
wandeln, gibt er uns auch die Kraft, der Sünde zu widerstehen. Wenn wir aber
nicht mit ihm wandeln, dann wollen wir uns doch nicht einbilden, wir könnten
über die Sünde herrschen. Wirst du über die Sünde herrschen? Nein! Wir können
es nur, wenn wir mit Gott wandeln, wenn Jesus Christus in uns wohnt und sein
Heiliger Geist. Jesus hat die Sünde überwunden und kann es auch in uns tun.
Darum ist es so wichtig, wie wir unser persönliches Leben führen, dass wir mit
ihm wandeln.
Was
Gott zu Kain sagt, ist doch nur ein Zeichen seiner Liebe. Er wirbt um Kain,
"Kain, geh in dich und begreife es doch, du kannst mir nichts vormachen,
ich sehe dich doch und erkenne, wie du wandelst, ich kenne dein Herz. Komm,
noch ist es Zeit, bekehre dich, noch kannst du es." Und Kain? Er entschied
sich. Er spricht mit Abel: "Komm, lass uns aufs Feld gehen." Ob es im
unmittelbaren Anschluss an die Opfer war? oder ob inzwischen eine gewisse Zeit
vergangen war? Auch das steht hier nicht. Fast möchte ich letzteres annehmen;
denn wo werden sie ihre Opfer gebracht haben? Ich kann mir denken, auf dem
Felde. Und Kain hatte noch eine gewisse Zeit. Gotte wirbt um ihn und der Teufel
wirkt an ihm.
Über
unsere Gedanken will sowohl der Teufel als auch Gottes Geist Herrschaft über uns bekommen. Wir merken ja,
wenn und wie es in uns wogt, wie es in uns hin und her geht. Wem werden wir
gehorchen? Wir treffen die Entscheidung dafür, wem wir uns zuwenden. Kain
entschied sich, dem Teufel zu gehorchen. Ich sage nicht, er war zu schwach,
Gott zu gehorchen. Wir wollen uns nichts vormachen und uns entschuldigen für
das, was unsere Schuld ist. Nein, Kain entschied sich, dem Teufel zu gehorchen.
- So geht er nun mit seinem Bruder Abel aufs Feld und schlägt ihn tot.
Warum
schlug er ihn tot, was war sein Motiv, seinen Bruder zu ermorden? Ich nehme an,
es war der Neid. Es ist etwas Fürchterliches, wenn Menschen neidisch sind. In
Wirklichkeit hatte Kain keinen Grund, auf Abel neidisch zu sein. Wir sagten
eben, Gott hat es getan, er hat den Abel gnädig angesehen und den Kain nicht.
Doch wir sind neidisch auf den Menschen, den haben wir. Da haben wir jemanden,
den wir hassen und an dem wir unser Mütchen abkühlen können. So schlug Kain
dann den Abel tot. Ich weiß gar nicht, wie es uns ergangen wäre, wenn wir an
seiner Stelle gewesen wären. Kennen wir nicht auch schon in uns das Gefühl des Neides? Kennen wir nicht
unsere Gedanken, wie wir manchmal über den anderen denken? was wir vielleicht
manchmal dem anderen wünschen? Wenn alle unsere Gedanken zur Tat geworden
wären, wie stünde es da um uns? und um den anderen? Gottes Gnade war es, die
uns gehalten hat, dass es nicht zur Tat geworden ist. Darum wollen wir es ernst
nehmen. Alle diese Gedanken und Empfindungen sind so gefährlich, dass wir ja
damit zu Gott gehen und sie ihm sagen und ihn bitten, dass diese Gedanken
keinen Raum in uns bekommen. - Aber was kann ich denn dafür, wenn solche
Gedanken und Empfindungen des Neides in mir aufsteigen? Ich habe das nicht im
Griff, die sind da, trotz all´ meines Beugens. Wo liegt die Lösung?
In
Markus 12, 30 nennt der Herr Jesus das höchste Gebot: "..
und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer
Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften." Was hier mit ganzem
Gemüt übersetzt ist, meint alle Gedanken, die ganze Denkkraft.
