21.04.2003
„So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln.“
Römer 6, 4
Liebe Gemeinde!
Ist denn das nicht unerhört! Dieses so anspruchsvoll klingende „wie Christus“:
„Wie Christus... so auch wir!“ Ist denn das nicht vermessen? Was ist denn damit
gemeint? Dass wir etwa „wie Christus“ nicht mehr sterben müssen? Dass die
Versuchungen des Teufels an uns abprallen, wie sie an Jesus abgeprallt sind?
„Wie Christus..!“ Was soll’s?
Was mit diesem „wie“ gemeint ist
Zuerst einmal etwas, das ganz entscheidend mit unserem Leben zu tun hat. Mit
unserem Lebenswandel. „Wandeln“ ist – zugegebenermaßen - ein arg altertümliches
Wort. Gemeint ist, wie wir von Tag zu Tag existieren. Jesus ist stärker als der
Tod und als alle verderbenden Mächte. Deshalb können wir gewiss gespannt darauf
sein, was er mit uns nach dem Sterben vorhat. Aber auch bis dahin hat doch „der
Vater der Herrlichkeit“ Unerhörtes für uns bereit!
Zwar werden wir hier in unserem Leben nicht „wie Christus“ werden. Das wird
einmal geschehen, wenn Christus vom Himmel kommen und unseren nichtigen,
vergänglichen Leib mit seiner Klarheit erfüllen wird. Aber auch jetzt in
unseren Lebenstagen müssen wir nicht so bleiben, wie wir nun einmal sind!
Gottes schöpferische Kraft wollte doch nicht bloß den zerschlagenen Körper des
hingerichteten Jesus umgestalten! Gott ist verschwenderisch in seiner Liebe,
nicht kärglich! Die Lebensdynamik Gottes will doch bis heute auch alle die
Menschen erreichen, die sich zu diesem Jesus zählen! Wie die Herrlichkeit des
Vaters dafür gesorgt hat, dass Jesus von den Toten auferweckt wurde, so will
Gott seine Ehre darein setzen, dass es bei uns nicht beim Alten bleibt! Wir
können gespannt sein auf eine neue Lebensqualität. Wir können Großes, Hohes,
Außerordentliches für unser Leben erwarten!
Mit uns schwachen und fehlsamen Leutchen soll es entscheidend anders werden!
Wirklich? Wer kann so etwas annehmen, so etwas glauben, so etwas hoffen? Ja,
das ist genau so unerwartet, genau so „unglaublich“, genau so unerklärlich w i
e die Auferstehung des hingerichtet ins Grab gelegten Jesus. „Wie Christus
auferweckt ist von den Toten, so sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln!“
Gottes Herrlichkeit kann aus Tohuwabohu Vollkommenes schaffen. Sie vermag auch
menschliche Wesen und Prägungen zu verändern.
Wir sagen das so leichthin. Aber eigentlich ist es total ungeheuerlich, absolut
elementar, eben nichts als ein unerklärliches Gotteswunder. Es ist so
abenteuerlich, so unvorstellbar - eben w i e damals, als Gott in souveräner
Schöpfungsherrlichkeit den zermarterten Jesusleib aus dem Grab holte und zu
sieghaftem Leben erweckte.
Das ist es, was gemeint ist mit der Feststellung: „ Wie Christus auferweckt ist
von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so sollen, so werden auch wir
in einem neuen Leben wandeln.“ Es soll, es wird nach Gottes Willen etwas
geschehen, worüber man nur noch staunen und sich verwundert die Augen reiben
können wird. Unglaublich!
