Theo Lehmann – Jugendgottesdienst Nr. 22
Abschrift der Predigt vom 12. Mai 1974 über 2.Könige 5, 1-27 (Die Heilung des syrischen Generals Naeman)
Liebe Freunde,
ich erzähle euch heute von einem Mann namens Naeman. Das ist kein Verwandter von mir, der klingt bloß so ähnlich. Den könnt ihr schon allein deswegen nicht verwechseln, weil der vor 3000 Jahren gelebt hat, ein Syrer war und von Beruf General. Ich in der Generalsuniform, das wäre ja noch lustiger als ich im Talar.
Ein Erfolgsmensch macht eine unangenehme Entdeckung.
Naeman war also ein General der syrischen Armee, ein Oberbefehlshaber, ein Mann auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Steinreich, begabt, beliebt beim König, beim Kaiser, beim Volk - ein typischer Erfolgsmensch. Und auf dem Bauch hatte er eine ganze Menge von Orden und Ehren-zeichen, so wie sich das gehört.
Eines Abends, als sich der Herr General zu Bett begibt (ihr könnt das nachlesen im 2. Buch der Könige), entdeckt er auf seiner Haut ein paar weiße Flecken. Er denkt sich zunächst nichts dabei, und glaubt, das Verdienstkreuz erster Klasse hat sich durchgescheuert, er legt seine Generalsuniform ordentlich auf die Stuhllehne und sich selber ins Bett. Als er am nächsten Morgen aufwacht, sind diese hässlichen Flecken auf seiner Heldenbrust aber nicht verschwunden, sondern im Gegenteil, sie sind noch größer geworden. Im Laufe der Tage merkt er, dass sich überall auf seinem Körper solche hässlichen Flecken und Beulen bilden. Er will das nicht wahrhaben. Er denkt: Soll es mich wirklich erwischt haben? Bis er sich schließlich nach einer gewissen Zeit eingestehen muss: Ich habe den Aussatz!
Aussatz, der Krebs des Altertums.
Aussatz ist eine ganz gefährliche Krankheit, das ist nicht so etwas wie Grippe oder Fieber, wo man schnell damit fertig wird. Der Aussatz ist eine Krankheit zum Tode. Das ist damals genauso gefürch-tet und unheilbar gewesen wie heute der Krebs. Ich brauche euch ja nicht zu schildern, was los ist, wenn irgendeiner Krebs hat. Das ist ja so eine furchtbare Krankheit, dass man noch nicht einmal wagt, ihren Namen überhaupt auszusprechen.
Wer Aussatz hatte, wurde aus der Familie, aus dem Dorf, aus der Stadt ausgeschlossen, ausgesetzt: daher Aussatz. Er hatte ein elendes Leben und ein schreckliches Sterben vor sich. Der Mensch ver-faulte bei lebendigem Leib. Das war das Schicksal, dass der Naeman jetzt vor sich sah.
Was nützt Naeman seine Armee, sein Reichtum, seine Gunst bei Volk und bei Regierung, alles was er besitzt – er kann sich dafür nichts mehr kaufen. Auch nichts für die vielen Orden und Klunker, die er da am Bauch hängen hat. Vor allem kann er sich nicht mehr das kaufen, was er jetzt am allernötigs-ten braucht, nämlich Gesundheit. Der General ist erledigt, er ist ein Todeskandidat.
Man kann sich vorstellen, wie sich dieser Gedanke wie ein Albdruck auf das ganze Haus legt. Sie laufen bloß noch auf Zehenspitzen durch die Gänge, und alle Hausbewohner vom obersten Kammer-diener bis zum letzten Dreckpumpel sind betroffen vom Schicksal ihres Herrn.
Die geringste Sklavin kennt den, der heilen kann.
Und gerade dieser Dreckpumpel, ein junges Mädchen, eine Sklavin, die bringt die große Wendung. Wir wissen von diesem Mädchen nur, dass sie in irgendeinem der vielen Kriege zwischen Syrien und Israel (die haben sich von schon vor 3000 Jahren immer bekriegt) von Soldaten verschleppt worden ist und nun in der Villa des Generals die Stiefel putzen und den Dreck wegräumen musste. Wir wissen noch nicht einmal ihren Namen. Ein namenloses, unbekanntes, unbedeutendes Geschöpf – aber sie ist die einzige im ganzen Hause, die den wahren Gott kennt. Denn sie stammt aus Israel, aus dem einzigen Land zur damaligen Zeit, das den wahren Gott kannte und anbetete. Alle anderen Län-der ringsum beteten andere Götter an, sogenannte Götzen.
