Der Prophet Haggai

Nach jüdischer Überlieferung war Haggai bei Hesekiël in Babylon in die Schule gegangen. Aus Kapitel 2,3 könnte man schließen, dass er den salomonischen Tempel noch gesehen hat. Beide Hinweise lassen auf einen etwa 70-jährigen Mann schließen. Weil er in der Liste von Esra 2 nicht erwähnt wird, war er vielleicht erst gegen Ende des 16-jährigen Baustopps nach Jerusalem gekommen. Er weissagte nur wenige Monate, und zwar vom 1. September bis zum 24. Dezember 520 v.Chr. Doch sein vollmächtiger Dienst brachte das Volk dazu, in kürzester Zeit wieder mit dem Tempelbau zu beginnen.


Der Ruf zur Besinnung

1 1 Am 1. September[1] im zweiten Regierungsjahr des Königs Darius[2] empfing der Prophet Haggai eine Botschaft für Serubbabel Ben-Schealtiël[3], den Statthalter von Juda, und für Jeschua Ben-Jozadak[4], den Hohen Priester: 2 „So spricht Jahwe, der allmächtige Gott[5]: ‚Dieses Volk behauptet, die Zeit sei noch nicht reif, das Haus Jahwes zu bauen.‘“ 3 Dann empfing der Prophet ein weiteres Wort Jahwes: 4 „Für euch ist es offenbar nicht zu früh, in getäfelten Häusern[6] zu wohnen, während mein Haus noch in Trümmern liegt! 5 Nun sagt euch Jahwe, der allmächtige Gott: ‚Überlegt doch einmal, was mit euch passiert! 6 Ihr habt reichlich gesät, aber nur wenig geerntet; ihr esst, werdet aber nicht satt; ihr trinkt und bekommt doch keinen Rausch; ihr zieht euch an und werdet doch nicht warm; und wer etwas verdienen kann, dem zerrinnt es zwischen den Fingern.‘ 7 Darum sagt Jahwe, der allmächtige Gott: ‚Nehmt endlich zu Herzen, was mit euch passiert! 8 Geht ins Gebirge und schafft Holz herbei und baut den Tempel wieder auf! Daran werde ich mich freuen und damit werde ich geehrt!‘, spricht Jahwe. 9 ‚Ihr habt viel erhofft und wenig erreicht, und was ihr heimbrachtet, blies ich euch aus der Hand. Und weshalb das alles?‘, sagt Jahwe, der allmächtige Gott. ‚Weil mein Haus in Trümmern liegt und jeder von euch nur für sein eigenes Haus rennt. 10 Darum hat der Himmel euch den Tau versagt und die Erde ihren Ertrag. 11 Und ich habe diese Dürre ins Land gerufen, eine Dürre über die Berge und über das Korn, über den Wein und das Öl und alles, was die Erde euch bringt; eine Dürre über Menschen und Vieh und alles, was ihr mit euren Händen erschafft.‘“

Der neue Anfang

12 Serubbabel Ben-Schealtiël und der Hohe Priester Jeschua Ben-Jozadak und das ganze restliche Volk hörten auf das, was Jahwe, ihr Gott, ihnen sagen ließ. Sie hörten auf die Worte des Propheten Haggai, denn sie erkannten, dass Jahwe, ihr Gott, ihn geschickt hatte. Das Volk war erschrocken und fürchtete sich vor Jahwe. 13 Da sagte Haggai, der Bote Jahwes, in Gottes Auftrag zu ihnen: „Ich stehe euch bei! Ich, Jahwe, sage es.“ 14 So machte Jahwe Serubbabel, den Statthalter von Juda, und den Hohen Priester Jeschua und das ganze restliche Volk bereit, das Haus Jahwes, des allmächtigen Gottes, ihres Gottes, wieder aufzubauen. 15 Das war am 24. September im selben Jahr[7].

Der neue Tempel

2 1 Am 21. Oktober[8] empfing der Prophet Haggai die folgende Botschaft Jahwes: 2 „Sprich zu Serubbabel Ben-Schealtiël, dem Statthalter von Juda, und zu Jeschua Ben-Jozadak, dem Hohen Priester, und zu dem ganzen restlichen Volk: 3 ‚Wer von euch hat diesen Tempel noch in seiner früheren Pracht gesehen? Und was seht ihr jetzt? Erscheint euch das nicht wie ein Nichts? 4 Aber Jahwe sagt dir, Serubbabel: Fasse Mut! Und auch du, Jeschua Ben-Jozadak, du Hoher Priester: Fasse Mut! Und ihr Leute von Juda: Fasst Mut und geht ans Werk! Ich stehe euch bei! Das sage ich, Jahwe, der allmächtige Gott. 5 Der Bund, den ich mit euch schloss, als ihr aus Ägypten gezogen seid, bleibt bestehen! Und auch mein Geist bleibt bei euch! Habt also keine Angst! 6 Denn so spricht Jahwe, der allmächtige Gott: Noch einmal – es dauert nicht mehr lange –, dann werde ich Himmel und Erde, Land und Meer erschüttern[9] 7 und alle Völker erzittern lassen. Dann wird das Begehrenswerte[10] aller Nationen hierher kommen und dieses Haus mit Herrlichkeit füllen. Das sagt Jahwe, der Allmächtige! 8 Denn mir gehört alles Silber und Gold, sagt Jahwe, der Allmächtigen. 9 Dieser neue Tempel wird viel herrlicher sein als der alte, spricht Jahwe, der Allmächtige. Und hier, an diesem Ort schenke ich Frieden und Heil. Das sage ich, Jahwe, der Allmächtige, euch zu.‘ “

