Rolf Scheffbuch
Predigt über Kolosser 2,8 und Hebräer 2,1
Der Himmel als Ziel
Eine der letzten öffentlichen Predigten von Rolf Scheffbuch, 6 Tage vor seinem Tod (10.11.2012 in Korntal)
Eine Abschrift nach der Bibelstunde vom 04.11.2012
Liebe Freunde,
eigentlich kann ich mir jetzt alle Worte sparen. Wir haben das Wesentliche schon gesungen. „Doch größer und reiner und schöner wird sein, wenn jubelnd und schauend wir droben ziehn ein.“ Oder: „Einst werd ich Ihn sehen in der Herrlichkeit, meinem König werd ich dienen bis in alle Ewigkeit.“
Es gibt ja Worte, die waren außer Kurs gesetzt. Von Ewigkeit hörte man in der Christenheit nicht mehr viel. Und manche jungen Leute hier bei uns, für die wird das fast ein Fremdwort sein, aber schon vor Jahren hat Klaus Vollmer uns darauf aufmerksam gemacht, dass dies Wort im Kommen ist, dass bis hin zu den weltlichen Schriftstellern von der Ewigkeit gesprochen wird.
Ähnlich war es mit dem Wort „Erlösung“. Es war beinahe verpönt, von Erlösung zu sprechen, „Sprache Kanaans“, wurde uns weißgemacht. Und plötzlich bis hinein bei den heutigen Schriftstellern, dass ein Stichwort „Erlösung“ …
Und mir wird’s interessant in den letzten Wochen, wie das Wort vom Himmel im Kommen ist. Man hat uns ja weißzumachen versucht, dass man nicht mehr davon sprechen kann: „Ich möchte einmal in den Himmel kommen.“ Das sei doch egoistisch. Das sei doch weltfremd. Man hat sich sagen lassen von Heinrich Heine „den Himmel überlassen wir den Pfaffen und den Spatzen“. Und plötzlich habe ich den Eindruck, das ist wie eine verloren gegangene Sehnsucht, die neu aufbricht.
Am vergangenen Mittwoch durfte ich beim großen Sächsischen Gemeindebibeltag die einleitende Bibelarbeit halten. Als Thema war gewünscht „Der Himmel – unsere Heimat.“ Es war eine große Schar junger Menschen da. Wochen vorher war ich gebeten, in der CVJM Zeitschrift „Life“ für junge Leute einen Artikel zu schreiben: „Endstation: Himmel“. Und wenige Tage später kam von Liebenzell die Bitte, ich möge doch klärend etwas verfassen „Dem Himmel entgegen.“
Ich habe den Eindruck, die Sehnsucht nach dem Himmel, nach der Welt Gottes, bricht ganz neu bei uns auf. Und wir sollten uns nicht genieren, vom Himmel zu reden. Es wäre auch komisch, nachdem ein Zentralanliegen des Herrn Jesus war, dass Menschen nicht am Vordergründigen hängen bleiben, sondern ins Himmelreich kommen. Auch nicht sich genügen lassen an frommen Vokabeln und bloß „Herr, Herr“ sagen, sondern dass man wirklich ins Himmelreich kommen kann.
Schon der Auftakt, die Ouvertüre zur Bergpredigt ist voll von diesem Gedanken. Das Himmelreich ist hier. Die werden mit Gerechtigkeit erfüllt sein. Die werden Gott schauen. Im Alten Testament unvorstellbar große Sehnsucht: „Ich will schauen Dein Antlitz in Gerechtigkeit, dass ich wirklich, Gott, vor Dich treten kann, weil Du mich mit Gerechtigkeit wie mit einem weißen Kleid überkleidest. Ich will schauen Dein Antlitz in Gerechtigkeit. Ich will satt werden, wenn ich erwache, wenn ich Dich sehe, an Deinem Bild“.
Große Sehnsucht, die Jesus in uns wecken will nach der kommenden Heimat.
Bevor Er in Sein Leiden hineinging am Kreuz, und Seinen Jüngern gesagt hat, „wenn ich erhöht werde von der Erde – ich werde nicht nur ans Kreuz erhöht, sondern ich werde zum Vater erhöht werden – dann will ich euch alle zu mir ziehen. In die Gegenwart Gottes hinein-ziehen.“ Und hoffentlich wird’s uns geschenkt, dass wir jedes Mal, wenn wir die Bibel aufschlagen, wenn wir in die Gegenwart des heiligen Jesus treten, etwas von diesem Zug spüren. Näher zu Ihm hin. Ich will sie zu mir ziehen. Im Vorgeschmack des Himmels.