Ich weiß nicht, ob ihr wisst, was Götzen sind. Götzen sind damals das gewesen, was heute Ideologien und Weltanschauungen sind. Also etwas, was der Mensch sich selber zurecht gemacht hat. Die Ideo-logien kommen und gehen, aber Jesus bleibt bestehen, wie die Bibel sagt: Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit[1].
Damals in der Zeit, von der ich heute rede, war es große Mode, den Gott Ramon anzubieten. Heute weiß kein Mensch, wer das gewesen ist, außer vielleicht ein paar Altertumsprofessoren. Nicht ein-mal die unter euch, die Ramon oder Ramona heißen, haben eine Ahnung, wer der Herr Ramon ge-wesen ist. Es war ein Donnergott, ein Gewittergott, es war der oberste Gott der Assyrer, der damali-gen Weltmacht. Weil die Syrer als kleiner Satellitenstaat völlig abhängig waren von der assyrischen Großmacht, standen die natürlich auch auf dem Boden der assyrischen Weltanschauung. Auch der General Naeman stand da drauf, er stand auf Ramon.
Und weil diese israelitische Sklavin wusste, dass dieser tote Götze Ramon, den sie anbeteten, dass der keinem Menschen helfen kann, sondern dass bloß der lebendige Gott einem Menschen helfen kann, und weil sie wusste, dass in Israel ein Mann lebt, ein Zeuge dieses Gottes, der Prophet Elisa, da sagte sie sich eines Tages: „Jetzt ist einmal Schluss mit dem Geheule hier!“, stellt ihren Besen in die Ecke, fasst sich ein Herz, geht zu ihrer Chefin und sagt: Ach, wenn mein Herr Naeman doch zu dem Propheten Elisa nach Israel ginge, der könnte ihm helfen![2]
Was wir von dem mutigen Mädchen lernen können.
Mit dieser Bemerkung wird dieses Mädchen, diese unscheinbare Nebenfigur der Geschichte, auf einmal zu einer Hauptfigur des Geschehens. Und ich denke, wir könnten alle von diesem Mädchen sehr viel lernen. Denn sie hat erstens an ihrem Glauben festgehalten, obwohl sie in einem Land mit einer vollkommen anderen Welt Anschauung lebte. Sie hat zweitens in einem entscheidenden Augenblick, vor den Vertretern eines völlig anderen Systems, ein Glaubensbekenntnis abgelegt, und sie hat drittens dadurch einem anderen Menschen das Leben gerettet.
Für jeden von euch, der an Gott glaubt, kommt einmal der Moment, wo ihr einen anderen Men-schen zu Gott hin führen könnt. Ihr alle, ihr lebt in einer atheistischen Umgebung. Ihr freut euch, dass ihr heute einmal zu einem Gottesdienst mit vielen anderen Christen dabei sein könnt. Das ist auch wunderbar, dass ihr kommt – aber morgen Früh seid ihr wieder allein. Da seid ihr mit ganz anderen Menschen zusammen.
Warum Gott manche Menschen auf einen einsamen Posten stellt.
Da sind vielleicht welche unter uns, die die Einzigen sind in ihrer Brigade[3] oder in ihrer Klasse oder in ihrer Familie, die an Jesus glauben. Und du kommst dir vielleicht manchmal furchtbar einsam vor und fragst dich: „Warum lässt mich Gott hier ganz einsam und allein auf meinem Posten schmoren?“ – da solltest du einmal an diese junge Sklavin denken. Die war auch ganz alleine und die hat viel-leicht auch mit Gott gehadert und hat nicht verstanden, warum sie in Syrien leben musste. Sie hätte auch bestimmt lieber an der Universität in Jerusalem studiert, anstatt anderen Leuten die Spuck-näpfe sauber zu machen.
Aber jetzt in diesem Augenblick stellt sich heraus, dass der ganze umständliche Leidensweg, den dieses Mädchen gegen musste, nur deswegen erfolgen musste, weil Gott dieses Mädchen in Syrien brauchte. Gott hatte in ganz Syrien nur diese eine Sklavin, die General Naeman die Rettung geben kann. Und Gott hat vielleicht in deiner ganzen Klasse und Brigade und Familie nur dich, als den ein-zigen, der deinem nächsten einen Hinweis auf Gott geben kann. Und wenn du dir vielleicht auf deinem Posten einsam und verloren vorkommst, dann lass dir sagen, dass ein Kind Gottes niemals auf einem einsamen und verlorenen Posten sitzt, sondern dass Gott dich da, wo du jetzt bist, hinge-stellt hat, weil du dort ein Zeugnis für Gott ablegen kannst.
