17/07

 

Donnerstag, 17. Mai 2007

Himmelfahrt

Präl. i. R. Rolf Scheffbuch

 

Thema: „Es muss doch mehr sein!“

Johannes 17, 20-26

 

Liebe Gemeinde,

 

„Heiliger Vater, nun komme ich zu dir; zu dir komme ich“ (Johannes  17, 11a+ 13)! Das war einst der Auftakt zur Himmelfahrt. Der Gottessohn Jesus betete so, als er drauf und dran war, das heilige Erlösungswerk zu vollenden. Eigentlich war es für ihn schon wie abgeschlossen. Vor ihm lag nur noch das Heimkommen zum Vater. „Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott“ (Johannes 20, 17). Das ist es, liebe Gemeinde, was auch wir uns Jahr um Jahr am Himmelfahrts- Gedenktag bewusst machen wollen: Jesus ist bei seinem Vater. „Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters!“ 

 

Aber auch nach dem Heimkommen zu seinem Vater blieb Jesus nicht einfach „weg“. Mit einer von tiefstem Herzen kommenden Fürsorge blieb Jesus verklammert mit denen, die ihm „der Vater gegeben“ hatte. Diese Fürsorge für seine Gemeinde war doch die Frucht seiner Erlösung. Jesus hatte sich doch total mit uns Erlösungsbedürftigen verbunden. Darum trägt er bis heute schwer an der Last: „Verfehlen die Erlösten nicht doch das eigentliche Ziel, auf das ich aus war und aus bin?“ Aus diesem Grund hat Jesus dringlich zum himmlischen Vater gebetet. Aus dem Gebet ist das dringliche Anliegen herauszuhören: „Vater, es muss doch  m e h r  sein! Mehr als alles, was sie normalerweise bittend bei dir vorbringen. Es muss sogar noch mehr sein als alles, was ich sie im Vaterunser zu beten gelehrt habe. Es muss auch mehr sein als alles, was ich ihnen sonst noch wichtig zu machen versucht habe. Wenn ich jetzt dann zu dir komme, dann soll es doch bei ihnen zu solchem „mehr!“ kommen!

 

Am vergangenen Sonntag hat mich in Heidelberg ein kluger Theologe gefragt: „Weshalb muss denn Jesus als Fürbitter für uns vor Gott eintreten? Wir dürfen doch selbst mit unseren Bitten unmittelbar zu Gott kommen!“ Aber ja, das dürfen wir: „Er selbst, der Vater, hat euch lieb!“, so hat es Jesus wissen lassen (Johannes 16, 27). Aber offenkundig gibt es auch Dringliches, um das zu bitten uns nicht von Ferne in den Sinn kommt. Das war der Grund, weshalb Jesus selbst diese Bitten ausgesprochen hat. Schon vor seinem Heimkommen zum Vater wollte er diese Haupt- und Grundanliegen in Gottes Ohr unterbringen. Betend wollte er sie selbst seinem himmlischen Vater vorlegen.

 

Damals hat das angefangen, was bis heute „die Hauptsache“ unseres Glaubens ist (so heißt es im Hebräerbrief). Nämlich dass Jesus „jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns erscheint“; „denn er lebt immerdar und bittet für uns“, damit „wir durch ihn zu Gott kommen können“ (vgl. Hebräer 7, 25; 9, 24). Er „tritt für uns ein“ (vgl. Römer 8, 34). Selbst wenn wir sündigen, haben wir Jesus als „einen Fürsprecher beim Vater“ (1. Johannes 2, 1). Kurz: Jesus „ist zur Rechten der Majestät Gottes“, um Bitten vorzubringen, Bitten im Blick auf uns, Bitten für uns. Bitten, geprägt von der Dringlichkeit: „Es muss doch mehr sein!“

 