Johannes, dem Jünger von Jesus, wurde ja als besonderes Vorrecht ein Blick geschenkt in die Welt Gottes, in die kommende Welt Gottes. Und wenn wir heute die Offenbarung lesen, dann kann’s durchaus sein, dass wir sagen: „Uns sind die Bilder, die da gezeigt werden, die Worte sind fremd.“ Ja, die Welt Gottes ist so anders, dass das Arsenal unserer Sprache, unserer Begriffe gar nicht ausreicht, um das wiederzugeben, was Johannes bei diesem Blick in die kommende Welt Gottes sehen durfte. Strahlende, vollkommene Herrlichkeit Gottes. Aber im Mittelpunkt, heißt es immer wieder, das Lamm, dem Thron Gottes und das Lamm, der Herr Jesus, der sich für uns erwürgen ließ. „Und das Lamm auf dem Thron wird sie weiden und leiten zu den Brunnen des lebendigen Wassers. Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen“, auch die Tränen, die wir weinen, die uns in die Augen treten werden. Wenn mir bewusst wird, wie viel Kleinglauben in meinem Leben war, wenn immer wieder aufbrechen will der Zweifel, ob denn das alles stimmt, wie viele Enttäuschungen, die ich meinem Herrn Jesus gemacht habe, wie oft ich Seine Sache belastet habe. Es werden uns die Tränen in die Augen treten, mehr noch als dem Petrus einst, als er anfing zu weinen da in des Hohenpriesters Palast über seinen furchtbaren Fall. „Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen“.
Der Himmel, das Ziel.
Mir
ist das gerade in den letzten Wochen über den mancherlei Aufgaben wieder neu
bewusst geworden und einiges davon, was mir wichtig wurde, darf ich Ihnen
einfach weitergeben. Sie ermutigen, wer hier ermüden will, der schaue auf das
Ziel, auf dies Ziel, von dem der Apostel Paulus gesagt hat, unser Bürgerrecht,
unser Heimatschein ist ausgestellt auf den Himmel.
Und dann spricht er nicht von einem Schlaraffenland im Jenseits, sondern dann kommt sofort das Stichwort Jesus, von dort, vom Himmel erwarten wir unseren Herrn Jesus Christus. Der Himmel hat’s in erster Linie mit Jesus zu tun. Die himmlische Heimat, voll von Jesus-Gegenwart, unser Ziel.
Der Apostel Paulus, wenn er gesagt hat,
unser Bürgerrecht ist im Himmel, hat ja seinen Herrn Jesus ernst genommen. Dass
Jesus klargemacht hat, festgeklopft hat bei seinem Vater im Himmel, „Vater, ich
will, dass wo ich bin, auch die bei mir seien, die Du mir gegeben hast.“
Das ist der heilige Wille des Herrn Jesus. Er, der berufen war zum Thron
Gottes, zur Rechten des Vaters. „Vater ich will, dass die bei mir seien, die Du
mir gegeben hast.“ Die sollen auch bei mir sein. Das ist das Ziel, auf das wir
zugehen, in dem wir uns gegenseitig stärken sollen, in das wir immer mehr
hineinwachsen sollen;
mehr Jesus, vertrauter mit Jesus. Dass Dein Allgegenwart mein Geist erfüllt,
mein Denken. Jesusgegenwart – jetzt schon und einst ewig.
„Das wird allein Herrlichkeit sein, wenn frei von Weh ich Dein Angesicht seh‘“, so hat es Hedwig Hedern in die Liedstrophe gefasst. Noch einmal, wer hier ermüden will, der schaue auf dies Ziel. Das sollen wir – so hat es neulich ein Enkel von mir gesagt – „im Fokus behalten“, immer vor Augen behalten, scharf einstellen. Jesus möchte uns zu sich ziehen. „Wenn ich erhöht werde von der Erde, will ich sie zu mir ziehen.“ „Ich will euch wiedersehen. Ich will wiederkommen und euch zu mir nehmen“.