Gott hat eben in deiner Klasse oder in deiner Familie bloß dich und braucht dich, damit du ein Zeugnis für Ihn gibst. Also pass auf, wenn der Moment für dich kommt, wenn du einem anderem Hinweis auf Jesus geben kannst, und dann tu's auch. Da brauchst du nicht erst Theologie zu studie-ren. Du brauchst auch keine frommen Worte zu machen, du brauchst auch nicht so lange zu warten, bis der andere erst mal Krebs hat. Du bist doch oft mit anderen Menschen zusammen, und man redet so, und da ist einer dabei, der hat wegen irgendetwas den Kanal voll, er hat ein Problem, und weiß an irgendeiner Stelle seines Lebens nicht mehr weiter. Na, da kannst du doch zu ihm sagen: „Ich kenne einen, der deine Probleme lösen kann, das ist Jesus!“
Erzähle den Leuten von Christus!
Dann kannst du ihm sagen, na, dann geh doch einmal mit deinen Problemen zu einem Pfarrer oder zu irgendeinem Christen hin. Also, diesen Satz kannst du unter allen Umständen sagen. Oder willst du behaupten, du wärest zu weniger fähig als diese kleine Sklavin? Man muss manchmal lange war-ten, bis der richtige Moment kommt, bis man einem anderen Menschen etwas von Gott erzählen kann. Aber wenn der Moment gekommen ist, dann überwinde deine Feigheit und deine Schüchtern-heit und mach deinen Mund auf und sag‘ was.
Ich habe seit 20 Jahren einen guten Freund. Er hat im Grunde genommen alles, was der Mensch haben kann. Er ist verheiratet, hat ein Kind, einen Trabanten, hat eine gute Wohnung, einen ordentlichen Verdienst – dem fehlt nichts. Aber er ist immer unzufrieden. Den macht das fertig: Tag um Tag, früh aufstehen, in die S-Bahn rein, Arbeiten, mit der S-Bahn wieder raus, Fernsehen, zu Bett gehen, am nächsten Tag wieder das gleiche, jeden Tag, ein Leben lang, das macht ihn kaputt. Er findet in seinem Leben einfach keinen Sinn. Das kommt ihm alles sinnlos vor. Und jedes Mal, wenn ich mit ihm zusammen bin, dann fängt er davon an. In jedem Brief, den er schreibt, erwähnt er diese Sinnlosigkeit, an der er leidet. Ich hab bisher immer Hemmungen gehabt, ihn mal auf Jesus hinzu-weisen, obwohl wir Stunden und Nächte lang zusammen geredet haben. Man ist ja manchmal so blöde und gehemmt, dass man es nicht fertig bringt, dass man einem Kumpel gegenüber von Gott spricht. Aber jetzt, als er mir vor vierzehn Tagen wieder schrieb und als das Genöle wieder los ging mit der Sinnlosigkeit, da hat es mir gereicht, und ich hab mich hingesetzt und ich habe meine Post-karte geschickt. Da habe ich nur drauf geschrieben: „Es liegt nur an dir, ob du ein sinnvolles Leben hast: Wenn es ein Leben mit Christus ist! Unterschrift.“ Und ich denke, so oder ähnlich, irgendwie so könnt ihr das auch machen. Du kannst und du sollst durch dein Zeugnis zum Lebensretter für deine Nächsten werden.
Das Problem des Generals: er sitzt in der Klemme und auf dem hohen Ross.
Zurück zu unserem General. Der General möchte leben. Er möchte gerettet werden. Und er greift den Hinweis von seinem Dienstmädchen auf und macht sich tatsächlich auf nach Israel. Aber so sehr er in der Klemme sitzt, er sitzt immer noch auf seinem hohen Ross. Er hält es nämlich als General für unter seiner Würde, dass er mit einem einfachen Propheten, mit dem Elisa verhandelt. Er hält es für unter seiner Würde, dass er in die Hütte dieses Propheten geht. Für ihn kommt überhaupt nur das Schloss des Königs von Israel als Verhandlungsort infrage.
