„Predige das Wort“ (2. Timotheus 4, 2). Die Aktualität des biblischen Auftrags

 

Gliederung:

1. Warum nicht von dem Auftrag abzuweichen ist

2. Warum das Wort Gottes die Grundlage für den gesunden Glauben ist

3. Was das für uns bedeutet

 

Einführung

Für Martin Luther war die Predigt offensichtlich zentral für den christlichen Glauben.[1] Für ihn hat der „Gottes-dienst, der jetzt allenthalben im Gang ist, … eine feine christliche Herkunft, wie auch das Predigtamt“.[2] Doch beschwert sich Luther darüber, dass „die Heuchler“ den Gottesdienst verdorben hätten. Aber es ist nicht seine Absicht, deshalb das Predigtamt und den Gottesdienst abzutun, „sondern wieder in seinen rechten Stand zu bringen“.[3]

Luther erwähnt „drei große Missbräuche“ in Bezug auf den Gottesdienst.[4] So habe man einerseits das Wort Gottes „zum Schweigen gebracht“ bzw. es in der Kirche „lediglich gelesen und gesungen“. Zweitens seien „so viele unchristliche Fabeln und Lügen in Legenden, Gesängen und Predigten nebenein gekommen, daß es greulich anzusehen ist“. Und drittens habe man „solche Gottesdienste als ein Werk getan …, um damit Gottes Gnade und Seligkeit zu erwerben“, was für Luther den Untergang des Glaubens bedeutet.[5] Wenn Gottes Wort nicht gepredigt wird, so soll die Gemeinde nicht zu-sammenzukommen, „daß man weder singe noch lese“.

Durch die tägliche Beschäftigung mit der Heiligen Schrift sollen Christen „in der Schrift verständig, be-wandert und kundig werden; denn dadurch entstanden vorzeiten sehr feine Christen, Jungfrauen und Märtyrer, und sollten wohl auch noch entstehen“.[6] Vor allem aber sollen sich die künftigen Prediger und Seelsorger gründlich mit der Schrift beschäftigen, und das allein zur Ehre Gottes und den Nächsten zum Nutzen.[7] Zusam-menfassend betont Luther, „daß gewiß alles geschehe, damit das Wort recht in Übung kommt und nicht wieder ein Plärren und Lärmen daraus werde, wie es bisher gewesen ist. Es ist alles besser unterlassen als das Wort, und es ist nichts besser getrieben als das Wort“.[8]

Damit wird auch deutlich, dass es Luther nicht darum ging, die „Fabeln“ durch „Predigten“ zu ersetzen, die primär auf die Fehler der Mitmenschen hinweisen. Es geht ihm vielmehr darum, auf der Grundlage der Heiligen Schrift die Gemeinde der Gläubigen zu erbauen, sodass „feine Christen“ aus ihnen entstehen. Das sollte sicher auch heute noch zentrales Anliegen sein.

 

1. Warum nicht von dem Auftrag abzuweichen ist

Paulus lebte in einer durch und durch pluralistischen Gesellschaft. Die Gefahren, von rechten Glauben abzuweichen und fremden Lehren nachzulaufen, waren vielfältig, wie besonders die „Pastoralbriefe“ (1./2. Timotheus und Titus) zeigen. Die einzige Möglichkeit, dagegen standhaft und erfolgreich zu sein, sieht Paulus offenbar darin, dass Wort Gottes zu lehren und zu verkündigen (κηρύσσω = „als Herold ausrufen“). Nur wer ein Fundament im Glaubensleben hat, kann standhaft bleiben, und dieses Fundament haben wir im Wort Gottes, wie schon Jesus selbst betont hatte (vgl. Matthäus 7, 24-27). Dabei ist Jesus der Eckstein (vgl. Epheser 2, 20; vgl. auch 1. Korinther 3, 10f.), und ohne diesen Eckstein würde das Fundament zusammenbrechen.

Gemäß 1. Timotheus 3, 15 ist die „Gemeinde des lebendigen Gottes … der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit“. Das ist sie nicht, weil sie die Wahrheit in sich hat, sondern weil Gott ihr das Wort der Wahrheit anvertraut hat. Wo diese Wahrheit Gottes missachtet wird, führt das ins Verderben, wie der Apostel in Römer 1, 18ff. darlegt. Deshalb schreibt Paulus etwas später an seinen lang-jährigen Schüler und Mitarbeiter Timotheus, dass er da-nach streben soll, sich „Gott bewährt zur Verfügung zu stellen als einen Arbeiter, der sich nicht zu schämen hat, der das Wort der Wahrheit in gerader Richtung schnei-det“ (2. Timotheus 2, 15). Menschenweisheit ist nur dann hilf-reich, wenn sie sich dem Wort Gottes unterordnet.

