32/08
Sonntag, 7. September 2008
Pfr. Rolf Scheffbuch
Thema: „Da hört der Spaß auf!“
Hebräer 10, 38
Viermal, liebe Gemeinde, findet sich in zentralen Stellen der Bibel der eine Satz: „Der Gerechte wird aus Glauben leben“ (neben Hebräer 10, 38 auch Habakuk 2, 4, Römer 1, 17, Galater 3, 11). Im biblischen Predigtfundament aus dem Hebräerbrief, das uns heute mit so vielen Gemeinden in unserem Land verbindet, lautet es sogar noch ganz persönlich – und zugleich in befremdlichem Ernst: „Mein Gerechter wird aus Glauben leben. Wenn er aber zurückweicht, hat meine Seele kein Gefallen an ihm, spricht Gott, der Herr“.
„Da hört dann der Spaß auf!“, so stand es in der „Stuttgarter Zeitung“ zu lesen. Die Rede war dabei nicht von „Stuttgart 21“, auch nicht von Rangeleien im Stuttgarter Weindorf, sondern von einer zunehmenden Form modernen Christentums. Es möchte sich mit dem modernen Menschen arrangieren und dabei nicht anecken mit Begriffen wie Sünde und Gnade und Gerechtigkeit. Mit sicherem Gespür deckte der kluge Verfasser auf: Mit der Bibel hat das nichts mehr zu tun. Besonders nicht mit dem Apostel Paulus. In diesem Zusammenhang war in dem Artikel der Satz zu lesen: „Da hört der Spaß auf!“ Weil es Gott in Christus um Gnade voll von neuer Gerechtigkeit geht. Und weil Gott keinen Gefallen daran haben kann, wenn das mit Späßchen und mit Tralala kaschiert wird. Dem Sinn nach stand es so in der Zeitung. So etwas ist dort leider selten genug zu finden. Ich bin - fast zufällig – darauf gestoßen und habe mich dran gefreut.
Wo also für Christen die Freude n i c h t aufhört
Es ist so schade, dass viele Menschen das Christ- Sein für eine todernste Sache ansehen. Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf hat in die Christenheit hinein gerufen: „Wir sind des Heilands fröhliche Leute!“ Das hatte nicht er neu entdeckt; denn schon lange vor ihm hatte der Apostel Paulus gewusst: Man kann sich freuen, wenn man Jesus gehört. Darum: „Freuet euch in dem Herrn allewege, und wiederum sage ich: Freuet euch!“
„Gott sei Lob und Dank! Sie lachen ja!“, so sagte spontan ein auswärtiger Besucher zu Gottlieb Wilhelm Hoffmann, dem Korntal- Gründer. Er war auf’s höchste erstaunt, denn er hatte in Korntal lauter grimmige und tierisch- ernste Finsterlinge vermutet. Mich hat es gefreut, als jüngst ein Geschäftsmann sagte: „Man erkennt sofort, wer zur Brüdergemeinde gehört; die grüssen jeden so freundlich.“
Johannes Kullen war als Vorsteher des einst im Aufbau befindlichen Korntaler Knabeninstitutes dauernd in unvorstellbar großen wirtschaftlichen Sorgen. Wenn er jedoch gar nicht mehr hinaus sah, dann sang er lauthals Lob- Choräle durch’s Haus – und hielt es so mit Hiller:„Man kann den Kummer sich vom Herzen singen!“ Ein fröhlicher Geist und ein fröhlicher Christen- Glaube sollte das Internat prägen. Kullen konnte sagen: „Auch die Vögel unter dem Himmel sind fröhlich!“
Manchmal bin ich fast neidisch auf unseren Vorsteher Dieter Messner und auf manche andere Gemeindeglieder; denn die tragen ein fröhlicheres Gesicht zur Schau als ich. Gerne würde ich es ähnlich schaffen wie jeder normale amerikanische Pfarrer oder auch Konrad Eißler, die Predigt mit einem rechtem Scherz zum Lachen zu beginnen. Denn der Spaß muss doch nicht aufhören, wenn wir Christen werden. Wir müssen die Freude nicht wie einen nass gewordenen Schirm an der Garderobe ablegen, bevor wir zum Saal herein kommen. Die „Freude am Herrn ist unsere Stärke“. Wir brauchen also für unsere Versammlungen keine Späßlesmacher, auch keine oberflächlichen Stimmungsaufheller. Aber Kopfhänger brauchen wir auch nicht zu sein!
Da müssen jedoch auch Christen den Kopf hängen lassen
„Ein Kopfhänger werde ich nicht werden. Denn ich glaube, dass echtes Christentum nicht darinnen besteht“. Dies ließ der preußische „Soldatenkönig“ den Grafen Zinzendorf wissen.
