Einführung in das Evangelium nach Johannes

Inhaltsverzeichnis

 

A.   Einleitung. 2

1.   Wer war der Verfasser des Johannes-Evangeliums?. 2

2.   An wen und wann wurde das Johannes-Evangelium geschrieben?. 4

3.   Worin besteht die Besonderheit des Johannes-Evangeliums?. 4

B.   Gliederung. 5

I.    Einleitung (Johannes 1) 5

II.    Jesu öffentliches Wirken (Johannes 2-12) 6

III.   Jesu Abschied von den Jüngern (Johannes 13-17) 7

IV.  Leiden, Sterben, Auferstehung und Erscheinungen Jesu (Johannes 18-21) 8

C.   Beispielhafte Auslegung einiger Abschnitte. 9

 


 

A.  Einleitung

1.   Wer war der Verfasser des Johannes-Evangeliums?

1.1.   Das Selbstzeugnis des Johannes-Evangeliums

1.1.1.   Es ist durch einen Augenzeugen geschrieben. Darauf weisen hin:

-   Das Selbstzeugnis des Johannes-Evangeliums (vgl. Johannes 19, 35; Johannes 21, 24).

-   Die genaue Kenntnis von Orten, die im AT nicht berühmt und bei den Synoptikern nicht erwähnt sind (z.B. Bethanien jenseits des Jordans Johannes 1, 28; Kana Johannes 2, 1.11; Johannes 4, 46; Johannes 21, 2; Aenon und Salim Johannes 3, 23; Sychar Johannes 4, 5; Tiberias Johannes 6, 23 (als Name des Sees Johannes 6, 1; Johannes 21, 1); Kariot, die Heimat des Judas Johannes 6, 71; Ephraim Johannes 11, 54; in und bei Jerusalem: Bethesda Johannes 5, 2; Siloah Johannes 9, 7; Halle Salomos Johannes 10, 23; Kidron Johannes 18, 1; Gabbatha Johannes 19, 13; ferner die Distanzangaben Johannes 6, 19; Johannes 11, 18). (Th. Zahn, Das Evangelium des Johannes, Leipzig/Erlangen 1921, S. 29).

-   Dafür spricht ferner die genaue Bezugnahme „auf jüdische Einrichtungen, Sitten, Parteiverhältnisse, herrschende Meinungen. Er allein von den Evangelisten erwähnt z.B. die Feste der Laubhütten (Johannes 7, 2) und der Tempelweihe (Johannes 10, 22), nennt das erstere Johannes 5, 1 nach heimischer Sitte „das Fest“ schlechthin, und nur Johannes 7, 2 daneben mit dem genaueren Namen, der auf die besonderen Bräuche desselben hinweist, auf welche das Wort Jesu Johannes 7, 37f Bezug nimmt. Er kennt genau die Überlieferungen und Hoffnungen der Samariter und den Hauptstreitpunkt, der sie von den Juden trennte.“ (Th. Zahn aaO, S. 30).

-   D. Guthrie ergänzt die Argumente von Zahn, indem er schreibt: „Zudem legen viele Detailangaben im Evangelium den Schluss nahe, dass es auf einem Augenzeugenbericht beruht, etwa die Angabe der Zahl der Wasserkrüge bei der Hochzeit zu Kana oder die Angabe der Zahl der Fische, die die Jünger fingen, als Jesus ihnen nach seiner Auferstehung am See Genezareth erschien.“ (D. Guthrie in Brockhaus Kommentar zur Bibel Band 4, Wuppertal 1985, S. 157).

 

1.1.2.   Es ist durch den Jünger geschrieben, den Jesus lieb hatte: Johannes 13, 23; Johannes 19, 26; Johannes 20, 2; Johannes 21, 7.20.24.

Aber wer war der Lieblingsjünger Jesu? U.a. werden folgende Antworten gegeben:

-   Lazarus, der Freund Jesu (Johannes 11, 3.11.36). Jedoch war er kein ständiger Begleiter Jesu wie die zwölf Jünger, daher auch nicht in der Lage, Augenzeuge Jesu in Judäa und Galiläa zu sein, etwa in Kana (Johannes 2, 1).

-   Ein namentlich Ungenannter aus dem weiteren Jüngerkreis Jesu. Dagegen spricht, dass Jesus nach Matthäus 26, 20 mit den zwölf Jüngern Abendmahl hielt. Der Lieblingsjünger war anwesend (Johannes 13, 23), muss also einer der Zwölf gewesen sein.

-   Johannes, der Sohn des Zebedäus. Diese Deutung entspricht dem Gesamtzusammenhang des Evangeliums und dem Zeugnis der Kirchenväter.

 

1.1.3.   Das vierte Evangelium weist indirekt und in der Zusammenschau mit den drei ersten Evangelien auf den Apostel Johannes, den Sohn des Zebedäus, als Verfasser hin:

-   Nach Johannes 1, 35ff sind zwei Jünger des Täufers die ersten Jünger Jesu geworden. Der eine von beiden ist Andreas, der Name des anderen bleibt ungenannt. Von Andreas heißt es, dass er als erster seinen eigenen Bruder fand und zu Jesus führte, was zwischen den Zeilen andeutet, dass der andere, ungenannte Jünger danach ebenso seinen Bruder zu Jesus führte. Da die Synoptiker aber alle neben Andreas und Simon Petrus nur noch ein Brüderpaar nennen, nämlich Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, wird es sich in Johannes 1 auch um diese beiden handeln. Die Anschaulichkeit der Schilderung in Johannes 1, 35ff spricht außerdem dafür, dass der ungenannte Jünger der Autor des Evangeliums ist. Jakobus kann es nicht sein, denn er starb bereits um 44 nach Christus den Märtyrertod (Apostelgeschichte 12, 2), so bleibt nur noch Johannes, der Sohn des Zebedäus übrig (vgl. Th. Zahn aaO, S. 9).

-   In Johannes 21, 2ff befindet sich der Verfasser des Johannesevangeliums unter den sieben aufgezählten Jüngern. Es ist der Jünger, den Jesus lieb hatte – das ergibt sich aus Johannes 21, 24. Simon Petrus kann es nicht sein, denn er wird neben dem Lieblingsjünger Jesu genannt (Johannes 21, 7). Thomas und Nathanael können es ebenfalls nicht sein, denn sie werden namentlich erwähnt, während der Lieblingsjünger anonym bleibt. So bleiben nur noch die Söhne des Zebedäus übrig und die zwei anderen Jünger, die namentlich unerwähnt bleiben (Johannes 21, 2).

-   Unter der Voraussetzung der inneren Einheit der vier Evangelien muss der Lieblingsjünger Jesu, und damit der Verfasser des Johannesevangeliums, dem engeren Jüngerkreis innerhalb der Zwölfe angehört haben, also einer der Drei gewesen sein. Petrus, Johannes oder Jakobus (vgl. Matthäus 17, 1; Matthäus 26, 37). Aus den genannten Gründen kommt von ihnen nur Johannes, der Sohn des Zebedäus, in Frage.

 

1.2.   Das Zeugnis der Kirchenväter

Der um 200 n. Chr. datierte Papyrus 66 bezeugt mit der Überschrift „Evangelium nach Johannes“ bereits die johanneische Verfasserschaft.

Der Kirchenvater Irenäus verbrachte seine Jugend in Kleinasien bei dem Johannesschüler Polykarp von Smyrna und schrieb um 180 nach Christus als Bischof von Lyon:

„Nach diesem hat sich Johannes, der Jünger Jesu, der an seiner Brust ruhte, das Evangelium veröffentlicht, als er in Asien weilte… Alle Ältesten, die in Asien mit Johannes, dem Jünger zusammentrafen, bezeugen, dass er ihnen diese Dinge vermittelt habe; denn er weilte dort bis zur Zeit Trajans.“ (98 n. Chr.). Johannes starb demnach um 100 n. Chr. in Kleinasien.

Damit übereinstimmend sind auch das so genannte Muratorische Fragment, eine Liste der um 180 n. Chr. in Rom beim Gottesdienst benutzten biblischen Bücher, ferner das Zeugnis des Kirchenvaters Clemens von Alexandrien (um 200 n. Chr.), ein manchmal missverstandenes Zitat des Papias bei Eusebius und weitere Überlieferungen aus der Zeit der alten Kirche.

