Roger Liebi

Einführung in das Buch der Richter - Teil 1/2

Audioabschrift eines Vortrags vom 06.01.2007

 

 

Richter 1, 1-4: „Und es geschah nach dem Tode Josuas, da befragten die Kinder Israel den HERRN und sprachen: Wer von uns soll zuerst wider die Kanaaniter hinaufziehen, um wider sie zu streiten? Und der HERR sprach: Juda soll hinaufziehen; siehe, ich habe das Land in seine Hand gegeben. Und Juda sprach zu Simeon, seinem Bruder: Ziehe mit mir hinauf in mein Los, und laß uns wider die Kanaaniter streiten, so will auch ich mit dir in dein Los ziehen. Und Simeon zog mit ihm. Und Juda zog hinauf, und der HERR gab die Kanaaniter und die Perisiter in ihre Hand; und sie schlugen sie zu Besek, zehntausend Mann.“ Mal bis hierhin. Zunächst fragen wir uns: Wer hat das Buch der Richter geschrieben? Die Bibel ist ja eine Bibliothek von vielen Büchern und viele verschiedene Schreiber haben daran gearbeitet. Darum sagt uns ja zusammenfassend Hebräer 1, 1: „Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn.“ Also Gott hat durch viele Propheten auf vielerlei Weise und sehr oft zu den Vorvätern gesprochen. Nun, wer war das Sprachrohr für das Buch der Richter? In dem Buch selber finden wir keinen konkreten Hinweis, aber es ist so, dass die jüdische Überlieferung im babylonischen Talmud, Traktat Baba Bathra 14b, sagt, dass der Schreiber des Buches Richter der Prophet Samuel war. Natürlich ist es klar, dass das Buch der Richter, wie alle anderen Bücher auch, von anerkannten Propheten geschrieben sein mussten, um als Gottes Wort anerkannt zu sein. So war also Samuel, der gemäß 1. Samuel 10, 25 tatsächlich auch schreiben konnte, der Autor dieses Buches.

Es ist so, dass die Richtzeit von Samuel nach strikter biblischer Chronologie in die Jahre 1116-1096 vor Christus fällt. Der Schreiber des Buches der Richter blickt zurück, und zwar aus der Zeit des Königtums. Wir haben einen Refrain, in Richter 17, 6 lesen wir folgendes: „In jenen Tagen war kein König in Israel; ein jeder tat, was recht war in seinen Augen.“ Dieser Refrain wiederholt sich in 18, 1 und 19, 1 und 21, 25. Also der Schreiber blickt aus der Zeit des Königtums zurück auf die Richterzeit. Nun, das Königtum Sauls fällt nach biblischer Chronologie in die Jahre 1096-1056 vor Christus. Und Samuel war ja der Prophet, der König Saul eingesetzt hatte. Also er lebte tatsächlich in der Königszeit und konnte so eben rückblickend das Buch der Richter schreiben. Weiter ist klar, dass das Buch der Richter vor der Eroberung Jerusalems durch David, die ja in 2. Samuel 5, 6-7 beschrieben wird, abgefasst wurde. Und diese fällt ins Jahr 1049 vor Christus. Wir lesen nämlich in Richter 1, 21 folgendes: „Aber die Kinder Benjamin trieben die Jebusiter, die Bewohner von Jerusalem, nicht aus; und die Jebusiter haben bei den Kindern Benjamin in Jerusalem gewohnt bis auf diesen Tag.“ Also das macht deutlich, dass der Schreiber die Eroberung Jerusalems durch David noch nicht erlebt hatte. Das sind also Bestätigungen, die den Rahmen abstecken und das unterstreichen, was die jüdische Tradition zur Verfasserschaft dieses Buchers sagt. Von dem Buch der Richter, nebenbei gesagt, hat man in Qumran drei Manuskripte gefunden; ein Manuskript in Höhle 1 und zwei Manuskripte in Höhle 4.

