Vater,
Sohn und Heiliger Geist
Der
dreieinige Gott – menschliche Erfindung
oder
biblische Lehre?
Eine Antwort an
Zeugen Jehovas
und andere
Bestreiter der göttlichen Dreieinigkeit
Von
Dr. theol. Lothar Gassmann, Pforzheim
Nicht nur von Zeugen Jehovas,
Christadelphians und Branham-Anhängern wird die Dreieinigkeit Gottes
bestritten, sondern auch von immer mehr Personen und Kreisen im „frommen“
Bereich. So ist – um der Seelen Seligkeit willen! - ernsthaft und gründlich zu
prüfen, was die Bibel zu dieser wichtigen Frage sagt. Dies soll hier
exemplarisch in der Auseinandersetzung mit den Zeugen Jehovas geschehen.
Ist Gott einer
oder ist er drei? So könnte man die
Frage ganz einfach formulieren. Die Zeugen Jehovas (ZJ) antworten darauf
durchaus richtig, daß Gott einer ist.
Nur - wie sieht diese Einheit aus?
„Elohim“
Im Bibellexikon der Wachtturm-Gesellschaft (WTG) wird unter
dem Stichwort „Elohim“ zunächst festgestellt, daß das hebräische Wort Elohim rein grammatikalisch eine Pluralform ist. Wörtlich bedeutet es
„Götter“. Aber die ZJ weisen auch korrekt darauf hin, daß Elohim da, wo es sich
auf Gott den Schöpfer, den Gott Israels bezieht, Attribute im Singular erhält
(Elohim schuf, Elohim sprach etc.). Von dieser Beobachtung her kann Elohim in
diesen Fällen kein numerischer Plural sein (anders da, wo Elohim auf
Engelwesen, menschliche Richter u.a. angewandt wird). Aber was für ein Plural
ist es dann? Einen Trinitätsplural (Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbaren
sich als Elohim) schließen die ZJ von ihrem Vorverständnis her wie selbstverständlich
aus. Statt dessen vermuten sie einen Plural der Majestät, der Hoheit oder der
Erhabenheit: „Wenn auf Jehova angewandt, wird das Wort ´Elohím` im Sinne von
Majestät, Hoheit oder Erhabenheit gebraucht“ (HVB, S. 354 f.).
Hierzu
ist zu bemerken, daß diese Interpretation keineswegs eindeutig ist. Zwar läßt
sich ein Majestätsplural im Blick auf Gott den Schöpfer nicht ausschließen.
Aber andere Deutungen (pluralis deliberationis, pluralis amplitudinis oder
pluralis trinitatis) besitzen vergleichbare Wahrscheinlichkeit. Immerhin ist zu
beachten, daß der Trinitätsplural - etwa im Blick auf Stellen wie 1. Mose 1,26
- seit der Zeit der Alten Kirche bis hinein ins 20. Jahrhundert (Karl Barth)
die klassische Deutung von Elohim darstellte. Der Alttestamentler Claus
Westermann freilich plädiert für einen pluralis deliberationis als „Stilform
der Selbstberatung“ und schreibt im Blick auf den (von den ZJ favorisierten)
Majestätsplural:
„Die
früher gegebene Erklärung, es sei ein pluralis majestatis gemeint, ist heute allgemein
aufgegeben, weil es ihn bei dem Verb im Hebräischen nicht gibt“ (Westermann
1976, S. 200).
„Unvernünftig“
Nun betrachten wir die weitere Argumentation der WTG. Die
wesentlichsten Argumente gegen die Dreieinigkeitslehre haben sie in einer
Broschüre zusammengefaßt, die den Titel trägt: „Sollte man an die Dreieinigkeit
glauben?“ (im folgenden zitiert als: „Dreieinigkeit“). In dieser Schrift wird zunächst
betont: „Gott ist einer, nicht drei.“
Bibelstellen wie das erste Gebot („Du sollst keine anderen Götter haben als
mich“) aus 2. Mose 20,2 und das Sh`ma Israel („Höre, oh Israel: der Herr, unser
Gott, ist ein Gott“) aus 5. Mose 6,4
werden - durchaus treffend - für den Monotheismus
(Ein-Gott-Glaube) ins Feld geführt.
Nun wird aber aus dem Monotheismus gefolgert, daß es keine
Dreieinigkeit geben könne. Denn Dreieinigkeit würde bedeuten, daß es drei Götter gäbe - und das würde nicht
nur der biblischen Offenbarung, sondern auch der menschlichen Vernunft
widersprechen. Die ZJ schreiben, daß die Lehre von der Trinität „für Menschen
unbegreiflich“ ist. „Selbst viele, die an die Dreieinigkeit glauben, können sie
nicht begreifen“ (ebd., S. 4).
Interessanterweise befinden sich die ZJ mit diesem „Vernunft“-Argument in seltsamer
Gesellschaft: auf der einen Seite mit Vertretern einer rationalistisch geprägten Philosophie und Theologie (>Liberale
Theologie), auf der anderen Seite mit dem >Islam, der die Trinität ebenfalls vehement bestreitet und bekämpft.
Erkennt man dies, dann kommt das Zitat des - ausgerechnet katholischen (!) und
für die Ökumene (!) der Religionen eintretenden - Theologen Hans Küng in einer Schrift der - sonst
antikatholischen und antiökumenischen! - WTG nicht mehr ganz so überraschend.
Auf S. 4 der „Dreieinigkeits“-Schrift wird aus Küngs Buch „Christentum und
Weltreligionen“ ohne genauere Quellenangabe folgende Passage zustimmend
zitiert:
„Gerade informierten Muslimen leuchtet einfach schlechterdings
nicht ein, was bislang auch den Juden nie eingeleuchtet hat: warum der ...
Ein-Gott-Glaube nicht aufgegeben wird, wenn mit der einen Gottheit ... zugleich
drei Personen in Gott angenommen werden ... Es ist offenkundig, daß die für die
christliche Trinitätslehre gebrauchten Distinktionen
zwischen eins und drei einen Muslim nicht befriedigen ...“
Immer
wieder begegnen uns rationalistische Gedanken in der Argumentation der WTG, so
auch hier. Was ist zum Vorwurf der „Unbegreiflichkeit“ - und damit letztlich
„Unvernünftigkeit“ - der Trinitätslehre zu sagen?
Ich halte die Dreieinigkeitslehre nicht für unvernünftig,
sondern für „übervernünftig“: die
Grenzen der natürlichen Vernunft des Menschen überschreitend. Gott hat uns nie
sein innerstes Wesen so geoffenbart, daß wir jedes Geheimnis bis ins Tiefste
erkennen könnten. Was wir mit unserem geschöpflichen Verstand nicht bis ins
Letzte ausloten können, kann aber deshalb dennoch existent sein. Die
Unbegreiflichkeit Gottes wird in der Bibel immer wieder betont (Hiob 38 f.; Jes
40,13; Röm 11,33-36; 1. Kor 2 u. a.). Aber dennoch hat uns Gott alles geoffenbart,
was für unsere Rettung notwendig ist (vgl. Joh 20,30 f.). Gerade das Kreuz
Christi als Punkt äußerster Erniedrigung ist zugleich der Punkt tiefster
Verborgenheit des sich offenbarenden Gottes („Mein Gott, mein Gott, warum hast
du mich verlassen?“; Mt 27,46; vgl. 1. Kor 1,18 ff.) und Quell-Ort des Heils …
Vollends
unhaltbar ist aber die Behauptung, die Bibel enthalte keine (unerforschlichen)
göttlichen Geheimnisse. Das steht zu den oben angegebenen Bibelstellen in
direktem Widerspruch. „O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit
und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich
seine Wege!“ (Röm 11,33).
Nun läßt sich zwar die göttliche
Dreieinigkeit nicht mit der Vernunft bis ins Letzte begreifen, aber Erklärungsversuche hierfür gibt es
durchaus, etwa durch den Vergleich mit alltäglichen Erfahrungen und
Gegenständen. Als klassisches Beispiel zur Veranschaulichung der Dreieinigkeit
kann das Dreieck herangezogen werden.
Ein Dreieck hat drei Ecken, ist aber eines. Gott offenbart sich in drei
Personen, ist aber einer. Die drei Personen (Vater, Sohn und Heiliger Geist)
gehören in ihrem Wesen untrennbar zusammen, auch wenn sie sich nach außen unterschiedlich
offenbaren. Der Kirchenvater Tertullian prägte hierfür die - wegen des
„Substanz“-Begriffs leider mißverständliche - Formel: „una substantia, tres personae“ („eine Substanz, drei Personen“) …
Wenn die ZJ mit rationalistischen Argumenten die Dreieinigkeitslehre bekämpfen,
dann handeln sie inkonsequent, denn
sie schließen (etwa im Gegensatz zu Anhängern einer radikalen Kritik und
>Entmythologisierung der Bibel) Wunder und Übernatürliches nicht prinzipiell
aus. So heißt es in der 1995 veröffentlichten Wachtturm-Schrift „Erkenntnis,
die zu ewigem Leben führt“ im Blick auf Jesus:
„Als
Gottes heiliger Geist ihn befähigte, Wunder zu wirken, heilte er aus Mitleid
die Kranken, Lahmen, Verkrüppelten, Blinden, Tauben und Aussätzigen (Matthäus
8:2-4; 15:30). Jesus speiste Tausende von hungrigen Menschen (Matthäus
15:35-38). Er beruhigte einen Sturm, der die Sicherheit seiner Freunde
gefährdete (Markus 4:37-39). Und er auferweckte sogar Tote (Johannes 11:43,44).
Diese Wunder sind gut belegte historische Tatsachen“ (S. 40).
Die Anhänger der WTG sind zu fragen: Wenn sie Gott zutrauen,
daß er solche Wunder wirkt oder
ermöglicht, warum trauen sie ihm dann nicht auch das Wunder seiner dreieinigen Existenz zu? Die ZJ spüren
selber, daß das Rationalismus-Argument nicht ausreicht. Deshalb behaupten sie
außerdem, die Trinitätslehre sei unbiblisch.
„Unbiblisch“
Welche „biblischen“
Argumente werden nun von den ZJ - neben dem „Rationalismus-Argument“ -
gegen die göttliche Dreieinigkeit vorgebracht? Ich zitiere ausführlich die
Zusammenstellung der wesentlichen Aussagen in der Schrift „Die Wahrheit, die
zum ewigen Leben führt“ (S. 22-24):
„Im Athanasianischen Glaubensbekenntnis, das etwa aus dem 8.
Jahrhundert unserer Zeitrechnung stammt, heißt es, daß alle drei Personen miteinander
gleich ewig (daher ohne Anfang) und alle drei allmächtig seien. Auch heißt es
darin: ´Unter diesen drei Personen ist keine die erste, keine die letzte, keine
die größte, keine die kleinste.` Ist diese Lehre vernünftig? Und was noch
wichtiger ist: Ist sie in Übereinstimmung mit der Bibel?
Diese Lehre war den hebräischen Propheten und den
christlichen Aposteln unbekannt... Die ersten Christen, die direkt von Jesus
Christus belehrt wurden, glaubten nicht, Gott sei ein ´dreieiniger Gott`.
Als Jesus auf Erden wirkte, war er ganz bestimmt nicht gleich groß wie sein Vater, denn
er sagte, daß es Dinge gebe, die weder er noch irgendein Engel, sondern nur
Gott wisse. (Markus 13:32) Er betete
auch zu seinem Vater um Hilfe, wenn er sich in einer Prüfung befand. (Lukas
22:41,42) Auch sagte er selbst: ´Der Vater ist größer als ich.` (Johannes
14:28) Deshalb bezeichnete Jesus seinen Vater auch als ´meinen Gott` und als
den ´allein wahren Gott`. - Johannes 20:17; 17:3.
Nachdem Jesus gestorben war, auferweckte
Gott ihn wieder und verlieh ihm größere Herrlichkeit, als er zuvor hatte.
Dennoch war er immer noch nicht gleich groß wie sein Vater. Woher wissen wir
das? Weil Gott danach in der Heiligen Schrift als ´Haupt des Christus`
bezeichnet wird. (1. Korinther 11:3) Die Bibel sagt auch, daß Jesus als der von
Gott eingesetzte König herrschen müsse, bis Gott alle Feinde unter seine Füße gelegt
habe, und daß dann ´auch der Sohn selbst untertan sein [werde] dem, der ihm
alles untergetan hat, auf daß Gott sei alles in allem`. (1. Korinther 15:28, Lu) Das zeigt ganz deutlich, daß Jesus
Christus auch nach seiner Auferstehung nicht gleich groß war wie sein Vater.
Sagte aber Jesus nicht einmal: ´Ich und der Vater sind
eins.`? (Johannes 10:30) Ja, das sagte er. Diese Worte deuten aber nicht im
geringsten eine ´Dreieinigkeit` an, denn Jesus sprach nur davon, daß zwei,
nicht drei eins seien ... Später machte
Jesus selbst den Sinn dieser Worte verständlich, als er darum betete, daß seine
Nachfolger ´eins seien`, so wie er und sein Vater ´eins sind`. (Johannes 17:22)
Jesus und sein Vater sind insofern ´eins`, als Jesus in vollkommener Übereinstimmung
mit seinem Vater ist ...
Der ´heilige Geist`, die sogenannte ´dritte Person der
Dreieinigkeit`, ist ... keine Person, sondern Gottes wirksame Kraft ...