Jesus dachte dabei nicht an all das, was wir dann und wann im Gewissen als Nadelstiche spüren: Ich sollte doch viel öfter beten. Ich sollte mir doch mehr Zeit nehmen für das Gespräch des Herzens mit Gott.  Mein Beten sollte auch ehrfürchtiger sein. Meine Anliegen müssten doch würdiger eingewickelt sein in staunende, Gottes Wesen angemessene Anbetung. Es sollte sich auch nicht nur um das bewegen, was mich so persönlich betrifft; mein Gebet sollte einen noch viel weiteren Horizont haben. Es sollte auch die Vielen einschließen, die der Fürbitte bedürfen. Wenn ich  mit dem heiligen Gott rede, dann müsste ich doch noch ganz anders Ehrfurcht aufbringen; mein Reden mit dem Ewigen müsste aus heiliger Stille der Meditation kommen. Es müsste doch mehr sein! Dafür haben wir ein Gespür, mindestens manchmal. Darauf können wir selbst kommen.

 

Um was in aller Welt geht es denn bei diesem „mehr!“? Das wird aus einem großen Gebet von Jesus deutlich. Wir nennen es das „hohepriesterliche Gebet“, weil Jesus wie ein Hohepriester für das Volk eingetreten ist. So wie er die Erlösung der Menschheit selbst in die Hand genommen hat, so hat er auch das Beten um dieses „mehr!“ selbst in die Hand genommen. Er wollte nicht warten, bis wir – die wir doch so schwer von Begriff sind – die Notwendigkeit für dieses Bitten selbst eingesehen haben würden. Es sollte doch zu diesem „Mehr!“ kommen, auch wenn seine Leute blind dafür sein würden, wie unverzichtbar wichtig dieses „mehr“ ist. Darum hat Jesus selbst diese Bitten betend vor seinen himmlischen Vater gebracht. Mit solchem Beten, das er bis heute immerdar vor den Vater bringt – und auch uns dabei im Blick hat, ist das erlösende Heilswerk gekrönt.

 

Auch bei uns soll es zu „mehr“ kommen! Das ist es doch, was jenem großen Gebet eine ungewöhnliche Dringlichkeit gegeben hat. Diese Dringlichkeit ist zu fühlen. Sie lässt sich ertasten, wenn wir auf das immer wiederkehrende „damit“ hören: „damit, damit, damit!“ – und auch das immer wiederkehrende „gegeben“; denn wir haben einen Gott, dessen Wesen bestimmt ist vom Geben.

 

(Ich bitte dich für die, die du mir  gegeben hast.) „Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, d a m i t  sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, d a m i t  die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, d a m i t  sie eins seien, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, d a m i t  sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst. Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, d a m i t  sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebt, ehe der Grund der Welt gelegt war. Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich, und diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, d a m i t  die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen“ (Johannes 17, 20 – 26).

 

Es geht also um (1) die Einheit, es geht um (2) die Liebe und es geht darum, (3) dass Jesus uns ewig bei sich haben will.

 

Sie sollen eins sein – wie wir

 

Wie gut ist es, dass Jesus diese Bitte so dringlich seinem Vater im Himmel vorträgt! Gerade auch in diesen Tagen für uns, die Gemeinde seiner Brüder und Schwestern hier am Ort. Jedoch müssen wir genau hinhören! Nur zu selten ist das in der Christenheit getan worden. Immer wieder wurde aus dem Beten von Jesus herausgehört: „Er will, dass wir alle eins seien“. So im landläufigen Sinn von „seid einig, einig, einig!“ Ach was, dazu brauchen wir Jesus nicht, dass er uns Einheit wichtig macht. Das steckt tief in uns, dies Sehnen nach spannungsloser Atmosphäre in der Christenheit, in unserer Gemeinde, in unseren Nachbarschaften, erst recht nach spannungslosem Einssein hinter unseren Haus- und Glastüren. Wie würde mehr Einigkeit unserem Gemüt gut tun! Schon Graf Zinzendorf hat gebetet: „Erinnre deine kleine Schar, die sich so leicht entzweit, dass deine letzte Sorge war der Glieder Einigkeit“. Am liebsten würde ich urteilen: „Hier irrt sogar der von mir verehrte Zinzendorf!“ Die letzte Sorge des Heilandes Jesus war es vielmehr, dass wir uns nur zu leicht herausspülen lassen aus der engsten Verbundenheit mit Jesus und mit seinem Vater. Diese Einheit hat Jesus gemeint. Deshalb hat sich Jesus verlangend danach gesehnt, dass die von ihm Erlösten, die an ihn Glaubenden, noch einmal ganz anders sich eins machen lassen mit dem himmlischen Vater und mit seinem Sohn Jesus. So innig, so unauflöslich, so ohne Dehnungsfuge, wie Jesus mit dem Vater verbunden war und verbunden ist, so sollen auch wir uns einhüllen lassen in Jesusgegenwart und in Gottesatmosphäre. „Sie sollen in uns eins sein, wie du, Vater, in mir bist und ich in dir!“ Dafür soll Gott in Schöpferkraft sorgen, dass wir uns vertrauensvoll, nicht widerborstig, umfangen lassen von Gottes Vatergüte. Dafür soll Gott in seiner Macht sorgen, dass wir erwartungsvoll alle Poren unseres Lebens öffnen für Jesusimpulse.