Nun wollen wir uns fragen, so wie man das bei jedem Buch der Bibel tun sollte: Was ist die spezielle Botschaft dieses Buches? Was ist die Besonderheit? In Hebräer 1 haben wir gelesen, dass Gott auf vielerlei Weise gesprochen hat. Und so müssen wir ein Auge für die Vielfalt der Heiligen Schrift haben. Was ist die Besonderheit des Buches der Richter? Nun, die Botschaft kann man so zusammenfassen: Das Buch der Richter zeigt Gottes Zorn über die Sünde. So wie sich im Buch Josua Gottes Segen für Gehorsam auswirkte, so kam im Buch der Richter Gottes Fluch für Ungehorsam über das Volk Gottes. Das Buch der Richter ist gewissermaßen eine Illustration des Grundsatzes, den wir in 1. Petrus 4, 17 finden: „Denn die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange bei dem Hause Gottes; wenn aber zuerst bei uns, was wird das Ende derer sein, die dem Evangelium Gottes nicht gehorchen! Und wenn der Gerechte mit Not errettet wird, wo will der Gottlose und Sünder erscheinen? Daher sollen auch die, welche nach dem Willen Gottes leiden, einem treuen Schöpfer ihre Seelen befehlen im Gutestun.“ Also zuerst kommt das Gericht Gottes über das Haus Gottes. Das ist das verantwortliche Zeugnis hier auf Erden. Und erst danach kommt das Gericht über die Welt. Und hier wird nun gezeigt, wie Gott Israel als verantwortliches Zeugnis züchtigt und straft für seinen Ungehorsam. Also das Buch Josua zeigt Segen für Gehorsam und das Buch der Richter Fluch für Ungehorsam.

Aber das ist nicht die einzige Botschaft dieses Buches, das wir vor uns haben. Wir sehen zweitens auch Gottes strahlende Gnade und Vergebungsbereitschaft. Jedes Mal, wenn das Volk zu Gott schrie, wirkte Gott einen Neuanfang. Und da haben wir das Prinzip, den Grundsatz von 1. Johannes 1, 9 veranschaulicht: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.“ Das wird hier also deutlich gezeigt, jedes Mal, wenn wieder eine Umkehr kommt, dann erhält das Volk Gottes auch Gottes Vergebung. Aber eine dritte Botschaft ist die abwärtstreibende Spirale der Sünde. Mit jedem weiteren Abfall von Gott, und wie wir gleich sehen werden, finden wir im Buch der Richter sieben Abfälle, wird es ärger, als zuvor. In Richter 2, 18-19 wird dies sehr eindrücklich vorgestellt: „Und wenn der HERR ihnen Richter erweckte, so war Jehova mit dem Richter, und er rettete sie aus der Hand ihrer Feinde alle Tage des Richters; denn der HERR ließ sich's gereuen wegen ihrer Wehklage vor ihren Bedrückern und ihren Drängern. Und es geschah, wenn der Richter starb, so verderbten sie sich wiederum, mehr als ihre Väter, indem sie anderen Göttern nachgingen, um ihnen zu dienen und sich vor ihnen niederzuwerfen. Sie ließen nichts fallen von ihren Taten und von ihrem hartnäckigen Wandel.“ Also zuerst haben wir Gottes Gnade, sobald man zu ihm ruft, gibt er Gnade. Aber mit jedem Abfall haben wir eine Verderbnis, die weiter geht. Ich habe in meiner Bibel ganz speziell dieses Wort «mehr» unterstrichen. Denn das ist ein Schlüsselwort für das Richterbuch. Das werden wir sehen, dieses fortwährende weiter hinunter gehen.

Das ist natürlich eine Mahnung für den Missbrauch der Gnade. Jemand könnte sagen: O, im Buch der Richter haben wir die strahlende Gnade Gottes. Wir können einfach sündigen und dann wieder Buße tun und schon ist alles wieder gut. Aber das Buch der Richter zeigt: Nein! Denn Gott kann jemanden dann tiefer fallen lassen beim nächsten Mal und immer noch tiefer. Also das ist ein Zuchtmittel um uns zu zeigen, dass wir mit der Gnade nicht spielen dürfen. Und wir sehen in den Kapiteln 17 und 18, die im Buch der Richter einen speziellen Block bilden, dass ein Bruch mit Gott, Abfall von ihm, automatisch auch zu einem Bruch mit den Menschen führt. Dort geht es nämlich um Ehebruch in der allerübelsten Form. Es geht um Ehebruch, Massenvergewaltigung, Mord, Perversion, Bürgerkrieg und Menschenraub. Also der Bruch mit Gott führt automatisch zum Bruch mit den Menschen. Das ist eine sehr aktuelle Botschaft. Denn in unserer Kultur sehen wir genau das, wenn wir an die 60er Jahre denken, die Zeit des Protestes 1968, die Zeit der sexuellen Revolution, die Zeit, in der die Massen in Europa und Nordamerika einen bewussten Bruch mit allen biblischen Maßstäben vollzogen. Nun, dieser Bruch mit Gott führt zu einem Bruch mit den Menschen. All die Auswirkungen im sozialen Bereich haben wir heute und dürfen wir heute ausbaden.