Damit Menschen überhaupt zum Glauben kommen können, braucht es die Verkündigung des Wortes Gottes. Jesus Christus und der Heilige Geist vollbringen das Erlösungswerk nicht am Wort Gottes vorbei, sondern im Einklang mit dem Wort Gottes, der Bibel. Durch das Wort Gottes, das den Menschen zu Jesus Christus führt, wird der Mensch wiedergeboren (vgl. auch z. B. Epheser 5, 26; Jakobus 1, 18; 1. Petrus 1, 3.23), d. h. er empfängt Sünden-vergebung und wird vor Gott innerlich eine neue Schöpfung, indem der Mensch in seiner Beziehung zu Gott versöhnt wird (vgl. auch Johannes 3, 5; Titus 3, 5). Jesus hat „Worte des ewigen Lebens“ (vgl. Johannes 6, 68), und durch diese innere Erneuerung werden Menschen „Jünger“ bzw. „Schüler“ Jesu (vgl. Matthäus 28, 18f.). Dazu gehört nach Johannes 8, 31 aber auch, dass sie in seinem Wort bleiben, um wahrhaftig seine Jünger zu sein.

Indem Menschen zur „Erkenntnis der Wahrheit“ kom-men, werden sie gemäß 1. Tim 2, 4 errettet (vgl. auch Johannes 17, 3). Wie der Zusammenhang zeigt, ist die „Erkenntnis der Wahrheit“ nicht ohne Jesus Christus zu haben (vgl. 1. Tim 2, 5-6). Gleichzeitig ist die Bibel die Grundlage dafür, dass der Mensch zu dieser Erkenntnis der Wahr-heit kommen kann. In 2. Timotheus 3, 7 lesen wir von Men-schen, die „immer lernen und niemals zur Erkenntnis der Wahrheit kommen können“. Das geschieht, weil die Grundlage nicht die Offenbarung Gottes in der Bibel ist.

In Römer 10, 17 betont Paulus, dass der Glaube aus der Verkündigung kommt, „die Verkündigung aber durch das Wort Christi“. In Römer 10, 8 ist in diesem Kontext vom „Wort des Glaubens“ die Rede, „das wir verkündi-gen/predigen“. Der Glaube an Jesus Christus wird im Einklang mit dem Wort Gottes, der Bibel, verkündigt, und dadurch werden Menschen gerettet. Nur auf der Grundlage der Bibel kann der Glaube an festes Fun-dament werden. Übrigens heißt „glauben“ in der hebrä-ischen Sprache etwa „sich fest machen“, wobei der Ge-genstand des „Festmachens“ das Wort Gottes ist, das er u. a. durch seine Propheten sendet. Damit wird auch deut-lich, dass der Glaube an Gott nicht ohne den Glauben an sein Wort zu haben ist (vgl. z. B. 2. Chron 20, 20; Jesaja 7, 9).

Aus dem Grund betont Paulus in 2. Timotheus 4, 2: „Predi-ge/verkündige das Wort!“ Dabei war das damals wie auch sicher zu jeder Zeit (vgl. z. B. Jeremia im Alten Testament) manchmal mit einigen „Nachteilen“ und Ver-leumdungen verbunden, wenn das Wort Gottes in seiner Klarheit verkündigt wurde. Aber der Prediger hat keine andere Wahl. Wer seine eigene Weisheit statt das Wort Gottes verkündigt oder wer Gottes Wort in der Ver-kündigung verdreht, tut das zum eigenen Verderben (vgl. 2. Petrus 3, 15-16). Eine solche Person solche sich ehrlich fragen, woher der „Auftrag“ dazu kommt.