Was Gott bei uns machen will
Gott, der Vater der Herrlichkeit, hat doch schon Großes an uns getan! Es ist
doch ein unerklärliches Wunder der herrlichen Schöpferkraft Gottes, dass wir
überhaupt glauben können, dass wir mit Jesus Christus rechnen können. Denn
jeder normal gebaute Mensch – und das sind wir doch alle! - muss mindestens
über jedes zweite Bibelwort die Nase rümpfen, bedächtig den Kopf schütteln,
seinen eigenen Senf dazu geben. Dem normal-religiösen Menschen genügt voll
erschöpfend eine vage Gottes-Vorstellung; er kann großzügig auf Jesus
verzichten. Meinen denn etwa wir, wir seien besser, frommer, treuer, Gott
wohlgefälliger, weil wir in dem allem ein wenig anders sind? Nein – auch da
müssen wir auf den Apostel Paulus hören – wir glauben, „weil die Macht der
Stärke Gottes an uns wirksam wurde, die er in Christus gewirkt hat, als er ihn
von den Toten auferweckte“ (Epheser 1, 19f). Glauben können ist ein Wunder, das
durch Gottes geballte Auferweckungskraft allein möglich wurde.
Höchst unnormal wäre es jedoch, wenn Gott es dabei hätte bewenden lassen. Die
„Herrlichkeit des Vaters“ – darauf weist der Apostel Paulus ausdrücklich hin –
bewährt sich im schöpferischen Machen, in zurechtbringendem Gestalten. Erinnert
sei an zwei biblische Hinweise (auch sie beginnen mit dem Stichwort „wie“):
„Gleichwie der Regen und der Schnee vom Himmel fällt und ... feuchtet die Erde
und macht sie fruchtbar und lässt wachsen ... so soll das Wort, das aus Gottes
Mund geht, auch sein: Es soll ... tun, was Gott gefällt und es wird ihm
gelingen“ (Jesaja 56, 10ff). – „Gleichwie Gewächs aus der Erde wächst und Same
im Garten aufgeht, so lässt Gott, der Herr, Gerechtigkeit aufgehen“ (Jesaja 61,
11). Es ist schöpfungsgemäß, dass der herrliche Gott geradezu zwangsläufig auch
für Zurechtbringen, für Wachsenlassen, für Gestalten sorgt! Dass es bei den
Leuten des Christus auch einen neuen Lebens-„wandel“ gibt, darauf ist der
herrliche Vater des Jesus Christus aus! „Wie Christus auferweckt ist von den
Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so sollen, so werden auch wir in einem
neuen Leben wandeln“.
(Apropos „Lebenswandel“, also umständlich gesagt „Ethik“, „christliche
Lebensgestaltung“: Was wird doch bloß heute für ein Gedöns darum gemacht, was
„ethisch“ veraltet sein soll und was „ethisch unaufgebbar“ für Christen sein
muss! Wahre Ethik wird doch nicht alle vier Jahre wie eine Regierungserklärung
als neue Leitlinie verkündet! Wahre Ethik ist doch darauf ausgerichtet, Jesus
keine Schande zu machen! Da ändern sich die Inhalte nicht alle vier Jahre! Das
mögen viele nicht verstehen! Mit Leuten, welche die Möglichkeit der
Auferstehung von Jesus noch anzweifeln, kann ich doch nie einig werden über die
Bewertung von Abtreibung, von Homophilie, von Habgier. Genug!)
Was will Gott bei uns machen? Wir denken schnell an weltweiten Frieden und an
totale Gerechtigkeit, an Wunderheilungskräfte und an fast vollkommene
Gemeinden. Darum war es mir wie eine Entdeckung, als mir aufging: Das ist ganz
wortwörtlich gemeint, dies „ wie Christus auferweckt ist von den Toten“. So
soll und so kann und so wird der neue Wandel der Jesusleute aussehen!? Wie war
es denn damals, als Jesus auferweckt wurde? Was ist uns berichtet?
Berichtet wird etwa, dass Jesus als der von Gott Erweckte seine verstörten
Nachfolgerinnen und Freunde aufsuchte, um ihnen den Frieden Gottes
zuzusprechen. So dürfen auch wir Verstörte, Verzweifelte, Trauernde entdecken,
aufsuchen, in Gottes Vollmacht trösten, ihnen den Frieden Gottes zusprechen.
Und das geschieht, Gott sei’s gedankt, in unserer Gemeinde!
