Er weckt mich alle Morgen

 

  1. Er weckt mich alle Morgen, er weckt mir selbst das Ohr. Gott hält sich nicht verborgen, führt mir den Tag empor, dass ich mit seinem Worte begrüß das neue Licht. Schon an der Dämmrung Pforte ist er mir nah und spricht.

 

  1. Er spricht wie an dem Tage, da er die Welt erschuf. Da schweigen Angst und Klage; nichts gilt mehr als sein Ruf. Das Wort der ewgen Treue, die Gott uns Menschen schwört, erfahre ich aufs Neue so, wie ein Jünger hört.

 

  1. Er will, dass ich mich füge. Ich gehe nicht zurück. Hab nur in ihm Genüge, in seinem Wort mein Glück. Ich werde nicht zuschanden, wenn ich nur ihn vernehm. Gott löst mich aus den Banden. Gott macht mich ihm genehm.

 

  1. Er ist mir täglich nahe / und spricht mich selbst gerecht. Was ich von ihm empfange, gibt sonst kein Herr dem Knecht. Wie wohl hat's hier der Sklave, der Herr hält sich bereit, dass er ihn aus dem Schlafe / zu seinem Dienst geleit.

 

  1. Er will mich früh umhüllen / mit seinem Wort und Licht, verheißen und erfüllen, damit mir nichts gebricht; will vollen Lohn mir zahlen, fragt nicht, ob ich versag. Sein Wort will helle strahlen, wie dunkel auch der Tag.

 

Text: Jochen Klepper 1938

Melodie: Rudolf Zöbeley 1941

 

Passende Bibelstellen:

1. Mose 1, 3

Psalm 33, 9

Jesaja 50, 4-8

Lukas 12, 37

Matthäus 20, 28

Matthäus 20, 15-16


Kurzbiographie:

 

Jochen Klepper wurde 1903 als Pfarrerssohn in Beuthen an der Oder (im heutigen Polen) geboren und wuchs dort mit drei Geschwistern auf. Zu seiner Mutter hatte er stets ein gutes Verhältnis, mit dem Vater kam es immer wieder zu Konflikten. Nach der Schulzeit studierte Klepper ab 1922 Theologie in Erlangen und Breslau. Kurz vor dem Examen brach er jedoch sein Theologiestudium ab, da er Probleme mit der wissenschaftlichen Theologie hatte. Er bemühte sich danach vergeblich um eine Anstellung in verschiedenen Bibliotheken und erhielt dann schließlich eine Stelle als freier Schriftsteller beim evangelischen Presseverband in Breslau. Hier konnte er seiner schriftstellerischen Begabung, die sich schon früh gezeigt hatte, Ausdruck verleihen. Jochen Klepper schrieb Gedichte und Prosatexte und bald auch Hörspiele für den Rundfunk. Später erhielt er eine Anstellung beim Ullstein-Verlag in Berlin.

1931 heiratete Jochen Klepper die um etliche Jahre ältere Jüdin Hanni Stein, Witwe eines Rechtsanwaltes, die zwei Töchter mit in die Ehe brachte. Einige Jahre später trat seine Frau zum evangelischen Glauben über. Die Familie lebte zunächst in Berlin-Süderende, später dann in Berlin Nikolassee. Jochen Klepper wurde einen schweren Lebensweg geführt. Neun Jahre lang kämpfte er um seine Ehe, die als so genannte "Mischehe" zwangsweise geschieden werden sollte. Knapp ein Jahr lang war er Soldat und wurde dann wegen seiner Ehe mit einer Jüdin als "wehrunwürdig" entlassen.

1933 erschien Kleppers Roman "Der Kahn der fröhlichen Leute". Ein Roman über König Friedrich Wilhelm l. von Preußen mit dem Titel "Der Vater" erschien 1937. Im gleichen Jahr wurde er aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen, da er mit einer Jüdin verheiratet war. 1938 gab er den Gedichtband "Kyrie" heraus, in dem die meisten seiner Lieder enthalten sind. Die Lieder Jochen Kleppers spiegeln seine große Bibelkenntnis, sein Leben mit Gott und seinem Wort, wider. Er konnte sich sein Leben, und das betrifft auch sein Schreiben und Dichten, ohne Gottes Wort überhaupt nicht vorstellen. So sagte er z.B. "Wer vom Worte lebt, kann nicht vorüber am Wort des Lebens. Wer Bücher schreibt, vermag nicht, sich dem Buch der Bücher zu entziehen." (Scheffbuch, Den Kummer... S.31)

Viele biblische Aussagen hat Klepper in seinen Liedern aufgenommen und verarbeitet. Nur durch die Verbundenheit mit Gott und seinem Wort konnte er seinen schweren Lebensweg überhaupt gehen. Er lebte mit Gottes Wort und fand Trost besonders in den Psalmen, die er beten konnte, wenn ihm selbst die Worte fehlten. Immer wieder kommen das Schwere und Dunkle, die Angst und Not, in die Jochen Klepper geraten war, in seinen Liedern zum Ausdruck, und immer wieder findet er dann Trost und Halt in Gottes Wort und in der Gewissheit, dass Gott auch im Dunkel da ist.

Jochen Klepper singt in seinen Liedern ganz bewusst gegen Not, Leid und Angst an und fordert uns auf "nicht klagen sollst du, loben!"