Reichsgraf Zinzendorf antwortete darauf voll Respekt: „Eure Königliche Majestät haben ganz recht, dass Sie es nicht lieben, den Kopf hängen zu lassen. Auch ich gehe so gerade, als ich nur kann. Aber es kommen auch Zeiten, da sogar Könige sehr gebückt und den ganzen Tag traurig gehen müssen. Nämlich wenn die Sünden über ihr Haupt gehen und wie eine schwere Last zu schwer werden“ (So war es nämlich beim König David, vgl. Psalm 38, 5. 7. 9.).
Etwas weniger reichsgräflich hat es jener schwäbische Stundenbruder formuliert. Ihn hatte man aufgemuntert: „Komm, guck doch net so ernst! ‚Immer fröhlich, immer fröhlich, alle Tage Sonnenschein..’!“ Doch er erwiderte: „I kann doch net lacha, wenn mich Gott an meine Fehler erinnert!“
Da hört dann aller Spaß auf! Nämlich wenn Gott sich zu erkennen gibt, wie er wirklich ist. Dann bricht der Schrecken auf: Kann denn Gott Gefallen an mir haben? Kann ich vor Gott am Leben bleiben? So war es einst schon bei Mose. „Was brennt denn da? Das muss doch gelöscht werden. Sonst kriegen wir noch einen bösen Steppenbrand!“ Das hatte ihn bewegt, als er zu dem brennenden Dornbusch eilte. Ein paar Augenblicke später war aus dem verantwortlichen Naturschützer ein zitterndes Häuflein Mensch geworden. Voll Angst hatte er sein Angesicht verhüllt und seine Schuhe von sich geworfen; „denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen“ (vgl. 2. Mose 3, 6).
Einige Jahrzehnte später hatte Mose als Befreier das Volk Israel an den Fuß des Gottesberges Sinai geführt. Dort wollte Gott mit diesem Volk einen unvergleichlichen Bündnis- Pakt schließen – um dies unverbrüchlich und unkündbar festzuklopfen: „Ich, der Herr, bin dein Gott!“ Aber als das Volk die Stimme Gottes hörte, da kam ihm das vor wie alle schreckenden Elemente zusammengenommen. Da riefen sie zu Mose: „Rede du mit uns, das wollen wir gerne hören! Aber Gott lass nicht mit uns reden! Das wäre unser Tod“ (vgl. 2. Mose 20, 18ff)!
Beim Blättern in einer Bibelausgabe bin ich auf den Eintrag gestoßen: „15. 1. 04: In großer Angst der Seele geschrieen: ‚Herr, sei mir Sünder gnädig!’ Darunter war dann notiert: ‚Er hat es gewirkt’!“ Das hat doch keiner festgehalten, der geradezu krankhaft Gewissensbedenken pflegte. Sondern da hat offensichtlich einer erlebt, so wie einst Jesaja, oder wie dann über 2000 Jahre später Martin Luther: „Die Angst mich zu verzweifeln trieb, dass nichts denn Sterben bei mir blieb, zur Hölle musst ich sinken!“
Durch lange Zeit hindurch können wir – auch vor uns selbst - so tun, als sei alles „all- right“. So sind wir nun einmal. Total anders ist es jedoch, wenn uns bewusst wird: „Jetzt ist es völlig egal, wie ich über mich selbst denke! Jetzt kommt es nur noch darauf an, wie denn Gott über mich denkt!“
Kann denn Gott sich über mich wirklich freuen? Kann Gottes Seele „Gefallen“ an mir haben? Das ist eine Frage, die uns in der Bibel gestellt wird, auch in dem heutigen Bibelwort zur Predigt. Mein Denken, meine Phantasie, mein bisheriges Leben sind doch übersät von Flecken! So kann doch Gott keinen Wert darauf legen, sich mit mir sehen zu lassen!
Die Bibel spricht immer wieder vom „Gerecht“- Sein. In dieser Sache bohrt sie immer wieder nach: „Bin ich denn vor Gott gerecht?“ Denn schließlich ist keiner Gottes- gerecht“! Den ungewohnten Ausdruck möge man entschuldigen. Eigentlich müsste er uns gar nicht fremdartig vorkommen. Denn was etwa „familien- gerechte“ Wohnungen sind, darauf können wir uns einen Reim machen. Verstehen tun wir auch, wenn im „Strohgäu- Extra“ angemahnt wird: Unser Straßennetz muss endlich „verkehrs- gerecht“ ausgebaut werden, es darf nicht mehr länger den ersten Trampelpfaden der Rinder folgen „So sei es!“, heißt es dann dort. Wenn ich jedoch gefragt bin, ob ich denn „Gottes-„gerecht“ bin, dann hilft kein noch so forsches „so sei es!“ Vielmehr besteht darin die eigentliche Not der ganzen Menschheit, global und universal, dass keines von uns Gottes- „gerecht“ ist.