Lauter Erklärungen des Herrn Jesus mit diesem großen „ich will“.
Es gab im Rheinland während der schwierigen
Hitler-Zeit einen Mitchristen, der der geheime Bischof der Bekennenden Kirche
war, Präses Paul Humburg. Er war geprägt von seiner frommen Mutter. Und als die
im Sterben lag, kam der Herr Präses zu seiner Mutter mitten aus den Kämpfen, im
dritten Reich. Dass die Kirche die Kirche von Jesus Christus bleiben soll. Und
er hat seine Mutter gefragt: „Was bleibt denn jetzt noch im Sterben von deinem
ganzen Glauben?“ Und da hat die Mutter geantwortet: „Dass es eine Herrlichkeit
gibt und dass es sich lohnt“, das ist das Ziel. Dass es eine Herrlichkeit gibt.
Wer so ins Sterben hineingehen kann, nicht das Ende, sondern dass es eine
Herrlichkeit gibt und es lohnt sich.
Aber offenbar ist es schon bei den ersten
Christen eine Gefahr gewesen, dass sie dies Ziel aus dem Auge verloren haben.
Dass man ihnen dies Ziel verrückt hat. „Ach, das ist nicht so wichtig.“ Und
dass sie an diesem Ziel vorbeigetrieben sind.
Ich habe versucht, ein paar Stichworte zu sagen: Das ist uns vom Herrn Jesus
als Ziel gesetzt weit über das Sterben hinaus: Es ist zu wenig, wenn wir uns
freuen, nach dem Sterben einmal wieder unsere Angehörigen zu sehen. Meine Augen
sollen den König sehen in Seiner Schönheit, der gesagt hat, „Ich will euch
wiedersehen.“ Das wird wichtig sein.
Zu wenig, wie ich es oft erlebe bei Vorbereitungen von Beerdigungen, wenn
Angehörige sagen: „Ach irgendwie wird’s nach dem Sterben weitergehen.“
Ach was: Nicht irgendwie. Das wäre mir zu wenig, wenn’s irgendwie weitergeht. Sondern ich möchte das aufnehmen, was der Apostel Paulus in kurzen Worten gesagt hat, „wir werden daheim sein beim Herrn“.
Alles, was Heimat ist, daheim - endlich zuhause - wird überhöht sein und erfüllt sein, wenn das wahr wird: Daheim sein beim Herrn.
Also das große Ziel kann uns verrückt werden oder man kann an diesem Ziel vorbeitreiben. Ich darf gerade zwei Bibelworte aufnehmen.
Einmal das Wort aus Kolosser 2:
„Lasst euch von niemand das Ziel verrücken“,
so steht’s noch in meiner alten Taufbibel.
Offenbar dachten die neuen Bearbeiter der neuen Bibel, das Wort „verrückt“
verstehen junge Leute nicht, die denken nur an „blem blem“. Aber deshalb sagten
sie in der neuen Übersetzung: „Lasst euch von niemand den Siegespreis nehmen“.
Aber ich finde das toll: lasst euch doch nicht das Ziel „verrücken“. Und wenn
wir im Kolosserbrief lesen, dann merken wir, damals gab’s Menschen, die gesagt
haben: „Ach, schwätzt doch nicht immer von Jesus, Jesus...“ Das verstehen die
Leute nicht. Das sei so ein bisschen fundamentalistisch.
Es wird uns in der Apostelgeschichte berichtet, dass die Nachfolger des Herrn
Jesus Christus in Antiochien zum ersten Mal „christianeu“ – Christen genannt
wurden. Ich nehme immer an – gut, das ist meine Vermutung – es war ein bisschen
zynisch, karikierend gesagt, „ach ihr mit eurem Christus, Christus, Christus.“
Es gebe doch noch andere wichtige Dinge.
