Vorherbestimmung,
Erwählung,
Berufung
Bibelseminar
Prof. Dr. Jacob Thiessen
www.sthbasel.ch
Gliederung
1. Begriffserklärungen
2. Gottes Heilswille für alle Menschen
3. „Problematische“ Stellen
4. Warum gehen Menschen verloren?
Einleitung
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Vorherbestimmung?
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Erwählung durch Gott.
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Augustinus’ Erwählungslehre (einfache Prädestination).
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Calvin und Beza
(doppelte Prädestination).
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Karl Barths Position
(Allversöhnung).
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Was sagt die Bibel?
1. Begriffserklärungen
Begriffserklärungen: Erwählung
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bachar = „erwählen“.
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Das Augenmerk liegt auf den Handelnden.
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Gott
selbst ist der Handelnde.
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Israels besonderer Auftrag (vgl. 5. Mose 4,37; 7,7f.; 14,2).
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Freie Tat der Liebe Gottes (vgl. z. B. 5. Mose 7,7f.; 8,17; 9,4-6).
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Jerusalem (vgl. 1. Kön 8,44; 11,13); Zion (Ps. 132,13); Opferdienststätte (5. Mose 12,5ff.); König David (vgl. 2. Sam. 6,21; 1. Kön 8,16); Knecht Gottes, der kommende Erlöser (vgl. Jes 41,8f.; 43,10; 44,1f.; 49,6f.).
Begriffserklärungen: Erwählung
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Liebe
Gottes als Grundlage.
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5. Mose
10,15-16: „Doch deinen Vätern
hat der HERR sich zugeneigt, sie zu lieben. Und der hat ihre Nachkommen nach ihnen, [nämlich] euch, aus allen Völkern
erwählt, so wie [es] heute [ist]. So beschneidet denn die
Vorhaut eures Herzens und verhärtet euren Nacken nicht mehr! Denn der HERR, eurer Gott, er ist der Gott
der Götter und der Herr der Herren, der große, mächtige und zu fürchtende Gott, der niemanden bevorzugt und kein Bestechungsgeschenk annimmt …“ (vgl. 5. Mose 7,7-10).
Begriffserklärungen: Erwählung
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Amos 3,2: „Aus allen Geschlechtern auf Er-den habe ich allein euch erkannt
(= erwählt),
darum will ich auch an euch heimsuchen alle eure Sünde.“
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Vgl. auch Römer 9–11: kein automatisches Heil allein auf Grund der Erwählung.
Begriffserklärungen: Erwählung
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Ek-legomai = „auserwählen“ im Neuen Testament: (z. B. Joh 15,16.19; 1. Kor 1,27.28; Eph 1,4).
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Ek-loge = „Auserwählung“ (z. B. Apg 9,15; Röm 9,11; 11,5.7.28).
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Ek-lektos =„auserwählt“ (z. B. Mt 22,14; Röm 8,33; 1. Petr 2,9).
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„Eigentliche“ Bedeutung: „für sich heraussammeln“.
Begriffserklärungen: Erwählung
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Betonung liegt auf Gott als dem Erwählenden.
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Vgl. Joh 15,16: „Ihr habt nicht mich erwählt,
sondern ich habe euch erwählt und euch gesetzt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibe, damit, was ihr den Vater
bitten werdet in meinem Namen, er euch gebe.“
Begriffserklärungen: Erwählung
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Eph 1,4: „… wie er uns in ihm auserwählt hat vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und tadellos
vor ihm seien in Liebe.“
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Betonung liegt auf „in ihm“, d. h. Jesus Christus (vgl. Jes 41,8f.; 43,10;
44,1f.; 49,6f.: Gott
hat seinen „Knecht“
und mit ihm Israel erwählt).
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Alle, die
durch den Glauben Jesus
gehören,
sind Auserwählte.
Begriffserklärungen: Erwählung
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Mt 22,14: „Denn viele sind berufen (eingeladen), wenige aber auserwählt
(herausgesammelt).“
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kaleo = „rufen, berufen, einladen“.
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Bezieht sich an dieser
Stelle auf die Erwäh-lung
Israels, die allerdings der Einladung zum Glauben an Jesus Christus nicht folgen.
Begriffserklärungen: Erwählung
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Vgl. Mt
22,3: „Und er sandte seine Knechte aus, um die Geladenen (Berufenen)
zur Hochzeit einzuladen (zu rufen/berufen); und sie wollten nicht kommen.“
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„auserwählt“ = „herausgesammelt“, weil der Einladung gefolgt.
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Die „Berufenen“ = die „Auserwählten“: welche der Einladung zum Glauben folgen.
Begriffserklärungen: Erwählung
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Pro-thesis
= „Vorsatz“, Plan“
(Röm 8,28; 9,11; Eph 1,11; 3,11; 2. Tim 3,10)
= Heilsplan
Gottes.
