Gib dich zufrieden und sei stille

 

  1. Gib dich zufrieden und sei stille in dem Gotte deines Lebens! In ihm ruht aller Freuden Fülle, ohn ihn mühst du dich vergebens. Er ist dein Quell und deine Sonne, scheint täglich hell zu deiner Wonne. Gib dich zufrieden!

 

  1. Er ist voll Lichtes, Trosts und Gnaden, ungefärbten, treuen Herzens; wo er steht, tut dir keinen Schaden / auch die Pein des größten Schmerzens. Kreuz, Angst und Not kann er bald wenden, ja auch den Tod hat er in Händen. Gib dich zufrieden!

 

  1. Wie dir's und ändern oft ergehe, ist ihm wahrlich nicht verborgen; er sieht und kennet aus der Höhe / der betrübten Herzen Sorgen. Er zählt den Lauf der heißen Tränen und fasst zu Hauf all unser Sehnen. Gib dich zufrieden!

 

  1. Wenn gar kein Einziger mehr auf Erden, dessen Treue du darfst trauen, alsdann will er dein Treuster werden / und zu deinem Besten schauen. Er weiß dein Leid und heimlich Grämen, auch weiß er Zeit, dir's abzunehmen. Gib dich zufrieden!

 

  1. Er hört die Seufzer deiner Seelen / und des Herzens stilles Klagen, und was du keinem darfst erzählen, magst du Gott gar kühnlich sagen. Er ist nicht fern, steht in der Mitten, hört bald und gern der Armen Bitten. Gib dich zufrieden!

 

  1. Lass dich dein Elend nicht bezwingen, halt an Gott, so wirst du siegen; ob alle Fluten einhergingen, dennoch musst du oben liegen. Denn wenn du wirst zu hoch beschweret, hat Gott, dein Fürst, dich schon erhöret. Gib dich zufrieden!

 

  1. Was sorgst du für dein armes Leben, wie du's halten wollst und nähren? Der dir das Leben hat gegeben, wird auch Unterhalt bescheren. Er hat ein Hand, voll aller Gaben, da See und Land sich muss dran laben. Gib dich zufrieden!

 

  1. Der allen Vöglein in den Wäldern / ihr bescheidnes Körnlein weiset, der Schaf und Rinder in den Feldern / alle Tage tränkt und speiset, der wird viel mehr dich Einzigen füllen / und dein Begehr und Notdurft stillen. Gib dich zufrieden!

 

  1. Sprich nicht: >Ich sehe keine Mittel, wo ich such, ist nichts zum Besten.< Denn das ist Gottes Ehrentitel: helfen, wenn die Not am größten. Wenn ich und du ihn nicht mehr spüren, tritt er herzu, uns wohl zu führen. Gib dich zufrieden!

 

  1. Bleibt gleich die Hilf in etwas lange, wird sie dennoch endlich kommen; macht dir das Harren angst und bange, glaube mir: es ist dein Frommen. Was langsam schleicht, fasst man gewisser, und was verzeucht (was sich hinzieht), ist desto süßer. Gib dich zufrieden!

 

  1. Nimm nicht zu Herzen, was die Rotten / deiner Feinde von dir dichten; lass sie nur immer weidlich spotten, Gott wird's hören und recht richten. Ist Gott dein Freund und deiner Sachen, was kann dein Feind, der Mensch, groß machen? Gib dich zufrieden!

 

  1. Hat jeder selbst doch wohl das Seine, wenn er's sehen könnt und wollte. Wo ist ein Glück so klar und reine, dem nicht etwas fehlen sollte? Wo ist ein Haus, das könnte sagen: >Ich weiß durchaus von keinen Plagen<? Gib dich zufrieden!

 

  1. Es kann und mag nicht anders werden: alle Menschen müssen leiden; was webt und lebet auf der Erden, kann das Unglück nicht vermeiden. Des Kreuzes Stab schlägt unsre Lenden / bis in das Grab; da wird sich's enden. Gib dich zufrieden!

 

  1. Es ist ein Ruhetag vorhanden, da uns unser Gott wird lösen; er wird uns reißen aus den Banden / dieses Leibs und allem Bösen. Es wird einmal der Tod herspringen / und aus der Qual uns sämtlich bringen. Gib dich zufrieden!