Dann eine vierte Botschaft des Richterbuches ist die Ermahnung an die Erlösten. Das Buch der Richter ist eigentlich ein Aufruf zu völliger Hingabe an den Herrn ohne irgendwelche faule Kompromisse. Und dann sehen wir einige ganz leuchtende Beispiele von treuen Menschen, Richtern und Richterinnen, die uns zeigen, wie es als Einzelner auch in einer schwierigen Zeit möglich ist eine völlige, kompromisslose Hingabe an den Herrn zu verwirklichen. Nun, bevor wir in weitere Details des Buches gehen, wollen wir folgendes unter Punkt 3 uns vor Augen halten. Das Buch der Richter zeigt uns den Weg von Gilgal nach Bochim. Ich lese dazu zuerst aus Richter 2, Vers 1: „Und der Engel des HERRN – Der Engel des Herrn, hebr. malach adonaj, das ist der Gesandte des Herrn. Und an vielen Stellen wird deutlich, dass dies nicht irgendein Engel ist, sondern malach heißt einfach Gesandter und kann gebraucht werden für einen Menschen, für Engel, aber auch für den Sohn Gottes. Der malach adonaj ist Gott selbst, ist der Ewige selbst. So sieht man das in 1. Mose 16 und zwar ist es nicht der Vater und auch nicht der Heilige Geist, sondern es ist Gott, der Sohn, der in einer menschlichen Gestalt im Alten Testament erscheinen konnte. – kam von Gilgal herauf nach Bochim; und er sprach: Ich habe euch aus Ägypten heraufgeführt und euch in das Land gebracht, das ich euren Vätern zugeschworen habe; und ich sagte: Ich werde meinen Bund mit euch nicht brechen ewiglich; ihr aber, ihr sollt keinen Bund mit den Bewohnern dieses Landes machen, ihre Altäre sollt ihr niederreißen. Aber ihr habt meiner Stimme nicht gehorcht. Was habt ihr da getan! So habe ich auch gesagt: Ich werde sie nicht vor euch vertreiben; und sie werden zu euren Seiten sein, und ihre Götter werden euch zum Fallstrick werden. Und es geschah, als der Engel des HERRN diese Worte zu allen Kindern Israel redete, da erhob das Volk seine Stimme und weinte. Und sie gaben selbigem Orte den Namen Bochim (Weinende). Und sie opferten daselbst dem HERRN.“

Also, der Sohn Gottes, der Engel des HERRN, kommt von Gilgal her und geht nach Bochim. In Bochim weint das Volk über die Folgen ihres Ungehorsams, ihres Abfalls, das was so typisch ist für das Buch der Richter. Aber es muss uns auffallen, dass nicht gesagt wird, dass sie Buße darüber getan hätten. Sie weinen nur und bringen dann Schlachtopfer. Aber es gibt keine wieder herstellende Umkehr in Bochim. Nun, warum beschreibt der Prophet diesen Gang von Gilgal nach Bochim? Nun, wenn wir bedenken, was das Buch Josua uns mitteilt, dann wird uns klar, dass Gilgal der typische Ort für das Buch Josua ist. Nicht wahr, als die Israeliten nach dem Tod Moses durch den Jordan ins verheißene Land gegangen sind, war ihre erste Lagerung in Gilgal. Dort fand die Beschneidung all der Männer statt, die während der Wüstenwanderung nie beschnitten worden sind. Und so haben sie die Beschneidung, das Zeichen des Gerichtes Gottes über die menschliche Natur, vollzogen.