 

1.3.   Argumente der Kritik und ihre Widerlegung

1.3.1.   Unterschiede zu den drei ersten Evangelien

Gegen die Echtheit des Johannes-Evangeliums werden z. B. die Unterschiede zu den ersten drei (den synoptischen) Evangelien geltend gemacht. Darauf ist zu antworten, dass ein unbekannter Fischer es nicht gewagt hätte, ein neues Evangelium zu erfinden, das zu 82 % vom Stoff der drei ersten Evangelien abweicht. Außerdem widerspricht der Inhalt des vierten Evangeliums nicht dem Inhalt der übrigen, sondern es ergänzt sie. Es ist zu beachten, dass die Inspiration der Evangelien durch den Heiligen Geist miteinschließt, dass die Evangelisten Freiheit in Stoffwahl und Wortwahl hatten.

 

1.3.2.   Angebliche Widersprüche im Johannes-Evangelium

Angebliche Brüche und Widersprüche innerhalb des vierten Evangeliums werden u.a. von R. Bultmann genannt als Begründung für die Hypothese, dass ein Redaktor mehrere Quellenschriften zusammengefügt habe. Die Folge dieser Auffassung ist, dass das Evangelium keinen historischen Wert mehr behält.

Darauf ist mit bibeltreuen Theologen zu antworten, dass das vierte Evangelium nach Stil, Sprache und Theologie einheitlich ist. Angebliche Widersprüche lösen sich bei genauerer Untersuchung von selbst auf (z.B. wenn nach Bultmann ein Widerspruch darin bestehen soll, dass in Johannes 6 Jesus einmal sich selbst das Brot des Lebens nennt, und dann sein Fleisch). Als Augenzeugenbericht kommt dem Johannes-Evangelium historische Aussagekraft zu.

 

1.3.3.   Religionsgeschichtliche Kritik

Verschiedene bibelkritische Theologen bestreiten die Originalität des Johannes-Evangeliums. Es sei abhängig:

-   Von der Theologie der frühen Christenheit. Das widerspricht aber Epheser 2, 20.

-   Von der Theologie des Apostels Paulus. Das widerspricht dem Anspruch, Augenzeugenbericht zu sein.

-   Vom Rabbinentum. Die rabbinischen Argumente, deren Kenntnis die Kritiker dem einfachen Fischer Johannes nicht zutrauen, sind in den Reden Jesu zu finden, die Johannes ja nur wiedergibt.

-   Von der Gemeinde von Qumran. Die Unterschiede zwischen den Schriften von Qumran und dem Johannes-Evangelium sind wesentlich größer als die Ähnlichkeiten, gerade in Bezug auf die Person Jesu Christi (vgl. O. Cullmann, zitiert bei E. Mauerhofer, Einleitung in das NT, Basel 1988/2, S. 117).

-   Von der Philosophie der hermetischen Literatur. Diese wurde aber erst im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. geschrieben.

-   Vom hellenistischen Judentum Philos von Alexandrien. Eine Ähnlichkeit zwischen Philo und Johannes ist nur am Rand festzustellen (vgl. D. Guthrie, zit. bei E. Mauerhofer. aaO, S. 117).

-   Von der Gnosis. Das ist völlig unmöglich. Johannes bezieht ausdrücklich Stellung gegen die Gnosis, indem er von der Fleischwerdung des Wortes spricht und vom Kauen des Fleisches Jesu (Johannes 1, 14; Johannes 6, 54).

-   Vom spätgnostischen Mandäertum. Diese Theorie Bultmanns scheitert daran, dass die spätgnostische Täufersekte der Mandäer viel später zu datieren ist als das Johannes-Evangelium.

 

2.   An wen und wann wurde das Johannes-Evangelium geschrieben?

2.1.   An wen wurde das Johannes-Evangelium geschrieben?

Es wurde von Ephesus aus an die heidenchristlichen Gemeinden der kleinasiatischen Umgebung des Apostels gerichtet und darüber hinaus an die ganze Christenheit. Es verfolgt den Zweck, die Leser zum Glauben an Jesus Christus, als dem Sohn Gottes, zu führen und sie darin zu bestärken (vgl. Johannes 19, 35; Johannes 20, 31).

 

2.2.   Wann wurde das Johannes-Evangelium geschrieben?

Das Joh-Ryland-Fragment (Papyrus 52) umfasst einige Verse aus Johannes 18. Es wurde in Ägypten am Nil gefunden und wird um 125 n. Chr. datiert. Das Johannes-Evangelium muss also spätestens am Ende des ersten Jahrhunderts entstanden sein. Da nach dem Zeugnis der Kirchenväter Johannes sein Evangelium erst nach dem Verlassen Jerusalems (wohl 68 n. Chr.) und nach der Ansiedelung in Ephesus und langjährigem Aufenthalt dort unter der Herrschaft des Kaisers Trajan (ab 98 n. Chr.) veröffentlicht haben soll entspricht nur die Datierung ganz am Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus den Angaben der Kirchenväter.

 

3.   Worin besteht die Besonderheit des Johannes-Evangeliums?

3.1.   Das Johannes-Evangelium ergänzt die synoptischen Evangelien:

-    Johannes setzt manches in seinem Evangelium als von den ersten drei Evangelien her bekannt voraus.

-    Johannes bringt ausführliche Zwiegespräche (Johannes 3+4). Begegnungen mit Einzelnen, die zum Glauben führen, sowie Abschiedsreden an die Jünger (Johannes 14-16) und das so genannte Hohepriesterliche Gebet (Johannes 17) zur Stärkung des Glaubens. Nur durch Johannes erfahren wir davon. Johannes trifft also eine besondere Stoffauswahl, die die nichtöffentliche Lehre Jesu im Kreis der Jünger oder im Gespräch mit Einzelnen hervorhebt.

-    Johannes betont nicht das Wirken Jesu in Galiläa wie die Synoptiker, sondern in Jerusalem.

-    Johannes verwendet in der Berichterstattung über die Karwoche vermutlich einen anderen Kalender als die Synoptiker.

 

3.2.   Das Johannes-Evangelium richtet sich gegen die Gnosis.

Nach Angaben der Kirchenväter trieb der Gnostiker Kerinth als Schüler Simons, des Zauberers (Apostelgeschichte 8, 9-24) zur Zeit des Apostels Johannes in Ephesus sein Unwesen. Sein Einfluss muss groß gewesen sein, darum wenden sich die Briefe und das Evangelium des Johannes ausdrücklich gegen den von ihm vertretenen gnostischen Doketismus, also die Lehre, dass die Welt des Geistes so sehr von allem Bösen-Materiellen geschieden sei, dass der Sohn Gottes nicht wirklich „ins Fleisch gekommen“ sei, sondern nur mit einem Scheinleib. Vgl. dazu Johannes 1, 14; Johannes 6, 52ff; Johannes 19, 34f; Johannes 20, 27; ferner 1. Johannes 1, 1; 1. Johannes 4, 2f ; 1. Johannes 5, 6ff.

 

3.3.   Das Johannes-Evangelium gibt in besonderer Weise die „Herztöne“ Jesu wider.

Johannes war einer der drei Jünger, die Jesus am nächsten standen, neben Petrus und seinem Bruder Jakobus. Innerhalb des internsten Jüngerkreises war er der Jünger, der Jesus am nächsten stand: er war der Lieblingsjünger Jesu. Daher ist es ganz zu erwarten, dass das vierte Evangelium in besonderer Weise die „Herztöne“ Jesu wiedergibt (Vgl. Th. Zahn, aaO, S. 25f).

Warum aber war Johannes der Lieblingsjünger Jesu, der beim letzten Abendmahl an der Seite Jesu lag? Allem Anschein nach verband ihn mit seinem Meister eine besondere Freundschaft. Die stille Art des Johannes äußerte sich offenbar als außergewöhnliche Aufgeschlossenheit gegenüber Jesu Wort und Wesen.

 

3.4.   Das Johannes-Evangelium betont besonders die Göttlichkeit Jesu Christi.

-    Als der Präexistente, der das ewige Wort beim Vater ist (vgl. Johannes 1, 1ff; Johannes 8, 58).