Was
zeigen somit die Tatsachen über die ´Dreieinigkeit` oder die ´Trinität`? In
Gottes Wort, der Bibel, ist weder das Wort ´Trinität` oder ´Dreieinigkeit` noch
die geringste Spur der Dreieinigkeitslehre zu finden. Diese Lehre stammt nicht
von Gott. Es wird dich jedoch interessieren, zu erfahren, daß die heidnische
Bevölkerung Babyloniens ... an eine solche Lehre glaubte, ja sie verehrte sogar
mehr als eine Göttertriade.“
Soweit
das Zitat aus dem Buch „Die Wahrheit, die zum ewigen Leben führt“. Ich fasse
die wesentlichen Ansichten der ZJ über die Dreieinigkeit noch einmal zusammen
und skizziere deren eigene Vorstellung bezüglich Jesus Christus und dem
„heiligen Geist“ (klein geschrieben!), wie sie sich aus verschiedenen
Veröffentlichungen ergibt.
Die ZJ
gehen davon aus, daß in der Lehre von der Dreieinigkeit drei Götter verehrt würden: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Das sei
falsch, ja Götzendienst. Daher sei Satan
der Urheber der Trinitätslehre, die er in die Welt gebracht habe, um Jehova zu
schänden. Jesus sei ein menschgewordener Erzengel („Michael“)
und in diesem Sinne „ein Gott“, „ein Sohn Gottes“ oder „ein mächtiger
Gott“, aber nicht „der allmächtige Gott Jehova“ selbst. Er sei das erste und
unmittelbare Geschöpf Gottes
(„geschaffen, nicht gezeugt“), hatte somit einen Anfang und ist - nur in dieser
Form - Schöpfungsmittler für alle „anderen“ Geschöpfe. Der „heilige Geist“ sei nichts anderes als Gottes unsichtbare aktive Kraft, die er benutze, um seinen Willen
durchzuführen, aber keinesfalls eine mit Gott identische Person.
„Heidnisch“
Zunächst gehe ich auf das Argument ein, daß die Trinitätslehre
heidnische Wurzeln oder Parallelen habe. In der Tat finden sich Göttertriaden (aber auch andere
numerische Zusammenstellungen, z.B. Zweierpaare oder Kombinationen von 9, 11,
12 oder 33 Göttern; vgl. RGG II/1958, Sp. 1.703 f.) in verschiedenen
Religionen: Die Inder verehrten Brahma als Erschaffer, Vishnu als Bewahrer und
Shiva als Zerstörer des Universums (wobei die drei sowie unzählige weitere
Gottheiten in Brahma ihre Einheit finden). Die Ägypter beteten - ebenfalls
neben vielen weiteren Göttern - die Göttin Isis, ihre Schwester Nephthys und
Osiris (Sohn der Nephthys und Gatte der Isis) als eine Triade an. Eine weitere
Triade in Ägypten bildeten Horos, Osiris und Isis. In Babylonien und Assyrien
existierten in noch früherer Zeit mehrere Triaden. Eine bestand aus Anu, dem
Herrn der Höhe und des Himmels, Ellil, dem Herrn der Luft und der Erde, und Ea,
dem Herrn des Wassers und der Tiefe. Die
Triade der astralen Gottheiten setzte sich aus dem Sonnengott Schamasch,
dem Mondgott Sin und der Göttin des Morgen- und Abendsterns Ischtar zusammen.
Ferner gab es eine Triade aus Kusch, dem Vater, Semiramis, der Mutter, und
Nimrod, dem ersten Herrscher Babylons (vgl. Hoekema 1972, S. 45 f.).
Hier stellt sich die Frage: Ist dieses Auftreten von Triaden
bei heidnischen Kulten und Religionen (und es könnten noch mehr Beispiele
genannt werden) ein Beweis gegen die Existenz des wirklichen dreieinigen
Gottes? Könnte es nicht auch umgekehrt ein Beweis für seine Existenz sein, nämlich ein Ahnen dieses Gottes, das durch
mancherlei Verfälschungen und Verzerrungen im Heidentum entstellt ist (vgl. Röm
1,19-23)? Auch die Erinnerung an die in der Bibel (1. Mose 6-9) geschilderte
Sintflut hat sich ja in manchen Sagen und Legenden verschiedener Religionen und
Stämme erhalten. Am bekanntesten ist in diesem Zusammenhang das babylonische
Gilgamesch-Epos, das ebenfalls von einer riesigen Überschwemmung berichtet,
dabei aber den für den biblischen Bericht grundlegenden Monotheismus durch
polytheistische Auffassungen verfälscht (vgl. Thompson 1930).
Die WTG beruft sich - etwa in ihrer 1963 auf Amerikanisch
und 1965 auf Deutsch veröffentlichten Schrift „Babylon die Große ist gefallen“
- immer wieder auf das erstmals 1853 herausgegebene Buch „The Two Babylons“ von Alexander
Hislop. Hislop versuchte in seinem extrem romfeindlichen und theologisch
keineswegs unumstrittenen Werk, die römisch-katholische Kirche als
Wiederbelebung der babylonischen Mysterienreligion zu „entlarven“. Er äußerte
in diesem Zusammenhang auch Kritik an den Trinitäts-Vorstellungen, wie sie im
Heidentum und in manchen abergläubischen Formen (z.B. Bilderkult) auch im Katholizismus
auftreten. Was die WTG allerdings verschweigt, ist die Tatsache, daß ihr
„Kronzeuge“ Hislop die Trinitätslehre deshalb keineswegs pauschal ablehnt,
sondern nur deren Entstellung und Mißbrauch. So finden sich in Hislops Werk
folgende Passagen:
„In
Indien wird die oberste Gottheit ... mit drei Köpfen auf einem Körper dargestellt
unter dem Namen ´Eko Deva Trimurtti`, ´Ein Gott, drei Gestalten`. In Japan verehren
die Buddhisten ihre große Gottheit Buddha mit drei Köpfen in sehr ähnlicher
Form unter dem Namen ´San Pao Fuh`. Alle diese existierten seit alten Zeiten.
Obwohl sie mit Götzendienst überschüttet wurde, war die Erkenntnis einer
Trinität universal in all den antiken Nationen der Welt, was beweist, wie tief
verwurzelt in der menschlichen Rasse die uranfängliche Lehre über diesen
Gegenstand war, der so deutlich aus dem Buch Genesis hervorgeht“ (Hislop 1959,
S. 18).
Hislop
leitet die Trinität also vom Buch Genesis (z.B. vom Trinitätsplural in Gen 1,26
u.a.) ab, weist allerdings auf ihre Entstellung durch heidnischen Götzendienst
und seines Erachtens auch durch das Papsttum hin. So führt er weiter aus:
„Will irgend jemand nach diesem sagen, daß die
römisch-katholische Kirche noch ´christlich` genannt werden muß, nur weil sie
an der Lehre von der Trinität festhält? Das taten die heidnischen Babylonier,
das taten die Ägypter, das tun die Hindus noch in dieser Stunde - in ganz
ähnlicher Weise, wie Rom es tut. Sie alle ließen eine Trinität zu. Aber verehrten sie den Dreieinigen Jehova, den
ewigen König, der unsterblich und unsichtbar ist? Und möchte irgend jemand
sagen ..., daß Rom das tut? Weg also mit der tödlichen Illusion, daß Rom
christlich sei!“ (ebd., S. 90; Übersetzung: L. G.).
Freilich ist die Meinung Hislops für die Frage nach der
Dreieinigkeit nicht ausschlaggebend, sondern allein das Wort der Heiligen
Schrift. Trotz aller zum Teil berechtigten Kritik an Lehren des römischen
Katholizismus, wie sie sich bei Hislop findet, werden wir in den nächsten
Abschnitten z.B. sehen, daß Rom in altkirchlicher Zeit durchaus die biblische
Lehre der Trinität verteidigt und bewahrt hat. Aber es ist doch aufschlußreich,
zu erkennen, daß ausgerechnet Hislop, auf den sich die ZJ mit ihrer Kritik an
der Trinität berufen, ein „Trinitarier“
war. Offensichtlich hat die WTG dies inzwischen bemerkt, denn in neueren
Veröffentlichungen begegnet der Hinweis auf Hislop m. W. nicht mehr.
Arianische Parallelen
Betrachten wir nun näher die von den ZJ vertretene Gottes-
und Christus-Vorstellung, dann merken wir, daß es nichts Neues unter der Sonne
gibt. Denn die Lehren der ZJ über Gott waren in ähnlicher Form schon mehrmals
da. Sie sind somit keineswegs originell, sondern schon oft durchdiskutiert und
widerlegt worden Somit möchte ich, bevor ich auf die Erörterung der wichtigsten
biblischen Stellen zu dieser Frage eingehe, zunächst die bedeutenden
geschichtlichen Parallelen skizzieren, die es insbesondere im 4. und 5.
Jahrhundert nach Christus gab: die
arianischen und christologischen Streitigkeiten.
Am Anfang des 4. Jahrhunderts n. Chr. trat der Presbyter Arius aus Libyen, ein Schüler des
bekannten Hermeneuten Lukian von Antiochien, in Alexandria auf und schuf durch
seine Lehren große Unruhe. Vom neuplatonischen Überwelt-Denken beeinflußt,
lehrte er, daß es nur einen einzigen Gott gebe, der ungezeugt und ungeworden
sei und als völlig reines Wesen mit der Schöpfung nicht in Berührung kommen könne.
Jesus könne unmöglich gottgleich sein,
sonst verliere Gott diese Eigenschaften und es existierten zwei Götter. Darum
gehöre Jesus auf die Seite der Geschöpfe.
Er habe einen Anfang und sei nicht gleich ewig wie Gott. „Ex ouk onton gegonen“ („aus dem Nichts ist er erschaffen“). Und: „En pote, hote ouk än“ („es gab eine
Zeit, da er nicht war“). Er ist das erste und höchste aller Geschöpfe und als
solcher der Mittler der übrigen Schöpfung. In subordinationistischer Weise nahm
Arius Abstufungen zwischen Vater, Sohn und Geist vor und berief sich weithin
auf die gleichen Bibelstellen wie heute die ZJ (s. o.).
Laut Arius ist nur Jesus „vom Vater selbst geschaffen, damit
durch ihn alle Äonen, das All, der
Mensch erschaffen würden. Auch heiße er nur ´übertragenermaßen` ..., lediglich
´dem Namen nach` ..., nur ´gnadenhaft`... bzw. ´in unserer Begriffswelt` ...
´Wort` (lógos), ´Weisheit` (sophía), ´Sohn`, während der eigentliche
lógos und die eigentliche sophía Gott immanent seien und zu Gottes
eigenem, unteilbarem Wesen gehörten. Darum müsse es auch heißen, daß der Sohn
nicht ´wesenseins` (homo-oúsios) mit
dem Vater, sondern ´fremd und in jeder Beziehung unähnlich dem Wesen und der
Eigenart des Vaters` sei, da von Natur aus ´wandelbar` (tréptos) und mit ´Willensfreiheit` ... ausgestattet wie wir und
nur tatsächlich sich für das Gute entscheidend und in der Einung seines Willens
mit demjenigen des Vaters verharrend. Diese in sittlicher Selbstbestimmung
begründete ´Unwandelbarkeit` des Sohnes aber habe Gott vorausgewußt und ihm deshalb
vorwegnehmend die Verherrlichung (dóxa)
verliehen, die er als Mensch aufgrund seiner Tugend und Werke sich verdienen
sollte“ (HDT I/1989, S. 149).
In Athanasius (ca.
295-373), dem Diakon des Bischofs Alexander von Alexandria, entstand ein mächtiger Gegenspieler für Arius und seine
Nachfolger, der diese - etwa in seinen „Vier
Reden gegen die Arianer“ - glänzend widerlegte. Im Unterschied zum philosophisch-spekulativen,
kosmologischen Ansatz des Arius
argumentierte Athanasius von der Soteriologie
(Lehre von der Erlösung des Menschen) her. Er warf Arius vor, uns den
erlösenden Gott zu rauben, wenn er Christus auf die Seite der Geschöpfe
(Menschen oder Engel) zieht. In der zweiten Rede des Athanasius gegen die Arianer
heißt es:
„Denn wenn wir von den Toten auferstanden sind, fürchten wir
den Tod nicht mehr, sondern wir werden in Christus immer im Himmel herrschen.
Das aber ist geschehen, weil das eigene und aus dem Vater stammende Wort Gottes
selbst das Fleisch anzog und Mensch geworden ist. Denn wenn es als Geschöpf
Mensch geworden wäre, dann wäre der Mensch nichtsdestoweniger geblieben wie er
war, nämlich ohne Verbindung mit Gott. Denn wie hätte es als Geschöpf durch ein
Geschöpf sich mit dem Schöpfer verbinden können? Oder was für eine Hilfe hätten
ähnliche Wesen von ihresgleichen erwarten können, wenn doch auch sie derselben
Hilfe bedurften? ... Und es hat der Sohn, der euch frei gemacht hat, in Wahrheit
gezeigt, daß er kein Geschöpf noch auch eines von den gewordenen Wesen ist, sondern
das eigene Wort und Bild der Substanz des Vaters, der auch im Anfang das Urteil
gesprochen hat und allein die Sünden nachlässt“ (Gegen die Arianer II, 67; BKV
13, S. 214 f.).