Eigentlich hätten wir alle schon längst darauf gekommen sein können. Aber meist tun wir so, als verstünden wir nicht, was es denn damit auf sich hat. So etwas wie ein Abwehr- Mechanismus ist in uns eingebaut. Er schiebt diese Frage weg, ob wir denn „Gottes- gerecht“ sind. Gott jedoch lässt nicht locker. Er möchte so sehr, dass wir begreifen: „Dies ist die eigentliche Menschheits- Not!“ Quer durch die ganze Geschichte der Menschheit hindurch ist dies die elementare Frage Gottes, - auch wenn sie so oft vergessen, so oft übertönt wird: „Was ist’s denn, du Mensch, dass du dich vor mir versteckst? ‚Adam, wo bist du?’ Mensch, weshalb ist dir es nicht richtig wohl in meiner Gegenwart?“
Man hat sich in der Christenheit immer wieder dafür geniert, dass die Bibel solche Fragen stellt. Auch heute wird das wieder modern, sich mit diesen Themen etwas zurückzunehmen. Aber an denen, die so „zurückweichen“, kann Gott „kein Gefallen“ haben. Es ist mir immer wieder eine Gebetsbitte: Lieber Herr Jesus, lass doch die Christen wieder stolz darauf werden, dass unter allen gesellschaftlichen Gruppen allein ihnen dieses Zentralthema ‚Gerechtigkeit vor Gott’ anvertraut ist!“. Das bleibt bis in die Ewigkeit Gottes hinein, ja es wird erst recht bis hin vor Gottes Thron die einzig wichtige Frage: „Wie kann ein Mensch gerecht sein vor Gott“ (Hiob 4, 17)?
Anders zu werden haben wir ja sicher alle schon manches Mal hehr versucht. Besonders zum Jahresbeginn, oder auch nach heftigem Knall zuhause: „Ab sofort soll alles anders werden!“ Aber es war dann – wie gesagt – zum „Kopf- hängen- Lassen“! So zu sein, dass Gott bis in seine tiefste Seele hinein Gefallen an uns haben kann, - das schaffen w i r bei allem guten Wollen und Bemühen einfach nicht! Da hört aller Spaß auf!
Doch darüber noch länger zu reden, das wollen wir jetzt bleiben lassen! Es genügt. Gott kann es schenken, zu begreifen, woran er „kein Gefallen“ hat. Höchste Zeit wird es jedoch, dass ich noch einmal an das biblische Gotteswort erinnere, das uns heute wichtig gemacht werden soll. Es lautet: „Mein Gerechter wird aus Glauben leben“ (Hebräer 10, 18).
Das also gefällt Gott
Einen ganz intimen Ton hat der Apostel des Hebräerbriefes aus dem Reden Gottes herausgehört: „ . Mose e i n Gerechter!“ Es ist ein Ton voll jubelnder Freude. Den Ton kennen wir schon aus dem Schöpfungsbericht kennen: „Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut“ (1. Mose 1, 31). Wirklich, da ist sie also: „Meine Welt“, „meine Schöpfung“, „mein vollkommenes Werk“! „Siehe, alles sehr gut“. Nichts ist nachzubessern!
Das also gefällt Gott, dem Schöpfer: Dem zu rufen, „was nicht ist, dass es sei“ (vgl. Römer 4, 17). Auch in meinem Leben hat er oft Erstaunliches gewirkt: Wunder, Bewahrungen, Führungen. Er hat mir auch immer wieder Vergebung gewährt. Aber auch danach ist doch meine alte Art, mein ganzes Wesen mit mir gegangen, meine Ungeduld, mein so rasch aufkochender Zorn, mein fragwürdiges Urteilen, mein unkontrollierbares Reden. Warum in aller Welt habe ich Gott nicht ebenso zugetraut, dass er mich gerecht machen kann und gerecht machen will? Er kann doch nicht nur Heilungen wirken, sondern vor allem die Gerechtigkeit, die dann in der Tat „besser ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer“ (vgl. Matthäus 5, 20)!
Weshalb tun wir denn so schwer mit diesem Glauben? Gott hat es sich vorbehalten, uns jene Würde zu schenken, die uns so bitter fehlt und die wir nicht zu schaffen fähig sind. Gott, der die Welt aus dem Tohuwabohu ge- „macht“ hat, möchte auch aus der unserer so befleckten, unzureichenden etwas Neues machen, etwas Vollkommenes: Wahre Gerechtigkeit! „Gerechtigkeit, die vor Gott gilt“, so hat es Luther übersetzt – und damit gemeint: Gerechtigkeit, die Gott schafft und die vor Gott zählt, die in Gottes Augen gilt, die darum wirklich Bestand hat.