-    Als das fleischgewordene Gotteswort, der echte Mensch (vgl. Johannes 1, 14; Johannes 6, 54; Johannes 20, 25).

-    Als der wahre Gott und wahre Mensch (Johannes 1, 34; Johannes 3, 17).

-    Als der, der sich durch Seine Zeichen und durch Sein Wort als Gottessohn offenbart (vgl. Johannes 1, 14b; Johannes 2, 11).

 

3.5.   Das Johannes-Evangelium betont besonders den Zeichencharakter der Wunder Jesu.

Johannes wählt sieben Zeichen Jesu aus (Johannes 21, 25), die in der Abhängigkeit vom Vater gewirkt (Johannes 5, 19), Jesu göttliche Sendung bezeugen (Johannes 5, 36):

1.  Verwandlung von Wasser in Wein (Johannes 2, 1-11): Jesus ist Herr über die Qualität (d. h. Beschaffenheit eines Stoffes).

2.  Heilung des Sohnes eines königlichen Beamten (Johannes 4, 46-54): Jesus ist Herr über den Raum.

3.  Heilung eines Kranken am Teich Bethesda (Johannes 5, 1-9): Jesus ist Herr über die Zeit.

4.  Speisung der Fünftausend (Johannes 6, 1-4): Jesus ist Herr über die Quantität.

5.  Gang auf dem Wasser (Johannes 6, 16-21): Jesus ist Herr über Naturgesetze.

6.  Heilung des Blinden (Johannes 9, 1-12): Jesus ist Herr über das Unglück.

7.  Auferweckung des Lazarus (Johannes 11, 1-46): Jesus ist Herr über den Tod (so nach M. C. Tenney, zit. bei E. Mauerhofer, aaO, S. 126).

Die Wirkung dieser Zeichen ist unterschiedlich. Bei der Masse des Volkes bewirken sie keinen Glauben (Johannes 12, 37ff), höchstens eine vorübergehende Begeisterung (Johannes 6, 26.66; Johannes 12, 12), die später in glühenden Hass umschlägt (Johannes 19, 14f). Bei den Jüngern Jesu (mit Ausnahme des Judas, vgl. Johannes 6, 64) helfen sie zum Glauben (vgl. Johannes 2, 11; Johannes 20, 30f).

 

3.6.   Das Johannes-Evangelium betont besonders das Wort Jesu:

Die Reden Jesu, die zum Teil die vorangegangenen Zeichen deuten (Johannes 5, 19ff; Johannes 6, 26ff; Johannes 10, 1ff), die neun Ich-bin-Worte, in welcher Jesus Seine Göttlichkeit offenbart (vgl. 2. Mose 3, 14: „Ich bin, der ich bin“ als Gottesname) und Zeugnis ablegt von seiner „Einzigartigkeit, Einmaligkeit, Ausschließlichkeit und Universalität“ (E. Mauerhofer, aaO, S. 128), die Einzelgespräche (z. B. mit Nikodemus in Johannes 3 und mit der Samariterin am Jakobsbrunnen in Johannes 4 und die Abschiedsreden im Jüngerkreis (Johannes 14-16) mit dem Hohepriesterlichen Gebet in Johannes 17 sollen zum Glauben helfen (vgl. z. B. Johannes 4, 41; Johannes 14, 1).

 

3.7.   Das Johannes-Evangelium betont besonders die Offenbarung des Vaters durch Jesus Christus:

Über 110mal kommt das Wort „Vater“ im Johannesevangelium von besonders konzentriert in den Abschiedsreden und im Hohepriesterlichen Gebet (51mal in Johannes 14-17). Der Vatername ist der Gottesname, den der Gottessohn den Jüngern offenbart (Johannes 17, 6). Nach Johannes 1, 18 ist Jesus Christus als der eingeborene Gott (bzw. Sohn – je nach Lesart) im Schloss des Vaters derjenige, der vom unsichtbaren Gott Kunde bringt; er verkündigt Ihn als Vater für die, denen Jesus der Weg ist (Johannes 14, 6).

 

3.8.   Das Johannes-Evangelium betont die Passion Jesu Christi:

Das Johannesevangelium widmet neun Kapitel (Johannes 12-20) von insgesamt 21 dem kurzen, aber entscheidenden Zeitraum von neun Tagen, nämlich von der Salbung Jesu in Bethanien und dem Einzug in Jerusalem (Johannes 12) über die Geschehnisse am Gründonnerstag (Fußwaschung, Abschiedsreden, Hohepriesterliches Gebet: Johannes 13-17) und Karfreitag (Johannes 18-19) bis zum Ostermorgen (Johannes 20). Die Schilderung dieser Tage, die in besonderer Weise vom Kreuz Jesu überschattet sind, machen mehr als ein Drittel des gesamten Evangeliums aus (vgl. E. Mauerhofer, aaO, S. 128). Das bedeutet, dass Johannes wie Paulus (vgl. 1. Korinther 1, 18) das Wort vom Kreuz in den Mittelpunkt des Evangeliums stellt.

 

 

B. Gliederung

I.    Einleitung (Johannes 1)

Johannes 1, 1-18 Prolog: Der, der das ewige Wort beim Vater war, wurde Fleisch.

Johannes 1, 14:   Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

Johannes 1, 16:   Und von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.

Johannes 1, 17:   Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben: die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.

 

Johannes 1, 19-34: Das Zeugnis des Täufers Johannes über Jesus.

Johannes 1, 29b: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!

 

Johannes 1, 35-51: Jesus beruft Seine ersten Jünger.

 

 

II.   Jesu öffentliches Wirken (Johannes 2-12)

Johannes 2, 1-12: Jesu erstes Zeichen auf der Hochzeit zu Kana.

Johannes 2, 5: Was er euch sagt, das tut!

 

Johannes 2, 13-25: Jesus reinigt den Tempel in Jerusalem.

 

Johannes 3,1-21: Jesus redet mit Nikodemus über die Wiedergeburt.

Johannes 3, 3:     Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.

Johannes 3, 16:   Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

 

Johannes 3, 22-36: Das letzte Zeugnis des Täufers Johannes über Jesus.

Johannes 3, 30: Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.

 

Johannes 4, 1-42: Jesus offenbart sich der Samaritanerin als das Brot des Lebens.

 

Johannes 4, 43-54: Jesus heilt in Kana den Sohn seines königlichen Beamten (zweites Zeichen).

 

Johannes 5, 1-47:   Jesus heilt den Kranken am Teich Bethesda (drittes Zeichen). Er führt ein Streitgespräch mit den Pharisäern über Seine Gottessohnschaft.

Johannes 5, 24:   Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.

 

Johannes 6, 1-71:   Jesus speist 5000 Mann und wandelt auf dem See (viertes und fünftes Zeichen). Er offenbart sich in einem Streitgespräch als das Brot des Lebens. Er verliert viele Anhänger. Das Christusbekenntnis des Petrus.

Johannes 6, 35:         Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.

Johannes 6, 37:         Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.

Johannes 6, 68-69:    Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes.

 

Johannes 7, 1-52: Jesus offenbart sich auf dem Laubhüttenfest in Jerusalem als das lebendige Wasser.

Johannes 7, 37-38:    Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.

 

Johannes 7, 53-8, 11: Jesus und die Ehebrecherin

 

Johannes 8, 12-59: Jesus offenbart sich als das Licht der Welt und führt ein neues Streitgespräch.

Johannes 8, 12:                      Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.

Johannes 8, 31-32:                  Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen.

Johannes 8, 34-36 (Auszug):    Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht. … Wenn euch nun der Sohn freimacht, so seid ihr wirklich frei.

 

Johannes 9, 1-41:   Jesus heilt den Blindgeborenen (sechstes Zeichen). Kritische Untersuchung durch die Pharisäer.

 

Johannes 10, 1-21: Jesus offenbart sich als die Tür der Schafe und als der gute Hirte.

Johannes 10, 9:         Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden.

Johannes 10, 11:       Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.

Johannes 10, 14-15:   Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, wie mich mein Vater kennt, und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe.

 

Johannes 10, 22-42: Jesus wird von den Juden in Jerusalem verworfen.

Johannes 10, 27-28:   Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.

Johannes 10, 30:       Ich und der Vater sind eins.