Liebe
ist Tat, die mit dem Denken beginnt. Wenn ich richtig denke, dann bekommen auch
meine Gedanken Gewalt über meine Empfindungen. Wenn ich anfange zu beten:
"Herr, ich danke dir, dass du den anderen so segnest. Ich danke dir, dass
du dem anderen so viel Gutes tust. Segne ihn noch mehr," mag sich unser Herz empören und aufbäumen
gegen dieses Beten. Aber wenn wir es tun, wenn wir mit diesem Beten anhalten,
dann überwinden wir den Teufel und die Sünde. Dann kann es geschehen, dass Gott
auch das Gefühl ändert. Neid ist eine furchtbare Sache. Sie ist die Ursache des
ersten Mordes.
Und
dann war es geschehen. Gott sah das, und hat nicht eingegriffen! Er hat weder
bei Eva und Adam eingegriffen, noch bei David, und wie viele Male auch nicht
bei uns? Daran erkennen wir, dass der Mensch eine Persönlichkeit ist. Gott hat
uns als sein Gegenüber geschaffen und uns den Adel der freien Entscheidung
gegeben. Das ist eine sehr große Würde, oft aber auch eine Bürde, weil wir für
unser Tun verantwortlich sind .
Und
Gott redet wieder zu Kain, er kommt wieder zu ihm, so wie er es auch bei Adam
tat, als er rief: "Adam, wo bist du?" So sagt er nun zu Kain:
"Was hast du getan? Wo ist dein Bruder Abel?" Und dann kommt das
bekannte Wort Kains: "Das weiß ich nicht, soll ich meines Bruders Hüter
sein? Was geht der Abel mich an?" - Nein, so dürfen wir nicht reden. Gott
hat uns in diese Welt gestellt, in die Gemeinschaft mit anderen Menschen. Darum
dürfen die anderen Menschen an meiner Seite mir nicht gleichgültig sein. Ich
habe eine Aufgabe an ihnen, einen Auftrag für sie. Und das ist das Wichtige,
dass wir niemals sagen: "Das geht mich nichts an." Nun ist es klar,
dass nicht jeder in unserer Gemeinde Verantwortung für jeden tragen kann. Aber
wo ist mein Bruder, wo ist meine Schwester, für die Gott mir Verantwortung
übertragen hat? So ganz ohne Verantwortung für jemand in einer Gemeinde zu
leben, das geht nicht. Es mag gehen, aber dann sind wir nicht mehr fromm und
nicht im Wohlgefallen Gottes. Irgendwo ist ein Mensch, der auf mich angewiesen
ist. Darum wollen wir den Herrn bitten, er möge ihn uns zeigen. Und das gilt
nicht nur für die Gemeinde. Ganz gewiss gilt das für die Gemeinde, aber auch
für die Familie, für die Nachbarschaft, für andere Menschen, für die Gott uns
verantwortlich macht. Von diese Menschen dürfen wir nicht sagen: "Was geht
der mich an? Soll ich meines Bruders
Hüter sein?"
Hier
spricht Gott: "Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders
schreit zu mir von der Erde." Das vergossene Blut schreit. Was mag Abels
Blut geschrieen haben? "Rache, Rache! Gott, ich bin unschuldig, mein
Bruder Kain hat mich ohne Ursache erschlagen!" Wie viel unschuldiges Blut
hat seit dem diese Erde getrunken! Wie viel Blut ist vergossen worden. Darum
schreit die Erde nach Rache und Vergeltung. Darum wird diese Menschheit immer
mehr gerichtsreif, bis einmal Gottes Gerichte über diese Erde gehen, bis er
einmal, nach dem Tausendjährigen Reich, diesem Erdball ein Ende machen wird.
Zum
Beginn des Gottesdienstes hörten wir aus dem Hebräerbrief von einem anderen
Blut, das anders schreit, nämlich das Blut des Sohnes Gottes, Jesus Christus.
Dieses Blut redet besser, als Abels Blut. Auch dieses Blut wurde unschuldig
vergossen, doch dieses Blut schreit nicht um Rache oder Vergeltung, sondern um
Gnade und Barmherzigkeit. Das ist unser Glück, unser Segen, dass da ein Blut um
Gnade ruft. Wir alle sind schuldig, wenn wir auch nicht alle in der Tat so
schuldig geworden sind wie der Kain. Aber wo ist ein Mensch, der mit erhobenem
Angesicht, frei und ohne Schuld vor Gott treten kann und sagen: "Vergelte
mir nach meiner Gerechtigkeit."? Wir müssen uns alle vor Gott beugen und
bekennen, dass wir schuldig sind. Gottes Wort sagt: "Verflucht ist jeder,
der nicht bleibt in allem, was im Buche des Gesetzes geschrieben ist, dass er
es tue!" Galater 3, 10. Da ist ein Blut, das ruft um Barmherzigkeit, um
Gnade, ein Blut, das die Kraft hat, unsere Schuld wegzunehmen.