Es soll ja heute Leute geben, die es für unter ihrer Würde halten, in ihrer eigenen Heimatgemeinde in einen Gottesdienst zu gehen. Es kommt ja für die nur die Schlosskirche infrage. Und weil der Naeman kein General ist, den man kaufen kann[4] um damit sauber zu machen, sondern weil er denkt, er kann sich seine Gesundheit erkaufen, da bietet er dem König massenweise Gold und Silber an. Es soll ja auch heute Leute geben, die denken, wenn sie viel in die Kollekte geben, dass ihnen Gott dann das gibt, was Sie von ihm haben möchten. Gott kommt es aber nicht auf deine Piepen an, Er will dich.
Er will dich ganz haben. Und Gott sagt: wer mich von ganzem Herzen sucht, von dem will ich mich finden lassen. Hast du Gott eigentlich schon einmal von ganzem Herzen gesucht? Warum bist du denn heute hergekommen? Weil du Gott unbedingt haben möchtest? Oder bist du so ein Traditions-christ, oder ein halber, oder ein gar keiner, dann wird es Zeit, dass du heute ganze Sache mit Jesus machst, und dass du dich heute an Jesus wendest.
Du bist bei Jesus an der richtigen Adresse. Er ist ja bereit, dich aufzunehmen. Er hat ja für dich schon alles erledigt, als er am Kreuz für dich gestorben ist. Aber wenn du zu stolz bist, dich vor dem Kreuz vor Jesus zu beugen, dann bleibst du ein Aussätziger, dann bleibst du draußen, ausgeschlossen aus Gottes Reich. Denn die Bibel sagt: Gott widersteht den Stolzen, aber denen, die demütig sind, denen wendet er sich zu[5].
Naeman ist mit seinem Stolz und mit seinem Aussatz bei dem König von Israel an der falschen Adresse. Der kann ihm nicht helfen. Und während der Naeman dort dumm rumsteht, kommt von dem Elisa einen Zettel an den König, auf dem steht drauf: Schick den Mann zu mir, damit er merkt, dass ein Prophet im Lande ist.[6]
Jetzt endlich bequemt sich nun Naeman, zu dem Elisa hinzugehen. Aber er verkennt die Situation immer noch. Mit seiner ganzen Wagenkolonne donnert er vor der Hütte von dem Elisa vor, steigt aber nicht etwa von seiner Staatskarosse runter, sondern bleibt oben sitzen. Und wartet, bis der Prophet ihm nun katzbuckelnd entgegenkommt. Da kann er lange warten. Der Prophet denkt gar nicht daran, auch nur einen Blick aus der Tür oder aus dem Fenster raus zu werfen. Er schickt einen seine Bediensteten nach einer Weile raus, mit der Nachricht: „Mein lieber Mann, mein lieber Naeman, geh runter in den Jordan und tauche sieben Mal unter, und dann wirst du gesund.“
Auch da wird der General verrückt. Ganze Kompanie kehrt, ist das Kommando, Abmarsch, es geht nach Hause, da tobt sich der General nun richtig aus. So eine Unverschämtheit! Man macht sich den ganzen Weg von Syrien nach diesem blöden Israel und kriecht zu diesem Propheten dahin und der hält es noch nicht einmal für nötig, wenigstens einmal zur Tür heraus zu kommen. Er hätte doch wenigstens für mich einen Gottesdienst abhalten müssen, zu seinem Gott ein Gebet sprechen, mir die Hände auflegen, und stattdessen lässt der mir ausrichten, ich soll baden gehen im Jordan. Als ob wir zu Hause in Syrien nicht auch Wasser hätten, viel Saubereres als die Dreckbrühe vom Jordan. Und dann noch sieben Mal untertauchen, Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen in die Höhe, so ein totaler Blödsinn. Sagt der Naeman.
Naeman ist bereit zu allem – außer seinen Stolz aufzugeben.
Der Elisa weiß wohl nicht, wenn er vor sich hat. Der Elisa wusste ganz genau, wenn er vor sich hat. Nämlich einen eingebildeten, stolzen Menschen, der zwar sein Leben lang gewöhnt war, von ande-ren, seinen Untergebenen, bedingungslosen Gehorsam zu fordern, aber der nicht bereit war, Gott bedingungslos zu gehorchen. Und die Bedingung, die Gott ihm stellte, war ja nun wirklich nicht schwer. Gott verlangt nichts unmögliches, auch von dir nicht. Sich waschen und bis sieben zählen, das wird der Herr General schon noch gekonnt haben. Das ist kinderleicht. Aber das war es nicht und das war dem General zu einfach.