Mindestens heute ist das, wenn wir verrückt werden sollen von dem Ziel, „Jesus
nur alleine sei mein Losungswort“, ist das die Parole: „Man kann doch nicht
immer mit Jesus kommen. Das versteht kein Mensch heute. Man muss doch mehr die
Alltagsprobleme anpacken.“
Das hat kurz nach dem zweiten Weltkrieg angefangen, diese Parole, „man kann doch im Kindergottesdienst in der Sonntagsschule bloß biblische Geschichten erzählen, man muss Alltagsprobleme verhandeln. Eheprobleme, Verhältnis Eltern, Kinder, Schule, Fleiß, Moral. Aber dazu braucht man keinen Jesus, um Moral zu schultern. Da kann man sich auch ein bisschen am Riemen reißen, ein bisschen Anstand hat jeder noch im Leib.“
Der große katholische Philosoph Nikolaus von Lobkowitcz hat gesagt, „es ist eine Tragödie der Christenheit, dass ihr Moral und Werte jetzt plötzlich wichtiger ist als Jesus. Die Christenheit hat nur den Auftrag, dass sie in unsere Welt hineinruft: Jesus ist wichtig. Wir sind doch nicht zu Moralaposteln berufen der Welt.“ Das hat dieser katholische Philosoph und Theologe gesagt.
Aber man müsste sich auch eigentlich einmal klar werden, was ist denn eigentlich bei dem ganzen Unternehmen herausgekommen? Nicht so viele Jesus-Geschichten im Religionsunterricht, nicht so viele Bibelworte.
Ich erschrecke immer wieder, wenn ich den
Eindruck habe, in der Christenheit sei eigentlich nur noch ein Bibelwort
bekannt. „Er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf all
deinen Wegen, dass dein Fuß nicht an einen Stein stößt“. So wurde es wunderbar
von Mendelssohn Bartholdy vertont. Aber das hat doch der Teufel zitiert. Wenn
wir das haben als Sehnsucht, dass wir unseren Fuß nicht an einen Stein stoßen
und dass die Engel da sind…
Damals im Kolosserbrief, diese, die Jesus verrückt haben, das Ziel, die haben
es mit den Engeln gehabt. Eine Verehrung der Engel. Die haben sich unheimlich
demütig gegeben, so demütig, dass die anderen gesagt haben: „Da musst du
unbedingt hingehen. Das ist toll, was die sagen.“
Die haben auch gesagt: „Das rühre nicht an, das esst nicht.“ Die haben das für
365 Tage im Jahr gedacht – bei uns heiß es sieben Wochen ohne. In einer Zeit,
wo Jesus wichtig werden soll, geht’s darum, dass man nicht Alkohol trinkt und
nicht Schokolade isst...: Verstehen Sie, wie schnell das Ziel verrückt wird.
Das gibt sich fromm aus, das ist doch toll, sieben Wochen ohne. Wie das von
tausenden eingehalten wird! Mehr noch, als dass sie sich in die
Passionsgeschichte vertiefen.
„Lasst euch doch von niemand das Ziel verrücken“, das Ziel ist leibhaftig Jesus, so steht’s im Kolosserbrief. Wir haben noch einen großen Nachholbedarf, dass wir in Jesus hineinwachsen.
Es ist gar nicht lange her, da war bei uns sogar in Korntal eine beachtliche Predigt eines jungen Mannes, wie der Glaube alltagstauglich wird. Da habe ich gemerkt, wie junge Menschen sich danach sehnen, wir können doch nicht immer bloß biblische Begriffe, dogmatische Begriffe bringen, Lehrgebäude, wir müssen doch unsere Probleme von heute angehen, wir müssen doch eine Sprache sprechen, die unsere Zeitgenossen verstehen.
Wissen Sie, wie bei den Christen vor 2000 Jahren der Glaube alltagstauglich wurde, sodass der Paulus sagen konnte: Ich muss euch doch nicht viel erzählen, ihr seid selber von Gott gelehrt. Das Gute, Edle, Wahrhaftige, dem strebet nach. Wenn ihr mit Jesus verbunden seid, dann seid ihr ganz normale Menschen, und doch scheint ihr wie Lichter in einer dunklen Welt, makellos, mitten unter einem verkehrten Geschlecht. Dann seid ihr wie einzelne Leucht-Bojen, fest verankert, die klein sind, die kaum auffallen, aber der Kapitän findet seinen Kurs durch diese Leucht-Bojen.
Die Hauptsache ist, dass wir fest verankert sind und mit Jesus leben.
Er, der das Licht der Welt ist, will durch uns auch so eine kleine Leucht-Boje sein.
