01.01.2001
„...in
welchem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.“
Kolosser 2, 3
Jahreslosung 2001
Liebe Gemeinde,
anerkennenswert ist es, dass und wie sich in diesen Tagen die STUTTGARTER
ZEITUNG die Mühe macht zu erklären, dass es so etwas wie Sünde doch immerhin
gibt und was denn mit Sünde gemeint sein könnte.
Unser Herr Jesus hat in seinen Erdentagen seine Hauptaufgabe mehr darin
gesehen, uns Menschen wissen zu lassen, wer denn sein Vater im Himmel ist, der
auch unser Vater sein will, - was wir an diesem Gott haben : Dem Schöpfer, der
die Sperlinge nährt, sind wir doch noch viel mehr wert als die kleinen
Piepmatze! Er weiß, was wir brauchen, ehe wir ihn bitten.
Er erwartet nicht viele Gebetsworte, bevor er Erhörung schenkt. Er kann von dem
Bösen erlösen! Er kann Schuld vergeben, aus der Versuchung heraushalten. 90 %
der Gleichnisse des Heilandes Jesus machen anschaulich, wer Gott ist und was er
gerne überströmend schenken und schaffen will.
Gott erkennen
"Niemand hat Gott je gesehen! Der Eingeborene, der Gottes Sohn ist und in
des Vaters Schoß ist, der hat uns ihn verkündigt" (Johannes 1, 18). Der
hat uns Einblicke gegeben in Zusammenhänge des Gotteswirkens. Da ist der
Vorhang zurückgezogen worden, damit Menschen Gott erkennen konnten. Damals hat
Jesus Durchblicke gewährt. Etwa:
Alles wirklich Entscheidende hatte schon vorauslaufend eine Vorankündigung: Wie
Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so wird auch der Menschensohn erhöht
werden! Wie damals die Menschen gerettet wurden, die vertrauensvoll zu diesem
Zeichen der gerichteten Giftschlange aufschauten, so sollen auch alle die ewig
gerettet sein, die glaubend zu Jesus aufschauen. Wie Jona drei Tage im Leib des
Fisches war, so wird auch der Gottessohn drei Tage im Innern der Erde sein.
Oder dass Jesus dazu gekommen ist, die Ankündigungen der Propheten zu
"erfüllen". Etwa auch die große Ankündigung: Gott wird einen total
neuen Bund in Kraft setzen. Dann werden Große und Kleine Gott
"erkennen", sie werden begreifen, wer Gott ist!
Das alles w a r nicht nur einst einmal! Das ist die Hauptaufgabe des Jesus
Christus.
Ihm hat Gott alle Macht anvertraut. Er möchte uns zu
"Aha"-Erlebnissen verhelfen in göttlichen Zusammenhängen, zu
Durchblicken, zum Erkennen von Zusammenhängen.
Wir sollen ein sicheres Gespür bekommen für alles, was Gott freut, und auch für
das, was Gott betrübt (dann wissen wir mehr als all das, was uns
Zeitungsartikel beibringen können).
Wir sollen heimisch werden in göttlicher Logik. Wir wollen vertraut werden mit
biblischen Grundlinien.
Liebe Zeit noch einmal! Liebe Zeit der kommenden 365 Tage! Welch eine Chance
sind sie für alle, die sie erleben dürfen! "Das ist ewiges Leben, dass sie
dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus,
erkennen!"
Wir alle haben es ganz gewiss schon erlebt - bei Fremden- oder bei
Museumsführern: Selbst wenn man gar nicht besonders zuhören wollte, wird man
dann gepackt, wenn da wie ein Funke überspringt von dem, der mit brennendem
Herzen erklärt und so in uns gerne für das Verständnis wecken will, was ihm so
sehr wichtig ist.
Aber das ist ja nur ein schwacher Vergleich für den Jesus Christus, der darauf
brennt, uns seinen Vater unüberbietbar wichtig und wert zu machen.
Wir sollten darauf gespannt sein. Dafür wach. Dafür hellhörig. Der jüdische
Weise Maimonides (um 1200) hat den griechischen Philosophen recht gegeben, dass
uns so vieles an Aufgaben, an Plänen, an lustvollem Verlangen abziehen will von
dem, was eigentlich wichtige Erkenntnisse wäre. Aber - so hat er dann gesagt -
bei Menschen, die mit Gott eigentlich leben wollen, bietet das Älterwerden eine
unvorstellbare Chance, dass nämlich der Geist aufs Neue gefordert wird durch
neue Erkenntnisse aus der Heiligen Schrift. Es sei, wie wenn Gott uns einen
Kuss liebevollster Vertrautheit gewähren wollte. Aber doch nicht erst beim
Älterwerden, sondern mit jedem neuen Jahr!
Jesus steht bereit dazu, viele Gebete zu erhören, in vielen schwierigen
Situationen zu führen, in Schwachheit zu stärken. Aber die ganze liebevolle
Zuneigung des Christus Jesus will sich darin erweisen, dass er uns vertraut
macht mit den Gedanken und Plänen Gottes (vgl. Johannes 15, 15).