Nicht wahr, die Beschneidung besagt, dass der Mensch, der Mann, nur einen Sünder zeugen kann. Es gibt keine andere Möglichkeit. Die Sünde in uns wird seit dem Sündenfall, von Adam durch alle Generationen hindurch weiter vererbt, wie das Römer 5, 12 vorstellt. Der Mann kann nur einen Sünder zeugen, einen Menschen in seinem Bild. Die Beschneidung, in der Blut fließen muss, drückt aus, dass ich anerkenne, dass Gottes Gericht über meine sündige Natur kommen muss. Und so ist sie das Zeichen der Anerkennung von Gottes Gericht über die verdorbene menschliche Natur. Das wurde in Gilgal vollzogen. Und Gilgal bedeutet Abwälzung. Denn im Buch Josua wird erklärt, dass damals die Schande Ägyptens, weil eben Israel in Ägypten in Sünde und Götzendienst lebte, abgewälzt wurde. Und im Weiteren wird Gilgal der Ausgangspunkt, in Josua 5, für all die gewaltigen Siege des Herrn über die Feinde im Land. Immer wieder kehrt die Armee nach Gilgal zurück. Also Gilgal steht gewissermaßen für Sieg, nachdem man anerkannt hat, dass man ein Sünder ist und habe Gottes Gericht über die Sünde verdient. Und wer also so nur aus der Gnade vorangeht, der kann die Siege des Herrn erleben. Also so können wir sagen, das Buch Josua ist das Buch des Sieges und des Überwindens. Wir finden zwischendurch auch Niederlagen im Buch Josua, aber der Sieg und das Überwinden charakterisieren das Buch Josua. Der Ausgangspunkt ist Gilgal, der Ort der Beschneidung. Übrigens wird die Beschneidung in Kolosser 3, 9 mit dem Gericht Gottes über den Herrn Jesus in Verbindung gebracht und dann auch mit der Taufe, in der wir anerkennen, dass wir Gottes Gericht über unsere Natur verdient haben. Und darum wird der Täufling gewissermaßen im Wasser begraben, um dann wieder heraufzukommen und in einem neuen Leben mit Christus zu leben. Und so ist der Zusammenhang zwischen Beschneidung und Taufe und dem Erlösungswerk des Herrn Jesus.

Also, das Buch Josua ist das Buch des Sieges und der Ausgangspunkt ist Gilgal. Das Buch der Richter ist das Buch des Fallens und des Niedergangs, und der Ausgangspunkt ist Bochim, wo man einfach über die Folgen der Sünden weint, aber nicht über die Ursache, wo man nicht wirklich umkehrt und wieder hergestellt wird. Es ist der Ort des Weinens ohne Frucht der Buße. Und das ist typisch für das Buch der Richter. Es gibt Menschen, die in schwere Sünde fallen, also solche, die sich zum Herrn bekennen, und wenn sie dann dabei erwischt werden, weinen. Aber diese Tränen sind noch lange kein Beweis, dass hier echte Buße vorhanden ist, sondern es ist mehr ein Weinen darüber, dass nun alles ans Licht gekommen ist und dass Sündigen eben auch Folgen hat. Aber das ist keine Wiederherstellung. Das entspricht eben mehr diesen Tränen von Bochim.

Jetzt gehen wir viertens zur Struktur des Buches. Das Buch ist folgendermaßen aufgebaut. Wir haben zuerst eine Einleitung, die von Kapitel 1, 1 bis Kapitel 3, 4 geht. Dann folgt der Hauptteil, Kapitel 3, 5 bis zum Ende von Kapitel 16. Da finden wir die Geschichte von sieben Abfällen von Gott. Und danach haben wir einen Anhang, Kapitel 17 bis 21. Nun will ich zeigen, weshalb eben die ersten Kapitel nur eine Einleitung sind. Schauen wir mal, in Kapitel 1, 1 haben wir ja gelesen: Und es geschah nach dem Tod Josuas. Da finden wir also die Zeit direkt nach dem, was im Buch Josua beschrieben wird. Und wenn wir nun Kapitel 2, 6 lesen, sind wir ein bisschen überrascht: „Und Josua entließ das Volk, und die Kinder Israel gingen hin, ein jeder in sein Erbteil, um das Land in Besitz zu nehmen.“ Eigenartig, das Buch hat doch begonnen mit dem Tod von Josua. Und jetzt plötzlich lebt Josua wieder. Also da gibt es einen Einschnitt. Die Kapitel 1, 1 bis Kapitel 2, 5 beschreiben Ereignisse nach dem Tod von Josua. Und zwar, wie wir gleich sehen werden, wird uns hier in diesem Abschnitt gezeigt, wie aus einem Volk, das durch seinen Gehorsam Siege erlebt hat, mit der Zeit immer mehr ein Volk wurde, das Misserfolge wegen seines Ungehorsams erlebte. Und die Grundsätze für diesen Wechsel finden wir in diesem ersten Teil bis Kapitel 2, 5. Das ist gewissermaßen eine Einleitung, die uns zeigt, warum es politisch immer mehr abwärts ging mit Israel. Dann zeigen uns die Kapitel 2, 6 bis 3, 4 die Ursachen dafür, warum das Volk auf dem Gebiet des Glaubens auf Abwege gekommen ist.