***
Darum dürfen wir auch das Mahl des
Herrn feiern im Gedenken daran, dass sein Blut auch für mich geflossen ist,
meine Schuld bezahlt hat, mich mit Gott versöhnt und meine Schuld und Sünde
getilgt hat.
Zu
Kain sagte Gott: "Du bist verflucht!" Zu Adam sagte er: "Um
deinetwillen ist der Acker verflucht." Aber zu Kain: "Du bist
verflucht. Unstet und flüchtig sollst du sein. Wenn du deinen Acker bebauen
wirst, soll er dir seinen Ertrag nicht geben." - So lange Gott zu einem
Menschen redet, und selbst wenn er Gerichtsankündigungen redet, ist das immer
noch Gnade. Noch bestand für Kain eine Chance, dass er sagte: "O Gott,
erbarme dich! Ja, ich bin schuldig geworden, ich habe meinen Bruder ermordet. O
Gott, erbarme dich meiner!" Doch nein, genau so wenig, wie sich Adam vor
Gott beugte, als Gott sagte: "Hast du nicht gegessen von dem Baum, davon
ich dir gebot, du solltest nicht davon essen?" Adam beugte sich nicht,
sondern sagte: "Die Frau, die du mir gegeben hast, gab mir. In
Wirklichkeit bist du schuld, warum hast du mir eine solche Frau gegeben."
Auch Kain beugte sich nicht, er sagte: "Meine Strafe ist so groß, dass ich
sie nicht ertragen kann." Auch hier sind die Übersetzungen
unterschiedlich. Einige sagen: "Meine Strafe ist zu groß,"
andere übersetzen: "Meine Schuld ist zu groß." Auch hier sind beide
Möglichkeiten gegeben. "Beides, die Strafe und die Schuld sind zu groß,
als dass ich sie tragen könnte. Ich habe Angst um mich, denn es kann sein, dass
ich totgeschlagen werde." Die Reue, die Kain hier zeigt, ist keine Reue um
der Tat willen, sondern um der Folgen willen. Das ist der Unterschied zwischen
einer göttlichen Reue und einer menschlichen Reue. Die göttliche Reue bereut,
was der Mensch getan hat, weil er Gott beleidigt hat, weil er schuldig geworden
ist. Die menschliche Reue bereut etwas wegen der Folgen, die der Mensch nun
tragen muss. Nur die Reue, die bereut, Gott beleidigt zu haben, die die Sünde
bereut, weil sie Sünde ist, ist eine Reue, die zum Leben führt. Bei Kain war es
menschliche, irdische Reue. Darum ging er nicht auf das Gnadenangebot Gottes
ein, sich zu beugen. Nein, sein Herz war hart. Darum lesen wir, dass er von dem
Angesicht Gottes hinwegging. Er ging hinweg. Manch ein Mensch ist von dem
Angesicht des Herrn hinweggegangen, auch manch einer, der sich einmal bekehrt
hatte. Und Gott ist jedem nachgegangen, der Herr Jesus als der gute Hirte geht
jedem nach, der sich von ihm gekehrt hat. So manch einer darf bezeugen:
"Auch mich hat der gute Hirte wieder gefunden, als ich untreu war."
Doch es gibt auch einmal ein zu spät, wenn sich ein Mensch beharrlich und
bewusst weigert, auf Gottes Gnadenangebot einzugehen, so wie es Kain tat. Darum
wollen wir Gottes Wort hören: "So ihr seine Stimme hören werdet, so
verstockt eure Herzen nicht." (Hebräer 3, 7-8) Heute wollen wir Ja sagen,
erneut oder zum ersten Mal, ihm bewusst und völliger unser Leben zur Verfügung
stellen, und heute dürfen wir dankbar in Anspruch nehmen, dass das Blut Jesu
Christi uns reinigt von jeder Sünde.
Amen