 

„Dass das wichtig sein soll, darauf wäre ich jetzt nicht unbedingt gekommen“, so hat es einmal einer ehrlich eingestanden. So ist es! Darauf kommen wir nicht, dass das Eingehülltsein in Jesus dringlicher sein soll, als dass Gott Krankheit und Sorgen von uns wegnimmt. Das „blicken“ wir nicht – auch wenn uns noch so viel theologische Wachheit durchpulst -, dass die größte Gebetserhörung im Wunder besteht: „Treuer Jesus, ich bin dein,  ...mit dir alles tun und alles lassen, in dir leben und in dir erblassen!“ Aber gerade weil wir es nicht erblicken, deshalb bringt der zum Himmel aufgefahrene Erlöser dies Gebet vor den Vater: „Mache sie eins in dir und in mir!“

 

Dieses Eins- Werden und Eins- Sein hat einen heiligen Zweck. Nämlich die Menschenwelt soll etwas begreifen. Sie ist so blind für das Göttliche. Im Gebet von Jesus heißt es: „Die Welt kennt dich nicht!“ Aber die Menschenwelt soll so etwas wie eine letzte Chance zum Begreifen bekommen. Sie soll erkennen können, wie unvergleichlich wichtig Jesus ist. Die Welt soll eine Ahnung dafür bekommen können, dass mit Jesus unsere Welt von einer überirdischen Rettungsaktion erreicht wurde. Das kann geschehen, wenn uns Christenleuten nichts, aber auch gar nichts gemeinsam so wichtig wird wie dies: „Ich möchte Christus gewinnen und in ihm gefunden werden; ich möchte ihn erkennen und ihm gleichgestaltet werden“ (vgl. Philipper 3, 8 – 10). Es geht Jesus um entscheidend mehr, als dass von den Christen christliche Ansichten vertreten werden, ethische Einstellungen, verantwortliche Lebensstile, theologische Überzeugungen! Es soll vielmehr doch zum heiligen Entschluss kommen: „Ich möchte Christus ergreifen“ (vgl. Philipper 3, 12) – wie bisher noch nie!

 

Ein uns nahe liegendes Beispiel kann vielleicht deutlich machen, um was es dem Gottessohn Jesus geht. Wir Korntaler Bürger hatten ja eine ganze Reihe von Bürgermeisterkandidaten. Es waren liebenswerte, begabte, zum Teil auch schöne, ja sogar erfahrene Männer. Aber dann geschah es schon im ersten Urnengang, dass einem Kandidaten die Fülle der Stimmen zufielen, aus dem bürgerlichen Lager ebenso wie aus der SPD, von Kirchlichen und weniger Kirchlichen, von Münchingern und Korntalern, von Alteingesessenen und Neuzugezogenen, von Alten und Jüngeren, weiblichen und männlichen Stimmberechtigten. In Sindelfingen haben sie sich wahrscheinlich manche Leute am Kopf gekratzt und sich eingestanden: „Das haben wir bisher noch gar nicht gewusst, dass der Dr. Wolf so herausragend, so vertrauenswürdig ist! Dass der so viele Erwartungen bündeln und so viele Gräben überbrücken kann!“