 

Johannes 11, 1-44: Jesus erweckt den toten Lazarus zum Leben (siebtes Zeichen).

Johannes 11, 25-26:   Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.

 

Johannes 11, 45-57: Der Hohe Rat beschließt die Tötung Jesu.

Johannes 11, 50:       (Der Hohepriester Kaiphas:) Es ist besser für euch, ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe.

 

Johannes 12, 1-8: Die Salbung Jesu in Bethanien.

 

Johannes 12, 9-19: Der triumphale Einzug Jesu in Jerusalem.

Johannes 12, 13: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel!

 

Johannes 12, 20-26: Einige Griechen suchen Jesus.

Johannes 12, 24:       Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wem das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

 

Johannes 12, 27-50: Jesu letzte öffentliche Rede.

Johannes 12, 36: Glaubt an das Licht, solange ihr’s habt, damit ihr Kinder des Lichtes werdet.

 

 

III.  Jesu Abschied von den Jüngern (Johannes 13-17)

Johannes 13, 1-30: Jesus wäscht den Jüngern die Füße und kündigt den Verrat des Judas an.

Johannes 13, 15: Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.

 

Johannes 13, 31-35:    Jesus eröffnet Seine Abschiedsreden mit dem Gebot der Liebe als Erkennungszeichen der Jünger für die Welt.

Johannes 13, 34-35:   Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.

 

Johannes 13, 36-38: Jesus kündigt die Verleugnung des Petrus an.

 

Johannes 14, 1-14: Jesus offenbart sich als der Weg zum Vater im Himmel.

Johannes 14, 1:   Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich!

Johannes 14, 6:   Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.

 

Johannes 14, 15-26: Jesus kündigt das Kommen des Heiligen Geistes als Anwalt der Jünger vor der Welt an.

Johannes 14, 23:       Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.

Johannes 14, 26:       Aber der Tröster, der heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.

 

Johannes 14, 27-31: Jesus gibt den Jüngern Seinen Frieden. Aufbruch aus dem Saal.

Johannes 14, 27:       Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.

 

Johannes 15, 1-17: Jesu Bildwort vom Weinstock und den Reben.

Johannes 15, 5:         Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.

Johannes 15, 16:       Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt, und eure Frucht bleibt, damit, wenn ihr den Vater bittet in meinem Namen, er's euch gebe.

 

Johannes 15, 18-16, 4: Jesus kündigt den Jüngern den Hass der Welt an.

 

Johannes 16, 5-15: Das Werk des Heiligen Geistes an der Welt und den Jüngern.

 

Johannes 16, 16-33: Jesu Abschied von den Jüngern.

Johannes 16, 33:       Das habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst: aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.

 

Johannes 17, 1-26: Das hohepriesterliche Gebet Jesu.

Johannes 17, 15-17:   Ich bitte dich nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern, dass du sie bewahrst vor dem Bösen. Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin. Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit.

Johannes 17, 20-21:   Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.

Johannes 17, 24:       Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebt, ehe der Grund der Welt gelegt war.

 

 

IV. Leiden, Sterben, Auferstehung und Erscheinungen Jesu (Johannes 18-21)

Johannes 18, 1-27: Jesu Gefangennahme, Verhör vor dem Hohenpriester und Verleugnung durch Petrus.

 

Johannes 18, 28-19, 16: Jesu Verhör vor Pontius Pilatus und Verurteilung zum Kreuzestod.

Johannes 18, 36-37:   Mein Reich ist nicht von dieser Welt. … Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme.

 

Johannes 19, 17-42:    Jesu Kreuzesleiden, Sein Sterben, die Öffnung Seiner Seite mit dem Speer und Seine Grablegung.

 

Johannes 20, 1-10: Das leere Grab des Auferstandenen.

 

Johannes 20, 11-18: Jesus erscheint Maria von Magdala.

 

Johannes 20, 19-23: Jesus erscheint den Jüngern.

Johannes 20, 21: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.

 

Johannes 20, 24-29: Jesus erscheint den Jüngern mit Thomas.

 

Johannes 20, 30-31: Der Zweck des Buches.

 

Johannes 21, 1-14: Der wunderbare Fischzug und die Erscheinung Jesu am See.

 

Johannes 21, 15-19: Jesus im Gespräch mit Petrus.

Johannes 21, 15-17: Hast du mich lieb?

 

Johannes 21, 20-23: Jesus über Seinen Lieblingsjünger, den Verfasser des vierten Evangeliums.

Johannes 21, 24-25: Abschluss.

 

 

C. Beispielhafte Auslegung einiger Abschnitte

 

Johannes 1, 1-18 Der Prolog: „Das Wort wurde Fleisch“

Johannes 1, 1-2:   Die ewige Gottheit Jesu Christi, der schon ewig bei Gott war, bevor die Schöpfung durch Ihn wurde, der wohl von Gott zu unterscheiden und doch selber wesensmäßig Gott war.

Hinweise: Im Anfang vgl. 1. Mose1, 1; ferner Johannes 8, 58; Johannes 17, 5; 1. Johannes 1, 1; 1. Johannes 2, 13. Das Wort vgl. 1. Mose 1 (10mal „und er sprach“); Psalm 33, 6; Hebräer 11, 3; Sprüche 8, 22ff. Jesus Christus wird „Wort“ genannt, um auf dem Hintergrund des AT Seine göttliche Würde als Schöpfungsmittler und personifizierte Gottesweisheit anzudeuten. Johannes konnte wohl voraussetzen, dass seine Leser „das Wort“ als einen Namen Jesu Christi kannten (Offenbarung 19, 13).

 

Johannes 1, 3-5:   Johannes bezeugt die umfassende Bedeutung Jesu Christi für die Welt als Schöpfungsmittler und als Leben und Licht der Menschen, das in den Machtbereich der Finsternis eindringt, sie bekämpft und schließlich überwindet.

Hinweise: Auch nach 1. Korinther 8, 6; Kolosser 1, 16; Hebräer 1, 2 ist die Welt durch Jesus Christus als Schöpfungsmittler geworden. Licht und Leben sind nach den bekannten Ich-bin-Worten in Jesus Christus verkörpert. Vgl. Johannes 6, 33.51ff.63; Johannes 8, 12; Johannes 10, 11; Johannes 11, 25; Johannes 14, 6 (Leben); Johannes 9, 5; Johannes 12, 35f; 1. Johannes 1, 5; Matthäus 4, 14ff (Licht). Vgl. ferner im AT z. B. Psalm 36, 10; Sprüche 8, 35 (Leben); Psalm 27, 1; Jesaja 8, 23f (Licht). Als Licht und Leben kann allein Jesus Christus den Menschen Orientierung (Psalm 119, 105). Rettung von Sünde (Psalm 27, 1) und neues Leben aus und mit Gott schenken. Das Scheinen des Lichtes in der Finsternis umschließt die ganze Heilsgeschichte seit dem Sündenfall und zielt ab auf die Fleischwerdung des ewigen Gotteswortes (Johannes 1, 14). „Die Finsternis hat es nicht ergriffen“ kann entweder bedeuten; „sie hat es nicht mit dem Verstand begriffen“, oder „sie hat es nicht überwältigt und besiegt“. Beides schwingt mit.

 

Johannes 1, 6-11:  Jesus Christus, das vom Täufer Johannes bezeugte Heilslicht, kam als Eigentümer in die Welt, insbesondere nach Israel, aber fand dort Ablehnung und Unglauben.

Hinweise: Johannes 1, 9 Er war das wahrhaftige Licht, welches jeden Menschen erleuchtet, der in die Welt kommt. Mit diesem Satz betont Johannes die heilsgeschichtliche Bedeutung Jesu Christi als Heilslicht für alle Menschen. Nur wer Jesus nachfolgt, erfährt Jesus als Licht der Welt (Johannes 8, 12). Johannes 1, 10 Er kam in Sein Eigentum: entweder mit Johannes 1, 10 die Welt als Eigentum des Schöpfers und Schöpfungsmittlers (Psalm 24, 1), oder Israel als Gottesvolk und Brückenkopf Gottes in der gefallenen Welt (vgl. Johannes 8, 58).