Auch wenn die Parallelen zwischen den Lehren des Arius und
der WTG bezüglich der Bestreitung der Gottheit Jesu Christi und des Heiligen
Geistes unübersehbar sind, ist doch auf zwei wesentliche Unterschiede hinzuweisen: Erstens: Die ZJ lehren, daß der Erzengel
Michael oder der Logos nach seiner Fleischwerdung als Jesus in Maria nur noch
bloßer Mensch gewesen sei. Nach seiner Auferstehung wurde er als Engel völlig
neugeschaffen. Im Unterschied zu solcher Diskontinuität hielt Arius an der Kontinuität des Logos fest. Arius
lehrte, daß Jesus auch während seiner irdischen Lebenszeit der Logos blieb, der
anstelle einer menschlichen Seele in den fleischlichen Leib Jesu einzog und
diesen nachher wieder verließ. Zweitens
sprach Arius von der Personalität des
Heiligen Geistes, auch wenn er ihn nicht als Gott anerkannte (vgl. Hoekema
1972, S. 123 f.). - Aber diese Unterschiede werden durch den gemeinsamen
gedanklichen Ansatz bei Arius und der WTG weit überdeckt: Jesus und der Heilige
Geist seien nicht Gott, sondern lediglich geschaffene Wesen.
Die arianischen zogen sich ähnlich wie die diesen folgenden
christologischen und pneumatologischen Streitigkeiten viele Jahrzehnte hin,
wogten hin und her, führten zu Verdammungen und Exkommunikationen je nach
kirchlicher und staatlicher Machtverteilung - aber was blieb, sind die Bekenntnisse, die im Zusammenhang damit
entstanden sind und den Glauben der Kirchen bis heute prägen, vor allem
das Nicaenum
(325 n. Chr.), das Nicaeno-Constantinopolitanum
(381 n. Chr.) und das Chalcedonense
(451 n. Chr.). Schon im Nicaeno-Constantinopolitanum von 381 ist die Dreieinigkeit
Gottes klar definiert - und nicht erst im Athanasianum,
das zwischen 430 und 589 vermutlich in Spanien formuliert wurde (vgl. TRE IV,
S. 328 ff.) und das somit nicht, wie die ZJ schreiben, „etwa aus dem 8. Jahrhundert“
stammt (s. o.). Als Bekenntnis, welches die arianischen Streitigkeiten
abschloß, sei nachfolgend das Nicaeno-Constantinopolitanum
wiedergegeben. Es lautet:
„Wir glauben an einen Gott, den Vater, den Allmächtigen,
Schöpfer Himmels und der Erden, all des, das sichtbar ist und unsichtbar. Und
an einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus Gott geboren vor
aller Zeit, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, geboren, nicht
geschaffen (gennethénta ou poiethénta),
mit dem Vater eines Wesens (homo-oúsion
to patrí), durch den alle Dinge ins Sein traten; der um uns Menschen und um
unseres Heiles willen herabgekommen ist vom Himmel und Fleisch geworden aus dem
Heiligen Geist und Maria, der Jungfrau, der Mensch ward, gekreuzigt ward unter
Pontius Pilatus, litt und begraben ward, am dritten Tage auferstand nach den
Schriften, aufgefahren ist gen Himmel, sitzt zur Rechten des Vaters und
wiederkommen wird in Herrlichkeit, zu richten Lebende und Tote; des Reichs ohne
Ende sein wird. Und an den Heiligen Geist, der da Herr ist und lebendigmacht (tò kýrion, tò zoopoión), der vom Vater
ausgeht, der mit dem Vater und dem Sohne zugleich angebetet und zugleich gepriesen
wird, der durch die Propheten geredet hat; an eine heilige katholische und
apostolische Kirche. Wir bekennen eine Taufe zur Vergebung der Sünden; wir
warten auf die Auferstehung der Toten und das Leben der zukünftigen Welt“ (zit.
nach HDT I/1989, S. 210).
Wenn formuliert wird „der Sohn ist geboren (gezeugt), nicht geschaffen“, dann wird damit zum Ausdruck
gebracht, daß er von der gleichen Wesensart wie der Vater, also göttlich, ist. Er ist kein Geschöpf (dem
Vater fremd), sondern Gott (dem Vater gleich). Eine Analogie mit dem Menschen
mag das verdeutlichen: Wenn Sie etwas schaffen (z. B. eine Brücke), dann ist
das Produkt von Ihrem Wesen verschieden (fremd). Wenn Sie jedoch ein Kind zeugen,
dann ist es Fleisch von Ihrem Fleisch, also von der gleichen Wesensart wie Sie.
Der Unterschied zwischen Mensch und Gott in dieser Analogie liegt - außer dem
göttlichen Wesen - darin, daß Gott
seinen Sohn von Ewigkeit her
zeugt, daß der Sohn also ohne Anfang
ist. Und ähnliches gilt vom Heiligen Geist, der von Ewigkeit her vom Vater
ausgeht und als dritte Person der Gottheit zugleich mit Vater und Sohn
angebetet und gepriesen wird. Athanasius führt in seiner zweiten Rede gegen die
Arianer aus:
„So kennt also die göttliche Schrift den Unterschied von
Zeugung und Geschöpfen und erweist die Zeugung als Sohn, der nicht mit
irgendeinem Anfang begann, sondern ewig ist, die Schöpfung aber bezeichnet sie
als ein Werk, das außerhalb von seinem Schöpfer existiert und zu werden
begonnen hatte“ (Gegen die Arianer II, 58; BKV 13, S. 200).
Was wurde durch die Bekenntnisse von Nizäa und
Konstantinopel erreicht? Es wurde klar formuliert, wer Gott, wer Christus, wer
der Heilige Geist ist: nicht drei Götter, wie fälschlich unterstellt wurde,
sondern der eine Gott in drei
Erscheinungsweisen, Hypostasen oder Personen (Tertullian: „una substantia -
tres personae“). Christus ist wahrer Gott vom wahren Gott, eines Wesens mit dem
Vater, gezeugt, nicht geschaffen, also von Ewigkeit her der Sohn Gottes und
kein Geschöpf. Der Heilige Geist ist göttliche Person. Vater, Sohn und Geist
unterscheiden sich nicht in ihrem Wesen, sondern nur in ihrer jeweiligen Aufgabe.
Die klassische Aufteilung in der Dogmatik kennzeichnet Gottvater als Schöpfer,
Gottsohn als Erlöser und Gott den Heiligen Geist als Tröster.
Beim Konzil von Chalkedon
(451) wurde der christologische Aspekt vertieft. Es wurde definiert, daß Jesus
Christus eine göttliche Person mit zwei Naturen ist, „mit dem Vater wesenseins
der Gottheit nach und als derselbe mit uns wesenseins der Menschheit nach, in
allem uns ähnlich, ausgenommen die Sünde ... als ein und derselbe Christus,
Sohn, eingeborener Herr, in zwei Naturen unvermischt, unverwandelt, ungetrennt,
ungesondert erkennbar ..., wobei jedoch die Unterschiedenheit der Naturen um
der Einung willen keineswegs aufgehoben wird, sondern die Eigentümlichkeit ...
einer jeden Natur gewahrt bleibt und sich zu einer Person ... und zu einer
Hypostase verbindet ...“ (zit. nach HDT I/1989, S. 264 f.).
Nach diesem kurzen Einblick in die komplizierten
Lehrdiskussionen der ersten Jahrhunderte nach Christus wenden wir uns nun der
entscheidenden Frage zu: Sind diese Bekenntnisse zu Recht zustande gekommen?
Hat sich Arius - und haben sich mit ihm die ZJ, die im Blick auf die
Dreieinigkeit ähnlich lehren wie er - geirrt? Oder kurz gesagt: Lehrt die Bibel die göttliche Dreieinigkeit?
Da diese Frage so fundamental wichtig ist, wird ihre Beantwortung breiten Raum
einnehmen müssen. Ich werde daher nach einem grundlegenden Überblick über wesentliche
Argumente die wichtigsten Bibelstellen, die bei dieser Diskussion ins Feld
geführt wurden und werden, einzeln untersuchen. Zunächst betrachten wir die
christologische Auffassung der ZJ noch etwas genauer.
„Christus –
das erste Geschöpf“
Die grundlegende Lehre, daß Jesus Christus wesensmäßig nicht
auf der Seite Gottes, sondern ganz auf der Seite der Geschöpfe stehe, haben die ZJ mit Arius gemeinsam. Nicht ohne Grund
rechnen sie Arius zu den „Sendboten der Offenbarung“ neben Wiclif, Luther,
Russell und anderen! In der Ausgestaltung dieses Ansatzes treten freilich
Besonderheiten auf. So sei Jesus (nach Ansicht der ZJ) vor seiner Menschwerdung
ein Engel (der Erzengel Michael)
gewesen, bei seiner Menschwerdung ganz
Mensch (als Gegenbild zu Adam) geworden und bei der Auferstehung wieder zu
einem Engelwesen erhöht worden, nun
aber auf einer vollkommeneren Stufe. Charles
Taze Russell spricht in seinem Werk „Der Plan der Zeitalter“ von einer
ganzen Hierarchie der Geschöpfe (vom
Mineralreich bis zu den höchsten Geistwesen), die sich höherentwickeln und in
die er Jesus Christus, aber auch Jehova (als „höchste Stufe“) einordnet:
„Die Schrift lehrt, daß es zwei, aber auch nur zwei vollkommene
Menschen gegeben hat - Adam und Jesus ... So ist es auch mit den Graden der
geistigen Wesen; obwohl vollkommen an sich, stehen sie der Natur oder der Art
nach zu einander im Verhältnis von höher und niedriger. Die göttliche Natur ist
die höchste und über alle anderen erhaben. Christus war bei seiner Auferstehung
´so viel besser geworden` wie vollkommene
Engel, als die göttliche Natur über der Natur der Engel steht ... Obgleich er
[sc. der Mensch] das höchste der animalischen oder irdischen Wesen ist, so ist
er doch ´ein wenig niedriger als die ´Engel`, weil Engel geistige oder himmlische
Wesen sind... Es wird uns berichtet, daß unser Herr, ehe er seine Herrlichkeit
verließ, um Mensch zu werden, ´in göttlicher Gestalt` - in einer geistigen
Gestalt, ein Geistwesen - war, daß er aber, um für die Menschheit das Lösegeld
zu werden, ein Mensch, d. i. von derselben Natur werden mußte, wie der Sünder,
dessen Stellvertreter er im Tode werden sollte. Daher war es notwendig, daß er
seine Natur wechselte; und Paulus sagt uns, daß er nicht die Natur der Engel
annahm, eine Stufe niedriger als seine eigene, sondern zwei Stufen herabkam,
und die Menschennatur annahm - ein Mensch wurde ... zu jener Zeit war er noch
nicht so hoch, als wie er jetzt ist; denn Gott hat ihn ´erhöhet`, ´hoch
erhoben`... Er ist jetzt von der höchsten Ordnung der Geistwesen, ein Teilhaber
der göttlichen Natur, der Natur Jehovas“ (Russell 1912, S. 178 ff.).
Die in Wirklichkeit absolute qualitative (wesensmäßige) Unterschiedenheit zwischen Gott und
Mensch wird hier zu einer rein quantitativen
(graduellen) Unterschiedenheit verfälscht, zumindest bei Russell. Die Lehre von
einer solchen Hierarchie, die Jesus Christus seine Gottheit rauben möchte und
gar keinen absoluten, von den Geschöpfen wesensmäßig unterschiedenen Gott
kennt, berührt sich gefährlich mit spiritualistischen
und spiritistischen Auffassungen von „Geisterreichen“ und findet sich daher auch bei (anderen)
esoterischen Systemen, z. B. in der Anthroposophie
(vgl. Gassmann 1993, S. 152 ff.).
Auch Russells Nachfolger Joseph
Franklin Rutherford erkennt die Gottheit Jesu Christi nicht an. Er führt in
seiner Schrift „Schöpfung“ folgendes aus:
„Gott
ist kein geistiges ´Geschöpf`, aber er ist ein Geistwesen. Der ´Logos` ist ein
geistiges ´Geschöpf` und wurde von dem großen Geist Jehova erschaffen. Von der Zeit seiner Erschaffung an war er bei
Gott, in seiner Gegenwart, und er war seine Freude. Es ist daher völlig
zutreffend, wenn wir schriftgemäß erklären, daß der Logos, jetzt als Jesus Christus
bekannt, der große und mächtige Sohn Gottes, ein Geistwesen und das erste
Geschöpf aller Schöpfung Gottes ist... ´Erzengel` ist der Name, der einigen
anderen geistigen Geschöpfen Gottes verliehen ist, welcher Name ´Erster im
Rang` bedeutet... Der Titel oder Name Erzengel ist zeitweise auch auf den
Logos, wenn er Jehova in einer gewissen oder besonderen Eigenschaft zu dienen
hatte, angewandt. Einer seiner Titel ist ´Michael`, was ´Gottgleich` bedeutet
(Judas 9; Daniel 10:13; Offenbarung 12:7).
Es scheint jedenfalls ganz klar, daß der Titel Michael auf Jehovas Sendboten
angewandt ist, der mit höchster Vollmacht bekleidet und mit einem besonderen
Auftrag ausgesandt ist“ (S. 14 f.).
Im Bibellexikon
der ZJ wird unter dem Stichwort „Das Wort“ behauptet, „göttlich“ bedeute
lediglich „gottähnlich“, der Logos Jesus sei „nicht der Gott, der allmächtige Gott, sondern ein ´Mächtiger`, ein Gott“,
„Gottes einzige direkte Schöpfung“, „derjenige ... den Gott beim Erschaffen
aller anderen Dinge gebrauchte“, „´Mund` oder Wortführer seines Vaters“, „sein
Kommunikationsmittel zur Weitergabe von Informationen und Anweisungen an die
anderen Geist- und Menschensöhne des Schöpfers“ (HVB, S. 1.582 f.).
