Rolf Scheffbuch

Kurzpredigt über Psalm 90, 1-17

19.01.1992

 

Da ist also ein Thema in Psalm 90, das uns alle angeht. Todsicher, wie wir so sagen.

„Der Du die Menschen lässest sterben.“

 

Vorgestern im Fernsehen ein Gespräch und eine österreichische Soziologin hat gesagt: Seit etwa 250 Jahren ist es bei uns in Europa üblich geworden, dass wir den Tod nicht mehr aus der Hand Gottes annehmen. Und seitdem versuchen wir mit dem Tod fertig zu werden und leben in Todesangst, wie keine der Generationen vor uns. Mit einem Lebenshunger, so sagte sie. Wir wollen  die Jahre des Lebens füllen, dass wir's vergessen, dass einmal Gott uns ruft.

 

So aktuell ist das: Nicht mehr aus der Hand Gottes den Tod annehmen. Und dann hat man einen Hunger danach: Wir müssen unser Leben sinnvoll machen. Und Mose sagt: „Zeige deinen Knechten Deine Werke.“ Nicht was wir hineinstopfen ins Leben, sondern was Du wirken kannst.

 

Kirchenpräsident Bezzel von Bayern hat gesagt, man muss oft dahin kommen, dass man selber gar nichts mehr wirken kann, um zu begreifen, was Gott wirkt.

 

Vor ein paar Wochen war ich soweit. Ich war aufgebrochen. Ich hab mich gefreut wie selten auf eine Amerika-Reise. Und dann landete ich im Krankenhaus drüben. Ich konnte einfach nicht mehr. Es war eine Wundrose und Blutvergiftung. Über Nacht gekommen - als ich aufwachte. Und ich konnt nur noch sagen, wo ist das nächstbeste Krankenhaus. Da haben sie gesagt: Eine Meile weiter. Und wie's so ist, wird euch das übrige alles zufallen. Es war ein presbyterianisches Krankenhaus, ein christliches. Mit wunderbaren Christenmenschen als Pfleger und Schwestern und Ärzten.

            „Zeige deinen Knechten deine Werke.“

Ich hab mir’s nicht rausgesucht. Er hat's geschafft. Und dann kamen sechs Krankheitswochen. Ich danke für alle Anteilnahme. Ach, eine gesegnete Zeit, wo mein Herr auch unerkannte Sünde aufdecken konnte, musste: „Du stellst ins Licht vor deinem Angesicht.“

Wo die Bibel wieder neu gesprochen hat: „Zeige deinen Knechten deine Werke.“

 

Im Rundfunk hat ein amerikanischer Prediger dann einmal gesagt: Es sei die Größe der Bibel, dass viel erzählt wird; keine Gedanken kommen, sondern dass wir die Taten Gottes vor Augen sehen. Wir sollen's auch den Kindern weitergeben. „Zeig deinen Knechten und Mägden deine Werke.“

Es ist was zum Ansehen da.

 

Und ein anderer hat ausgelegt das Buch der Sprüche. Ich hab gesagt, da kann nicht viel dabei herauskommen. Er hat gesagt, wer Weisheit Gottes lernen will, so steht's in Sprüche 39, glaub ich, der muss das Leben der Gerechten betrachten.

 

Ich hab dann als ich hier im Krankenhaus lag, die große Lebensbeschreibung von Prälat Kapf gelesen. Der war ja bloß zwei Jahre Prälat, dann hat er gemerkt, da kann man nichts ausrichten. Dann hat er sich beworben als Pfarrer in der Stiftskirche. Er war der Vorgänger von Konrad Eißler. Und dann hat er 27 Jahre dort was geleistet. Und hat in unser Württemberg die Ära Kapf gebracht. Man spricht von dieser Ära Kapf, und ich hab mich gefragt, worin bestand sie? All die Reformvorschläge, die er gemacht hat - tolle Vorschläge, zur Reform des Sonntags, der Konfirmation, zur Reform des Theologiestudiums - das wurde alles nicht durchgeführt. Was blieb? Er war ein Mann des Betens. Man hat gesagt, er hat vier Stunden am Tag gebetet. Jeden Hausbesuch, den er gemacht hat in der Stiftskirchen-Gemeinde, so wie Mose, der Knecht Gottes, vor Gott gebracht, sein ganzes Leben. Und davon sind Wirkungen ausgegangen ins evangelische Stuttgart in unser ganzes Land. „Herr, zeige deinen Knechten und deinen Mägden deine Werke.“

 

Ich möchte ihnen Mut machen, in der Bibel und in großen Lebensbeschreibungen, die Werke Gottes zu erkennen. Es gibt ja vier Bände „Württembergischer Väter“. Ich lese sie auch. Wenn ich in Ruhestand komme und noch Zeit habe, möchte ich fünf Bände schreiben „Württembergische Mütter“. Denn all die Väter haben Mütter gehabt. Und die sind die entscheidenden gewesen, bei denen Gott seine Werke gewirkt hat. Jetzt werden sie auch hellhörig, bekommen offene Augen in unserem auf den Tod zu rennenden Leben, was Gott in ein Menschenleben an Werken gestallten kann.