 

Johannes 1, 12-18:   Die gläubige Annahme Jesu Christi berechtigt zur Gotteskindschaft. Denn die Jünger Jesu und der Täufer Johannes bestätigen das göttliche Wesen des Fleischgewordenen als des Einziggezeugten Sohnes des Vaters. Er ist voller Gnade und Wahrheit und darum größer als Mose. Er hat als Einziggezeugter Gott allein den unsichtbaren Gott gesehen und die Kunde von Ihm gebracht.

Hinweise: Johannes 1, 12 Jesus Christus annehmen heißt an Seinen Namen glauben. Vollmacht ist hier wohl ein juristischer Begriff. Kinder Gottes werden: Im AT galt das Gottesvolk Israel als Sohn Gottes (z. B. 2. Mose 4, 22) und in besonderer Weise der messianische König (Psalm 2, 7). Im NT ist Jesus Christus der Einziggezeugte Sohn Gottes (vgl. z. B. Johannes 1, 14.18.34.49; Johannes 3, 18; Johannes 5, 25; Johannes 10, 36; Johannes 11, 4.27; Johannes 17, 1; Johannes 19, 7; Johannes 20, 31). Denen, die an Ihn glauben und Ihn damit annehmen, ist Er der Weg zum Vater (Johannes 14, 6), d. h. sie sind nun Gottes Kinder, aus Gott geboren (vgl. Johannes 1, 12; Johannes 11, 52; 1. Johannes 3, 1f.10; 1. Johannes 5, 2; ferner auch Römer 8, 16f.21; Römer 9, 7f).

Johannes 1, 14: Und das Wort wurde Fleisch: Johannes schildert im Unterschied zu Matthäus und Lukas keine Geburtsgeschichte Jesu – die setzt er voraus –, sondern fasst das Geheimnis der Menschwerdung des ewigen Gottessohnes in den geradezu rätselhaften Satz von der Fleischwerdung des Wortes. Das Wort, von dem bisher nur das Sein, nicht das Werden ausgesagt worden war (Johannes 1, 1-2) „wurde“, d. h. doch, der Schöpfungsmittler geht ein in Raum und Zeit der Schöpfung. Er wird ein Geschöpf. Der Begriff Fleisch bezeichnet die geschöpfliche (materielle) Begrenztheit des Menschen nach Raum und Zeit im Gegensatz zum Geistwesen Gottes (Jesaja 40, 6; Jeremia 17, 5; Johannes 8, 15), außerdem die Versuchlichkeit des Menschen für die Sünde (1. Johannes 2, 16) und seine Unfähigkeit zu neuem Leben aus sich selbst heraus (Johannes 1, 13; Johannes 3, 6).

Die Aussage, dass Gott in Jesus Christus ein Mensch von Fleisch und Blut wurde, schließt also die menschliche Begrenztheit Jesu im Blick auf Raum und Zeit ein (vgl. z. B. Johannes 11, 17), die Begrenztheit der physischen und psychischen Kraft (Jesus kannte Müdigkeit und Traurigkeit), die völlige Abhängigkeit vom Vater im Himmel (Johannes 5, 19), die Versuchlichkeit von der Sünde (Hebräer 4, 15). Ausgeschlossen ist jedoch, dass der Fleischgewordene zum Sünder geworden sei. Jesus war ohne Sünde: Johannes 8, 46; 2. Korinther 5, 21; Hebräer 4, 15; 1. Petrus 2, 22; 1. Johannes 3, 5. Ausgeschlossen ist ebenso, wie Johannes 1, 14b zeigt, dass das ewige Gotteswort völlig im Fleisch aufgegangen sei. Vielmehr ist der Fleischgewordene weiterhin das ewige Gotteswort geblieben (vgl. Johannes 1, 18).

Vgl. folgende neutestamentliche Parallelstellen zur Fleischwerdung des ewigen Gottessohnes: Kolosser 1, 22; 1.Timotheus 3, 16. Im Hintergrund dürfte das alttestamentliche Zeugnis vom „goel“, dem Verwandten-Löser stehen. Der Begriff des „haftpflichtigen nächsten Verwandten in Familiendingen“ (so eine Definition im Theol. Handwörterbuch zum AT I, S. 387) wird schon im AT auf den Gott Israels angewandt (z. B. Jesaja 41, 14; Jesaja 43, 14; Jesaja 48, 17; Jesaja 49, 7). Im Grunde wird damit der Gedanke vorbereitet, dass Gott der Blutsverwandte der Menschheit werden muss, um sie erlösen zu können. Dazu gehört auch die alttestamentliche Prophetie von der Geburt des göttlichen Erlösers (z. B. Jesaja 9, 5; Micha 5, 1). Daraus folgt: der Hintergrund von Johannes 1, 14 ist die alttestamentliche Prophetie.

Und wohnte (wörtlich: zeltete) unter uns. Die Wahl des Ausdrucks zieht eine Parallele zwischen dem Erdenleben Jesu und der Stiftshütte als Ort der göttlichen Gegenwart während der Wüstenwanderung Israels. Die Fleischwerdung des ewigen Gotteswortes verwirklicht also die Gemeinschaft Gottes mit den Menschen durch die Offenbarung Gottes im Fleischgewordenen und letztlich durch die Opferung des Fleischgewordenen. Damit ist die Ablösung des Tempels in Jerusalem als Ort der Gegenwart Gottes durch Jesus Christus als dem wahren Gottestempel angedeutet (vgl. Johannes 2, 21).

Und wir sahen Seine Herrlichkeit. D. h. Jesus Christus verbreitete als fleischgewordenes Gotteswort göttlichen Glanz und Eindruck, besonders durch Seine Zeichen (Johannes 2, 11).

Als eines Einziggezeugten vom Vater. Der neutestamentliche Begriff des Einziggezeugten (Luther: Eingeborenen) bezeichnet im alltäglichen Bereich den einzigen Sohn, bzw. die einzige Tochter der Eltern, im heilsgeschichtlichen Sinn den Einziggezeugten Sohn Abrahams und Sarahs, Isaak, der geopfert werden sollte (Hebräer 11, 17; vgl. dazu 1. Mose 22, 16) und schließlich auf Jesus übertragen den Einziggezeugten vom Vater her (Johannes 1, 14), den Einziggezeugten Gott (Johannes 1, 18 nach der wohl besseren Lesart), den Einziggezeugten Sohn (Johannes 3, 16.18; 1. Johannes 4, 9). Nach G. Maier, Johannes-Evangelium, Ed.-C-Komm., Neuhausen-Stuttgart. 1989/2, S. 33 umfasst der Begriff ein Dreifaches: 1. Die Einzigartigkeit und Unvergleichlichkeit Jesu Christi als Sohn Gottes. 2. Jesus Christus als der wahre Isaak, der von Seinem Vater nicht verschont (Römer 8, 32), sondern geopfert wurde. 3. Er ist als der Einzige nicht erschaffen, sondern gezeugt, nämlich durch die Menschwerdung.

Voller Gnade und Wahrheit: Jesus Christus ist also voller göttlicher Eigenschaften. Gnade ist das rettende göttliche Wohlwollen, Wahrheit Gottes Treue und Zuverlässigkeit.

Johannes 1, 15: Der Täufer bezeugt damit die Präexistenz Jesu.

Johannes 1, 16: Wir alle, das ist die Gesamtheit der Jünger Jesu Christi, die Seine Augenzeugen wurden, und zu deren Sprecher Johannes sich hier macht. Haben genommen: wie in Johannes 1, 12. D. h. im Annehmen der Person Jesu Christi ist der Empfang Seiner Gnade mit inbegriffen. Die Gaben Christi sind also an die Person Christi gebunden. Gnade um Gnade: Es gibt zwar nur eine Gnade, doch dürfen wir sie immer wieder neu erfahren (Klagelieder 3, 22f).

Johannes 1, 17: Der Gegensatz zwischen Mose und Jesus Christus besteht darin, 1. dass das Gesetz zwar Gottes gerechte Forderung darstellt, aber im Unterschied zur Gnade Jesu Christi nicht retten kann, 2. dass das Gesetz zwar Gottes Wahrheit ist, jedoch um der Menschen Herzenhärtigkeit willen ermäßigt und erst im Evangelium voll erfüllt, 3. dass das Gesetz von Gott gegeben ist, Gnade und Wahrheit aber in Jesus Christus personifiziert und Fleisch geworden.