Zuerst war einmal Josua da. Und dann wird in Kapitel 2, 7 gesagt: Und das Volk diente dem Herrn alle Tage Josuas. Und Vers 10 zeigt uns, dass die neue Generation nach Josua ein kritisches Moment darstellte: „Und auch das ganze selbige Geschlecht wurde zu seinen Vätern versammelt. Und ein anderes Geschlecht kam nach ihnen auf, das den HERRN nicht kannte und auch nicht das Werk, welches er für Israel getan hatte. Und die Kinder Israel taten, was böse war in den Augen des HERRN und dienten den Baalim. Und sie verließen den HERRN, den Gott ihrer Väter, der sie aus dem Lande Ägypten herausgeführt hatte; und sie gingen anderen Göttern nach, von den Göttern der Völker, die rings um sie her waren, und sie warfen sich vor ihnen nieder und reizten den HERRN. Und sie verließen den HERRN und dienten dem Baal und den Astaroth. Da entbrannte der Zorn des HERRN wider Israel, und er gab sie in die Hand von Plünderern, welche sie plünderten; und er verkaufte sie in die Hand ihrer Feinde ringsum; und sie vermochten nicht mehr vor ihren Feinden zu bestehen. Überall, wohin sie auszogen, war die Hand des HERRN wider sie zum Bösen, so wie der HERR geredet und wie der HERR ihnen geschworen hatte; und sie wurden sehr bedrängt. Und der HERR erweckte Richter; und sie retteten sie aus der Hand ihrer Plünderer. Aber auch ihren Richtern gehorchten sie nicht, denn sie hurten anderen Göttern nach und warfen sich vor ihnen nieder; sie wichen schnell ab von dem Wege, den ihre Väter gewandelt waren, indem sie den Geboten des HERRN gehorchten; sie taten nicht also. Und wenn der HERR ihnen Richter erweckte, so war der HERR mit dem Richter, und er rettete sie aus der Hand ihrer Feinde alle Tage des Richters; denn der HERR ließ sich's gereuen wegen ihrer Wehklage vor ihren Bedrückern und ihren Drängern. Und es geschah, wenn der Richter starb, so verderbten sie sich wiederum, mehr als ihre Väter, indem sie anderen Göttern nachgingen, um ihnen zu dienen und sich vor ihnen niederzuwerfen. Sie ließen nichts fallen von ihren Taten und von ihrem hartnäckigen Wandel.“

Sehen wir, hier wird nicht eine einzelne Geschichte erzählt, sondern hier wird einleitend erklärt, wie das in der Zeit der Richter allgemein und immer wieder abgelaufen ist. Der kritische Moment war eben die neue Generation, die das alles nicht selber miterlebt hatte, sondern nur vom Hörensagen kannte. Diese neue Generation hatte keine lebendige Beziehung zum Herrn. Und dann begannen sie eben, sich ihrem Umfeld und dem Götzendienst  zu öffnen. Und so kam eben Gottes Zucht über sie. Aber jedes Mal, wenn sie eben zum Herrn riefen, in der Not zu ihm schrien und umkehrten, dann gab Gott ihnen durch einen Richter Rettung. Aber das Problem war, sobald der Richter starb, fielen sie wieder neu ab. Das ist so quasi der Ablauf im Buch der Richter. Also das ist nur Einleitung. Da wird gezeigt, wie es dann eben im Hauptteil von statten geht.