„Alltagstauglich“ spielt in der Bibel keine große Rolle. Denn wer mit Jesus verbunden ist, der das Licht der Welt ist, der will dafür sorgen, dass das wirklich auch wie ein Mahnruf ist durch uns an die Menschen.
Seid darauf bedacht, dass der Herr Jesus durch euch zur Geltung kommt.
Lassen Sie mich ein (vielleicht dummes)
Beispiel benützen: Bei mir hat man vor langen Jahren den Alterszucker
festgestellt und der Arzt hat mir Medikamente verschrieben, so die üblichen
kleinen weißen runden Pillen. Und wenn ich mich morgens pikse jetzt, um meinen
Zuckergehalt im Blut festzustellen, dann merke ich, dass die Zuckerwerte viel
zu hoch sind. Da könnte ich auch sagen, „jetzt ist es deutlich, die Pillen
haben keinen Wert, also lass ich’s weg“. Nein! – ich muss doppelt so viel
nehmen.
Wenn ich merke, dass meine Jesus-Verbundenheit keine Ausstrahlung hat für
andere Menschen, kein Mahnruf, kein Hilferuf ist, dann brauche ich noch mehr
Jesus-Verbundenheit, nicht weniger. Nicht bleiben lassen.
„Jesus, richte mein Gesichte nur auf jenes Ziel“.
Christen sind Leute, die immer noch mehr
Jesus-Gegenwart brauchen, noch mehr Sein Wort. Im Kolosserbrief heißt es:
„Lasst das Wort des Christus reichlich bei euch wohnen.“ (Kolosser 3, 16)
Die einzige Hilfe, dass wir uns nicht verrücken lassen, in dem Ziel, ich möchte
doch einmal dorthin kommen. Der Apostel Paulus sagt im Hebräerbrief, dass in
kommenden Zeiten, in Kapitel 3 steht das, erst recht deutlich wird, was die
Gnade des Herrn Jesus Christus ist, in dem wir verbunden sind. Schon jetzt mit
Ihm verbunden, aber ich möchte doch erst recht mit Ihm verbunden sein.
Wie bei einer rechten Ehe. Da kann man mit
Freuden und verliebt anfangen, aber wenn man die Goldene Hochzeit hat und weiß,
der Herr Jesus hat uns zusammengeführt, kann man eigentlich sagen, jetzt sind
wir erst recht richtig verheiratet. Nach allen Höhen und Tiefen, die wir
miteinander erlebt haben. Nach manchen Bewahrungen – jetzt erst recht.
Und so soll’s mit dem Ziel sein: Wir, die wir mit Jesus verbunden sind, es geht
dem Ziel zu, wo wir wissen, jetzt erst recht gehören wir zu Ihm. Lasst euch von
niemand das Ziel verrücken, lasst niemand das zu, dass ihr euch ein anderes
Ziel setzt, nicht mehr Jesus sondern Alltagstauglichkeit oder sonst etwas. Und
noch einmal ein Wort vom Ziel, darum Hebräer 2,1:
Wir sollen desto mehr auf das Wort des Herrn Jesus achten, damit wir nicht
am Ziel vorbeitreiben.
Da kommt mir eine Erinnerung – der letzte
Gründonnerstag, da durfte ich auf der Langensteinbacher Höhe die Predigt halten
zum großen Abendmahl, zu dem wir versammelt waren, und anschließend erwartete
uns noch in Betberg im Marktgräfler Land Bruder Wolfsberger zu Diensten über
die Osterzeit. Meine Frau und ich sind in die Nacht hineingefahren, strömender
Regen, es war spät geworden in der Langensteinbacher Höhe, ich hatte vorher
gedacht, naja, Betberg finde ich, da war ich schon ein paar Mal. Ich weiß, wo
die Ausfahrt ist und danach geht’s zwei Mal links und drei Mal rechts durch die
Weinberge irgendwie da hinauf, das finde ich schon – und habe mich rettungslos
verfranzt. Ich war irgendwo in der Pampa in Südbaden, und am Gründonnerstag
Abend, da finden Sie kaum einen Menschen in unseren württembergischen, auch in
den badischen Dörfern, da läuft niemand mehr auf der Straße. Endlich haben wir
einen getroffen, leicht angesäuselt, der hat sicher ohne sieben Wochen ohne
gelebt, ein lieber ausländischer Freund, und wir haben gefragt, wo geht’s nach
Betberg?