Johannes 1, 18: Niemand hat Gott jemals gesehen: Johannes 1, 18 rundet den Prolog ab, indem ein weiteres Zeugnis von der Einzigartigkeit Jesu Christi hinzugefügt wird. Er allein hat Gott gesehen und offenbart Gott! Das AT kennt zwar sichtbare Erscheinungen Gottes, aber ein echtes Sehen Gottes war es nicht. Entweder erschien Gott in menschlicher Gestalt (z. B. 1. Mose 18) oder in Engelsgestalt (1. Mose 32, 25-31, vgl. Hosea 12, 4f). Oder er offenbarte sich nur verhüllt, nicht von Angesicht zu Angesicht, so bei Mose (2. Mose 33, 20ff; 5. Mose 4, 12; trotz 4. Mose 12, 6-8; 5. Mose 34, 10). Jesaja (Jesaja 6, 1ff) und Hesekiel (Hesekiel 1, 10). Die Sünde des Menschen ist der Grund für die Unsichtbarkeit Gottes (Matthäus 5, 8; vgl. ferner 2. Mose 19, 21). Auch sonst bezeugt das NT die Unsichtbarkeit Gottes (vgl. Johannes 5, 37; Johannes 6, 46; 1. Timotheus 1, 17; 1. Timotheus 6, 16; 1. Johannes 4, 12ff). Erst am Ziel werden die Erlösten das Angesicht Gottes schauen (Matthäus 5, 8; Offenbarung 22, 4).

Der Einziggezeugte Gott (Sohn): Die ältesten Handschriften lesen der Einziggezeugte Gott, die Mehrzahl der Handschriften liest der Einziggezeugte Sohn. Beide Lesarten passen in den Kontext und geben einen guten Sinn. Die erstgenannte Lesart könnte als die ungewöhnlichere die ursprünglichere sein.

Der auf den Schoß des Vaters hin ausgerichtet ist: Mit diesem Bildwort umschreibt Johannes die denkbar engste Gemeinschaft des präexistenten, fleischgewordenen und erhöhten Sohnes Gottes mit dem Vater, als Gott bei Gott.

Jener hat es offenbart: Abschließend unterstreicht Johannes nochmals den Absolutheitsanspruch Jesu Christi als Offenbarer des Vaters: Er allein hat Kunde gebracht von Gott, letztlich von allem, was der Prolog über die Einzigartigkeit Jesu Christi in Seiner Beziehung zu Gott, zur Welt und zur Heilsgeschichte aussagt. Der Inhalt des Prologs ist also nicht von Johannes erdacht, sondern von Jesus Christus geoffenbart.

 

Johannes 1, 19-34 Das Zeugnis des Täufers Johannes über Jesus

Johannes 1, 19-23: Der priesterlichen und levitischen Gesandtschaft der führenden Juden aus Jerusalem bezeugt Johannes der Täufer, dass er selber weder der Messias, noch Elia, noch der Prophet (5. Mose 18, 15.18), sondern die Stimme eines Rufenden in der Wüste ist: „Bereitet den Weg dem Herrn!“

Johannes 1, 24-28: Den pharisäischen Abgesandten bezeugt er, dass ein Würdigerer als er nach ihm komme.

Johannes 1, 29-34: Am zweiten Tag sieht er Jesus und legt über Ihn ein fünffaches Zeugnis ab:

1.   Jesus ist das Lamm Gottes (vgl. 2. Mose 12, 3ff.46; Johannes 19, 36; Jesaja 53, 6f), welches der Welt Sünde trägt. D. h. Jesus Christus sühnt durch seinen Tod die Schuld der Welt.

2.   Jesus ist zwar nach dem Täufer gekommen, aber als der Präexistenten doch vor ihm gewesen.

3.   Auf Jesus kam der Heilige Geist bleibend herab wie eine Taube aus dem Himmel.

4.   Jesus tauft mit dem Heiligen Geist.

5.   Jesus ist der Sohn Gottes.

 

Johannes 1, 35-51 Die ersten Jünger Jesu

Johannes 1, 35-36: Am dritten Tag wird Johannes der Täufer zum Wegweiser zu Jesus für zwei seiner Jünger.

Johannes 1, 37-39: Zwei Jünger folgen dem Wegweiser und erleben eine eindrückliche Begegnung mit Jesus.

Johannes 1, 40-42: Andreas, einer der zwei, wird selber zum Wegweiser zu Jesus für seinen Bruder Simon.

Johannes 1, 43-44: Am vierten Tag findet Jesus Philippus und ruft ihn in Seine Nachfolge.

Johannes 1, 45-51: Philippus wird zum Wegweiser zu Jesus für Nathanael. Dieser erkennt Jesus als Sohn Gottes und König Israels. Jesus offenbart sich ihm als die wahre Jakobsleiter (1. Mose 28, 12, d. h. als den Weg zu Gott) und als den Menschensohn (Daniel 7, 13f, d. h. als den künftigen von Gott bevollmächtigten Weltherrscher und Weltrichter, der jetzt noch in menschlicher Niedrigkeit ist).

 

Johannes 3, 1-21 Jesus zeigt Nikodemus den Weg in das Reich Gottes

Johannes 3, 1-2: Der Pharisäer Nikodemus, ein Oberster der Juden und der Lehrer Israels (Johannes 3, 10), kommt nachts zu Jesus und spricht Ihm seine Anerkennung als von Gott gesandtem und beglaubigten Lehrer aus.

Johannes 3, 3: Jesus kommt gleich auf das Zentrale zu sprechen: Wie kann man das Reich Gottes sehen, d. h. die (gegenwärtig verborgene und zukünftig offenbare) Königsherrschaft Gottes durch Jesus Christus erleben? Ihm geht es dabei um die Rettung des Nikodemus. Jesus bekräftigt Seine Antwort mit einem doppelten Amen („Es ist wahr!“): „Wenn jemand nicht von neuem (oder: von oben) geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen!“ Die Neugeburt von oben, bzw. die Wiedergeburt (vgl. Johannes 1, 13; Titus 3, 5; Jakobus 1, 18; 1. Petrus 1, 3.23; 1. Johannes 2, 29; 1. Johannes 3, 9; 1. Johannes 4, 7; 1. Johannes 5, 18) ist also Voraussetzung für die Erfahrung der Königsherrschaft Gottes. D. h. nicht Verbesserung des alten Lebens, sondern neues Leben aus Gott ist nötig.

Johannes 3, 4-8: Jesus verdeutlicht Seine Aussage, die Nikodemus noch nicht verstanden hat, indem Er jetzt von der Notwendigkeit einer Geburt aus Wasser und Geist spricht. Mit dem Hinweis auf Wasser erinnert Jesus an die Johannestaufe, bei der es um Sinnesänderung und Sündenbekenntnis ging. Aber Wasser an sich rettet nicht (Markus 16, 16). Darum spricht Jesus weiter vom notwendigen Wirken des (Heiligen) Geistes, der allein eine Geburt von neuem und von oben wirken kann (Johannes 3, 6-7), dessen Wirken aber für den Menschen unverfügbar ist wie der Wind (Johannes 3, 8).

Johannes 3, 9-13: Nikodemus fordert Jesus durch seine Gegenfrage zu letzter Deutlichkeit der Antwort auf (Johannes 3, 9). Jesus zeigt zuerst Sein Verwundern, dass Nikodemus als der Lehrer Israels den Weg in das Reich Gottes nicht weiß (Johannes 3, 10). Das liegt daran, dass er Jesus noch nicht richtig erkannt hat. Jesus schließt sein Zeugnis mit dem Seiner Jünger zusammen: „Wir reden, was wir wissen.“ Er beklagt die Ablehnung seitens der Juden. (Johannes 3, 11). Mit G. Maier, aaO, S. 119 verstehen wir unter dem Irdischen die Lehrpunkte, die mit der irdischen Wirksamkeit Jesu zu tun haben, unter dem Himmlischen, was mit dem Wirken des verherrlichten Christus zu tun hat (Johannes 3, 12). Niemand aber kann letztlich verbindlich über den Weg zu Gott lehren außer dem, der aus dem Himmel herabgestiegen ist (bei der Menschwerdung) und der einst in den Himmel aufsteigen wird (bei der Himmelfahrt), nämlich der Menschensohn (Daniel 7, 13f) Jesus Christus (Johannes 3, 13).