Wenn der Elisa von ihm verlangt hätte, er soll sein Geld hergeben um ein Krankenhaus zu bauen, wo dann vorne noch vielleicht der Name von Naeman dran steht – „Hospital zum General“ oder so – das hätte er sofort gemacht. Wenn der Elisa gesagt hätte: „Gib dein ganzes Geld her, verteile es unter die Armen!“ – da hätte er, ohne mit der Wimper zu zucken, sein Haus, seine Staatskarossen und sein Geld, er hätte alles hergegeben. Für seine Gesundheit, da wäre nichts zu teuer gewesen. Aber von einem, der wollte sich dieser Mann nicht trennen, und das war sein Stolz. Als Oberbefehlshaber der syrischen Armee vor den Augen seiner Untergebenen sieben Mal untertauchen wie eine Schloss Teichente, das wollte er nicht.
Du möchtest vielleicht auch irgendwas von Gott haben. Ich weiß nicht was, vielleicht möchtest du von Gott auch Gesundheit haben oder einen Studienplatz oder Vergebung deiner Schulden oder einen guten Job, ich weiß es nicht, was du dir von Gott wünscht. Du bist vielleicht bereit, um auf irgendetwas anderes verzichten, um das zu bekommen, was du dir von Gott wünschst, zum Beispiel nicht mehr zu rauchen. Du träumst davon, für Gott einmal ein richtig großes Ding loslassen zu kön-nen. Meinetwegen hier in dieser großen Kirche ein großes Zeugnis abzulegen oder in deiner Brigade oder ich weiß etwas. Ich weiß nicht, ob Gott das von dir verlangt. Ich weiß bloß, dass Er von dir ver-langt, dass du, und zwar ohne große Zeugen, dass du mit den Schwächeren in deiner Umgebung in deiner Klasse, und in deiner Brigade, dass du ihm hilfst.
Wir sind alle wie Naeman.
Gott verlangst von dir, dass du der kranken Frau in deinem Haus einmal die Kohlen nach oben trägst, auch wenn du deine Oberschülerklamotten dadurch etwas schmutzig machst. Vielleicht verlangt Gott von dir, dass du dich endlich einmal bei deiner Frau entschuldigst, für die blöde Bemerkung, mit der du ihr vorgestern weh getan hast.
Du sagst vielleicht: „Das weiß ich schon selber. Wegen solcher primitiver Ratschläge komme ich nicht von Leipzig oder von Crimmitschau in die Schlosskirche. Von einem Doktor der Theologie, da erwarte ich ein paar höhere Gedanken!“ – Da kannst du lange warten, bist du von mir mal einen hören Ge-danken zu hinkriegst (Riesengelächter).
Im Gegenteil, ich möchte dir sagen: Gib mal diese Sucht auf nach diesen großartigen Ideen und hohen Gedanken und geh lieber einen einzigen, einen einzigen praktischen Schritt der Demut und der Nächstenliebe. Hör auf mit deinen niveauvollen frommen Reden und begib dich einmal unter dein Niveau, unter dein so genanntes Niveau, und tu etwas aus deinem Glauben heraus, für einen Menschen, der unter dir steht und der dich braucht.
Du sagst vielleicht: „Ich hab mich schon bei meiner Frau entschuldigt, schon zwei Mal, und sie ist immer noch eingeschnappt.“ Dann musst du dich vielleicht noch sieben oder zehn Mal bei ihr ent-schuldigen, bis dann bei euch wieder Frieden einkehrt und du wieder Frieden mit Gott hast. Gott erwartet doch von dir gar keine großartigen Aktionen. Er erwartet doch von dir nur ganz einfach Gehorsam. Gehorsam in ganz einfachen, normalen, schlichten Alltagsdingen. Weiter nichts. Von dem Naeman wird auch weiter nichts verlangt. Er soll nur sieben Kniebeugen machen, dass langt für seine Rettung. Und gerade diese einfache Kleinigkeit, die fällt diesem Mann so schwer.
Weil es für uns Menschen nun einmal nichts Schwereres gibt, als dass wir unseren Stolz aufgeben. Ich kenne Leute, die brauchen Jahre dazu. Es gibt Leute, die schaffen das ein Leben lang nicht. Es gibt welche, die rennen jeden Sonntag mit dem Gesangbuch in die in die Kirche und fahren doch am Ende ihres Lebens mit Karacho in die Hölle, weil sie nicht bereit sind, ihren Stolz aufzugeben.