 

Aber das ist nur ein schwacher Vergleich für das, was Jesus vom Vater erbeten hat: „Sorge doch dafür, dass der Welt deutlich wird, dass ich wie kein anderer in der ganzen Weltgeschichte Gräben überbrücken kann! Sorge dafür, indem die unterschiedlichsten Menschen zusammenfinden im Vertrauen zu mir! Also Menschen mit heller und mit dunkler Hautfarbe, Alte und Junge, weibliche und männliche, Begabte und Ungelehrte, Leute aus frommer Tradition und Neuberufene, - sie alle zusammenfinden in einem unüberbietbaren Zutrauen zu mir!“

 

Dabei ging es Jesus doch nicht egoistisch darum, groß vor aller Welt herauszukommen. Vielmehr „soll die Welt erkennen, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst“. Wenn die Christen um Jesus zusammenrücken und wenn ihnen das dann wichtiger wird als alle Geschmäcker und Stile, als theologische Ansichten, als fromme Überzeugungen und als lieb gewordene Formen, dann könnten Menschen in aller Welt hell wach werden: „Ja gibt es denn wirklich so etwas? Hat denn Gott wirklich uns Menschen einen überirdischen Retter mit diesem Jesus zugedacht?!“ Liebe Gemeinde, so wichtig ist es, dass man es uns abspürt: „Wir, als die von einem Stamme, stehen auch für einen Mann!“ Es ist für die Menschwelt die letzte Chance, zu ahnen, was man in Jesus haben kann.

 

Sie sollen die wahre Liebe Gottes erfahren

 

Aus dem Staunen bin ich nicht mehr herausgekommen, je mehr ich in dies Gebet von Jesus hineinhörte. Wie schrecklich hatte ich bisher in meinem langen Leben über die Sätze weg gelesen.

Aber nun ging mir auf: Da ist ja gar nichts davon zu lesen, dass wir einander lieb haben sollen. Auch vom „lieben Gott“ ist keine Rede. Vom „lieben Gott“ wird im landläufigen Sinn erwartet, dass er den Menschen nichts als Liebe erweist, und dass er als Obersicherheitsbehörde alle Tsunamis, alle Kriege und alle Hungersnöte verhindert. Aber Jesus sprach von „der Liebe, mit der du mich liebst“.

 

Was war das doch für ein Halt für Jesus, mitten in aller Anfeindung durch Menschen unumstößlich zu wissen: „Der Vater hat den Sohn lieb“ (Johannes 5, 20). Eingehüllt in diese Liebe wurde Jesus weder Hunger noch Einsamkeit erspart, weder Erniedrigtwerden, noch Sterben. All diese Schrecken konnten nichts von der Gewissheit abbrechen: „Der Vater lässt mich nicht allein“ (Johannes 8, 29). „Der Vater ist bei mir“ (Johannes 16, 32). „Ich bleibe in der Liebe des Vaters“ (Johannes 15, 10). Für ihn bin und bleibe ich der Sohn, über dem er ausruft: „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe“ (Matthäus 3, 17; 17, 5) Das war die felsenfeste Gewissheit von Jesus. Sie wurde Jesus keine Augenblick lang wankend. In dieser Geborgenheit konnten die Heilandswerke von Jesus aufblühen. Das war „die Liebe, mit der Gott Jesus geliebt hatte“.

 

Wenn wir uns erkühnen wollten, ebenso wie Jesus von Gott geliebt zu werden, kämen wir uns vermutlich vermessen vor, unnüchtern, vielleicht sogar größenwahnsinnig. Aber der zu Gottes Majestät aufgefahrene Jesus legt – sage und schreibe – diese Bitte seinem himmlischen Vater vor: „Die Liebe, mit der du mich liebst, sei in ihnen!“

 

In früheren Zeiten hat man öfter als heute davon gesprochen, dass Christen „Gewissheit des Heils“ haben sollen. „Heilsgewissheit“! Es ist zu bedauern, dass diese Sache uns so fremd geworden ist.