 

  1. Er wird uns bringen zu den Scharen / der Erwählten und Getreuen, die hier mit Frieden abgefahren, sich auch nun im Frieden freuen, da sie den Grund, der nicht kann brechen, den ewigen Mund selbst hören sprechen: >Gib dich zufrieden!<

 

Paul Gerhardt 1607-1676


Kurzbiographie:

 

Paulus Gerhardt

Einer der bedeutendsten Liederdichter der deutschen evangelischen Christenheit

* 12. März 1607 Gräfenhainichen bei Wittenberg (»Hänichen«)

† 27. Mai 1676

(Beerdigung 07.06.1676) Lübben a.d. Hauptspree (südlich von Berlin)

 

0 bis 10 Jahre alt:

Zeitliches Umfeld:

-          Spener, 1636-1705

-          Religionskrieg, Gegenreformation 1618-1648

-          Gustav Adolf von Schweden † 1632, ab da wilde Soldatenüberfälle

(Der Schwed* ist kommen, hat alles mitgnommen, hat Fenster zerschlagen, hat's Blei davontragen, hat Kugeln draus gossen und d'Bauern verschossen)!

Gefürchtet war der Schwedentrunk (Zwang zum Jauchetrinken)

-          Streit: Calvinisten-Lutheraner, statt sich zu vertragen.

-          Türken (Islam) vor Wien (1683)

-          - Friedrich Wilhelm, Großer Kurfürst in Berlin 1640-1688

-          Cromwell, Ludwig XIV., Kepler, Rubens...

 

Landschaftliches Umfeld:

Gräfenhainichen, ehemals kursächsisches Städtchen, »Hänichen« genannt, Lage zwischen Wittenberg und Halle, wehrhafte Mauern, trutzige Türme, über niederen Dächern ragte der Kirchturm der Marienkirche. Ackerbaustädtchen mit Brauereien. Etwa 1000 Bürger.

Innerhalb der Mauern: Stallungen, Scheunen, Störche, Schwalben, Glucke mit Kücken, Pferde, Kühe und allerlei Haustiere, väterliche Gastwirtschaft. Abgucken beim Vater, wie man Bier braut, Mithilfe in der Landwirtschaft mit Knechten und Mägden, abgucken bei der Mutter, wie man Brot bäckt.

Außerhalb: großflächiges Ackerland (Weizenernte/ Garbenbinden), Weiden, Gärten, Obstwiesen, Hopfengärten, (Ernteerfahrung), Wälder (Rehe, Hirsche), Dübener Heide (Hirten und Schafe).

 

Vorfahren:

Großvater: väterlicherseits Gastwirt und Bauer, mütterlicherseits Superintendent, dies sogar schon der Urgroßvater.

 

Vater: Landwirt und Bürgermeister. Mutter stammte aus Eilenburg, südlich von »Hänichen«

 

Trauung: 12.05.1605 in Eilenburg

 

Geburtstag: 12.03.1607 (Martii, als 2. Sohn) Von der Kindheit wissen wir nichts Auffallendes. So viel ist gesichert: Fromme kirchlich-traditionelle Erziehung im strengen Luthertum.

 

Großvater Caspar Starck in Eilenburg wurde im Streit zwischen der einheimischen lutherischen Konfession der Wittenberger Nachbarn und der angeblich vom Ausland angehauchten fortschrittlichen Reformierten als Superintendent entlassen.

So erfuhr Paul in der Kindheit den Streit schon sehr frühe, weshalb wir verstehen, dass Paul Gerhardt gerade in dieser Auseinandersetzung später so hart war.

 

11 Jahre alt:

Beginn des 30-jährigen Krieges (bis 1648)

 

12 Jahre alt:

Tod des Vaters »im besten Mannesalter«.

 

14 Jahre alt:

Tod der Mutter.

»Mutterseelenallein« mit noch drei Geschwistern: Agnes 3, Anna 9, Paul 14, Christian 15 Jahre alt.

Aufteilung der Restfamilie unter Verwandten, damit Auflösung der Familie.

 

15 bis 20 Jahre alt:

Besuch der Fürstenschule in Grimma, südöstlich von Leipzig.

Besuch vom 04.04.1622—15.12.1627, also fast sechs Jahre lang bis zum Alter von 20 Jahren. Schule war betont lutherisch, ehem. Augustinerkloster.