Naeman überwindet seinen Stolz – und wird geheilt.
Der Naeman ist zum Schluss doch noch soweit. Er lässt anhalten, er steigt von seinem hohen Ross runter, geht runter ans Jordanufer, zieht vor allen Leuten seine Generalsuniform aus, dass sie diese widerlichen und hässlichen Beulen und Aussatzflecken sehen können, und vor den Augen seiner geringsten Soldaten, die alle denken: „Nun ist unser Vorgesetzter irre geworden!“ steigt dieser Mann in das Wasser des Jordans und taucht unter, einmal, zweimal, vier Mal, sechs Mal, sieben Mal, und dann ist er rein vom Aussatz, und wupp! – mit einem Satz kommt er aus dem Wasser und läuft zu dem Propheten Elisa und als er an dessen Haus kommt, da sagt er zu dem Elisa: Siehe, jetzt weiß ich, dass kein Gott ist in allen Ländern außer in Israel[7]. Und er verspricht und sagt: „Ich will nie wieder anderen Göttern opfern und Brandopfer bringen, sondern alleine dem Herrn.“
So ist aus dem Götzenanbeter ein Gottesanbeter geworden. So ist aus dem Lager einer gottlosen Weltanschauung einer übergewechselt in Gottes Reich. Und was im alten Syrien möglich gewesen ist, ist heute im modernen Karl-Marx-Stadt genauso möglich. Gott holt sich seine Leute heute aus allen Lagern von Religionen und Weltanschauungen – zu Tausenden, überall in aller Welt. Und Er holt sie in seine Welt. Und Er wird auch heute welche von euch, die auf dem Boden der atheistischen oder irgend einer anderen Weltanschauung gestanden haben, auch von ihr sich welche von euch zu sich holen.
Und vor allem diese, die bereit sind zu sagen: „Jesus, ich will, dass mein Leben dir gehört. Und ich will dir gehorchen. Sei du der Herr in meinem Leben!“ Du behauptest vielleicht, du könntest als ein gebildeter Mensch so etwas nicht sagen, das wäre gegen alle Vernunft, dass man einen anspricht, der vor 2000 Jahren an einem Kreuz getötet worden ist. Ich will dir einmal etwas sagen: Das hat mit Vernunft oder Unvernunft gar nichts zu tun. Der Naeman hat sich nicht aus Vernunftgründen bei dem Untertauchen geweigert. Es war sein Stolz, der ihn daran gehindert hat. Und wenn du nicht an Gott glaubst, dann liegt das nicht daran, dass du so ein moderner und kluger und gebildeter Mensch bist, sondern weil du so ein eingebildeter und stolzer Mensch bist. Ich bin auch ein gebildeter und auch ein vernünftiger Mensch (da können wir jetzt uns darüber streiten), aber von mir hat Gott noch nie verlangt, dass ich meine Bildung oder meinen Verstand aufgeben soll. Und Er verlangt das von dir auch nicht. Er verlangt bloß, dass du deinen verdammten Stolz aufgibst und in dem Augenblick, wenn du das machst, kannst du auch an Gott glauben. Du brauchst bloß zu sagen: „Jesus, ich über-gebe dir mein Leben. Und es soll jetzt nicht mehr nach meinem Willen, sondern nur mehr nach deinem Willen gehen!“ – So einfach ist das. Du kommst mir jetzt noch vor wie so ein Aussätziger, wie einer, der draußen steht, der gar nicht kapiert, wovon die Christen reden, wovon hier gesprochen wird. Gib deinen Stolz auf und dann gehst du hin. Der Glaube fängt nicht da an, wo dein Verstand aufhört, sondern wo dein Stolz aufhört.
* * * *
[1] Hebräer 13, 8
[2] 2. Könige 5, 3
[3] In der DDR-Planwirtschaft war die Brigade die kleinste Arbeitsgruppe in Betrieben und Verwaltung. – Anm. des Schreibers.
[4] Theo Lehmann spielt wohl darauf an, dass von der Stasi gedungene Spitzel, deren Heimatgemeinde woanders war, seine Schlosskirchen-Gottesdienste besuchten, um ihn zu überwachen. – Anm. des Schreibers.
[5] Sprüche 3, 34
[6] 2. Könige 5, 8
[7] 2. Könige 5, 15