Der neue Segen

10 Am 24. Dezember desselben Jahres[11] empfing der Prophet Haggai folgende Botschaft Jahwes: 11 „So spricht Jahwe, der allmächtige Gott: ‚Bitte doch die Priester um eine Weisung. Frage sie: 12 Wenn jemand Fleisch, das mir geweiht wurde, in seinem Gewandzipfel trägt und er berührt mit diesem Zipfel ein Stück Brot oder etwas Gekochtes oder Wein, Öl oder irgendein Nahrungsmittel – wird das dann ebenfalls heilig?‘ “ Haggai legte den Priestern die Frage vor und bekam die Antwort: „Nein.“ 13 Dann fragte er sie: „Wenn aber jemand durch die Berührung eines Leichnams unrein wurde und dann an eines dieser Dinge kommt: Wird das Berührte dann unrein?“ Die Priester antworteten: „Ja.“ 14 Da sagte Haggai: „Genauso steht es mit diesem Volk und mit diesen Leuten, spricht Jahwe. Unrein ist alles, was sie tun, selbst das, was sie mir dort ‹auf dem Altar› opfern.

15 Nun aber gebt Acht, was von heute an geschieht! Bevor ihr begonnen habt, im Tempel Jahwes Stein auf Stein zu legen, 16 wie erging es euch da? Kam man zu einem Kornhaufen, der zwanzig Sack haben sollte, so waren es nur zehn, kam man zur Kelter, um fünfzig Krüge[12] ‹Traubensaft› zu schöpfen, waren es nur zwanzig. 17 Ich schickte euch Hagel, Mehltau und Getreidebrand und machte alle eure Arbeit zunichte. Trotzdem seid ihr nicht zu mir umgekehrt, spricht Jahwe. 18 So ist es geblieben bis heute, bis zum 24. Dezember, bis zu dem Tag, an dem das Fundament für den Tempel Jahwes vollendet wurde. Gebt Acht, was von heute an geschieht, gebt Acht! 19 Liegt euer Saatgut noch in den Speichern? Haben eure Weinberge, eure Feigen-, Granatäpfel- und Olivenbäume immer noch keine Erträge gebracht? Von heute an will ich euch und euer Land wieder segnen!“

Gottes Siegelring

20 Am selben Tag[13] empfing Haggai noch eine zweite Botschaft Jahwes: 21 „Sag zu Serubbabel, dem Statthalter von Juda: Ich werde Himmel und Erde erzittern lassen. 22 Ich stoße Throne von Königen um und breche die Macht der Völker. Ich werfe die Streitwagen mit ihren Lenkern um, Pferde und Reiter stürzen zu Boden und jeder sticht den anderen nieder. 23 An jenem Tag“, erklärt Jahwe, der allmächtige Gott, „nehme ich dich, meinen Diener Serubbabel Ben-Schealtiël, und mache dich zu meinem Siegelring, denn ich habe dich erwählt.“ Das sagt Jahwe, der allmächtige Gott.



[1] 1,1: September. Wörtlich: des 6. Monats. Zum Datum siehe unter „Schaltmonat“ im Vorwort des Übersetzers.

[2] 1,1: Darius. Das war 520 v.Chr. Der persische König Darius Histaspis regierte von 522-486 v.Chr.

[3] 1,1: Serubbabel Ben-Schealtiël. Nachkomme des letzten jüdischen Königs, führte 18 Jahre vorher einen Teil des Volkes aus der Gefangenschaft zurück in die Heimat.

[4] 1,1: Jeschua Ben-Jozadak. Legitimer Nachkomme des letzten Hohenpriesters vor der Gefangenschaft.

[5] 1,2: der allmächtige Gott. Hebräisch: Zebaoth, das heißt „Heere“ oder „Kriege“. In der LXX wird der Begriff immer mit „pantokrator“, „Allherrscher“ oder „Allmächtiger“  wiedergegeben.

[6] 1,4: getäfelte Häuser. Das meint wohl eher die Häuser der Führer und der Wohlhabenden.

[7] 1,15: September … Jahr. Wörtlich: des 6. Monats im 2. Regierungsjahr des Königs Darius. Nach dem raschen Einbringen der Ernte begann die Arbeit am Wiederaufbau des Tempels.

[8] 2,1: Oktober. Wörtlich: des 7. Monats.

[9] 2,6: Wird im Neuen Testament zitiert: Hebräer 12,26.

[10] 2,7: das Begehrenswerte. Das kann ein Hinweis auf den Messias oder auf die kostbaren Schätze der Völker sein, die zum Tempel gebracht werden (vgl. Esra 6,8).

[11] 2,10: Dezember desselben Jahres. Wörtlich: des 9.Monats im 2. Regierungsjahr des Darius.

[12] 2,16: Sack, Krug: die Maße sind unbekannt, die Botschaft ist jedoch klar: 50 % bzw. nur 40 % der erwarteten Ernte.

[13] 2,20: Am selben Tag. Wörtlich: Am 24. Tag des Monats.