Der Gründer, Herzog Moritz von Sachsen, hatte folgendes Ziel:

»...dass die Jugend zu Gottes Ehren und im Gehorsam erzogen, in den Sprachen und Künsten und vornehmlich in der Heiligen Schrift gelehrt und unterwiesen werde, auf dass es mit der Zeit an Dienern der Kirche und anderen gelehrten Leuten in unseren Landen keinen Mangel gebe...

 

Großes Vorrecht, in diese Schule zu kommen, da Aufnahmezahl begrenzt! (Insgesamt 96 Schüler). Von Gräfenhainichen durfte zum Beispiel pro Jahr nur ein Schüler dahin.

Mönchartiges strenges Leben: Schlafen in Zellen unter ständiger Aufsicht, unter viel Gebet und Gesang und Gottesdienst bei schmaler Kost (Suppe), Verrichtung teils schwerer Arbeiten, einfachste Kleidung (Kutte) usw., aber gründliche Ausbildung in Theologie (Bibelkunde), Philosophie und Sprachen (Lateinisch/Griechisch).

 

Nur Begabteste und härteste Dulder hielten aus. Sein Bruder riss zum Beispiel aus und fühlte sich auf dem heimatlichen Hofe wohler. Sicher sehnte sich auch Paul oft nach Hause zu den Menschen, Tieren, Wald, Wiesen und Felder...

 

Mittleres Zeugnis:

»Er ist von nicht geringer Begabung, beweist Fleiß und Gehorsam.

Sein Stil kann zum größten Teil erträglich genannt werden.

(Und die Dichtkunst?) Er versteht, erträglich Verslein zu schreiben

 

In der Schule erlebte er mit 19 Jahren die Pest. Sie war der gefürchtetste Feind.

Mit 20 Jahren besteht er im Dezember 1627 das Examen, mit Berechtigung eines Universitätsstudiums. Am 15.12.1627 verlässt er die Schule zu Grimma. Das erworbene Grundwissen und die Härte waren von großer tragender Bedeutung im späteren Leben.

 

21 bis 36 Jahre alt:

»Akademischer Bürger« in der Lutherstadt Wittenberg.

Theologiestudium auf der meistbesuchtesten Hochschule Deutschlands.

Wie lange er studierte, ist nicht bekannt. Zum Gelderwerb gab er in der Stadt Hausunterricht (Informator genannt).

Durch den langen Aufenthalt in Wittenberg (15 Jahre) wuchs er mit vielen Studenten zusammen. Durch den langen Verbleib genoss er mitten im Kriegsgeschehen eine relativ friedliche Zeit: Wittenberg wurde nicht zerstört!

(Seine Noterfahrungen stammen aus den Nachkriegsfolgen.)

 

Stationen in Wittenberg:

Durchzug des Schwedenheeres durch die Schlossstraße, gesäumt von Studenten und Einwohnern. König Gustav Adolf ritt gepanzert auf einem weißen Pferd. Paul Gerhardt bejubelt ihn wie die anderen als den Retter der evangelischen Sache. Vier Tage dauert dieses Schauspiel, vom 31.08.-03.09.1631.

 

Mitte November wieder der Durchzug des Schwedenheeres, diesmal den toten König über sein weißes Pferd gelegt. Trauerspalier, Betroffenheit. Der 38jährige Gustav Adolf war - obwohl siegreich - bei Lützen am 16.11.1632 gefallen, was auch Paul Gerhardt betroffen machte.

 

Aus der Ferne erfuhr er (30 Jahre alt), dass die wildernden Schweden seinen Heimatort und den heißgeliebten elterlichen Hof (einziges Vermögen!) total zerstört hatten. Menschenvernichtung 66 Prozent.

 

An den Folgen stirbt sein Bruder Christian mit 31 Jahren. Tiefe Trauer!

Bei der Beerdigung seines Bruders und dem Anblick der zerstörten Heimat dürfte dieser Vers entstanden sein:

 

»Ihr vormals schönen Felder,

mit frischer Saat bestreut,

jetzt aber lauter Wälder

und dürre wüste Heid,

ihr Gräber voller Leichen

und blutgem Heldenschweiß

der Helden, derengleichen

auf Erden man nicht weiß

 

36 bis 45 Jahre alt:

Paul Gerhardt zum ersten Mal für acht Jahre in Berlin!