Manchen mag das arg theoretisch in den Ohren klingen. Niemand lasse jedoch sich auch nur einen Augenblick lang einreden, das Ganze sei eine Spitzfindigkeit von Spintisierern starrer „Rechtgläubigkeit“. So wird ja seit bald 300 Jahren „Orthodoxie“ madig gemacht, zu Deutsch die „Rechtgläubigkeit“. Sie wird gebrandmarkt als steril, als strohern, als abstrakt, als pharisäisch- überheblich- rechthaberisch, neuerdings sogar als schrecken- erregende fundamentalistische Bedrohung. Stattdessen wird dann bis weit in die Kirchen hinein als Glaube ausgegeben, dass Menschen überhaupt noch irgendwie mit einer Existenz Gottes rechnen. Das ganze Hick- Hack ist schlimm. Denn es vernebelt, dass es Gott letztlich nur um eines geht, nämlich dass ein paar Menschen in den Himmel kommen können. Und dass es dazu allein darauf ankommt, das R e c h t e zu glauben (nicht nur irgendetwas Frommes), und das Rechte r e c h t (also nicht nur halbherzig) zu glauben.
Denn dazu – „für den Glauben“ hat Gott uns Menschen seinen Sohn Jesus „hingestellt“ (vgl. Römer 3, 25), zum Glauben hingehalten, „jedermann zum Glauben angeboten“ (vgl. Apostelgeschichte 17, 31). In dies anschauliche Bild hat die Bibel immer wieder das Tun Gottes gefasst. Eigentlich können wir mit unserem Verstand das geheimnisvolle Tun Gottes gar nie erfassen. Darum hat Jesus Gleichnisse und Bilder geprägt, um uns Gottes Handeln wenigstens erahnen zu lassen. Aus dem gleichen Grund haben auch die biblischen Propheten und Apostel immer wieder Vergleiche benützt. So auch diesen anschaulichen, der Sache so nahe kommenden Vergleich: Gott hat sich den Sohn vom Herzen gerissen und in die Menschenwelt hineingestreckt! Er hat ihn uns Menschen zum Nehmen, zum Annehmen hingehalten, er hat seinen Sohn als sein letztes Angebot zum Zugreifen vorgelegt.
Der anschauliche Vergleich ist gedeckt durch die Wirklichkeit.
- Dazu hat Gott seinen geliebten Sohn in unsere gottlose Welt hineingeschickt, um deutlich zu machen: „Das ist der, den ihr wirklich braucht! Auf den könnt ihr nicht verzichten! Lieber verzichte ich auf ihn!“
- Dazu hat Gott diesen Jesus am Kreuz sterben lassen, damit erkennbar wird: „Lieber gibt Gott seinen eigenen Sohn dran, als dass alle Menschen vor die Hunde gehen müssen!“
- Dazu hat Gott diesen Jesus aus dem Grab geholt, damit Menschen aufgehen kann: „Ohne diesen Jesus zu sein, dazu soll kein Mensch auch nur einen einzigen Augenblick verdammt sein müssen!“
- Dazu hat Gott diesen Jesus an seine eigene Seite in die himmlische Herrlichkeit geholt, damit Menschen sich darauf verlassen können: „Dieser Jesus tritt dort auch für mich ein! Er betet für mich! Und er will auch mich ewig zu sich in die Gegenwart Gottes ziehen, in den Himmel!“
Das alles hat Gott getan „für den Glauben“. Es soll doch wirklich Glauben geben. Nämlich echten Glauben. Menschen sollen sich glaubend an diesen Jesus ankoppeln. Nämlich indem sie vertrauensvoll- dankbar ihn anrufen: „Du, mein Jesus!“ Daran hat Gott „Gefallen“. Gott möchte so gerne voll Schöpferfreude auch über mir – und doch auch über jedem von Ihnen - ausrufen: „Mein Gerechter! Leben, ewig leben wird er, weil er glaubt!“ „Ein Wohlgefallen Gott an uns hat!“ Das ist Anlass zum Freuen, nicht nur zum Spaß!
Amen.
Herausgeber:
Evang. Brüdergemeinde Korntal, Saalstr. 6, 70825 Korntal-Münchingen
Tel.: 07 11 / 83 98 78 - 0, Fax: 07 11 / 83 98 78 – 90; e-Mail: [email protected]
Die Korntaler Predigten können Sie im Internet über www.Bruedergemeinde-Korntal.de als .doc oder .mp3 abrufen.