Dann kommt der Hauptteil mit sieben Geschichten. Sieben Mal fällt Israel von Gott ab. Nun, wie komme ich auf diese Einteilung? Wir haben einen Refrain, der sich immer wiederholt und die Teile markiert. Kapitel 3, 7: „Und die Kinder Israel taten, was böse war in den Augen des HERRN und vergaßen des HERRN, ihres Gottes, und sie dienten den Baalim und den Ascheroth.“ Also dieser Ausdruck kommt hier zum ersten Mal vor: Die Kinder Israel taten, was böse war in den Augen des HERRN. Dann kamen sie unter Fremdherrschaft und als sie zum HERRN riefen, schickte Gott den ersten Richter, das war Othniel, und der befreite sie. Und so wurde es wieder gut bis Othniel starb. Und dann haben wir die zweite Geschichte in Vers 12: „Und die Kinder Israel taten wiederum, was böse war in den Augen des HERRN; und der HERR stärkte Eglon, den König von Moab, wider Israel, weil sie taten, was böse war in den Augen des HERRN.“ Da kommt der gleiche Ausdruck wieder und das markiert hier den zweiten Teil. Dann kommt dieser Refrain in Kapitel 4, 1 wieder vor: „Und die Kinder Israel taten wiederum, was böse war in den Augen des HERRN; und Ehud war gestorben.“ Da finden wir den dritten Abfall. Und wenn wir weiter lesen, finden wir dann in Kapitel 6 wieder den Refrain, in Vers 1: „Und die Kinder Israel taten, was böse war in den Augen des HERRN; und der HERR gab sie in die Hand Midians sieben Jahre.“ Da beginnt nun die vierte Geschichte. Und in Kapitel 8, 33 kommt der Refrain ein bisschen variiert vor: „Und es geschah, als Gideon tot war, da hurten die Kinder Israel wiederum den Baalim nach und machten sich den Baal-Berith zum Gott.“ Und da kommt, mit dem fünften Abfall, die fünfte Geschichte. Ich gehe weiter zu Kapitel 10, 6: „Und die Kinder Israel taten wiederum, was böse war in den Augen des HERRN, und sie dienten den Baalim und den Astaroth, und den Göttern Syriens und den Göttern Zidons und den Göttern Moabs und den Göttern der Kinder Ammon und den Göttern der Philister; und sie verließen den HERRN und dienten ihm nicht.“ Hier beginnt die sechste Geschichte unter Jephta. Und schließlich kommt in Kapitel 13, 1 die siebte Geschichte: „Und die Kinder Israel taten wiederum was böse war in den Augen des HERRN; und der HERR gab sie in die Hand der Philister vierzig Jahre.“ Das war der siebte Abfall, die Zeit von Simson. Die Simsongeschichte geht bis zum Ende von Kapitel 16.

Und alles, was wir dann ab Kapitel 17 finden, ist nicht die Fortsetzung, sondern ein Anhang. Und darum kann man das so eindeutig sagen. Ganz einfach, wenn man nämlich Kapitel 17 sorgfältig liest, stellt man fest, dass ja über Leute gesprochen wird, die kurz nach dem Tod von Mose und Josua gelebt haben. Also hier wird zeitlich wieder auf die Anfangszeit zurückgegriffen. Und zwar, weil hier in diesem Anhang ganz wichtige Grundsätze aufgezeigt werden sollen, warum es zu diesem ganzen Niedergang Israels gekommen ist. Dieser Anhang besteht ganz klar aus zwei Geschichten, und damit aus zwei Teilen. Jetzt werden wir gleich sehen, dass diese zwei Teile sich inhaltlich mit der Einleitung, die ja auch aus zwei Teilen besteht, spiegeln. Und zwar jetzt nur mal übersichtsmäßig. In der Einleitung haben wir in Kapitel 1, 1 bis 2, 5 den politischen Niedergang Israels. Hier geht es um Misserfolge in der Landnahme, um Unterlassung des Guten. Nun, das spiegelt sich mit der letzten Anhangsgeschichte. Denn im Anhang haben wir Kapitel 19, 1 bis zum Schluss den politischen Niedergang, es geht um Bürgerkrieg in Israel. Und in der Einleitung Teil B, Kapitel 2, 6-3, 4 haben wir den religiösen Niedergang, Götzendienst und Abfall, das Tun des Bösen. Und das spiegelt sich mit dem Anhang Kapitel 17, 1-18, 31. Da haben wir den religiösen Niedergang mit Götzendienst. Merken wir, das spiegelt sich so: Die Einleitung ist aufgeteilt in Teil A und Teil B und der Anhang ist B’ und A’. Man sagt dazu, das ist ein Chiasmus, weil das Chi im Griechischen ja so ein Kreuz ist. Also es spiegelt sich so überkreuz. Aber wir werden das dann noch im Detail sehen.