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pro-tithemi = „vorher planen/festlegen“ (Röm 3,25; Eph 1,9).
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Betonung liegt auf dem Heilsplan Gottes in Jesus Christus (vgl. z. B. Eph 1,9.11 mit Röm 3,25: Gott hat Jesus Christus „vorherbestimmt“).
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Vgl. auch Eph 3,11: „… nach dem ewigen Vorsatz (Heilsplan), den er verwirklicht hat in Christus Jesus, unserem Herrn.“
2. Gottes Heilswille
für alle Menschen
Gottes Heilswille für alle Menschen
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Gott hat alle Menschen geschaffen und ist ein Gott aller Menschen (vgl. z. B. Mal 2,10; Röm 3,29).
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Gott kennt kein Ansehen der Person (vgl. z. B. Röm 2,11; Eph 6,9; Kol 3,25; 1. Petr 1,17).
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Er möchte, dass alle Menschen gerettet werden (vgl. z. B. 1. Tim 2,4; 2. Petr 3,9).
Gottes Heilswille für alle Menschen
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Hes 18,23: „Sollte ich wirklich Gefallen haben am
Tod des Gottlosen, spricht der
Herr, HERR, und
nicht [vielmehr] daran, dass er von seinen Wegen umkehrt und lebt?“
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1. Tim
2,3-6: „Dies ist gut und angenehm vor unserem
Heiland-Gott, welcher
will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Denn einer ist Gott, und einer ist Mittler zwischen
Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus, der sich selbst als Lösegeld für alle gab, als das Zeugnis (damit es
bezeugt wird) zur rechten Zeit.“
Gottes Heilswille für alle Menschen
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2. Petr
3,9: „Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Ver-zögerung halten, sondern er ist langmütig
euch gegenüber, da er nicht will, dass jemand verloren gehe, sondern dass
alle zur Umkehr kommen.“
Gottes Heilswille für alle Menschen
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Jesus ist für alle Menschen gestorben; alle, die an ihn glauben, werden
gerettet.
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Joh 3,16: „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen
einzigen Sohn gab, damit
jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.“
Gottes Heilswille für alle Menschen
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Das Evangelium soll allen Völkern
bzw. „jeder Schöpfung“ verkündet werden (vgl. Mt 28,18f.; Mk 16,15; Apg 17,31) mit dem Ziel,
dass diese Menschen
sich bekehren und Kinder Gottes werden (vgl. Joh 1,12; 1. Joh 3,1f.; 5,12f.).
Gottes Heilswille für alle Menschen
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Gott hat sich für den Menschen entschieden.
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Vgl. 2. Kor 5,19-21; Kol 1,19-21: Gott hat alle mit sich versöhnt, jedoch keine
Allversöhnung: „Lasst euch mit Gott versöhnen!“
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Schlussendlich entscheidet jeder Einzelne, und er ist für seine Entscheidung
verantwortlich.
3. „Problematische“ Stellen
„Problematische“
Stellen
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Zu beachten ist, dass
Gottes Heilsplan in
seiner Tiefe nicht verstanden werden
kann (vgl. z. B. Röm 11,33-36).
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Mut
haben, Fragen offen zu lassen: Gott hat „nicht im Verborgenen geredet“ (Jes
45,19; 48,16), trotz-dem ist er ein „verborgener Gott“ (Jes 45,15).
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Einzelne Stellen müssen im biblischen Kontext beachtet werden (AT-Hintergrund z. B. in Röm 9).
„Problematische“
Stellen
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Röm 9,11-13: „Denn als sie [Esau und Jakob] noch nicht geboren waren
und weder Gutes noch Böses getan hatten –
damit der nach [freier] Auswahl gefasste Vorsatz Gottes [bestehen] bleibe,
nicht auf Grund von Werken, sondern auf Grund des Berufenden – , wurde zu ihr [der Mutter] gesagt: ‚Der Ältere wird dem Jüngeren dienen‘; wie geschrieben steht: ‚Jakob habe ich geliebt, aber Esau habe
ich gehasst.‘“
„Problematische“
Stellen
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Bei der Erwählung Jakobs vor
der Geburt (vgl. 1. Mose 25,23): Keine Entscheidung über ewiges Leben oder ewigen Tod, sondern über Heilslinie.
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Aber Gott hat doch Esau bereits vor
der Geburt schon gehasst!?
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Die Aussage erscheint in Mal 1,2f. (ca. 1500
Jahre nach der Geburt Esaus!) und bezieht sich auf die Edomiter.
„Problematische“ Stellen
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Begründung: Die Edomiter haben
die Israeliten ungerecht behandelt (vgl. Hes 25,12f.; 35,5f.14f.; Ob 10f.).
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Gott sagt: „Wer euch antastet, der tastet
meinen Augapfel an“ (Sach 2,8;
vgl. 5. Mose 32,10).