Oh, hat er gesagt, ganz falsch, ganz weit weg.
Da habe ich gemerkt, wie man beim besten Willen vorbeitreiben kann. Zwar die
richtige Ausfahrt genommen, zwar im Kopf die Vorstellung, ich weiß, wo es
hingeht – vorbeigetrieben. Wahrscheinlich hat Hanspeter Wolfsberger meine
müden, über mich selbst enttäuschten Augen gesehen und hat mir dann noch am
Ostersamstag ein Navi geschenkt.
(Übrigens seitdem weiß ich gar nicht, warum Menschen zweifeln können, dass Gott
sie sieht. Wenn ich auf das Knöpfchen drucke, der Mann im Mond oder im Satellit
weiß, wo ich bin und weist mir den Weg, wo ich hin muss, wieder zurück, erste
Straße rechts…)
Um uns herum, um die Christenheit herum ist eine fast unzählbare Schar von Menschen, die einmal dabei waren, in unseren Chören, Posaune gespielt haben, im Jugendkreis, Mitarbeiterkreis und dann vorbeigetrieben sind am Ziel. Die vom Ziel wussten, die haben mit uns gebetet, die haben die größten Bekenntnislieder gesungen, „Herr lass Deine Fahnen wehen, einmal noch in diesem Land“. Und jetzt ist es weg. Und wenn dann große Not über sie kommt bei sich selbst oder in der Familie und sie anfangen wollen zu beten, heimzukommen, zu dem Glauben, in dem sie geborgen waren, können sie nicht mehr. Vorbeigetrieben. Man kann nicht einfach bloß wieder anknüpfen.
Lasst das Wort des Herrn des Herrn Christus desto mehr wohnen, damit wir nicht am Ziel vorbeitreiben.
In unserer Zeit werden so viel Ziele genannt, auch in der jungen Generation, emphatische Ziele, in ihrem Singen, in der Musik, es wird so sehr die Stimmung angesprochen, und Jesus hat deutlich gemacht, nur dort wird der Vater geehrt, wo mir die Ehre gegeben wird. Wo es nicht dauernd heißt, Herr wir wollen, wir werfen uns vor Dir auf den Thron, wir sind entschlossen, nein, was Er für mich tut, da wird Ihm die Ehre gegeben. Die Worte des Herrn Jesus, so hat Jesus einmal gesagt, „Vater, die Worte, die Du mir gegeben hast, sind Geist und Leben“, sie sind nicht bloß Information. Es sind nicht bloß Begriffe. Es ist voll göttlicher Kraft. Wenn Sie sich in die Worte des Herrn Jesus vertiefen, nicht bloß Bibel-Lese, sondern: „Herr sag mir, was Dir wichtig ist, macht das in mir zu einem Anstoß“. Es gibt das Fremdwort „internalisieren“, es muss ein Teil von mir werden. In mich hinein dringen. Damit ich ein Gespür bekomme, was mit Jesus zusammenpasst, was Jesus wichtig ist, wozu Jesus Ja sagen kann. Nicht womit ich zustimme in meinem Gefühl, so wie Er sagen kann, „Du, das ehrt mich. Das hilft meiner Sache.“
Ein Gefahrenmelder ist so gebaut, dass sobald der falsche Geruch oder der Rauch auftaucht, er ein Alarmsignal gibt. Es muss etwas passieren, die Worte des Herrn Jesus müssen sich in uns umsetzen. „Zu solch einem Gefahrenmelder“, damit wir nicht am Ziel vorbeitreiben können und sagen das ist doch schön und gut.
In den letzten Jahren bin ich immer wieder
gebeten worden, ich soll doch nachforschen und aufschreiben die Geschichte von
Korntal, wo wir zuhause sein durften während des Nazi-Staates. Es wurde mir
gesagt: Rolf, du kommst von außen, du trittst niemand auf die Füße, wenn du
auch Namen erwähnst, also schreib Mal die Geschichte des Nationalsozialismus im
frommen Korntal.