Seitdem mir dies bewusst wurde - im zurückliegenden Jahr -, habe ich ein
kleines Merkheft angefangen. Zuerst war's überschrieben mit
"Zusammenhänge". Aber dann habe ich druntergeschrieben "meine
Kapitalanlagen". Gottes Weisheit ist besser als Gold und als erlesenes
Silber (Sprüche 8, 19). Nun ist mir dieser Block ein Wachmacher: Was will mich
Jesus heute erkennen lassen? Womit will er mich reich machen? Wie bekomme ich
heute den Kuss der ewigen Welt? "Gott will, dass allen Menschen geholfen
wird - nämlich indem sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (vgl. 1. Timotheus
2, 4). Solches Erkennen soll es möglich machen, dass es nicht bloß auf dem
Papier steht und Lippenbekenntnis bleibt, Gott von ganzer Seele, von ganzer
Seele, mit allen Kräften zu lieben.
Aus staunendem Erkennen soll Liebe wachsen können
Herzerwärmend, menschlich tief bewegend wird erzählt, was Hans von Wedemayer -
der spätere Schwiegervater von Dietrich Bonhoeffer - seinen Eltern schrieb, als
er Ruth von Kleist begegnet war: "Ich kann euch nicht beschreiben, wie sie
aussieht; ich weiß nicht, wie alt sie ist oder was sie tut. Ich weiß nur, dass
ich sie heiraten werde!" Das ist spontane Liebe: "Das hat dein
Schönheit gemacht, hat mich zum Lieben gebracht mit großem Verlangen!"
Unter Menschen ist's möglich, immer wieder. Glückwunsch allen, die solch eine
zarte, reine Liebe erfahren! Warum sollte es denn zwischen uns und Gott anders
sein, im Verhältnis zu dem Gott, der uns mit all unserem Sehnen nach
Geborgenheit, mit unserem Verlangen nach bereicherndem Ergänztwerden geschaffen
hat?
Weil es ihm zu wenig ist - einfach unpassend! -, wie wir uns oft damit abmühen,
die Sympathie für ihn um einige Wärmegrade höher zu drehen (fast wie eine
verkalkte Heizung), deshalb gibt er sich uns zu erkennen. Wir sollen von Gott
so fasziniert werden, wie uns sonst nichts in dieser durch ihn geschaffenen
Welt fasziniert. Wir sollen gepackt werden von Gott, in Liebe entbrennen zu
Gott. Wir sollen so ähnlich wie Hans von Wedemayer sagen können: "Ich
verstehe zwar noch lange nicht viel von Gott; ich weiß nur, dass ich zu ihm
gehören will!"
Der vorhin erwähnte Rabbi Maimonides hat für das Fasziniertsein durch Gott ein
eindrückliches Bild gebraucht: Die Gotteswirklichkeit sei wie ein weites,
mächtiges Schloss. Manche ließen sich daran genügen, die Pracht dieses
Schlosses von Ferne auf sich wirken zu lassen. Andere seien durch den Anblick
aus der Ferne wie magisch angezogen von der Herrlichkeit; sie wollten möglichst
nahe an die Herrlichkeit gelangen. Sie wollten sogar durch die Tore hinein in
die Innenhöfe. Aber wie traurig sei es, wenn sie sich daran genügen ließen und
nicht begriffen: Im Schloss drinnen , da hinter den mächtigen Portalen, dort
hinter den wertvollen Vorhängen ist das Entscheidende zu finden! Der Herr der
Herrlichkeit wartet persönlich im Audienzsaal auf Gäste, um sie willkommen zu
heißen, um sie als seine Freunde zu bewirten.
Maimonides wollte damit sagen: Allein schon die von Ferne staunend betrachteten
Spuren der Gotteswirklichkeit sind packend. Aber höchst bedauerlich ist es,
wenn man sich daran genügen lässt und nicht begreift, dass Gott mit uns - wie
einst mit Mose - reden will, "wie ein Mann mit seinem Freunde redet".
Mose hat dieses Sehnen gekannt: Gott, ich möchte dich sehen - von Angesicht zu
Angesicht! - "Ich will schauen dein Antlitz in Gerechtigkeit", so
haben die Frommen Israels ihr Sehnen in Worte gefasst!
Das ist noch einmal etwas anderes, als wenn kluge Menschen zu allen Zeiten nach
dem Kern, nach dem geheimen Wesen unserer Welt geforscht haben: nach einer Art
Geheimcode, nach einem Schlüssel, nach einer Antwort auf die Frage, was die
Welt im Innersten zusammenhält.
Wer auch nur von Ferne die Wirklichkeit Gottes begriffen und gespürt hat, der
sucht nicht mehr nach einer Formel, nach einem Code, nach einer Ur-Materie. Sondern
der sucht nach Gott. "Meine Seele dürstet nach Gott, dem lebendigen Gott.
Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue?" "Sie
sollen alle mich erkennen", so hatte Gott durch seinen Propheten Jeremia
ankündigen lassen. Welch ein Programm, welch ein Ziel könnte das sein für ein
neu anbrechendes Jahr!