Nun haben wir dazwischen eben den großen Hauptteil, der aus sieben Geschichten besteht. Aber das Eindrückliche ist, dass diese sieben Geschichten so aufgebaut sind, dass sich alles spiegelt. Und zwar spiegelt sich die erste Geschichte mit der letzten Geschichte, die zweite mit der vorletzten und die dritte Geschichte mit der fünften Geschichte. Und dann bleibt noch eine Geschichte in der Mitte, und die ist zweigeteilt und spiegelt sich in sich selbst, also der erste Teil mit dem zweiten Teil. Nun, wenn wir uns überlegen, dass es sieben Geschichten gibt, und die mittlere so ganz zentral gestellt ist, dann entspricht das, so von der Struktur her, ganz dem siebenarmigen Leuchter. Der siebenarmige Leuchter, die Menorah in der Stiftshütte und später dann im Tempel, beschrieben in 2. Mose 25, besteht ja zunächst aus dem Mittelschaft und da heraus kommen immer zwei Arme. Und so entspricht also der Hauptleuchter in der Mitte der Geschichte im Zentrum, das ist die Geschichte von Gideon. Und die übrigen Geschichten entsprechen eben diesen drei mal zwei Leuchtern, die da heraus kommen. Ja, Israel hat ja den Auftrag gehabt, ein Zeugnis, ein Licht zu sein für den Herrn. Aber hier im Buch der Richter wird gezeigt, wie dieses Licht mehr und mehr durch Sünde verschwand.

Und dann ist es eben so, dass diese Spiegelung folgendermaßen zu sehen ist. Die erste Geschichte zeigt uns die Richterzeit von Othniel, die sehr ermutigend war. Und die letzte Geschichte ist die von Simson und die ist ganz negativ. Warum? In der Zeit von Othniel war das Hauptproblem des Volkes Versagen auf dem Gebiet der Liebe und Ehe. Sie nahmen sich Frauen von den götzendienerischen Völkern rings herum. Sie vermischten sich mit den Götzendienern. Man kann sagen, hier wurden Ehen mit Ungläubigen eingegangen und ich werde nach der Pause zeigen, dass Othniels Eheschließung wirklich ein strahlendes Beispiel, wie man seine Ehefrau finden soll. Also so ist Othniel gewissermaßen der Richter, der ein leuchtendes Beispiel auf dem Gebiet der Liebe und Ehe ist. Gott hat ihn ausgewählt, um einem Volk, das gerade auf diesem Gebiet versagt hat, zu helfen. Und dann? Was ist mit der letzten Geschichte, mit Simson? Ein Richter, der selber die allergrößten Probleme hat auf dem Gebiet von Liebe und Ehe und Sexualität. Ein Richter, der selber in die Tiefe der Sünde fällt, in das, was eigentlich in der ersten Geschichte das Problem des Volkes war. Dort fällt der Richter selbst hinein. Merken wir, wie das da deutlich nach unten geht? Und so sehen wir hier in diesem Grundsatz aus Richter 2, 16 veranschaulicht: Wenn sie wieder abfielen, verderbten sie sich mehr. Und so werde ich in der Spiegelung zeigen, dass, während im ersten Teil etwas positiv ist in der Geschichte, das Gleiche dann im zweiten Teil in der entsprechenden Geschichte negativ ist, um zu zeigen, wie es mehr und mehr runtergeht, eben weil man mit der Gnade spielte. Und das ist höchst verhängnisvoll. Ja, aber jetzt brauchen wir ein bisschen Verschnaufpause. Es war natürlich bis jetzt ziemlich technisch, aber diese Vorarbeiten helfen uns, von diesen Geschichten wirklich im Herzen ergriffen zu werden im zweiten Teil.