Im Februar meldete die Wirtschaftswoche: Die Villa von Thomas Middelhoff in Bielefeld-Senne ist für fast zwei Millionen Euro verkauft worden. Der 64-Jährige erhält davon nichts, denn er ist insolvent. Der Verkauf ist das einstweilig letzte Stück im Drama um den früheren Chef eines der weltweit größten Medienkonzerne, Bertelsmann. Danach war er ab 2005 Vorstandsvorsitzender von Karstadt/ Quelle. Er versuchte, das Unternehmen zu retten, das er in Arcandor AG umbenannte.
Ein "maßloses" Urteil
Der Absturz begann 2009 mit einem Artikel im "Spiegel" über fragwürdige Immobiliengeschäfte Middelhoffs. Obwohl der Beitrag fast nur Spekulatives enthielt, wurde der Inhalt weiterverbreitet. Von nun an galt Middelhoff als ein exzentrischer, raffgieriger Steuerhinterzieher. Die nächsten Jahre stand er als – wie es in der Presse hieß – "meistgehasster Manager" am Pranger. Alle Politiker und Banken ließen ihn fallen. Am 14. November 2014 kam es zum Prozess im Landgericht Essen. Middelhoff, seine Anwälte und seine Familie rechneten mit einem Freispruch. Stattdessen wurde er zu drei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Er soll Geld für Privatflüge und eine Festschrift bei Bertelsmann veruntreut haben. Im "Handelsblatt" heißt es, das Urteil sei maßlos.
Alle 15 Minuten geweckt
Wegen vermeintlicher Fluchtgefahr wurde er noch im Gerichtssaal verhaftet. Middelhoff kam in Zelle A115 der Justizvollzugsanstalt Essen. Angeblich bestünde bei ihm Suizidgefahr (die er selbst stets zurückgewiesen hat). Deshalb wurde der Manager vier Wochen lang alle 15 Minuten kontrolliert – d. h. nachts geweckt. Ein solch langer permanenter Schlafentzug führte bei Middelhoff bald zu einer unheilbaren Autoimmunerkrankung.
Alles verloren
Im Mai 2016 durfe er als Hilfskraft im offenen Vollzug unter Behinderten in den Bodelschwinghschen Anstalten in Bielefeld-Bethel arbeiten. Dies bereitete ihm – wie er in seinem Buch "A115 – Der Sturz” schreibt – unendliche Freude. Seit November letzten Jahres ist er auf Bewährung entlassen. Middelhoff hat alles verloren: Position, Vermögen, Gesundheit, Freunde, Ehre. Seine Frau trennte sich von ihm. Das letzte Kapitel hat die Überschrift: "Noch nie fühlte ich mich Gott so nah" (wie im Gefängnis). Täglich las er in der Bibel und betete. Ihm wurde klar: "Ich muss den Weg zurück zu Gott finden, um mein Leben neu auszurichten." Er konnte sogar dem Richter vergeben, der ihn verurteilt hat: "Ich danke Gott, dass er mich ins Gefängnis geführt und mir die Augen geöffnet hat, damit ich meine Fehler erkennen kann … Ich weiß jetzt, was wichtig ist in meinem Leben – ich habe es gelernt." Ich habe selten von einer so berührenden Bekehrung gelesen.
Thomas Middelhoff: A115 – Der Sturz | Langen Müller Verlag | 320 Seiten | ISBN 978-3-78443-4322 | 24 Euro