 

Zwei Begegnungen waren in der Berliner Zeit entscheidend:

1. Das Kennenlernen der Familie Berthold, Kammergerichtsadvokat. Damit Heimat und Geborgenheit. Viele entscheidende Bekanntschaften, mit deren Hilfe es sich weiterkommen ließ. So zum Beispiel mit dem Propst der Nikolaikirche, mit Pfarrern und Rektoren...

Die Bekanntschaft mit den beiden Töchtern des Hauses Andreas Berthold war wohl die Entscheidendste: Sabine (im Alter seine Haushälterin und Pflegmutter seines Sohnes)

Anna-Maria (später seine Ehefrau).

 

Im 03.09.1643 wird er zur Hochzeit der Sabine mit dem 1. Pfarrer von St. Marien Berlin eingeladen. Paul Gerhardt überbringt herzliche Feststrophen, 18 an der Zahl! Einer davon:

 

»Wie Gott will, brennen auf der Erd die ehelichen Flammen;

wie eins dem ändern wird beschert, so kommen sie zusammen.

Im Himmel wird der Plan gemacht, auf Erden wird das Werk vollbracht,

das gibt ein schönes Leben

 

25 Jahre später wird diese Braut nach dem Tode ihres Mannes zu Paul Gerhardt nach Lübben ziehen und stirbt dort auch 1674, also zwei Jahre vor Paul Gerhardt.

 

Aber auf dem Hochzeitsfest im Jahre 1643 ist noch eine ledige Tochter, die Anna-Maria, 20 Jahre alt. Er, zwar 16 Jahre älter, hegt eine Zuneigung zu ihr, die sie erwidert. Sie können aber erst 12 Jahre später heiraten.

Im Hause Berthold verweilt Paul Gerhardt acht Jahre: von 1642/43-1651 als Informator.

 

 

2. Eine weitere Begegnung von Bedeutung: mit Johann Crüger, dem wohl bedeutendsten Melodienschöpfer nach Luther!
Dieser schuf ca. 120 Melodien, 20 allein sind im Evangelischen Kirchengesangbuch. Crüger war neun Jahre älter als Paul Gerhardt, studierte ebenfalls Theologie.
An  der  Berliner  Kirche  St.   Nikolai  war er von 1622-1662, also 40 Jahre lang Organist und Kantor. Die Freundschaft der beiden war von Bedeutung für das Bekanntwerden der Paul-Gerhardt-Lieder.
Crüger gilt als der Entdecker Paul Gerhardts. Crüger gab den Texten von Paul Gerhardt Flügel und die Texte von Paul Gerhardt beflügelten wiederum den Musikus Crüger.
Über Crüger:
»Seine Melodien kommen aus einer Seele,
die ein Ohr hat für ewige Harmonien.«
Für Crüger gilt: »Die Gesetze der Musik sind Ordnungen der Schöpfung - zur Ehre Gottes (Crüger holte später Paul Gerhardt auf die Kanzel nach Berlin.) Crüger war Paul Gerhardt auch ein leuchtendes Vorbild darin, wie man mit Leid umgeht, da er durch schwere Führungen gehen musste: Kriegserlebnisse, Hunger, Seuchenerfahrung, Brand- und Überfälle, alle Kinder verloren, Ehefrau verloren, Neider, weil Domkapellmeister usw...

Ähnliche Erfahrungen, wenn auch nicht so stark, musste Paul Gerhardt später ebenso durchleben. So waren beide Joch- und Leidensgenossen, in Freud und Leid Brüder, woher sich der Wert der Lieder erklären lässt. Ihre innige Freundschaft hielt bis zum Tode.

 

45-49 Jahre alt:

Mittenwalde liegt ca. 20 km von Berlin. Zwanzig Jahre musste er auf eine Anstellung warten. Nun wurde er nicht nur zum Pfarrer, sondern gleich zum Probst berufen.

Nebst der Hauptleitung für die St. Moritz-Kirche wurde er damit auch zum Kirchenspielinspektor für die Nachbarpfarreien.

Der 44jährige traf in Mittenwalde armselige Verhältnisse an. »Keine fette Pfründe.« Seit 1627 haben ununterbrochen fremde Kriegsvölker gehaust: »Der Krieg muss den Krieg ernähren Größte Plünderungen durch die Schweden.