Johannes 3, 14-15: Nun kommt die letzte Antwort auf die Frage, wie die Neugeburt möglich wird: durch den Glauben an Jesus, der für die Schuld der Welt stirbt. Jesus verdeutlicht das durch einen dreifachen Vergleich mit der kupfernen Schlange in der Wüste: 1. So wie sie erhöht wurde, so muss der Menschensohn erhöht werden, nämlich ans Kreuz, erst dann in den Himmel. 2. So wie der Blick auf die Schlange rettete, so rettet jetzt der Glaubensblick auf Jesus. 3. So wie Gott durch die Schlange vor dem zeitlichen Tod durch Schlangengift rettete, so rettet Gott durch Jesus vor den Folgen der Sünde, indem er den Glaubenden das ewige Leben gibt.

Johannes 3, 16: Das Evangelium im Evangelium: Gottes Liebeserklärung an die Welt, Gottes Liebesgabe für die Welt, Gottes Liebesangebot für alle, die glauben.

Johannes 3, 17-21: Der Zweck des ersten Kommens Jesu in die Welt ist nicht das Gericht über die Welt, sondern ihre Rettung (Johannes 3, 17). Dennoch stellen die Menschen schon heute durch ihre Reaktion auf Jesus die Weichen für das künftige Gericht: Wer an Jesus glaubt, wird nicht gerichtet. Wer nicht an Ihn glaubt, ist schon gerichtet (Johannes 3, 18). Das Gericht besteht darin, dass sie Jesus als dem Licht der Welt ausweichen, um nicht ihrer Sünden überführt zu werden (Johannes 3, 19-20). Wer jedoch im Glauben zu Jesus als der Wahrheit und dem Licht kommt, in dessen Leben wird zwar auch alles Dunkel der Sünde offenbar, aber Gott kann in ihm Neues wirken: Werke, die in Gott gewirkt sind (Johannes 3, 21), vgl. 1. Johannes 1, 7.

 

Johannes 4, 1-42   Jesus offenbart sich einer Samaritanerin als der Messias, der das Wasser des Lebens gibt

Johannes 4, 1-6: Diese Verse nennen die Umstände (Jesu Reise nach Galiläa), den Ort (den Jakobsbrunnen) und die Zeit (12 Uhr mittags) für das Gespräch Jesu mit der Samaritanerin.

Johannes 4, 7-15: Johannes schildert den Gesprächsverlauf von der Anknüpfung Jesu mit der alltäglichen Bitte um Wasser aus dem Brunnen bis hin zur Bitte der Samaritanerin um das Wasser des Lebens, das Jesus ihr anbietet, das den Lebensdurst des Menschen auf ewig stillt und in ihm zu einer Quelle wird, die in das ewige Leben hinein sprudelt.

Johannes 4, 16-19: An dieser Stelle nimmt das Gespräch eine entscheidende Wende. Jesus fordert die Frau auf, ihren Mann zu rufen. Die Frau entgegnet, dass sie keinen Mann habe. Da sagt ihr Jesus auf den Köpf zu, dass sie recht geredet habe, denn fünf Männer habe sie gehabt, und der jetzige sei nicht ihr Mann. Ob die Frau fünfmal verwitwet oder geschieden war, bleibt ungewiss. In jedem Fall aber lebt sie gegenwärtig unverheiratet mit einem Mann zusammen, und das ist Schuld. Das bekennt die Frau später selber (Johannes 4, 29.39). An der Überführung von der Sünde erkennt die Frau – Jesus als einen Propheten (Johannes 4, 19).

Johannes 4, 20-24: Wieder nimmt das Gespräch eine entscheidende Wende. Die samaritanische Frau will wohl nicht ablenken von dem ihr peinlichen Gesprächsthema, aber sie ist als Sünderin interessiert an der wahren Gottesanbetung, weil sie wissen möchte, wo Gott zu finden ist. Jesus gibt zu verstehen, dass die samaritanische Gottesanbetung auf Unkenntnis beruht (Johannes 4, 22), denn das Heil (= der Heiland) komme aus den Juden. Aber es beginne jetzt die Zeit der wahren Gottesanbetung, die nicht an einen heiligen Ort gebunden sei. Jerusalem oder den Berg Garizim, sondern in der der Vater im Geist und in der Wahrheit angebetet werde (Johannes 4, 23). Anbetung im Geist und in der Wahrheit bedeutet Anbetung durch Jesus Christus, denn Er gibt den Heiligen Geist (Johannes 1 ,33) und Er ist die Wahrheit in Person (Johannes 1, 14; Johannes 14, 6). Nur eine solche Anbetung ist die wahre, denn Gott ist Geist (Johannes 4, 24), d. h. nicht wie Menschen an Raum und Zeit gebunden und nicht für Menschen verfügbar (Johannes 3, 8).

Johannes 4, 25-26: Das Gespräch erreicht sein Ziel: die Frau bekennt ihre Hoffnung auf den kommenden Messias und Jesus gibt sich als der Messias zu erkennen.

Johannes 4, 27-30: Die Jünger kehren zurück. Die samaritanische Frau lässt ihren Krug stehen. Jetzt ist etwas anderes wichtiger. Sie eilt in die Stadt. Während sie vorher den Kontakt mit Menschen mied und so in der Mittagshitze an den Brunnen kam, sucht sie jetzt den Kontakt. Sie bekennt ihre Sünde und ruft die Menschen zur Begegnung mit Jesus als dem Messias. Die Leute der Stadt machen sich auf den Weg zu Jesus.

Johannes 4, 31-38: In der Zwischenzeit fordern die Jünger ihren Meister auf zu essen. Er aber zeigt ihnen eine andere Speise, nämlich dass Er den Willen dessen tut, der Ihn gesandt hat und Sein Heilswerk vollendet (Johannes 4, 34). Das Bild vom Sämann und den Erntearbeitern veranschaulicht, dass das von Jesus angefangene Werk der Heilsverkündigung von den Jüngern weitergeführt werden soll. Es geht hier um den Auftrag der Weltmission.

Johannes 4, 39-42: Viele Samaritaner aus der Stadt kamen zum Glauben an Jesus aufgrund des Zeugnisses der Samaritanerin. Als aber Jesus auf ihre Bitte hin zwei Tage bei ihnen blieb, glaubten noch viel mehr. Nicht mehr wegen der Worte der Samaritanerin, sondern aufgrund des Wortes Jesu erkannten sie Ihn als Retter der Welt.

 

Johannes 6, 1-71 Jesus, das Brot des Lebens

Johannes 6, 1-15: Der Bericht über die Speisung der 5000 unterscheidet sich u. a. in folgenden drei Einzelheiten von den synoptischen Parallelberichten in Matthäus 14, 13-21; Markus 6, 30-44; Lukas 9, 10-17: 1. Nur Johannes nennt Andreas als den, der auf den Knaben mit den fünf Broten und zwei Fischen hinweist. 2. Nur Johannes erwähnt den Knaben. 3. Nur Johannes berichtet, dass die begeisterte Volksmenge Jesus nach der wunderbaren Speisung zum Brotkönig machen wollte, so dass Jesus entwich.

Johannes 6, 16-21: Auch der Bericht über den Wandel Jesu auf dem See unterscheidet sich von den synoptischen Parallelberichten (Matthäus 14, 22-27; Markus 6, 45-52). Johannes berichtet viel kürzer und erwähnt als einziger die wunderbare Landung in Kapernaum.

Johannes 6, 22-25: Diese Verse handeln von dem Erstaunen der am Vortag gespeisten Menge über das Verschwundensein Jesu, obwohl doch Seine Jünger ohne Ihn mit dem einzigen Boot abgefahren waren. Mit anderen Schiffen gelangen sie an das Westufer nach Kapernaum und finden dort Jesus. Sie fragen Ihn: „Rabbi, wie bist du hierher gekommen?“ Diese Frage löst eine Streitrede zwischen Jesus und Seinen Anhängern aus, die in der Synagoge in Kapernaum stattgefunden hat (Johannes 6, 59).