 

In seinem letzten Lebensjahr hat er keine neuen Lieder mehr verfasst. "Lieder vermag ich nicht mehr zu schreiben.", sagt er. "Das Lied ist ohne die völlige Einwilligung in Gottes Willen nicht möglich." (Scheffbuch, Den Kummer... S.36) Auch einen geplanten Roman über Katharina von Bora, die Frau Martin Luthers, mit dem Titel 'Das ewige Haus' konnte Klepper nicht mehr fertig stellen.

Um eine Ausreiseerlaubnis für seine Frau und die Tochter Renate zu erhalten (die Tochter Brigitte konnte schon 1939 nach England ausreisen), suchte Jochen Klepper sogar Adolf Eichmann, den Organisator der Judenvernichtung, auf. Auch mit dem Innenminister des Deutschen Reiches, Wilhelm Frick, der verantwortlich für die Durchführung der Rassengesetze war, trat Klepper in Kontakt; vergeblich. Die drohende Deportation von Frau und Tochter vor Augen schied Jochen Klepper, gemeinsam mit den Seinen, am 11. Dezember 1942 freiwillig aus dem Leben. Er sah keinen anderen Ausweg mehr.

Im Vorwort zu Jochen Kleppers Tagebüchern, die unter dem Titel "Unter dem Schatten deiner Flügel" veröffentlicht wurden, schreibt Oliver Kohler: "Im Verlust des Lebens rettet er seine Gottesebenbildlichkeit vor den Folterern" (Unter dem Schatten... S. 13).

Die letzten Worte Jochen Kleppers in seinem Tagebuch lauten:

"Wir sterben nun - ach, auch das steht bei Gott - Wir gehen heute Nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des Segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben." (Unter dem Schatten... S. 650)

 

Was haben seine Lieder uns heute zu sagen?

"In der Welt habt ihr Angst", sagt Jesus in Johannes 16, 33, "aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden." Diese Angst in unserer Welt kannte Jochen Klepper nur zu gut. Er kannte sie nicht nur, er bekannte sich auch zu seiner Angst. Klepper lebte in einer Zeit, in der das Leben aller, die nicht der richtigen Rasse angehörten, und dazu zählte auch seine Familie, bedroht war. In einer Welt, in der, wie auch heute, nur die Starken und Leistungsfähigen etwas zählten, hatte er den Mut, schwach zu sein, den Mut, die Angst beim Namen zu nennen, Schwäche und Schuld zuzugeben. Doch Jochen Klepper wusste auch, wohin mit Angst und Dunkel, nämlich zu dem, der die Welt mit ihrer Angst überwunden hat, Jesus Christus. Mit seinen Liedern singt Klepper gegen Angst und Not an. Hell und Dunkel, Schuld und Vergebung, Bedrängnis und Erlösung sind die Themen Jochen Kleppers. Die Lieder wollen uns Mut machen in einer Zeit, in der immer mehr Menschen (auch viele Christen) von Ängsten und Depressionen bedrängt werden. Sie wollen uns Mut machen, mit diesen Bedrängnissen zu leben, weil sie zu dieser Welt dazugehören, und nicht aufzugeben, weil wir ja um das Ziel wissen. Sie fordern uns auf zum Gotteslob auch unter widrigen Umständen, denn das Wort dessen, der die Welt überwunden hat, gibt uns immer wieder neue Kraft.

'Sein Wort will helle strahlen, wie dunkel auch der Tag.'

Für Jochen Klepper und seine Familie wurden die Tage so dunkel, dass sie keinen Ausweg mehr sahen. Auch hier hatte er den Mut, Schuld und Schwachheit zuzugeben. Am 8. Dez. 1942 schreibt er in seinem Tagebuch: "Gott weiß, dass ich ihm dies nicht geloben kann, wie Luther es vermochte 'Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib, lass fahren dahin.’... Gott ist größer als unser Herz. - Das Wort soll uns noch in den Tod begleiten." (Unter dem Schatten S. 648) Können wir Jochen Klepper nun deshalb verurteilen, weil er freiwillig aus dem Leben ging? Wie hätten wir wohl an seiner Stelle gehandelt? Anstelle einer Be- oder Verurteilung wollen wir auf seinen Freund, den Schriftsteller Reinhold Schneider, hören: "Klepper hat die Seinen an der Hand genommen, als es kein Recht und keinen Schutz mehr gab, und ist mit ihnen vor den Richter, den schrecklichen Vater, geeilt, sich schuldig wissend und doch unergründlicher Gnade gewiss: gerade dieser Tod ist, von ihm her gesehen zu einem Glaubenszeugnis und einem Zeichen der Treue geworden; es war kein Nein, vielmehr ein Ja, der glaubensstarke Schritt über die Schwelle des Ewigen Hauses - für uns bleibt er aufwühlende Anklage." (Unter dem Schatten S. 12/13)

Das letzte Bibelwort, das Jochen Klepper in sein Tagebuch geschrieben hat steht in Psalm 126, 1 "Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden."

 

 

Danke an Bibel-Memory (http://www.bibel-memory.de) für die freundliche Zuverfügungstellung dieser Kurzbiographie. Bibel-Memory ist ein überkonfessionelles Missionswerk, das Ihnen hilft, Bibelverse systematisch auswendig zu lernen. Des Weiteren gibt es Kurse zum Auswendiglernen von Liedern, darunter Kurse mit Liedern von Paul Gerhardt, Philipp Friedrich Hiller und Jochen Klepper:

http://www.bibel-memory.de/klieder.htm