So wie der auferstandene Jesus sich um einen zweifelnden Thomas liebevoll
annahm, so wie er den an Gott irre gewordenen Emmausjüngern wieder Vertrauen in
Gottes Pläne gab, so sollen auch wir keinen einzigen Zweifler, keinen von den
„Ehemaligen“ als hoffnungslosen Fall abschreiben. Vielmehr dürfen wir gerade
den unsicher Gewordenen zu Glaubensstärkern werden, zu Ermutigern! Ich weiß,
dass auch dies in unserer Gemeinde geschieht.
So wie von Jesus berichtet ist, dass er „schalt seiner Jünger Unglauben und
ihres Herzens Härte, dass sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen
hatten als Auferstandenen“ (Markus 16, 14), so dürfen auch Christusleute durchaus
aggressiv-herausfordernd (ja nicht „patzig“!) argumentieren – Paulus hat es ja
in 1. Korinther 15 vorexerziert! - : „Wenn Christus nicht auferstanden ist,
dann ist alle gutgemeinte Christlichkeit Firlefanz!“ „Wenn es keinen lebendigen
Christus gibt, dann ist alles Hoffen auf eine Zukunft von Kirche und Welt
nichts als Träumerei!“ Dazu kann Jesus auch uns heute Phantasie, Demut, Anstand
und Klugheit geben.
So wie der vom Vater der Herrlichkeit aus dem Grab geholte Jesus seinen
schwachen Leuten einen Welthorizont aufriss und eine Zukunft gab – damals, als
er sie in alle Welt zu allen Völkern wies und ihnen versprach, bei ihnen zu
sein bis an der Welt Ende - , so brauchen auch wir uns nicht abzufinden mit
einem begrenzten Türmleshorizont und auch nicht mit panischer Angst vor einem
morgen in Gottesverlassenheit! Dem Vater der Herrlichkeit sei Dank dafür, dass
er dies so oft auch in Korntal gewirkt hat
So wie der seinen verzweifelten Freunden nachgehende Jesus ihnen einen
Tiefendurchblick hinein in die Bibel Israels eröffnete, so sollen auch wir mit
erwartungsvollem Herzen darauf gespannt sein, was Jesus uns erhellend eröffnet,
er, der große Lehrer und Leiter.
So wie der zu seinen Jüngern an den See Genezareth zurückgekehrte Auferstandene
immer wieder aufbrechende Rivalität im Kreis der engsten Freunde dämpfte –
„wenn ich will, dass er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du
mir nach!“ - , so kann der Vater der Herrlichkeit dafür sorgen, dass auch unter
uns die schlimmsten Rivalitäten und Hahnenkämpfe und Besserwissereien gedämpft
werden. Wenn Er’s in der zurückliegenden bald 200 Jahren nicht immer wieder in
Gnaden getan hätte, würde es schon lange keine Brüdergemeinde mehr geben.
So wie auch gerade damals Jesus seinen Jünger Petrus nüchtern bereit machte,
auch einen Weg zu gehen, den er gar nicht gehen wollte – und nach ihm so viele
bis weit hinein in unsere Brüdergemeinde -, so kann auch heute der herrliche
Vater unseres Erbarmers Jesus uns bereit machen, das Rebellieren gegen einen Leidensweg
abzulegen.
So war’s damals beim auferstandenen Jesus und der Seinen mit dem neuen Leben.
Es wird doch bei uns heute nicht arg anders sein können! „Wie Christus
auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so sollen und
so werden auch wir in einem neuen Leben wandeln“! Welch ein Vorrecht! Welch
eine Herausforderung! Welch hohe Lebenserwartung!
Bei dem hochgeschätzten schwäbischen Liederdichter Philipp Friedrich Hiller
stieß ich auf die Strophe: „Gott, gib mir, du kannst’s geben, ein Herz, das nur
bemüht, dass es die Kraft zum Leben allein aus Christus zieht! Was nützt’s,
wenn ich mich färbe (wenn ich mir bloß ein christliches Make-up auflege), und
Gott nichts, wenn ich sterbe, an mir von Christus sieht?“! Amen, ja, bei uns
soll man etwas von Christus sehen!