 

Sein Vorgänger Probst Gallus wurde von ihnen am Altar mit der Pistole erschossen.

 

Im Dezember 1651, beim Antritt seines Amtes, gab es immer noch Brandschatzungen und viel Not.

 

Der Wiederaufbau erforderte seine ganze Kraft.

 

Wie nötig sollte er jetzt seine Anna-Maria da haben! wann endlich konnten sie heiraten?

 

Aber darauf mussten beide noch einige Jahre warten. Anna-Maria musste ihre leidende Mutter pflegen und das zerstörte Pfarrhaus benötigte drei Jahre zur Instandsetzung.

 

Aber am 11. Februar 1655 ist es so weit: Hochzeit!

 

Anna-Maria ist inzwischen 32 Jahre alt geworden, Paul Gerhardt 47 Jahre alt.

Zwölf Jahre waren also seit ihrem Ja-Wort in Berlin vergangen.

 

Die Probstin erfuhr bald, wie arm sie waren. Die tägliche Sorge ums Essen drückte. Als an einem Tag kein Ausweg mehr zu erkennen war, sagte sie zum Probst:

»Gib mir einen Kreuzer, dass ich das Allernötigste kaufen kann

Paul Gerhardt: »Ich will dir eine Speise besorgen, die nicht vergeht — habe keinen Kreuzer Nach zwei bis drei Stunden Einschließen liest er ihr das Lied vor:

 

»Befiehl du deine Wege

und was dein Herze kränkt

der allertreusten Pflege,

des, der den Himmel lenkt,

der Wolken, Luft und Winden

gibt Wege, Lauf und Bahn,

der wird auch Wege finden,

da dein Fuß gehen kann.

Dem Herren musst du trauen...«

 

49 Jahre alt:

Erstmals Vater. Freudiges Ereignis: Geburt von Maria Elisabeth * 19.05.1656
† 14.1.1657 am gleichen Geburtstag der Mutter (19.05.1623)

Schmerz: Töchterlein stirbt, vermutlich an einer Erkältung im kalten Winter.

Text: 1. Mose 47, 8:»... wenig und böse ist die Zeit...«

Die Mutter, 33 Jahre alt, ist ab da lebenslang kränklich.

Paul Gerhardt: (Leichencarmen)

»Ach, es ist bittres Leiden

und ein rechter Myrrhentrank,

sich von seinen Kindern scheiden

 durch den schweren Todesgang.

Hier geschieht ein Herzensbrechen,

das kein Mund recht kann aussprechen

 

In den 13 Jahren Ehezeit hatten Paul Gerhardt und seine Frau insgesamt fünf Kinder, von denen vier zu Lebzeiten der Eltern verstarben.

Zum Familienleid gesellten sich immer wieder die Raubüberfälle der wildernden Kriegshorden. Das Pfarrhaus war besonders heimgesucht. Paul Gerhardt leistete mit Gottes Kraft den Leidenden und Sterbenden Trost durch Rat und Tat. Er setzt sich aber auch dafür ein, dass die alkoholisierte und verwilderte Jugend langsam an Zucht und Ordnung und vor allem an Arbeit wieder gewöhnt wird.

 

Er erkannte: Müßiggang ist aller Laster Anfang. Mit Katechismus und Bibel legte er den Grund zu einer Gottes-Ehrfurcht.

 

Durch so viel Leid und Not geschüttelt, wurde er fähig, tiefgründig Leid-, Kreuzes-, Trost-, aber auch Loblieder zu schreiben.

 

Für ihn gilt in besonderem Maße, weil feinnervige Dichternatur:

Wo kämen Davids Psalmen her, wenn er nicht auch versuchet war?

 

50 Jahre alt:

Berichten folgend wurde Paul Gerhardt, als er die Stufen des Altars hinaufstieg, von dem leidenden Christusantlitz mit der Dornenkrone auf dem Haupte zutiefst erfasst.

 

Daraufhin schrieb er das wohl mit bekannteste Lied seines Lebens:

»O Haupt voll Blut und Wunden«. Darin bringt er beide Seiten zum Schwingen: »Er erniedrigte sich selbst bis zum Tode am Kreuz« und Gott hat ihn erhöht und hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist
Fernab der Mystik war ihm die Anbetung die Hauptsache.