„Der heilige Geist –
Gottes wirksame Kraft“
Über den „heiligen Geist“ lesen wir bei Joseph Franklin
Rutherford in seinem Buch „Die Harfe Gottes“:
„Der
Heilige Geist ist die unsichtbare Kraft und Energie, der unsichtbare Einfluß
Jehovas. Gott ist heilig; darum ist seine Kraft, seine Energie und sein Einfluß
heilig“ (S. 91).
In ähnlicher Weise wird der Geist Gottes in der
Wachtturm-Schrift „Sollte man an die Dreieinigkeit glauben?“ als „kontrollierte
Kraft“ charakterisiert und sogar mit dem elektrischen Strom verglichen:
„Die Art und Weise, wie in der Bibel der Ausdruck ´heiliger
Geist` gebraucht wird, läßt erkennen, daß er eine kontrollierte Kraft ist, die
Jehova Gott dazu dient, seine mannigfaltigen Vorsätze zu verwirklichen. Er kann
in einer gewissen Weise mit dem elektrischen Strom verglichen werden, einer
Kraft, die sich für die verschiedensten Zwecke einsetzen läßt. In 1. Mose 1:2
heißt es: ´Gottes wirksame Kraft [´Geist` (hebräisch: rúach)] bewegte sich hin und her über der Oberfläche der Wasser.`
In diesem Fall diente Gottes Geist, seine wirksame Kraft, dazu, die Erde zu
gestalten“ (S. 20).
Dieser Vergleich des Geistes mit dem elektrischen Strom
begegnet nicht nur bei den ZJ, sondern auch im >Okkultismus und >Spiritismus, mit dem die ZJ infolge
ihres Gottesbildes mehr gemeinsam haben, als sie wahrhaben wollen. Auf
Berührungen mit dem Spiritisten Johannes Greber habe ich im Zusammenhang mit
der >Neue-Welt-Übersetzung hingewiesen. Auch der verdinglichte Geistbegriff
besitzt esoterische Wurzeln und ähnelt sehr der „Lebenskraft“, die unter verschiedenen Bezeichnungen in
unterschiedlichen esoterischen Systemen begegnet. Bezieht man Russells oben
zitierte Ansicht von der Hierarchie der Geschöpfe und Geistwesen in das Gesamtbild
mit ein, dann wird der Zusammenhang noch deutlicher.
Für den Okkultismus und Spiritismus ist die gesamte Wirklichkeit
ein geistig-energetisches Kraftfeld.
In diesem stellen Mineral-, Pflanzen-, Tier-, Menschen- und Engelreich sowie
„Gott“ bzw. „das Göttliche“ nur unterschiedliche Verdichtungsstufen der Lebensenergie
dar. Diese Lebensenergie oder Lebenskraft trägt in den einzelnen Religionen
oder weltanschaulich-religiösen Systemen diverse Bezeichnungen - und doch
handelt es sich um dieselbe - der Welt des gefallenen „Lichtengels“ (2. Kor
11,14) entstammende - Kraft. Sie begegnet als Weltäther (F. A. Mesmer),
Od-Kraft (K. von Reichenbach), Yesod (Kabbala), Mana (Polynesien), Baraka
(Sufismus), Ka (Ägypten), Chi (Taoismus), Prana (Hinduismus) u.ä. (vgl. Ruppert
1990, S. 90 ff.).
Nun kommen die ZJ nicht um die Beobachtung
herum, daß der Heilige Geist in der Bibel als Person gekennzeichnet wird: Er spricht (Apg 13,2; 21,11), denkt
(Apg 5,3; 15,28), lehrt (Lk 12,12; Joh 14,26), teilt dem Menschen Gaben zu (1.
Kor 12,11) und kennt die Zukunft (Apg 21,11). Er kann betrübt (Jes 63,10; Eph
4,30), belogen (Apg 5,3) und gelästert (Mt 12,31 f.) werden. Er sucht die Gemeinschaft
des Menschen (2. Kor 13,13). Er kann im Menschen Wohnung nehmen und ihn wieder
verlassen, wenn der Mensch in der Sünde verharrt (Ps 51,13; Lk 11,13; Apg 2,4;
1. Kor 6,19). Er besitzt göttliche Eigenschaften: Allwissenheit (1. Kor 2,10
f.), Allmacht (Lk 1,35-37) und Ewigkeit (Hebr 9,14). Ihm eignet ein Name, auf
den man getauft werden kann (Mt 28,19). Er wird gekennzeichnet als der Tröster
(Paraklet), welcher Jesus nach dessen Weggang vertritt (Joh 16,7-15) und der
uns liebt (Röm 15,30).
Die „Gegenargumente“ der WTG hierzu erscheinen
außerordentlich schwach. Zunächst nimmt man Zuflucht zu einem wenig bekannten katholischen
(!) Theologen:
„Gibt es
indessen nicht auch Bibeltexte, die vom heiligen Geist als von einer Person
sprechen? Ja, doch man beachte, was der katholische Theologe Edmund Fortman in
dem Buch The Triune God darüber sagt:
´Obschon dieser Geist häufig personifiziert wird, ist es eigentlich recht klar,
daß die heiligen Schreiber [der Hebräischen Schriften] nie auf den Gedanken gekommen
sind, daß dieser Geist eine Person sei, auch haben sie ihn nie so dargestellt`“
(Dreieinigkeit, S. 21).
Man muß
sich fragen, woher Fortman das wissen will. Liest man die oben zitierten
Bibelstellen unvoreingenommen, dann stößt man unweigerlich auf die personalen
Charakteristika des Heiligen Geistes. Aber auch hiergegen setzen die ZJ ein Argument:
„Es ist
nichts Ungewöhnliches, daß in der Bibel etwas personifiziert wird. So heißt es
darin, daß die Weisheit Kinder habe (Lukas 7:35)... Und auch der heilige Geist
wird dadurch, daß er personifiziert wird, nicht zu einer Geistperson“ (ebd.).
Hierauf antworte ich folgendes: Sicherlich werden in der
Bibel Begriffe wie „Weisheit“, „Sünde“ oder „Tod“ personifiziert. Aber diese
Tatsache spricht doch nicht dagegen, daß es daneben wirkliche Personen, wie etwa den Heiligen Geist, gibt, die selbstverständlich
auch personale Kennzeichnungen erfahren. Handelte es sich bei der
Personifizierung der Begriffe wie „Sünde“ etc. nicht um ein Stilmittel, könnte
man sagen: Der „Mißbrauch“ hebt den Gebrauch (der personalen Kennzeichnung von
wirklichen Personen) nicht auf. Aber auch damit geben sich die ZJ noch nicht geschlagen.
Sie schreiben:
„Wohl
heißt es in einigen Bibeltexten, daß der Geist spricht, aber andere Texte zeigen,
daß dies in Wirklichkeit durch Menschen oder Engel geschah (Matthäus 10:19, 20;
Apostelgeschichte 4:24, 25; 28:25; Hebräer 2:2). Der Geist wirkte in diesen
Fällen ähnlich wie Radiowellen, die Botschaften von einer Person zu einer
andern, die weit entfernt ist, übertragen“ (ebd., S. 22).
Hier stellt sich die Rückfrage: Wenn der Geist durch Menschen
spricht, warum sollte er dann keine Person sein? Das Gegenteil ist der Fall:
Gerade weil er Person (freilich
unsichtbar und nicht räumlich begrenzt) ist, kann er - als dritte Person der
göttlichen Trinität - durch Menschen sprechen, wie es die von der WTG genannten
und viele weitere Bibeltexte deutlich machen. Weil er Person ist, kann er in Menschen Wohnung nehmen, die Gott
lieben, aber sich auch wieder von ihnen zurückziehen, wenn sie ihn betrüben -
und selbstverständlich kann er auch durch sie handeln und sprechen, solange er
in ihnen wohnt.
Ist der Heilige Geist eine unpersönliche Kraft - oder ist er
identisch mit dem persönlichen Gott, dem Schöpfer der Welt? Diese Frage läßt
sich eindeutig beantworten: Der Heilige Geist ist Gott, keine Kraft. Aber durch das Wirken des Heiligen Geistes -
oder besser: als Heiliger Geist -
erweist Gott nach der Erhöhung Jesu Christi zum Vater seine Kraft auf Erden.
Man kann daher auch vom „Kraftwirken des Heiligen Geistes“ sprechen. Aber - um
es noch einmal zu verdeutlichen - der Heilige Geist ist keine unpersönliche
Kraft, sondern der persönliche Gott, der als dritte Person der göttlichen
Dreieinigkeit seine Kraft in der Gemeinde entfaltet. So sprach Jesus kurz vor
seiner Kreuzigung zu seinen Jüngern:
„Es ist gut für euch, daß ich weggehe. Denn wenn ich nicht
weggehe, kommt der Tröster (ho parákletos)
nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden. Und wenn er
kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die
Gerechtigkeit und über das Gericht... Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit,
kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich
selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig
ist, wird er euch verkündigen. Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen
wird er`s nehmen und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, das ist mein.
Darum habe ich gesagt: Er wird`s von dem Meinen nehmen und euch verkündigen“ (Johannes
16,7-14).
Hier
begegnen uns - wie auch an den anderen genannten Bibelstellen - durchweg
personale Kategorien. Als abschließenden Beleg für die Identität zwischen Gott
und dem Heiligen Geist verweise ich auf
die Erzählung von Hananias und Saphira:
„Ein Mann aber mit Namen Hananias samt seiner Frau Saphira
verkaufte einen Acker, doch er hielt mit Wissen seiner Frau etwas von dem Geld
zurück und brachte nur einen Teil und legte ihn den Aposteln zu Füßen. Petrus
aber sprach: Hananias, warum hat der Satan dein Herz erfüllt, daß du den Heiligen Geist belogen und etwas vom
Geld für den Acker zurückbehalten hast? Hättest du den Acker nicht behalten
können, als du ihn hattest? Und konntest du nicht auch, als er verkauft war,
noch tun, was du wolltest? Warum hast du dir dies in deinem Herzen vorgenommen?
Du hast nicht Menschen, sondern Gott belogen“
(Apg 5, 1-4).
Die Aussagen „Du hast den Heiligen Geist belogen“ und „Du hast Gott belogen“ stehen hier völlig parallel, und es kann kein Zweifel
darüber bestehen, daß der Heilige Geist Gott ist.
Trinität biblisch –
ein Überblick
Betrachten wir die Bibel im Blick auf die Dreieinigkeit
Gottes, so ist zunächst festzustellen, daß sich der Begriff „Dreieinigkeit“ oder „Trinität“ nirgends findet. Der
Begriff wurde vermutlich erst von Theophilus von Antiochia um 180 n. Chr.
geprägt und von Tertullian bald darauf ausgestaltet. Daß der Begriff nicht
vorkommt, schließt aber keineswegs aus, daß die Sache, die der Begriff zusammenfaßt, an vielen Stellen der Heiligen
Schrift deutlich zum Ausdruck gebracht wird.
Hier ist zunächst an die „trinitarischen
Formeln“ („Vater, Sohn und Heiliger Geist“), Beschreibungen oder Erzählungen zu erinnern, die sich mehrmals im
Neuen Testament finden, etwa in Mt 3,16 f.; 28,19; 1. Kor 12,4-6; 2. Kor 13,13;
Eph 4,3-6; 1. Petr 1,2; Hebr 10,29-31; Jud 20.21; Offb 1,4 f. Vater, Sohn und
Heiliger Geist sind hier zusammengestellt oder in ihrem (innertrinitarischen)
Handeln aneinander beschrieben. Weitere relevante Stellen sind z. B. Mk 1,9-11;
Lk 1,35; 3,21 f.; Joh 3,34-36; 14,26; 16,13-15; Apg 2,32 ff.; Röm 15,16.30; 2. Kor
3,4-6; Eph 1,13 f.; 2,18-22; 3,14-17; 2. Thess 2,13 f.; 1. Tim 3,15 f.; Hebr
9,14.
Nachfolgend gebe ich einen Überblick über Bibelstellen, die
dokumentieren, daß JHWH und Jesus eins
sind. Diese Einheit wird etwa an den Eigenschaften deutlich, die JHWH und Jesus
gemeinsam haben. Aus der Fülle der Prädikate und Bibelstellen kann hier nur
eine kleine Auswahl genannt werden.
JHWH ist Gott (1. Mose 1,1; 5. Mose
6,4; Ps 45,6 f.) - und Jesus ist Gott (Joh 1,1.18; 20,28; Röm 9,5; Tit 2,13;
Hebr 1,8; 2. Petr 1,1; s.u.).
JHWH ist Herr in Herrlichkeit (1.
Mose 15,7; 2. Mose 20,2; 4. Mose 6,24 ff.; 5. Mose 6,4) - und Jesus ist Herr in
Herrlichkeit (Mk 12,35 ff.; Lk 2,11; Joh 20,28; Apg 2,36; 10,36; Röm 10,9; 1.
Kor 8,5 f.; 12,3; 16,22; 2. Kor 4,5; Phil 2,11; 1. Petr 2,3; 3,15; Jak 2,1).
JHWH ist Erster und Letzter, Alpha
und Omega (Jes 41,4; 48,12; Offb 1,8) -
und Jesus ist Erster und Letzter, Alpha und Omega (Offb 1,17 f.; 2,8;
22,12-16).
JHWH ist Retter und Erlöser (Ps 130,7
f.; Jes 43,3.11; 48,17; 54,5; 63,8 f.; Lk 1,47; 1. Tim 4,10) - und Jesus ist Retter
und Erlöser (Mt 1,21; Lk 2,11; Joh 1,29; 4,42; Apg 20,28; Eph 1,7; Tit 2,13;
Hebr 5,9; 9,12).