Ach, es war begeisternd. Wie der Paul Bausch und Wilhelm Simpfendörfer, zwei
junge Reichstagsabgeordnete aus Korntal 1930 mutig im Reichstag gegen die
Nationalsozialisten bekannt haben, bewusst ihren Christenglauben. Was ihr
vertretet, ihr Nationalsozialisten, ist reines Rassedenken. Unmenschliches
Rassedenken, das haben sie offen ausgesprochen. Rüde unterbrochen von den
Nationalsozialisten. Sie haben offen ausgesprochen: Euch geht’s doch nicht um
die Regierung, euch geht’s um brutale Macht. Heute noch nachzulesen.
Und dann zwei Jahre später haben Wilhelm Simpfendörfer und Paul Bausch zugestimmt, dass das Ermächtigungsgesetz, das Hitler alle Macht gegeben hat, angenommen wurde. Grünes Licht fürs Unrecht.
Wenn nach 1945 Wilhelm Simpfendörfer, er
wurde ja später unser Kultusminister in unserem Land, Paul Bausch blieb lange
Bundestagsabgeordneter, wenn sie gefragt wurden, sagt Mal, warum? Warum habt
ihr, die ihr so klar gesehen habt, da plötzlich anders gestimmt?
Da haben sie gesagt, es war eben allgemeine Stimmung, es waren doch alle dafür.
Wir wollten nicht Bremsklotz sein. Und wir haben gehofft, vielleicht hilft das
auch.
Verstehen Sie, warum der Herr Jesus vor der Verführung gewarnt hat? Der Fürst dieser Welt beherrscht die Klaviatur der Verführung, dass uns das gut vorkommt. Und dass uns Gott ein Gespür gegeben hat davon, was falsch ist, ein Fehlweg, auch für unser Volk. Wir haben plötzlich das fallen lassen und sagen ich will nachgeben – die anderen wollen’s ja auch nicht.
Noch schlimmer ist es, wenn gesagt wird, „ach lasst doch das mit eurem Jesus, das überlasst den Stundenleuten, den Pietisten, das ist ja sowieso von den ewig gestrigen“.
Wir wollen dranbleiben und uns vom Herrn
Jesus, von seinem Wort des Christus sagen lassen, das, was die zentrale Aussage
ist:
„Her zu mir, folge mir nach! Wer zu mir kommt, den werde ich nicht
hinausstoßen. Kommt her zu mir alle.“
Es ist eigentlich durchdrungen, alles, was Jesus uns gesagt hat, von dieser Sehnsucht des Herrn Jesus, ich will sie doch alle zum Vater ziehen, ich will sie doch alle in den Himmel bringen.
Einer meiner Vorfahren war als Taufpate
eingeladen zu einer Taufgesellschaft, in der damals sehr viele, man sagt
Demokraten, Liberale waren und die gelächelt haben über diesen komischen
Schulmeister von der Schwäbischen Alb, der ein Pietist ist, und sie haben sich
ein bisschen zusammen genommen bei ihren frivolen Reden beim Taufkaffee
nachher, und das hat dieser Schulmeister gemerkt und hat plötzlich gesagt:
„O ihr Herren! Geniert euch doch nicht vor mir. Ich habe ein Herz wie ein
Scheunentor, ich möchte am liebsten euch alle in den Himmel mitnehmen.“ Er hat
sich nicht gescheut, vom Himmel zu reden, von diesem Ziel.
Wenn man uns das abspüren würde, „ich haben ein Herz wie ein Scheunentor“. Nicht: „Ihr kommt nicht hinein - ich möchte euch mitnehmen“, und doch zugleich für uns wissen: Ringet danach, dass ihr durch die enge Pforte eingeht. Das Ziel: Die Heimat im Himmel.
Das, was wir gesungen haben, das soll mit
uns gehen, wenn der Herr Gnade gibt,
„größer und reiner und schöner wird’s sein, wenn jubelnd und schauend wir droben ziehn ein.“
Jetzt schon ganz, noch viel mehr als
bisher, hin zu Jesus, als Vorübung, als Etüde für das, was kommen wird. Jetzt
schon ganz nah bei Jesus. Verlangend nach Seinem Wort. Die Berliner haben den
Ausdruck „dicht bei dicht“. Jetzt schon dicht bei dicht bei Jesus. Doch größer
und reiner und schöner wird’s sein, wenn jubelnd und schauend wir droben ziehn
ein.
Dann wird es erst ganz dicht sein.
Amen