 

2. Warum das Wort Gottes die Grundlage für den gesunden Glauben ist

In den „Pastoralbriefen“ (1./2. Timotheus und Titus) betont Paulus besonders die „gesunde Lehre“ (vgl. 1. Tim 1, 10; 6, 3; 2. Timotheus 1, 13; 4, 3; Titus 1, 9; 2, 1.8): Wie Titus 1, 13 zeigt, geht es darum, dass die Gläubigem im Glaubens-leben gesund sind/werden. Ohne „gesunde Lehre“ ist offenbar auch kein „gesunder Glaube“ zu haben. Man könnte somit auch von der „gesund-machenden Lehre“ sprechen. Dabei weist die Bibel immer wieder darauf hin, dass das Leben im Einklang mit dem in der Bibel offenbarten Willen Gottes für den ganzen Menschen heilsam ist (vgl. u. a. die Sprüche Salomos).

Der gesund-machende Glaube beginnt mit der richtigen Gotteserkenntnis (vgl. auch z. B. Hos 4, 6; 6, 6). Gott hat sich nicht so offenbart, wie das Gotthold Ephraim Lessing in „Natan der Weise“ darlegt. Gott hat sich als dreieiniger Gott offenbart, und das bereits im Alten Testament. Dieser dreieinige Gott ist die Liebe (vgl. 1. Johannes 4, 8.16), und das schon immer. Er hat den Menschen geschaffen, um ihn mit in diese Beziehung, die in Liebe besteht, hineinzunehmen. Die Sünde hat diese Beziehung zum dreieinigen Gott zerstört, doch durch den Glauben an Jesus Christus als Erlöser der Menschheit wird sie wiederhergestellt. Die Gewissheit, dass Gott uns ein liebender Vater ist, wie er das für Jesus Christus war, als er auf dieser Welt als Mensch lebte, bringt Gebor-genheit mit sich. Der Schöpfer des Weltalls tritt mit uns in eine Vater-Kind-Beziehung. Darin ist auch der spezielle Wert und die Wertschätzung des Menschen begründet. Jeder Mensch hat einen unendlichen Wert, weil Gott sich ihm zuwendet und ihn als sein Kind annehmen möchte.

Wer diese Wertschätzung und Geborgenheit erfährt, ist in der Lage, sein Leben dem Dienst an den Mitmenschen zu widmen. Er kann von der Fülle, die Gott ihm immer wieder neu zukommen lässt, weitergeben (vgl. auch Johannes 7, 37-39). Das vor allem innerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen. Es geht Gott in seinem Heilsplan für die Men-schen offenbar nicht darum, dass er einzelne Menschen hervorragend befähigt, seinen Auftrag durchzuführen, sondern dass er sich in Jesus Christus die Gemeinde als seinen „Leib“ zugerichtet hat. Hier sollen die Gläubigen lernen, einander in Liebe zu dienen. Dieser Dienst geht, wie Paulus in Epheser 4, 15-16 betont, von Jesus Christus als dem Haupt der Gemeinde aus. Je mehr die Gläubigen zu ihm hinwachsen, werden sie für den gegenseitigen Dienst befähigt.

Anderseits dient die Bibel als Grundlage für die Befähi-gung zum Dienst (vgl. auch Epheser 4, 12-14). In 2. Timotheus 3, 16-17 lesen wir: „Jede Schrift(stelle) ist von Gott gehaucht und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurecht-weisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes fähig sei (ἄρτιος = gut ausgerüstet, fähig), zu jedem guten Werk völlig zugerüstet/befähigt (ἐξηρτισμένος).“ Und wie Epheser 4, 11-16 zeigt, ist es Auf-gabe der (leitenden) Verkündiger des Wortes Gottes, mit unterschiedlichen Schwerpunkten der Verkündigung die Gläubigen zum Dienst „zuzurüsten“ bzw. „in Ordnung zu bringen“ oder „fähig zu machen“ (καταρτίζω; vgl. Epheser 4, 12), wodurch diese auch „zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes“ gelangen (vgl. Epheser 4, 13). Alle Gläubigen sollen demnach „zur vollen Man-nesreife, zum Vollmaß des Wuchses (εἰς μέτρον ἡλικίας = zum Maß der [vollen] Körpergröße) der Fülle Christi“ gelangen. Das Wort Gottes so zu verkündigen und zu predigen, dass das geschieht, ist sicher eine große Herausforderung, die wir ohne die kräftige Unterstützung des Heiligen Geistes nicht zustande brin-gen werden. Aber der Auftrag-Geber wird zweifelsohne auch (den „Ausrüstern“) die nötige Ausrüstung schen-ken.