„Problematische“
Stellen
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Röm
9,17: „Denn die Schrift sagt zum Pharao: ‚Eben hierzu habe ich dich erweckt (oder: beste-hen
lassen), damit ich meine Macht
an dir erzei-ge und damit
mein Name verkündigt
werde auf der ganze Erde.‘“
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Gott
verstockte das Herz des Pharao (vgl.
2. Mo-se 9,12; 10,20.27; 14,8; vgl. auch 2. Mose 4,21; 7.3), nachdem Pharao sein Herz verhärtet
hatte (vgl. 2. Mose 7,14,
8,11.28; 9,7.34).
„Problematische“
Stellen
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Strafgericht galt auch den Göttern
der Ägypter (2. Mose 12,12).
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Gott ist „langsam zum Zorn und groß
an Gnade“ (vgl. z. B. 2. Mose 34,6; 4. Mose 9,17; Ps 86,15; 103,8; 145,8).
„Problematische“
Stellen
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Vgl. Röm 9,22-23: „Dementsprechend hat Gott, obwohl/als er seinen Zorn
erweisen und seine Macht kundtun wollte, mit viel Langmut die Gefäße des Zorns ertragen, die zum Verderben zubereitet sind, damit er den Reichtum seiner
Herrlichkeit an den Gefäßen der Begnadigung kundtue, die er zur
Herrlichkeit vorher bereitet hat“ (vgl. auch Eph 2,10; 2. Tim 2,20-21).
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Vgl. auch Joel 2,13: „Und zerreißt
euer Herz und nicht eure Kleider und kehrt um zum HERRN, eurem Gott! Denn er ist gnädig und barmherzig, langsam zum Zorn und
groß an Gnade,
und lässt sich
das Unheil gereuen.“
„Problematische“
Stellen
•
Eph 1,4: „Denn in ihm [Jesus Christus] hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und
unta-delig vor ihm sein sollten.“
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Betonung liegt dem Kontext nach auf „in ihm“, näm-lich in Jesus Christus (vgl. Jes 41,8f.; 43,10; 44,1f.; 49,6f.: Knecht Jahwes und Israel).
- Wer die einladende Botschaft annimmt, gehört zu den Auserwählten (vgl. auch Röm 8,29-30).
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„Vorherwissen/Vorhererkennen“ Gottes (vgl. Apg 2,23; Röm 8,29; 1. Petr 1,2.20; 2. Petr 3,17), dem die Ausson-derung durch die Wiedergeburt und die Heiligung
folgt (vgl. Röm 8,29-30).
4. Warum gehen Menschen verloren?
Warum gehen Menschen verloren?
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Hosea
5,3-4: „Ich selbst habe Ephraim erkannt (= erwählt), und Israel ist nicht vor mir verborgen.
Denn nun hast du Hurerei getrieben, Ephraim; Israel hat sich unrein gemacht. Ihre Taten gestatten ihnen
nicht, zu ihrem Gott umzukehren.
Denn der Geist der Hurerei ist in ihrem Innern, und den HERRN (Jahwe) erkennen
sie nicht …“
Warum gehen Menschen verloren?
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2. Kor 4,3-4: „Wenn aber unser
Evangelium doch verdeckt ist, so ist es [nur] bei denen verdeckt, die verloren
gehen, den Ungläu-bigen, bei denen der Gott dieser Welt den Sinn verblendet hat, damit sie den Licht-glanz des Evangeliums von der
Herrlichkeit des Christus, der Gottes Ebenbild ist, nicht sehen“ (vgl. Mt 13,24-30).
Warum gehen Menschen verloren?
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Mt 13,25: „Während aber die Menschen schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut mitten unter den
Weizen und ging weg.“
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Röm 1,18ff.: Weil der Mensch Gott
verworfen hat, hat Gott ihn verworfen.
Warum gehen Menschen verloren?
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2. Kor 5,19-20: Gott war „in
Christus und versöhnte die Welt mit sich selbst, rech-nete ihnen ihre Übertretungen nicht an und hat unter uns das Wort von der Ver-söhnung gelegt. So sind wir nun Gesand-te an Christi Statt, indem Gott gleichsam durch uns ermahnt; wir bitten für Chris-tus: ‚Lasst euch mit Gott versöhnen!’“
Schluss
Schluss
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1. Tim 2,4: „… welcher will, dass alle Menschen gerettet werden und
zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“
•
Nicht „unfreier Wille“ (vgl.
Luther), sondern „Unfähigkeit zum Tun“ des gefallenen Menschen (vgl. Röm 7,14ff.).
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Hebr 4,7: „Heute, wenn
ihr seine Stimme hört, verhärtet
eure Herzen nicht.“
•
Folgen wir der
Einladung oder entscheiden wir uns gegen
sie?