 

Abschied aus Mittenwalde im Juni 1657.

Der Propsttitel brachte Not der Neider und keine Einnahmen, dafür viel Arbeit mit sich. Er war nicht nur Vorsteher der Gemeinde gewesen, sondern hatte hier noch Inspektorenaufgaben in mindestens sechs Nebengemeinden zu erfüllen.

In diese Notzeit aber fällt auch ein besonderer Liedschöpfungsreigen: u.a.:

- Ich steh an deiner Krippe hier;

- Nun lasst uns gehn und treten; Befiehl du deine Wege;

- Schwing dich auf zu deinem Gott, du betrübte Seele;

- Ich singe dir mit Herz und Mund; Sollt' ich meinem

- Gott nicht singen? O Haupt voll Blut und Wunden…

(1652 erschienen im Crügerschen Gesangbuch von 498 Liedern nun bereits 63 allein von Paul Gerhardt.)

 

In Mittenwalde hatte er die tiefsten Noterfahrungen, die dann aber auch zu seinen Glaubenserfahrungen werden konnten.

 

Nach fünf harten Jahren in den besten Jahren seines Lebens lockt ihn sein Freund Crüger auf die Kanzel der Nicolai-Kirche in Berlin, damit sie in dieser Kirche und darüber hinaus zusammenwirken konnten. Viel Zeit hatte der fast 60jährige Crüger nicht mehr, daher die Dringlichkeit.

 

50-62 Jahre alt:

1657—1669 = 12 Jahre in Berlin

 

Nun zum zweiten Male in Berlin:

vor sechs Jahren als Hauslehrer bei Bertholds, nun als Pfarrer in der Hauptkirche.

 

Vorab: Wie es zum Wechsel nach Berlin offiziell kam:

Mai 1657

Berliner Rat ersucht Paul Gerhardt einstimmig (!), an die Nikolaikirche als Pfarrer zu kommen.

 

Juni 1657:

Paul Gerhardt nimmt an:»...nach fleißiger Anrufung des Namens Gottes und nach reiflicher Erwägung...« (also kein Weglaufen in Mittenwalde)

 

Juli 1657:

Paul Gerhardt, 50jährig, tritt sein Amt an der Hauptkirche in Berlin an: 22.07.1657

1. Amtshandlung, fast täglich einen Gottesdienst.

 

Fünf friedliche Jahre:

Sorgenfreies Einkommen. Keine Raubüberfälle mehr. Im Gegensatz zur Provinz hier Frieden und Ordnung. Familienzuwachs wird erwartet. Anerkennung des neuen Pfarrers von allen Seiten. Enge Freundschaft mit Johann Crüger, der 40 Jahre Kantor hier ist.

 

Mit ihm zusammen weitere Schaffung wertvollster Lieder und wesentliche Beiträge zum Kirchengesang.

 

Nun sind fünf friedliche Jahre in Berlin vergangen. Dann brechen dunkle Zeiten an.

 

55 Jahre alt:

1. Sein bester Freund Crüger, 64jährig, stirbt 1662. Tiefer Schmerz.
Es ist Gottes Führung, dass der neue Kantor, Joh. Georg Ebeling, obwohl 30 Jahre jünger als Paul Gerhardt, ebenfalls ein enger Freund wurde. Mit ihm konnte nun die Arbeit an den Liedern fortgesetzt werden, zum Beispiel »Die güldne Sonne« und viele andere. Ebeling sagte über Gerhardt: »In seinen Liedern steckt oft mehr Saft und Kraft in einer Zeile als bei ändern in ganzen Strophen
Damit war auch eine Freude in allem Leide.

 

56 Jahre alt:

2. Schmerzlicher Verlust: zwei Kinder sterben nacheinander. Mitten im Leid Geburt seines Sohnes Paul Friedrich 1663. Allerdings wird seine Frau zunehmend kränklicher und schwächer.

 

3. Streitigkeiten mit dem Kurfürsten, der Reformierter ist und den Lutheranern Beschränkungen auferlegt. So zum Beispiel ordnete er an, dass keiner der Untertanen künftig in Wittenberg studieren dürfe. Paul Gerhardt widersetzte sich den Anordnungen gegen die Lutherischen, wird abgesetzt, durch Eingabe der Stände wieder eingesetzt. Den allseits berühmten und geachteten Paul Gerhardt konnte der Kurfürst trotz landesherrlicher Macht nicht so leicht entlassen. (Nebenbei: Das Lieblingslied des Kurfürsten war: Befiehl du deine Wege...).