Unser Glaube muss doch mehr sein als ein hoffnungsvolles Vermuten. Vielmehr kann und soll es Gewissheit geben. Nämlich eine Gewissheit, die nicht abhängig ist vom Wohlergehen – und wankend wird, wenn Leid hereinbricht. Für solche Gewissheit tritt der zu Gott aufgefahrene Erlöser Jesus bei seinem Vater ein. Die Christen sollen sich doch nicht nur so nennen. Sie sollen nicht nur versuchen, ein wenig christlich zu leben. Sondern sie sollen wissen, selbst wenn sie in Widrigkeiten und Einsamkeiten stecken, selbst wenn sie von Schwäche gelähmt vom Leben gebeutelt sind: „Der Vater hat mich lieb, er lässt mich nicht allein. ‚Der Vater ist mit mir, darum fürchte ich mich nicht; was können mir Menschen tun’ (vgl. Psalm 118, 6)“. Sie sollen die wahre Liebe Gottes erfahren – nämlich die Liebe, mit der Gott auch Jesus geliebt hat. Also – der Apostel Paulus hat es verstanden und neu formuliert – die „Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (Römer 8, 39). Für nichts weniger tritt Jesus bei seinem Vater ein – für Sie und für mich.

 

Jesus will uns ewig bei sich haben

 

Wahrscheinlich hat es niemand unter uns arg eilig damit, ewig zum Heiland Jesus zu kommen. Es wird uns gehen wie jenem deutsch- kasachischen Bischof, der in jungen Jahren vom Krebs befallen worden war. Er hatte mich zu sich gebeten in der Hoffnung, ich könnte vielleicht seine schwere Krankheit wegbeten. Aber als die Schwachheit immer größer, die Schmerzen immer bohrender wurden, da wollte ich ihm des Glaubens Trost zusprechen: „Lieber Bruder, es geht doch zum Heiland!“ Mit matter Hand winkte er – halb zustimmend, halb abwehrend. Und sagte leise: „Ich weiß, aber ich freue mich noch gar nicht so doll drauf!“

 

Wie nüchtern und ehrlich ist das, wie normal ist das! Vor uns liegt die Angst davor, diese Welt loslassen zu müssen und einzutauchen in das so unbekannte Sterben. Alle Achtung, dass der Apostel Paulus sagen konnte: „Ich habe Lust, aus dieser Welt zu scheiden und bei Christus zu sein“ (Philipper 1, 23). Das geht uns nicht unbedingt leicht über die Lippen. Wahrscheinlich fällt uns sogar das Gebet schwer: „Wirk in mir den Geist des Glaubens, dass ich mutig sterben kann“ (Philipp Friedrich Hiller)! Jesus ist jedoch auf noch wesentlich mehr aus als auf ein getrostes und mutiges Sterben.

 

Denn dies ist die Bitte des zu Gott erhöhten Jesus an seinen Vater ist: „Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast!“ Er will es, lange bevor in uns die Lust aufkeimt, aus der Welt zu scheiden. Er, Jesus, will es, dass wir ewig bei ihm sein sollen. Von selbst wären wir darauf nicht gekommen. Aber das ist seine erklärte Bitte an Gott. Menschen wünschen sich, das Sterben möge leicht sein. Oder „die Erde möge leicht sein!“ Oder „man möge mich nicht so rasch vergessen; es soll doch etwas von meinem Leben nachwirken!“

 

Die königliche Bitte des zur himmlischen Majestät erhöhten Jesus lautet jedoch: „Sie sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast!“ Jetzt lassen Sie uns doch zu denen gehören wollen, über denen gilt: „Das Größte kommt erst noch: Mit Jesus zum Vater“! 

Amen.

 

Herausgeber:

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