18. Juni 1987
31. Ludwig-Hofacker-Konferenz
Jesus weiß, was Hunger ist
Da liegt Jesus im
Wüstensand. Nach 40 Tagen ohne Nahrung kann er nicht mehr stehen. Er liegt da,
seine Kraft ist zu Ende. Er weiß also, was Hunger ist. Er kennt den bohrenden
Schmerz, der ihn an die Schwelle des Todes führt. Freundlich spricht zu ihm
eine Stimme, ruft sein Heiligstes in ihm auf: „Jetzt ist's genug. Du bist
Gottes Sohn. Du hast das Wort des Vaters, des Schöpfers. Nun darfst du und
kannst du sprechen, damit die Steine zu Brot werden. Der Vater will nicht, da
sein Sohn hier in der Wüste Hungers stirbt. Er hat doch auch Moses Volk in der
Wüste mit Manna vom Himmel gespeist – wie viel mehr Dich!“
Der Versucher spricht mit
der Stimme der Liebe, im warmen Ton des Wohlwollens. Immer tritt der Versucher
auf als der, der es gut mit uns meint, nur unser Bestes will.
Ist nicht die Lösung der
Brotfrage, der Magenfrage, die Abschaffung des Welthungers der springende
Punkt? Wäre die Abschaffung des Welthungers nicht die erste und dringlichste
Aufgabe des Erlösers? Da liegen Steine in der Wüste. Jesus hat die Macht, sie
in lauter Brotlaibe zu verwandeln. Welch eine Chance, sozialer Reformer,
Wohltäter der Menschheit zu werden. Und seine Antwort? „Es steht geschrieben!“
Es ist von tiefer Bedeutung, dass Jesus hier nicht versucht, mit eigenen Worten
zu erwidern. Er beruft sich in der Stunde der Schwachheit und der Versuchung
auf das geschriebene, geprägte Wort Gottes. „Der Mensch lebt nicht vom Brot
allein!“ Das sagt Jesus, der weiß, was Hunger ist. Das sagt Jesus, der Tausende
gesättigt hat, der im Vaterunser um das tägliche Brot bitten lehrt, der die
Entscheidung im jüngsten Gericht davon abhängig macht, ob wir Hungernde
gespeist und Dürstende getränkt haben. Ihm ist unser Vesper wichtig. Ihm sind
unsere Ernährungsprobleme nicht gleichgültig. Leere Mägen fechten ihn an. Jesus
will keine Hungerleider. Dem Hunger der Welt soll mit Brot für die Welt
begegnet werden. Selbstverständlich lebt der Mensch auch vom Brot, von der Luft
zum Atmen, vom Wasser, vom Dach über dem Kopf. Aber er lebt nicht vom Brot
allein. Das Menschsein geht im Biologischen und Ökonomischen nicht auf.
Es gibt Worte, die sind
wie Wechselgeld, abgezählt, korrekt, aber sie nähren nicht. Es gibt Worte, die
sind wie runde Kiesel, doch sie eignen sich nicht zum Bauen. Es gibt Worte, die
sind wie Seifenblasen. Sie schillern im Licht, dann zerplatzen sie. Solche
Worte meint Jesus nicht. Er meint Worte, die sind wie ein Stück Brot. Es sind
Worte, die aus Gottes Mund gehen, die dich unbedingt angehen und die in dein
Leben hineingehen. Worte, die Gott spricht sind Brot-Worte, sind nicht
Leseworte, sondern Lebensworte. Gott tut seinen Mund auf und spricht: „Du
sollst leben!“ Sein Wort ist das Wort des Lebens. Er tut seinen Mund auf und
spricht: „Ich liebe dich!“ Sein Wort ist ein Wort der Liebe. Er tut seinen Mund
auf und spricht: „Ich vergebe dir!“ Sein Wort ist ein Wort der Vergebung. Er
tut seinen Mund auf und spricht: „Ich schenke dir ewiges Leben!“ Sein Wort ist
ein Wort der Hoffung. Gottes Worte sind Brot. Brot des Lebens, Brot der Liebe,
Brot der Vergebung, Brot der Hoffnung. Wenn Gott schweigen würde, dann könnten
wir nicht leben, dann wäre das unser Tod. Wenn Menschen einander anschweigen
und einander nichts mehr zu sagen haben, dann ist schon dies ein Stück Hölle
auf Erden.