Zum besseren Verständnis für Paul Gerhardts Unnachgiebigkeit:

Pröbste von Berlin und Cölln i.d. Bibliothek St. Nikolai — entgegen der Herzoglichen Anordnung verpflichteten ihn auf die Luth. Bekenntnisschrift... AB... Katechismen Luthers... Konkordienformel, Schmalkaldischen Artikel... »Ich werde — so Gott Gnade gibt, in diesem Bekenntnis bis an mein Lebensende beständig verharren. Das bekenne und verspreche ich

 

59 Jahre alt:

Am 06.02.1666 beschließt ein Ausschuss dann endgültig die Entlassung, bot aber namens seiner Durchlaucht zur Versöhnung eine zweijährige Rentenzahlung in

voller Höhe an.

Am 04.02.1668 aber endgültige  Entlassung,  damit brotlos.

»Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich...«

 

61 Jahre alt:

4. Tiefschlag:
Einen Monat danach, am 05.03.1668 stirbt seine Frau Anna-Maria, 45jährig, an Brustkrebs und Lungenschwindsucht.
Seit dem Tod ihres letzten Kindes im Jahre 1667 setzte der Bluthusten immer stärker ein, bis sie nun daran starb.
Am Totenbett steht der 61 Jahre alte Witwer mit seinem noch einzigen fünfjährigen Sohn, arbeitslos. Ein Einblick in die Sterbekammer gibt Aufschluss über ihren geistlichen Reifestand:

 

Todesszene

Anna-Maria war nicht gefasst auf das Ende, aber vorbereitet.

»Ich habe es nicht gewusst, dass der Tod mir so nahe ist«, sagte sie zu ihrer sie pflegenden Schwester Sabine, die nebenbei später im Hause des 61jährigen Paul Gerhardt und des Buben (5 Jahre) blieb. Ihr Lieblingslied aus den Sterbeliedern ihres Mannes begleitete auch sie in der Sterbestunde:

 

»Wenn ich einmal soll scheiden,

so scheide nicht von mir;

wenn ich den Tod soll leiden,

so tritt du dann herfür;

wenn mir am allerbängsten

wird um das Herze sein,

so reiß mich aus den Ängsten

kraft deiner Angst und Pein.

Erscheine mir zum Schilde,

zum Trost in meinem Tod

und lass mich sehn dein Bilde

in deiner Kreuzesnot.

Da will ich nach dir blicken,

da will ich glaubensvoll

dich fest an mein Herze drücken.

Wer so stirbt, der stirbt wohl

 

Zu ihrem fünfjährigen Buben sagte sie, er solle dem Vater gehorsam sein.

Paul Friedrich weinte und bat sie, sie solle doch bei ihnen bleiben. Paul Gerhardt fragte sie, ob sie Angst hätte.

Sie: »Nein, aber Gott möge bald kommen und sie heimholen

Darauf - am frühen Nachmittag - wurde ihr dieser Wunsch erfüllt: 5. März 1668

 

Sie wurde in der Nikolai-Kirche bestattet. Paul Gerhardt durfte jedoch ihr Grab nicht besuchen. So hatte es der Kurfürst angeordnet. Dies - und dass sein Freund Ebeling Berlin verließ, bewogen ihn, von Berlin trotz vieler Freunde Abschied zu nehmen.

Die Spreestadt Lübben, südöstlich von Berlin, wird ihm empfohlen. Freunde vermittelten. Es schien zu klappen. Der Magistrat lässt ihn mit einem Fuhrwerk sogar extra abholen. Zwei Tage dauert die Fahrt. Seine Probepredigt über das Gleichnis von der königlichen Hochzeit schlägt ein. Einstimmig wird er gewählt.

Von dem Vorzug eines Dichters - kein Wort! So wenig bekannt - oder so rasch vergessen! Paul Gerhardt ist zum Wechseln bereit. Aber da stellen sich unerwartete Hindernisse ein:

Das Pfarrerhaus ist so verwahrlost, dass es nicht einmal ein Studierstüblein gibt. Niemand kann verstehen, wozu ein solches notwendig sei.