Johannes 6, 26-33: Jesus tadelt Seine Gesprächspartner, dass sie Ihn aus falschen Beweggründen gesucht haben. Sie ließen sich durch das Zeichen der wunderbaren Speisung nicht zum Glauben an Jesus führen, sondern wollten weiterhin durch Ihn nur leiblich gesättigt werden (Johannes 6, 26). Darum ermahnt Jesus, sich um unvergängliche Speise zu bemühen, die der von Gott bevollmächtigte („versiegelte“) Menschensohn (Daniel 7, 13f) geben wird (Johannes 6, 27). Auf die Frage, was denn da zu tun sei (Johannes 6, 28), antwortet Jesus, dass sie an den glauben sollen, den Gott gesandt hat, nämlich an Jesus (Johannes 6, 29). Die Forderung nach Zeichen, nachdem Jesus doch am Vortag die 5000 Mann wunderbar gespeist hatte, ist unverschämt, aber menschlich (Johannes 6, 30). Das Schriftzitat aus Psalm 78, 24 wird in einer Weise missbraucht, als ob Mose das Manna dem Volk gegeben hätte (Johannes 6, 31). Jesus korrigiert darum die Aussage Seiner Gesprächspartner und führt über sie hinaus: 1. Nicht Mose gab das Manna, sondern Gott. 2. Der Vater Jesu gibt auch gegenwärtig das wahrhaftige Brot aus dem Himmel. 3. Der aus dem Himmel Herabkommende ist das Brot Gottes. 4. Er gibt nicht nur Israel, sondern der Welt das Leben (Johannes 6, 32f).

Johannes 6, 34-35: Auf die Bitte „Gib uns allezeit dieses Brot!“ antwortet Jesus mit dem bekannten Ich-bin-Wort „Ich bin das Brot des Lebens.“ (Johannes 6, 35). Dieses Wort erinnert an die Selbstoffenbarung Gottes am brennenden Dornbusch, wo Er sagt: „Ich bin, der Ich bin.“ (2. Mose 3, 14). Jesus bezeugt damit Seine Göttlichkeit. Ferner: Wenn Jesus sich mit Brot vergleicht, dann will Er damit sagen, dass Er allein das Grundbedürfnis des Menschen befriedigen kann. Denn Brot ist auch in alter Zeit das Grundnahrungsmittel gewesen. Im Unterschied zum irdischen Brot aber stillt Jesus das tiefste Verlangen des Menschen („Hunger und Durst“) bleibend, indem Er nicht nur irdisches Leben erhält wie das irdische Brot, sondern ewiges Leben schenkt (Johannes 6, 35). Voraussetzung dazu ist, dass man zu Jesus kommt, d. h. an Ihn glaubt.

Johannes 6, 36-40: Jesus tadelt Seine Gesprächspartner wegen ihres Unglaubens (Johannes 6, 36) und nimmt Bezug auf Johannes 6, 26. Dann erklärt Er den verborgenen Hintergrund von menschlichem Glauben und Unglauben: Wer im Glauben zu Jesus kommt, ist dem Sohn vom Vater gegeben. Das enthebt diejenigen, die nicht an Jesus glauben wollen, nicht ihrer Verantwortung, sonst würde Jesus sie nicht tadeln. Dem aber, der zu Ihm kommt, garantiert Jesus, dass Er ihn gewiss nicht dem Gericht überliefert (Johannes 6, 37). Der Grund dafür ist, dass Jesus vom Himmel kam, um den Willen dessen zu erfüllen, der Ihn gesandt hat (Johannes 6, 38), nämlich alles, was Er Ihm gegeben hat, nicht zu verlieren, sondern am letzten Tag, d. h. am Tag der Wiederkunft Jesu, aufzuerwecken (Johannes 6, 39). Die Auferweckung ist die Vollendung des ewigen Lebens, das derjenige der Jesus sieht und an Ihn glaubt, schon jetzt anbruchhaft erhält (Johannes 6, 40).

Johannes 6, 41-51: Die Gesprächspartner Jesu haben Seine Aussage: „Ich bin das Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist.“ richtig verstanden (Johannes 6, 41). Sie ärgern sich über das darin enthaltene Zeugnis der Jungfrauengeburt, denn Jesus war ihnen als Sohn Josephs bekannt, und das stimmte ja auch im juristischen, aber nicht im biologischen Sinn (Johannes 6, 42). Jesus ermahnt sie, nicht deswegen untereinander zu murren (Johannes 6, 43). Er antwortet nicht direkt auf die Zweifel der Leute, sondern wieder geht Er auf den eigentlichen Kern der Sache ein: Echter Glaube ist nicht von Menschen machbar, sondern ein Geschenk Gottes, ohne dass man deshalb für seinen Unglauben nicht verantwortlich wäre. Jesus drückt das so aus: Niemand kann zu Ihm kommen, den der Vater nicht abschleppt zu Jesus (Johannes 6, 44), der nicht vom Vater hört und lernt (Johannes 6, 45). Natürlich gibt es letztlich nur Einen, der vom Vater nicht nur gelernt, sondern Ihn auch wirklich gesehen hat, nämlich Jesus (Johannes 6, 46). Nochmals bezeugt Jesus sich als das vom Himmel kommende Brot des Lebens, das dem, der davon isst, unsterbliches, ewiges Leben gibt (Johannes 6, 47-51). Neu ist hier die Aussage Jesu, dass Er Sein Fleisch als Brot geben wird (Johannes 6, 51). Damit weist Er hin auf Seinen Kreuzestod, durch den Er erst recht zum Lebensbrot für die Welt werden wird.

Johannes 6, 52-59: Der letzte Satz Jesu löst einen Streit unter den Juden aus: „Wie kann dieser uns Sein Fleisch zu essen geben?“ Wieder gibt Jesus keine direkte Antwort, sondern Er bekräftigt immer wieder die Aussage, dass allein das Essen des Fleisches des Menschensohnes (Daniel 7, 13f) und das Trinken Seines Blutes ewiges Leben verleiht, das sich in der Auferstehung vollendet. Dabei fällt auf, dass ab Johannes 6, 54 ein besonders derbes Wort verwendet wird, anstatt „essen“ ein Wort, das mit „kauen“ übersetzt werden kann. Jesus will damit wohl die Realität Seines Kreuzesleidens für die Schuld der Welt andeuten und die Notwendigkeit, es sich im Glauben persönlich anzueignen. Es ist hier nicht ausdrücklich vom Abendmahl die Rede, möglicherweise aber hat Jesus mit daran gedacht.

Johannes 6, 60-65: Viele Jünger Jesu empfanden Jesu Wort als unzumutbar hart, d. h. schwer anzuhören (Johannes 6, 60). Jesus fragt sie, ob sie an Seinen Worten Anstoß nehmen und was sie wohl erst noch sagen werden, wenn sie Seine Himmelfahrt erleben werden (Johannes 6, 61f). Er ermutigt Seine Jünger, Seine Worte doch anzunehmen. Denn sie sind Geist und Leben. D. h. wenn sie auch dem natürlichen Menschen, dem „Fleisch“, schwer verständlich erscheinen, so können doch allein sie das ewige Leben geben (Johannes 6, 63). Aber Jesus kannte von Anfang an die unter Seinen Jüngern, die nicht glaubten, und auch Seinen künftigen Verräter (Johannes 6, 64). Nochmals weist Er darauf hin, dass niemand im Glauben zu Ihm kommen könne, der Ihm nicht vom Vater gegeben sei (Johannes 6, 65).

Johannes 6, 66-71: Der geistliche Aufbruch in Galiläa endet damit, dass viele bisherige Jünger sich von Jesus endgültig abwenden (Johannes 6, 66). Jesus stellt es Seinen zwölf Jüngern frei, ob sie Ihn auch verlassen wollen (Johannes 6, 67). Da bekennt Petrus im Namen der Zwölf, dass sie ja nirgends sonst Worte, die das ewige Leben schenken, zu hören bekommen, und dass sie Jesus als den Heiligen Gottes geglaubt und erkannt haben (Johannes 6, 68f). Petrus redet zwar im Namen der Zwölf, aber Jesus sagt deutlich, dass einer der zwölf von Ihm erwählten Jünger ein Widersacher sei. Damit meint er Judas, Seinen künftigen Verräter (Johannes 6, 70f).