Die Welt braucht solche christlichen Gemeinden, die Salz und Licht in ihr sind und ihre guten Werke leuchten lassen (vgl. Matthäus 5, 13-16). Doch was bedeutet das für uns konkret?

 

3. Was das für uns bedeutet

Das bedeutet zuerst, dass der Verkündiger des Wortes Gottes sich gründlich mit dem Wort Gottes beschäftigen muss. Voraussetzung für die Verkündigung ist die Anerkennung der Autorität des Wortes Gottes. Nicht der Bibel-Ausleger ist ge-fragt, die Bibel zu richten, sondern er soll sich in seinem Denken und Handeln von der Bibel her immer wieder neu beurteilen lassen, da wir dadurch ein brauchbares Werkzeug in Gottes Hand werden (vgl. Hebräer 4, 12-13; 2. Timotheus 2, 21).

Im 2. Korinther 4, 2 betont Paulus, dass er nicht hinterlistig (πανουργία = Schlauheit, Verschlagenheit, Hinterlist, Tücke) wandelt und auch nicht das Wort Gottes ver-fälscht (wie es offenbar die „Sofisten“ in Korinth, die sich selbst empfehlen, tun; vgl. 2. Korinther 10, 12), „sondern durch die Offenbarung der Wahrheit empfehlen wir uns jedem Gewissen der Menschen vor Gott“. Das tut Paulus, indem er nicht sich selbst, sondern „Christus Jesus als Herrn“ verkündigt (vgl. 2. Korinther 4, 5). Es geht Paulus darum, dass der „Lichtglanz des Evangeliums von der Herrlichkeit des Christus“ (2. Korinther 4, 4) in den Herzen der Gläubigen immer mehr aufleuchtet, und das durch den „Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi“ (2. Korinther 4, 6). Um das zu erreichen, muss das Wort Gottes mit Jesus Christus im Zentrum verkündigt und gelehrt werden. Unbiblische Lehren rauben diese Fülle, wobei sie oft sehr vielver-sprechend in Erscheinung treten.

Wenn Paulus in Kolosser 2, 4 schreibt, „dass niemand euch verführe durch überredende Worte“, so weiß er um die Gefahr der Verführung. Für „verführen“ steht im griechischen Text dabei das Wort para-logizomai, was soviel bedeutet wie „sich verrechnen, betrügen, falsche Schlüsse ziehen, durch Trugschlüsse hintergehen, täuschen“. Wörtlich könnte man das Wort etwa mit „an der Logik vorbei schlussfolgern“ wiedergeben. Mit anderen Worten: Man versucht, etwas logisch darzu-stellen, aber in Wirklichkeit ist es bei genauerem Hin-sehen nicht logisch. Es handelt sich also um eine „lo-gische Vortäuschung“. Das bestätigt auch der Gebrauch des Wortes pithano-logia („überredende Worte“), das im Sinn von „das Vorbringen von Gründen, um etwas wahr-scheinlich zu machen“ gebraucht wird. Weil Irrlehren so vorgehen, ist es manchmal schwierig, sie zu hinterfragen. Dazu braucht es eine sachliche Auseinandersetzung, die nicht den „Gegner“ verunglimpft, sondern ihn in Liebe mit sachlichen Argumenten versucht zu überzeugen.

Gemäß Titus 1, 9 sollen die Gemeindeleiter (Aufseher, Älteste) „an dem der Lehre gemäßen zuverlässigen Wort“ festhalten, damit sie fähig sind, „sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen als auch die Wider-sprechenden zu überführen“. Und in 2. Timotheus 2, 25 ergänzt Paulus, dass „die Widersacher in Sanftmut zurecht-weisen/zu erziehen“ sollen, „ob ihnen Gott nicht etwa Buße gebe zur Erkenntnis der Wahrheit“. In diesem Zusammenhang warnt Paulus wiederholt, nicht zu strei-ten (vgl. z. B. 1. Tim 3, 3; 6, 4; 2. Timotheus 2, 14.23; Titus 3, 2.9). So schreibt er in 2. Timotheus 2, 14: „Dies bringe in Erinnerung, indem du ernstlich vor Gott bezeugst, man solle nicht Wortstreit führen, was zu nichts nütze, [sondern] zum Verderben der Zuhörer ist.“ Vielmehr sollen die Gläu-bigen „mild sein, gegen alle Menschen alle Sanftmut zu erweisen“ (Titus 3, 2).