Aber erst das Schweigen
Gottes! Ohne Gottes Wort kein Leben! Wenn aber Gott zu mir spricht, dann kann
ich leben, wirklich leben, ja, ewig leben! und nicht nur existieren oder
vegetieren.
Gottes Wort ist das Wort
des Lebens, der Liebe, der Vergebung, der Hoffnung. Nun können wir auch sagen:
Dieses Wort ist ja Jesus Christus selber. Er ist doch das Wort Gottes in
Person. Und darum konnte er sagen: „Ich bin das Brot des Lebens!“ Jesus ist das
Wort aus Gottes Herz und Mund, hineingesprochen in unsere Zeit und Welt. Gottes
erstes und Gottes letztes Wort.
Brot will gegessen werden
Der Prophet Ezechiel musste
eine Buchrolle essen, und als er aß, wurde sie so süß in seinem Munde wie Honig
(Hesekiel 31, 3. 10). Jesaja bezeugt: „Dein Wort ward meine Speise, da ich's empfing!“
(Jesaja 15, 16). Von Maria heißt es: Sie bewegte alle diese Worte in ihrem
Herzen (Lukas 2, 19).
Ganz will Gottes Wort uns
zu Eigen werden und sein Werk in uns und durch uns ausrichten. Einmal haben die
Jünger Jesus zum Essen ermahnt: „Rabbi, iß!“ Er aber sprach zu ihnen! „Ich habe
eine Speise zu essen, von der ihr nicht wisst.“
Da sprachen die Jünger
untereinander: „Hat ihm jemand zu essen gebracht?“ Jesus spricht zu ihnen: „Meine
Speise ist die, dass ich tue den Willen dessen, der mich gesandt hat, und
vollende sein Werk“ (Johannes 4, 31-34).
„Nie werde ich
Bereits begann ich zu
taumeln, aber ich wehrte mich heftig gegen ein Zu-Boden-Fallen.“ Dann begegnete
ihr Jesus mit den Nägelmalen und streckte ihr seine Hand entgegen, die sie
jedoch nicht ergreifen wollte, weil sie so viel Blut vergossen hatte. Sie sah
ihr Leben wie in einem Film vor ihren inneren Augen ablaufen, sah die Sünden,
die sie begangen hatte, und schämte sich. Tränen begannen zu fließen. Heute
weiß sie: Gott ist nicht tot. Er lebt. Er ist ein Gott der Aktion. Ein realer
Gott. Als Terroristin hatte sie eine Feuerwaffe in der Hand und vergoss viel Blut.
Jetzt, als Evangelistin, hat sie eine „Waffe“. Es ist eine Waffe des Lebens. Es
dringt durch, auch bei dem größten Sünder, und verändert ihn durch den Geist
Gottes.
Da steht der Sohn Gottes
in der Welt. Er sieht die heißen Augen, die das Leben suchen. Er sieht die
hungrigen Leiber, die hungrigen Seelen, die nach dem Leben schreien. Und dann
sagt er: „Ich bin das Brot, nach dem alle Sehnsucht steht. Ich bin das Brot des
Lebens.“
Wenn aber Brot ausgeteilt
wird, dann muss es gebrochen werden. Darum haben wir ihn nicht als Star des Lebens
sondern als das gebrochene Brot. Der Weg zum Leben geht über einen Sterbenden,
geht über einen Getöteten, einen Zerbrochenen. Im Gekreuzigten hat Gott sich
ausgeteilt.
Er zerbrach an uns, damit
wir an Gott nicht zerbrechen. Er starb unseren Tod, damit wir in Ewigkeit
leben.