JHWH ist himmlischer König (Ps 95,3;
Jes 43,15; 1. Tim 6,14-16) - und Jesus ist himmlischer König (Offb 17,14;
19,16).
JHWH ist himmlischer Richter (1. Mose
18,25; Ps 50,4.6; 96,13; Röm 14,10) - und Jesus ist himmlischer Richter (Joh
5,22; 2. Kor 5,10; 2. Tim 4,1).
JHWH ist Schöpfer (1. Mose 1,1; Hiob
33,4; Ps 95,5 f,; 102,26.; Jes 40,28) - und Jesus ist Schöpfer (Joh 1,2 ff.;
Kol 1,15-18; Hebr 1,1 ff.).
JHWH existiert von Ewigkeit her (1. Mose
1,1; 2. Mose 3,15; Ps 90,2; Dan 6,27; Röm 1,20) - und Jesus existiert von Ewigkeit
her (Joh 1,1; 8,58; 12,41; 17,5; 1. Kor 10,4; Phil 2,6; Hebr 9,26; 13,8; Jud 25
JHWH vergibt Sünden (2. Mose 34,6 f.;
Neh 9,17; Dan 9,9; Jona 4,2) - und Jesus vergibt Sünden (Mk 2,1-12; Apg 5,31;
26,18; Kol 2,13; 3,13).
JHWH weckt Tote auf (1. Sam 2,6; Mt
22,31 f.; Joh 5,21; Apg 2,24; 3,15; Röm 4,24; 2. Kor 1,9) - und Jesus weckt
(auch im Endgericht!) Tote auf (Lk 7,11 ff.; Joh 5,21; 6,40; 11,39 ff.).
JHWH empfängt Lobpreis und Anbetung
von Engeln und Menschen (5. Mose 32,43; Ps 22,28; 66,4; 95,6; 97,7; 99,9; Jes 45,23; Offb 14,7; 19,10) - und
Jesus empfängt Lobpreis und Anbetung von Engeln und Menschen (Mt 2,2; 14,33;
28,9. 17; Joh 5,23; 20,28; Apg 1,24; 7,59 f.; 9,10 ff.; 22,16 ff.; 1. Kor 1,2;
16,22; 2. Kor 12,8; Phil 2,10 f., Hebr 1,6; Offb 5,8 ff.)
Hinzu
kommt noch eine ganze Reihe weiterer
gemeinsamer Prädikate und Eigenschaften, etwa: Licht, Fels, Hirte,
Lebensspender und Allgegenwärtiger (vgl. Harris 1992, S. 315 ff.; Mc Dowell/Larson
1985, S. 20-79). Auffallend ist auch, daß die Ich-bin-Worte Jesu im Johannes-Evangelium
(z. B. Joh 6,35; 8,24; 8,58; 11,25; 18,4-6) unmittelbar auf den JHWH-Namen
hinweisen. Der Neutestamentler Rudolf Schnackenburg meint hierzu:
„Die
atl. [alttestamentliche] Stelle, die
hinter dem Ausspruch Jesu steht, dürfte Ex 3,14 sein, wo sich Gott bezeugt als
´Ich bin der Ich-bin`, von der LXX wiedergegeben mit Egó eimi ho ón“ (Schnackenburg II/1971, S. 300).
Der Neutestamentler Murray J. Harris hält als Ergebnis
seiner umfangreichen exegetischen Untersuchung sämtlicher relevanter
Bibelstellen zum Thema „Jesus as God“
fest:
„Es ist sicher, daß der Begriff ´theós` (´Gott`) auf Jesus Christus in Joh 1,1 und Joh 20,28
angewandt wird. Es ist sehr wahrscheinlich, daß er in Röm 9,5; Tit 2,13; Hebr
1,8 und 2. Petr 1,1 auf Jesus Christus bezogen wird, wahrscheinlich auch in Joh
1,18 ... Wenn Jesus als ´theós` (´Gott`)
oder ´ho theós` (´der Gott`) bezeichnet
wird, dient dies dazu, seine Gottheit expressis
verbis zu bestätigen. Sicherlich steht oder fällt aber die neutestamentliche
Lehre von der Gottheit Christi nicht mit der Zahl der Stellen, an denen Jesus ´theós` genannt wird. Sogar wenn der
Titel niemals in bezug auf Jesus gebraucht würde, ist seine Gottheit
offensichtlich. Zum Beispiel ist er Empfänger der Anbetung von Menschen und
Engeln und des rettenden Glaubens. Er übt
Funktionen aus, die ausschließlich Gott zukommen, etwa beim
Schöpfungsakt, beim Vergeben von Sünden und beim Endgericht. Bittgebete werden
an ihn gerichtet. Alle göttlichen Attribute sind ihm eigen. Er trägt zahlreiche
Titel, die im Alten Testament auf JHWH bezogen werden“ (Harris 1992, S. 271.
293; Übersetzung: L. G.).
Die Lehre von der Dreieinigkeit, wie sie sich aufgrund der
hier zusammengefaßten sowie aufgrund der im weiteren noch ausführlicher zu
entfaltenden biblischen Aussagen ergibt, kann so formuliert werden: Es
existiert ein einziger wahrer Gott (Monotheismus). Dieser wirkt und offenbart
sich als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Der Vater ist Gott, der Sohn ist Gott,
der Heilige Geist ist Gott - wesenseins
existierend, und doch in drei Personen offenbar. Jesus Christus hat während
seiner irdischen Existenz zwei Naturen besessen: wahre Göttlichkeit und wahre
Menschlichkeit. Er war wirklicher Mensch: Er wuchs heran vom
Kind zum Mann, empfand Hunger und Durst, Müdigkeit und Schlaf, Trauer und
Freude. Er erlitt körperlichen und seelischen Schmerz und schließlich den Tod
(vgl. Mt 2,1; Lk 4,2; 19,41; Joh 4,6; 13,21; 19,28.30 u.a.). Doch zugleich war
und ist er wirklicher Gott, wie obige
Prädikate zeigen. Er besaß Macht über die Natur, konnte die Gedanken der
Menschen erkennen, Sünden vergeben, Krankheiten wunderbar heilen und Tote zum
Leben erwecken. Die ganzen Evangelien sind voll von solchen Berichten.
Dennoch unterschied er sich von Gott dem Vater insofern, als
er in seiner irdischen Existenz irdischen Grenzen zum Teil unterworfen war: Er
besaß in dieser Zeit keine Allmacht, Allgegenwart und Allwissenheit, sondern entäußerte
sich freiwillig dieser Eigenschaften (Kenosis;
s. u.). Dies war vor seiner Menschwerdung anders und änderte sich wieder nach
seiner Auferstehung und Erhöhung zum Vater. Die Zeit seiner Menschwerdung wird
deshalb auch treffend als „status exinanitionis“
(„Zustand der Selbstentäußerung/Selbsterniedrigung der Gottheit“) bezeichnet
(s. u.). Wird dies nicht beachtet, dann entstehen solche Mißverständnisse und
Fehldeutungen wie bei den Arianern und ZJ. Murray J. Harris spricht von der „substantiellen Einheit“ und „personalen Unterschiedenheit“ von
Vater, Sohn und auch Heiligem Geist. Er führt aus:
„Obwohl er theós
(Gott) ist, wird Jesus niemals patér
(Vater) oder kýrios ho theós (= JHWH
elohim) oder ho mónos alethinos theós
(der einzige wahre Gott) genannt ... In binitarischen oder trinitarischen Abschnitten
oder Formulierungen wird nur der Vater, niemals der Sohn (oder Geist) als ho theós bezeichnet (z.B. binitarisch:
1. Kor 1,3; 8; trinitarisch: 12,4-6; 2. Kor 1,21-22; 13,14)“ (Harris 1992, S.
275).
Nun gehe
ich auf wesentliche Bibeltexte zum Verständnis der Dreieinigkeit ausführlicher
ein.
Philipper 2,6-11
„Der in
der Daseinsweise Gottes sich befand, hielt nicht gierig daran fest, Gott gleich
zu sein, sondern er entäußerte sich selbst, Sklavendasein annehmend, ein
Gleichbild der Menschen wurde er; und im Äußeren erfunden als Mensch
erniedrigte er sich selbst (und) wurde gehorsam bis zum Tod, ja zum Kreuzestod.
Deshalb hat Gott ihn auch so sehr erhöht und ihm den Namen, der über jedem
Namen (ist), geschenkt, damit im Namen Jesu jedes Knie sich beuge der Himmlischen
und Irdischen und Unterirdischen und jede Zunge bekenne: Herr (ist) Jesus
Christus zur Ehre Gottes des Vaters“ (Übersetzung: J. Gnilka, 1982, S. 111).
Dieser in der theologischen Forschung oft als „früher
Christushymnus der Urgemeinde“ betrachtete und wichtige Text macht deutlich,
daß Jesus Christus ursprünglich in der morphé
(Gestalt) Gottes war: en morphé theou
hypárchon. Die morphé theou, welche
Christus trägt, ist die „das Sein von seinem Wesen her prägende Daseinsweise“
(ebd. S. 114). Mit seiner Fleischwerdung beschloß Christus freiwillig, sich der
Autorität des Vaters zu unterstellen - nicht weil er es mußte, sondern weil er
es wollte: „Er hielt nicht gierig daran fest, Gott gleich zu sein.“ Aufgrund
des eben genannten Ausgangspunktes kommt nur diese Übersetzung von harpagmon infrage (und nicht die
Übersetzung „gewaltsame Besitzergreifung“, welche die WTG vorschlägt; vgl.
„Unterredungen anhand der Schriften“, S. 105). Daß Jesus seine Gleichheit mit
Gott aufgeben konnte, setzt also voraus, daß er diese Gleichheit besaß. Gott
wurde Mensch (vgl. Joh 1, 14). Jesus unterwarf sich seinem Vater dem Rang, aber nicht der Natur nach. Diese Unterwerfung ändert
nichts an seiner Wesensgleichheit mit dem Vater und dem Heiligen Geist.
Jesus besaß und besitzt also das Wesen Gottes, hielt aber
nicht an seiner göttlichen Stellung fest, sondern entäußerte sich selbst und
nahm die morphé doulou
(Knechtsgestalt oder Sklavendasein) an. Es fand die Inkarnation des Gottwesens
statt. „War es dort die Daseinsweise Gottes, so jetzt die des Sklaven.“ Der
Philipperhymnus beschreibt den „Weg des Präexistenten, der von sich aus die
Sklaverei des Menschseins auf sich nimmt“ (Gnilka, ebd., S. 118 ff.).
War deshalb Jesus nur ein Mensch, wie die Arianer und ZJ behaupten?
Keineswegs. Er verzichtete lediglich während der Zeit seiner irdischen Daseinsweise
auf seine Gleichheit mit Gott, ordnete sich freiwillig dem Vater unter (Erniedrigung) und wurde (wie sich aus
Hebr 4,15 ergibt) Mensch wie wir, doch ohne Sünde, um uns Menschen zu erlösen.
Seine Inkarnation kam der Entäußerung (Kenosis)
seiner Gottgleichheit gleich (er verzichtete auf den Gebrauch bestimmter
göttlicher Eigenschaften), die ihm nach seinem Kreuzestod wieder in Fülle
zuteil wurde (Erhöhung). Einst wird
sich „jedes Knie vor ihm beugen ... und jede Zunge bekennen: Herr ist Jesus
Christus“ (V. 10-11). Bereits der Kirchenvater Athanasius hat sich in seiner
Auseinandersetzung mit den Arianern ausführlich mit Phil 2,6-11 beschäftigt und
den soteriologischen Aspekt der Erniedrigung und Erhöhung des Logos Jesus
Christus hervorgehoben:
„Wenn
nämlich der Herr nicht Mensch geworden wäre, so wären wir nicht von den Sünden
erlöst worden und wären nicht von den Toten auferstanden, sondern wir wären tot
unter der Erde geblieben. Und wir wären auch nicht in den Himmel erhöht worden,
sondern wir würden in der Unterwelt liegen. Unsertwegen und für uns also heißt
es: ´Er erhöhte` und: ´Er gab`“ (Gegen die Arianer I, 43; BKV 13, S. 81).
Nun ist in V. 9-11 des Philipperhymnus ein Zitat aus Jes 45,22-24 aufgenommen, wo es heißt:
„Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden;
denn ich bin Gott, und sonst keiner mehr. Ich habe bei mir selbst geschworen,
und Gerechtigkeit ist ausgegangen aus meinem Munde, ein Wort, bei dem es
bleiben soll: Mir sollen sich alle
Knie beugen und alle Zungen schwören und
sagen: In JHWH habe ich Gerechtigkeit
und Stärke.“
Im Philipperhymnus wird gesagt: „Im Namen Jesu sollen sich alle Knie beugen ...
und alle Zungen bekennen: Herr ist Jesus“. Auch hier haben wir also einen
deutlichen Hinweis auf die Wesenseinheit Jesu Christi mit JHWH oder Gott dem
Vater. Gnilka betont:
„Die neue Ausrichtung, die in Phil 2,10 f gegeben ist,
besteht ... darin, daß jetzt alles radikal auf Christus übertragen ist. Die
Huldigung aller geschieht en tó onómati
Iesou ... Der Kyriostitel muß in Verbindung mit dem atl. Zitat mit dem atl.
Gottesnamen gleichgesetzt werden“ (S. 127.129).