Bisher habe es auch gereicht. Er spiele den feinen Herrn aus Berlin...

Bierhändler befürchten, durch ihn Konkurrenz zu bekommen.

Paul Gerhardt antwortet, dass er nur für den Hausgebrauch Bier brauen werde.

Andere wollen wissen, dass der Pfarrer sie bei Pest und dergleichen verlassen werde. Paul Gerhardt verneint dies. Manche befürchten eine große Sippschaft, die er mitbringen werde.

Paul Gerhardt beteuert: Nur sechs Personen werden wir sein.

Und so geht es weiter, aber dann kommt der Tag des Umzuges doch!

 

62-70 Jahre alt:

Mai 1669 endgültiger Umzug nach Lübben. Hier verbringt er fast stille die letzten sieben Jahre seines Lebens im Sinne von Johannes 3, 30: „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“

 

06.06.1669: Einführung in sein Amt. Berichten zufolge ist er der erste der drei Stadtpfarrer: Archidiakonus. Man wird ihn als Senior auf- und angenommen haben.

Seine Schwägerin Sabine (wir erinnern uns an Berlin), zieht mit ihrem Kind zu ihm, um den Haushalt und die Pflege des Sohnes zu übernehmen, dazu wohnen noch zwei Dienstboten im Pfarrhaus. Das ist ihm eine große Hilfe.

 

64 Jahre alt:

Seine treue Stütze, Schwägerin Sabine, stirbt 1674.

Sechs Jahre lang sorgte sie für den Haushalt.

Tiefe Lücke! Zudem hat er jetzt für zwei Kinder zu sorgen. Paul Friedrich ist erst elf Jahre alt. Seine Schwester, die evtl. helfen hätte können, stirbt fünf Monate später ebenfalls.

Am 15.03.1676 setzt er für seinen inzwischen 13jährigen Sohn ein beachtenswertes Testament. Da kein Vermögen da ist, handelt es sich darin mehr um geistliche Inhalte und Lebensregeln, so z. B.:

- Bekenne dich zu Jesus.

- Werde ein Diener des Wortes Gottes.

Zeugnishaft, im Angesicht des nahenden Todes, schreibt Paul Gerhardt nieder: »Gott wolle mir, wenn mein Stündlein kommt, eine fröhliche Abfahrt verleihen. Der wolle mir geben, dass ich meinen lieben Herrn Jesum Christum, an welchen ich bisher geglaubt und ihn doch nie gesehen habe, von Angesicht zu Angesicht schauen werde -

Schon zehn Wochen später, am 27. Mai 1676, im 70. Lebensjahr stirbt er.

Am 07.06.1676 wird er in der Kirche in Lübben bestattet. Dort hängt ein Ölbildnis, fast lebensgroß, mit Blickrichtung auf das Kreuz.

 

Nachruf:

Paulus Gerhardtus, der Theologe (nichts vom Dichter!), in Satans Sieb gesichtet und bewährt, gestorben zu Lübben im Alter von 70 Jahren.

Sein 13jähriger Sohn, der bereits mit 17 Jahren in Wittenberg studierte, die Magisterwürde erreichte, mit

23 Jahren ein Mädchen aus Lübben heiratete, musste aus seiner Arbeitsstelle aus Riga vor den Russen fliehen und war als 42jähriger arbeits- und mittellos, mit 53 Jahren stirbt er bettelarm 1716 in Berlin ohne Kinder.

Dieser Sohn war am Sterbebett des Vaters 13 Jahre alt. Ihn soll Paul Gerhardt gebeten haben, beim Sterben folgende Strophe laut vorzulesen:

 

Kann uns doch kein Tod nicht töten,

sondern reißt unsern Geist

aus viel tausend Nöten,

schließt das Tor der bittern Leiden

und macht Bahn,

da man kann

gehn zu Himmelsfreuden.

 

 

 

Danke an Bibel-Memory (http://www.bibel-memory.de) für die freundliche Zuverfügungstellung dieser Kurzbiographie. Bibel-Memory ist ein überkonfessionelles Missionswerk, das Ihnen hilft, Bibelverse systematisch auswendig zu lernen. Des Weiteren gibt es Kurse zum Auswendiglernen von Liedern, darunter 2 Kurse mit Liedern von Paul Gerhardt: http://www.bibel-memory.de/klieder.htm