Grundlage der Auseinandersetzung mit der Gefahr der Verführung muss also das Wort Gottes mit Jesus Christus im Zentrum sein. Der Kolosserbrief des Apostels Paulus ist ein gutes Beispiel dafür, wie das geschehen kann. Es geht Paulus dabei um die Erbauung der Gemeinde, dessen Haupt nicht Paulus, sondern Jesus Christus ist (vgl. z. B. Kolosser 2, 19). Eine tiefere Verwurzelung in Jesus Christus und im Wort Gottes ist überhaupt der beste Schutz vor Verführungen. So beten Paulus gemäß Epheser 3, 17-19 für die Gläubigen,

„dass der Christus durch den Glauben in euren Herzen einen festen Wohnsitz habe und ihr in Liebe gewurzelt und gegründet seid, damit ihr imstande seid, mit allen Heiligen völlig zu erfassen, was die Breite und Länge und Höhe und Tiefe ist, und zu erkennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus, damit ihr erfüllt werdet zur ganzen Fülle Gottes.“

Es gehört nicht zur Bibeltreue, wenn solche Aspekte der Bibel in der Verkündigung und im Umgang mit den Mitgläubigen missachtet werden. Paulus schreibt im Ga-laterbrief an sehr „fromme“ Menschen, die sich auf das Wort Gottes berufen, dass sie selbst das Gesetz Gottes (die Tora) nicht befolgen (Galater 6, 13).

Wir leiden als Bibel-gläubige Christen doch daran, dass man entweder nur die Breite oder die Tiefe der biblischen Botschaft betont. Beide Seiten sind m. E. willkürlich. Zu Josua hatte Gott am Anfang seiner großen Aufgabe als Nachfolger von Mose gesagt, dass er dann erfolgreich sein würde, wenn wer weder zur Rechten noch zur Lin-ken vom Wort Gottes abweichen würde (Josua 1, 7; vgl. Josua 23, 6). Wenn die einen zur Linken abweichen und Gottes Wort einseitig verkündigen, gehört es nicht zur Bibel-treue, ins andere Extrem zu gehen. Wenn also die einen vor allem die Liebe und den netten Umgang miteinander betonen und andere zentrale Aspekte der biblischen Botschaft vernachlässigen, betonen anderen diese ver-nachlässigten Aspekte oft nicht weniger einseitig und missachten das zentrale Gebot der christlichen Liebe.

Wir sollten uns nicht durch eine einseitige Verkündigung des Wortes Gottes die Breite oder die Länge oder die Höhe oder die Tiefe, die Gott uns durch die „ganze Fülle“ schenken möchte, nehmen lassen. Das bedeutet, dass wir wie Paulus „den ganzen Ratschluss Gottes“ verkündigen und lehren (vgl. Apostelgeschichte 20, 27). Gemäß Kolosser 1, 6 war das „Wort der Wahrheit des Evangeliums“ (vgl. Kolosser 1, 5) damals nach Kolossä gekommen, „wie es auch in der ganzen Welt ist und Frucht bringt und wächst, wie auch unter euch von dem Tag an, da ihr es gehört und die Gnade Gottes in Wahrheit erkannt habt“. Trotzdem betete Paulus weiterhin für die Gemeinde, damit sie „des Herrn würdig wandeln zu allem Wohlgefallen, frucht-bringend in jedem guten Werk und wachsend durch die Erkenntnis Gottes“ (Kolosser 1, 10). Gottes Wort bringt also Frucht „in jedem guten Werk“ und führt zum „Wohl-gefallen“. Deshalb sind wir (auch heute noch) aufge-rufen, dieses Wort in aller Tiefe und Breite zu verkün-digen. Wo das geschieht, wird es Veränderung zum Guten nach dem Willen Gottes und durch das Wirken Gottes geben.



[1] Vgl. dazu u. a. Martin Luther, Von Ordnung Gottesdienst in der Gemeinde (1523), in: Martin Luther, Ausgewählte Schriften, hg. v. Karin Bornkamm u. Gerhard Ebeling, Bd. 5, Frankfurt/M.: Insel-Verlag, 1982, S. 27–32.

[2] Ebd., S. 28.

[3] Ebd.

[4] Ebd.

[5] Ebd.

[6] Ebd., S. 29.

[7] Vgl. ebd., S. 30.

[8] Ebd., S. 31.