Aus diesen Beobachtungen an dem für die Frage der Gottheit
und Menschheit Jesu Christi zentralen Bibeltext Phil 2,6-11 ergibt sich
folgendes Resultat, das auch für die Betrachtung der weiteren Stellen
grundlegend ist: Das Verhältnis von göttlichen und menschlichen Eigenschaften
bei Jesus Christus kann nur heils- und
offenbarungsgeschichtlich richtig verstanden werden. Das heißt: Man darf für die Zeit der irdischen
Existenzweise Jesu nicht von allen Prädikaten ausgehen, die Gott dem Vater
zukommen. Ich habe schon erwähnt, daß sich der Sohn dem Vater untergeordnet
hat und daher auf Erden von seiner göttlichen
Allmacht, Allgegenwart und Allwissenheit nicht immer Gebrauch machte
(erst wieder nach seiner Erhöhung). Von dieser - nur zeitweiligen! - Unterordnung (Subordination) her erklären sich z. B.
die nachfolgend betrachteten Bibelstellen, die zum Teil von den ZJ gegen die
Gottheit Jesu ins Feld geführt werden, in ihrer Bedeutung sehr klar.
Der Vater - größer als Jesus?
Joh 14,28: Jesus spricht: „Der Vater ist größer
als ich.“ - Hier handelt es sich um den Parade-Vers, den die ZJ für die
„Geschöpflichkeit“ Jesu anführen. Spricht er aber wirklich gegen Jesu Gottheit?
Der Textzusammenhang macht deutlich, daß es hier um das innertrinitarische
Handeln zwischen Vater und Sohn geht: Jesus spricht von seinem Kommen vom Vater
und seiner Rückkehr zu ihm (V. 28). Der Vater ist größer, weil von ihm alles
innertrinitarische Geschehen ausgeht, denn er ist es, der den Sohn und den
Geist sendet (vgl. Schnackenburg III/1976, S. 98). Die Einheit von Vater, Sohn
und Geist sowie die Sendung des Sohnes und Geistes durch den Vater wird gerade
im ganzen 14. Kapitel des Johannesevangeliums besonders betont. Der Satz „Der
Vater ist größer als ich“ kann daher nur von der im gleichen Kapitel (V. 9)
wiedergegebenen Aussage Jesu „Wer mich sieht, der sieht den Vater“ und
ähnlichen Aussagen her richtig eingeordnet werden. Die Unterordnung des Sohnes
unter den Vater während der irdischen Existenzweise seiner Selbstentäußerung
hebt seine Gottheit nicht auf. „Qualitativ war er Gott, offenbart im Fleisch,
während er quantitativ als ein Mensch begrenzt war“ (Martin 1985, S. 119; Übersetzung:
L. G.).
Joh 5,19: „Da antwortete Jesus und sprach zu
ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich aus
tun, sondern nur, was er den Vater tun sieht; denn was dieser tut, das tut
gleicherweise auch der Sohn.“ - Auch hier (wie an vielen ähnlichen Stellen)
betont Jesus seine völlige Abhängigkeit vom Vater während seiner irdischen
Existenz, die aus seiner freiwilligen Unterordnung erwächst. Daß Jesus aber
gleichermaßen Gott wie sein Vater ist, wird in den darauf folgenden Versen
deutlich ausgesprochen: „Wie der Vater die Toten auferweckt und macht sie
lebendig, so macht auch der Sohn lebendig, welche er will. Denn der Vater richtet
niemand, sondern hat alles Gericht dem Sohn übergeben, damit sie alle den Sohn
ehren, wie sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehrt, der ehrt den Vater
nicht, der ihn gesandt hat ...“ (V. 21 ff.).
Mk 13,32: „Von dem Tage aber und der Stunde
[des Weltendes und Endgerichts] weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht,
auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.“ - Hierzu ist zunächst
festzustellen, daß in den unter dem „Mehrheitstext“ subsumierten Handschriften
der Satzteil oude ho hýios (auch der
Sohn nicht) fehlt. Nestle-Aland freilich entscheidet sich für die lectio difficilior
und nimmt oude ho hýios in den Text
auf, zumal gewichtige Handschriften wie der Vaticanus diesen Satzteil enthalten.
Falls wir davon ausgehen, daß oude ho
hýios zum ursprünglichen Text gehört, dann ergibt sich folgende inhaltliche
Beurteilung: Jesus besaß Wissen über
die Art seines Kommens und das Ende der Welt. Er nannte den Jüngern eine
Vielzahl von Zeichen, welche diesen Ereignissen vorausgehen (Mt 24 parr.). „Tag
und Stunde“, wann diese genau
eintreffen, sollte den Jüngern, die zur „ständigen Wachsamkeit“ ermahnt werden
(Mt 24,32 ff.; 25 parr.), jedoch verborgen bleiben. In der inhaltlich ähnlichen
Stelle Apg 1,7 sagt Jesus den Jüngern: „Es steht euch nicht zu (´ouch hymon estin`), Zeitläufe (´chronous`) und Zeitpunkte (´kairous`) zu wissen.“ Die Zeiten der Endereignisse sollen im
Vaterwillen Gottes verborgen bleiben. Bereits im Kenosis-Streit des 17. Jahrhunderts
diskutierten Vertreter der Tübinger und Gießener Theologischen Fakultäten im
Blick auf solche Stellen darüber, ob Jesus wirklich keine Kenntnis des
Endtermins hatte (kenosis) oder die
Information seinen Jüngern nur nicht weitergeben, sondern sie vor ihnen verbergen
wollte (krypsis). Von Mk 13,32 legt
sich allerdings ersteres nahe. Dies wiederum läßt sich nur mit der Menschwerdung Christi, mit seinen selbstauferlegten
Grenzen als Knecht erklären. Bereits der Kirchenvater Athanasius hat in seiner
ausführlichen Erörterung der Stelle auf diesen Tatbestand hingewiesen:
„Weshalb
er vielmehr trotz vorhandener Kenntnisse gesagt hat: ´Auch der Sohn weiß
nicht`, kann wohl keinem Gläubigen unbekannt sein, - weil er eben auch das
immerhin wegen seines Fleisches als Mensch sagen konnte. Denn auch das ist
nicht eine Schwäche des Worts, sondern der menschlichen Natur, der auch das
Nichtwissen zukommt. Und man könnte das wohl einsehen, wenn man auch hier in
redlicher Absicht nach den Umständen fragen wollte, wann und zu wem der Heiland
so sprach. Denn nicht, da der Himmel durch ihn entstand, noch als das Wort beim
Vater selbst war und alles ordnete, noch auch, bevor es Mensch wurde, sagte er
dies, sondern als das Wort Fleisch wurde. Darum schreibt man auch alles, was er
nach seiner Menschwerdung in menschlicher Weise sagt, mit Recht seiner
Menschheit zu“ (Gegen die Arianer III,
43, BKV 13, S. 300).
1. Kor 15,28: „Wenn aber alles ihm (Gott) untertan
sein wird, dann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles unterworfen
hat, damit Gott sei alles in allem.“ - Diese Stelle läßt sich (wie Joh 17,3;
20,17; 1. Kor 11,3 und ähnliche Aussagen im Neuen Testament) nur heilsgeschichtlich
(vom „status oeconomiae“ oder Zustand der Heilszeitordnungen her) und
innertrinitarisch (von der gegenseitigen Beziehung der göttlichen Personen her)
richtig deuten. Gott der Vater hat seinen Sohn über alles Geschaffene gestellt;
er hat ihm „alles unter seine Füße getan“ (V. 27). Das gilt aber nur für die
Zeit bis zur Vollendung aller Dinge. Am Ende wird der Sohn dem Vater alles
übergeben, was ihm dieser untertan gemacht hat, und auch selber in Ewigkeit
seine Sohnesstellung („Unterordnung“) ausüben, die er schon vor Grundlegung der
Welt gegenüber dem Vater eingenommen hatte. Denn sonst wäre er nicht Sohn, wenn
auch in ewigem, anfangslosem Gezeugtwerden aus dem Vater, und somit göttlicher
Wesensart. Martin Luther hat dieses innertrinitarische Verhältnis zwischen
Vater, Sohn und Heiligem Geist sehr
anschaulich erklärt:
„... er
selbst (Gott Vater) regiere ohne Deckel. Doch nichtsdestoweniger wird Christus
in seiner Herrschaft und Majestät bleiben, denn Er ist derselbige Gott und
Herr, ewig und allmächtig mit dem Vater. Aber weil er jetzt so regiert durch
sein Wort, Sakrament etc., daß es die Weltmacht sieht, so heißt es Christi
Reich und muß alles ihm untertan sein bis an den jüngsten Tag. Dann wird er zum
Vater sagen: Ich habe bisher mit dir regiert im Glauben, das gebe ich Dir über,
daß sie nun sehen, wie Ich in Dir und Du in Mir seiest samt dem heiligen Geist
in einer göttlichen Majestät, und alles in dir offenbarlich haben und genießen,
was sie bisher geglaubt und gewartet haben“ (zitiert nach: Bachmann 1921, S.
449).
Johannes 1,1-3
„Im
Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe
war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch das dasselbe gemacht, und ohne
dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist“ (Revidierte Lutherübersetzung
1984).
Dieselben
Verse hören sich in der Neue-Welt-Übersetzung der WTG so an (man beachte die
Groß- und Kleinschreibung!):
„Im Anfang war das WORT, und das WORT war bei GOTT, und das
WORT war ein Gott. Dieser war im Anfang bei GOTT. Alle Dinge kamen durch ihn
ins Dasein, und ohne ihn kam auch nicht ein
Ding ins Dasein.“
Die NWÜ
macht einen Unterschied zwischen GOTT (= „Jehova“) und „ein Gott“ (= der
Erzengel Michael alias der Logos Jesus alias das erste Geschöpf Jehovas oder
Jehovas Wortführer). Wie wird diese Übersetzung von Joh 1,1 begründet? Ich
zitiere ausführlich aus der Wachtturm-Schrift „Sollte man an die Dreieinigkeit glauben?“:
„In Johannes 1:1 kommt das griechische Substantiv theós (Gott) zweimal vor. Das erste
bezieht sich auf den allmächtigen Gott, bei dem das Wort war (´und das WORT [lógos] war bei GOTT [eine Form von theós]`). Dem ersten theós geht das Wort ton (den) voraus, eine Form des griechischen bestimmten Artikels,
der auf eine bestimmte Identität hinweist, in diesem Fall auf den allmächtigen
Gott (´und das WORT war bei [dem (wörtlich: den)] GOTT`).
Vor dem zweiten theós
in Johannes 1:1 steht dagegen kein Artikel. Daher würde eine wörtliche Übersetzung
´und Gott war das Wort` lauten. Wie jedoch gezeigt wurde, geben viele
Übersetzungen dieses zweite theós
(ein Prädikatsnomen [Nomen in der Satzaussage]) mit ´göttlich`, ´göttlicher
Art` oder ´ein Gott` wieder. Inwiefern ist das berechtigt?
Das Koine-Griechisch hatte den bestimmten Artikel (der, die,
das), aber es hatte keinen unbestimmten Artikel (einer, eine, ein). Wenn
deshalb einem Prädikatsnomen kein bestimmter Artikel vorausgeht, kann es
unbestimmt sein. Dies hängt vom Kontext ab.
Im Journal of Biblical
Literature wird erklärt, daß Ausdrücke ´mit einem artikellosen Prädikat vor
dem Verb in erster Linie eine Eigenschaftsbezeichnung darstellen`. Dies deutet
gemäß dem Journal darauf hin, daß der
lógos mit einem Gott vergleichbar
ist. Mit Bezug auf Johannes 1:1 heißt es ferner, daß ´die qualitative
Aussagekraft des Prädikats so hervorragend ist, daß das Substantiv [theós] nicht als bestimmt aufgefaßt
werden kann`.
Daher
wird in Johannes 1:1 die Eigenschaft des WORTES hervorgehoben, daß er
´göttlich`, ´göttlicher Art` oder ´ein Gott` war, aber nicht der allmächtige
Gott. Das stimmt mit der gesamten Bibel überein, aus der hervorgeht, daß Jesus,
der hier ´das WORT` genannt wird, in seiner Rolle als Gottes Wortführer ein
gehorsamer Untergebener war, der von dem über ihm Stehenden, dem allmächtigen
Gott, zur Erde gesandt worden war“ (S. 27).
Soweit das Wachtturm-Zitat. Es wird also argumentiert, daß
sich die Art der Übersetzung von Joh 1,1 aus dem gesamtbiblischen Kontext ergeben muß. Das ist richtig.
Aber gerade weil das richtig ist, ist die Übersetzung der ZJ falsch. Denn wie
ich bereits gezeigt habe, geht aus dem gesamtbiblischen Zusammenhang eindeutig
hervor, daß Jesus die zweite Person des allmächtigen Gottes ist. Mit dem Kontext können die ZJ also
nicht überzeugen.
So bleibt die Frage, was die Verse Joh 1,1-3 selber aussagen.
Und um das zu erforschen, beginnen wir ganz am Anfang. Das Johannes-Evangelium
beginnt mit dem gewichtigen Satz: „En
arché een ho lógos“ („Im Anfang war das Wort“). Und dieses „lange een“ war schon immer ein Hauptargument
gegen die Arianer (vgl. Zahn 1921, S. 48). Im Unterschied zu allem, was „geworden“ ist, „war“ der Logos von Ewigkeit. Von Himmel und Erde (1. Mose 1,1) und
wohl auch von der Weisheit (Spr 8,22), die alle geschaffen wurden,
unterscheidet er sich durch sein „ruhendes und währendes Sein“, seine ewige Existenz.