Gott lässt sich in Jesus erkennen
Der Vergleich mit dem Schloss, mit seiner imposanten Fassade und mit seinen
Empfangsräumen im Innern, hat mich beschäftigt. Ist der Herr des Schlosses, der
König, nun eigentlich darauf aus, sich zu verbergen vor den Scharen von
staunenden Besuchern im Schlosshof? Oder zeigt die Flagge auf dem Turm völlig
zu Recht an, dass der König seinem Volk ganz nahe ist?
Eigentlich stimmt ja beides: Der König ist ganz nahe - und er hält sich
bedeckt; er ist verborgen in seinem Privatbereich. Wer ihm begegnen will, muss
sich dorthin aufmachen. Es hat keinen Wert, im Außenbereich des Schlosses
darauf zu warten, dass er auf den Balkon tritt und aus der Distanz freundlich
den Besuchern zuwinkt.
Doch "Schluss" jetzt mit dieser Illustration! Es geht doch um die
Wirklichkeit. Gott ist uns unsagbar nahegekommen. Er möchte, dass wir ihn in
seinem ganzen Wesen so erkennen, dass bei uns Liebe zu ihm aufbricht, - die
Sehnsucht, ganz zu ihm gehören zu können!
Darum hat er sein ganzes Wesen in Jesus komprimiert. Deshalb hat er Jesus alle
Macht im Himmel und auf Erden anvertraut. Dazu hat Gott diesem Jesus schon von
Geburt an den Ehrentitel zugedacht: "Immanuel", das heißt "Gott mit
uns!" In diesem Jesus, von Gott in unsere Welt hineingeschickt, durch Gott
für unsere Menschenwelt zum Erlöser gemacht, von Gott aus aller Vergänglichkeit
befreit, durch Gott zur Rechten des allmächtigen Vaters erhöht, damit wir einen
Fürsprecher bei Gott hätten - in diesem Jesus können wir Gottes wahrem Wesen
begegnen, Gott in Person, Gott höchstpersönlich, nicht eben einem
Stellvertreter, einem zweitrangigen Statthalter, einem unbedeutenden
Domestiken.
Dieser Jesus, dieser "Gott in Person", will uns in vertrautem
Gespräch persönlich begegnen. Er kann und will uns einweihen in verborgene
Pläne Gottes. Er will uns vertraut machen mit Gottes ewigen Absichten. Er will
uns - über unser minimales Konfirmandenwissen hinaus - zu erhebenden
"Aha"-Erlebnissen verhelfen, zu Einblicken in göttliche
Zusammenhänge.
All das, was Gottes Propheten staunend erlebt haben, dass sie nämlich zu
Geheimnisträgern Gottes gemacht waren, das dürfen wir als Freunde Jesu
erwarten. Nüchtern erwarten!
Der Landwirt und Metzger Michael Hahn, der Gründer der Hahn'schen
Gemeinschaften in Württemberg, hat schon in jungen Jahren Durchblicke bekommen
hinein in die Zusammenhänge des göttlichen Planens und Wirkens. Er hieß diesen
Durchblick -und ich liebe dieses Wort- eine "Zentralschau". Darüber
hat er bis in die letzte Faser seiner Seele und seines Körpers erlebt:
"Gott ist das Größte, das Schönste und Beste, Gott ist das Süßte und
Allergewißte, von allen Schätzen der edelste Hort"!
Jesus Christus kann und will bis heute göttliche Weisheit und Erkenntnis Gottes
geben, unter die Leute bringen. Aber man kann sie nicht anders bekommen und
haben als bei Jesus. Darauf hat Paulus abgehoben mit dem Wort, das jetzt ein
Jahr lang unsere Gedanken ausrichten soll: "In Christus liegen verborgen
alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis."
Ungezählte Menschen sehnen sich nach Erkenntnissen der jenseitigen Welt. Sie
erfinden die unglaublichsten Tricks und unvorstellbare religiöse Beschwörungen,
um an diese Welt heranzukommen. Aber mit Jesus wollen sie so wenig zu tun
haben, wie die Menschen seit jeher mit Jesus zu tun haben wollten. Darum bleibt
ihnen der Zugang zu der Welt Gottes verschlossen, die Welt Gottes selbst
verborgen, von der Paulus einmal staunend gesagt hat: "Was kein Auge gesehen,
kein Ohr gehört hat, was in keines Menschen Herz gekommen ist, das hat Gott
bereitet denen, die ihn lieben".
Vor uns liegt doch nicht nur das Neuland von 365 Tagen mit all dem, was sie
bringen werden. Vor uns liegt viel mehr und viel wichtiger das bisher von uns
noch gar nicht erforschte Gebiet von Gotteserkenntnis, das Jesus uns so gerne
erschließen möchte - die ganze Höhe und Breite und Länge und Tiefe, die
Querverbindungen und die Zusammenhänge in Gottes Handeln, vor allem die Glut
der Liebe Christi zu uns, die alle Erkenntnis noch weit übertrifft!
Das uns erschlossene neue Jahr kann wirklich er-"hebend" werden.
Jesus ist es, der Ihnen und mir bisher verborgene Schätze "heben"
will! Kapitalanlagen, die einen ungeahnten Höhenflug vor sich haben!
Amen.