Denn arché bezeichnet „den Anfang
schlechthin“. Auch Zahn bedenkt die „Möglichkeit, ... daß der Logos als ein
Erstes, was geworden ist, an der Spitze der geschaffenen Dinge stehe, und daß
seine Entstehung den Anfang alles Werdens und Geschehens bilde“, stellt dann
aber fest:
„Dies ist erst durch en
arché een in unmißverständlicher Weise ausgeschlossen, und zwar um so
nachdrücklicher, als das viermalige und, wie V. 2 zeigt, immer auf denselben
Zeitpunkt (en arché) bezogene een durch ein dreimaliges, von allem
Gewordenen ausgesagtes egéneto oder gégonen in V. 3 abgelöst wird“ (ebd.).
Der Logos
Jesus Christus existierte also bereits, „als alles Gewordene anfing zu sein“,
seine Existenz ging „der Existenz alles Werdenden und Gewordenen“ voran. Somit
besitzt er „vorzeitliches, ewiges Dasein“, das nur dem allmächtigen Gott
zukommt. Der Logos ist somit der ewige, unerschaffene Gott. Er gehört nicht auf
die Seite der Geschöpfe, sondern Gottes des Schöpfers und Vaters, zu dem er sich wie der in Ewigkeit geborene
Sohn verhält.
Zahn gesteht (ähnlich wie Harris 1992, S. 54 ff. 310 ff.) sogar
zu, daß der Satz „kai theós een ho lógos“
mißverständlich wäre, wenn man ihn isoliert betrachtete - wäre da nicht das
vorausgehende „en arché een ho lógos“,
welches die Bedeutung des nachfolgenden Kontextes klar definiert:
„Ohne das en arché een
ho lógos und ohne die Sätze von V. 3 würde das theós een nicht den Gedanken ausschließen, daß der Logos wie andere
Genossen des Geisterreichs ein Geschöpf sei.“ Aber: „Durch die Wiederaufnahme
des en arché een und des darin
ausgesprochenen Gedankens der anfangslosen oder ewigen Existenz des Logos ist
auch das durch houtos wieder aufgenommene
theós een ho lógos näher bestimmt.
Der im Anfang alles Werdens bereits existirende [sic] und in lebendiger Gemeinschaft
mit Gott (ho theós) stehende Logos
ist nicht wie andere Geister durch eine Schöpfertat Gottes göttlicher Natur
mehr oder weniger teilhaftig gemacht worden, sondern besitzt sie von Ewigkeit
als seine eigene und eigentliche Natur“ (Zahn, ebd., S. 46 ff.).
Nach dieser inhaltlichen
Klärung mit Hilfe des Kontextes bleibt noch die
sprachliche Frage übrig, wie der
Satz „kai theós een ho lógos“ zu
übersetzen ist: „und Gott war das
Wort“ oder „und ein Gott war das
Wort“? Die Antwort ergibt sich aus der - auch den ZJ bekannten - Grammatikregel
für das Koine-Griechisch, die der Gräzist E.
C. Colwell (JBL 52 [1933]) formuliert hat (vgl. Blass/Debrunner 1984, S.
223 f.; Hoffmann/v. Siebenthal 1990, S. 185). In der Wachtturm-Schrift „Sollte
man an die Dreieinigkeit glauben?“ wird hierzu folgendes ausgeführt:
„Colwell erklärte, daß im Griechischen bei einem
Prädikatsnomen, ´wenn es dem Verb folgt, der
[bestimmte] Artikel steht; geht es dem Verb voraus, so steht der
[bestimmte] Artikel nicht`. Damit meinte er, ein Prädikatsnomen vor dem Verb
sei so aufzufassen, als ginge ihm der bestimmte Artikel (der, die oder das)
voraus. In Johannes 1:1 steht das zweite ´Gott` (theós), das Prädikat, vor dem Verb - ´und ... [theós] war das Wort`. Daher behauptete Colwell, in Johannes 1:1
müsse es ´und [der] Gott war das Wort` heißen“ (S. 28).
Nun schreiben die ZJ, daß ein Prädikatsnomen vor einem Verb
auch unbestimmt („ein“) gebraucht
werden kann. Sie verweisen auf Colwell selber, der sagte: Das Prädikatsnomen
„ist in dieser Stellung nur unbestimmt ..., wenn der Zusammenhang es verlangt.“
Daran schließen sie die Frage an:
„Ist in
Johannes 1:1 gemäß dem Kontext ein unbestimmter Artikel erforderlich? Ja, denn
nach der Gesamtaussage der Bibel ist Jesus nicht der allmächtige Gott“ (S. 28).
Wie wir
gesehen haben, ist vom gesamtbiblischen und unmittelbaren Kontext her das
Gegenteil der Fall.
Warum wird in Joh 1,1 überhaupt diese ungewöhnliche
Konstruktion (Substantiv ohne Artikel als Prädikatsnomen vor einem Verb)
gebraucht? Nur deshalb, um das Besondere
des Logos Jesus Christus gegenüber den Geschöpfen hervorzuheben. Und dieses
Besondere ist nichts anderes als - seine Gottheit: „Und Gott war das Wort.“
Obwohl der Logos Gott ist,
wird er doch auch von Gott dem Vater unterschieden.
Deshalb findet sich in Joh 1,1 zusätzlich die Formulierung: „Der Logos war bei Gott.“ Jesus, der Logos, ist zwar
gleichen Wesens mit dem Vater, vertritt aber eine andere Aufgabe und Funktion.
Der Fehler der sog. Patripassianer war, daß sie behaupteten, der Vater habe am
Kreuz gelitten. Hingegen war es der Sohn, der vom Vater stellvertretend für uns
in den Tod gegeben wurde (vgl. Mt 27,46; Joh 3,16). Nicht allein beim
Kreuzestod, sondern von Ewigkeit her übt der Sohn andere Funktionen aus als der
Vater, etwa indem der Vater „alle Dinge“ durch ihn als den lógos „gemacht“ hat (Joh 1,3). Vater, Sohn und auch Heiliger Geist
sind also klar voneinander zu unterscheiden, aber nicht zu trennen. Jesus ist
Gott. Das Johannesevangelium beginnt mit dem Bekenntnis zur Gottheit Jesu (Joh
1,1) und endet mit ihm (Joh 20,28; s.u.).
Johannes 3,16
„Denn also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen
eingeborenen (monogenés) Sohn gab,
damit alle, die an in glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben
haben“ (Revidierte Lutherübersetzung 1984).
„Denn so
sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen einziggezeugten Sohn gab, damit
jeder, der Glauben an ihn ausübt, nicht vernichtet werde, sondern ewiges Leben
habe“ (NWÜ 1986).
In Joh
3,16 und an anderen Stellen des Johannes-Evangeliums (1,14.18; 3,18) sowie in
1. Joh 4,9 findet sich der Ausdruck monogenés
in seiner Anwendung auf Jesus. Die ZJ folgern aus der Wortwurzel ginomai, daß dies ein Hinweis auf die Geschöpflichkeit
Jesu und ein Beweis gegen seine Gottheit sei. Sie schreiben in der Broschüre
„Sollte man an die Dreieinigkeit glauben?“:
„Das zugrundeliegende griechische Wort für ´einziggezeugt`
... lautet monogenés, von mónos, das den Sinn von ´einzig` hat,
und gínomai, einem Wurzelwort, das
´zum Dasein gelangen, werden, entstehen` bedeutet ... Deshalb wird monogenés wie folgt definiert: `Allein
geboren oder gezeugt, einzig(es) Kind` ...
Das Leben Jesu, des einziggezeugten Sohnes, hatte somit
einen Anfang. Und Gott, der Allmächtige, kann mit Recht sein Erzeuger oder
Vater genannt werden, und zwar im gleichen Sinn, wie ein irdischer Vater - z.
B. Abraham - der Erzeuger eines Sohnes ist (Hebräer 11:17)...
Wenn man bedenkt, daß Jesus nicht der einzige Geistsohn war,
den Gott im Himmel schuf, wird einem klar, warum im Falle Jesu der Ausdruck
´einziggezeugt` gebraucht wurde. Zahllose weitere erschaffene Geistwesen, Engel,
werden ebenfalls ´Söhne Gottes` genannt - und zwar im gleichen Sinn, wie Adam
ein Sohn Gottes war -, weil nämlich ihre Lebenskraft von Jehova Gott stammte,
dem Quell des Lebens ... Diese alle
wurden jedoch durch den
´einziggezeugten Sohn` geschaffen, den einzigen, der direkt von Gott gezeugt
worden war“ (S. 16).
Hierzu ist zu sagen, daß die ZJ die Begriffe „gezeugt“ und „geschaffen“, die im den altkirchlichen Bekenntnissen eine so große
Rolle spielen, durcheinander werfen. Der in Ewigkeit vom Vater gezeugte Sohn
ist eben kein Geschöpf! Er ist „Gott von Gott, Licht vom Lichte ... gezeugt,
nicht geschaffen“, wie das Nicänum formuliert. Es ist unmöglich, den Begriff monogenés, der gerade für die anfangslose,
ewige innertrinitarische Zeugung des Sohnes aus dem Vater steht, in das
Gegenteil (eine zeitliche Erschaffung) umzudeuten. Was vom Menschen gezeugt
ist, ist Mensch. So ist auch das, was aus Gott gezeugt ist, Gott. Zeugung kennzeichnet
Wesenseinheit, Erschaffung kennzeichnet Wesensverschiedenheit. Monogenés kann sowohl die Einzigartigkeit Jesu als auch seine göttliche Herkunft kennzeichnen und wird
im Johannes-Evangelium auch so gebraucht:
„Monogenés
bedeutet J[oh] 1,14.18; 3,16.18; 1 J[oh] 4,9 keineswegs nur die Einzigartigkeit, Unvergleichlichkeit Jesu; er
ist an allen diesen Stellen ausdrücklich als der Sohn bezeichnet ... oder als solcher gedacht ... Monogenés ist bei Joh Bezeichnung der
Abkunft Jesu. Monogenés ist er als
der eingeborene ... Das Verhältnis
des Präexistenten zu Gott ist das des Sohnes zum Vater“ (ThWNT IV/1990, S.
749).
Johannes 10,30
Jesus spricht: „Ich und der Vater sind eins.“ Die ZJ
argumentieren, daß „eins“ (griech. „hen“) nicht die Gottheit Jesu
kennzeichne, sondern nur die Einheit in der Überzeugung
und im Willen, welche Jehova und
Jesus besessen hätten: Vater und Sohn seien „im Willen und in den Absichten vereint“,
das Neutrum hen zeige eine „Einheit
in der Zusammenarbeit“ an (Dreieinigkeit, S. 24). Jesus und Jehova seien „eins
im Geist ... eins in Zweck und Ziel, eins in harmonischem Handeln“. Sie seien
gerade so eins, „wie Jesus späterhin zum Vater betete, daß die Kirche, seine
Nachfolger, eins mit ihm gemacht würde“ (Rutherford, Die Harfe Gottes, S. 93).
Ist wirklich nicht mehr
gemeint als eine Einheit im Wollen und Handeln? Doch! Und das wird an der
darauf folgenden Reaktion der Juden deutlich, die Jesu Aussage durchaus
verstanden haben:
„Da hoben die Juden ... Steine auf, um ihn (Jesus) zu
steinigen ... und sprachen: Um eines guten Werkes willen steinigen wir dich
nicht, sondern um der Gotteslästerung willen, denn du bist ein Mensch und machst dich selbst zu Gott!“ (V. 31.33).
Jesu
Aussage war also als Gleichstellung mit Gott verstanden worden und sicherlich
auch so gemeint gewesen. Das Neutrum hen
weist - im Unterschied zum Maskulinum heis
- darauf hin, daß es nicht um eine Identität der göttlichen Personen, sondern um eine Einheit des
göttlichen Wesens geht. Wo dies nicht
beachtet wird, droht das Mißverständnis des Patripassianismus (s. o.). Nur weil
Jesus seine Einheit mit dem göttlichen Wesen des Vaters betont hat, traf ihn
der Vorwurf der Gotteslästerung - und nur deshalb sah er sich zu dem auf den
ersten Augenblick überraschenden Beweisgang gezwungen, der in den Versen 34-38
folgt. Dort führt er aus, daß, wenn die Juden schon Menschen (wohl Richter;
vgl. Ps 82,6) als „Götter“ bezeichnen
konnten, er viel mehr das Recht habe, sich „Gott“
zu nennen.
„Erst die
Behauptung, daß er mit dem Vater eines sei, und daß darum, wer in seiner Hand
sei, eben damit auch in Gottes Hand sei, hatte die Anklage hervorgerufen, daß
er sich zu einem Gott mache und somit lästere (29-33). Weil Jesus diese
Zeugnisse nicht widerrufen kann und will, führt er einen Beweis, der darauf
hinausläuft, daß er sich theós nennen
dürfte, ohne zu lästern“ (Zahn 1921, S. 471).
Denn noch war die Stunde seiner Verherrlichung
und völligen Offenbarung nicht gekommen.
Das geschah erst nach der Auferstehung.
Johannes 20,28
Thomas sprach zum auferstandenen Herrn Jesus Christus: „Mein
Herr und mein Gott!“ Dies ist eine der wichtigsten Stellen im Neuen Testament,
wo Jesus klar als Gott bezeichnet wird. Die WTG tut sich daher schwer, sie
umzudeuten. In der Schrift „Sollte man an die Dreieinigkeit glauben?“ führt sie
aus:
„Für
Thomas war Jesus wie ´ein Gott`, vor allem unter den wundersamen Umständen, die
ihn zu diesem Ausruf veranlaßten. Einige Gelehrte meinen, dies seien lediglich
gefühlsbetonte Worte des Erstaunens, die Thomas zwar zu Jesus gesprochen, aber
an Gott gerichtet habe. Wie dem auch sei, Thomas dachte nicht, Jesus sei der
allmächtige Gott, denn er und all die anderen Apostel wußten, daß Jesus nie behauptet
hatte, Gott zu sein, sondern lehrte, daß nur Jehova ´der allein wahre Gott` ist
(Johannes 17:3)“ (S. 29).
Diese „Interpretation“ der Begegnung des auferstandenen Jesus
mit dem zweifelnden Thomas geht total am Bibeltext vorbei, denn vom Textzusammenhang
her zielt die Geschichte darauf, den Weg des Thomas vom Zweifel zum Glauben an Jesus als den Auferstandenen zu
beschreiben. Deshalb antwortet der auferstandene Herr auf den Ausruf des
Thomas: „Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die
nicht sehen und doch glauben“ (V. 29). Jesus bestätigt also den Glauben des Thomas, der in seinem
Bekenntnis-Ausruf zum Ausdruck kam und durch das doppelt betonte „mein“ nur unmittelbar auf den vor ihm
stehenden Jesus (und nicht auf Gott den Vater) bezogen sein konnte (vgl. Harris
1992, S. 108 ff.). Daß Jesus nur „ein
Gott“ sei und daß das Neue Testament nicht von der Gottheit Jesu spreche - auf
diese Behauptungen bin ich bereits an anderer Stelle eingegangen.
Aber noch ein weiteres ist wichtig: „Mein Herr und mein Gott“ ist im Alten Testament eine häufige
Ausdrucksweise, ein feststehender Gebetsruf
zu Gott den Vater (z. B. in 2 Sam 7,28; 1. Kön 18,39; Ps 35,23; 50,3; Jer
31,18; Sach 13,9). Daß dieser Gebets- und Bekenntnisruf hier auf Jesus
angewandt wird, zeigt wiederum seine Wesenseinheit mit Gott auf. Harris resümiert:
„Indem Thomas diesen Bekenntnisruf von sich gab, erkannte er
die Herrschaft Jesu in den irdischen und himmlischen Reichen und über sein eigenes
Leben (ho kýrios mou) sowie die
wesensmäßige Einheit Jesu mit dem Vater an, welche seine Verehrung Jesu rechtfertigte
(ho theós mou). So wie sie in diesem
Vers gebraucht werden, sind kýrios
und theós Titel, nicht Eigennamen.
Der erste bestätigt implizit und der zweite explizit die substantielle Gottheit
des auferstandenen Jesus“ (Harris 1992, S. 129; Übersetzung: L. G.).
Kolosser 1,15
„Er
(Christus) ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller
Schöpfung“ (Revidierte Lutherübersetzung 1984).
„Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene
aller Schöpfung“ (NWÜ 1986).
Die Lutherübersetzung sieht Christus auf der Seite des
Schöpfers - zeitlich betrachtet: vor
aller Schöpfung - stehen als dessen „Ebenbild“. Die NWÜ stellt ihn auf die
Seite der Geschöpfe - als deren „Erstgeborener“ - und erkennt in ihm nur ein
einfaches „Bild“ Gottes. Wie wird diese Position in der
„Dreieinigkeits“-Schrift erklärt? Dort heißt es:
„... die Bibel sagt deutlich, daß Jesus in seinem vormenschlichen
Dasein ein von Gott geschaffenes Geistwesen war wie die Engel. Weder die Engel
noch Jesus hatten vor ihrer Erschaffung existiert. Jesus war in seinem
vormenschlichen Dasein ´der Erstgeborene vor aller Schöpfung` (Kolosser 1:15, JB). Er war ´der Anfang der Schöpfung
Gottes (Offenbarung 3:14, JB) ... Ja,
Jesus wurde von Gott als der Anfang der unsichtbaren Schöpfungen Gottes erschaffen
... Somit schuf Gott, der Allmächtige, durch seinen Werkmeister oder sozusagen
durch seinen ´Juniorpartner` alle anderen Dinge“ (S. 14).
Das Wort „andere“,
das im letzten Satz angeklungen ist, wurde von den Herausgebern der NWÜ in Kol
1,16 f. vier Mal in den Text eingefügt, obwohl es sich im griechischen Neuen
Testament in diesen Versen nicht findet.
Damit soll der Gedanke unterstrichen werden, daß Jesus das
erste unter vielen „anderen“ Geschöpfen
sei. Wie ich aber schon im Artikel >Neue-Welt-Übersetzung nachgewiesen habe,
sind solche Eintragungen in den Text illegitim und beweisen nichts.
In V. 15 nun steht im
Griechischen protótokos. Protótokos bedeutet „Erstgeborener“, aber nicht „Ersterschaffener“. Wäre Jesus ein
Geschöpf, dann müßte „Ersterschaffener“
(protóktistos) dastehen. „Erstgeborener“ aber berührt sich mit der bereits
oben dargestellten Bedeutung von monogenés
und bezeichnet den von Ewigkeit her gezeugten Sohn Gottes.
Entscheidend ist die Frage, um welche Genitivform es sich bei páses
ktíseos handelt. Heißt protótokos
páses ktíseos: „Erstgeborener aller
Schöpfung“ (als deren Teil: genitivus partitivus - oder in Beziehung zu ihr:
genitivus relationis) oder „Erstgeborener vor
aller Schöpfung“ (im zeitlichen Vergleich zu ihr: genitivus comparativus)? Die
Antwort kann nur der Textzusammenhang geben, insbesondere die Bedeutung von eikon tou theou („Ebenbild Gottes“).
Dieser Begriff besagt, daß Christus Gott in der Welt repräsentiert.
„Als Bild Gottes bleibt Christus nicht hinter dem
Abgebildeten zurück ... sondern steht ganz auf seiten [sic] Gottes ... Wer von
Christus spricht, spricht von Gott. Eikon
ist Christus als der Präexistente, der vor der Schöpfung bei Gott Existierende“
(Gnilka 1980, S. 61 f.).
Von daher ergibt sich, daß der genitivus comparativus die zutreffende Form ist. Der
Neutestamentler Paul Ewald weist darauf hin, „daß der Genit[iv] im vorliegenden
Falle überhaupt nicht eigentlich partitiv gemeint sein kann, weil pasa ktísis nicht die ganze Kreatur ist,
sondern entweder jede Kreatur oder alles, was Kreatur ist, alle Kreatur“. Die
Vorstellung, „wonach Christus - gleichviel ob im Hinblick auf sein Sein vor
oder in der Welt - als Geschöpf gedacht werden soll“, wäre „ohne jede Analogie
in der apostolischen Literatur“. Sie darf als „allseitig aufgegeben“ betrachtet
werden (Ewald 1910, S. 317 f.).
Die absolute
Unterschiedenheit Jesu Christi von allen Geschöpfen - und namentlich von den
Engeln, mit denen ihn die ZJ gerne gleichsetzen würden - wird in der
Betrachtung der nächsten Bibelstelle vollends deutlich.
Hebräer 1
Das gesamte Kapitel Hebr 1 zeigt den völligen Unterschied zwischen Gottes Sohn Jesus Christus und den Engeln
auf. Die Behauptung der ZJ, der präexistente Christus sei der Erzengel Michael
gewesen und nach seiner Auferstehung wieder als Engel erhöht worden, entbehrt
allein von daher jeder Grundlage. Ich zitiere stellvertretend für das gesamte
Kapitel Hebr 1 die Verse 5-8:
„Zu welchem Engel hat Gott jemals gesagt: ´Du bist mein
Sohn, heute habe ich dich gezeugt`? und wiederum: ´Ich werde sein Vater sein,
und er wird mein Sohn sein`? Und wenn er den Erstgeborenen wieder einführt in
die Welt, spricht er: ´Und es sollen ihn alle Engel Gottes anbeten (proskynesátosan).` Von den Engeln
spricht er zwar: ´Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen`,
aber von dem Sohn: ´Gott, dein Thron währt von Ewigkeit zu Ewigkeit, und das
Zepter der Gerechtigkeit ist das Zepter deines Reiches.`“
Dem Sohn kommen sämtliche Gottes- und Herrscherprädikate zu,
während die Engel lediglich als „dienstbare Geister“ (V. 14) gekennzeichnet werden,
die den Sohn anbeten sollen. Denn der
Sohn allein ist Gott - und kein Engel. Engel dürfen auch nicht angebetet
werden, denn das wäre eine widergöttliche Handlung. Nur Gott darf Anbetung empfangen. Dies wird durch Offb 22,8 f. bestätigt, wo es heißt:
„Und ich, Johannes, bin es, der dies gehört und gesehen hat.
Und als ich`s gehört und gesehen hatte, fiel ich nieder, um anzubeten (proskynesai) zu den Füßen des Engels,
der mir dies gezeigt hatte. Und er sprach zu mir: Tu es nicht! Denn ich bin
dein Mitknecht deiner Brüder, der Propheten, und derer, die bewahren die Worte
dieses Buches. Bete Gott an (to theo
proskýneson)!“
In Offb 22,8 f. und Hebr 1,6 wird beide Male das gleiche
griechische Wort proskyneo
(„anbeten“, „huldigen“) verwendet. Die Anbetung und Huldigung, welche gemäß
Offb 22,8 f. allein an Gott gerichtet werden soll und welche Engel nicht annehmen
dürfen, ist die gleiche Anbetung und Huldigung, welche gemäß Hebr 1,6 dem
erstgeborenen Sohn durch die Engel dargebracht werden soll. Daß man zu Jesus
beten kann und daß er somit Gott ist, wird durch viele weitere Stellen ausdrücklich
bestätigt, z.B. Joh 14,13 f.; Apg 7,59 f.; Röm 10,9.13; 1. Kor 1,2 und Kol 3,17
(s.o.). Also ist Jesus Christus kein
Engel, sondern Gott.
Ergebnis
Am Ende dieser langen Erörterungen über Dreieinigkeit ergibt
sich somit die Erkenntnis: Die Lehre von der Dreieinigkeit ist biblisch gut
verankert, ja sie geht zwingend aus den untersuchten Bibelstellen (und vielen
weiteren, die hier aus Platzgründen keine Erwähnung finden konnten) hervor.
Gott ist also ein dreieiniger Gott,
der sich als Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart. Die Gotteslehre der ZJ,
die dieser Erkenntnis widerspricht, ist somit falsch. Wenn die ZJ zwischen „dem alleinigen Gott Jehova“ und „Jesus als einem Gott“ unterscheiden wollen,
korrumpieren sie den Gottesbegriff. Würde man ihr Reden von „Gott“ wörtlich
nehmen, müßte man ihnen streng genommen Bitheismus
(Glaube an zwei Götter) oder sogar Polytheismus
(Vielgötterei) vorwerfen (was verschiedene Kritiker, etwa unter Bezug auf 5.
Mose 4,35; Jes 43,10; 45,5 und 1. Kor 8,4 auch tun; vgl. z.B. Hoekema 1972, S.
129 f.). Da die WTG aber im Falle von Jesus mit „Gott“ nicht Gott im
eigentlichen Sinne (ewiger, allmächtiger, unsichtbarer Gott) meint, liegt eher
ein Mißbrauch, eine Entleerung des Gottesbegriffs
vor - und damit unweigerlich der Verlust
des wahren dreieinigen Gottes selbst.
Dieser Aufsatz ist ein Auszug aus:
Lothar Gassmann: Kleines
Zeugen-Jehovas-Handbuch,
MABO-Verlag, Schacht-Audorf 2006
(dort auch alle Quellenbelege!).
Wir weisen ferner hin auf das Buch:
Ernst-Martin Borst: Dreieinigkeit. Vater,
Sohn und Heiliger Geist,
Lichtzeichen-Verlag 2007
Der
Gott der Bibel
Wenn die
Bibel so deutlich davon spricht, dass Gott EINER ist, tun wir dann recht, wenn
wir vom drei-einigen Gott reden? Ja, denn genau das ist die Lehre der Bibel,
Alten und Neuen Testamentes, wobei sie im Neuen Testament klarer entfaltet wird
als im Alten.
Die Kernstellen für die
Dreieinigkeit Gottes sind: Der Reichs- oder Missionsbefehl Jesu Christi mit der
Einsetzung der Taufe: „Taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des
Heiligen Geistes.“ (Matthäus 28,19) Vater, Sohn und Heiliger Geist werden hier
in einem Atemzug genannt, ohne Rangunterschiede. Und doch sind es nicht drei
Götter, sondern es ist EIN Gott, weshalb Jesus sagt: Taufet sie im Namen
... – das ist Einzahl! Die Dreieinigkeit wird auch unterstrichen durch Paulus:
„Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft
des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.“ (2. Korinther 13,13) Wir
begegnen der Dreieinigkeit auch bei der Taufe Jesu durch Johannes, wobei der
Geist in Gestalt einer Taube herab kam, und der Vater vom Himmel über seinem
Sohn ausrief: „Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.“
(Matthäus 3,16; Markus 1,10; Lukas 3,22; Johannes 1,32)
Damit
bekennen wir, dass nicht nur der Vater, was von niemandem bestritten wird,
wahrer Gott ist, sondern auch der Sohn und der Heilige Geist, genauso, wie es
die Bibel sagt.
So lehrt
uns die Bibel, Gott als den dreieinigen Gott, ein Wesen, drei Personen, zu
erkennen, anzubeten und zu bekennen. Nur der dreieinige Gott ist der wahre
Gott. Wer daher die Gottheit des Sohnes oder des Heiligen Geistes oder beider
leugnet, der hat einen anderen Gott und steht außerhalb der Gemeinde Jesu
Christi und kann nicht gerettet werden.
Roland
Sckerl (gekürzt
aus einem Aufsatz)